Gewässerschutzgesetz
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Vallender Klaus A.
Zweck
Dieses Gesetz bezweckt, die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Es dient insbesondere:
a. der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen;
b. der Sicherstellung und haushälterischen Nutzung des Trink‑ und Brauchwassers;
c. der Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt;
d. der Erhaltung von Fischgewässern;
e. der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente;
f. der landwirtschaftlichen Bewässerung;
g. der Benützung zur Erholung;
h. der Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs.
But
La présente loi a pour but de protéger les eaux contre toute atteinte nuisible. Elle vise notamment à:
a. préserver la santé des êtres humains, des animaux et des plantes;
b. garantir l’approvisionnement en eau potable et en eau d’usage industriel et promouvoir un usage ménager de l’eau;
c. sauvegarder les biotopes naturels abritant la faune et la flore indigènes;
d. sauvegarder les eaux piscicoles;
e. sauvegarder les eaux en tant qu’élément du paysage;
f. assurer l’irrigation des terres agricoles;
g. permettre l’utilisation des eaux pour les loisirs;
h. assurer le fonctionnement naturel du régime hydrologique.
Scopo
Scopo della presente legge è di proteggere le acque da effetti pregiudizievoli e in particolare di:
a. preservare la salute dell’uomo, degli animali e delle piante;
b. garantire l’approvvigionamento e promuovere un uso parsimonioso dell’acqua potabile ed industriale;
c. conservare i biotopi naturali per la fauna e la flora indigene;
d. conservare le acque ittiche;
e. salvaguardare le acque come elementi del paesaggio;
f. garantire l’irrigazione agricola;
g. permettere l’uso delle acque a scopo di svago e di ristoro;
h. garantire la funzione naturale del ciclo idrologico.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 13 |
III. | Kommentierung | 17 |
A. | Funktion von Art. 1 GSchG | 17 |
B. | Schutz vor nachteiligen Einwirkungen (Art. 1 Satz 1 GSchG) | 19 |
C. | Angestrebte Schutzziele (Art. 1 Satz 2 GSchG) | 23 |
1. | Überschneidungen mit anderen Gesetzen | 24 |
2. | Verhältnis der Ziele zueinander | 26 |
3. | Berücksichtigung der Ziele bei der Gesetzgebung | 29 |
4. | Konkretisierungen | 35 |
1. Die Entstehungsgeschichte des bundesrechtlich geordneten Gewässerschutzes der Schweiz gibt bereichsbezogen einen interessanten Einblick in die Entwicklung des Verhältnisses des Menschen zur Natur. Dabei sind insbesondere die folgenden fünf Etappen von Bedeutung: Bei der ersten Etappe steht der Schutz des Wassers durch die Fischereigesetzgebung im Vordergrund. Die zweite Etappe bildet der qualitative Gewässerschutz durch das GSchG 1955 (BG vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung). Als dritte Etappe ist das GSchG 1971 (BG vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung) zu nennen. Das geltende GSchG von 1991 mit seitherigen Änderungen (BG vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer) erweiterte den Schutzbereich durch den Einbezug des quantitativen Gewässerschutzes in beachtlicher Weise (4. Etappe). Im Zentrum der 5. Etappe steht die Verfolgung des Renaturierungsziels.
2. Da die genannten Etappen, die man aus heutiger Perspektive als fruchtbaren Trial and Error Prozess bewerten kann, zum Verständnis des zu kommentierenden Gesetzes, insbesondere seines Zweckartikels, beitragen, werden sie im Folgenden skizziert (vgl. zu den Entwicklungslinien Stutz, Abwasserrecht, 89 ff.).
3. In der ersten Etappe des Gewässerschutzes auf bundsrechtlicher Ebene ist die Gesetzgebung auf den Schutz der Fischgewässer ausgerichtet. Aus heutiger Sicht geradezu modern mutet in diesem Kontext Art. 21 des auf Art. 25 BV 1874 gestützten BGF 1888 an, vor allem, wenn man ihn im Kontext mit der SpezV BGF 1925 liest. Art. 21 BGF 1888 verbot es, «in Fischgewässer Fabrikabgänge oder andere Stoffe von solcher Beschaffenheit und in solchen Mengen einzuwerfen oder einfliessen zu lassen, dass dadurch der Fisch‑ und Krebsbestand geschädigt wird. Fabrikabgänge solcher Art sind in einer dem Fischbestand unschädlichen Weise abzuleiten.» Die genannte VO dehnte das Verbot der Einleitung von Fabrikabgängen auf Abfälle und Abwässer schlechthin aus (vgl. dazu Botschaft GSchG 1954, 20; weiter Stutz, Abwasserrecht, 94 ff. und Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 938). Auch wenn diese Regelung in erster Linie die Fischereiinteressen im Auge hatte (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 368; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 3 N 10), nimmt ihr dies objektiv gesehen ihre kluge, vorausschauende Stossrichtung in keiner Weise. Dies vor allem, wenn man berücksichtigt, dass, neben den unerlässlichen chemisch-physikalischen Analysen, Fische als Indikatoren für die Wasserqualität in hohem Mass geeignet sind. Fische eignen sich als Bioindikator. Hierunter versteht man «an organism used as a sensor to detect changes in its environment and to indicate whether life may be endangered.» (Holm, Fish as Bioinicator, 1; vgl. zu Erfahrungen in der Schweiz damit Burkhardt-Holm, Bioindikator Fisch, 7 ff.; weiter Cowx/Harvey/Noble et. al., Monitoring Fish Population, 55 ff.). Die WRRL sieht daher ausdrücklich auch eine fischbezogene Bewertungsmethode vor (WRRL Anhang V: 2.5 1. Zustand der Oberflächengewässer, 1.1 Qualitätskomponenten für die Einstufung des ökologischen Zustands, 1.1.1 Flüsse Biologische Komponenten: Zusammensetzung und Abundanz der Gewässerflora, Zusammensetzung und Abundanz der benthischen wirbellosen Fauna, Zusammensetzung, Abundanz und Altersstruktur der Fischfauna; vgl. zur WRRL, Rey/Müller, EG-WRRL, die das schweizerische Gewässerschutzrecht mit der Wasserrahmenrichtlinie der EU vergleichen, Überblick zum Anhang V WRRL, 75; vgl. zur Umsetzung das Beispiel Freistaat Thüringen anhand Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, Wasserrahmenrichtlinie, 1: «Die vielfältige natürliche Fischfauna – vom nur wenige Zentimeter kleinen Stichling bis zum meterlangen Hecht – stellt die unterschiedlichsten Ansprüche an den Lebensraum Gewässer. […] Um stabile Populationen zu bilden, benötigen Fische somit eine Vielfalt an Lebensbedingungen, so dass eine artenreiche Fischfauna nur bei einem intakten Gewässer anzutreffen ist»; vgl. weiter Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie).
4. Der Grund für die ungenügende Wirkung der Spezialverordnung lag ganz wesentlich im völlig mangelhaften Vollzug. Man sprach mit Bezug auf Art. 21 BGF 1888 nicht ohne Grund von toten Buchstaben (vgl. Zurbrügg, Régime des eaux, 314). Wenn die SpezV BGF 1925 von Bund und Kantonen konsequent vollzogen worden wäre, «so wäre der Erlass des GSchG kaum notwendig geworden.» (Schindler, Rechtsfragen, 415 f.).
5. Die beachtliche Gleichgerichtetheit der Ziele des Schutzes der Fischgewässer und des Gesundheitsschutzes des Menschen rückte erst sehr spät ins allgemeine Bewusstsein. So stellte ein eidgenössischer Fischereiinspektor 1952 fest, zahlreiche Gemeinden und Industrien könnten nicht verstehen, «dass ihnen für den Bau von Abwasserreinigungsanlagen finanzielle Opfer zugemutet werden, die bisweilen in die Hunderttausende, ja Millionen von Franken gehen, während der Ertragswert der zu schützenden Fischgewässer im Vergleich dazu in der Regel verschwindend klein ist.» (Matthey-Doret, Fischereigesetzgebung, 335). Und Schindler musste auch noch 1965 schliessen: «Die Erkenntnis, dass die Reinhaltung der Gewässer eine der Vorbedingungen des Fortbestandes und der Fortentwicklung unserer Zivilisation ist, ist noch kaum Allgemeingut geworden.» (Rechtsfragen, 395).
6. Die zweite Etappe bildete das erste Gewässerschutzgesetz vom 16. März 1955 (GSchG 1955). Als Verfassungsgrundlage diente Art. 24quater BV 1874, der am 6. Dezember 1953 von Volk und Ständen angenommen worden war und wie folgt lautete: «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der ober‑ und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigungen zu erlassen. Der Vollzug dieser Bestimmungen verbleibt unter der Aufsicht des Bundes den Kantonen.» Der Bund erhielt damit eine «umfassende Kompetenz zur Gesetzgebung über die Reinhaltung der Gewässer» (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9, N 371). Der quantitative Gewässerschutz war in dieser Kompetenz nicht inbegriffen (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 47).
7. Das GSchG 1955 sah gemäss Art. 2 Abs. 1 seinen Zweck in Massnahmen «zum Schutze der Gesundheit von Mensch und Tier, zur Verwendung von Grund‑ und Quellwasser als Trinkwasser, zur Aufbereitung von Wasser aus oberirdischen Gewässern zu Trink‑ und Brauchwasser, zur Benützung zu Badezwecken, zur Erhaltung von Fischgewässern, zum Schutze baulicher Anlagen vor Schädigung und zum Schutze des Landschaftsbildes.» Diese Zweckumschreibung bildet ein Spiegelbild der lange bestandenen Gefährdungen zahlreicher Schutzgüter durch die Auswirkungen der Gewässerverschmutzungen (hierzu grundlegend Schindler, Rechtsfragen, 397 ff.). Der Bundesrat sah es als erwiesen an, dass neben der Fischerei «allgemeinere Interessen von unvergleichlich höherer Bedeutung auf dem Spiele stehen. So ist die Verschmutzung der Oberflächengewässer und des Grundwassers geeignet, die Gesundheit von Mensch und Tier zu gefährden, die Verwendung als Trink‑ und Brauchwasser zu beeinträchtigen, bauliche Anlagen zu schädigen, den Badebetrieb und Wassersport einzuschränken und das Landschaftsbild zu stören» (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 20). Der Berichterstatter im Nationalrat illustrierte das Ausmass der Misere anhand von Zahlen. Seinen Angaben zufolge ergab sich 1954 «eine tägliche Schmutzmenge von 2,5 Millionen x 1,5 kg = 3,75 Millionen kg oder 3750 Tonnen = 375 Eisenbahnwagen Fäkalien und Schmutz, die täglich in die Gewässer abgeführt we[u]rden.» (AB N 1954, 260, Hervorhebung nur hier).
8. Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955 ging in seiner Bedeutung über eine reine Zweckbestimmung hinaus. Er bildete unter Beachtung von Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955, der vorschrieb, bei den Massnahmen Rücksicht zu nehmen u.a. «auf die wirtschaftliche und finanzielle Belastung», eine Rechtsgrundlage «für alle Schutzmassnahmen, die sich im einzelnen Falle in dem durch das Gesetz gezogenen Rahmen nach pflichtgemässem Ermessen der vollziehenden Behörde als gerechtfertigt erweisen, und verpflichtet die Behörde das Erforderliche anzuordnen» (BGE 86 I 187, 195, E. 5 [Hervorhebung nur hier]; vgl. weiter BGE 90 I 195, 198, E. 3; 92 I 409, 414, E. 4).
9. Gegenüber dem Schutz nach Fischereigesetz, das allein die oberirdischen Gewässer schützen wollte, wurde der Anwendungsbereich erweitert und auf die unterirdischen Gewässer ausgedehnt. Damit war auch der Grundwasserschutz explizit in das Zielsystem aufgenommen. Mit dem Inkrafttreten des GSchG 1955, im Jahre 1957, traten Art. 21 BGF 1888 und die erwähnte SpezV BGF 1925 ausser Kraft.
10. Gewisse Verschärfungen kennzeichnen die dritte Etappe, die Totalrevision von 1971; sie änderte zwar an der Grundkonzeption und den zentralen Zwecksetzungen nichts Wesentliches (Botschaft GSchG 1970, 436); war aber hinsichtlich der Mittel zur Zielerreichung «umfassender, klarer, strenger und wirksamer» angelegt (Hofmann [Berichterstatter im Ständerrat], AB 1971 S 116). Das GSchG 1955 hatte ja die in es gesetzten Erwartungen keineswegs erfüllt. Schon bald war angesichts der raschen industriellen Entwicklung und des Wachstums der Städte die fehlende Wirksamkeit des GSchG 1955 offensichtlich geworden. 1969 waren erst 43 % der Bevölkerung an Kläranlagen angeschlossen; Glarus und Basel-Stadt waren ohne Anlagen (vgl. Walter, Umweltgeschichte, 167 ff.). Zahlreiche Gewässer befanden sich in äusserst bedenklichem Zustand (vgl. Walter, Bedrohte Natur, 168; weiter z.B. den Bericht über den Bodensee anlässlich der vom St. Galler Apotheker Hans Stehle organisierten «Seeputzeten», Der Spiegel 46/1970 «Getrübte Träne»; dagegen Spiegel 16/2015: «Zu sauber zum Fischen»). Beachtlich ausgebaut wurden die Bundesbeiträge an «die Erstellung von Anlagen oder Einrichtungen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben auf dem Gebiete des Gewässerschutzes»(Botschaft GSchG 1970, 463 ff., 487 f.). Gesetzesbestimmungen, die sich nach Meinung der Landesregierung nicht bewährt hatten, wurden in das GSchG 1971 nicht mehr übernommen. Dazu zählte der Bundesrat namentlich den selbständigen Kompetenz‑ und Auftragscharakter, den das GSchG 1955 mit der Zwecksetzung verknüpfte (vgl. Botschaft GSchG 1970, 429 und 443; zur Rechtslage nach Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955; Schindler, Rechtsfragen, 436 f.). Weiter wurden bestimmte Abschwächungen aus dem Gesetz gestrichen. So z.B. Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955, der hinsichtlich Massnahmeneinsatz ausserhalb des Trinkwasserschutzes u.a. die Rücksichtnahme auf die «entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung» vorsah (Botschaft GSchG 1970, 439 f. und Schindler, Rechtsfragen, 437 f.); weiter Art. 5, der einen «scheinbaren» Vorbehalt bezüglich der Landwirtschaft enthielt (Botschaft GSchG 1970, 439). Sodann wurden die Haftungs‑ und Strafbestimmungen verschärft (Botschaft GSchG 1970, 473 ff.). In der Botschaft angesprochen wurde auch schon das unbefriedigende Fehlen eines quantitativen Gewässerschutzes. Die Ausarbeitung einer Verfassungsgrundlage wurde angekündigt (Botschaft GSchG 1970, 441).
11. Den Übergang zur vierten Etappe brachte das GSchG vom 24. Januar 1991. Sachlich zentraler Revisionsgrund des GSchG war das Fehlen eines quantitativen Gewässerschutzes. Entsprechend wurde der Titel des Gesetzes – dies der Konzepterweiterung durch Art. 24bis BV 1874 vom 7. Dezember 1975 gegenüber Art. 24quater BV 1874 folgend – «verallgemeinert». Wies der Titel der Gesetzesvorläufer noch auf die frühere Zweckbegrenzung – «Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung» – hin, wurde im geltenden GSchG diese Einschränkung fallengelassen, was der Einbezug des quantitativen Gewässerschutzes nahelegte (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1085; weiter Ruch, Umwelt, § 56 N 1820). Nicht unerwähnt bleiben darf neben dem zentralen Ziel des quantitativen Gewässerschutzes der Revision die Aufnahme von Grundsätzen zur Beschränkung von anderen Eingriffen, wie Eindolungen, Verbauungen, Aufschüttungen von Flachufern von Seen, Versiegelungen, Ausbeutungen von Kies, Sand und anderem Material (Botschaft GSchG 1987, 1092 f. und Entwurf BR 2. Titel, 3. Kapitel «Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer [Art. 37–44]).». Als wesentlicher Auslöser für die Gesetzesrevision wirkte die Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» (Botschaft GSchG 1987, 1061 ff.). Das GSchG bildete einen «indirekten Gegenentwurf zur Initiative» (Botschaft GSchG 1987, 1063). Der Zielkatalog entspricht, was den qualitativen Umweltschutz betrifft, im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955 bzw. Art. 2 Abs. 1 GSchG 1971 (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1084). Dies mit Ausnahme des Ziels der landwirtschaftlichen Bewässerung. Der quantitative Gewässerschutz, der in beiden genannten Vorläufern des geltenden Gesetzes nicht geregelt war, wurde im 2. Kapitel des 2. Teils des GSchG verankert.
12. Als fünfte Etappe – ohne den Eindruck erwecken zu wollen, der Prozess sei damit abgeschlossen – erscheint eine Rückbesinnung auf die in der Vergangenheit gemachten «Sünden» oder zielwidrigen Unterlassungen. Diese Rückschau findet ihren Ausdruck namentlich im Begriff der erforderlichen «Renaturierung» und der Sicherung und der extensiven Bewirtschaftung des Gewässerraumes sowie in der Einsicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Reduktion der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung (vgl. BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 9; weiter Griffel, Entwicklungen 2009, 16) ihre gesetzliche Ausprägung in der Änderung des GSchG vom 11. Dezember 2009 (BBl 2010 355 ff.) sowie in der GSchV in der Fassung vom 4. Mai 2011 (AS 2011 1955). Instrumental im Vordergrund stehen die Schaffung von Gewässerräumen von Fliessgewässern (Art. 36a GSchG; vgl. hierzu BGer 1C_505/2011, E. 3), die Revitalisierung von Gewässern (Art. 38a GSchG), die Verhinderung oder Beseitigung der die Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich beeinträchtigenden Wirkungen von Schwall und Sunk (Art. 39a GSchG) und solcher Wirkungen durch Änderungen des Geschiebehaushaltes (Art. 43a GSchG).
13. Grundlage für die Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes bildet Art. 76 BV. Art. 76 Abs. 1 BV enthält abstrakt formulierte Ziele, zu deren Erreichung der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten, wozu namentlich diejenigen gemäss Art. 76 Abs. 2 und Abs. 3 BV gehören, zu sorgen hat. Art. 76 Abs. 2 BV räumt dem Bund eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz ein betreffend die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen, die Nutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke und bezüglich anderer Eingriffe in den Wasserkreislauf.
14. Auf den Gebieten des qualitativen und quantitativen Gewässerschutzes, des Wasserbaus einschliesslich der Sicherheit der Stauanlagen und der Beeinflussung der Niederschläge hat der Bund umfassende Gesetzgebungskompetenzen (statt vieler Biaggini, Kommentar BV, Art. 76 N 4 f.). Art. 76 BV enthält – wie schon der Vorgängerartikel Art. 24bis BV 1874 – eine Gesamtkonzeption des für die Schweiz «besonders bedeutsamen Rechts des Wasserhaushalts und der Wasserwirtschaft» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 33 m.H.). Zugrunde liegt der «Gedanke einer umfassenden Ordnung in einem einheitlichen Akt» (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1). Diese Konzeption «ist formal nur auf Verfassungsstufe verwirklicht» (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1). Anvisiert werden nach Art. 76 Abs. 1 BV die haushälterische Nutzung und der Schutz der Wasservorkommen sowie die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers. Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft werden auf Verfassungsebene als Einheit erfasst. Der einzelne Fluss bzw. Bach, See und das Grundwasser erscheinen als Elemente des Gesamtsystems, was den natürlichen Gegebenheiten entspricht, auf welche die Verfassung in Art. 76 BV (früher Art. 24bis BV 1874) Bezug nimmt (vgl. Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 3; weiter Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2). Die auf Verfassungsebene angelegte Gesamtkonzeption macht deutlich, dass der Verfassungsgeber dem Gesetzgeber mit der Zielvorgabe in Art. 76 Abs. 1 BV – «als Zielbestimmung und Auslegungshilfe für das gesamte Wasserrecht des Bundes» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2) – einen Interessenausgleich aufträgt. Dabei sticht die Höherbewertung des qualitativen im Vergleich zum quantitativen Gewässerschutz ins Auge. «So wird der qualitative Schutz (Abs. 3) nicht durch Rücksichtnahmen auf andere Interessen relativiert. […] Beim quantitativen Schutz, der primär auf Regenerationsfähigkeit ausgerichtet ist, differenziert die Verfassung: Die Nutzung von Wasservorkommen durch den Menschen schränkt sie weder für einzelne Zwecke ein, noch priorisiert sie diese nach bestimmten Kriterien (Abs. 2). Wo das Wasser dagegen ausschliesslich als Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen dient, bleibt der quantitative Schutz auf angemessene Restwassermengen beschränkt (Abs. 3)» (Brunner/Looser, Schutzintensität, 35). Der Begriff Gewässerschutz in Art. 76 Abs. 3 BV bezieht sich nach h.L. auf den qualitativen Gewässerschutz, der neben Verunreinigungen auch «alle anderen schädlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen des Wassers erfasst […]», während sich die Kompetenz bezüglich quantitativem Gewässerschutz «soweit es nicht um den in Abs. 3 explizit erwähnten Restwasserschutz geht» auf die Grundsatzgesetzgebung im Sinne von Art. 76 Abs. 2 BV beschränkt (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 18; gleicher Meinung Caluori/Griffel, BSK BV, Art. 76 N 37). Diese eher enge Interpretation wird nicht einhellig vertreten. Bundesrat und Parlament gehen offenbar «von einem weiteren, umfassenden Sinn des Begriffs ‚Gewässerschutz’ in Art. 76 Abs. 3 aus» (Marti, St. Galler Kommentar zu Art. 76 N 18; ebenso Caluori/Griffel, BSK BV, Art. 76 N 37). Jedenfalls ging die UREK-S in ihrem Bericht vom 3. September 2012 betreffend Standesinitiative vom 16. Juni 2010 – es ging dabei um die ausnahmsweise Ermöglichung der Umlegung und gleichzeitigen Aufwertung von unverbauten und unkorrigierten natürlichen Fliessgewässern, wenn die Errichtung einer neuen Deponie für ausschliesslich unverschmutzten Aushub dies zwingend erforderlich macht (geltendes Recht Art. 37 Abs. 1 Bst. bbis GSchG) – von einer Abstützung auf Art. 76 Abs. 3 BV aus (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, BBl 2012 9407 ff., 9412: «Die Vorlage stützt sich auf Art. 76 Abs. 3 der Bundesverfassung, welcher dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen.»). Es ist offenkundig, dass die vielfältigen (Wasser‑)Nutzungsinteressen in einem Spannungsverhältnis zum qualitativen und quantitativen Gewässerschutz stehen (vgl. hierzu auch Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 377: «Die Nutzungen des Wassers durch den Menschen sind denn auch äusserst vielfältig. Stichwortartig seien nur die wichtigsten genannt: Trinkwasserversorgung und Hygiene; Brauchwasser für die Industrie; Bewässerung; Energiegewinnung; Erholung und Sport; Fischerei; Schifffahrt; Kühlung und Wärmegewinnung.»; s. auch die Übersicht «Verschiedene Ansprüche an die Wassernutzung» bei Stutz, Abwasserrecht, 10).
15. Auf Gesetzesstufe findet die Gesamtkonzeption ihren Niederschlag in verschiedenen Gesetzen mit getrennten Ordnungen, namentlich für den Wasserbau, die Wasserkraftnutzung, die Fischerei und den Gewässerschutz. Zu nennen sind insbesondere das WBG, StAG, WRG, BGF und das geltende GSchG. Die genannten Gesetze (bzw. ihre Vorläufer) spannen den Bogen über die damit repräsentierten Grundanliegen – Schutz vor dem Wasser (Hochwasserschutz etc.), Wasserkraftnutzung und Schutz des Wassers – oder mit den (vielzitierten) Worten des Altmeisters des Wasserrechts, Riccardo Jagmetti: sie zeigen den Weg «vom Schutz des Menschen vor dem Wasser über die Nutzung des Wassers zum Schutz des Wassers vor dem Menschen» (Jagmetti, Energierecht, § 4 N 4118, 412; ebenso Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24 N 3; ebenso Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1; vgl. zum weiten Verständnis des Begriffs «Wasserwirtschaft», die Nutzung, die Abwehr und den Schutz umfassend, BAFU, Koordination, 14 f.). Das WBG, das BGF und das GSchG wurden allesamt 1991 revidiert und «je mit einem ganzheitlichen, auch der Ökologie verpflichteten Ansatz neu gefasst und inhaltlich, soweit sich die Regelungsbereiche touchieren, weitgehend koordiniert.» (Brunner, Fallstudie, 154).
16. Mit dem GSchG erfüllt der Bundesgesetzgeber namentlich Aufträge aus Art. 76 Abs. 2 BV, wonach der Bund Grundsätze festlegt über die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen, die Nutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke sowie andere Eingriffe in den Wasserkreislauf und aus Art. 76 Abs. 3 BV, demgemäss er (der Bund) Vorschriften erlässt über den Gewässerschutz, die Sicherung angemessener Restwassermengen, den Wasserbau, die Sicherheit der Stauanlagen und die Beeinflussung der Niederschläge. Inhaltlich entspricht Art. 76 BV dem früheren Art. 24bis aBV (vgl. Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 BV N 1). Art. 1 GSchG enthält, wie die Vorgängerbestimmungen, eine nicht abschliessende Aufzählung der Zwecke des Gesetzes. Ebenso wie bei der Gesetzesrevision 1971 verzichtet der Gesetzgeber in Art. 1 GSchG darauf, Aufträge zu erteilen oder Massnahmen anzusprechen.
17. Art. 1 GSchG trägt die Überschrift «Zweck». Er gibt als typischer Zweckartikel Auskunft über die Absichten des Gesetzgebers – Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen – und nennt Beispiele für die mit dem Gesetz zu erreichenden Ziele (vgl. zu Zweckbestimmungen ganz allgemein, Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, 195, N 3). Massnahmen zur Zielerreichung lassen sich auf ihn allein nicht abstützen (s. zur anderen Konzeption des Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955, vgl. N 8). Es trifft zu, dass Art. 1 GSchG, jedenfalls für sich allein betrachtet, «kaum normativen Gehalt hat» (Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, 222, Fn. 904, Hervorhebung nur hier). Hierfür spricht auch, dass Art. 1 GSchG von der bundesgerichtlichen Praxis als nicht sehr relevant erachtet wird, tritt doch der Zweckartikel in den Leitentscheiden des Bundesgerichtes «kaum» in Erscheinung. Sieht man Art. 1 GSchG allerdings im Kontext mit den im Gesetz vorgesehenen Massnahmen, wandelt sich das Bild.
18. Art. 1 Satz 1 GSchG legt fest, dass die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen sind. Art. 1 Satz 2 GSchG sagt beispielhaft, wozu der Schutz zu erfolgen hat, d.h. welchen Zielen er dient. Aufschluss über das jeweilige Ziel und sein relatives Gewicht, ergeben einerseits die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen (Mittel zur Zielerreichung) und andererseits insbesondere Vorschriften, die der Gesetzgeber den rechtsanwendenden Behörden im Sinne von Vorgaben für die Interessenabwägung macht (Anwendungshinweis bei N 34). Dies namentlich im Hinblick auf die Verwirklichung von Zielen, die zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen.
19. Nach Art. 1 Satz 1 GSchG bezweckt das Gesetz, die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen durch den Menschen zu schützen. Gemeint sind damit anthropogene Eingriffe mit Bezug auf die Wasserqualität, die Wassermenge oder andere nachteilige Einflüsse (z.B. Wassertemperatur).
20. Schutz vor «nachteiligen Einwirkungen» macht deutlich, dass nicht nur der Schutz vor Verunreinigungen im engeren Sinn gemeint ist, sondern ein weiterer Begriff zugrunde liegt. Der Gesetzgeber versteht darunter Verunreinigungen und andere Eingriffe, «welche die Gestalt eines Gewässers beeinträchtigen» (Art. 4 Bst. c GSchG), wobei der Begriff Verunreinigung jede «nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers» einschliesst (Art. 4 Bst. d GSchG).
21. Mit diesem weiten Schutzspektrum — alle nachteiligen Einwirkungen umfassend — soll der Schutz die Gewässer in ihrer Gesamtheit erreichen, was die instrumentelle Umsetzung in den Art. 6–28 GSchG betreffend den qualitativen und in den Art. 29–36 GSchG hinsichtlich des quantitativen Gewässerschutzes bestätigt (vgl. Rüegger, Wasserzugang, 80). Diese Konzeption lehnt sich an diejenige des USG an, nach dessen Art. 8 Einwirkungen sowohl einzeln als auch gesamthaft nach ihrem Zusammenwirken beurteilt werden.
22. Bezüglich des Gewässerbegriffs folgt der Gesetzgeber hier der bisherigen Konzeption, wonach mit «die Gewässer», was Art. 2 GSchG mit der Umschreibung des sachlichen Geltungsbereichs bestätigt, «alle ober‑ und unterirdischen Gewässer» gemeint sind; dies der Konzeption des Art. 76 BV folgend (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2.). Eine Legaldefinition des Gewässers enthält das GSchG nicht. Der Begriff des Gewässers ist nicht gleichzusetzen mit dem des Wassers. Er hat nach der Rechtsprechung des BGer «einen engeren, auf den Wasserhaushalt der Natur bezogenen Sinngehalt und ist im Rahmen des GSchG in diesem Sinne zu verstehen» (BGE 107 IV 63, 65, E. 2).
Aus der Aufzählung der Schutzfunktionen schliesst das BGer überzeugend, «dass dem Gesetz nur Wasser als Teil des natürlichen Wasserkreislaufs unterstellt werden sollte […], ob dieses auf oder unter der Erde, in einem natürlichen oder einem künstlichen Bett (Kanälen, Becken usw.) fliesst oder steht […], ist solange belanglos, als es in jenem Kreislauf bleibt. Wo es jedoch aus diesem ausgeschieden, von ihm abgesondert wird, wie das gerade bei Abwässern der Fall ist, die in Kanalisationen und Kläranlagen geleitet werden, um die natürlichen biologischen Verhältnisse des Wasserhaushaltes vor Verunreinigungen zu schützen, […] da hat man es nicht mit Gewässern im Sinne des GSchG zu tun, die dem besonderen Schutz dieses Gesetzes unterstehen.» (BGE 107 IV 63, 65 f., E. 2).
23. Art. 1 Satz 2 GSchG enthält eine nicht abschliessende Aufzählung angestrebter Schutzziele und erläutert damit beispielhaft, welche Ziele mit dem Schutz vor nachteiligen Einwirkungen erreicht werden sollen.
1. Überschneidungen mit anderen Gesetzen
24. Die Ziele bilden eine Weiterentwicklung derjenigen der Vorläufer des GSchG und überlappen sich zum Teil mit denjenigen anderer Gesetze. So bestehen beispielsweise Überschneidungen mit dem USG. Dies nicht nur – wie oben gesagt – methodisch-konzeptionell, sondern auch hinsichtlich einzelner Schutzziele. So könnte man den Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen (Art. 1 Bst. a GSchG), die Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt (Art. 1 Bst. c GSchG), die Erhaltung von Fischgewässern (Art. 1 Bst. d GSchG) und die Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs (Art. 1 Bst. d GSchG) sowie die Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Bst. e GSchG) durchaus als gewässerschutzbezogene Konkretisierungen des Art. 1 USG interpretieren, wonach das Gesetz (USG) Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten soll. Auch der zentrale Begriff der Einwirkungen gemäss Art. 7 Abs. 1 USG, wonach Einwirkungen u.a. Gewässerverunreinigungen oder andere Eingriffe in Gewässer sind, kann als eine allgemeinere Fassung der oben (N 20) erläuterten Einwirkungen nach Art. 4 Bst. c GSchG angesehen werden.
25. Von besonderer Bedeutung sind sodann die Vorschriften, welche die rechtsanwendenden Behörden verpflichten, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Gewässerschutzziele zu beachten. Als Beispiele genannt seien Art. 1 Bst. a und Art. 3 Abs. 1 NHG (hierzu BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013, E. 5.2) und Art. 22 Abs. 2 WRG betreffend den Landschaftsschutz. Überlappungen gibt es weiter in beachtlichem Mass mit dem BGF. Dies wird schon in Art. 1 Bst. a BGF deutlich, wonach das Gesetz bezweckt, die natürliche Artenvielfalt und den Bestand einheimischer Fische, Krebse und Fischnährtiere sowie deren Lebensräume zu erhalten. Zur Erreichung der Ziele sieht das BGF in Art. 8 Abs. 1 u.a. eine fischereirechtliche Bewilligungspflicht für technische Eingriffe in die Gewässer, ihren Wasserhaushalt oder ihren Verlauf sowie Eingriffe in die Ufer, den Grund von Gewässern vor, soweit die Eingriffe Interessen der Fischerei berühren können. Art. 8 Abs. 2 BGF enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der bewilligungspflichtigen Eingriffe (Nutzung der Wasserkräfte; Seeregulierung, Fluss‑ und Bachverbauungen sowie Uferrodungen; die Schaffung künstlicher Fliessgewässer; maschinelle Reinigungsarbeiten in Gewässern; die Gewinnung und das Waschen von Kies, Sand und anderen Stoffen in Gewässern; Wasserentnahmen, Wassereinleitungen; landwirtschaftliche Entwässerungen; Verkehrsanlagen; Fischzuchtanlagen). Der Gesetzgeber nimmt die Überschneidungen teilweise wahr und wirkt Doppelspurigkeiten entgegen. So ist z.B. nach Art. 8 Abs. 4 BGF keine Bewilligung nach dem BGF für Wasserentnahmen nötig, falls ein Bewilligungsverfahren nach Art. 29 ff. GSchG durchgeführt wird, weil diese in der umfassenderen Bewilligung nach GSchG enthalten ist (BGE 125 II 18, E. 4a/bb [Elektrizitätswerke Wynau AG]; weiter BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013, E. 4.2 [Simmentaler Kraftwerke AG]; vgl. weiter Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, 224 N 926 und 324 N 1366 f.).
2. Verhältnis der Ziele zueinander
26. Ziele der Verfassung oder Ziele der Gesetze können grundsätzlich in einem harmonischen, neutralen oder antinomischen Verhältnis zueinander stehen (vgl. Vallender/Morell, Umweltrecht, § 4 N 5). Im vorliegenden Fall verhalten sich die Ziele Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen, Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt, Erhaltung von Fischgewässern, Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente und Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufes zueinander harmonisch.
27. Versteht man die haushälterische Nutzung im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips gemäss Art. 73 BV so, «dass die Wasservorkommen als natürliche Ressource so zu nutzen sind, dass die Nutzung nicht auf eine Zerstörung der Ressource hinausläuft und dass andere Funktionen und Nutzungsarten der Ressource im Rahmen einer Güterabwägung zu berücksichtigen sind» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 3), steht auch die Sicherstellung und haushälterische Nutzung des Trink‑ und Brauchwassers (Bst. b) grundsätzlich in einem harmonischen Verhältnis zu den genannten Zielen (Bst. a, c, d, e und h). Demgegenüber stehen die landwirtschaftliche Bewässerung (Bst. f) und die Benützung zur Erholung (Bst. g) zu den zuerst genannten Zwecken zwar nicht unbedingt in einem antinomischen Verhältnis, aber doch zumindest potentiell in einem Spannungsverhältnis.
28. Bei der Interpretation der vom Wortlaut her klar erscheinenden Zielumschreibung in Art. 1 Satz 2 GSchG ist zu beachten, dass die Formulierung namentlich der Ziele der Bst. c und d die Relativität der einzelnen Zwecke deutlich werden lässt. Es heisst nicht, das Gesetz diene der Erhaltung der natürlichen Lebensräume oder der Fischgewässer, sondern der Erhaltung natürlicher Lebensräume und der Erhaltung von Fischgewässern.
3. Berücksichtigung der Ziele bei der Gesetzgebung
29. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, hinsichtlich der vorgegebenen Ziele eine Optimierung anzustreben, also möglichst alle Ziele zur Entfaltung zu bringen und vereinseitigende Lösungen zu vermeiden (vgl. hierzu Vallender/Morell, Umweltrecht, § 1 N 12 ff.). Dieser Prozess dürfte nie ganz abgeschlossen sein; dies namentlich schon deshalb nicht, weil die Gefährdungen der einzelnen Ziele sich im Zeitablauf ändern. So werden beispielsweise bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 % «organische Spurenstoffe in Konzentrationen gemessen, welche die Fortpflanzung und Entwicklung empfindlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen beeinträchtigen», welche in dieser Menge und Zusammensetzung in früheren Jahren noch nicht existierten oder festgestellt wurden (Botschaft GSchG 2013, 5552). Unter «Mikroverunreinigungen» «können Schwermetalle, Farben, Lösungs‑, Flammschutz‑, Pflanzenschutz‑, Gefrierschutz‑ und Kältemittel, pharmazeutische Wirkstoffe, Hormone und hormonähnliche Verbindungen, Treibstoffe und deren Zusatzstoffe, Weichmacher und andere Stoffgruppen fallen» (Stutz, Herausforderungen, 513; vgl. weiter BAFU, Mikroverunreinigungen, 178 ff.). Hinsichtlich vieler mittlerer und grosser Flüsse stammt der Hauptteil der Mikroverunreinigungen «aus den Abwasserreinigungsanlagen [ARAs]. Rund 4800 km des insgesamt 65 000 km langen Gewässernetzes sind in der Schweiz mit Abwasser aus diesen Punktequellen belastet. Eine erste Anlage weist in der Schweiz bereits eine zusätzliche Klärstufe zum Entfernen von Mikroverunreinigungen auf. […] In kleineren Bächen sind diffuse Quellen für die Belastung mit Mikroverunreinigungen verantwortlich.» (Schweizerischer Bundesrat, BR-Bericht 2015, 69; vgl. aus aktuellem Anlass St. Galler Tagblatt, 28.9.2015: «Herisau bekommt die sauberste Kläranlage der Schweiz». Bezug genommen wird auf die Eröffnung der «Abwasserreinigungsstufe mit Pulveraktivkohle»). Nach der Änderung des GSchG vom 21. März 2014 (AS 2014 3327; tritt auf den 1. Januar 2016 in Kraft) gewährt der Bund den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und der verfügbaren Mittel Abgeltungen an die Erstellung und die Beschaffung von a. Anlagen und Einrichtungen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen, soweit sie zur Einhaltung der Vorschriften über die Einleitung von Abwasser in Gewässern erforderlich sind b. Kanalisationen, die anstelle von Anlagen und Einrichtungen nach Bst. a erstellt werden (Art. 61a GSchG). Die Finanzierung erfolgt mittels einer Abwasserabgabe des Bundes (Art. 60b GSchG).
30. Anders als bei der End-of-Pipe-Lösung bei den ARAs sind bei Mikroverunreinigungen aus diffusen Einträgen Massnahmen an den Quellen nötig (vgl. hierzu BAFU, Diffuse Einträge, 71).
31. Da die Gewässerschutzgesetzgebung entsprechend den Vorgaben der Bundesverfassung teilweise gegenläufige Schutz‑ und Nutzungsinteressen verfolgt, wird die Koordination auf Gesetzesebene und auf der Ebene der Rechtsanwendung zur Voraussetzung des Gelingens optimaler Rechtsverwirklichung (vgl. zu den Rechtsgrundlagen BAFU, Koordination, 11 ff. und 38 ff.). Was den Bereich der Rechtsanwendung betrifft, enthalten Art. 25a RPG und Art. 46 GSchG die zentralen Vorgaben hinsichtlich koordinierter Rechtsanwendung.
32. Noch immer an erster Stelle nennt das GSchG – was die anthropozentrische Ausrichtung der Gewässerschutzgesetzgebung unterstreicht – das Gesundheitsziel, das schon in den GSchG 1955 und 1971 (jeweils Art. 2) die Zielliste anführte, allerdings ohne dass in diesen Gesetzesbestimmungen die Pflanzen genannt waren. Die Hinzufügung der Pflanzen zur Trias – Mensch, Tier, Pflanzen – und auch die sonstige Weiterentwicklung der beispielhaften Aufzählung der Zwecke in Art. 1 GSchG – namentlich die Aufnahme von Bst. c – Erhaltung natürlicher Lebensräume – entspricht der Einsicht, dass auch im Bereich des Wassers auf Dauer nur eine ökologische Gesamtsicht zu befriedigenden nachhaltigen Ergebnissen führen kann.
33. Hinweise darauf, wie der Gesetzgeber die Zwecke, die er in Art. 1 Satz 2 Bst. a–h GSchG nennt, versteht und gewichtet, ergeben sich namentlich aus der Betrachtung der Instrumente und der Vorgaben für Interessenabwägungen, die das Gesetz vorsieht.
34. Illustrativ ist diesbezüglich die Regelung der Sicherung angemessener Restwassermengen (2. Kapitel, Art. 29–36 GSchG) als Mittel zur Zielerreichung namentlich der Ziele der Erhaltung natürlicher Lebensräume, der Erhaltung von Fischgewässern und der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Satz 2 Bst. c, d, e). Im Mittelpunkt stehen hier vor allem die in Art. 31–35 GSchG geregelten im Rahmen des Bewilligungsverfahrens (Art. 29 GSchG) zu prüfenden Anforderungen an Wasserentnahmen (Mindestwassermenge, Art. 31 GSchG; Ausnahmen, Art. 32 GSchG; Erhöhung der Mindestwassermenge gemäss Art. 33 GSchG und hier insbesondere die Vorgaben für die Interessenabwägung [Art. 33 Abs. 2 und Abs. 3 GSchG]; allgemeiner Hinweis in N 18). So bestimmt beispielsweise Art. 31 Abs. 1 GSchG die Mindestrestwassermengen bei Wasserentnahmen und Art. 31 Abs. 2 Bst. a bis e umschreiben die Tatbestände, welche die Pflicht zur Erhöhung dieser in Art. 31 Abs. 1 GSchG geregelten Mengen auslösen (vgl. als gutes Anwendungsbeispiel BGE 140 II 262, 274 f., E. 6.3).
4. Konkretisierungen
35. Sodann zeigt das Verordnungsrecht, wie der Verordnungsgeber die Gesetzesziele konkretisiert. Die GSchV regelt u.a. die ökologischen Ziele für Gewässer (Art. 2 Bst. a GSchV) sowie die Anforderungen an die Wasserqualität (Art. 2 Bst. b GSchV). Schon die AbwV 1975 enthielt die Gesetzeszwecke konkretisierende Qualitätsziele für Fliessgewässer und Flussstaue (Art. 1) und für stehende Gewässer (Art. 2) (vgl. hierzu Bundi, Ziele, 39 f.). Die verbalen Qualitätsziele für Gewässer und Gewässerqualität, welche die geltende GSchV in Art. 2 Abs. 1 Bst. a und b nennt und die Anh. 1 (für oberirdische und unterirdische Gewässer), Anh. 2 (hinsichtlich Wasserqualität) und Anh. 4a (bezüglich Planung zur Sanierung bei Schwall und Sunk sowie des Geschiebehaushalts) vorsehen, können als Weiterentwicklung und Erweiterung der Vorschriften der Qualitätsziele der AbwV 1975 verstanden werden (vgl. zur empfohlenen Vorgehensweise beim Vollzug, BAFU, Methoden, 5: Liechtis Bericht beschreibt «Methoden, mit welchen Fliessgewässer anhand chemisch-physikalischer Kenngrössen beurteilt werden können. Die Beurteilung orientiert sich an den Anforderungen an die Wasserqualität, wie sie im Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung beschrieben sind: Die numerischen Anforderungen werden direkt übernommen, die verbalen Anforderungen in nummerische Grössen umgesetzt.»).
36. Im Vordergrund stehen hinsichtlich der Ziele betreffend die oberirdischen Gewässer der Schutz der Lebensgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen und der von ihnen beeinflussten Umgebung. Diese Lebensgemeinschaften sollen naturnah und standortgerecht sein sowie sich selbst reproduzieren und regulieren (Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. a GSchV) und eine Vielfalt und Häufigkeit der Arten aufweisen, die typisch sind für nicht oder nur schwach belastete Gewässer des jeweiligen Gewässertyps (Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. b GSchV). Für Fliessgewässer enthält Anh. 2 der GSchV weitere verbale Anforderungen und Grenzwerte. Der Leitgedanke der gewässerschutzrechtlichen Massnahmen zur Erreichung der ökologischen Ziele für Gewässer besteht im Bestreben, naturnahe Gewässer zu erreichen (vgl. Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 380), was namentlich als Konkretisierung von Art. 1 Satz 2 Bst. c GSchG erscheint und mit den Bst. a, d, e und h in einem harmonischen Verhältnis steht. Bst. c zielt auf den Biotopschutz. Das Gewässer – z.B. ein Bach – ist als Lebensraum für die davon abhängige Tier‑ und Pflanzenwelt zu erhalten (BGE 120 Ib 233, 246, E. 7d). Naturnahe Gewässer entsprechen zugleich dem Ziel der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Bst. e GSchG), das ebenso wie dasjenige der Erhaltung von Fischgewässern (Art. 1 Bst. d GSchG) insbesondere durch übermässige Wasserentnahme und durch Verbauungen beeinträchtigt werden kann. Die Interpretation des Ziels der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente durch das BGer zeigt wiederum deutlich die anthropozentrische Ausrichtung des Gesetzes, hängt doch der Grad der Schutzwürdigkeit einer Restwasserstrecke nicht zuletzt auch von der guten oder weniger guten Einsehbarkeit der Strecke ab (BGer 1C_283/2012 vom 2. April 2014, E. 8.4.3). Art. 1 Bst. d GSchG (Erhalt der Fischgewässer) wird im Regelfall entsprochen, wenn der Biotopschutz gelingt. Er kann demzufolge als Spezialnorm zu Bst. c verstanden werden. Neben der Gewässerverschmutzung bedrohen insbesondere Verbauungen und Wasserentnahmen die Fischgewässer. Hinsichtlich letzterer sind Art. 29–35 GSchG massgebend (Bewilligungspflicht [Art. 29 GSchG]; Voraussetzungen für die Bewilligung [Art. 30 GSchG]; Mindestrestwassermenge [Art. 31 GSchG]; Ausnahmen [Art. 32 GSchG]; Erhöhung der Mindesrestwassermenge [Art. 33 GSchG] letzterer konkretisiert Art. 1 GSchG in mehrfacher Hinsicht). Von besonderem Wert sind Fischereigewässer, die als Lebensraum für Jungfische dienen. Ein Bach sollte daher trotz Wasserentnahmen seine Funktion als Fischaufzuchtgebiet erfüllen können. Zudem muss auch nach allfälligen Wasserentnahmen grundsätzlich die freie Fischwanderung gewährleistet sein (BGE 120 Ib 233, 246, E. 7b).
37. Eine Reihe von Vorschriften der GSchV fördert zugleich die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den teilweise gegenläufigen Zielen des Art. 1 GSchG. So wird die Zulässigkeit von Wasserentnahmen, Wassereinleitungen und baulicher Eingriffe zu Recht vorausgesetzt, zugleich aber festgehalten, dass hierdurch die Hydrodynamik, die Morphologie und die Temperaturverhältnisse des Gewässers nicht derart verändert werden dürfen, dass dessen Selbstreinigungsvermögen vermindert wird oder die Wasserqualität für das Gedeihen der für das Gewässer typischen Lebensgemeinschaften nicht mehr genügt (Anh. 2 Ziff. 12 Abs. 3 GSchV). Sodann wird von der Zulässigkeit von Wärmeeinträgen oder ‑entzügen ausgehend festgelegt, dass hierdurch die Temperatur eines Fliessgewässers gegenüber dem möglichst unbeeinflussten Zustand höchstens 3° C, in Gewässerabschnitten der Forellenregion um höchstens 1,5° C, verändert werden und die Wassertemperatur dabei 25° C nicht übersteigen darf (Anh. 2 Ziff. 12 Abs. 4 GSchV).
Résumé
En partant du principe que le développement durable selon l’art. 73 Cst. requiert l’établissement d’un équilibre durable entre la nature et son utilisation par l’être humain, dont la capacité de renouvellement est la caractéristique de cet équilibre, l’art. 1 2ème phrase LEaux met en évidence que le législateur aspire, dans une vision anthropocentrique, à une utilisation durable de l’eau par l’être humain. La sauvegarde des biotopes naturels abritant la faune et la flore indigènes (let. c), la sauvegarde des eaux piscicoles (let. d) et la sauvegarde du fonctionnement naturel du régime hydrologique (let. h) sont les conditions préalables nécessaires pour l’objectif de la préservation de la santé des êtres humains, des animaux et des plantes (let. a), la garantie de l’approvisionnement durable en eau potable et en eau d’usage industriel et de leur usage ménager (let. b), l’irrigation (durable) des terres agricoles (let. f), la sauvegarde des eaux en tant qu’élément du paysage (let. e) et l’utilisation des eaux pour les loisirs (let. g).
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Autor: Thurnherr Daniela
Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für alle ober‑ und unterirdischen Gewässer.
Champ d’application
La présente loi s’applique aux eaux superficielles et aux eaux souterraines.
Campo d’applicazione
La presente legge si applica a tutte le acque, superficiali o sotterranee.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 3 |
III. | Kommentierung | 5 |
A. | Gewässer | 5 |
1. | Begriffselemente | 5 |
2. | Abgrenzungen | 9 |
B. | Reichweite mit Blick auf unterschiedliche Gewässertypen | 16 |
1. Art. 2 GSchG, der den Geltungsbereich des Gewässerschutzgesetzes absteckt, ist insofern knapper formuliert als seine Vorgängerbestimmungen (Art. 1 GSchG 1971 bzw. Art. 1 GSchG 1955), als er lediglich auf «alle ober‑ und unterirdischen Gewässer» verweist. Die Erwähnung der unterirdischen Gewässer diente ursprünglich primär der Klarstellung von deren Einbezug in das Gesetz (s. Botschaft GSchG 1954, 335).
2. Nicht mehr explizit hingewiesen wird auf die bisher genannten «natürlichen und künstlichen, öffentlichen und privaten Gewässer mit Einschluss der Quellen». Materielle Änderungen sind damit nicht verbunden; es handelt sich lediglich um eine «redaktionelle Vereinfachung» (Botschaft GSchG 1987, 1104); die erwähnten Gewässerarten fallen daher nach wie vor in den Geltungsbereich des GSchG.
3. Mit der Umschreibung des Geltungsbereichs präzisiert der Gesetzgeber die Reichweite des Zweckartikels von Art. 1 GSchG, der lediglich auf den Schutz der Gewässer als solche Bezug nimmt. Er knüpft an die Kompetenzbestimmung von Art. 76 Abs. 3 BV an, die eine umfassende Rechtsetzungszuständigkeit des Bundes unter anderem zum Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung und die Sicherung angemessener Restwassermengen statuiert (dazu statt vieler Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 18 f.). Die Bestimmung von Art. 2 GSchG wiederum wird – was die ober‑ und unterirdischen Gewässer anbelangt – in Art. 4 Bst. a und b GSchG näher umschrieben.
4. Wenngleich das GSchG für den Schutz der Gewässer von zentralster Bedeutung ist, dienen auch andere umweltbezogene Erlasse deren Bewahrung. Begründet ist dies in den unterschiedlichen sektoriellen Regelungsperspektiven der einschlägigen Gesetze: So reguliert beispielsweise das GTG mit dem Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eine bestimmte Tätigkeit (s. Art. 3 Abs. 1 GTG), die sich auch auf den Zustand der Gewässer auswirken kann. Steht der Schutz spezifischer Umweltmedien im Zentrum, kann aufgrund der Interdependenzen mit den Gewässern auch eine Schutzwirkung für Letztere verbunden sein. Dies gilt etwa für die im USG geregelte Sanierung belasteter Standorte (Art. 32c ff. USG), die nicht zuletzt auch der Verhinderung der Verunreinigung ober‑ und unterirdischer Gewässer dient.
1. Begriffselemente
5. Aus Art. 2 GSchG resultiert, dass die «Gewässer» den Oberbegriff für sämtliche vom Geltungsbereich des Gesetzes erfassten Wasseransammlungen bilden. Dieser Terminus wird allerdings weder im GSchG noch in der GSchV definiert. Er erfährt lediglich in Art. 4 Bst. a und b GSchG in Verbindung mit den Adjektiven ober‑ bzw. unterirdisch eine Konkretisierung, wobei das Hauptaugenmerk auf dieser Differenzierung und nicht auf der Abgrenzung gegenüber Nicht-Gewässern liegt. Abgesehen davon, dass diese Umschreibungen dennoch gewisse Rückschlüsse auf den Begriffsgehalt zulassen, ist bei dessen Konkretisierung – neben der umgangssprachlichen Bedeutung – primär auf die Ratio Legis abzustellen.
6. Gewässer werden in allgemeiner Weise als «Ansammlung von Wasser auf oder unter der Erdoberfläche» (so VSA, Glossar) bzw. als «in der Natur fliessendes oder stehendes Wasser einschliesslich Gewässerbett und Grundwasserleiter» (so DIN 4049 Teil 1 Nr. 1.10) definiert. Teilweise wird explizit gefordert, dass die Ansammlung natürlicher Art sei (so Duden online). Diese Definitionen sind mit Blick auf das GSchG zu präzisieren:
7. Auszugehen ist von der Zweckbestimmung von Art. 1 GSchG, die unter anderem auf die Sicherung der natürlichen Funktionen des Wasserkreislaufs Bezug nimmt (Art. 1 Bst. h GSchG). Der Umstand, dass der Wasserkreislauf den Transport von Wasser zwischen den Gewässern und zwischen den verschiedenen Sphären (Hydrosphäre, Lithosphäre, Biosphäre und Atmosphäre) beschreibt, legt es nahe, den Begriff des Gewässers auf Wasseransammlungen zu beschränken, die Bestandteil dieses hydrologischen Zyklus sind und unmittelbar mit dem Ökosystem Wasser verbunden sind. In diesem Sinn hat auch das BGer festgehalten, dass der Gewässerbegriff auf den Wasserhaushalt der Natur bezogen sei (BGE 107 IV 63, 65 E. 2).
8. Bei der Begriffsbestimmung ist sodann jenen Aspekten der Zweckbestimmungen Rechnung zu tragen, die – wie die Erhaltung der natürlichen Tier‑ und Pflanzenwelt (Art. 1 Bst. c GSchG) – ein über das Gewässer im engeren Sinn hinausgehendes Schutzziel verfolgen. Vor diesem Hintergrund drängt sich ein Begriffsverständnis auf, das – anders als die umgangssprachlichen Definitionen – nicht nur das Wasser als solches umfasst, sondern auch gewisse mit dem Wasser in Verbindung stehende Elemente der natürlichen Umwelt, deren Schutz für die effektive Zweckverfolgung unerlässlich ist. Dies gilt beispielsweise für die «Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung» (so die Definition des oberirdischen Gewässers in Art. 4 Bst. a GSchG).
2. Abgrenzungen
9. Zentrales Begriffselement bildet nach dem Vorstehenden die Einbindung in den Wasserkreislauf. Bevor auf das von diesem Kreislauf getrennte Wasser eingegangen wird (vgl. N 12), sind zunächst vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks verschiedene Präzisierungen innerhalb des Wasserkreislaufes vorzunehmen (vgl. N 10 f.).
10. Fraglich ist zunächst, ob eine gewisse Mindestgrösse bzw. Bestandesdauer des Gewässers Begriffsbestandteil bildet. So werden für das deutsche Recht «völlig unbedeutende […] Teile der Erdoberfläche» und Gewässer, die einmalig sind oder lediglich «bei ganz aussergewöhnlichen Witterungslagen» auftreten, vom Geltungsbereich des Wasserhaushaltsgesetzes ausgenommen (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 6). Dieser Ansicht ist auch für das schweizerische Recht zu folgen. Da diesbezüglich kein Schutzbedürfnis besteht bzw. derartige Erscheinungen sich mit dem gewässerschutzrechtlichen Instrumentarium ohnehin nicht adäquat steuern lassen, bilden eine gewisse Bestandesdauer sowie eine minimale Ausdehnung Voraussetzung für die Subsumtion unter den Gewässerbegriff von Art. 2 GSchG, wobei beide Elemente im Einzelfall mit Blick auf die Ratio Legis zu konkretisieren sind.
11. Auszuschliessen sind aufgrund der limitierten Steuerungsfähigkeit des Gesetzes überdies jene Bestandteile des Wasserhaushalts, die – wie die Niederschläge und die als Porenwinkelwasser bezeichnete Bodenfeuchte unter der Erdoberfläche – einer gewässerschutzrechtlichen Lenkung verschlossen bleiben (so für das deutsche Recht Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 9).
12. Nicht vom Geltungsbereich des GSchG erfasst wird Wasser, das aus dem Kreislauf ausgeschieden und von ihm abgesondert wird. Dies gilt insbesondere für «Abwässer […], die in die Kanalisation und Kläranlagen geleitet werden, um die natürlichen biologischen Verhältnisse des Wasserhaushaltes vor Verunreinigungen zu schützen, bzw. jene Verhältnisse durch besondere Behandlung des abgesonderten Wassers wiederherzustellen» (BGE 107 IV 63, 65 f. E. 2; Kantonsgericht SG, Urteil vom 21. September 1989 [GVP 1989 Nr. 27], E. 2; ebenso Oftinger, Haftpflicht, 105; Piraccini, Vergehenstatbestände, 27 ff.; Schindler, Rechtsfragen, 449; aus der deutschen Literatur statt vieler Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 8 m.w.H.). Ebenfalls nicht als Gewässer im Sinne des GSchG gilt Wasser, das sich in Schwimmbädern oder sonstigen nach aussen hin undurchlässigen Becken wie Lösch‑ oder Zierteichen bzw. Springbrunnen befindet (vgl. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 8 für das deutsche Recht).
13. Die Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter den Geltungsbereich bedarf daher zunächst einer Analyse der unmittelbaren Verbindung mit dem Wasserkreislauf. Im Zweifelsfall bildet aufgrund des Gesetzeszwecks entscheidendes Kriterium, ob das zur Diskussion stehende Wasser Anteil an den Gewässerfunktionen hat (vgl. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 7 m.H. darauf, dass diese Verbindung beispielsweise bei in einem offenen Kanal geführten Abwasser, dem Niederschlags‑ und Oberflächenwasser zufliessen, gegeben ist).
14. Nicht als Gewässer gelten vor diesem Hintergrund die Gletscher. Anders zu beurteilen sind demgegenüber ober‑ und unterirdische Gletscherbäche (Bütler, Gletscher, 325).
15. Auch bei lediglich vorübergehender Abtrennung vom Ökosystem Wasser kommt das GSchG nicht zum Tragen. Zu präzisieren ist allerdings Folgendes: Zum einen können für Wasser, das nicht dem GSchG untersteht, spezifische Vorschriften des privaten und öffentlichen Rechts bestehen. Exemplarisch zu nennen sind kantonale Bestimmungen zur Qualität des Badewassers. Diese dienen dem Schutz der Gewässer mittelbar, sofern damit auch bereits für die spätere Wiedereinleitung in den Wasserkreislauf vorgesorgt wird. Zum anderen handelt es sich um Gewässerverschmutzungen im Sinne des GSchG, wenn Verunreinigungen aus Wasseransammlungen ausserhalb des gesetzlichen Geltungsbereichs in davon erfasste Gewässer fliessen: «Tritt nämlich die Verunreinigung aus der Kanalisation in ein offenes Gewässer oder verlässt der verunreinigende Stoff die Kläranlage, weil er in dieser nicht abgebaut wurde, und gelangt er in den Vorfluter und damit in ein Gewässer, so liegt eine mittelbare Gewässerverschmutzung […] vor» (BGE 107 IV 63, 66 E. 2 m.H. auf BGE 101 IV 419, 420 E. 5). Wenngleich das GSchG keine Anwendung auf die vom sachlichen Geltungsbereich ausgeklammerten Wasseransammlungen findet und diese daher nicht unmittelbar von den Schutzzielen profitieren, bestehen somit durchaus Interdependenzen, welche zur Folge haben, dass im Umgang mit Wasser generell «alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden» ist (so der Wortlaut von Art. 3 GSchG).
16. Das GSchG verzichtet (abgesehen von der Nennung der ober‑ und unterirdischen Gewässer) darauf, einzelne Gewässertypen explizit zu bezeichnen. Begründet ist dies im Umstand, dass eine solche Aufzählung «keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte und daher eher einer Beschränkung gleichkäme» (Botschaft GSchG 1954, 335).
17. Die integrale Nennung der ober‑ und unterirdischen Gewässer (zu diesen Begriffen s. Komm. zu Art. 4 Bst. a und b GSchG) impliziert ein weites Begriffsverständnis. Die nachfolgend erörterten Begriffspaare dienen vor diesem Hintergrund primär der Veranschaulichung der Reichweite des Gesetzes.
18. Der Geltungsbereich des Gesetzes wird unabhängig davon eröffnet, ob ein Gewässer legal oder illegal angelegt wurde. Irrelevant sind auch die Differenzierungen zwischen fliessenden und stehenden sowie jene zwischen natürlichen und künstlichen Gewässern (zum letztgenannten Begriffspaar auch Botschaft GSchG 1987, 1104). Massgeblich ist somit einzig, ob es sich um ein Gewässer im Sinne des Gesetzes handelt.
19. Bei der Ausarbeitung der Vorgängererlasse von 1955 und 1971 wurde diskutiert, ob für die privaten Quellen (zur Subsumtion der Quellen unter den Begriff der unterirdischen Gewässer s. Komm. zu Art. 4 Bst. b GSchG) die privatrechtlichen Bestimmungen von Art. 706 und 707 ZGB zum Abgraben von Quellen bzw. deren Wiederherstellung hinreichend seien und daher auf eine Subsumtion unter das GSchG verzichtet werden könne (s. Botschaft GSchG 1954, 335; Botschaft GSchG 1970, 442 f.). Diese Frage wurde aufgrund der teilweise weitreichenden Folgen der Beeinträchtigung von Quellen, die nicht nur private Interessen tangieren, zu Recht verneint. Verunreinigungen privater Quellen können nämlich in grössere Gewässer gelangen und schädigende Konsequenzen entfalten, die weit über den privaten Bereich hinausreichen. Dort, wo die Behebung von Beeinträchtigungen auch im öffentlichen Interesse liegt, kann es daher nicht dem betroffenen Privaten überlassen werden, ob er etwas dagegen unternimmt (Botschaft GSchG 1970, 442 f.). Da Massnahmen, die sich gegen private Quellen richten, als Eingriffe in das Privateigentum zu qualifizieren sind, handelt es sich beim GSchG gleichzeitig um die aus demokratischer und rechtsstaatlicher Warte geforderte Eingriffsnorm (Botschaft GSchG 1954, 335).
Résumé
L’art. 2 LEaux fixe le champ d’application de la LEaux, en disposant qu’il porte sur toutes les eaux superficielles et les eaux souterraines. Cette disposition a pour but de préciser la portée de l’art. 1 LEaux et se fonde sur la norme de compétence de l’art. 76 al. 3 Cst.
Le terme «Eaux» de l’art. 2 LEaux constitue un terme générique pour l’ensemble des accumulations d’eau, étant couvert par les champs d’application de la loi et se référant à l’ordre de la nature. Ainsi, il ne comprend pas seulement l’eau elle-même mais également les éléments de l’environnement naturel liés à l’eau. L’intégration des «Eaux» au régime hydrologique ainsi que la nécessité d’une certaine taille minimale, respectivement d’une durée d’existence constituent des caractéristiques essentielles de la notion d’«Eaux» au sens de l’art. 2 LEaux. La LEaux ne s’applique pas aux eaux ne faisant pas partie du régime hydrologique, à savoir celles ne remplissant pas de fonctions y relatives, pas plus qu’aux eaux provisoirement sorties de l’écosystème.
Literatur: Bütler Michael, Gletscher im Blickfeld des Rechts, Diss. Zürich 2005 (zit. Gletscher); Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftpflichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA), Glossar, abgerufen unter <http://www.vsa.ch/glossar> (zit. Glossar).
Autorin: Thurnherr Daniela
Jedermann ist verpflichtet, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.
Devoir de diligence
Chacun doit s’employer à empêcher toute atteinte nuisible aux eaux en y mettant la diligence qu’exigent les circonstances.
Obbligo di diligenza
Ognuno è tenuto ad usare tutta la diligenza richiesta dalle circostanze al fine di evitare effetti pregiudizievoli alle acque.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 4 |
A. | Gewässerschutzrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips | 4 |
B. | Kontextualisierung bezüglich weiterer Sorgfaltspflichten | 6 |
III. | Kommentierung | 10 |
A. | Rechtsnormativer Gehalt | 10 |
1. | Divergierende Ansätze in Literatur und Praxis | 10 |
2.. | Auslegung | 12 |
3. | Fazit: Funktionenvielfalt | 16 |
B. | Tragweite der Sorgfaltspflicht | 21 |
1. | Adressatenkreis («Jedermann ist verpflichtet …») | 21 |
2. | Sorgfaltsmassstab («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden») | 22 |
3. | Inhalt («…um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.») | 32 |
C. | Konsequenzen von Sorgfaltspflichtverletzungen | 35 |
1. | Verwaltungsrechtlich | 35 |
2. | Strafrechtlich | 36 |
3. | Haftpflichtrechtlich | 39 |
1. Das GSchG 1955 kannte noch keine Art. 3 GSchG entsprechende Bestimmung. Eine Sorgfaltspflicht wurde erstmals im totalrevidierten Erlass von 1971 verankert. Dessen Art. 13 schrieb jedermann vor, «alle nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um die Verunreinigung der ober- und unterirdischen Gewässer zu vermeiden».
2. Die Sorgfaltspflicht im geltenden GSchG weist einen modifizierten Wortlaut auf: Während das GSchG 1971 noch lediglich zur Vermeidung der Verunreinigung von Gewässern anhielt, erstreckt sich die Sorgfaltspflicht heute – dem ausgedehnteren Schutzbereich des Gesetzes entsprechend (s. Botschaft GSchG 1987, 1104) – auf nachteilige Einwirkungen als solche. Der letztgenannte Terminus verfügt insofern über einen umfassenderen Gehalt, als er gemäss Art. 4 Bst. c GSchG neben der eigentlichen Verunreinigung auch «andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen», umfasst. Er hat zur Folge, dass sich die Sorgfaltspflicht nicht nur auf den qualitativen, sondern auch auf den quantitativen Gewässerschutz erstreckt. Keine Konsequenzen hinsichtlich der Reichweite der Sorgfaltspflicht resultieren hingegen aus der ersatzlosen Streichung des Adjektivpaars ober- und unterirdisch, da sich diese Präzisierung bereits aufgrund des in Art. 2 definierten Geltungsbereichs des GSchG ergibt.
3. Überdies hat die Sorgfaltspflicht im Rahmen der jüngsten Totalrevision einen prominenteren Platz in der Gesetzessystematik zugewiesen erhalten: Die Einordnung unmittelbar nach dem Zweckartikel (Art. 1 GSchG) und der Umschreibung des Geltungsbereichs (Art. 2 GSchG) bringt den Grundsatzcharakter sowie die zentrale Bedeutung dieser Norm ungleich stärker zum Ausdruck als deren bisherige Verankerung im zweiten Abschnitt zur Verhinderung von Verunreinigungen.
4. Die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG bezweckt, Verunreinigungen oder andere nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer gar nicht erst entstehen zu lassen (Stutz, Abwasserrecht, 109; Hunger, Sanierungspflicht, 205). Mit dieser präventiven Zielsetzung bildet sie «Ausdruck des im Umweltschutzrecht allgemein geltenden Grundsatzes, jede mögliche und zumutbare Vorsorge zu treffen, um eine Schädigung der Umwelt zu verhindern (Art. 1 Abs. 2 [USG])» (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 m.w.H. [nicht amtlich publizierte E. von BGE 134 II 142 ff.], in: URP 2008, 576 ff.). Art. 3 GSchG stellt daher die gewässerschutzrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips dar (statt vieler Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; Griffel, Grundprinzipien, N 136; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 4 f.; Koechlin, Vorsorgeprinzip, 29 [betr. Art. 13 GSchG 1971]; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 1 N 19; Marti, Vorsorgeprinzip, 209; Stutz, Abwasserrecht, 46 f.).
5. Die In-Bezug-Setzung zum Vorsorgeprinzip lässt allerdings noch keine zwingenden Schlüsse auf den exakten Gehalt von Art. 3 GSchG zu. Die konkrete Tragweite der Sorgfaltspflicht erschliesst sich vielmehr erst aufgrund der Ermittlung des Normsinns gestützt auf die tradierten Auslegungsregeln.
6. Für das Verständnis der Tragweite von Art. 3 GSchG ist eine Einbettung in den Kontext weiterer Sorgfaltspflichten aufschlussreich. Diese lassen sich in drei Normkomplexe gruppieren:
7. Erstens finden sich im GSchG konkretisierende Sorgfaltspflichten: So verbietet Art. 6 generell das mittelbare oder unmittelbare Einbringen oder Versickernlassen von Stoffen, die Wasser verunreinigen können. Art. 14 regelt sodann die Verwertung von Hofdünger für Betriebe mit Nutztierhaltung und Art. 27 statuiert gewässerschutzrelevante Anforderungen an die Bodenbewirtschaftung. Diesbezüglich ist die Frage nach der eigenständigen Bedeutung der umfassend formulierten Sorgfaltspflicht von Art. 3 aufgeworfen (vgl. dazu N 4).
8. Zweitens kennen auch andere umweltbezogene Erlasse allgemeine oder spezifische Sorgfaltspflichten: Zu nennen ist in diesem Kontext insbesondere der ebenfalls dem Gedanken der Vorsorge Ausdruck verleihende Art. 28 Abs. 1 USG, wonach mit Stoffen nur so umgegangen werden darf, dass sie, ihre Folgeprodukte oder Abfälle, «die Umwelt oder mittelbar den Menschen nicht gefährden können». Analoge Sorgfaltspflichten existieren für den Umgang mit Organismen (s. Art. 29a USG; Art. 6 GTG; Art. 6 FrSV; Art. 4 ESV). Diesbezüglich ist zum einen von einer partiellen Überlagerung der Vorschriften auszugehen, wenn der Umgang mit Stoffen nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zeitigt. Begründet ist diese in den unterschiedlichen Regelungsansätzen (Art. 3 GSchG: Schutz der Gewässer als solche; Art. 28 Abs. 1 und Art. 29a USG, Art. 6 GTG bzw. Art. 6 FrSV und Art. 4 ESV: Regulierung bestimmter Tätigkeiten; s. zu den Überlagerungen der verschiedenen legislatorischen Ansätze auch die Komm. von Art. 2 GSchG). Abgrenzungsprobleme stellen sich dabei insofern nicht, als sich aufgrund der identischen Sachlage auch ein deckungsgleicher Sorgfaltsmassstab aufdrängt. Zum anderen kann eine systematische Auslegung von Art. 3 GSchG unter Bezugnahme auf entsprechende Bestimmungen in anderen Erlassen Rückschlüsse auf den normativen Gehalt der gewässerschutzrechtlichen Sorgfaltspflicht erlauben (vgl. dazu N 22 ff.).
9. Drittens ist auf die Sorgfaltspflichten ausserhalb des (in einem weiten Sinn verstandenen) Umweltrechts hinzuweisen, wie sie sich beispielsweise im Arbeitsrecht finden. Diese können als Quellen konkreter Verhaltenspflichten im Einzelfall Aufschluss über den von Art. 3 GSchG geforderten Sorgfaltsmassstab erteilen (vgl. dazu N 22 ff.).
1. Divergierende Ansätze in Literatur und Praxis
10. In der Literatur wird die Normqualität von Art. 3 GSchG unterschiedlich beurteilt. Der überwiegende Teil der Stimmen erblickt darin «nicht bloss eine programmatische Norm, sondern eine direkt anwendbare Vorschrift mit normativem Inhalt», die selbständig wirkt, sofern es an spezifischen Bestimmungen mangelt (Stutz, Abwasserrecht, 110; ebenso Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; Hunger, Sanierungspflicht, 205 f.). Demgegenüber begründet Art. 3 GSchG nach anderer Ansicht «aufgrund des Legalitätsprinzips keine selbständigen Verpflichtungen» (so Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848; s. auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 120 f.). Vielmehr würden sich die zu beachtenden Massnahmen allein aus den diese Norm konkretisierenden gesetzlichen Handlungs- und Unterlassungspflichten im GSchG sowie der GSchV ergeben, wobei eine unmittelbare Wirkung von Art. 3 GSchG immerhin für den Fall angenommen wird, dass gestützt auf eine Garantenpflicht Massnahmen ergriffen werden müssen (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848).
11. Der zweitgenannten Meinung hat sich das VGer ZH angeschlossen und präzisiert, dass die allgemeine Sorgfaltspflicht nach Art. 3 GSchG nicht nur durch die einzelnen Verhaltenspflichten im Gewässerschutzgesetz, sondern auch durch Vorschriften aus anderen Bereichen wie dem Abfallrecht konkretisiert werden könne, deren Missachtung zugleich eine Verletzung von Art. 3 GSchG darstelle (VGer ZH, Urteil vom 17. Juni 2005 [VB.2005.00037], E. 6.3.1). Das BGer nahm im Entscheid 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009 – allerdings ohne Begründung – an, dass Art. 3 GSchG nicht weiter gehe als Art. 6 und 14 GSchG. Aus der Formulierung im Bundesgerichtsentscheid kann indes nicht zwingend auf die lediglich programmatische Natur von Art. 3 GSchG geschlossen werden. Sie lässt sich nämlich auch so verstehen, dass bei Tatbeständen, die unter Art. 6 GSchG zu subsumieren sind und bei denen die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung irrelevant ist, kein Raum für eine Anwendung von Art. 3 besteht (so auch Stutz, Grundwasserschutz, 683 f.).
2. Auslegung
12. Der Bundesrat führte in der Botschaft zur ähnlich lautenden Vorgängernorm von Art. 13 GSchG 1971 aus, diese Grundsatzbestimmung «soll es den zuständigen Behörden ermöglichen, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Akten, die von den nachfolgenden speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, die notwendigen verwaltungsrechtlichen Massnahmen zu treffen und allenfalls gegen die Fehlbaren Strafanzeigen einzureichen» (Botschaft GSchG 1970, 449). Entsprechend wurde der damalige Art. 13 in den parlamentarischen Beratungen als «wichtigste Bestimmung» bzw. «Perle in diesem Gesetz» (Voten Binder, AB 1971 N 655 bzw. 696) bezeichnet. Dieser dynamische legislatorische Ansatz ermöglichte es dem Gesetzgeber, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (vgl. auch Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 476, m.H. darauf, dass der Gesetzgeber nur jene Tatbestände einer expliziten Regelung unterziehen wollte, welche aus seiner Sicht zusätzlich nötig waren). Die historische Auslegung legt somit die Annahme einer eigenständigen Verhaltensnorm nahe, die dann zum Tragen kommt, wenn es an spezialgesetzlichen Pflichten mangelt.
13. Zum selben Ergebnis gelangt man gestützt auf systematische Erwägungen: Für eine Qualifikation als verbindlicher Rechtssatz spricht die In-Bezug-Setzung zum Vorsorgeprinzip von Art. 1 Abs. 2 USG, das gemäss herrschender Lehre auch über «Elemente eines subsumtionsfähigen Rechtssatzes» verfügt (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 1 N 21; so im Ergebnis auch Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474).
14. Den gleichen Schluss legen schliesslich rechtsvergleichende Überlegungen nahe: § 5 Abs. 1 des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes statuiert eine Art. 3 GSchG vergleichbare Norm. Diese Sorgfaltspflicht gilt ebenfalls nicht nur als rein allgemeingültiger Appell, sich verantwortungsvoll zu verhalten, sondern entfaltet unmittelbar geltende wasserrechtliche Verhaltenspflichten, die bei gewässerrelevanten Handlungen von jedermann zu beachten sind (Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 5 N 3 und 17 f.).
15. Die Tatsache einer gewissen Unbestimmtheit des Gesetzestexts kann der direkten Anwendbarkeit nicht entgegengehalten werden. Auch ist nicht von einem Verstoss gegen das rechtsstaatlich begründete und aus Art. 5 Abs. 1 bzw. Art. 36 Abs. 1 BV abgeleitete Bestimmtheitserfordernis auszugehen. In Anbetracht der limitierten Antizipierbarkeit möglicher Sachverhalte und Verhaltensweisen drängt sich die Formulierung einer final strukturierten Norm vielmehr geradezu auf (s. auch Stutz, Abwasserrecht, 110). Diese macht zudem eine Anpassung der Verhaltenspflichten bei Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse obsolet, da der offene Wortlaut Raum für eine Modifikation der Pflichten im Einzelfall lässt (Stutz, Abwasserrecht, 110, m.H. darauf, dass Art. 3 GSchG «auf eine umfassende und kontinuierliche Pflichtverfolgung angelegt» ist).
3. Fazit: Funktionenvielfalt
16. Art. 3 GSchG realisiert den Gedanken der Vorsorge mit Blick auf die in Art. 1 GSchG genannten öffentlichen Interessen somit auf zweierlei Weise: Er ist einerseits programmatischer Natur; anderseits stellt er eine direkt anwendbare Vorschrift mit normativem Gehalt und unmittelbarer Verbindlichkeit dar.
17. Mangelt es an spezialgesetzlichen Verhaltenspflichten im nominalen oder funktionalen Gewässerschutzrecht, dient die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG, wie dargelegt, als Auffangtatbestand, der auf alle gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden menschlichen Tätigkeiten anzuwenden ist (Stutz, Grundwasserschutz, 683). Es handelt sich um eine «verwaltungsrechtliche Generalklausel, die materiell gebietet, dass jedermann sein Verhalten so ausgestaltet, dass die Gewässer nicht beeinträchtigt werden» (Stutz, Abwasserrecht, 110). Dabei wirkt sie als unmittelbar anwendbarer Rechtssatz, der für die Normadressaten direkt (Verhaltens-)Pflichten statuiert, deren Verletzung mit Strafe bedroht ist (Stutz, Abwasserrecht, 114). Relevant ist dieser Aspekt insbesondere im Kontext der erlaubnisfreien Gewässernutzung bzw. der erlaubnisfreien Tätigkeiten mit potentiellen Auswirkungen auf die Gewässer (exemplarisch hinzuweisen ist auf das Düngen von Feldern), da hier keine spezifischen Auflagen an die Adresse der Allgemeinheit oder eines spezifischen Personenkreises statuiert werden. So lässt sich die Verpflichtung, Massnahmen zur Elimination von Mikroverunreinigungen zu ergreifen, unmittelbar auf Art. 3 GSchG i.V.m. Anh. 1 GSchV abstützen (Stutz, Herausforderungen, 515; zu den nachteiligen Wirkungen von Mikroverunreinigungen auf Wasserlebewesen BAFU, Umwelt Schweiz 2015, 71). Art. 3 GSchG bildet aber auch Verfügungsgrundlage für behördliche Anordnungen, mit denen die Sorgfaltspflicht konkretisiert wird.
18. Darüber hinaus wirkt Art. 3 GSchG als programmatische Norm, die durch Ausführungsvorschriften zu konkretisieren ist. Soweit ausführende Bestimmungen im Verordnungsrecht des Bundes bzw. auf kantonaler Ebene als Grundrechtsbeschränkungen eines gewissen Schweregrads qualifiziert werden können, wirkt Art. 3 GSchG als von Art. 36 Abs. 1 BV gebotene formell-gesetzliche Grundlage (Stutz, Abwasserrecht, 110), deren Sorgfaltsmassstab auf tieferer Ebene der Normenhierarchie indes nicht verschärft werden kann. Vielmehr ist Art. 3 GSchG bei der Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt im Kontext der konkretisierenden Normen heranzuziehen. Anderes gilt für spezifische gleichrangige Bestimmungen (exemplarisch hinzuweisen ist auf Art. 6 GSchG zum Einleiten, Einbringen oder Versickernlassen von Stoffen oder auf Art. 15 GSchG betreffend die Pflicht zum Unterhalt der Abwasseranlagen), welche das geforderte Mass an Sorgfalt näher konkretisieren und dabei weiter gehen können als die allgemeine Norm von Art. 3 GSchG.
19. Für die konkretisierenden Bestimmungen im Verordnungsrecht des Bundes sowie im ausführenden kantonalen Recht nimmt die Rückkopplung an Art. 3 GSchG sodann eine wichtige Funktion in strafrechtlicher Hinsicht wahr: In Konstellationen, in denen zwar gewässerschutzrechtliche Verpflichtungen missachtet wurden, aber kein Vergehenstatbestand nach Art. 70 GSchG erfüllt ist, setzt die Anwendung der Übertretungsstrafnorm von Art. 71 Bst. a GSchG voraus, dass «in anderer Weise diesem Gesetz» zuwidergehandelt wurde. Indem sich Verstösse gegen konkretisierende Bestimmungen ausserhalb des GSchG auch als Verstoss gegen Art. 3 GSchG qualifizieren lassen, sind sie als Übertretungen strafbar (Huber-Wälchli, Vollzug Umweltrecht, 852; Stutz, Abwasserrecht, 111).
20. Spezifische Fragen wirft die Übertragbarkeit des gewässerschutzrechtlichen Sorgfaltsmassstabs auf andere Rechtsgebiete wie das Strafrecht und das private Haftpflichtrecht auf (vgl. dazu N 36 ff. und N 39 f.).
1. Adressatenkreis («Jedermann ist verpflichtet …»)
21. Art. 3 GSchG gilt gegenüber jedermann. Der Adressatenkreis lässt sich – ausgehend von den eben erörterten Normschichten – in drei Gruppen gliedern: Im Zentrum stehen «die Privaten, d.h. natürliche und juristische Personen, die gewässerrelevante Massnahmen selber vornehmen oder aufgrund einer Verfügungs- oder Weisungsbefugnis veranlassen» (Stutz, Abwasserrecht, 112). Bei der Ausübung ihrer gewässerschutzrechtlich relevanten Tätigkeit an die Sorgfaltspflicht gebunden sind darüber hinaus die Verwaltungsbehörden sämtlicher staatlicher Ebenen. Adressiert werden durch die programmatische Komponente schliesslich die Gewässerschutzbehörden der Kantone, die verpflichtet sind, «alle notwendigen gesetzlichen Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu ergreifen» (Stutz, Abwasserrecht, 112).
2. Sorgfaltsmassstab («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden»)
22. Aufgrund von Art. 3 GSchG ist jedermann verpflichtet, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.
23. Wenngleich es sich dabei um eine weitgehende Verpflichtung handelt, welche verlangt, Einwirkungen im Sinne der Vorsorge möglichst gering zu halten, basiert diese Bestimmung auf der Prämisse, dass nachteilige Einwirkungen nicht generell untersagt, sondern als Konsequenz erlaubter Tätigkeiten in einem bestimmten Umfang in Kauf genommen werden müssen. Der Sorgfaltsmassstab kann daher durchaus auch als Begrenzung der privaten Pflichten zur Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer verstanden werden. In diesem Sinn hielt bereits die Botschaft zum GSchG 1971 fest: «Die Verpflichtung zu einem sorgfältigen Verhalten soll […] nur so weit gehen, als dies entsprechend den Umständen des Einzelfalls geboten erscheint» (Botschaft GSchG 1970, 440).
24. Welches Mass an Sorgfalt verlangt wird, lässt sich nicht generell festhalten. Grundsätzlich erforderlich ist aufgrund der expliziten Bezugnahme auf die Umstände eine einzelfallweise Beurteilung. Vorbehalten bleiben allerdings spezifische, die Zulässigkeit von Einwirkungen näher konkretisierende Vorschriften des GSchG (s. exemplarisch Art. 6 GSchG). Eine spezifische Sorgfaltsprüfung im Hinblick auf die Vornahme einer bestimmten Tätigkeit (nicht aber für deren Ausführung!) ist überdies dort obsolet, wo diese – allenfalls näher eingeschränkt durch den Zweck, die Art, das Mass und die Dauer – im Rahmen einer Bewilligungserteilung explizit als erlaubt ausgewiesen wird.
25. Aus der Ausrichtung des GSchG auf den Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen (s. Art. 1) resultiert, dass der Sorgfaltsmassstab objektiver Natur ist (so auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848) und damit am hypothetischen Verhalten einer Drittperson anknüpft (zum objektiven Sorgfaltsmassstab Favre, Sorgfaltspflichten, 7 ff.). Die Zweckverfolgung bedingt es nämlich, dass die Sorgfaltspflicht nicht unter Bezugnahme auf allenfalls verminderte Kenntnisse Privater reduziert wird (zur Berücksichtigung individueller Fähigkeiten bei der strafrechtlichen Würdigung vgl. N 36 ff.).
26. Bei der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Auslegung und Anwendung hat unter Rückgriff auf die Interessenabwägung als «Argumentationstechnik zur kontrollierten Konkretisierung von rechtlich vermittelten Handlungsspielräumen» zu erfolgen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 36). Diese bedingt einen Dreischritt, der von der Ermittlung der relevanten Interessen über deren Beurteilung bis zur Optimierung der ermittelten und beurteilten Interessen reicht (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 37). Wenngleich selten transparent gemacht, findet dieser Gedanke in Literatur und Rechtsprechung darin Ausdruck, dass bei der Konkretisierung der Sorgfaltspflicht regelmässig auf die Zumutbarkeit Bezug genommen wird (s. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.; 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 m.w.H. [nicht amtlich publizierte E. von BGE 134 II 142 ff.], in: URP 2008, 576 ff.).
27. Zum Kreis der zu berücksichtigenden Interessen zählen einerseits das betroffene Schutzgut sowie die möglichen Konsequenzen der fraglichen Tätigkeit auf dieses Schutzgut. Das effektive Risiko bemisst sich dabei anhand des Umfangs des potentiellen Schadens sowie seiner Eintretenswahrscheinlichkeit (zum Risikobegriff statt vieler Thurnherr, Biosecurity, 127 ff. m.w.H.). Andererseits ist das Interesse an der zur Diskussion stehenden Tätigkeit zu gewichten. An die – die Ausübung der Tätigkeit limitierende – Sorgfaltspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je wahrscheinlicher und grösser der Schaden, mithin je grösser das Risiko ist, das Wasserqualität und Wassermenge droht. Das Adjektiv «geboten» im Wortlaut von Art. 3 GSchG verdeutlicht, dass es sich um einen normativen Massstab handelt, der nicht dadurch verwässert werden darf, dass sich in der Praxis bei der Ausübung der betreffenden Tätigkeit eine gewisse Nachlässigkeit eingeschlichen hat (so für das deutsche Recht Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 5 N 4).
28. Als Sorgfaltspflichtverletzung qualifiziert wurde beispielsweise die Situation, in der sich die verantwortliche Person einer Firma, auf deren Werkareal mit wassergefährdenden Flüssigkeiten umgegangen wird und ölhaltiges Abwasser anfällt, nicht um die korrekte Entwässerung des Areals kümmert und es unterlässt, klare Anweisungen hinsichtlich Unterhalt und Wartung des Entwässerungssystems zu erteilen (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.).
29. Bei der Konkretisierung des im Einzelfall gebotenen Sorgfaltsmassstabs kann auf externe Kriterien abgestellt werden, sofern sie dem Gedanken der Vorsorge hinreichend Rechnung tragen. Dies gilt zunächst für die Einhaltung des jeweils in Betracht kommenden Standes der Technik (s. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474). Dieser beschreibt jedenfalls die Mindestanforderungen an die einzuhaltende Sorgfalt. Gesondert zu klären ist indes, ob damit auch den gesetzlichen Vorgaben Genüge getan ist. Nach vorliegend vertretener Ansicht kann aus der Beachtung der Regeln der Technik nicht in jedem Fall auf die Einhaltung von Art. 3 GSchG geschlossen werden. Ist der Stand der Technik noch nicht so weit entwickelt, dass er ein allfälliges Risiko hinreichend zu minimieren vermag, und ist gleichzeitig von einem grossen Risiko auszugehen, gebietet Art. 3 GSchG vielmehr, dass von der betreffenden Tätigkeit gänzlich Abstand genommen wird. Anderes kann nur dort gelten, wo eine bestimmte Tätigkeit mit der Auflage der Berücksichtigung des Standes der Technik von Gesetzes wegen explizit erlaubt wird.
30. Zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht herangezogen werden können mangels gesetzlicher Regeln im Einzelfall sodann «allgemeine […] Rechtsgrundsätze sowie allgemein anerkannte […] Verhaltensregeln und Verkehrsnormen […], auch wenn diese von Privaten oder einem halböffentlichen Verband erlassen wurden und keine Rechtsnormen sind» (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa m.w.H.). Auch Sorgfaltspflichten aus anderen Rechtsgebieten vermögen im Einzelfall Aufschluss über die Anforderungen zu geben. So hat das BGer im selben Entscheid ausgeführt, auch ein Verstoss gegen eine arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht, die Bestandteil des betrieblichen Sicherheitsdispositivs bildet und damit dem Gewässerschutz dient, begründe eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinn des GSchG (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa und Regeste; s. Portmann, BSK OR I, Art. 321a OR N 1, wonach die Pflicht zur sorgfältigen Aufgabenausführung bedinge, dass der Arbeitnehmer «die Arbeit unter vollem Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte verrichte[…] sowie die ihm zur Verfügung stehenden Produktionsmittel fachgerecht einsetze[…]»).
31. Beim die Sorgfaltspflicht konkretisierenden Passus («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt») handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von den Gerichten grundsätzlich frei überprüft werden kann. Soweit sich technische Probleme stellen und die Vorinstanz gestützt auf Berichte der gesetzlichen Fachbehörde entschieden hat, kann indes legitimerweise Zurückhaltung geübt werden (zur Zulässigkeit von Kognitionsbeschränkungen in solchen Konstellationen statt vieler Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 1603).
3. Inhalt («…um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.»)
32. Die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG bezweckt die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer (zum Terminus der nachteiligen Einwirkung s. Komm. zu Art. 4 Bst. c GSchG). Diese sind in einem weiten Sinn zu verstehen und umfassen – anknüpfend an die Systematik des GSchG – neben der qualitativen und der quantitativen Beeinträchtigung der Gewässer sämtliche weiteren nachteiligen Einwirkungen: «Gerichtet ist die Sorgfaltspflicht auf die Sicherung einer ausreichenden Wasserqualität in den Gewässern, die Erhaltung eines ausreichenden Gewässerraums sowie die Sicherung eines naturnahen Wasserhaushalts.» (Stutz, Abwasserrecht, 110; zum Umstand, dass die Sorgfaltspflicht unabhängig davon besteht, ob sich das Grundwasser als Trinkwasser eignet, VGer ZH, Urteil vom 9. Juli 2008 [VB.2007.00470], E. 4.2.3).
33. Die Pflicht, alles Zumutbare vorzukehren, um Verunreinigungen zu vermeiden bzw. möglichst gering zu halten, besteht – entsprechend dem Gedanken der Vorsorge (zum Konnex zum Vorsorgeprinzip vgl. N 4 f.) – auch dann, wenn das betroffene Gewässer die Qualitätsanforderungen gemäss Anh. 2 der GSchV erfüllt und wenn keine Gefahr besteht, dass aufgrund der fraglichen Tätigkeit ein Erfüllungsdefizit resultieren könnte (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 [nicht in BGE 134 II 142 ff. enthalten], in: URP 2008, 756 ff.; gleichlautend: BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.). Dies verdeutlicht, dass die Sorgfaltspflicht nicht durch das «Auffüllprinzip» relativiert wird (BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser, 19).
34. Das Verb «vermeiden» impliziert, dass damit künftige bzw. weitere oder neue Verunreinigungen (seien diese einmalig oder wiederkehrend) unterbunden werden sollen. Nicht von diesem Begriff erfasst wird demgegenüber die Beseitigung von durch Dritte verursachten Schäden (anderes gilt für die selbst verursachten nachteiligen Einwirkungen; s. dazu N 35). Die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen kann im konkreten Fall ein Unterlassen gebieten; denkbar sind allerdings auch positive Handlungspflichten (so für das deutsche Recht Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, § 5 N 5; a.M. Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 120, welche die Existenz positiver Verpflichtungen zu aktiver Verhinderung möglicher drohender Einwirkungen negiert; s. aber Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848, wo die Konstellation thematisiert wird, dass gestützt auf eine Garantenpflicht Massnahmen ergriffen werden müssen). Positive Verpflichtungen, beispielsweise Massnahmen zur Reduktion der Kupferabschwemmungen (s. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 4 [nicht in BGE 134 II 142 ff. enthalten], in: URP 2008 756 ff.), können nämlich gegebenenfalls als mildere Mittel im Vergleich zu einem gänzlichen Verbot bestimmter Tätigkeiten gelten (s. auch BGE 121 II 378, 409 E. 16b betreffend den Einbau einer bituminösen Heissmischtragschicht [HMT-Belag], welcher einen reduzierten Herbizideinsatz erlaubt und daher vom BGer als Massnahme qualifiziert wurde, welche im Sinne von Art. 3 GSchG nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer vermeiden soll).
1. Verwaltungsrechtlich
35. Gemäss der Botschaft zum GSchG 1971 ermöglicht es diese Norm den zuständigen Behörden, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Tätigkeiten, die von den speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, die nötigen verwaltungsrechtlichen Massnahmen zu treffen (Botschaft GSchG 1970, 449). Dazu gehören generell-abstrakte Sicherheitsstandards (s. BGer 1A.92/2005 vom 22. November 2005, in: URP 2006, 127 ff., wonach Art. 3 GSchG eine gesetzliche Grundlage für die technischen Tankvorschriften darstellt), eine behördliche Praxis (s. BVR 2006, 272, 280 E. 5h, in: URP 2006, 743) ebenso wie Verfügungen, mittels derer zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands (beispielsweise durch Unterlassung einer sorgfaltspflichtwidrigen Tätigkeit) angehalten wird (s. BGer 1C_320/2011 vom 30. Mai 2012, E. 8.3, in: URP 2012, 330 ff. betreffend im Rahmen eines Nutzungskonzepts vorgesehenen und auf Art. 3 GSchG gestützten Massnahmen zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Zustände). Werden solche Anordnungen missachtet, können Sanktionen angedroht und ergriffen werden, wobei bei Verpflichtungen zu einem positiven Tun die Ersatzvornahme im Zentrum steht. Die Verletzung von Unterlassungspflichten lässt sich demgegenüber vornehmlich mittels strafrechtlicher Sanktionen ahnden (dazu sogleich).
2. Strafrechtlich
36. Art. 3 GSchG erlaubt es den zuständigen Behörden, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Tätigkeiten, die von den speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, neben den verwaltungsrechtlichen Massnahmen allenfalls gegen die Fehlbaren Strafanzeige einzureichen (Botschaft GSchG 1970, 449). Grundlage für die Strafbarkeit bildet der Auffangtatbestand von Art. 71 Abs. 1 Bst. a (gegebenenfalls in Verbindung mit Abs. 2) GSchG (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474).
37. Subjektives Tatbestandserfordernis bildet dabei Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Anders als bei der verwaltungsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzung (dazu N 35) ist bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit, die in Art. 12 Abs. 3 StGB umschrieben wird, ein individualisierender Massstab heranzuziehen (s. Satz 2 und dazu Niggli/Maeder, BSK StGB I, Art. 12 StGB N 89). In diesem Sinne hat das BGer bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit festgehalten, der Richter müsse die Sorgfaltspflicht «im Hinblick auf die jeweilige Situation und die individuellen Fähigkeiten des Täters konkretisieren und im Einzelfall beurteilen, ob ein Regelverstoss strafrechtlich erheblich ist» (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa). Aus strafrechtlicher Warte ist die Frage nach dem (zuerst zu klärenden) objektiven Sorgfaltsmassstab daher mit der sich daran anschliessenden nach der subjektiv geforderten Sorgfalt zu koppeln. Daraus resultiert, dass nicht zwingend jeder Verstoss gegen Art. 3 GSchG auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt.
38. Bei der Beurteilung des subjektiv gebotenen Sorgfaltsmasses ist im Kontext arbeitsteiliger Produktions- und Arbeitsabläufe beispielsweise zu berücksichtigen, welche Funktion einer Person in diesem Gefüge zukommt. So hat das BGer festgehalten, dass sich in Konstellationen, wo mehrere Sicherheitssysteme hintereinander geschaltet werden, um den Ausfall des primären Systems nach dem Prinzip der Mehrfachsicherung durch ein sekundäres aufzufangen, der für das eine System Verantwortliche nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. Anders als Dritte, die grundsätzlich auf Mehrfachsicherungen vertrauen können, dürfe «der Verantwortliche eines Primärsystems prinzipiell gerade nicht mit der ordnungsgemässen Bedienung und dem entsprechenden Funktionieren des Sekundärsystems rechnen (und umgekehrt)» (BGE 120 IV 300, 310 E. d/bb).
3. Haftpflichtrechtlich
39. Die Verletzung der von Art. 3 GSchG statuierten Sorgfaltspflicht kann Schadenersatzansprüche begründen. Soweit die relevante Haftungsgrundlage, wie beispielsweise Art. 41 OR, Verschulden voraussetzt, ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers nachzuweisen. Die zivilrechtliche Fahrlässigkeit beurteilt sich dabei nach einem objektiven Massstab (Heierli/Schnyder, BSK OR I, Art. 41 OR N 48a). Sie liegt vor, wenn jemand unsorgfältig agiert, indem er «das Mass an Sorgfalt ausser Acht [lässt], welches die Verkehrssitte von einer mit dem Handelnden in gleichen Verhältnissen stehenden Person unter den konkreten Umständen gebietet» (Heierli/Schnyder, BSK OR I, Art. 41 OR N 50). Als Massstab für die gebotene Sorgfalt wird dabei die gewässerschutzrechtliche Pflicht von Art. 3 GSchG herangezogen (Stutz, Abwasserrecht, 112). Zur Bedeutung dieser Bestimmung auch für die Haftungsvoraussetzung der Widerrechtlichkeit in Konstellationen reiner Vermögensschäden s. die Ausführungen im nächsten Abschnitt.
40. Differenziert zu betrachten ist das Erfordernis des Nachweises einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der als Gefährdungshaftung (scharfe Kausalhaftung) ausgestalteten Haftungsnorm von Art. 59a USG, die auch auf bestimmte Schädigungen an Gewässern Anwendung findet (zur Qualifikation als Gefährdungshaftung s. Jäggi, Haftungsbestimmungen, 250; Trüeb, Kommentar USG, Art. 59a N 122). Da die (im Gesetz nicht explizit genannte, aber dennoch erforderliche [s. Botschaft USG 1993, 1559]) Widerrechtlichkeit bei Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter wie der körperlichen Integrität und dem Eigentum stets erfüllt ist, bedarf es keines Nachweises einer Sorgfaltspflichtverletzung. Anderes gilt bei reinen Vermögensschäden, deren Widerrechtlichkeit die Verletzung einer Norm bedingt, die dem Vermögen des Geschädigten dient. Nach – allerdings nicht unumstrittener Meinung – lässt sich jede Verletzung einer polizeilichen Norm zum Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen und damit auch von Art. 3 GSchG als widerrechtlich qualifizieren (s. dazu Jäggi, Haftungsbestimmungen, 251 f. m.H. auf die unterschiedlichen Ansichten und Ausführungen zu alternativen Schutznormen im Straf- und Zivilrecht).
Résumé
Le devoir de diligence de l’art. 3 LEaux porte sur les atteintes nuisibles proprement dites, c’est-à-dire sur la protection qualitative mais également sur celle quantitative des eaux. Il vise à prévenir les pollutions ou toutes autres atteintes nuisibles aux eaux. Avec un tel objectif, l’art. 3 LEaux constitue une application du principe de prévention dans le domaine du droit de la protection des eaux et au regard des intérêts publics expressément mentionnés à l’art. 1 LEaux, il est de nature programmatique et d’application directe.
L’art. 3 LEaux s’applique à toute personne devant empêcher des atteintes nuisibles aux eaux. La liste des destinataires se subdivise ainsi en trois groupes: privés, autorités administratives et autorités cantonales compétentes en matière de protection de l’eau.
En vertu de l’art. 3 LEaux, chacun doit s’employer à empêcher toute atteinte nuisible aux eaux en y mettant la diligence qu’exigent les circonstances. Cette disposition repose sur le principe que les atteintes nuisibles ne sont pas de manière générale interdites, mais qu’elles doivent être prises en compte comme conséquence d’activités autorisées. Le degré de diligence est déterminé dans chaque cas par un examen individuel. Il s’agit d’une notion juridique indéterminée, qui peut être arrêtée sur la base de critères externes. Les conséquences de la violation du devoir de diligence peuvent être de nature administrative, pénale ou civile (responsabilité civile).
Literatur: Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Favre Katia, Sorgfaltspflichten bei der Datenübertragung, Diss. Zürich 2006 (zit. Sorgfaltspflichten); Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfang (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I – Art. 1–529 OR, 5. Aufl., Basel 2011 (zit. Bearbeiter, BSK OR I); Huber-Wälchli Veronika, Zum Vollzug des Umweltrechts im Kanton Graubünden – Bericht aus der Praxis, in: URP 2011, 819 ff. (zit. Vollzug Umweltrecht); Jäggi Thomas, Neue Haftungsbestimmungen im Umweltschutzgesetz, in: SJZ 92 (1996), 249 ff. (zit. Haftungsbestimmungen); Koechlin Dominik, Das Vorsorgeprinzip im Umweltschutzgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Emissions- und Immissionsgrenzwerte, Diss. Bern 1989 (zit. Vorsorgeprinzip); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Marti Ursula, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, Diss. Genf 2009 (zit. Vorsorgeprinzip); Rhinow René/Koller Heinrich/Kiss Christina et al., Öffentliches Prozessrecht – Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Aufl., Basel 2014 (zit. Prozessrecht); Sieder Frank/Zeitler Herbert/Dahme Heinz et al., Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, 48. Aufl., München 2015 (zit. Bearbeiter, Wasserhaushaltsgesetz); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Thurnherr Daniela, Biosecurity und Publikationsfreiheit – Die Veröffentlichung heikler Forschungsdaten im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit – eine grundrechtliche Analyse, Bern 2014 (zit. Biosecurity); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).
Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015 – Bericht des Bundesrates, Umwelt-Zustand Nr. ub2015, Bern 2015 (zit. Umwelt 2015).
Autorin: Wagner Peifer Beatrice
Wer Massnahmen nach diesem Gesetz verursacht, trägt die Kosten dafür.
Principe de causalité
Celui qui est à l’origine d’une mesure prescrite par la présente loi en supporte les frais.
Principio di causalità
I costi delle misure prese secondo la presente legge sono sostenuti da chi ne è la causa.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 4 |
A. | Verfassungsrechtliche Grundlage | 4 |
B. | Völkerrechtliche Grundlagen | 11 |
III. | Kommentierung | 14 |
A. | Rechtsnatur des Verursacherprinzips | 14 |
B. | Elemente der gesetzlichen Regelung | 23 |
1. | Begriff des Verursachers | 23 |
2. | Massnahmen nach diesem Gesetz | 30 |
3. | Kostenfolgen | 32 |
C. | Anwendungsbereiche | 62 |
1. | Reinhaltung der Gewässer | 62 |
2. | Planerischer Gewässerschutz | 65 |
3. | Sicherung angemessener Restwassermengen | 69 |
4. | Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer | 74 |
5. | Kosten der Ermittlung des Sachverhalts | 77 |
6. | Haushälterische Trink- und Brauchwasserversorgung | 80 |
1. Art. 3a GSchG wurde nachträglich ins Gesetz aufgenommen (in Kraft seit 1. November 1997), um angesichts der zunehmend knappen Mittel der öffentlichen Hand die Finanzierung von Infrastrukturanlagen im Abwasser- sowie im Abfallbereich auf längere Zukunft hinaus sicherstellen zu können. Der Bundesrat hatte bereits vier Jahre zuvor, im Rahmen der Sanierung des Bundeshaushalts, einen Rückzug des Bundes aus dem bisherigen System der Subventionierung und eine breitere Abdeckung der anfallenden Kosten durch die Erhebung verursachergerechter Gebühren angekündigt (Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993, 306 f.).
2. Die Gesetzesvorlage zur Verankerung des Verursacherprinzips im GSchG wurde 1996 zusammen mit den neuen Bestimmungen über die Entwässerungsplanung vorgelegt. Der Wortlaut des neuen Art. 3a GSchG wurde aus dem bereits geltenden Art. 2 USG übernommen. Damit wurde das Verursacherprinzip integral für die vom GSchG vorgesehenen Massnahmen eingeführt. Von der finanziellen Belastung der Verursacher wurde eine motivierende Wirkung zur Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer erwartet (Botschaft GSchG 1996, 1222, 1228).
3. Das Parlament verabschiedete den neuen Gesetzesartikel diskussionslos. Anlass zu Meinungsdifferenzen gaben nur die zu ändernden Bestimmungen über die Leistung von Abgeltungen (vgl. Komm. zu Art. 61–66 GSchG).
4. Im Zeitpunkt der Aufnahme von Art. 3a ins GSchG war die neue verfassungsrechtliche Grundlage des Art. 74 Abs. 2 BV noch nicht in Kraft. Die BV 1874 (Art. 24septies) hatte die umweltrechtlichen Grundprinzipien (Nachhaltigkeit, Vorsorge- und Verursacherprinzip) noch nicht aufgeführt.
5. Verfassungsgrundlage für Art. 3a GSchG bildete ursprünglich allein die Sachzuständigkeit des Bundes im Bereich des Gewässerschutzes (heute Art. 76 BV). Die Zuständigkeit des Bundes für die generelle Einführung des Verursacherprinzips war unbestritten. Die konkretisierenden Vorschriften über die Finanzierung der Abwasseranlagen berührten demgegenüber die Autonomie der Kantone. Die Vorlage wurde jedoch als einheitliche Gesamtlösung gewertet, mit der die landesweite Durchsetzung der materiellen Verfassungsziele im Bereich eines nachhaltigen Gewässerschutzes sichergestellt werden konnten. Eine bundesrechtliche Rahmenregelung wurde deshalb als gerechtfertigt erachtet (Botschaft GSchG 1996, 1238).
6. Der heute massgebliche Art. 74 Abs. 2 BV bestimmt, dass die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung schädlicher oder lästiger Einwirkungen auf die natürliche Umwelt und den Menschen von den Verursachern zu tragen sind. Das verfassungsrechtlich verbindliche Verursacherprinzip knüpft damit an den Begriff der Einwirkung an. Das GSchG definiert in Art. 4 Bst. c den Begriff der nachteiligen Einwirkung als «Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen».
7. Die Definition des Begriffs der «Einwirkung» in Art. 7 Abs. 1 USG bezieht Gewässerverunreinigungen und andere Eingriffe in Gewässer […], die durch den Bau und Betrieb von Anlagen, durch den Umgang mit Stoffen, Organismen oder Abfällen oder durch die Bewirtschaftung des Bodens erzeugt werden, ebenfalls mit ein.
8. Gewässerverunreinigungen sind nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderungen des Wassers (Art. 4 Bst. d GSchG); bei den anderen Eingriffen geht es um nachteilige Einwirkungen, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen (Art. 4 Bst. c GSchG) (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG).
9. Der Mensch ist durch die Vorschriften über den Schutz vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen (Art. 74 Abs. 1 BV) nur geschützt, soweit er mittelbar, z.B. durch Verunreinigungen des Wassers, betroffen wird (Botschaft BV 1996, 248).
10. Alle Massnahmen, mit denen schädliche oder lästige Einwirkungen vermieden, begrenzt oder beseitigt werden, sind aufgrund von Art. 74 Abs. 2 BV gemäss den Grundsätzen des Verursacherprinzips zu finanzieren. Zu diesen Massnahmen und zu den möglichen Finanzierungsinstrumenten s. N 23 ff.
11. Das Verursacherprinzip ist in mehreren internationalen Übereinkommen enthalten. Die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung (1992) ruft die Staaten in ihrem Grundsatz 16 dazu auf, «die Internalisierung von Umweltkosten und den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente zu fördern» und den Ansatz zu verfolgen, wonach «grundsätzlich der Verursacher die Kosten der Verschmutzung zu tragen hat.»
12. Im Bereich des Gewässerschutzes ist das Verursacherprinzip namentlich in der UNECE-Wasserkonvention und in der OSPAR-Konvention festgehalten.
13. Eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung wird zumeist verneint, da keine Klarheit bezüglich der Inhalte des Prinzips besteht. Die Pflicht zur Kostentragung bezieht sich auf Privatpersonen und von einer Einigkeit über eine Staatenverantwortlichkeit kann nicht ausgegangen werden (Epiney/Scheyli, Umweltvölkerrecht, 92; Sands/Peel, Principles, 228 ff.).
14. Das Verursacherprinzip wird in der Lehre teilweise als allgemeiner Rechtsgrundsatz qualifiziert (Emmenegger/Tschentscher, BK ZGB, Art. 1 ZGB N 97), d.h. als Grundsatz, der wegen seiner allgemeinen Tragweite in allen Rechtsgebieten Geltung hat (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 184 f.). Teilweise wird in unbestimmterer Weise von einem «allgemeinen Grundsatz» oder einem «Handlungsprinzip» gesprochen (BGE 134 II 142, unpubl. E. 4.2, publ. in: URP 2008, 576; Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 132; Keller/von Arb, Nachhaltige Entwicklung, 467; Epiney/Scheily, Umweltvölkerrecht, 84 f.).
15. Aufgrund der Verankerung in Art. 74 Abs. 2 BV stellt das Verursacherprinzip auf dem Gebiet des Umwelt- und Gewässerschutzrechts einen verfassungsrechtlichen Grundsatz dar, der den Gesetzgeber bindet. Als Folge von Art. 190 BV müssen jedoch auch bundesgesetzliche Bestimmungen zur Anwendung gebracht werden, welche Kostenfolgen abweichend vom Verursacherprinzip regeln. Bundesgesetze sind indessen verfassungskonform auszulegen. Zudem bedarf auch das Verursacherprinzip selber der Auslegung, was gewisse Abweichungen aus überwiegenden öffentlichen, insb. ökologischen Gründen zulässt (vgl. N 40).
16. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Verursacherprinzips wird vom BGer und von der Mehrheit der Lehre verneint (BGE 125 I 449, unpubl. E. 1b, publ. in: URP 2000, 133; Frick, Verursacherprinzip, 140 ff., m.w.H.; a.M. Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 2 N 13 ff.). Dennoch ist die Justiziabilität insofern gegeben, als eine unrichtige Auslegung von Art. 74 Abs. 2 BV bzw. Art. 3a GSchG im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Beschwerde vor BGer gegenüber kantonalen Erlassen und Entscheiden gestützt auf Art. 95 Bst. a BGG als Verletzung von Bundesrecht gerügt werden kann (Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 48).
17. Dagegen gewährt das Verursacherprinzip keine verfassungsmässigen Rechte im Sinne von Art. 98 und Art. 116 BGG (BGer 2P.266/2003 vom 5. März 2004, E. 1.1).
18. Die Konkretisierung des Verursacherprinzips erfolgt durch gesetzliche Bestimmungen auf eidg. und kt. Ebene. Die föderalistische Zuständigkeit richtet sich nach der Sachmaterie. So fällt z.B. die Finanzierung von Abwasseranlagen in die Zuständigkeit der Kantone (und Gemeinden). Der Bund bejaht demgegenüber seine Kompetenz zur Erhebung von Lenkungsabgaben kraft Sachzusammenhang. Danach können eidg. Abgaben eingeführt werden, wenn ihr «gesetzgeberisches Leitmotiv in der Verhaltensbeeinflussung der Wirtschaftssubjekte zu sehen ist, und nicht in der Einnahmenerzielung». Eine «unvermeidbare Einnahmenerzielung» soll die verfassungsrechtliche Finanzkompetenzordnung nicht tangieren (Botschaft USG 1993, 1538 f.; zustimmend Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Vorbem. zu Art. 35a–35c N 8; Näheres zur Verfassungsmässigkeit von Lenkungsabgaben N 48 ff.).
19. Stets geht es bei der Umsetzung des Verursacherprinzips um Kostenregelungen, nicht dagegen um Verhaltenspflichten (Griffel, Grundprinzipien, Nr. 236). Richtet sich eine Verhaltenspflicht an eine andere Person als den Verursacher, so kann dieser die ihm entstehenden Kosten nicht unter Berufung auf das Verursacherprinzip auf den oder die (Mit-) Verursacher überwälzen. Ein solcher Kostenausgleichsanspruch ist nur bei Vorliegen einer entsprechenden (formell-) gesetzlichen Grundlage gegeben (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 94). Im Einzelnen kann gesetzlicher Auslegungsbedarf bestehen (Näheres N 62 ff.).
20. Die Qualifikation des Verursacherprinzips als Kostenzurechnungsregel macht eine Abgrenzung zum Haftpflichtrecht erforderlich. Im Unterschied zu den haftpflichtrechtlichen Regelungen (Art. 59a–d USG, dazu N 59 f.) geht es beim Verursacherprinzip nicht um die Schädigung individueller Rechtsgüter, sondern um sog. «uncharged disservices», d.h. um volkswirtschaftliche Verluste, wie z.B. verunreinigte Gewässer, die bei den Verursachern «internalisiert» werden sollen (dazu N 32 f.). Die Ursprünge des Verursacherprinzips liegen in ökonomischen Theorien über die Nutzung öffentlicher Güter. Die gegenwärtigen und die zukünftig zu erwartenden Nutzungen sollen monetarisiert und den Nutzern als Kosten angelastet werden. Dadurch sollen die Verursacher einen Anreiz erhalten, übermässige Nutzungen zu vermeiden (Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 46 ff.).
21. Das Verursacherprinzip setzt daher weder einen Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinn noch Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Verursachers voraus. Im Haftpflichtrecht kommt demgegenüber eine reine Billigkeitshaftung, d.h. eine Haftung trotz Rechtmässigkeit des Handelns, nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in Frage (vgl. Art. 52 Abs. 2, Art. 54 OR, Art. 701 ZGB und dazu Meier-Hayoz, BK Grundeigentum II, Art. 701 ZGB N 23).
22. Haftpflichtrechtliche Regelungen entsprechen zwar ihrem Sinn und Geist nach ebenfalls dem Verursacherprinzip, jedoch ermöglichen sie wegen der dargelegten Unterschiede keine zureichende Internalisierung externer Umweltkosten. Eine solche erfolgt über das öffentlich-rechtliche Abgaberecht (dazu N 32 ff.) oder über die spezielle Form der Kostenüberwälzung nach einer Ersatzvornahme (dazu N 57 f.).
1. Begriff des Verursachers
23. Der Begriff des Verursachers wird in Art. 3a GSchG nicht definiert. Bei der Konkretisierung des Verursacherprinzips besteht ein Gestaltungsspielraum. Die Bestimmung des massgeblichen Verursachers erfordert eine normative, wertende Zuordnung.
24. Verwendet eine Rechtsnorm den Begriff des Verursachers ohne nähere Umschreibungen, so ist für die Begründung einer Kostenpflicht zunächst ein natürlicher Kausalzusammenhang erforderlich. Zur weiteren Begrenzung des Kreises der Kostenpflichtigen hat das BGer bei solchen Rechtsnormen das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung aufgestellt und in weitgehender Anlehnung an den polizeirechtlichen Störerbegriff sowohl den Zustands- als auch den Verhaltensstörer für kostenpflichtig erklärt (BGE 138 II 111, 125, E. 5.3.2; 132 II 371, 380, E. 3.5).
25. Als Verhaltensstörer gilt gemäss st. Rspr., wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgende Verhalten Dritter den Schaden oder die Gefahr verursacht hat; Zustandsstörer ist, wer über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat. Als Zustandsstörer fallen neben dem Eigentümer auch Mieter, Pächter, Verwalter, Beauftragte usw. in Betracht (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 4).
26. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung bedeutet im Zusammenhang mit der polizeilichen Gefahrenabwehr, dass die kostenbegründende Verhaltensweise bereits selber die Grenze zur Gefahr überschritten haben muss und entferntere, lediglich mittelbare Ursachen ausscheiden (BGE 114 Ib 44, 48, E. 2a; BGer Urteil vom 29. April 1988, E. 2a, in: BVR 1988, 406; vgl. Komm. zu Art. 54 GSchG N 47 ff.). Je nach Sachzusammenhang kann auch von Relevanz sein, ob dem Verursacher durch die Einwirkung oder als Folge ihrer Abwehr oder Beseitigung wirtschaftliche Vorteile erwachsen (BGE 139 II 106, 119, E. 6.1, betr. Art. 32d USG); ferner können u.U. Praktikabilitätserwägungen eine Rolle spielen (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 64, m.w.H.). Die Mitberücksichtigung von Gesichtspunkten wie der wirtschaftlichen Interessenlage oder der Billigkeit und Praktikabilität rechtfertigt jedoch nicht die Begründung einer solidarischen Haftung zu Lasten einzelner Verursacher (BGer Urteil vom 12. Oktober 1990, E. 6a, in: ZBl 1991, 212). Dennoch hat das BGer auch schon darauf abgestellt, ob jemand die von ihm eingeforderten Kosten aufgrund eines Rechtsverhältnisses auf denjenigen überwälzen kann, der den Schaden unmittelbar verursacht hatte (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 7; vgl. auch BGE 138 II 111, 125 f., E. 5.3.2). Damit relativierte das BGer in einzelnen Fällen das Unmittelbarkeitserfordernis.
27. Im Unterschied zur Auslegung eines nicht näher eingegrenzten Verursacherbegriffs durch die Verwaltungsbehörden ist der Gesetzgeber bei der Konkretisierung des Verursacherprinzips nicht an das Unmittelbarkeitserfordernis gebunden. Verlangt wird aber auch hier, dass ein hinreichender direkter funktioneller Zusammenhang besteht, der eine normative Zurechnung erlaubt. Denn es geht beim Verursacherprinzip stets um eine möglichst gerechte Verteilung der Kosten nach Massgabe der zurechenbaren Verantwortung im Einzelfall (BGE 139 II 106, 110, 112, E. 3.1.2, 3.2; 138 II 111, 126, 129, E. 5.3.3, 5.4.3).
28. Griffel verwendet für die Unterscheidung der unterschiedlich dichten Anforderungen an die Zurechenbarkeit der Kostenverursachung die Begriffe des Verursacherprinzips im engeren bzw. im weiteren Sinn (Griffel, Grundprinzipien, Nr. 210 ff.; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 2 N 3 ff.). Das Erfordernis der Unmittelbarkeit soll danach nur für das Verursacherprinzip im engeren Sinn gelten. Dieses setze «einen individualisierbaren Kausalzusammenhang zwischen einem konkreten umweltbelastenden Verhalten einerseits und den daraus konkret entstehenden externen Kosten anderseits voraus». Das Instrument zur Umsetzung des Verursacherprinzips im engeren Sinn sei typischerweise die Verfügung. Das Verursacherprinzip im weiteren Sinn erfordere zwar ebenfalls einen Kausalzusammenhang, jedoch gehe es hier nicht um eine individuelle Zurechenbarkeit, weshalb pauschalisierende Zumessungen möglich seien. Das Instrument zur Umsetzung des Verursacherprinzips im weiteren Sinne seien öffentliche Abgaben. Nur beim Verursacherprinzip im weiteren Sinn würden demnach die strengeren abgaberechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zur Geltung kommen.
29. Verfassungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich des Legalitätsprinzips bestehen allerdings nicht nur für Steuern und Lenkungsabgaben. Auch dort, wo verfassungsrechtliche Prinzipien wie das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip die Funktion der Gesetzesform übernehmen, sind Lockerungen hinsichtlich der gesetzlichen Grundlage stets nur in Bezug auf die Bemessung der Höhe der Kostenpflicht zulässig, nicht dagegen für die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstandes der Abgabe (BGE 132 I 117, 121, E. 4.2). Wer als Verursacher kostenpflichtig wird, kann daher nicht von den Behörden im Einzelfall ex aequo et bono entschieden werden. Das gilt sowohl für die Erhebung von Gebühren als auch für die Kostenüberbindung nach einer Ersatzvornahme. Einer Grundlage im formellen Gesetz bedarf deshalb z.B. die Begründung einer Kostenpflicht aufgrund des Kriteriums des «wirtschaftlichen Vorteils». Andernfalls kann ein solcher Vorteil höchstens bei der Bemessung des individuellen Kostenanteils und innerhalb der Schranken des behördlichen Ermessensspielraums berücksichtigt werden (kritisch zu würdigen unter diesem Aspekt BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 7 betr. Begründung einer solidarischen Haftbarkeit für den Kostenanteil eines anderen Verursachers aufgrund eines vermuteten wirtschaftlichen Vorteils).
2. Massnahmen nach diesem Gesetz
30. Im Unterschied zu Art. 74 Abs. 2 BV bezieht sich das Verursacherprinzip des Art. 3a GSchG nicht nur auf Massnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Einwirkungen, sondern in umfassender Weise auf sämtliche Massnahmen, die sich auf das GSchG oder seine Ausführungsverordnungen stützen. Betroffen sein können alle Regelungsbereiche, d.h. sowohl das Kapitel Reinhaltung (Art. 6−28 GSchG) als auch die Bestimmungen über Restwassermengen (Art. 29−36 GSchG) und über die Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen (Art. 36a−44 GSchG) sowie schliesslich auch der Vollzug (Art. 54 GSchG). Näheres zu diesen verschiedenen Anwendungsbereichen bei N 62 ff.
31. Bei den Massnahmen nach GSchG kann es sich auch um Massnahmen von Privaten handeln. So ist eine private Kanalisation ebenfalls nach Verursacherprinzip zu finanzieren, wenn sie im Sinne von Art. 10 Abs. 3 GSchG öffentlichen Zwecken dient (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.1, 5.3).
3. Kostenfolgen Kausalabgaben, Lenkungsabgaben und Kostenanlastungssteuern
32. Nach dem Wortlaut des Gesetzes trägt der Verursacher die Kosten der von ihm verursachten gewässerschutzrechtlichen Massnahmen. Das auf ökonomische Theorien zurückgehende Polluter Pays Principle geht davon aus, dass Umweltbeeinträchtigungen auf eine Übernutzung von Umweltgütern zurückzuführen sind, die als kollektive Güter nicht dem marktwirtschaftlichen Preis- und Ausschlussmechanismus unterworfen sind. Obwohl solche Umweltgüter einen wirtschaftlichen Wert haben, haben sie keinen Preis. Nach der vom Engländer Arthur Cecil Pigou entwickelten These ist deshalb durch Abgaben und andere marktwirtschaftliche Instrumente («Pigou-Steuern») einer Übernutzung solcher öffentlicher Güter entgegenzuwirken (vgl. zu den Konzepten für eine Internalisierung externer Umweltkosten Frick, Verursacherprinzip, 7 ff.).
33. Im Vordergrund des abgaberechtlichen Instrumentariums stehen die bei den Verursachern erhobenen Kausalabgaben.
Kausalabgaben
34. Der Aufwand, der bei den Behörden für den Vollzug des GSchG und die vom Staat zu treffenden Massnahmen anfällt, ist aufgrund des Verursacherprinzips mittels Gebühren oder Vorzugslasten auf die Verursacher zu überwälzen. Auch die für Vollzugsaufgaben beigezogenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten (Art. 49 Abs. 3 GSchG) können ermächtigt werden, Kostenverfügungen zu erlassen (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 26).
35. Auf Bundesebene sieht Art. 55 GSchG in diesem Sinne vor, dass der Bund für die in seine Zuständigkeit fallenden Bewilligungen und Kontrollen sowie für die besonderen Dienstleistungen, die im GSchG und in den Ausführungsbestimmungen näher geregelt sind, Gebühren erhebt. Die GebV-BAFU regelt die Bemessung der Gebühren und legt feste Gebührenansätze fest. Eine Pflicht zur Gebührenerhebung bei kantonalen Hoheitsakten und Dienstleistungen ist in Art. 55 GSchG nicht vorgesehen (anders diesbezüglich die parallele Vorschrift des Art. 48 USG).
36. Das Verursacherprinzip wird in Art. 55 GSchG nicht ausdrücklich erwähnt. Der Bundesrat ging in seiner Botschaft davon aus, dass es sich um Massnahmen handelt, die einem Verursacher bestehender oder künftiger Gewässerbelastungen eindeutig zugeordnet werden können (Botschaft GSchG 1987, 1151 f.). Im Zusammenhang mit Art. 48 USG hat das BGer den Bezug zum Verursacherprinzip wiederholt festgehalten (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.1, m.w.H.; BGE 138 II 111, 120, E. 4.3.4).
37. Die Pflicht, bei den Verursachern Gebühren zu erheben, schliesst eine Finanzierung nach dem Gemeinlastprinzip aus. Früher, d.h. bis zum Inkrafttreten der Art. 3a und 60a GSchG, waren die kommunalen Abwasser- und Abwasserinfrastrukturanlagen noch durch Beiträge von Bund und Kantonen aus allgemeinen Steuermitteln subventioniert worden (dazu Stutz, Abwasserrecht, 92 ff.).
38. Nach heutiger Rechtslage verlangt Art. 60a GSchG, dass die Kantone dafür sorgen, dass die Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen, mit Gebühren oder anderen Abgaben den Verursachern überbunden werden. Art. 60a Abs. 1 GSchG legt die Kriterien fest, welche die Kantone und Gemeinden bei der Bemessung der von ihnen erhobenen Abgaben zu berücksichtigen haben. Dem kt. (bzw. kommunalen) Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung der konkretisierenden Abgaberegelungen jedoch erheblicher Spielraum offen. Erhoben werden können Anschlussgebühren, Erschliessungsbeiträge (Vorzugslasten) und/oder Benützungsgebühren (vgl. zur Terminologie BGE 106 Ia 241, 242 f., E. 3b; Stutz, Abwasserrecht, 192 ff.). Die von den Kantonen und Gemeinden erlassenen Gesetzesbestimmungen behalten dabei trotz der bundesrechtlich geregelten Rahmenbedingungen ihre selbständige Natur (BGer 2C_817/2008 vom 27. Januar 2009, E. 5.1; BGE 128 I 46, 51, E. 1b/cc).
39. Unter dem Aspekt des Verursacherprinzips zulässig ist ein System, das mengenabhängige Verbrauchs‑ (Benützungs‑) Gebühren (Gebühren, welche nach der tatsächlichen Benützung der Abwasseranlagen bemessen werden) kombiniert mit einer Grundgebühr («Bereitstellungsgebühr»), welche als Entgelt für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur konzipiert ist (BGE 128 I 46, 55 f., E. 5b/bb). Empfohlen wird eine solche Aufteilung von den Fachvereinigungen (VSA/Schweizerischer Städteverband/FES, Finanzierung). Nicht mehr mit Art. 60a GSchG bzw. mit dem Verursacherprinzip vereinbar ist jedoch eine Abwassergebühr, die im Wesentlichen oder ausschliesslich auf der mengenunabhängigen Grundgebühr basiert und nur eine marginale Mengengebühr enthält (BGer 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013, E. 6.4). Denn dem Kostenfaktor der Dimensionierung der Anlagen und den möglichen, dabei zu berücksichtigenden Spitzenbelastungen wird bereits mit den einmaligen Beiträgen oder Anschlussgebühren Rechnung getragen. Deshalb soll die als Teil der Benützungsgebühren veranlagte Grundgebühr i.d.R. einen niedrigeren Kostenanteil abdecken als die mengenabhängige Gebühr, mit der ein Lenkungseffekt anzustreben ist (BGer 2P.266/2003 vom 5. März 2004, E. 3.2).
40. Abweichungen vom Verursacherprinzip sind zulässig, wenn andernfalls eine umweltverträgliche Entsorgung des Abwassers gefährdet wäre (Art. 60a Abs. 2 GSchG). Dabei ging es dem Gesetzgeber weniger um die Gefahr einer «wilden» Abwasserentsorgung, wie dies bei der Parallelvorschrift des Art. 32a Abs. 2 USG der Fall war. Im Vordergrund stand vielmehr die Sorge um möglicherweise unterbleibende Investitionen, wenn diese eine sprunghafte Erhöhung der Abwassergebühren zur Folge hätten (Botschaft GSchG 1996, 1230; vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 134).
41. Für die Erhebung aller Kausalabgaben gelten neben dem Verursacherprinzip die allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätze, d.h. die grundlegenden Bestimmungen über den Kreis der Abgabepflichtigen sowie den Gegenstand und die Bemessung der Abgabe müssen im formellen Gesetz festgelegt werden (Art. 164 Abs. 1 Bst. d BV). Kt. Gebühren und Vorzugslasten können deshalb nicht direkt gestützt auf Art. 3a GSchG erhoben werden, vielmehr setzt diese Bestimmung ergänzendes Ausführungsrecht voraus (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.3; BGE 119 Ib 389, 394, E. 4b).
42. Gelockerte Vorgaben an die gesetzliche Grundlage gelten für die Abgabenbemessung, wenn das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt (BGE 132 I 117, 121, E. 4.2). In diesem Sinne gelangen bei den Kausalabgaben, mit denen das Verursacherprinzip umgesetzt wird, das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip zur Anwendung.
43. Das Kostendeckungsprinzip ist als Maximalgrenze zum Schutz des einzelnen Abgabepflichtigen zu verstehen. Darin unterscheidet es sich vom Verursacherprinzip, das grundsätzlich eine Vollkostenüberwälzung verlangt. Es muss demnach der Gesamtaufwand des betroffenen Verwaltungszweigs (dazu Hungerbühler, Kausalabgabenrecht, 520 f.) aufgrund des Verursacherprinzips überwälzt werden, jedoch bildet dieser Aufwand zugleich auch die Obergrenze für die Kostenüberwälzung.
44. Bei Abwasseranlagen kann das Kostendeckungsprinzip unterschiedlich ausgelegt werden, indem es sich entweder auf die Gesamtheit von Anschluss- und Benützungsgebühren beziehen kann oder indem es für die verschiedenen Verwaltungszweige separat beurteilt wird. Das Bundesrecht schreibt eine Aufgliederung nicht vor, steht aber einer solchen auch nicht entgegen, wenn dieses Vorgehen als sachgerecht erscheint. Dies ist namentlich der Fall, wenn damit Querfinanzierungen vermieden werden und so eine vollumfängliche Erfüllung des Kostendeckungsprinzips ermöglicht wird (BGer 2C_644/2009 vom 16. August 2010, E. 4.2; 2C_322/2010 vom 22. August 2011, E. 4).
45. Bei kostenunabhängigen Kausalabgaben kommt das Kostendeckungsprinzip nicht zum Tragen. Darunter fallen sämtliche Konzessions- und Wassernutzungsgebühren (Mahaim, Föderalismus, 298, 318). Das Verursacherprinzip ist auch bei diesen Gebühren zu beachten (Mahaim, Föderalismus, 286). Die Höhe der Abgabe muss aus der formellgesetzlichen Grundlage in hinreichend bestimmter Weise hervorgehen. Zulässig ist es jedoch, wenn der kt. Gesetzgeber für die Bestimmung des Satzes des Wasserzinses auf den im WRG vorgesehenen Maximalsatz verweist (BGE 128 II 112, 122, E. 7).
46. Das Äquivalenzprinzip konkretisiert für den Bereich des Abgaberechts den Verhältnismässigkeitsgrundsatz sowie das Gleichheitsgebot und das Willkürverbot (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2642). Die Höhe von Gebühren und Vorzugslasten muss demnach in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der staatlichen Leistung bzw. zum bezogenen Sondervorteil stehen. Massgeblich sind der Nutzen für den Pflichtigen oder der Kostenaufwand des Gemeinwesens bzw. der Mehrwert, der dem Beitragspflichtigen zuwächst. Sowohl bei Gebühren als auch bei Vorzugslasten sind gewisse Schematisierungen zulässig, sofern sie nicht zu sachlich unhaltbaren oder rechtsungleichen Ergebnissen führen (BGer 2C_356/2013 vom 17. März 2014, E. 5.2.2–5.2.3; 2C_722/2009 vom 8. November 2010, E. 3.2–3.3; Mahaim, Föderalismus, 298, m.w.H.).
47. Während sich das Äquivalenzprinzip darauf beschränkt, zu verlangen, dass sich der zur Anwendung gelangende Massstab auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, konkretisiert das Verursacherprinzip solche Gründe, indem es eine Bemessung der Abgabe nach Kriterien wie Art, Menge oder Gewicht der Verursachungsanteile fordert und verlangt, dass eine beim Verursacher erhobene Abgabe eine Lenkungswirkung entfaltet. Ein gewisser Schematismus bleibt aber auch beim Verursacherprinzip zulässig, solange die Lenkungswirkung dadurch nicht verloren geht (vgl. für die Parallelvorschrift des Abfallrechts, Art. 32a USG: BGE 137 I 257, 269 ff., E. 6.1.1).
Lenkungsabgaben
48. Kausalabgaben, namentlich Gebühren und Vorzugslasten, können neben dem Finanzierungszweck einen Nebenzweck der Verhaltenslenkung verfolgen (Lenkungskausalabgaben). In solchen Fällen gelten für denjenigen Teil der Abgabe, der über die erforderliche Kostendeckung hinausgeht, die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Legalitätsprinzips im Abgaberecht (formellgesetzliche Grundlage).
49. Es gibt aber auch Lenkungsabgaben, welche direkt auf die Verhaltenslenkung ausgerichtet sind und keine Finanzierungszwecke verfolgen. Die Kompetenz zur Erhebung solcher reiner Lenkungsabgaben folgt der Kompetenz in der Sachmaterie. Die Kantone können im Bereich des Gewässerschutzrechts Lenkungsabgaben nur erheben, soweit der Bund keine abschliessenden Regelungen getroffen hat. So wäre z.B. die Erhebung einer kt. Abgabe im Bereich des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen aufgrund der in diesem Bereich bestehenden umfassenden eidg. Vorschriften (GSchV, ChemRRV, PSMV, DüV) nicht zulässig.
50. Auf Bundesebene leitet sich die Kompetenz zur Erhebung gewässerschutzrechtlicher Lenkungsabgaben, mit denen keine Finanzierungszwecke verfolgt werden, aus Art. 76 BV her. Als verfassungsrechtliche Grundlage kommen aber auch andere Bundesaufgaben in Frage (insb. Umweltschutz: Art. 74 BV; Energie: Art. 89 BV). Übernimmt eine vom Bund erhobene Abgabe zusätzlich auch Finanzierungsfunktionen, so ist nach der immer noch vorherrschenden Lehre eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage erforderlich (Donzel, Redevances, 220, m.w.H.; Hettich/Walther, Rechtsfragen, 156 ff.; vgl. für die ältere Lehre Fleiner, Verfassungsmässigkeit, 306 ff.; eine restriktive Auslegung vertritt auch heute noch Reich, Steuerrecht, 51 f.). Teilweise billigt die neuere Lehre allerdings die Verwendung des Abgabeaufkommens für lenkungszielkonforme Zwecke (Donzel, Redevances, 196 ff., m.w.H.).
51. Das GSchG sieht in seiner gegenwärtigen Fassung keine Lenkungsabgaben vor. Eine Motion der UREK-S (94.3005 vom 27. Januar 1994), mit welcher die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Mineraldüngern, regionalen Hofdünger-Überschüssen und Pflanzenschutzmitteln im Interesse des Gewässerschutzes verlangt worden war, wurde vom Bundesrat unter Hinweis auf die Möglichkeiten eines konsequenteren Vollzugs der bestehenden Vorschriften abgelehnt (Bericht Umweltrisiken 2003, 4802). Im Rahmen der Vorlage für eine verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser wurde eine Produkt- oder Lenkungsabgabe insb. aus aussenhandelstechnischen Gründen verworfen (Botschaft GSchG 2013, 5555). Beschlossen wurde nun eine Abgabe, mit welcher technische Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasserreinigungsanlagen abgegolten werden sollen. Diese Abgabe stellt allerdings keine Lenkungsabgabe dar. Auf ihre rechtliche Qualifizierung ist im nachfolgenden Abschnitt einzugehen.
Kostenanlastungssteuern
52. Kostenanlastungssteuern sind Sondersteuern, die einer bestimmten Gruppe von Personen auferlegt werden, weil diese zu bestimmten Aufwendungen des Gemeinwesens in einer näheren Beziehung stehen als die übrigen Steuerpflichtigen. Im Unterschied zu den Kausalabgaben sind Kostenanlastungssteuern voraussetzungslos geschuldet, d.h. unabhängig von einem konkreten Nutzen des Einzelnen oder vom konkreten Verursacheranteil der steuerpflichtigen Person (BGer 2C_1158/2012 vom 27. August 2013, E. 4.2).
53. Die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Abgabe für die Finanzierung der Abgeltung technischer Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasserreinigungsanlagen wird bei den Inhabern der ARA erhoben und auf die angeschlossenen Einwohner als «Verursacher» überwälzt (Art. 60b Abs. 1 und 5 GSchG). Gemäss Botschaft handelt es sich dabei um eine Kausalabgabe mit «qualifizierter Gruppenäquivalenz», mit welcher Tätigkeiten finanziert werden, die zwar nicht den einzelnen Beaufsichtigten individuell zugutekommen, jedoch dem Kreis der Abgabepflichtigen als Gruppe. Die Zuständigkeit des Bundes zur Erhebung einer solchen Abgabe und deren Verfassungsmässigkeit sollen sich gemäss Bundesrat, wie bei einer reinen Lenkungsabgabe, aus der Verfassungsgrundlage des Art. 76 Abs. 3 BV, d.h. aus dem Sachzusammenhang, herleiten lassen (Botschaft GSchG 2013, 5565).
54. Der Bundesrat bezieht sich bei dieser rechtlichen Beurteilung auf die «Praxis des Bundesamtes für Justiz». Diese Praxis wurde im Zusammenhang mit den verschiedenen Sonderabgaben entwickelt, die seit einigen Jahren auf Bundesebene im Bereich der Wirtschaftsaufsicht in zunehmender Fülle erhoben werden. Die Verfassungsmässigkeit dieser Art von Abgaben ist in der Lehre jedoch erheblich umstritten und wurde vom BGer bisher nicht bestätigt (vgl. 2C_726/2007 vom 2. Oktober 2008, E. 4.2.2; Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 BV N 19; Karlen, Abgaben, 1 f.; Hettich/Wettstein, Kostenanlastungssteuern, 551 ff.)
55. Da zwischen der Nachrüstung ausgewählter ARA einerseits und den von sämtlichen ARA-Benützern der ganzen Schweiz verursachten Abwässern anderseits kein Zusammenhang besteht, der eine Kostenzurechnung erlauben würde, ist die Qualifikation als Kausalabgabe abzulehnen. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich vielmehr um eine voraussetzungslos geschuldete Kostenanlastungssteuer, deren Einführung auf Bundesebene einer besonderen verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfte (vgl. BGE 131 II 271, 276 ff., E. 5).
56. Eine weitere gewässerschutzrechtliche Finanzierungsabgabe ist im EnG geregelt ist. Art. 15abis EnG bestimmt, dass die Kosten für Sanierungsmassnahmen nach Art. 39a GSchG (Schwall und Sunk) und nach Art. 43a GSchG (Geschiebehaushalt), ebenso wie die Kosten für fischereirechtliche Sanierungsmassnahmen (Art. 10 BGF), den Inhabern von Wasserrechtskonzessionen vollständig zu ersetzen sind. Zu diesem Zweck wird auf den Übertragungskosten der Hochspannungsnetze ein Zuschlag von 0,1 Rappen/kWh erhoben (Netzzuschlag: Art. 15b Abs. 4 EnG). Damit finanzieren im Endeffekt die Strombezüger Massnahmen des Gewässerschutzes, die als Folge der Nutzung von Gewässern für die Stromproduktion erforderlich werden. In diesem Sinne entspricht die Abgabe dem Verursacherprinzip. Auch wenn mit der Mittelverwendung die Ziele der Energiegesetzgebung (Art. 1 Abs. 1 EnG: umweltverträgliche Energieversorgung) unterstützt werden, handelt es sich nicht um eine Lenkungsabgabe. Es ist vielmehr auch bei dieser Abgabe von einer Kostenanlastungssteuer auszugehen (Hettich/Walther, Rechtsfragen, 153 ff., qualifizieren diese Abgabe als allgemeine Zwecksteuer).
Kostenüberbindung nach einer Ersatzvornahme
57. Die Überbindung der Kosten für Massnahmen, welche die Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens getroffen haben (Art. 54 GSchG), erfolgt unter direkter Anwendung der Grundsätze des Verursacherprinzips. Ergänzende abgaberechtliche Regelungen gibt es auf Bundesebene nicht; das kt. Recht kann jedoch besondere Regelungen vorsehen, insb. für die Inrechnungstellung von Kosten der Ereignisdienste.
58. Zur Auslegung des gewässerschutzrechtlichen Verursacherprinzips im Zusammenhang mit einer antizipierten Ersatzvornahme gibt es eine vielfältige Kasuistik, die bereits unter den alten gewässerschutzrechtlichen Erlassen (1955, 1971) entwickelt wurde. Ausgangspunkt bildete das aus dem Verkehrspolizeirecht übernommene Störerprinzip, das sich sowohl auf die Pflicht zur Ergreifung von Massnahmen als auch auf die damit verbundenen Kostenfolgen bezieht (vgl. die Kasuistik zum Gewässerschutzrecht bei Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 121 ff.). Auch heute noch wird für die Kostenzurechnung nach Art. 54 GSchG an den polizeirechtlichen Störerbegriff und an die Unterscheidung von Zustands- und Verhaltensstörern angeknüpft (BGer 1C_146/2011 vom 29. November 2011, E. 2; Näheres bei Komm. zu Art. 54 GSchG N 38 ff.).
Privatrechtliche Haftungsansprüche
59. Normen, welche geschädigten Personen haftungsrechtliche Ansprüche gewähren, sind nicht direkt auf das öffentlich-rechtliche Verursacherprinzip zurückzuführen. Es handelt sich vielmehr um privatrechtliche Schadenersatzansprüche. Solche Ansprüche können auch dem Gemeinwesen zustehen, wenn die Voraussetzungen für eine Überbindung des Schadens auf den Verursacher mittels hoheitlicher Kostenverfügung nicht erfüllt sind (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Kostenüberbindung von Schadenbehebungskosten nach Art. 54 GSchG die Komm. zu Art. 54 GSchG N 35 ff.).
60. Das geltende GSchG kennt keine privatrechtliche Haftungsnorm mehr. Art. 69 GSchG wurde mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen der Art. 59a−d USG per 1. Juli 1997 aufgehoben. Da der Anwendungsbereich des USG heute auch Gewässerverunreinigungen mit-einschliesst (Art. 7 Abs. 1 USG), gelten die haftungsrechtlichen Regelungen des USG seither auch bei Schäden, die durch nachteilige Einwirkungen auf ein Gewässer entstehen.
61. Haftbar sind nach diesen Bestimmungen die Inhaber besonders umwelt- oder gewässergefährdender Betriebe oder Anlagen sowie Personen, die mit Organismen umgehen, welche eine Gefahr für Wasserorganismen darstellen. Auch das Gemeinwesen kann als Inhaber eines Betriebs oder einer Anlage den haftungsrechtlichen Bestimmungen des USG unterworfen sein (vgl. zu den haftungsrechtlichen Voraussetzungen nach den Bestimmungen des USG und zu deren Geltung im Anwendungsbereich des GSchG Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 1808 ff., 1873 f.).
1. Reinhaltung der Gewässer
62. Die Reinhaltung der Gewässer ist das Hauptanwendungsgebiet des Verursacherprinzips. Art. 10 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 10 GSchG) verpflichtet die Kantone, für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser zu sorgen. Der Bund verzichtete jedoch darauf, die erforderlichen Abgaben für die Beseitigung und Reinigung der Abwässer selber festzulegen. Er übertrug diese Aufgabe den Kantonen und überliess ihnen dabei einen grossen Spielraum (vgl. N 38). Das Bundesrecht regelt in Art. 60a GSchG (vgl. Komm. zu Art. 60a GSchG) immerhin die Rahmenbedingungen einer kostendeckenden und verursachergerechten Abgabenerhebung für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz aller Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen. Nach Verursacherprinzip zu finanzieren ist auch eine private Kanalisation, wenn der Inhaber der Leitung nach Art. 11 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 10 und 11 GSchG) verpflichtet ist, Abwasser einer anderen Liegenschaft abzunehmen (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.1, 5.3). Die Tatsache, dass eine private Kanalisation von mehreren Grundeigentümern benützt wird, bedeutet aber noch nicht, dass sie öffentlichen Zwecken dient (BGer 1C_721/2013 vom 15. Juli 2014, E. 3.2; vgl. dazu auch N 31).
63. Nicht unter die nach Art. 3a GSchG zu finanzierenden Massnahmen fallen die regionale ebenso wie die kommunale Entwässerungsplanung, mit der eine zweckmässige Siedlungsentwässerung zu gewährleisten ist (Art. 7 Abs. 3 GSchG; Art. 4, 5 GSchV; vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG). Die Entwässerungsplanung dient lediglich den Behörden als Vorbereitung allfälliger Massnahmen und sie ist nur behördenverbindlich. Eine finanzielle Beteiligung Privater an dieser Planung und den dafür notwendigen Grundlagen, wie z.B. an einem geologischen Gutachten oder einem «Zustandsbericht Versickerung», müsste ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sein (VGer GR, Urteil vom 17. Mai 2004, in: URP 2004, 352 ff.).
64. Art. 54 GSchG, der die Kostenüberbindung nach den Grundsätzen des Verursacherprinzips für behördliche Massnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens regelt, ist ebenfalls auf die Interessen der Gewässerreinhaltung ausgerichtet (Näheres bei Komm. zu Art. 54 GSchG N 7).
2. Planerischer Gewässerschutz
65. Art. 19−21 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 19–21 GSchG)verpflichten die Kantone zur Bezeichnung von Gewässerschutzbereichen und zur Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen und -arealen. Kostenfragen und die Frage nach der Geltung des Verursacherprinzips können sich hier stellen, wenn bei bestehenden Bauten und Anlagen aufgrund der Neuausscheidung von Schutzzonen nachträglich Schutzmassnahmen notwendig werden, um Gefährdungen für die Trinkwassernutzung oder für die Grundwasserfassungs- und -anreicherungsanlagen zu vermeiden (Art. 31 GSchV).
66. Konflikte zwischen Grundwasserschutz und baulichen Nutzungen sollten allerdings primär durch eine geeignete Standortwahl für Grundwasserfassungen vermieden werden. Müssen dennoch bei bestehenden Fassungen nachträglich in bereits baulich genutzten Gebieten Schutzzonen ausgeschieden werden und kommt eine Verlegung oder Aufgabe der Fassung nicht in Frage, so legen die Kantone die notwendigen Eigentumsbeschränkungen zu Lasten der betroffenen Bauten und Anlagen fest. Die Inhaber der Grundwasserfassungen müssen für allfällige Entschädigungen aufkommen (Art. 20 Abs. 2 Bst. c GSchG; vgl. Komm. zu Art. 20 GSchG).
67. Eine Abweichung vom Verursacherprinzip ist in dieser Bestimmung nicht zu sehen. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe der Inhaber gewässergefährdender Bauten und Anlagen, Massnahmen, welche zum Schutz des Grund- und Trinkwassers bei ihren Anlagen ergriffen werden müssen, auf ihre eigenen Kosten durchzuführen. Ein Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Inhaber der Grundwasserfassung besteht nur, wenn die angeordneten Eigentumsbeschränkungen so schwer wiegen, dass sie einer Enteignung gleichkommen, d.h. wenn eine materielle Enteignung vorliegt. Die nachträgliche Verpflichtung, bei bestehenden Bauten oder Anlagen zusätzliche bauliche Schutzmassnahmen zu ergreifen (z.B. doppelwandige Abwasserleitungen), stellt für sich allein noch keine materielle Enteignung dar (VGer SG, Urteil vom 25. November 2008, in: URP 2009, 198 ff. Näheres bei Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 919 ff.).
68. Als Verursacher sind demnach in erster Linie die Inhaber derjenigen Bauten und Anlagen anzusehen, die mit gewässergefährdenden Nutzungen verbunden sind und deshalb Schutzmassnahmen nach Art. 31 GSchV erforderlich machen (Huber-Wälchli, Kostentragung, 802 f.). Die Tatsache, dass Gewässerschutzbereiche oder Grundwasserschutzzonen und -areale erst nachträglich bezeichnet und ausgeschieden werden, kann für die Bestimmung des kostenpflichtigen Verursachers jedoch ebenfalls Bedeutung erlangen. Sind nämlich bestehende Nutzungskollisionen auf Planungsfehler und mangelnde Koordination zwischen Grundwasserschutz und Nutzungsplanung zurückzuführen, so kann dies die Annahme einer materiellen Enteignung rechtfertigen. Die Entschädigungspflicht trifft in solchen Fällen nicht allein die Inhaber der Grundwasserfassungen, sondern auch das planende Gemeinwesen (BGE 106 Ib 336, 340, E. 5c/bb; 131 II 72, 79, E. 3.6; Huber-Wälchli, Kostentragung, 805 ff.; Keller, Sanierung, 548 ff.).
3. Sicherung angemessener Restwassermengen
69. Beim quantitativen Gewässerschutz kann sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Verursacherprinzips insb. im Zusammenhang mit der Sanierung von Fliessgewässern, die durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusst werden, stellen (Art. 80−83 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 80−83 GSchG). Das Gesetz regelt weder, wer die Sanierung solcher Gewässer vorzunehmen hat noch wer die Kosten trägt. Nur wenn ein entschädigungsbegründender Eingriff in bestehende Wassernutzungsrechte vorliegt, bestimmt Art. 80 Abs. 2 GSchG, dass die Bestimmungen des Enteignungsrechts zur Anwendung kommen (vgl. Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 941 ff.).
70. Für Sanierungsmassnahmen nach Art. 80 Abs. 1 GSchG ebenso wie nach Abs. 2 gelten demnach die allgemeinen Grundsätze, wonach zur Ermittlung des Sanierungspflichtigen das Störerprinzip heranzuziehen ist. Ist der Sanierungsbedarf auf eine Wasserentnahme zurückzuführen, so steht der Inhaber der Bewilligung nach Art. 29 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG) dem Gefahrenherd am nächsten und verfügt i.d.R. auch über die persönlichen und sachlichen Mittel, um die Störung beseitigen zu können (BGE 107 Ia 19, 25, E. 2b).
71. Da der Gesetzgeber für die Kostenfolgen keine abweichenden Regelungen erlassen hat, obliegt dem realleistungspflichtigen Störer zugleich auch die ausschliessliche Kostentragungspflicht (Hunger, Sanierungspflicht, 271).
72. Besteht demgegenüber Anspruch auf eine enteignungsrechtliche Entschädigung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, so stellt sich die Frage, ob der Enteigner (i.d.R. der Kanton) eine volle Entschädigung für den Minderwert schuldet, der aus der Teilenteignung des betroffenen Wasserrechts resultiert, oder ob auch Aspekte des Verursacherprinzips in die Bemessung der Höhe der Entschädigung miteinfliessen sollen. Wird der Verweis in Art. 80 Abs. 2 GSchG bei solchen regulatorischen Eingriffen nur auf das anwendbare Verfahren bezogen, nicht dagegen auf die materiellen Regeln der Entschädigungsbemessung (so auch Riva, Wohlerworbene Rechte, 207 f., 126; vgl. auch BGE 139 II 28, 42, E. 3.1), so ist nach den Grundsätzen des Verursacherprinzips eine Entschädigung nur für denjenigen Teil der Sanierungsmassnahmen zu gewähren, welcher über das nach Art. 80 Abs. 1 GSchG Gebotene hinausgeht (Riva, Wohlerworbene Rechte, 209; vgl. BGE 139 II 28, 45, E. 3.7). Denn im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 GSchG hat der Konzessionär als Verursacher ausser den Kosten der von ihm als Störer zu ergreifenden Massnahmen auch die daraus resultierenden wirtschaftlichen Einbussen zu tragen (Hunger, Sanierungspflicht, 258 ff.).
73. Das Verursacherprinzip kann im Weiteren bei der Kostentragung im Verfahren der Sanierung Bedeutung erlangen. Sieht eine kantonale Gebührenverordnung die Festsetzung von Abgaben und Gebühren für die Erteilung und Abänderung von Bewilligungen zur Wasserentnahme vor, so gilt diese Kostenfolge auch für das Verfahren zur Restwassersanierung. Denn der Sache nach handelt es sich dabei um die Abänderung einer Bewilligung (VGer BE, Urteil in: BVR 1998, 111, 130, E. 14b).
4. Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer
74. Im 3. Kapitel des 2. Titels über die Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen (Art. 36a−44 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 36a–44 GSchG) finden sich verschiedene Vorschriften, welche sich an die Inhaber bestimmter Anlagen und Werke richten und diesen Pflichten zur Ergreifung von Massnahmen zur Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer auferlegen. Die Kosten dieser Massnahmen fallen grundsätzlich direkt bei den Massnahmenpflichtigen an, so dass sich die Frage nach möglichen kostenpflichtigen Verursachern nicht stellt.
75. Sind allerdings bauliche Massnahmen zur Verhinderung oder Beseitigung von Schwall und Sunk (Art. 39a GSchG) oder geeignete Massnahmen zur Verhinderung beeinträchtigender Veränderungen des Geschiebehaushalts (Art. 43a GSchG) als Sanierungsmassnahmen bei bestehenden Wasserkraftwerken oder anderen Anlagen an Gewässern zu ergreifen (Art. 83a GSchG; vgl. Komm. zu Art. 83a GSchG), so steht den Inhabern einer Konzession ein Anspruch auf Rückerstattung der vollständigen Kosten zu (Art. 15abis EnG). Schuldner dieses Anspruchs ist die Nationale Netzgesellschaft (Swissgrid), welche zu diesem Zweck einen Zuschlag auf den Kosten der Stromübertragung auf dem Hochspannungsnetz erhebt. Dieser Zuschlag beträgt 0,1 Rappen/kWh und wird auf die Endverbraucher, d.h. die Strombezüger, überwälzt (Art. 15b EnG).
76. Der Gesetzgeber bezieht mit dieser Abgabe die Stromverbraucher in die Kostentragungspflicht mit ein, obwohl sie nicht unmittelbare Verursacher der zu ergreifenden gewässerschutzrechtlichen Sanierungsmassnahmen sind. Das Unmittelbarkeitserfordernis bindet den Gesetzgeber aber nicht, wenn zwischen der Kostenpflicht und dem Verwendungszweck ein hinreichender direkter funktioneller Zusammenhang besteht (vgl. N 27). In diesem Sinne beinhaltet der Begriff des Verursachers eine normative Wertung, welche dem formellen Gesetzgeber bei der Umsetzung des Verursacherprinzips Spielraum lässt.
5. Kosten der Ermittlung des Sachverhalts
77. Das Verursacherprinzip kann schliesslich auch im Rahmen der Regelung der Verfahrenskosten zum Tragen kommen, insb. wenn über die Kostenverteilung für Massnahmen zur Feststellung des Sachverhalts zu entscheiden ist. Die Kostentragungspflicht kann dabei nicht direkt aus Art. 3a GSchG hergeleitet werden, da das Verursacherprinzip als allgemeiner Grundsatz der Umsetzung durch Gebührenregelungen und -tarife bedarf (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.3; BGE 119 Ib 389, 394, E. 4b).
78. Auf Bundesebene ermächtigt Art. 46a RVOG den Bundesrat zum Erlass von Bestimmungen über die Erhebung angemessener Gebühren im erstinstanzlichen Verfahren (Krauskopf/Emmenegger, Praxiskommentar VwVG, Art. 12 N 61).
79. In eidg. ebenso wie in kt. Verfahren werden die Parteien durch Art. 52 Abs. 1 Satz 3 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 52 GSchG) zur Mitwirkung und zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Behörden verpflichtet. Obwohl im Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt und die Sachverhaltsermittlung grundsätzlich den Behörden obliegt, kann daher z.B. der Inhaberin einer Einleitungsbewilligung die Pflicht auferlegt werden, Abklärungen oder Studien zur Möglichkeit einer Schadstoffreduktion in Auftrag zu geben (BGE 134 II 142, unpubl. E. 4). Die Kosten fallen in einem solchen Fall direkt bei der mitwirkungspflichtigen Partei an. Damit bedarf es keiner speziellen Kostenregelung zur Umsetzung des Verursacherprinzips mehr.
6. Haushälterische Trink- und Brauchwasserversorgung
80. Die Trink- und Brauchwasserversorgung wird im GSchG nicht geregelt. Gemäss Art. 1 Bst. b GSchG (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG) wird aber mit den Regelungen dieses Gesetzes auch die Sicherstellung und haushälterische Nutzung des Trink- und Brauchwassers bezweckt. Insofern lassen sich auch die Massnahmen zur Trink- und Brauchwasserversorgung unter Art. 3a GSchG subsumieren. Kantonale Regelungen, welche eine kostendeckende Gebührenerhebung für den Frischwasseranschluss und den Wasserverbrauch vorsehen, sind deshalb grundsätzlich mit dem eidg. GSchG und dem Verursacherprinzip vereinbar (Brunner, Wasserwirtschaft, 492 f.). Eine Pflicht zur Einführung des Verursacherprinzips im Bereich der Wasserversorgung wird jedoch verneint (Stutz, Herausforderungen, 524 f.).
81. Der gesetzgeberische Spielraum der Kantone und Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Abgaben für die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser ist noch grösser als bei der Abwasserentsorgung, da es an konkretisierenden Bestimmungen auf Bundesebene fehlt (vgl. zu einzelnen gesetzlichen Vorgaben des Bundesrechts im Bereich der Wasserversorgung Friederich/
Wichtermann, Abgaben, 94). Im Sinne des Verursacherprinzips ist eine Regelung, welche bei der Benützungsgebühr eine Kombination von Grund- und Mengengebühren vorsieht und dabei den Anteil der Grundgebühr nicht strikt gemäss dem Fixkostenanteil festsetzt, sondern einen erhöhten Anteil der verbrauchsabhängigen Mengengebühr vorsieht, um damit grössere Sparanreize zu erzielen. Das Äquivalenzprinzip muss jedoch gewahrt bleiben (VGer ZH, Urteil vom 28. Februar 2012 [AN.2011.00004], E. 4., 6).
Résumé
L’art. 3a LEaux dispose que celui qui est à l’origine d’une mesure en supporte les frais. Cette disposition concrétise le principe de causalité que l’on retrouve aux art. 74 al. 2 Cst. et 2 LPE (principe du pollueur payeur).
L’art. 3a LEaux ne définit pas la notion de pollueur. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la situation ou le comportement du perturbateur doit être en relation de causalité naturelle avec la menace ou l’atteinte. De plus, il faut que le lien de causalité soit immédiat, c’est-à-dire que la cause elle-même ait franchi les limites de la mise en danger. Seules des mesures prescrites par la loi peuvent être mises aux frais du pollueur. Ces frais peuvent être mis à la charge du pollueur par des taxes causales, soit des émoluments ou des charges de préférence.
En vertu de l’art. 55 LEaux, la Confédération perçoit des émoluments pour les autorisations qu’elle délivre, les contrôles qu’elle effectue, ainsi que pour les prestations spéciales qu’elle fournit conformément à la LEaux. Le Tribunal fédéral a retenu que l’application simultanée des art. 48 LPE et art. 55 LEaux est soumise au principe du pollueur-payeur. L’art. 60a LEaux exige que les cantons veillent à ce que les coûts de construction, d’exploitation, d’entretien, d’assainissement et de remplacement des installations d’évacuation et d’épuration des eaux concourant à l’exécution de tâches publiques soient mis, par l’intermédiaire d’émoluments ou d’autres taxes, à la charge de ceux qui sont à l’origine de la production d’eaux usées. Afin de respecter le principe de causalité, les cantons doivent prévoir un système combinant des taxes de bases et des taxes de consommation d’eau déterminées en fonction de la quantité d’eaux usées à évacuer. Ces taxes causales doivent respecter le principe de la couverture des frais, ainsi que le principe de proportionnalité, en particulier le principe d’équivalence. Les taxes d’orientation, au contraire des taxes causales, n’ont pas un but fiscal mais uniquement un but incitatif, c’est-à-dire d’agir sur le comportement des particuliers. Elles se fondent sur l’art. 76 Cst. et sur les lois fédérales. La LEaux n’en contient toutefois aucune.
Les impôts d’affectation sont des impôts spéciaux prélevés auprès d’un groupe déterminé de particuliers à raison des dépenses que ceux-ci occasionnent à la communauté dans une proportion supérieure à celle des autres contribuables. On trouve déjà actuellement un impôt d’affectation à l’art. 15abis LEne.
Le terme «mesures» de l’art. 3a LEaux comprend principalement les mesures prises pour le traitement des eaux que ce soit lors de la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées (art. 60a LEaux) ou lors de coûts résultant des mesures de prévention et de réparation des dommages (art. 54 LEaux) qui sont donc à la charge de celui qui a provoqué ces interventions ou de celui qui a produit les eaux usées. Par contre, la planification de l’évacuation régionale ou communale des eaux (art. 7 al. 3 LEaux) ne constitue pas une mesure au sens de l’art. 3a LEaux et les frais doivent donc être pris en charge par la collectivité publique. Le principe de causalité trouve également son application dans le cadre des mesures d’organisation du territoire, en particulier pour les détenteurs de captages d’eaux souterraines qui sont tenus de prendre à leur charge les indemnités à verser en cas de restriction au droit de propriété (art. 20 al. 2 let. c LEaux). Les mesures d’assainissement de l’art. 80 LEaux ou les mesures pour garantir l’approvisionnement en eau potable et en eau d’usage industriel sont également soumises au principe de causalité. Enfin, les frais de procédure, et plus particulièrement les frais dus à l’établissement des faits, ne peuvent être perçus en se fondant directement sur l’art. 3a LEaux. Il faut, pour ce faire, que les cantons édictent des dispositions et fixent un tarif. Au niveau fédéral, l’art. 46 LOGA autorise le Conseil fédéral à édicter des dispositions prévoyant la perception d’émoluments appropriés pour les décisions et les autres prestations de l’administration fédérale.
Literatur: Brunner Ursula, Auf dem Weg zur integralen Wasserwirtschaft: Das Solothurner Gesetz über Wasser, Boden und Abfall (GWBA), in: URP 2013, 479 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Caroni Pio/Schöbi Felix/Emmenegger Susan et. al., Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. I/1, Einleitung (Art. 1–9 ZGB), Bern 2012 (zit. Bearbeiter, BK ZGB); Donzel Valérie, Les redevances en matière écologique, Diss. Lausanne 2002 (zit. Redevances); Epiney Astrid/Scheyli Martin, Umweltvölkerrecht – Völkerrechtliche Bezugspunkte des schweizerischen Umweltrechts, Bern 2000 (zit. Umweltvölkerrecht); Fleiner-Gerster Thomas, Rechtsgutachten über die Verfassungsmässigkeit des Vorentwurfes zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 18. Dezember 1973, in: WuR 27 (1975), 193 ff. (zit. Verfassungsmässigkeit); Frick Martin, Das Verursacherprinzip in Verfassung und Gesetz, Diss. Bern 2003 (zit. Verursacherprinzip); Friederich Ueli/Wichtermann Jürg, Umweltrelevante Abgaben in Gemeinden – Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung, Schriftenreihe der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) Nr. 8, Bern 2006 (zit. Abgaben); Hettich Peter/Walther Simone, Rechtsfragen um die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Elektrizität aus erneuerbaren Energien, in: ZBl 112 (2011), 143 ff. (zit. Rechtsfragen); Hettich Peter/Wettstein Yannick, Rechtsfragen um Kostenanlastungssteuern, in: ASA 78 (2010), 537 ff. (zit. Kostenanlastungssteuern); Huber-Wälchli Veronika, Kostentragung für Massnahmen bei bestehenden Anlagen in neuen Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 790 ff. (zit. Kostentragung); Hungerbühler Adrian, Grundsätze des Kausalabgabenrechts. Eine Übersicht über die neuere Rechtsprechung und Doktrin, in: ZBl 104 (2003), 505 ff. (zit. Kausalabgabenrecht); Karlen Peter, Zum Erfinden neuer öffentlicher Abgaben, in: ZBl 115 (2014), 1 f. (zit. Abgaben); Keller Helen/von Arb Christine, Nachhaltige Entwicklung im Völkerrecht – Begriff, Ursprung, Qualifikation, in: URP 2006, 439 ff. (zit. Nachhaltige Entwicklung); Keller Peter M., Sanierung in Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 534 ff. (zit. Sanierung); Mahaim Raphaël, Die abgaberechtliche Vielfalt in der Schweiz am Beispiel der Wassernutzung – Insbesondere zur Tarifgestaltung der für die Nutzung von Oberflächengewässern erhobenen Abgaben, in: Waldmann Bernhard/Hänni Peter/Belser Eva Maria (Hrsg.), Föderalismus 2.0 – Denkanstösse und Ausblicke, Bern 2011, 283 ff. (zit. Föderalismus); Meier-Hayoz Arthur, Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. IV/3, Grundeigentum II (Art. 680-701 ZGB), Bern 1974 (zit. BK Grundeigentum II); Reich Markus, Steuerrecht – Teil IV Mehrwertsteuerrecht verfasst von Philip Robinson, 2. Aufl., Zürich 2012 (zit. Steuerrecht); Sands Philippe/Peel Jacqueline, Principles of International Environmental Law, 3. Aufl., Cambridge 2012 (zit. Principles); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht I, 3. Aufl, Zürich 2009 (zit. Umweltrecht I).
Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft über die Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt vom 4. Oktober 1993, BBl 1993 IV 293 ff. (zit. Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993); Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Schweizerischer Städteverband/Fachorganisation für Entsorgung und Strassenunterhalt (FES) (Hrsg.), Richtlinie über die Finanzierung auf Gemeinde- und Verbandsebene (Module 11 und 12), Glattbrugg 1994 (zit. Finanzierung); Bericht des Bundesrates über die Reduktion der Umweltrisiken von Düngern und Pflanzenschutzmitteln vom 21. Mai 2003, BBl 2003 4802 ff. (zit. Bericht Umweltrisiken 2003).
Autoren: Fritzsche Christoph | Hettich Peter | Huber-Wälchli Veronika | Thurnherr Daniela | Tschopp Simone | Tschumi Tobias
Begriffe
In diesem Gesetz bedeuten:
a. | Oberirdisches Gewässer: |
Wasserbett mit Sohle und Böschung so wie die tierische und pflanzliche Besiedlung. |
b. | Unterirdisches Gewässer: |
Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht. |
c. | Nachteilige Einwirkung: |
Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen. |
d. | Verunreinigung: | Nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers. |
e. | Abwasser: | Das durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, ferner das in der Kanalisation stetig damit abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser. |
f. | Verschmutztes Abwasser: |
Abwasser, das ein Gewässer, in das es gelangt, verunreinigen kann. |
g. | Hofdünger: | Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung. |
h. | Abflussmenge Q347: | Abflussmenge, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist. |
i. | Ständige Wasserführung: |
Abflussmenge Q347, die grösser als Null ist. |
k. | Restwassermenge: | Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser verbleibt. |
l. | Dotierwassermenge: | Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimmten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird. |
m. | Revitalisierung: | Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen. |
Définitions
Au sens de la présente loi, on entend par:
a. | eaux superficielles: | les eaux de surface, les lits, les fonds et les berges, de même que la faune et la flore qui y vivent. |
b. | eaux souterraines: | les eaux du sous-sol, les formations aquifères, le substratum imperméable et les couches de couverture. |
c. | atteinte nuisible: | toute pollution et toute intervention susceptible de nuire à l’aspect ou aux fonctions d’une eau. |
d. | pollution: | toute altération nuisible des propriétés physiques, chimiques ou biologiques de l’eau. |
e. | eaux à évacuer: | les eaux altérées par suite d’usage domestique, industriel, artisanal, agricole ou autre, ainsi que les eaux qui s’écoulent avec elles dans les égouts et celles qui proviennent de surfaces bâties ou imperméabilisées. |
f. | eaux polluées: | les eaux à évacuer qui sont de nature à contaminer l’eau dans laquelle elles sont déversées. |
g. | engrais de ferme: | le lisier, le fumier et les jus de silo provenant de la garde d’animaux de rente. |
h. | débit Q347: | le débit d’un cours d’eau atteint ou dépassé pendant 347 jours par année, dont la moyenne est calculée sur une période de dix ans et qui n’est pas influencé sensiblement par des retenues, des prélèvements ou des apports d’eau. |
i. | débit permanent: | un débit Q347 supérieur à zéro. |
k. | débit résiduel: | le débit d’un cours d’eau qui subsiste après un ou plusieurs prélèvements. |
l. | débit de dotation: | la quantité d’eau nécessaire au maintien d’un débit résiduel déterminé après un prélèvement. |
m. | revitalisation: | le rétablissement, par des travaux de construction, des fonctions naturelles d’eaux superficielles endiguées, corrigées, couvertes ou mises sous terre. |
Definizioni
Ai sensi della presente legge si intendono per:
a. | acque superficiali: | l’acqua, l’alveo, con fondali e scarpate, compresi i loro insediamenti animali e vegetali. |
b. | acque sotterranee: | la falda freatica, la formazione acquifera, il sostrato impermeabile e lo strato di copertura. |
c. | effetto pregiudizievole: | l’inquinamento ed ogni altro intervento che nuoccia all’aspetto o alla funzione delle acque. |
d. | inquinamento: | un’alterazione pregiudizievole delle proprietà fisiche, chimiche o biologiche dell’acqua. |
e. | acque di scarico: | le acque alterate dall’uso domestico, industriale, artigianale, agricolo o altro e quelle che vi scorrono continuamente insieme in una canalizzazione come pure le acque meteoriche che scorrono da superfici edificate o consolidate. |
f. | acque di scarico inquinate: | le acque di scarico in grado di inquinare l’acqua in cui sono immesse. |
g. | concime di fattoria: | il colaticcio, il letame e i liquami di silo provenienti dall’allevamento di bestiame da reddito. |
h. | portata Q347: | la portata, determinata su un periodo di dieci anni, che è raggiunta o superata in media durante 347 giorni all’anno e non è sensibilmente influenzata né da sbarramenti, né da prelievi, né da apporti d’acqua. |
i. | deflusso permanente: | una portata Q347 superiore a zero. |
k. | deflusso residuale: | il deflusso che rimane di un corso d’acqua dopo uno o più prelievi. |
l. | portata di dotazione: | la portata indispensabile per assicurare un determinato deflusso residuale in caso di prelievo. |
m. | rivitalizzazione: | il ripristino, con misure di natura edile, delle funzioni naturali di acque superficiali arginate, corrette, coperte o messe in galleria. |
Inhaltsübersicht
I. | Ober‑ und unterirdisches Gewässer (Bst. a und b) | 1 |
A. | Begriff des Gewässers | 1 |
B. | Oberirdisches Gewässer (Bst. a) | 3 |
C. | Unterirdisches Gewässer (Bst. b) | 13 |
II. | Nachteilige Einwirkung (Bst. c) | 21 |
III. | Verunreinigung (Bst. d) | 26 |
IV. | Abwasser (Bst. e) | 27 |
V. | Verschmutztes Abwasser (Bst. f) | 31 |
VI. | Hofdünger (Bst. g) | 34 |
VII. | Abflussmenge Q347 (Bst. h) | 40 |
A. | Tragweite | 42 |
B. | Elemente der Legaldefinition | 48 |
1. | Ausgangspunkt | 48 |
2. | Abszissengemittelte zehnjährige Dauerkurve | 51 |
3. | Durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst | 55 |
4. | Massgebende Beobachtungsperiode? | 62 |
VIII. | Ständige Wasserführung (Bst. i) | 66 |
IX. | Restwassermenge (Bst. k) | 69 |
X. | Dotierwassermenge (Bst. l) | 74 |
XI. | Revitalisierung (Bst. m) | 77 |
1. Wie im Kontext von Art. 2 GSchG ausgeführt, definiert weder das GSchG noch die GSchV den Gewässerbegriff als solchen. Ausgehend von einer primär an der ratio legis orientierten Auslegung bildet die Einbindung in den Wasserkreislauf das Hauptkriterium für die Subsumtion unter den Gewässerbegriff. Daher gelten nur Wassermengen, die Bestandteil des hydrologischen Zyklus bilden und unmittelbar mit dem Ökosystem Wasser verbunden sind, als Gewässer im Sinne dieses Gesetzes (s. dazu Komm. zu Art. 2 GSchG N 7 mit Ausführungen zu den ergänzenden, ebenfalls aus dem Gesetzeszweck resultierenden Begriffspräzisierungen und ‑abgrenzungen).
2. Ausgehend von der Systematik der Begriffsbestimmungen in Art. 4 GSchG werden nachfolgend die Legaldefinitionen des ober‑ bzw. unterirdischen Gewässers erörtert. Die Differenzierung zwischen den beiden Gewässertypen dient nicht nur der Verdeutlichung von deren integralen rechtlichen Erfassung: Zwar unterscheiden verschiedene Vorgaben wie die Sorgfaltspflicht gemäss Art. 3 GSchG nicht zwischen ober‑ und unterirdischen Gewässern. Konsequenz des naturwissenschaftlich begründeten Bedürfnisses nach passgenauen Vorgaben im Hinblick auf die Realisierung eines umfassenden Gewässerschutzes bildet allerdings, dass sich eine Reihe von Bestimmungen des GSchG und der GSchV ausschliesslich auf die ober‑ (s. exemplarisch Art. 4 Bst. m, Art. 7 Abs. 2 und Art. 36a Abs. 1 GSchG sowie Anh. 2 Ziff. 1 GSchV) bzw. die unterirdischen Gewässer (s. Art. 24 GSchG sowie Art. 6 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 Bst. a und Abs. 3 sowie Anh. 2 Ziff. 2 GSchV) bezieht.
3. Art. 4 Bst. a GSchG definiert oberirdische Gewässer als «Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung». Von dieser Umschreibung erfasst werden etwa Flüsse, Bäche, Kanäle und Gräben als fliessende Gewässer sowie Seen und Teiche als stehende Gewässer (s. BGer 1C_821/2013, 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.2). Unerheblich ist, wie das Wasser in das Bett gelangt ist (unmittelbar von der Erdoberfläche oder erst nach Versickern) und welche Eigenschaft es vor dem Eintritt in das Wasserbett aufwies (z.B. Grundwasser, Regenwasser etc.; s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 4 zum deutschen Recht).
4. Der Gesetz‑ und Verordnungsgeber hat darauf verzichtet, die Oberflächengewässer in verschiedene Klassen mit unterschiedlichen Konsequenzen bezüglich der Schutzwürdigkeit einzuteilen. Somit kommt allen oberirdischen Gewässern derselbe Schutz zu (Vallender/Morell, Umweltrecht, N 40). Allerdings werden in Anh. 2 zur GSchV unterschiedliche zusätzliche Anforderungen an Fliessgewässer und stehende Gewässer statuiert.
5. Als Wasserbett definiert wird gemeinhin «eine in der Natur äusserlich wahrnehmbare Vertiefung der Erdoberfläche, die als solche eindeutig vom übrigen Erdreich abgegrenzt ist und schon nach dem äusseren Erscheinungsbild (bei objektiver Betrachtungsweise) ausschliesslich oder im Wesentlichen dazu dient, Wasser zu sammeln oder fortzuleiten» (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 11). Unerheblich ist, ob es sich um natürliche oder künstlich bzw. legal oder illegal angelegte Gewässer handelt (s. Komm. zu Art. 2 GSchG N 18). Die Qualifikation als Gewässer bedingt sodann nicht, dass das Bett ständig Wasser führt. Ausgeklammert bleiben allerdings in ihrer Ausdehnung minimale oder sich bloss selten, beispielsweise bei entsprechenden Witterungsverhältnissen, sammelnde Wassermengen (s. Komm. zu Art. 2 GSchG N 10).
6. Spezifischer Erörertung bedarf die Qualifikation von eingedolten Gewässern, d.h. von solchen, «die in der Vergangenheit einmal in eine Leitung gezwungen worden sind» (Stutz, Uferstreifen, 14 Fn. 35). Zwar können eingedolte Gewässer verschiedene Funktionen oberirdischer Gewässer nicht oder nurmehr beschränkt erfüllen (zu den Funktionen oberirdischer Gewässer s. N 10) und daher nicht vollständig der Definition von Bst. a entsprechen. Allerdings geht die Eigenschaft eines oberirdischen Gewässers durch die partielle Verlegung nicht gänzlich verloren. Ein gewichtiges Argument für deren Subsumtion unter Bst. a bildet überdies der Umstand, dass Bst. m von «eingedolten oberirdischen Gewässer[n]» spricht und auch der Verordnungsgeber von einer solchen Zuordnung ausgeht (Art. 41a Abs. 5 Bst. b und Art. 41c Abs. 6 Bst. b GSchV; s. auch BEZ 2012 Nr. 35 E. 4.1, in welchem die Zuordnung zu einem ober‑ bzw. unterirdischen Gewässer relevant war für die Frage der Ausscheidung des Gewässerraumes nach Art. 36a Abs. 1 GSchG; zum deutschen Recht, in welchem die Zuordnung von sog. verrohrten Bächen ebenfalls zu den oberirdischen Gewässern erfolgt, s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 13).
7. Zum Wasserbett gehört zum einen die Sohle, d.h. der vom Wasser bedeckte Boden des Gewässers, der Letzteres zur Landoberfläche sowie zum Grundwasser abgrenzt. Nicht Bestandteil der Sohle bilden demgegenüber Flächen, die zeitweilig, z.B. aufgrund von Überschwemmungen, unter Wasser stehen (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 16 zum deutschen Recht). Diese zählen jedoch dann ebenfalls zum oberirdischen Gewässer, wenn sie Bestandteil der Böschung sind. Die Zuordnung bleibt deshalb nicht ohne Folgen, weil die Sohle per se unter die Gewässerdefinition fällt, währenddem bei der Böschung ein funktionaler Konnex zum Wasserhaushalt bestehen muss (dazu sogleich).
8. Zum anderen bildet die Böschung Bestandteil des Wasserbetts. Diese beschreibt die seitlichen Einfassungen eines Gewässers. Ihre Konturen sind zu unterscheiden von der in Art. 41b Abs. 1 GSchV erwähnten Uferlinie, welche die Grenze zwischen Land und Wasser beschreibt. Ebenso wie die tierische und pflanzliche Besiedlung ausserhalb des Wasserbetts lässt sich auch die Böschung nicht abstrakt umreissen. Vielmehr ist sie mit Blick auf den Gesetzeszweck zu erschliessen. Wenn in der bundesrätlichen Botschaft GSchG 1987 ausgeführt wird, dass die «vielfachen Wechselwirkungen zwischen dem Wasser, der Gewässersohle, der Böschung und der vom Gewässer abhängigen Tier‑ und Pflanzenwelt […] eine ganzheitliche Gewässerdefinition» verlangen und exemplarisch auf den Einfluss des Schattenwurfs der Böschungsbestockung auf die Wasserqualität hingewiesen wird (Botschaft GSchG 1987, 1105), wird deutlich, dass sich die vom Gewässerbegriff erfasste Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung nur im Einzelfall gestützt auf die Bedeutung dieser Umweltbestandteile für die Realisierung des Gesetzeszwecks eruieren lässt. Spezifische Vorgaben gelten für den mindestens sechs Meter breiten sog. Pufferstreifen entlang von oberirdischen Gewässern. Die Erfüllung des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) setzt voraus, dass dort teilweise auf Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichtet wird (s. Anh. 1 Ziff. 9.6 DZV; dazu auch Koordinationsgruppe Richtlinien Tessin und Deutschschweiz (KIP)/Groupement pour la promotion intégrée dans l’Ouest de la Suisse (PIOCH), Merkblatt «Pufferstreifen – richtig messen und bewirtschaften», 2. Aufl., Lindau 2011, einsehbar unter <www.agridea.ch>).
9. Die Qualifikation als Gewässer drängt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bestandteilen oberirdischer Gewässer jedenfalls dann auf, wenn durch Kiesabbau künstlich geschaffene Buchten zu beurteilen sind, die in einen See einmünden: Da sich die einzelnen Elemente des Gewässerbegriffs (namentlich Wasserbett, Sohle und Böschung) «im Laufe der Zeit verändern können, sei es durch natürliche Vorgänge (Erosion, Verlandung) oder infolge menschlicher Eingriffe», seien «alle (zumindest periodisch) vom Seewasser überschwemmten Landteile zum Gewässer zu zählen, unabhängig von Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung» (BGer 1C_821/2013, 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.3 m.H.).
10. Die oberirdischen Gewässer erfüllen wichtige Funktionen: Dazu gehören das Ableiten von Hochwasser und Geschiebe, die Sicherstellung der Entwässerung und die Bereitstellung eines Lebensraums für Pflanzen und Tiere, eines Raums für die Vernetzung des Gewässers mit seiner Umgebung sowie eines Erholungsraums für den Menschen, die Selbstreinigung des Wassers und die Erneuerung des Grundwassers (dazu Stutz, Raumbedarf, 6; ferner Stutz, Uferstreifen, 97; BAFU, Umwelt 2015, 69).
11. Diesen Funktionen ist bei der Formulierung der Qualitätsanforderungen Rechnung zu tragen: Gemäss Anh. 2 Ziff. 11 Abs. 1 GSchV muss die Wasserqualität u.a. so beschaffen sein, dass «sich im Gewässer mit blossem Auge keine sichtbaren Kolonien von Bakterien, Pilzen oder Protozoen und keine unnatürlichen Wucherungen von Algen oder höheren Wasserpflanzen bilden», «Laichgewässer für Fische erhalten bleiben» und «das Wasser nach Anwendung von angemessenen Aufbereitungsverfahren die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung erfüllt».
12. Vom oberirdischen Gewässer abzugrenzen ist der sog. Gewässerraum, wie er in Art. 36a GSchG geregelt ist. Der Gewässerraum ist aufgrund seines Zwecks (s. Art. 36a Abs. 1 GSchG: Gewährleistung der natürlichen Funktionen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser und der Gewässernutzung) in der Regel nicht deckungsgleich mit dem Raum, den das oberirdische Gewässer selbst einnimmt (s. auch Stutz, Uferstreifen, 97 Fn. 4; spezifisch zum Verhältnis zwischen dem Quelllebensraum und dem oberirdischen Gewässer im Sinne von Art. 4 Bst. a GSchG Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 384).
13. Gemäss Art. 4 Bst. b GSchG umfasst das unterirdische Gewässer das «Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer sowie Deckschicht». Die allgemeinen Anforderungen an die Qualität des unterirdischen Gewässers werden in Anh. 2 Ziff. 21 der GSchV statuiert: Unter anderem wird festgehalten, dass die Konzentration von Stoffen wie Ammonium, Nitrat, Sulfat oder Chlorid nicht stetig steigen darf (Abs. 1) bzw. das Grundwasser bei Exfiltration das oberirdische Gewässer nicht verunreinigen darf (Abs. 2). Zusätzliche Anforderungen gelten für das Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist (Ziff. 22).
14. Grundwasser kennzeichnet sich dadurch, dass es «die natürlichen Hohlräume (Poren, Spalten, Lüfte) des Untergrundes zusammenhängend aus[füllt]» und sich «entsprechend der Schwerkraft» bewegt (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11). Als Teil des natürlichen Wasserkreislaufes entsteht es «einerseits durch die natürliche Versickerung eines Niederschlagsanteils (Niederschlag minus Oberflächenabfluss und Verdunstung) und anderseits durch die Infiltration (Versickerung) von Wasser aus Flüssen und Bächen» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11). Zum Grundwasser zählt auch das Bergwasser (BUWAL, Untertagebauten, 8). Sofern das unterirdische Wasser im natürlichen Zusammenhang verbleibt, behält es die Grundwasserqualität, auch wenn es durch menschliche Einwirkung unterirdisch aufgestaut wird (s. zum deutschen Recht Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, § 2 N 34). Davon zu unterscheiden ist das sog. Stauwasser, verstanden als nur zeitweise – beispielsweise aufgrund starker Niederschläge – vorhandene oberflächennahe Anreicherung von Wasser (s. Scheffer/Schachtschnabel, Bodenkunde, 328). Entsprechend den Ausführungen zu den oberirdischen Gewässern (dazu N 5) und entgegen der bodenkundlichen Differenzierung (s. Scheffer/Schachtschnabel, Bodenkunde, 152) ist auch das Stauwasser mit Blick auf den Schutzzweck des GSchG zum Grundwasser zu zählen, sofern es an den natürlichen Gewässerfunktionen teilnimmt und nicht bloss selten auftritt. Nicht um Grundwasser handelt es sich demgegenüber beim sog. Hangdruckwasser als oberirdisch wild abfliessendes Niederschlagswasser (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 49 zum deutschen Recht).
15. Das explizit inkludierte Quellwasser bezeichnet das von Quellen als «natürliche Grundwasseraustritte an der Erdoberfläche» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11; s. auch BGE 43 II 152, 158 E. 3; Lubini-Ferlin/Stucki/Vincentini et al., Ökologische Bewertung, 7 mit Hinweis auf die unterschiedlichen Quelltypen) geführte Wasser. Sobald das ausgetretene Quellwasser auf der Erdoberfläche angekommen ist und dort auf ein Wasserbett mit Sohle und Böschung trifft, wird es Teil eines oberirdischen Gewässers im Sinne von Art. 4 Bst. a GSchG (zur spezifischen Situation bei jenen Sickerquellen, bei welchen das Wasser wieder versickert, ohne dass sich ein Wasserbett mit Sohle und Böschung bildet, vgl. BUWAL, Ufervegetation, 23).
16. In der Schweiz liegt rund ein Fünftel aller Wasserreseven (insgesamt etwa 50 Mrd. Kubikmeter) als Grundwasser im Untergrund (BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 11). Bereits in der bundesrätlichen Botschaft von 1954 wurde auf die Bedeutung des Grundwasserschutzes im Hinblick auf die Sicherstrellung der Trinkwasserqualität hingewiesen (Botschaft GSchG 1954, 334). Ihm kommt nicht nur für die Vegetation sondern auch im Hinblick auf die Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit eminente Bedeutung zu (s. auch Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 395).
17. Die ebenfalls Bestandteil der unterirdischen Gewässer bildenden Grundwasserleitern und Grundwasserstauer sowie die Deckschicht erfüllen eine wichtige Schutzfunktion für das Grundwasser, indem sie es vor schädlichen Stoffen bewahren (s. Kozel, Grundwasser, 14; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 62; ferner Art. 32 Abs. 2 Bst. b GSchV). Um diese Funktion sicherstellen zu können, bedürfen sie ebenfalls eines besonderen Schutzes.
18. Bei den Grundwasserleitern, verstanden als Gesteinskörper mit Hohlräumen, welche das Grundwasser leiten, werden grundsätzlich drei Typen unterschieden: die Lockergesteins-Grundwasserleiter, die in den grossen Alpentälern sowie im schweizerischen Mittelland auftreten, die Karst-Grundwasserleiter, die im Falten‑ und Tafeljura sowie in den nördlichen Alpen verbreitet sind, sowie die Kluft-Grundwasserleiter, die sich in den Alpen sowie im Mittelland finden (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 13 ff.; s. dazu auch Kozel, Grundwasser, 11 ff.).
19. Als Grundwasserstauer bezeichnet werden «[h]ydrogeologische Einheit[en], die Grundwasser aufgrund ihrer geringen Durchlässigkeit nicht leite[n]» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 125). Als sehr feinporige Gesteine lassen sie Wasser nicht oder kaum durchfliessen und verhindern auf diese Weise, dass es in tiefer liegende Schichten sickert.
20. Die Deckschicht schliesslich befindet sich «zwischen der Geländeoberfläche und dem zu schützenden Grundwasservorkommen» (Sinreich, Vulnerabilität, 110).
21. Der Terminus der nachteiligen Einwirkungen ist im GSchG von zentraler Bedeutung: Der Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen bildet gemäss Art. 1 GSchG ratio legis. Dagegen zielte die Vorgängerbestimmung von Art. 2 des GSchG von 1955 bzw. jene von 1971 mit dem Schutz vor Verunreinigungen noch auf ein engeres Ziel ab. Art. 3 GSchG richtet die Sorgfaltspflicht auf die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer. Die Verhinderung (und Behebung) nachteiliger Einwirkungen bildet sodann Gegenstand des 2. Titels, der sich von Art. 6–44 GSchG erstreckt und sich damit als gemeinsamer Nenner sämtlicher materiellrechtlicher Pflichten verstehen lässt. Art. 50 Abs. 3 GSchG schliesslich nimmt unter dem Titel von «Information und Beratung» explizit Bezug auf die Empfehlung von Massnahmen zur Verhinderung und Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer.
22. Art. 4 Bst. c GSchG definiert die nachteilige Einwirkung als «Verunreinigung oder andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen». Somit bilden die nachteiligen Einwirkungen den Oberbegriff, der neben anderen Einwirkungen, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen, auch die Verunreinigung umfasst (s. zum Begriff der Verunreinigung Komm. zu Art. 4 Bst. d GSchG N 26).
23. Der Begriff der nachteiligen Einwirkung hat umfassenden Charakter (Botschaft GSchG 1987, 1084). Er bildet Ausdruck der erweiterten Zwecksetzung des GSchG von 1991, welches «nicht mehr nur de[n] Schutz der Gewässer vor Verunreinigung, sondern de[n] Schutz vor nachteiligen Einwirkungen in einem ganz allgemeinen und umfassenden Sinn» bezweckt (Botschaft GSchG 1987, 1084). Damit werden neben Verunreinigungen auch Eingriffe wie Wasserableitungen oder strukturelle Veränderungen der Gewässer einbezogen (Botschaft GSchG 1987, 1104). Abbild davon bilden die Regelungsgegenstände des 2. Titels, welche sich sowohl auf den qualitativen Gewässerschutz (1. Kapitel: Art. 6–28 GSchG), als auch auf den quantitativen Gewässerschutz (2. Kapitel: Art. 29–36 GSchG) und die Vermeidung anderer nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer (Art. 36a–44 GSchG) erstreckt.
24. Der Kreis der anderen Eingriffe, der aus der Subtraktion der Verunreinigungen von sämtlichen nachteiligen Einwirkungen resultiert, umfasst «beispielsweise Eingriffe in Fliessgewässer im Rahmen von Bachkorrekturen, Veränderungen von Seeufern als Folge von Aufschüttungen oder Beeinträchtigungen von Grundwasservorkommen durch Stauhaltungen oder Entwässerungen» (Botschaft GSchG 1987, 1105). Konsequenz bildet, «dass die Gewässer ihre Aufgaben als Lebensraum einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt, als Element der Landschaft und Erholung oder als Trinkwasserspeicher nicht mehr zufriedenstellend wahrnehmen können» (Botschaft GSchG 1987, 1105).
25. Der Begriff der nachteiligen Einwirkungen ist ausgehend von der Funktion der Gewässer zu erschliessen. Seine möglichen Erscheinungsformen sind vielfältig (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 26). In Ergänzung zu den bereits erwähnten Beispielen ist etwa auf dauernde Grundwasserspiegelabsenkungen oder die Verbindung von Grundwasserleitern, welche Qualität oder Menge des Grundwassers beeinträchtigt, hinzuweisen (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 55 f.). Weitere Beispiele möglicher Gewässerbeeinträchtigungen sind insbesondere «erhebliche Wasserentzüge, künstliche Aufwärmungen oder Abkühlungen, ins Gewicht fallende künstliche Veränderungen der Wassertiefe oder der Fliessgeschwindigkeit, Entzug von Licht und Wärme bei Eindolungen und dergleichen» (Botschaft GSchG 1970, 443; s. auch die Beispiele bei Oftinger, Haftpflicht, 103 f.; BAFU, Grundwasserschutz, 25). Während die «Verunreinigungen» vor allem durch Art. 6 ff. GSchG (1. Kapitel) eine Regelung finden, sind die anderen nachteiligen Einwirkungen hauptsächlich Gegenstand von Art. 29 ff. (2. Kapitel) und Art. 36a ff. GSchG (3. Kapitel).
26. Als «Verunreinigung» gilt gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers (s. Komm. zu Art. 6 GSchG N 16). Der Gesetzgeber knüpft hier an die Definition des GSchG 1971 an (vgl. Botschaft GSchG 1970, 443). Als «nachteilig» anzusehen ist jede messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand, d.h. unabhängig vom ursprünglichen Reinheitsgrad des Wassers (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3, in: URP 2008, 576). Im Gegensatz zu den allgemeiner gefassten «Einwirkungen» kommt es also nicht auf die Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen – Nutzung als Trinkwasser, Fischgewässer, Erholungsgewässer u.a. (dazu N 25) – an (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3 u.H. auf Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 128; s.a. die Übersicht bei Stutz, Herausforderungen, 507 f.). Hauptquelle für Verunreinigungen ist der Eintrag von Schadstoffen in die Gewässer. Beispiele sind etwa der Eintrag von Schadstoffen aufgrund ungenügend behandelter Abwässer aus industriellen und gewerblichen Prozessen und Haushalten; Auswaschungen von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukte aus landwirtschaftlichen Nutzflächen, Gärten und Sportanlagen; Sickerwässer aus Altlasten; Sickerverluste aus undichten Abwasserkanalisationen, Güllegruben und Tankanlagen; Eintrag von wasserlöslichen Schadstoffen aus der Luft; Eintrag von Schadstoffen aus der Entwässerung von Baustellen oder Verkehrswegen; Schadstoffeinträge aus Unfällen verschiedenster Art (s. etwa BAFU, Grundwasserschutz, 25). Zurzeit als Verunreinigung im Fokus stehen organische Spurenstoffe («Mikroverunreinigungen») im Abwasser (BAFU, Schadstoffbelastung, 10 ff.; Botschaft GSchG 2013, 5550 ff.). Die entsprechenden Verschärfungen von GSchG und GSchV sind per 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Als Verunreinigungen gelten neben dem Eintrag von Schadstoffen insbesondere auch Verfärbungen oder Trübungen des Wassers, soweit diese nicht aus natürlichen Vorgängen entstehen (z.B. Blütenstaubablagerungen, Algenwachstum), oder Veränderungen der Wassertemperatur durch Wärmeentnahme oder ‑zufuhr.
27. Der Begriff «Abwasser» wird in Art. 4 Bst. e GSchG anhand dreier verschiedener Tatbestände und in enger Anlehnung an den Wortlaut von § 2 Abs. 1 des AbwAG DE (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1105) gesetzlich umschrieben: Abwasser ist demnach das «durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, das in einer Kanalisation stetig damit zusammen abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser».
28. In dieser Legaldefinition nicht ausdrücklich erwähnt, aber für den gesetzlichen Abwasserbegriff konstitutiv sind zwei Merkmale: Zum einen wird Wasser nur dann als Abwasser qualifiziert, wenn es vom natürlichen Wasserkreislauf abgesondert worden ist (BGE 120 IV 300, E. 3a). Zum anderen setzt das Vorliegen von Abwasser voraus, dass sich der Inhaber des Abwassers entledigen möchte oder die Entsorgung des Abwassers im öffentlichen Interesse geboten ist (Stutz, Abwasserrecht, 81; s.a. Art. 7 Abs. 6 USG zur Definition der Abfälle).
29. Wasser, das sich im natürlichen Wasserkreislauf (z.B. in einem Oberflächengewässer oder ungefasst im Grundwasser) befindet, stellt kein Abwasser dar, selbst wenn das Wasser verschmutzt ist bzw. typische Inhaltsstoffe von Abwasser enthält (Stutz, Abwasserrecht, 71). Auch kein Abwasser ist Niederschlagswasser, das auf unbefestigte Flächen fällt und lokal versickert, sowie Niederschlagswasser, das eine Platzbefestigung durchsickert, selbst wenn dabei Schadstoffe ausgewaschen werden (Stutz, Abwasserrecht, 71, m. H. auf BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2). Gegensätzlich verhält es sich, wenn Niederschlagswasser vor der Versickerung über eine Abwasserleitung abgeleitet wird (Stutz, Abwasserrecht, 70).
30. Solange Wasser seinem Verwendungszweck noch nicht zugeführt wurde, stellt es kein Abwasser dar. Dieses entsteht erst dann, wenn es nach dem vorgesehenen Gebrauch abgeleitet wird, d.h. keiner weiteren Zweckbestimmung dient und in die Kanalisation oder in ein Gewässer eingebracht werden soll (Stutz, Abwasserrecht, 71).
31. Als verschmutzt gilt gemäss Art. 4 Bst. f GSchG Abwasser, welches geeignet ist, das Gewässer, in das es eingeleitet wird, zu verunreinigen. Nach dem strengen Schutzkonzept des GSchG wird ein Gewässer bereits dann verunreinigt, wenn das Wasser in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert wird und dadurch eine messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand entsteht (s. N 26; Komm. zu Art. 6 GSchG N 16).
32. Ob Abwasser als verschmutzt oder nicht verschmutzt gilt, ist im Einzelfall gemäss den Vorgaben von Art. 3 GSchV zu beurteilen. Abzustellen ist dabei zum einen auf eine emissionsseitige Betrachtung, d.h. auf die Art, die Menge, die Eigenschaften und den zeitlichen Anfall der Stoffe, die im Abwasser enthalten sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. a GSchV). Zum anderen ist aus immissionsseitiger Sicht ebenfalls zu berücksichtigen, in welchem Zustand sich das Gewässer, in welches das Abwasser gelangt, befindet (Art. 3 Abs. 1 Bst. b GSchV) bzw. wie stark der Untergrund an der Stelle, wo das Abwasser versickert, mit Schadstoffen belastet ist (Art. 3 Abs. 2 GSchV). Es ist somit denkbar, dass Abwasser, welches bei der Einleitung in ein bestimmtes Gewässer als verschmutzt gilt, bei der Einleitung in ein anderes Gewässer als nicht verschmutzt gilt (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478). Im Weiteren unterscheidet die GSchV zwischen drei verschiedenen Arten von verschmutztem Abwasser – kommunalem Abwasser (Anh. 3.1 GSchV), Industrieabwasser (Anh. 3.2 GSchV) und anderem verschmutztem Abwasser (Anh. 3.3 GSchV) – und stellt für diese Abwasserarten spezifische Anforderungen an deren Behandlung und Beseitigung auf (s. Komm. zu Art. 7 GSchG N 34 ff.).
33. Als nicht verschmutzt gilt dasjenige Abwasser, das nicht geeignet ist, das Gewässer, in welches es gelangt, zu verunreinigen (Botschaft GSchG 1987, 1110; Stutz, Abwasserrecht, 85). Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen wie Dächern, Wegen, Strassen, Plätzen und Gleisanlagen abfliesst, gilt nach gesetzlicher Vermutung als nicht verschmutzt, soweit die in Art. 3 Abs. 3 Bst. a–c GSchV aufgezählten Bedingungen erfüllt sind. Von dieser Vermutung darf die Behörde ausgehen, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die den gegenteiligen Schluss nahe legen. Liegen aber solche Umstände vor, müssen weitere Abklärungen getroffen werden (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478 Fn. 15). Gemäss der Bau‑, Verkehrs‑ und Energiedirektion des Kantons Bern handelt es sich bei Niederschlagswasser, welches von begehbaren Attikaflächen, Dachterrassen und Balkonen abfliesst, um verschmutztes Abwasser (RA Nr. 110/2005/41 vom 8. September 2005, E. 5h, in: BVR 2006 272 ff.).
34. Hofdünger werden gemeinhin von Recyclingdüngern und Mineraldüngern abgegrenzt. Wie der Gesetzeswortlaut sagt, sind unter dem Begriff «Hofdünger» Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung zu verstehen. Damit ist die gewässerschutzrechtliche Definition vom Wortlaut her enger gefasst als die Definition nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV. Ob diese Divergenz vom Gesetzgeber gewollt bzw. sachlich gerechtfertigt ist, erschliesst sich nicht ohne Weiteres und müsste im Einzelfall geprüft werden. Bereits aus normhierarchischen Gründen ist eine Ausweitung des gewässerschutzrechtlichen Hofdüngerbegriffs über den auf dem Betrieb durch herbivore Tierhaltung anfallenden Dünger hinaus allerdings nicht möglich.
35. Mit dem Wortlaut von Art. 4 Bst. g GSchG nicht vereinbar sein dürfte insbesondere der in Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV statuierte Einbezug von Abgängen aus dem Pflanzenbau – soweit dieser nicht für die Nutztierhaltung erfolgt – und von Material nicht landwirtschaftlicher Herkunft (allenfalls mit der Ausnahme der Hausabwässer gemäss Art. 12 Abs. 4 GSchG, wobei diese nach hiesigem Verständnis aber nicht zum Hofdünger werden, sondern nur mit diesem zusammen verwertet werden dürfen). Die Problematik der Ausweitung des Hofdüngerbegriffs über die Abgänge aus der Nutztierhaltung hinaus ist vor allem darin zu sehen, dass das Gewässerschutzgesetz der Überdüngung in Art. 14 Abs. 4 damit begegnet, dass es die Erzeugung des Hofdüngers über die Menge der erlaubten Grossvieheinheiten an die düngbare Fläche bindet. Speziell beim Einsatz von zusätzlichem, nährstoffreichem Material – wie es die DüV erlaubt – geriete das gewässerschutzrechtliche System somit aus den Fugen und die im GSchG festgelegten Grenzwerte verlören jegliche Aussagekraft.
36. Auf der anderen Seite fragt es sich, ob es der Konzeption des Gewässerschutzgesetzes nicht entsprechen würde, dass das Endprodukt der Co-Vergärung unabhängig vom Gehalt des Ausgangsstoffes ebenso wie weitere Nebenprodukte nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV und Abschlämmwasser aus Biowäschern und Abwasser aus Chemowäschern als Hofdünger angesehen werden, wenn sie ausschliesslich aufgrund herbivorer Tierhaltung im eigenen Betrieb anfallen. Nachdem die Nährstoffkreisläufe auf einem Betrieb möglichst zu schliessen sind, um eine ausgeglichene Nährstoffbilanz zu erreichen, wäre über die Nutztierhaltung immerhin dasselbe begrenzende Element gegeben.
37. Gegenwärtig zählen Produkte der Vergärung und Verrottung nach der Praxis des BAFU nur dann zu den Hofdüngern im Rechtssinne, wenn sie die Anforderungen des per 1. Januar 2014 revidierten Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV erfüllen bzw. – nach der Vollzugshilfe zum alten Recht – solange, wie sie den überwiegenden Teil am Endprodukt der Co-Vergärung ausmachen (vgl. BAFU, Düngung, Ziff. 351.2, 21).
38.Die Gülle, ein flüssiger Hofdünger, besteht aus Harn und Kot von Nutztieren sowie aus Wasser. Der Mist, ein fester Hofdünger, enthält je nach Art der Haltung kleinere oder grössere Mengen mit Harn, Kot und Futterresten versetzter Streue. Die Silosäfte schliesslich sind extrem nährstoffreiche und saure flüssige Hofdünger, die je nach gewähltem Verfahren und Gärgut bei der Silierung oder durch die Verunreinigung von Niederschlagswasser mit Silage entstehen (vgl. AUE BL, Vollzugshilfe Silieranlagen BL, 2; BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 23 f.).
39. Der Nährstoffgehalt des Hofdüngers ist je nach Tierart und ‑haltung sehr unterschiedlich und kann sogar in derselben Kategorie je nach Betrieb stark differieren. Eine Übersicht verschaffen zum Beispiel die Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau (GRUDAF, 2009) der Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil und Reckenholz-Tänikon.
40. Im E-GSchG 1984 (Art. 4) wurde nicht der Begriff «Abflussmenge Q347» definiert, sondern – etwas umständlicher, aber insgesamt inhaltlich gleich – die Begriffe «natürliche Wasserführung», «massgebende Wasserführung» sowie «Wasserführung Q347». Die Begriffe «ständige Wasserführung», «Restwasserführung» und «Dotierwassermenge» entsprechen inhaltlich den heutigen Begriffen gemäss Art. 4 Bst. i–l GSchG (vgl. N 66 ff., 69 ff., 74 ff.).
41. Den vom Bundesrat im E-GSchG 1987 vorgeschlagenen Legaldefinitionen für «Abflussmenge Q347», «ständige Wasserführung», «Restwassermenge» und «Dotierwassermenge» (Art. 4 Bst. g–k E-GSchG 1987) stimmten die Räte diskussionslos zu.
42. Die Abflussmenge Q347 ist die grundlegende Bezugsgrösse für den Vollzug der Restwasservorschriften. Von ihrem Wert hängt nicht nur ab, ob ein Fliessgewässer als ständig wasserführend gilt (s. N 66 ff.) und eine Wasserentnahme über den Gemeingebrauch hinaus demzufolge einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG bedarf, sondern auch, ob eine bestehende Wasserentnahme in den Anwendungsbereich von Art. 80 ff. GSchG fällt (vgl. Verwaltungsgericht GL, Urteil vom 30. Oktober 2014 [VG.2014.00051], E. 2). Die Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme muss für die Anwendung der Restwasservorschriften bekannt sein (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. e, Art. 32 Bst. a und b GSchG), ebenso für die Erteilung einer Bewilligung für eine Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG.
43. Der grösste Stellenwert kommt der Ermittlung der Abflussmenge Q347 zu, wenn die Restwassermenge nur durch Art. 31 Abs. 1 GSchG bestimmt wird und die Abflussmenge Q347 mehr als 60 l/s beträgt. Sobald eine Erhöhung nach Art. 31 Abs. 2 GSchG und/oder nach Art. 33 GSchG erfolgt, tritt die Bedeutung des Wertes von Q347 in den Hintergrund.
44. Ohne Kenntnis der Abflussmenge Q347 ist es nur in seltenen Fällen möglich, die Restwasservorschriften anzuwenden, z.B. wenn aufgrund der Grösse des Einzugsgebietes mit Sicherheit feststeht, dass die Abflussmenge Q347 eines Gewässers weniger als 60 l/s beträgt. In solchen Fällen beträgt die minimale Restwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG 50 l/s, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 GSchG beansprucht wird. Einzelne Ausnahmebestimmungen können in gewissen Fällen angewendet werden, wenn die Abflussmenge Q347 nur ungefähr bekannt ist (s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 42).
45. Das natürliche Abflussregime bzw. die natürliche Wasserführung eines Fliessgewässers im jahreszeitlichen Verlauf hängt von zahlreichen Faktoren ab, so vom Klima (Niederschläge und Temperatur) und von den charakteristischen Merkmalen des Einzugsgebiets wie z.B. dessen Fläche, Höhe, Neigung, Vergletscherungsgrad, Speichervermögen des Bodens und Vegetation. Die natürliche Wasserführung schwankt infolge variierender Niederschläge und Temperaturen – mit Auswirkungen auf die Schnee‑ und Gletscherschmelze – nicht nur von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat und von Tag zu Tag, sondern auch während des Tages. Die natürliche Wasserführung eignet sich deshalb nicht als Bezugsgrösse für die Anwendung der Restwasservorschriften (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1105 f.). Stattdessen wird auf die Abflussmenge Q347 abgestellt (vgl. Art. 31 GSchG N 25 ff.).
46. Die Abflussmenge Q347 ist ein Mass für Niedrigwasserabflüsse. Es handelt sich um eine statistische Grösse zur Beschreibung eines gewässerspezifischen Mindestabflusses, auf welchen sich das Ökosystem des Gewässers eingestellt hat. Nur an 5 % aller Tage ist die Abflussmenge Q kleiner als Q347 (s. N 53; für Beispiele der Abflussmengen Q347 verschiedener Gewässer an verschiedenen Stellen bzw. Messstationen vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, Anh. A2, 107 ff.).
47. Ausmass und Dauer von Niedrigwasserabflüssen im Alpenraum unterscheiden sich grundsätzlich von denen des Mittellandes und des Juras sowie der tiefer gelegenen Gebiete der Alpensüdseite (dazu BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 77 f.; BUWAL, Niedrigwasserabflussmenge Q347, 13 ff.). Das Abflussregime in alpinen Gewässern ist von geringen Spätwinterabflüssen und Abflusspitzen im Frühsommer geprägt. Der Niedrigwasserabfluss ist auf die Monate November bis März beschränkt. In dieser Zeit werden die Niederschläge als Schnee und Eis gespeichert. Tage mit Abflussmengen Q ≤ Q347 treten nur in diesen Monaten auf. Fliessgewässer des Mittellandes weisen ein ausgeglicheneres Abflussregime auf. Die minimalen Abflussmengen konzentrieren sich auf Sommer und Herbst, sie können aber in jedem beliebigen Monat auftreten.
48. Die Abflussmenge Q347 ist definiert als jene Abflussmenge eines Fliessgewässers, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist.
49. Sind Abflussmessungen über eine Periode von zehn oder mehr Jahren vorhanden (s. N 52, N 62 ff.) und sind die Abflussverhältnisse nicht wesentlich beeinflusst (s. N 55 ff.) oder können diese rekonstruiert werden (s. N 58), wird die Abflussmenge Q347 durch Auswertung der Dauerkurve oder Dauerlinie (s. N 53) ermittelt (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 81, 83 ff., insb. Abb. 7.4).
50. Liegen unzureichende oder keine Messergebnisse vor, ist die Abflussmenge Q347 gemäss Art. 59 GSchG mit anderen Methoden zu ermitteln (s. Komm. zu Art. 59 GSchG N 15 ff.). Eine bestimmte Abflussmenge Q347 gilt für eine Stelle eines Fliessgewässers (ausnahmsweise für eine Gewässerstrecke, wenn diese weder Zu‑ noch Abflüsse aufweist). Die Abflussmenge Q347 verändert sich gewässerabwärts. Sie nimmt i.d.R mit zunehmendem Einzugsgebiet zu, ausgenommen in Gewässerabschnitten mit wesentlichen Versickerungen (vgl. dazu Komm. zu Art. 31 GSchG N 17 ff.).
2. Abszissengemittelte zehnjährige Dauerkurve
51. Aus der Umschreibung des Begriffs Abflussmenge Q347 ergibt sich, dass der Wert für Q347 grundsätzlich aus Abflussmessungen hergeleitet wird (s. aber N 50; zur Durchführung von Abflussmessungen vgl. BWG/Spreafico/
Weingartner, Hydrologie Schweiz, 47 ff.; LHG, Pegelmessung, 3 ff.).
52. Die Abflussmenge Q347 ist durch Messungen während zehn Jahren zu ermitteln. Mit der zehnjährigen Messperiode wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass auch Gewässer, die in niederschlagsarmen Jahren kaum Wasser führen, noch unter die Restwasserbestimmungen fallen (Botschaft GSchG 1987, 1107; zu den Schwankungen von Q347 BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 79).
53. Die Abflussmenge Q347 ist nach der sog. abszissengemittelten Methode zu bestimmen. Dazu wird während zehn Jahren, also an 3650 Tagen, täglich die durchschnittliche Abflussmenge eines Fliessgewässers in l/s oder m3/s (Tagesmittelwert) gemessen. Die Messwerte werden nach ihrer Grösse zu einer Dauerkurve geordnet. Die Dauerkurve ist die Darstellung statistisch gleichwertiger Beobachtungen (Tagesmittelwerte) in der Reihenfolge ihrer Grösse. Dem grössten Abflusswert wird der Abszissenwert 1, dem zweitgrössten der Abszissenwert 2 und dem kleinsten Abflusswert der Abszissenwert 3650 zugeordnet (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 84 f., Abb. 7.5). So erhält man eine abszissengemittelte Dauerkurve oder Dauerlinie der Tagesmittelwerte. Die Abflussmenge Q347 entspricht der Wassermenge, die an 3470 Tagen (95 % aller Tage) erreicht oder überschritten ist. An den übrigen 180 Tagen (5 % aller Tage) beträgt die Abflussmenge weniger als Q347. Die Schalttage werden nicht berücksichtigt.
54. Die Ermittlung der Abflussmenge Q347 mit der «ordinatengemittelten» Methode, bei der die zehn jährlichen Abflusswerte Q347 gemittelt werden, wäre nicht zu vereinbaren mit Art. 4 Bst. h GSchG (Begründung in BGE 120 Ib 233, 242 [Geisslibach], E. 5e aa m.H.; zum Unterschied zwischen abszissengemittelter und ordinatengemittelter Dauerkurve s. LHG, Niedrigwasserabflussmenge Q347, 15 f.). Dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich dies nicht entnehmen.
3. Durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst
55. Bei der Ermittlung der Abflussmenge Q347 ist von den Tagesmittelwerten des natürlichen Abflusses auszugehen (Botschaft GSchG 1987, 1106). Der Abfluss zahlreicher Fliessgewässer ist bereits durch Eingriffe beeinflusst, durch Stauung zur Regulierung des Wassers, durch Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung, zur Verwendung als Trink‑ und Brauchwasser und zur landwirtschaftlichen Bewässerung sowie durch Wassereinleitungen. Wassereinleitungen sind z.B. die Wasserrückgabe von turbiniertem Wasser, die Umlagerung von Wasser vom Sommer in den Winter (mit Hilfe von Speicherseen) sowie Einleitungen von Abwasser aller Art wie z.B. gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen und Strassenabwasser (Zusammenstellung von Eingriffstypen und ‑arten vgl. BAFU, Abflussregime Stufe F, 49 ff., insb. Tab. 8).
56. Der massgebende Wert der Abflussmenge Q347 darf durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst sein. Das GSchG regelt nicht, was unter nicht wesentlich beeinflusst bzw. wesentlich beeinflusst zu verstehen ist. Eine einheitliche Regelung zum Begriff wesentliche Beeinflussung wäre kaum möglich und nicht sinnvoll (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 136; vgl. N 60).
57. Werden Abflüsse an einem Gewässer bestimmt, welchem oberhalb der Messstelle bereits Wasser entnommen wird, sei es direkt aus dem Gewässer oder ausserhalb des Gewässers in dessen Einzugsgebiet (z.B. Fassung von Quellen, Entnahmen aus dem Grundwasser), sind im Einzelfall Abklärungen zur Wesentlichkeit der damit verbundenen Veränderungen durchzuführen (BGE 120 Ib 233, 243 f. [Geisslibach] E. 6b), und zwar durch eine Fachperson. Dasselbe gilt bei Wassereinleitungen oberhalb der Messstelle, sei es direkt in das Fliessgewässer, sei es z.B. in einen seitlichen Zufluss. Dabei müssen insbesondere jene Entnahmen und Zuleitungen von Wasser berücksichtigt werden, welche die Abflussmenge Q347 wesentlich beeinflussen könnten. Das Augenmerk ist deshalb auf Entnahmen und Zuleitungen von Wasser während Niedrigwasserabflussperioden (in alpinen Gewässern in den Wintermonaten) zu richten. Keinen Einfluss auf die Abflussmenge Q347 hat z.B. der Schwallbetrieb eines Kraftwerks innerhalb eines Tages, da die Tagesmittelwerte massgebend sind. Einen wesentlichen Einfluss hat demgegenüber die Saisonspeicherung mit der Umlagerung der Abflüsse vom Sommer auf den Winter.
58. Ist die Beeinflussung wesentlich, darf bei der Ermittlung der Abflussmenge Q347 nicht von den tatsächlich gemessenen Tagesmittelwerten ausgegangen werden, vielmehr ist der nicht wesentlich beeinflusste, natürliche Abfluss massgebend (BGE 120 Ib 233, 243 f. [Geisslibach], E. 6b). Wird einem interkantonalen Gewässer bereits auf dem Gebiet des oberliegenden Kantons Wasser entnommen, muss dieser gestützt auf Art. 56 Abs. 1 GSchG dem Unterlieger Aufschluss über das Mass der Nutzung auf seinem Gebiet geben (E. 6b–c). Soweit möglich sind die natürlichen Abflussverhältnisse zu rekonstruieren (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 81, Abb. 7.3, 86).
59. Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Eingriff ein Fliessgewässer wesentlich beeinflusst oder nicht:
60. Die Unterscheidung von «wesentlich beeinflusst» und «nicht wesentlich beeinflusst» ist auch für den Vollzug von Art. 29 Bst. b (und Art. 34) sowie Art. 80 GschG und für die Bestimmung der Restwasserstrecke bei fehlender Wasserrückgabe (Komm. zu Art. 31 GSchG N 13, dritter Punkt) wichtig (vgl. Komm. zu Art. 80 GschG N 15). Dabei nimmt «wesentlich beeinflusst» im Sinn von Art. 80 GSchG eine besondere Stellung ein. Damit ein durch Wasserentnahmen bereits beeinflusstes Fliessgewässer saniert werden muss, ist eine wesentlich intensivere Beeinflussung des Gewässers erforderlich (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 16) als in den anderen erwähnten Fällen.
61. Riva (Wohlerworbene Rechte, 137 f.) verwendet neben «wesentlich beeinflusst» denn auch den Begriff «wesentlich beeinträchtigt». Ein Fliessgewässer gilt insbesondere dann als wesentlich beeinflusst und damit sanierungsbedürftig, wenn die Mindestrestwassermenge für Neuanlagen unterschritten ist (vgl. Komm. zu Art. 80 N 18 f.).
4. Massgebende Beobachtungsperiode?
62. Die Abflussmenge Q347 ist gemäss Definition durch Messung der täglichen durchschnittlichen Abflüsse während zehn Jahren zu ermitteln. Nicht geregelt ist, welche Beobachtungsperiode verwendet werden soll beim Vorliegen von Abflusswerten für mehr als zehn Jahre. In diesen Fällen sollen die Werte aus der aktuellsten Messperiode verwendet werden, sofern sich die Niederwasserabflüsse während der Dauer der Beobachtung systematisch verändert haben, d.h. sofern ein Trend in der Entwicklung der jährlichen Abflüsse Q347 besteht (Botschaft GSchG 1987, 1155 ff.; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85; Beispiel s. LHG, Abflussmenge Q347, 22 f., Fig. 3).
63. Lässt sich aus der Aufzeichnung der jährlichen Abflusswerte Q347 über die Dauer der langen Beobachtungszeit kein statistisch eindeutiger Trend erkennen, besteht kein Grund, nicht die gesamte Beobachtungsperiode für die Bildung der Dauerlinie und die Ermittlung der Abflussmenge Q347 heranzuziehen, wird doch der Wert für Q347 umso zuverlässiger, je länger die Messperiode ist (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85; LHG, Abflussmenge Q347, 23).
64. Die Beachtung von Trends ist notwendig, auch wenn dadurch die Verwendung von Messreihen und deren Interpretation für die Bestimmung aktueller Abflussverhältnisse schwieriger wird. Wegen des Klimawandels muss in Zukunft mit Änderungen der jahreszeitlichen Verteilung der Abflüsse sowohl im alpinen Gebiet als auch im Mittelland und damit auch mit Änderungen der Abflussmengen Q347 gerechnet werden (BAFU, Klimaänderung, 44–64, insb. Abb. 29; zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Einzugsgebiet der Rhone s. Hill Clarvis/Fatichi/Allan et al., Klimawandel, 58 ff., Table 1).
65. Stehen für eine interessierende Stelle ausschliesslich ältere Messreihen über die Abflussverhältnisse zur Verfügung, ist mit geeigneten Methoden (z.B. Korrelation mit aktuellen Kurzzeitmessungen, Vergleiche der Niederschlagsverteilung zum Zeitpunkt der Datenerhebung und heute) zu prüfen, ob die alten Datenreihen unkorrigiert für die Darstellung der heutigen natürlichen Abflussverhältnisse verwendet werden dürfen (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85). Ist dies nicht möglich, ist die Abflussmenge Q347 gemäss Art. 59 GSchG mit andern Methoden zu ermitteln (vgl. BGer 1C_67/2011 vom 19. April 2012 [Borgne], E. 4).
66. Unter ständiger Wasserführung wird eine Abflussmenge Q347 verstanden, die grösser als Null ist. Führt ein Fliessgewässer an einer bestimmten Stelle oder in einem bestimmten Abschnitt gemittelt über zehn Jahre durchschnittlich an 347 oder mehr Tagen im Jahr Wasser, ist es an dieser Stelle oder in diesem Abschnitt ständig wasserführend. Ist die Abflussmenge Q347 Null, besteht keine ständige Wasserführung.
67. Da sich die Abflussmenge Q347 gewässerabwärts verändert (s. N 50), kann ein Fliessgewässer Abschnitte mit ständiger und solche mit nicht ständiger Wasserführung aufweisen. Ein Wasserlauf ist als Fliessgewässer zu qualifizieren, sobald er die Anforderungen an ein oberirdisches Gewässer nach Art. 4 Bst. a GSchG erfüllt (s. N 3 ff.). Der oberste Abschnitt eines Fliessgewässers weist in vielen Fällen noch keine ständige Wasserführung auf. Ab einem bestimmten Punkt ist die Abflussmenge Q347 des Gewässers grösser als Null, das Gewässer ist ständig wasserführend. In Abschnitten mit Versickerung nimmt die Abflussmenge Q347 wieder ab. Starke Versickerung kann dazu führen, dass auf einen Gewässerabschnitt mit ständiger Wasserführung ein Gewässerabschnitt ohne ständige Wasserführung folgt.
68. Ob ein Fliessgewässer als ständig oder nicht ständig wasserführend qualifiziert wird, ist von grosser Bedeutung, da nur für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich ist (zur Frage, an welcher Stelle ein Fliessgewässer eine ständige Wasserführung aufweisen muss, damit es als Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung i.S.v. Art. 29 GSchG gilt s. Komm. zu Art. 29 GSchG N 42 ff.). Zudem müssen die Restwasservorschriften (Art. 31–33 GSchG) nur in Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung erfüllt sein (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV; s. dazu Komm. zu Art. 31 GSchG N 31 f., Komm. zu Art. 33 GSchG N 15).
69. Die Restwassermenge ist die Differenz zwischen der zufliessenden und der entnommenen Wassermenge, also jene Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser im Gewässer verbleibt. Die Gewässerstrecke unterhalb einer Wasserentnahme wird als Restwasserstrecke bezeichnet (zu deren Abgrenzung s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 13). Die Restwassermenge ist die an beliebiger Stelle im Fliessgewässer unterhalb der Wasserentnahme vorhandene Abflussmenge (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1108).
70. Die Restwassermenge setzt sich zusammen aus der Dotierwassermenge gemäss Art. 4 Bst. l GSchG (s. N 74), allfälligem Überlaufwasser bei der Fassung und dem Wasser aller oberirdischen und unterirdischen Zuflüsse aus dem Einzugsgebiet des Gewässers unterhalb der Fassung, unter Abzug der unterirdischen Abflüsse bzw. der Versickerungen (Botschaft GSchG 1987, 1107 f.; vgl. BGE 126 II 283, 298 f. [Lungerersee], E. 5b, in: URP 2000, 679; zur Terminologie s. auch BGE 112 Ib 424, 429 f. [Val Müstair], E. 4a) sowie unter Abzug allfälliger oberirdischer Abflüsse.
71. Die Restwassermenge variiert mit dem Abstand von der Fassung. Unmittelbar unterhalb einer Wasserfassung (oder Staumauer) entspricht sie der Dotierwassermenge plus jener Wassermenge, welche nicht gefasst oder durch Stauung zurückgehalten wird, nämlich Überlaufwasser sowie Wasser, welches die Fassung im Untergrund umströmt und dann wieder ins Bachbett austritt. Gewässerabwärts nimmt die Restwassermenge i.d.R. mit zunehmendem Einzugsgebiet zu. In Gewässerabschnitten, in welchen grössere Wassermengen in den Untergrund versickern (Versickerungsstrecken, s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 18), kann sie abnehmen. Anschliessend nimmt sie i.d.R. wieder zu. Exfiltration von Grundwasser in die Restwasserstrecke erhöht die Restwassermenge.
72. Von der Restwassermenge zu unterscheiden ist die Mindestrestwassermenge: Damit wird die minimale Restwassermenge bezeichnet, die unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung gemäss Art. 31 GSchG im Gewässer verbleiben muss (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 7). Sie kann gestützt auf Art. 32 GSchG ausnahmsweise tiefer angesetzt werden.
73. Eine angemessene Restwassermenge ist jene Restwassermenge, die nach einer Wasserentnahme im Gewässer verbleiben muss. Sie wird aufgrund von Art. 31–33 GSchG bestimmt und bildet die Grundlage für die Festlegung der Dotierwassermenge.
74. Die Dotierwassermenge ist gemäss Legaldefinition jene «Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimmten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird». Dotieren bedeutet «ausstatten» (vom lateinischen dotare). Die Dotierwassermenge ist jene Wassermenge, mit welcher das Gewässer unterhalb der Wasserentnahme ausgestattet werden muss. Zwischen dem Begriff «Dotierwassermenge» und der Umschreibung «im Gewässer belassen wird» besteht damit ein gewisser Widerspruch. Bei Gebrauchswasserentnahmen z.B. für die landwirtschaftliche Bewässerung wird i.d.R. die Dotierwassermenge im Gewässer belassen. Bei Wasserfassungen zur Wasserkraftnutzung wird demgegenüber häufig mehr Wasser entnommen als genutzt werden soll. Das nicht genutzte Wasser wird dem Gewässer gesteuert wieder zugeführt. In diesen Fällen ist die Dotierwassermenge jene Wassermenge, die bei einer Wasserfassung oder bei einer Stauhaltung unmittelbar unterhalb der Fassung bzw. der Staumauer «dotiert», d.h. ins Gewässer zurückgegeben werden muss («Dotierwasserabgabe»). Die Dotierwassermenge begrenzt die zulässige Entnahmemenge und stellt die wichtigste Massnahme zur Gewährleistung einer angemessenen Restwassermenge dar (Botschaft GSchG 1987, 1107 f.).
75. Die Höhe der Dotierwassermenge muss so bestimmt werden, dass in allen Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung unterhalb der Wasserentnahme angemessene Restwassermengen fliessen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV; vgl. aber Komm. zu Art. 33 GSchG N 15). Diese ergeben sich aus Art. 31–33 GSchG. Sind zeitlich unterschiedliche Restwassermengen erforderlich, z.B. zur Erhaltung der Gewässer als Lebensraum, zur Sicherstellung der freien Fischwanderung oder um der Bedeutung des Gewässers als Landschaftelement gerecht zu werden, muss i.d.R. auch die Dotierwassermenge zeitlich unterschiedlich festgelegt werden (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 52 f.). Bei der Festlegung der Dotierwassermenge wird die natürlicherweise im Gewässer vorhandene Restwassermenge berücksichtigt (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 50 f.; zu den besonderen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Dotierwassermenge bei Restwasserstrecken mit Versickerungsabschnitten vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 51, erster Punkt).
76. Die Dotierwassermenge wird von der Behörde im Einzelfall zahlenmässig in l/s oder in m3/s bestimmt (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 46 ff.). Wer einem Gewässer Wasser entnimmt, muss der Behörde i.d.R. durch Messungen nachweisen, dass er die Dotierwassermenge einhält (Art. 36 Abs. 1 GSchG). Bei grösseren Kraftwerken kommt eine energetische Nutzung des Dotierwassers in einem in der Wehranlage des Kraftwerks integrierten Dotierwasserkraftwerk in Betracht.
77. Gemäss Art. 38a Abs. 1 GSchG sorgen die Kantone für die «Revitalisierung» von Gewässern. Sie sind zuständig für die Planung der Revitalisierungen (Abs. 2). Ziel dieser mit der GSchG-Revision 2011 neu eingeführten Norm ist die Beschleunigung der Revitalisierungen von Gewässern.
78. Revitalisierung ist die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen (Art. 4 Bst. m GSchG; neu eingefügt mit Änderung vom 11. Dezember 2009).
79. Derartige Revitalisierungen (als Form der Renaturierung) stellen eine ökologische und landschaftliche Aufwertung der Gewässer und deren Gewässerräume dar. Massnahmen zur Revitalisierung sind insbesondere die Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs und die naturnahe Gestaltung von Gewässern und Gewässerräumen. Nicht als Revitalisierung gilt die Aufwertung von Gewässern durch Massnahmen zur Verbesserung der Wasserführung (Schwall und Sunk unterhalb von Wasserkraftwerken und Restwasser (Art. 39a GSchG) sowie Massnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts gemäss Art 43a GSchG (UREK-S, Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059).
80. «Mit Revitalisierungen sollen naturnahe Fliessgewässer mit typspezifischer Eigendynamik (Morphologie, Abfluss‑ und Geschieberegime) sowie naturnahe Stillgewässer (Uferbereiche) wiederhergestellt werden. Die Gewässer sollen von naturnahen, standorttypischen Lebensgemeinschaften in sich selbst reproduzierenden Populationen besiedelt werden, die Fähigkeit zur Selbstregulation und Resilienz (Erholung nach externen Störungen) aufweisen und untereinander vernetzt sein. Damit sollen die Gewässer langfristig Ökosystemfunktionen (sauberes Wasser, Anreicherung Grundwasser, Lebensraum für Flora und Fauna, Erholungsraum, etc.) erfüllen können. Zudem soll sichergestellt werden, dass Gewässer naturnahe, prägende Elemente der Landschaft bilden» (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5 f.).
Résumé
Les eaux superficielles et les eaux souterraines (let. a et b) sont définies à l’art. 4 let. a et b LEaux. Ni la LEaux ni l’OEaux ne définissent par contre la notion d’eaux. Le critère principal pour qualifier une eau comme telle est son intégration au régime hydrologique. Ainsi, seules les quantités d’eau qui font partie intégrante du régime hydrologique et qui sont directement connectées à l’écosystème eau, sont des «eaux».
L’art. 4 let. a LEaux définit les eaux superficielles comme étant «les eaux de surface, les lits, les fonds et les berges, de même que la faune et la flore qui y vivent». Cette notion inclut aussi bien les eaux courantes que celles stagnantes. Toutes les eaux superficielles bénéficient de la même protection. L’espace réservé aux eaux est à distinguer des eaux superficielles.
Selon l’art. 4 let. b LEaux, les eaux souterraines comprennent «les eaux du sous-sol (y compris l’eau de source), les formations aquifères, le substratum imperméable et les couches de couverture». Les eaux souterraines se caractérisent par le fait qu’elles remplissent de manière continue les vides du sous-sol et s’écoulent selon la loi de la gravité. Les eaux souterraines participent au régime naturel de l’eau grâce aux fortes précipitations et à l’afflux des pertes des cours d’eau. Une source est une émergence naturelle d’eaux souteraines. On distingue en principe trois types d’acquifère: les acquifères en roches meubles, les acquifères en roches karstiques et les acquifères en roches fissurées. Le substratum imperméable (aquiclude) est une formation rocheuse non perméable qui s’oppose au passage de l’eau ou ne la conduit que très lentement. Les couches de couverture sont situées entre les surfaces de terrain et les nappes d’eaux souterraines.
La protection des eaux contre les atteintes nuisibles constitue selon l’art. 2 LEaux la ratio legis de la loi. L’art. 4 let. c LEaux définit les atteintes nuisibles comme «toute pollution et toute intervention susceptible de nuire à l’aspect ou aux fonctions d’une eau». Le terme générique d’«atteintes nuisibles» englobe, outre les autres atteintes nuisant à l’aspect ou aux fonctions d’une eau, aussi la pollution.
Selon l’art. 4 let. d LEaux, toute altération physique, chimique ou biologique de l’eau nuisible représente une pollution. Selon le Tribunal fédéral, doit être qualifiée de nuisible toute surcharge mesurable de l’état initial, c’est à dire indépendamment du degré de pureté initiale.
Les eaux à évacuer (let. e) sont les «eaux altérées par suite d’usage domestique, industriel, artisanal, agricole ou autre, ainsi que les eaux qui s’écoulent avec elles dans les égouts et celles qui proviennent de surfaces bâties ou imperméabilisées». Les eaux seront qualifiées d’eaux à évacuer lorsqu’elles sont séparées du cycle naturel de l’eau, si le détenteur des eaux à évacuer s’en défait ou si le traitement des eaux à évacuer est commandé l’intérêt public. C’est seulement lorsque les eaux sont évacuées par suite d’une utilisation prévue qu’on pourra parler d’eaux à évacuer. Ainsi, tant que l’eau est utilisée à un autre usage, il n’y a pas d’eau à évacuer.
Les eaux polluées selon l’art. 4 let. f LEaux sont les eaux à évacuer qui sont de nature à contaminer l’eau dans laquelle elles sont déversées. Selon le concept de protection prévu par la LEaux, un cours d’eau est déjà pollué lorsque les propriétés physiques, chimiques ou biologiques de l’eau sont altérées et qu’il y a une surcharge mesurable de l’état initial. Afin de déterminer si une eau est considérée comme polluée ou non, il faut évaluer chaque cas en fonction des critères prévus à l’art. 3 OEaux. Les observations concernant les émissions, soit le type, la quantité, les propriétés et les périodes de déversement des substances susceptibles de polluer les eaux et présentes dans les eaux à évacuer (art. 3 let. a OEaux) et les immissions, soit l’état des eaux réceptrices, doivent être pris en compte afin d’évaluer une eau. Seules sont réputées eaux non polluées celles qui ne sont pas de nature à porter atteinte aux eaux dans lesquelles elles aboutissent.
Les engrais de ferme (let. g) sont en principe séparés des engrais de recyclage et des engrais minéraux. Aux termes de la loi, le terme «engrais de ferme» recouvre le lisier, le fumier et les jus de silo provenant de la garde d’animaux de rente.
Le débit Q347 (let. h) est la grandeur de référence pour l’exécution des débits résiduels. En l’absence du débit Q347, il n’est rarement possible d’appliquer les prescriptions relatives aux débits résiduels. Le débit Q347 est une mesure pour les débits d’étiage. Le débit Q347 se définit comme chaque débit d’un cours d’eau atteint ou dépassé pendant 347 jours par année, dont la moyenne est calculée sur une période de dix ans et qui n’est pas influencé sensiblement par des retenues, des prélèvements ou des apports d’eau. Pour établir le débit Q347, on part des valeurs journalières moyennes du débit naturel. Les débits naturels doivent être, si possible, reconstitués.
Par débit permanent (let. i), on entend tout débit Q347 supérieur à zéro. Lorsqu’un cours d’eau à un endroit déterminé ou sur un tronçon déterminé sur une période de dix ans charrie de l’eau pendant plus de 347 jours en moyenne par année, le débit est permanent à cet endroit ou tronçon. Lorsque le débit Q347 est à égal à zéro, il n’y a pas de débit permanent. Vu que le débit Q347 peut varier en aval, un cours d’eau peut avoir des tronçons avec et sans débit permanent.
Le débit résiduel (let. k) est la différence entre le débit effectif et la quantité d’eau prélevée, soit le débit d’un cours d’eau qui subsiste après un ou plusieurs prélèvements. Les débits résiduels varient en fonction de la distance au captage. Est admissible comme débit résiduel celui qui doit subsister après un prélèvement dans un cours d’eau.
Le débit de dotation (let. l) est selon la définition légale «la quantité d’eau nécessaire au maintien d’un débit résiduel déterminé après un prélèvement». La hauteur du débit de dotation est déterminée de manière à maintenir des débits résiduels appropriés sur tous les tronçons du cours d’eau à débit permanent en aval du point de prélèvement.
La revitalisation (let. m) est le rétablissement des fonctions naturelles d’eaux superficielles endiguées, corrigées, couvertes ou mises sous terre par des travaux de construction. La revitalisation vise à valoriser écologiquement les eaux et les espaces réservés aux eaux. Les mesures de revitalisation consistent en particulier au rétablissement du cours naturel et de l’état naturel des eaux et des espaces réservés aux eaux. Les eaux sont ainsi à même de remplir durablement leurs fonctions d’écosystèmes. Il convient de plus de garantir que les eaux puissent former des éléments marquants du paysage.
Literatur: Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Hill Clarvis Margot/Fatichi Simone/Allan Andrew et al., Governing and managing water resources under changing hydro-climatic contexts: The case of the upper Rhone basin, in: Environmental Science & Policy, Vol. 43 (2014), 56 ff. (zit. Klimawandel); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Kozel Ronald, Grundwasser in der Schweiz, in: aqua viva 2/2013, 10 ff. (zit. Grundwasser); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Lubini-Ferlin Verena/Stucki Pascal/Vicentini Heinrich et al., Ökologische Bewertung von Quell-Lebensräumen in der Schweiz – Entwurf für ein strukturelles und faunistisches Verfahren, Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU, 2014 (zit. Ökologische Bewertung); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftpflichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Scheffer Friedrich Wilhelm/Schachtschnabel Paul, neu bearbeitet von Blume Hans-Peter/Brümmer Gerhard W./Horn Rainer et al., Lehrbuch der Bodenkunde, 16. Aufl., Heidelberg 2010 (zit. Bodenkunde); Sieder Frank/Zeitler Herbert/Dahme Heinz et al., Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, 48. Aufl., München 2015 (zit. Bearbeiter, Wasserhaushaltsgesetz); Sinreich Michael, Konzept der Vulnerabilität im Grundwasserschutz – Anwendung auf die Verhältnisse der Schweiz, in: gwa 2/2009, 109 ff. (zit. Vulnerabilität); Stutz Hans W., Raumbedarf der Gewässer – die bundesrechtlichen Vorgaben für das Planungs‑ und Baurecht, in: PBG aktuell 2011/4, 5 ff. (zit. Raumbedarf); Stutz Hans W., Uferstreifen und Gewässerraum – Umsetzung durch die Kantone, in: URP 2012, 90 ff. (zit. Uferstreifen); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Vonlanthen-Heuck Jennifer, Der Schutz von Quelllebensräumen, in: URP 2015, 373 ff. (zit. Quelllebensräume); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl., Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).
Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (Entwurf der Kommission Aubert), Bern 1984 (zit. E-GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo), Die Niedrigwasserabflussmenge Q347 – Bestimmung und Abschätzung in alpinen schweizerischen Einzugsgebieten – Eine Arbeitsanleitung, Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 18, Bern 1992 (zit. Niedrigwasserabflussmenge Q347); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Sanierungsbericht Wasserentnahmen – Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 25, Bern 1997 (zit. Sanierungsbericht Wasserentnahmen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Leuthold Barbara/Lussi Stephan/Klötzli Frank), Ufervegetation und Uferbereich nach NHG – Begriffserklärung, Vollzug Umwelt Nr. 8804, Bern 1997 (zit. Ufervegetation); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung zur Umsetzung des Grundwasserschutzes bei Untertagebauten, Vollzug Umwelt Nr. 2503, Bern 1998 (zit. Untertagebauten); Landeshydrologie und ‑geologie (LHG) (Hrsg.) (verfasst durch Wyder Daniel), Handbuch der Pegelmessung, in: Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 26, Bern 1998 (zit. Pegelmessung); Landeshydrologie und –geologie (LHG) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo/Kan Caroline), Die Abflussmenge Q347 – Eine Standortbestimmung, in: Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 27, Bern 1999 (zit. Abflussmenge Q347); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Amt für Umweltschutz und Energie BL (AUE BL) (Hrsg.), Gewässerschutz in der Landwirtschaft – Silieranlagen, Liestal 2004 (zit. Vollzugshilfe Silieranlagen BL); Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Spreafico Manfred/Weingartner Rolf (Hrsg.), Hydrologie der Schweiz – Ausgewählte Aspekte und Resultate, Berichte des Bundesamtes für Wasser und Geologie (BWG), Serie Wasser Nr. 7, Bern 2005 (zit. Hydrologie Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kummer Manfred/Baumgartner Marc/Devanthéry Daniel), Restwasserkarte Schweiz 1:200’000 – Wasserentnahmen und ‑rückgaben, Umweltzustand Nr. 0715, Bern 2007 (zit. Restwasserkarte Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hartmann Daniel/Meylan Benjamin/Jordi Beat), Management des Grundwassers in der Schweiz – Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Umwelt-Wissen Nr. 0806, Bern 2008 (zit. Leitlinien Grundwassermanagement); Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Agroscope Changins-Wädenswil ACW/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.) (verfasst durch Flisch René/Sinaj Sokrat/Charles Raphaël et al.), Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau 2009 (GRUDAF), Posieux 2009 (zit. GRUDAF 2009); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gälli René/Ort Christoph/Schärer Michael), Mikroverunreinigungen in den Gewässern – Bewertung und Reduktion der Schadstoffbelastung aus der Siedlungsentwässerung, Umwelt-Wissen Nr. 0917, Bern 2009 (zit. Schadstoffbelastung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Pfaundler Martin/Dübendorfer Christina/Zysset Andreas), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer – Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend), Umwelt-Vollzug Nr. 1107, Bern 2011 (zit. Abflussregime Stufe F); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Baulicher Umweltschutz in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Schweiz – Stand Mai 2012, 2. Aufl., Umwelt-Vollzug Nr. 1101, Bern 2012 (zit. Baulicher Umweltschutz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer – Synthesebericht zum Projekt «Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz» (CCHydro), Umwelt-Wissen Nr. 1217, Bern 2012 (zit. Klimaänderung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015 – Bericht des Bundesrates, Umwelt-Zustand Nr. ub2015, Bern 2015 (zit. Umwelt 2015).
Autoren: Schindler Benjamin | Tschumi Tobias
Soweit die Gesamtverteidigung oder Notlagen es erfordern, kann der Bundesrat durch Verordnung Ausnahmen von diesem Gesetz vorsehen.
Exceptions pour la défense nationale et en cas d’urgence
Si les intérêts de la défense nationale l’exigent, ou en cas d’urgence, le Conseil fédéral peut déroger à la présente loi par voie d’ordonnance.
Deroghe per la difesa integrata e le situazioni d’emergenza
In quanto lo esigano la difesa integrata o situazioni d’emergenza, il Consiglio federale può, in via d’ordinanza, prevedere deroghe alla presente legge.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 3 |
III. | Kommentierung | 7 |
A. | Gesamtverteidigung | 15 |
B. | Notlagen | 19 |
IV. | Würdigung | 24 |
1. Unter dem Titel «Ausnahmen für Gesamtverteidigung und Notlagen» wurde Art. 5 anlässlich der Totalrevision des GSchG von 1991 im heute noch geltenden Wortlaut in den Gesetzestext aufgenommen (AS 1992 1860). Das GSchG 1955 und das GSchG 1971 enthielten noch keine mit Art. 5 vergleichbare allgemeine Ausnahmebestimmung.
2. In Anlehnung an die analoge Bestimmung des Art. 5 USG sah der Entwurf des Bundesrats für Art. 5 GSchG zunächst nur die Möglichkeit von Ausnahmen für die «Gesamtverteidigung» vor (Botschaft GSchG 1987, 1183). Der Ausnahmetatbestand der «Notlagen» wurde erst in der parlamentarischen Beratung durch den Ständerat hinzugefügt (AB S 1988 634). Dieser Vorschlag wurde schliesslich auch vom Nationalrat gutgeheissen, nachdem der Antrag, auf die ursprüngliche bundesrätliche Fassung zurückzukommen, verworfen worden war (AB N 1989 952 ff.).
3. Das Recht allgemein und die Vorschriften des GSchG insbesondere gelten grundsätzlich uneingeschränkt sowohl für Private wie für den Staat, soweit die Rechtsordnung keine Ausnahmen vorsieht. Im Sinne einer solchen Ausnahme soll Art. 5 GSchG Abweichungen von den ordentlichen Bestimmungen des GSchG ermöglichen, indem er dem Bundesrat erlaubt, im Interesse der Gesamtverteidigung oder für die Bewältigung von Notlagen «durch Verordnung Ausnahmen von diesem Gesetz vor[zu]sehen». Damit ermächtigt Art. 5 GSchG den Bundesrat zum Erlass von gesetzesvertretenden bzw. gesetzesderogierenden Verordnungen.
4. Aufgrund der Normenhierarchie sind Ausnahmen von einem bestimmten Gesetz grundsätzlich auf derselben oder auf höherer Normebene zu verankern. Die Befugnis des Bundesrats, gestützt auf Art. 5 Ausnahmen vom GSchG auf der dem Gesetz untergeordneten Verordnungsebene vorzusehen, kommt daher einer Relativierung der Normenhierarchie bzw. des Legalitätsprinzips mit Blick auf das Erfordernis der genügenden Normstufe gleich (vgl. Schindler, St. Galler Kommentar, Art. 5 N 20, 36). Aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen darf Art. 5 GSchG daher nur mit Zurückhaltung angewendet werden. Generell-abstrakte Ausnahmen i.S.v. Art. 5 GSchG dürfen nur erlassen werden, soweit diese zur Erreichung der Ziele der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung unerlässlich sind und sich der Weg der ordentlichen Gesetzgebung infolge zeitlicher Dringlichkeit nicht anbietet (Subsidiarität).
5. Bislang hat der Bundesrat noch keine formell auf Art. 5 GSchG gestützte Verordnung erlassen. Allerdings ergeben sich aufgrund anderer Bestimmungen des Bundesrechts bereits heute Ausnahmen von den ordentlichen Vorschriften des GSchG für bestimmte Tätigkeiten im Interesse der Gesamtverteidigung oder zur Bewältigung von Notlagen. So können etwa militärische Geheimhaltungsinteressen Ausnahmen von den Duldungs‑ und Auskunftspflichten (Art. 52 Abs. 1 GSchG) begründen (vgl. etwa Art. 4 Bundesgesetz über den Schutz militärischer Anlagen vom 23. Juni 1950, SR 510.518). Sodann ermöglicht Art. 32 Bst. d GSchG bei Vorliegen einer Notsituation bereits heute eine Unterschreitung der Mindestrestwassermengen für befristete Entnahmen zum Zweck der Trinkwasserversorgung, für Löschzwecke oder zur landwirtschaftlichen Bewässerung.
6. Eine analoge Ausnahmeregelung zugunsten der Interessen der Gesamtverteidigung mit beinahe identischem Wortlaut enthält Art. 5 USG, welcher für den Anwendungsbereich des USG im Wesentlichen denselben Zweck erfüllt wie Art. 5 GSchG für den Bereich des GSchG. Zur Auslegung von Art. 5 GSchG kann daher zu weiten Teilen auf die Rechtsprechung zu Art. 5 USG zurückgegriffen werden (vgl. Lang, Umweltschutzrecht, 38).
7. Bei Art. 5 GSchG handelt es sich um eine reine Delegationsnorm, die von Behörden und Gerichten nicht direkt angewendet werden kann. Die Bestimmung «zielt (…) nicht auf einmalige Abweichungen im Einzelfall ab, sondern auf besondere Verhältnisse oder Situationen (Anliegen der Gesamtverteidigung oder Notlagen), die wegen einer Mehr‑ oder Vielzahl betroffener Rechtsbeziehungen einer Regelung auf generell-abstrakter Ebene (durch Erlass) bedürfen» (BGE 125 II 29 [«Schübelweiher»], E. 3c; vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 18; Lang, Umweltschutzrecht, 25).
8. Nach der Rspr. des BGer können in Ausnahmefällen Abweichungen vom GSchG im Einzelfall bei Vorliegen einer unvermeidbaren Normkollision auf Grundlage einer Interessenabwägung zulässig sein (BGE 125 II 29 [«Schübelweiher»], E. 3d; vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG). Diese Möglichkeit ergibt sich allerdings nicht aus Art. 5 GSchG selbst, sondern infolge der Normenkonkurrenz, die von den rechtsanwendenden Behörden im Einzelfall aufzulösen ist (vgl. Schindler, Verwaltungsermessen, N 253 m.w.H.). Sodann hat das BGer festgehalten, dass es – auch wenn der Bundesrat noch keine Ausführungsverordnung zu Art. 5 GSchG erlassen hat – nicht ausgeschlossen sei, die Anliegen der Gesamtverteidigung (bzw. der Notlagenbewältigung) im Rahmen gesetzlich vorgesehener Interessenabwägungen zu berücksichtigen (BGE 119 Ib 463, E. 5a; Lang, Umweltschutzrecht, 71).
9. Art. 5 GSchG stellt eine allgemeine Ausnahmemöglichkeit dar, welche Abweichungen von sämtlichen Bestimmungen des GSchG zulässt. Grundsätzlich keine Rolle spielt dabei, ob es sich um Vorschriften materieller, formeller oder organisatorischer Natur handelt; allerdings ist bei Ausnahmen von materiellen Schutzvorschriften regelmässig grössere Zurückhaltung geboten als bei der Lockerung verfahrensrechtlicher Vorschriften (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 12, 19). Im Gegensatz zu Art. 5 erlauben die besonderen Ausnahmeregelungen des GSchG (z.B. Art. 12 Abs. 3, Art. 14 Abs. 7 oder Art. 18 GSchG) nur ein Abweichen von einer einzelnen Vorschrift des GSchG.
10. Obschon Art. 5 GSchG nach seinem Wortlaut nur Ausnahmen von den Vorschriften des GSchG selbst erlaubt, sind gestützt auf Art. 5 GSchG kraft der Normenhierarchie auch Abweichungen von dem auf das GSchG gestützte eidgenössische und kantonale Ausführungsrecht zulässig. Was die Ausführungsverordnungen zum GSchG betrifft, erscheint es allerdings zweckmässiger, Ausnahmen als Einschränkungen des Geltungsbereichs der betreffenden Verordnung zu formulieren (BGE 119 IB 464, E. 6g; Lang, Umweltschutzrecht, 25).
11. Als Ausdruck des Grundsatzes, wonach der Umweltschutz und die weiteren Staatsaufgaben soweit möglich in Ausgleich zu bringen sind (BGE 119 Ib 463, E. 5a m.w.H.), darf der Bundesrat von der Ausnahmekompetenz nach Art. 5 GSchG nur soweit Gebrauch machen, als «die Gesamtverteidigung oder Notlagen es erfordern.» Abweichungen von den Vorschriften des GSchG sind somit nicht bereits dann zulässig, wenn diese zu einer Erleichterung der Tätigkeiten im Interesse der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung führen. Vielmehr erlaubt Art. 5 GSchG eine Ausnahme erst dann, wenn die Erfüllung der Aufgaben der Gesamtverteidigung oder die Bewältigung von Notlagen durch die Anwendung von Vorschriften des GSchG verunmöglicht oder unverhältnismässig erschwert würde (Lang, Umweltschutzrecht, 71; Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 10).
12. Das Kriterium der Erforderlichkeit der Ausnahmeregelung verlangt nach einer Interessenabwägung zwischen den Interessen der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung und denjenigen des Gewässerschutzes (Lang, Umweltschutzrecht, 71 ff.). Eine Ausnahme i.S.v. Art. 5 GSchG ist nur soweit statthaft, als keine alternative Massnahme zur Verfügung steht, die ohne Abweichen von den Vorschriften des GSchG die Ziele der Gesamtverteidigung oder der Notlagenbekämpfung gleichermassen erfüllen kann. Mangels Erforderlichkeit würde z.B. eine umfassende Ausnahme für sämtliche Massnahmen im Dienste der Gesamtverteidigung oder der Bekämpfung von Notlagen den Rahmen von Art. 5 GSchG sprengen (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 10).
13. Art. 48 Abs. 1 RVOG erklärt die Subdelegation einer Verordnungskompetenz vom BR an ein Departement unter Berücksichtigung der «Tragweite der Rechtsätze» grundsätzlich für zulässig (vgl. Sägesser, Handkommentar RVOG, Art. 48 N 9 ff.). Mit Blick auf Art. 5 GSchG ist allerdings von einer engen Zulässigkeit der Subdelegation auszugehen, da es vorliegend um die Befugnis zum Erlass gesetzesderogierender und mithin grundsätzlich wichtiger Normen geht. Für eine beschränkte Zulässigkeit der Subdelegation spricht auch die Tatsache, dass Art. 5 GSchG die Zuständigkeit für den Erlass der Verordnungen nach seinem Wortlaut ausschliesslich dem BR zuweist. Ausnahmsweise dürfte die Subdelegation an ein Departement dann zulässig sein, wenn die gesetzesderogierenden Verordnungsbestimmungen nur geringfügige Abweichungen von den Schutzzielen des GSchG vorsehen und einen kleinen Adressatenkreis betreffen oder überwiegend technischer Natur sind. Eine Übertragung der Verordnungskompetenz auf Gruppen und Ämter ist mangels spezieller Ermächtigung im GSchG gemäss Art. 48 Abs. 2 RVOG nicht zulässig (vgl. Sägesser, Handkommentar RVOG, Art. 48 N 20).
14. Da es sich bei den auf Art. 5 GSchG gestützten Bundesratsverordnungen um Rechtsverordnungen (und nicht bloss um Verwaltungsverordnungen) handelt, sind sie amtlich zu publizieren (Art. 2 Bst. d PublG). Erlasse, die im Interesse der Landesverteidigung geheim gehalten werden müssen, können aber ausnahmsweise von der Publikationspflicht ausgenommen werden (Art. 6 PublG).
15. Der Begriff der «Gesamtverteidigung» spielt in der gegenwärtigen Verteidigungs‑ und Sicherheitspolitik der Schweiz keine zentrale Rolle mehr; er findet sich aber nach wie vor vereinzelt in den Gesetzestexten. Seine Bedeutung als Rechtsbegriff ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund des im Entstehungszeitpunkt der betreffenden Norm vorherrschenden Verständnisses auszulegen (Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 5; Lang, Umweltschutzrecht, 3). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu bedenken, ob und wie weit eine Berufung auf die «Gesamtverteidigung» als Ausnahmetatbestand angesichts der geänderten Bedrohungslagen und Verteidigungskonzepte heute überhaupt noch zeitgemäss sein kann.
16. Das Konzept der Gesamtverteidigung wurde in den frühen 1970er Jahre während des Kalten Krieges aus der Doktrin der «Totalen Landesverteidigung» entwickelt und zur Jahrtausendwende durch die Strategie einer umfassenden flexiblen Sicherheitskooperation (UFS) als zentraler Pfeiler der schweizerischen Verteidigungspolitik abgelöst (SIPOL B 2000, 7691 f.). Kernelement der Gesamtverteidigung war die umfassende Ausrichtung des sicherheitspolitischen Instrumentariums gegen alle möglichen Bedrohungen und Gefahren, bis hin zu einem bewaffneten Grosskonflikt in Europa (SIPOL B 2000, 7664 f.; zur ursprünglichen Konzeption der Gesamtverteidigung SIPOL B 1973, 123 ff.; SIPOL ZB 1979, 357 f.). Zu den Mitteln der Gesamtverteidigung zählten neben der Armee, namentlich der Zivilschutz, die Aussenpolitik, die wirtschaftliche Landesversorgung, die Information, die psychologische Abwehr und der Staatsschutz (SIPOL B 1973, 128 ff.; SIPOL ZB 1979, 365 ff.).
17. Ausnahmen nach Art. 5 GSchG sind grundsätzlich für alle Tätigkeiten und Massnahmen im Rahmen der «Gesamtverteidigung» zulässig; dies unabhängig davon, durch welches Organ und mit welchen Mitteln die öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird. In Frage kommen sie aber hauptsächlich im Rahmen der militärischen Landesverteidigung sowie der wirtschaftlichen Landesversorgung und des Zivilschutzes (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 6). Denkbar sind in erster Linie Ausnahmen für die Erstellung und den Betrieb der Infrastruktur der Landesverteidigung, des Zivilschutzes oder der wirtschaftlichen Landesversorgung (militärische Verteidigungs‑, Ausbildungs‑ und Verwaltungsinfrastrukturen, Zivilschutzanlagen oder Landesversorgungsinfrastruktur) sowie für die dienstlichen Tätigkeiten der zuständigen Organe.
18. Eine auf Art. 5 GSchG gestützte Ausnahme ist allerdings nur dann berechtigt, wenn die Aufgabenwahrnehmung aufgrund der Besonderheit der Ziele der Gesamtverteidigung durch die Vorschriften des GSchG stärker betroffen ist als private oder andere staatliche Tätigkeiten. Wegen rein finanzieller Interessen ist eine Abweichung von den Vorschriften des GSchG nicht zulässig (Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 14). Nicht gedeckt durch Art. 5 GSchG wären daher z.B. Lockerungen der abwasserrechtlichen Vorschriften für militärische Anlagen wie Kasernen oder Waffenplätze in Friedenszeiten. Vorstellbar sind dagegen Aufschüttungen in Seen in nicht überbauten Gebieten für standortgebundene militärische Anlagen in Abweichung von Art. 39 GSchG oder die Benützung von Gewässern als Zielgebiete für Schiessübungen in Abweichung von Art. 6 GSchG (Seiler, Kommentar USG, Art. 5, N 39).
19. Der Begriff «Notlagen» i.S.v. Art. 5 GSchG bezeichnet «klare Katastrophenlagen oder ähnliche Situationen» (Votum BR Cotti, AB N 1989 954). Zu denken ist etwa an eine grossflächige chemische oder radioaktive Kontamination, akute Energienotstände, Seuchenausbrüche, Naturkatastrophen oder kriegerische Ereignisse. Gemäss der parlamentarischen Beratung stellen Alltags‑ und Grossereignisse wie z.B. die regelmässig auftretenden und regional beschränkten Hochwasserereignisse keine Notlagen i.S.v. Art. 5 GSchG dar (Votum Rüttimann, AB N 1989 953).
20. in Art. 5 GSchG verankerte Verordnungskompetenz für «Notlagen» soll dem BR ein situationsadäquates, rasches Handeln zum Schutz zentraler Rechtsgüter ermöglichen, indem er mittels Verordnung Massnahmen für zulässig erklären kann, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften des GSchG stehen. Die Verordnungsbefugnis deckt sich somit in ihrer Zielrichtung zu weiten Teilen mit der verfassungsunmittelbaren Notverordnungskompetenz von Art. 185 Abs. 3 BV zuhanden des BR (vgl. Voten Thür und BR Cotti, AB N 1989 954). Sie unterscheidet sich bezüglich ihres Umfangs von dieser aber u.a. in zwei Punkten: Zum einen erlaubt Art. 5 GSchG nur den Erlass von generell-abstrakten Verordnungen, wohingegen Art. 185 Abs. 3 BV auch den Erlass von Notverfügungen zulässt. Zum anderen ermöglicht Art. 5 GSchG ein Abweichen von den Bestimmungen des GSchG ausdrücklich, während unter dem Titel von Art. 185 Abs. 3 BV nur in Ausnahmefällen contra legem legiferiert werden darf (vgl. zur diesbezüglichen Kontroverse in der Lehre Saxer, St. Galler Kommentar, Art. 185 N 101 ff.).
21. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG decken sich im Wesentlichen mit den Anwendungsvoraussetzungen von Art. 185 Abs. 3 BV (vgl. Voten Thür und BR Cotti, AB N 1989 954): Betroffenheit eines zentralen Schutzgutes, sachliche und zeitliche Dringlichkeit sowie Subsidiarität (zu diesen Anwendungsvoraussetzung Saxer, St. Galler Kommentar, Art. 185 N 71 ff.). Keine eigenständige Voraussetzung für das Vorliegen einer Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG bildet das Kriterium der Unvorhersehbarkeit. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob genügend wirkungsvolle Massnahmen, die im Einklang mit dem GSchG stehen, zur Bewältigung der Notlage ergriffen werden können.
22. Begriff der Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG ist aber insofern enger zu fassen als derjenige der Notrechtslage i.S.v. Art. 185 BV, als Art. 5 GSchG im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Notverordnungskompetenz nur Ausnahmen von den Bestimmungen des GSchG betrifft. Andererseits ist der Anwendungsbereich von Art. 5 GSchG in der Hinsicht weiter zu ziehen, als er im Vergleich zur Notrechtslage i.S.v. Art. 185 Abs. 3 BV eine weniger akute Bedrohung des Schutzguts voraussetzt. Dies deshalb, weil Art. 5 GSchG nur den Erlass von Verordnungen zulässt, im Gegensatz zu Art. 185 Abs. 3 BV nicht aber den Erlass von Verfügungen. Damit steht Art. 5 GSchG in einer weniger starken Spannung zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen als Art. 185 Abs. 3 BV, weil eine allzu freie Interessenabwägung im Einzelfall unterbunden werden kann (vgl. Seiler, Kommenter USG, Art. 5 N 41).
23. Wie bei Art. 185 Abs. 3 BV beschränkt sich der Zweck von Art. 5 GSchG auf die reaktive Bewältigung von akuten Notlagen, d.h. die Ausnahmebestimmung kann erst dann angewendet werden, wenn eine Notlage bereits vorliegt. Der präventive Schutz vor Notlagen durch geeignete vorsorgliche Massnahmen ist dagegen nicht über Ausnahmeverordnungen i.S.v. Art. 5 GSchG sicherzustellen. Wichtige gesetzliche Grundlagen für den präventiven Schutz vor Notlagen bilden insbesondere das Bevölkerungs‑ und Zivilschutzgesetz (BZG), das Landesversorgungsgesetz (LVG), die dazugehörige Verordnung über die Trinkwasserversorgung in Notlagen (VTN) sowie Art. 10 USG (Katastrophenschutz) und die darauf gestützte Störfallverordnung (StFV). Die StFV stützt sich konsequenterweise nicht auf Art. 5 GSchG, sondern u.a. auf die generelle Kompetenz des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsvorschriften zum GSchG (Art 47 GSchG).
24. Der Schutz der Lebensgrundlagen der Bevölkerung und damit auch der Umwelt‑ und Gewässerschutz sind nach heutiger Sichtweise Teil der integralen Sicherheitspolitik und damit zumindest indirekt auch Aufgabe der Armee (SIPOL B 2010, 5143, 5171). Nicht zuletzt unter dem Eindruck der im Jahr 1987 von Volk und Ständen angenommenen «Volksintiative zum Schutz der Moore – Rothenturm-Initiative» und der 1993 knapp abgelehnten «Waffenplatzinitiative», die sich beide gegen den Bau neuer Waffenplätze richteten (Lang, Umweltschutzrecht, 17 ff.), hat sich in der Armee die Einsicht entwickelt, wonach diese sich nur dann auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung abstützen kann, wenn sie die Anliegen des Umweltschutzes ernst nimmt (vgl. Lang, Umweltschutzrecht, 173). Entsprechend bekennt sich das VBS in seinem aktuellen Leitbild «Raum + Umwelt» ausdrücklich zum Gewässerschutz: «Das VBS achtet auf gesetzeskonforme Wasserversorgungen und Entwässerungen. Es verhindert die Belastung von Grund‑ und Oberflächenwasser und reduziert die Störung von natürlichen Lebensräumen auf das notwendige Minimum» (VBS, Leitbild Raumordnung + Umwelt – Schwerpunkte, 5).
25. Angesichts dieses Wandels in der Bedeutung des Umweltschutzes in der Armee und der Tatsache, dass auch nach mehr als 20 Jahren seit der Inkraftsetzung von Art. 5 GSchG noch keine formell darauf gestützte Verordnung erlassen wurde, stellt sich die Frage, ob die Ausnahmeregelung des Art. 5 GSchG überhaupt notwendig ist.
26. Dennoch ist Art. 5 GSchG nicht ohne jede sachliche Berechtigung. Zwar erweist sich sein Anwendungsbereich in Friedenszeiten und ausserhalb von Notlagen vor dem Hintergrund der rechtsstaatlich und demokratiepolitisch gebotenen Zurückhaltung bei der Anwendung von Art. 5 GSchG als sehr eng (vgl. Votum Rüttimann, AB N 1989 953) und die Anrufung der Bestimmung erscheint umweltpolitisch als kaum opportun. Doch gerade bei abrupten Änderungen der Bedrohungslage bzw. bei unvermitteltem Eintreten einer Notlage, ohne dass die Schwelle der verfassungsrechtlichen Notlage überschritten wird, ist eine Anrufung von Art. 5 GSchG denkbar. Der Hauptzweck von Art. 5 GSchG besteht somit darin, dem BR ein sog. Anpassungsermessen einzuräumen, um ihm so in nicht genau voraussehbaren Gefährdungslagen durch punktuelle Herabsetzung der Anforderungen des GSchG eine zeitgerechte und wirksame Reaktion zu ermöglichen (vgl. zum Begriff des Anpassungsermessens Schindler, Verwaltungsermessen, N 438 ff.).
Résumé
La clause d’exception prévue à l’art. 5 LEaux autorise le Conseil fédéral à déroger à la présente loi par voie d’ordonnance si les intérêts de la défense nationale l’exigent, ou en cas d’urgence. L’art. 5 LEaux peut dans une grande mesure être interprété conformément à la jurisprudence développée par le TF dans le cadre de l’art. 5 LPE. Cette disposition constitue une norme de délégation non directement applicable par une autorité ou un tribunal.
L’art. 5 LEaux prévoit la possiblité générale de déroger pour l’ensemble des dispositions de la LEaux. Même si le libellé de l’art. 5 LEaux n’autorise que les dérogations aux dispositions de la LEaux, des dérogations basées sur des dispositions d’exécution fédérales et cantonales prises en application de la LEaux sont autorisées. La sous-délégation (art. 48 al. 1 LOGA) du Conseil fédéral à un département doit cependant être restreinte et ne devrait être admissible en principe que lorsque les dérogations à la LEaux sont de minime importance et que les dispositions de l’ordonnance touchent un petit cercle de destinataires ou sont principalement de nature technique.
Le critère de nécessité exige de procéder à une pesée des intérêts entre les intérêts de la défense nationale et les intérêts de la protection des eaux. Une exception est uniquement admissible lorsqu’aucune mesure alternative autant efficace qui ne déroge pas à la LEaux n’est envisageable. De simples intérêts financiers ne suffisent ainsi pas pour justifier une exception au sens de l’art. 5 LEaux.
La notion d’intérêts de la défense nationale doit être comprise dans le contexte de sa genèse. Ce concept fut développé lors de la guerre froide au début des années 1970 et fut remplacé à la fin du siècle par la stratégie de coopération globale et souple en matière de sécurité (CGSS). La notion d’urgence désigne une situation de catastrophe claire, requérant une action rapide et adéquate et dont les conditions correspondent essentiellement à celles d’application de l’art. 185 al. 3 Cst. Toutefois, la notion d’urgence de l’art. 5 LEaux nécessite une menace moins urgente, vu que la disposition n’autorise que l’adoption d’ordonnances et non la prise de décisions.
Literatur: Lang Christoph Ignaz, Umweltschutzrecht und Militär, Diss. Zürich 1997 (zit. Umweltschutzrecht); Sägesser Thomas, Stämpflis Handkommentar, Regierungs‑ und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) vom 21. März 1997, Bern 2007 (zit. Bearbeiter, Handkommentar RVOG); Schindler Benjamin, Verwaltungsermessen – Gestaltungskompetenzen der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, Habil. Zürich 2010 (zit. Verwaltungsermessen).
Materialien und amtliche Publikationen: Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 27. Juni 1973 (Konzeption der Gesamtverteidigung), BBl 1973 II 112 (zit. SIPOL B 1973); Zwischenbericht zur Sicherheitspolitik vom 3. Dezember 1979, BBl 1980 I 355 (zit. SIPOL ZB 1979); Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 7. Juni 1999 – Sicherheit durch Kooperation, BBl 1999 7657 ff. (zit. SIPOL B 2000); Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, Leitbild VBS Raumordnung und Umwelt – Schwerpunkte, <http://www.vbs.admin.ch/internet/vbs/de
/home/documentation/publication/umwelt.parsys.85214.downloadList.36068.DownloadFile.tmp/vbsumweltleitbildteil1d.pdf>, 2004 (zit. VBS, Leitbild Raumordnung + Umwelt – Schwerpunkte); Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 23. Juni 2010, BBl 2010 5133 ff. (zit. SIPOL B 2010).
1. Kapitel: Reinhaltung der Gewässer
1. Abschnitt: Einleiten, Einbringen und Versickern von Stoffen
Hettich Peter | Tschumi Tobias
Grundsatz
1 Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen.
2 Es ist auch untersagt, solche Stoffe ausserhalb eines Gewässers abzulagern oder auszubringen, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Verunreinigung des Wassers entsteht.
Principe
1 Il est interdit d’introduire directement ou indirectement dans une eau des substances de nature à la polluer; l’infiltration de telles substances est également interdite.
2 De même, il est interdit de déposer et d’épandre de telles substances hors d’une eau s’il existe un risque concret de pollution de l’eau.
Principio
1 È vietato introdurre direttamente o indirettamente o lasciare infiltrarsi nelle acque sostanze che possono inquinarle.
2 È parimenti vietato depositare o spandere tali sostanze fuori delle acque, se ne scaturisce un pericolo concreto di inquinare l’acqua.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 6 |
III. | Reinhaltungsgebot | 15 |
A. | Mittelbare oder unmittelbare Einbringung (Abs. 1) | 15 |
B. | Konkrete Gefährdung (Abs. 2) | 20 |
1. Schon Art. 12 des BGF 1875 enthielt ein Verbot, Stoffe in Fischwasser einzuwerfen, durch welche die Fische beschädigt oder vertrieben werden könnten. Die Bestimmung begrenzte auch die Schadstoffkonzentrationen und Hitzezufuhr durch «Fabrikabgänge» (detailliert Art. 1 ff. VV BGF 1886). Art. 21 des totalrevidierten BGF 1888 dehnte in der Folge den Gewässerschutz auf Krebse aus. Die in Ausführung dieser Bestimmung am 17. April 1925 erlassene «Spezialverordnung» erfasste auch nicht mehr nur Fabrikabgänge, sondern Abfälle und Abwässer schlechthin, also auch solche aus gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben und aus Ortschaften. Im Zentrum dieser Normen stand der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Fischerei (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 3 N 10; auch Botschaft BGF 1887, 364), wobei ein gesunder Fischbestand auch als Indikator für die Qualität eines Gewässers an sich dienen kann (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 3).
2. In der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1953 wurde Art. 24quater BV 1874 als erster Umweltschutzartikel mit 81.3 % Ja-Stimmen angenommen (am 7. Dezember 1975 abgelöst durch Art. 24bis BV 1874), wodurch der Bund gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der ober‑ und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigung erlassen konnte. Der Bundesrat begründete die Kompetenz mit der zunehmenden Gewässerverschmutzung durch Haushalte (Schwemmkanalisation) sowie Abwässer aus Fabriken sowie aus gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 1 f.; s.a. Stutz, Herausforderungen, 510 und 513). Es ging nun nicht mehr nur um den Schutz der Fischereiwirtschaft, sondern auch um die «Erhaltung des Landschaftsbildes», die «Öffentliche Gesundheitspflege» sowie die Sicherung von «Brauchwasser in Industrie und Gewerbe» (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 5 ff., 15).
3. Parallel mit der zugehörigen Verfassungsbestimmung (dazu Bendel, Gewässerschutz, 208 ff.; s. zur Entwicklung auch Schindler, Rechtsfragen, 418 ff.) wurde der Entwurf eines BG über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung erarbeitet, der am 9. Februar 1954 vom Bundesrat und am 16. März 1955 von der Bundesversammlung verabschiedet wurde. Der noch als Zweckartikel konzipierte Art. 2 GSchG 1955 wurde schon bald als Grundlage für Massnahmen gegen die Verunreinigung der Gewässer herangezogen, was vom Bundesgericht geschützt wurde (BGE 84 I 150 ff., 156: Verbot Grosstankanlage; BGE 86 l 187 ff., 198: Kiesabbau; BGE 90 I 195 ff., 198: Ölbehälter; BGE 92 I 409 ff., 414: Baubewilligung Einfamilienhaus; zu dieser Rechtsprechung Schindler, Rechtsfragen, 432 ff.). Dabei war allerdings Rücksicht zu nehmen «auf die technischen Möglichkeiten, das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer, die Filtrierfähigkeit des Bodens und, soweit es sich nicht um die Sicherstellung gesunden Trink‑ und Brauchwassers handelt, auf die entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung» (Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955). Der Begriff der Verunreinigung wurde bewusst nicht weiter definiert, sollte aber neben schädlichen auch andere beeinträchtigende Einflüsse erfassen, z.B. die Einleitung von heissem Wasser (Botschaft GSchG 1954, 335). Das Gesetz enthielt sodann Vorschriften zur Reinigung von Abwässern (Art. 3 GSchG 1955) sowie zum Ablagern von Stoffen ausserhalb der Gewässer (Art. 4 GSchG 1955; zur Anwendung des Gesetzes Bendel, Gewässerschutz, 214 ff.).
4. Art. 14 des totalrevidierten GSchG 1971 kann als Vorläufer des heutigen Art. 6 GSchG angesehen werden (zur Entstehung des Gesetzes Bendel, Gewässerschutz, 209 f., s.a. 232 ff.). Nach dieser Bestimmung war es untersagt, feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, mittelbar oder unmittelbar in die Gewässer einzubringen oder abzulagern. Bei Gefahr einer Verunreinigung war auch das Ablagern ausserhalb der Gewässer untersagt. Sodann war es verboten, verunreinigende Stoffe durch Versickernlassen in den Untergrund zu beseitigen. Als Verunreinigung sah der Bundesrat nicht nur Verunreinigungsakte im engeren Sinn an, sondern auch anderweitige Handlungen, die eine schädliche Veränderung der physikalischen, der chemischen oder der biologischen Beschaffenheit des Wassers zur Folge haben können (Botschaft GSchG 1970, 443). Auf die Weiterführung der durch Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955 verlangten Interessenabwägung wurde verzichtet, da diese die Wirkung des Gesetzes abschwäche (Botschaft GSchG 1970, 438).
5. Mit der – als indirekten Gegenvorschlag zur Volkinitiative «Rettung unserer Gewässer» gedachten (AB S 1988, 620) – Totalrevision vom 24. Januar 1991 wurde Art. 6 GSchG schliesslich in der heute vorliegenden Form im Gesetz verankert. Der Entwurf des Bundesrates passierte beide Räte diskussionslos (AB S 1988, 634; AB N 1989, 954). Die Vorlage stand nicht mehr im Zeichen der Verbesserung des qualitativen Gewässerschutzes, sodass die Bestimmungen zur Reinhaltung der Gewässer aus dem GSchG 1971 weitgehend übernommen werden konnten (Botschaft GSchG 1987, 1084, 1086; AB S 1988 622 und AB N 1989 933 [Voten der Berichterstatter zum Eintreten]; zur Differenzierung im Bereich der Abwasserbeseitigung Stutz, Herausforderungen, 512 und die Entstehungsgeschichte in der Komm. zu Art. 7 GSchG N 1 ff.). Im Unterschied zum alten Gesetz wird in Art. 6 GSchG neben dem Ablagern auch das Ausbringen von Stoffen (z.B. Dünger) ausserhalb der Gewässer geregelt (Botschaft GSchG 1987, 1109).
6. Art. 6 GSchG ist die zentrale Norm zur Sicherstellung des qualitativen Gewässerschutzes; sie ergänzt für diesen Regelungsbereich die allgemeine Sorgfaltspflicht des Art. 3 GSchG. Die Bestimmung regelt die Reinhaltung umfassend und lässt für ergänzendes oder strengeres kantonales Recht keinen Raum (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.3 im Anschluss an Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 16 und Mahon, Petit Commentaire Cst., art. 76 N 11 f.).
7. Die beiden Absätze des Art. 6 GSchG statuieren absolute Verbote, die in ihrem Umfang durch die weiteren Bestimmungen des GSchG konkretisiert werden. Das von Art. 6 GSchG umschriebene Verhalten ist damit generell unzulässig («generelles Verunreinigungsverbot», VGer SG, Urteil vom 3. Dezember 2013 (B 2012/161), E. 4.2.1; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 382), ausser es werde durch die Gewässerschutzgesetzgebung ausdrücklich erlaubt («gewässerschutzrechtliche Reinhaltungsgebot»; dazu BGE 125 II 29 ff., 37, in: URP 1999, 135 ff.; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.4, in: URP 2008, 576, auszugsweise publiziert in BGE 134 II 142).
8. Mit Art. 6 GSchG soll grundsätzlich verhindert werden, dass Schadstoffe ins Wasser gelangen und dieses verunreinigen. Das generelle Verunreinigungsverbot gilt selbst dann, wenn die Anforderungen an die Wasserqualität gemäss Anh. 2 GSchV nach eingetretener Verunreinigung noch erfüllt sind (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 3.6, in: URP 2008, 576; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478 f. Fn. 17). Art. 6 GSchG entspricht damit einer strengen Konkretisierung des Vorsorgeprinzips für den Bereich des qualitativen Gewässerschutzes, wonach a priori jegliche Verschlechterung der Wasserqualität unzulässig ist. Im Gegensatz dazu basiert das USG auf einer Konzeption des Vorsorgeprinzips, nach welcher Immissionen grundsätzlich nur dann frühzeitig zu begrenzen sind, wenn sie schädlich oder lästig werden könnten (Art. 1 Abs. 2 USG; Marti, Vorsorgeprinzip, 210; kritisch: Griffel, Grundprinzipien, N 78). M.a.W. sei beim USG «grundsätzlich alles erlaubt, was nicht durch Verbote oder Gebote abgedeckt ist» (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 475).
9. Ausnahmen vom Verunreinigungsverbot sind in Art. 6 GSchG selbst nicht vorgesehen und entsprechend direkt gestützt darauf auch nicht bewilligungsfähig (BGE 125 II 29 ff., 37). Für eine Interessenabwägung, wie sie Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955 noch enthalten hat, belässt Art. 6 GSchG keinen Raum. Ein Abweichen von Art. 6 GSchG im Rahmen einer Interessenabwägung ist gemäss Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn eine koordinierte Rechtsanwendung mit anderen, gleichrangigen Normen nicht möglich und eine Verletzung des Reinhaltegebots als Folge eines zwingenden Normkonflikts quasi geboten ist (BGE 125 II 29 ff., 38, «Bekämpfung roter Sumpfkrebs»; dazu etwa Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 382).
10. Für das Einleiten und Versickernlassen von Abwasser (Art. 4 Bst. e GSchG; s. zum Begriff etwa BGer, in: URP 1998, 734, E. 4c) gelten die Vorgaben von Art. 7 und 9 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG). Die gemäss Art. 7 Abs. 1 GSchG bewilligungsfähige Einleitung bzw. Versickerung von verschmutztem Abwassser stellt eine gesetzliche Ausnahme vom generellen Verunreinigungsverbot dar (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.4; Stutz, Abwasserrecht, 115; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 475).
11. Im Rahmen der Gesamtverteidigung oder von Notlagen kann der Bundesrat allgemein Ausnahmen von den gewässerschutzrechtlichen Vorgaben und damit auch von Art. 6 GSchG vorsehen, allerdings nur soweit dies erforderlich ist (Art. 5 GSchG). Der Bundesrat hat keine auf Art. 5 GSchG gestützten Verordnungsbestimmungen erlassen, die Ausnahmen von Art. 6 GSchG vorsehen (vgl. Komm. zu Art. 5 GSchG N 5).
12. Als Beispiel für eine spezialgesetzliche Ausnahme vom Verunreinigungsverbot zu nennen ist Art. 79 f. StSV i.V.m. Art. 26 Abs. 2 StSG. Danach dürfen flüssige radioaktive Abfälle mit geringer Aktivität über das Abwasser an Oberflächengewässer abgegeben werden. Die dafür notwendige Ausnahmebewilligung erteilt fallabhängig das BAG, die SUVA oder das ENSI (Art. 136 StSV). Die Gewässerschutzverordnung ist aufgrund der Anordnung von Art. 2 Abs. 2 GSchV nicht anwendbar.
13. Die vorsätzliche Verletzung des Verunreinigungsverbots gemäss Art. 6 GSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (bis zu 360 Tagessätzen, Art. 34 StGB) geahndet (Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG; s. etwa BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff.). Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die maximale Geldstrafe gemäss Art. 70 Abs. 2 GSchG bis zu 180 Tagessätze (vgl. Komm. zu Art. 70 GSchG N 5 ff.). Mögliche Folge einer Verletzung sind sodann Kostenüberwälzung gemäss Art. 54 GSchG und Haftung gemäss Art. 41 OR, Art. 59a USG, etc. (vgl. Komm. zu Art. 54 GSchG N 11 ff.).
14. Art. 6 GSchG dient zusammen mit Art. 49 GSchG als rechtliche Grundlage für das Einschreiten der Schadendienste (Spezialisten der Gewässerschutzfachstelle, Feuerwehr, Polizei usw.) bei akuten Gewässerverschmutzungen. Zudem kann die Bestimmung im akuten Schadenfall auch für verwaltungsrechtliche (Zwangs‑)Massnahmen gegenüber Privaten als Rechtsgrundlage herangezogen werden (Stutz, Abwasserrecht, 116 f.). Nicht ganz klar erscheint, ob auch die Anordnung von Sanierungsmassnahmen gegenüber Privaten direkt auf Art. 6 GSchG gestützt werden kann (bejahend: Stutz, Abwasserrecht, 116, insb. Fn. 443 sowie BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.4, in: URP 2006, 174 ff.). Sodann hat die Baurekurskommission I ZH in einem Entscheid vom 23. Juni 2000 (in: URP 2000, 730) Auflagen zur Verhinderung einer Gewässerverunreinigung im Baubewilligungsverfahren gestützt auf Art. 6 GSchG zugelassen, sofern «geprüft worden ist, ob und inwieweit den besonderen betrieblichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann» (Auflage, wonach auf einem Occasionsauto-Verkaufsplatz, dessen Oberflächenwasser weitgehend versickert oder der öffentlichen Kanalisation zugeführt wird, keine verkehrsuntauglichen bzw. keine reparaturbedürftigen Fahrzeuge abgestellt werden dürfen). Ferner hat das VGer ZH in einen Entscheid vom 13. April 2000 (in: URP 2000, 847) eine Bewilligung eines erdverlegten Jaucheteichs mit Kunststoffabdichtung u.a. auf Art. 6 GSchG gestützt.
15. Der Begriff der «Stoffe» ist weit zu verstehen. In Analogie zu Art. 4 Abs. 1 Bst. a ChemG sowie Art. 7 Abs. 5 USG können jegliche «natürliche oder durch ein Produktionsverfahren hergestellte chemische Elemente und deren Verbindungen» unter den Begriff subsumiert werden (s.a. die weitergehende Definition in Art. 2 Abs. 1 Bst. a ChemV, wonach der Stoff auch seine Verunreinigungen mitumfasst; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 26 N 5; zum Begriff der Stoffe nach USG und ChemG Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 61 ff.; noch zum altrechtlichen Begriff Leimbacher, Kommentar USG, Art. 28 N 23 f.; Keller, Kommentar USG, Art. 7 N 23 ff.). Die Materialien nennen Abfälle, Schwermetalle, Brenn‑ und Treibstoffe, Wasch‑ und Spülmittel, Pflanzenschutzmittel, Nitrat und Phosphor (Jauche, Künstdünger), ohne die Absicht zu verfolgen, den Begriff der Stoffe damit abschliessend zu definieren (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.3., in: URP 2006, 174 ff. «beispielhafte Aufzählung»; s.a. Schindler, Rechtsfragen, 387 ff.; vgl. etwa BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff. für ein stark ätzendes Reinigungsmittel; BGer 1A.152/2001 vom 5. März 2002, E. 4.2, in: URP 2002, 417 ff., für Öle und Fette).
16. «Verunreinigung» gilt gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG). «Nachteilig» ist jede messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand, d.h. unabhängig vom ursprünglichen Reinheitsgrad des Wassers (BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.1; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3, in: URP 2008, 576). Zurzeit als Verunreinigung im Fokus stehen organische Spurenstoffe («Mikroverunreinigungen») im Abwasser (BAFU, Schadstoffbelastung, 10 ff.; Botschaft GSchG 2013, 5550 ff.).
17. Der Begriff des Gewässers umfasst sowohl die «oberirdischen Gewässer» (Art. 4 Bst. a GSchG) wie auch die «unterirdischen Gewässer» (Art. 4 Bst. b GSchG; vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 1 ff.). Erfasst sind damit das Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung bzw. das Grundwasser (inkl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht. Die Begriffe haben einen «auf den Wasserhaushalt der Natur bezogenen Sinngehalt» und sind keinesfalls mit dem «Wasser» an sich gleichzusetzen (BGE 107 IV 63 ff., 65). Nicht zu den gschützten Gewässern zählen z.B. Kanalisationen, Kläranlagen und Klärbecken (BGE 107 IV 63 ff., 66; Schindler, Rechtsfragen, 449; Oftinger, Haftpflicht, 105; Piraccini, Vergehenstatbestände, 27 ff.). Künstliche Gewässer sind einbezogen, soweit diese Kanäle, Becken, etc. Teil des natürlichen Wasserkreislaufs bilden (Botschaft GSchG 1987, 1104; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 4). Grundsätzlich geniessen alle Gewässer den gleichen Schutz; auf eine formelle Einteilung der Gewässer in verschiedene Schutzklassen wurde verzichtet (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 4; VGer BE, Urteil vom 4. Dezember 1995, in: BVR 1996, 551 ff., 554).
18. «Einbringen» «bedeutet die Beifügung schädlicher Stoffe im festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand» (BGE 101 IV 419 ff., 420; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff., 968). Unmittelbar ist das Einbringen, wenn verunreinigende Stoffe «direkt ins Wasser geschüttet oder geleitet werden» (BGE 101 IV 419 ff., 420). Ein mittelbares Einbringen ist gegeben, wenn ein verunreinigender Stoff über die Kanalisation in ein offenes Gewässer tritt oder wenn der Stoff die Kläranlage, die diesen nicht abbauen konnte, verlässt (BGE 107 IV 63 ff., 66; OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., zu Öl, das über eine Entwässerungsanlage in die Limmat floss; BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, in: URP 2002, 114, zu quecksilberhaltigem Wasser, das über die Kanalisation abgeleitet wird; BGE 120 IV 300, 307, zu atrazinhaltigem Abwasser, das in der Industriekläranlage nicht abgebaut werden konnte; s. weiter Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 849). Ein widerrechtliches mittelbares Einbringen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GSchG ist nicht gegeben, wenn die Grenzwerte von Wasserproben lediglich in den Versickerungsschächten, nicht aber beim Meteoreinlauf zum betreffenden Gewässer überschritten werden (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.).
19. Für das «Versickernlassen» genügt, dass Stoffe auf das Erdreich geschüttet werden und durch dieses hindurch in das Grundwasser oder in Abwasserläufe, welche in offene Gewässer führen, gelangen könnten (BGE 101 IV 419 ff., 420; BGE 107 IV 63 ff., 67). Kein Versickern liegt vor, wo eine wassergefährdende Flüssigkeit auf befestigten, flüssigkeitsundurchlässigen Boden ausfliesst, selbst wenn die Flüssigkeit in der Folge in eine Kanalisation gelangt (BGE 107 IV 63 ff., 67). Als nicht erstellt sah das Bundesgericht den Tatbestand bei geringfügigen Versickerungen von tierischen Ausscheidungen in einem mit Verbundsteinen befestigten, nicht vollständig sickerfesten Laufhof an (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, in: URP 2009, 634, zurückgewiesen zur Neubeurteilung; wohl zu kritisch zum Entscheid Huber-Wälchli/Kel-ler, Rechtsprechung 2003–2012, 212 und Stutz, Grundwasserschutz, 673 ff.). Vom Einbringen unterscheidet sich das Versickernlassen dadurch, «dass Versickern nicht den Nachweis erfordert, dass die schädliche versickerte Flüssigkeit auch in die geschützten Gewässer gelangte. Es genügt, dass Gefahr hierfür bestand» (BGE 101 IV 419 ff., 420 noch zu Art. 37 GSchG 1971; weiter OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]; im Ergebnis auch BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, in: URP 2009, 634). Sobald eine versickerte Flüssigkeit in geschützte Gewässer gelangt, ist sie mittelbar in das Gewässer eingebracht.
20. Der Begriff der «Stoffe» nach Abs. 2 ist gleich wie in Abs. 1 und damit weit auszulegen (vgl. N 15).
21. Unter «Ablagern» ist das endgültige Deponieren oder Niederlegen fester Stoffe ausserhalb des Gewässers zu verstehen (BGE 107 IV 63 ff., 67, noch zum GSchG 1971; s.a. Piraccini, Vergehenstatbestände, 91 ff.). Darunter fällt die Benützung einer Parzelle zur Lagerung von Bauholz und eisernen Gerüstträgern (unverö. Urteil BGer vom 27. September 1968), die Wiederauffüllung einer Grube, die beim Abbau von Kies und Sand gebildet wurde (BGE 86 I 196, E. 6a), die rechtswidrige Ablagerung von mit polychlorierten Biphenylen (PCB) durchsetztem Aushubmaterial (RR ZH vom 20. November 1996, in: URP 1997, 53, 55 ff.) und eine Platzkofferung mit Mischabbruchgranulat (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, in: URP 2006, 174 ff.).
22. Der Vorgang des «Ausbringens» erfasst namentlich das Düngen von landwirtschaftlich genutzten Flächen mit tierischen Ausscheidungen oder künstlich hergestellten Stoffen (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 9; siehe auch Art. 71 ChemV; vgl. aber auch OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., 773 zum «Ausbringen» von ölhaltigem Abwasser; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2002, E. 1.2., in: URP 2003, 279], zum Austreten von Öl wegen eines falsch installierten Tanks). Gemäss BAFU (Düngung, 35 f.) soll «[d]as gewässerschützerisch einwandfreie Verwerten, d.h. das sorgfältige Ausbringen von Gülle, die bekanntlich in den Boden eindringt (‹versickert›), […] nicht als Versickerung im Sinn von Artikel 6 Absatz 1 GSchG [gelten], denn die Nährstoffe werden normalerweise von den Pflanzenwurzeln rasch aufgenommen. Der dann noch verbleibende Rest wird überwiegend an Bodenteilchen gebunden und steht später den Pflanzen ebenfalls wieder zur Verfügung.» Die näheren Anforderungen an den Umgang mit Dünger regelt Anh. 2.6 ChemRRV.
23. Auch wenn das «Ausbringen» dem «Versickernlassen» zwingend zeitlich vorausgeht, sind die beiden Vorgänge in vielen Fällen kaum praktikabel voneinander abzugrenzen. Jedoch dürfte die konkrete Subsumtion meist keine Rolle spielen, da sowohl Art. 6 Abs. 1 als auch Abs. 2 wie auch die Strafnorm von Art. 70 GSchG an die gewässerverunreinigende Wirkung der freigesetzten Stoffe anknüpfen (ähnlich BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.1, in: URP 2009, 634 ff.; vgl. auch Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 211 ff.).
24. Art. 6 Abs. 2 GSchG erfasst alle Bereiche «ausserhalb eines Gewässers» (zum Begriff des Gewässers vgl. N 17 und Komm. zu Art. 4 GSchG N 1 ff.); sie werden in ihrer räumlichen Reichweite nur durch das Erfordnis der Schaffung einer konkreten Gefahr der Verunreinigung eines vom Gesetz geschützten Gewässers begrenzt.
25. Eine «konkrete Gefahr» ist gegeben, wenn verunreinigende Stoffe «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit grosser Wahrscheinlichkeit früher oder später» in ein geschütztes Gewässer gelangen können (so BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.1; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2 unter Hinweis auf Botschaft GSchG 1987, 1109; weiter BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, E. 3; BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.1, in: URP 2006, 174 ff.; BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2002, E. 1.2., in: URP 2003, 279; s. schon BGE 101 IV 419 ff., 422). Eine solche Gefahr wurde etwa bejaht beim Abschwemmen von Gülle, Mistwasser, Silosäften (VGer SG, Urteil vom 3. Dezember 2013, B 2012/161, E. 4.2.3., bestätigt in BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015 «Kälberiglus»), beim Versickernlassen von stark kohlenwasserstoffhaltigem Kompressorwasser in einen Schacht ohne Boden mit Dachwasserzulauf im Gewässerschutzbereich A (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., 773 f.), bei der möglichen Auswaschung von Schadstoffen aus einer Platzkofferung mit Mischabbruchgranulat (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, in: URP 2006, 174 ff.) und beim Auslaufen von 741 l Öl auf durchlässiges Erdreich, auch wenn dieses sofort ausgebaggert wird (OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]). Eine konkrete Gefährdung ist auch gegeben beim Einleiten eines ätzenden Reinigungsmittels in einen Abwasserschacht, der in einen – zufällig gerade trockenen – Bach ableitet (BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff.; dazu Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 208). Die Frage der konkreten Gefährdung ist unabhängig vom – allenfalls nicht eingetretenen – Erfolg und unabhängig von der Zeitdauer, zu der die Gefahr bestand, zu beurteilen (OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff., 972 [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]; s.a. Botschaft GSchG 1970, 474).
26. Grundsätzlich ist beim Nachweis einer «konkreten Gefahr» davon auszugehen, dass die Rechtsunterworfenen das anwendbare Recht einhalten. So stellt die fachgerechte und vorschriftsgemässe Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger in Gewässerschutzbereichen A keine «konkrete Gefahr» dar (VGer BE, Urteil vom 30. Juni 2003, in: URP 2003, 763 ff., 767); die entsprechenden Tätigkeiten können nicht mit Verweis auf mögliche Gesetzesverstösse präventiv verboten werden. Auch eine gewässerschützerisch und pflanzenbaulich einwandfreie Verwertung von Hofdünger schafft keine solche Gefahr und gilt auch nicht als Versickerung im Sinn von Art. 6 Abs. l GSchG. Die mit dem Regen früher oder später in den Boden eindringenden Düngstoffe werden in diesen Fällen von den Pflanzenwurzeln aufgenommen oder durch die Bodenteilchen gebunden (Botschaft GSchG 1987, 1109; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.4). Das Versickernlassen von Hofdünger ist also insoweit zulässig, als die Natur grundsätzlich in der Lage ist, die fragliche Stoffmenge abzubauen und keine Überdüngung droht (BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.3; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.3; BGE 97 I 467, E. 3; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 2004, N 404 ff.; Botschaft GSchG 1987, 1118 f.). Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es auf «die Anzahl betroffener Tiere, die beanspruchte Bodenfläche, die vorgesehene Benutzungsdauer und den Grad der Durchlässigkeit des bestehenden Bodens an», wobei an den Nachweis der Abbaubarkeit ausserhalb besonders gefährdeter Grundwasserbereiche keine erhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.3 f.).
27. Der Begriff der «Verunreinigung» umfasst gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige Veränderung des Wassers (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 26) und ist gleich wie in Abs. 1 auszulegen (N 16).
Résumé
L’art. 6 LEaux est la norme centrale pour la protection qualitative des eaux; elle complète le devoir général de diligence prévue à l’art. 3 LEaux. Cette disposition règlemente de manière exhaustive la protection contre la pollution de telle sorte que les cantons ne peuvent pas adopter des règles cantonales plus strictes. Les deux alinéas de cet article instaurent une interdiction générale de polluer les eaux qui s’applique également lorsque les exigences générales de qualité des eaux selon l’annexe 2 OEaux sont encore remplies.
L’art. 7 LEaux ainsi que les art. 79 s. ORaP et 26 al. 2 LRaP font exception au principe général prévu à l’art. 6 LEaux. Une dérogation à l’art. 6 LEaux dans le cadre d’une pondération des intérêts ne peut se justifier selon la jurisprudence du TF que si l’application coordonnée des normes de même rang n’est pas possible et que la violation du principe de sauvegarde de la qualité des eaux doit apparaitre comme nécessaire consécutivement à un conflit de normes impératives.
La violation de cette norme est passible d’une peine d’emprisonnement de trois ans au plus ou de peine pécuniaire (art. 70 LEaux). L’al. 2 de l’art. 6 LEaux inclut toutes les pollutions hors de l’eau. Il suppose une mise en danger concrète.
Literatur: Bendel Felix, Gewässerschutz, in: Müller-Stahel Hans-Ulrich (Hrsg.), Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, 208 ff. (zit. Gewässerschutz); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Marti Ursula, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, Diss. Genf 2009 (zit. Vorsorgeprinzip); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftplichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Vallender Klaus/Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht – Besondere Regelungsbereiche – Handbuch zu Chemikalien, GVO, Altlasten, Gewässerschutz, Energie u.a., Zürich/St. Gallen 2013 (zit. Umweltrecht Handbuch).
Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Fischerei, in Revision desjenigen vom 18. September 1875, vom 3. Juni 1887, BBl 1887 III 363 ff. (zit. Botschaft BGF 1887); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gälli René/Ort Christoph/Schärer Michael), Mikroverunreinigungen in den Gewässern – Bewertung und Reduktion der Schadstoffbelastung aus der Siedlungsentwässerung, Umwelt-Wissen Nr. 0917, Bern 2009 (zit. Schadstoffbelastung).
Hettich Peter
Abwasserbeseitigung
1 Verschmutztes Abwasser muss behandelt werden. Man darf es nur mit Bewilligung der kantonalen Behörde in ein Gewässer einleiten oder versickern lassen.
2 Nicht verschmutztes Abwasser ist nach den Anordnungen der kantonalen Behörde versickern zu lassen. Erlauben die örtlichen Verhältnisse dies nicht, so kann es in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden; dabei sind nach Möglichkeit Rückhaltemassnahmen zu treffen, damit das Wasser bei grossem Anfall gleichmässig abfliessen kann. Einleitungen, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, bedürfen der Bewilligung der kantonalen Behörde.
3 Die Kantone sorgen für eine kommunale und, soweit notwendig, für eine regionale Entwässerungsplanung.
Evacuation des eaux
1 Les eaux polluées doivent être traitées. Leur déversement dans une eau ou leur infiltration sont soumis à une autorisation cantonale.
2 Les eaux non polluées doivent être évacuées par infiltration conformément aux règlements cantonaux. Si les conditions locales ne permettent pas l’infiltration, ces eaux peuvent être déversées dans des eaux superficielles; dans la mesure du possible, des mesures de rétention seront prises afin de régulariser les écoulements en cas de fort débit. Les déversements qui ne sont pas indiqués dans une planification communale de l’évacuation des eaux approuvée par le canton sont soumis à une autorisation cantonale.
3 Les cantons veillent à l’établissement d’une planification communale et, si nécessaire, d’une planification régionale de l’évacuation des eaux.
Eliminazione delle acque di scarico
1 Le acque di scarico inquinate devono essere trattate. Possono essere immesse o lasciate infiltrare nelle acque solo con il permesso dell’autorità cantonale.
2 Le acque di scarico non inquinate devono essere eliminate mediante infiltrazione giusta le prescrizioni dell’autorità cantonale. Se le condizioni locali non lo permettono, possono essere immesse in un’acqua superficiale; in tal caso occorre provvedere per quanto possibile affinché, in caso di grande afflusso, misure di ritenuta consentano di far defluire l’acqua in modo regolare. Le immissioni non indicate in una pianificazione comunale dello smaltimento delle acque di scarico approvata dal Cantone necessitano del permesso dell’autorità cantonale.
3 I Cantoni provvedono a una pianificazione comunale e, se necessario, a una pianificazione regionale dello smaltimento delle acque di scarico.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeines | 9 |
A. | Überblick | 9 |
B. | Verhältnis zum Abfallrecht | 13 |
III. | Kommentierung | 19 |
A. | Beseitigung von verschmutztem Abwasser (Abs. 1) | 19 |
1. | Behandlungsgebot (Satz 1) | 20 |
2. | Bewilligungspflicht (Satz 2) | 25 |
3. | Voraussetzungen der Einleitungsbewilligung | 29 |
4. | Voraussetzungen der Versickerungsbewilligung | 44 |
B. | Beseitigung von nicht verschmutztem Abwasser (Abs. 2) | 46 |
1. | Versickerungsgebot (Satz 1) | 50 |
2. | Einleitung in ein oberirdisches Gewässer (Satz 2) | 55 |
3. | Bewilligungspflicht (Satz 3) | 58 |
C. | Entwässerungsplanung (Abs. 3) | 60 |
1. | Allgemeines | 60 |
2. | Inhalte der Entwässerungsplanung | 67 |
3. | Koordination mit anderen Planungen | 75 |
4. | Rechtsnatur | 77 |
5. | Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsschutz | 80 |
1. Bereits das BGF 1875 und das BGF 1888 enthielten Vorschriften über die Abwasserbeseitigung. Diese Bestimmungen bezogen sich zunächst nur auf «Fabrikabgänge», die in Fischereigewässer eingeleitet wurden. Ihr Anwendungsbereich wurde in der Folge mit der SpezV BGF 1925 auf alle Arten von Abwassereinleitungen ausgedehnt (vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 1).
2. Die wesentlichen Inhalte der frühen fischereirechtlichen Bestimmungen über die Abwasserbeseitigung wurden in das erste Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 16. März 1955 (GSchG 1955) überführt. Das Gesetz sah neu eine Bewilligungspflicht für die Einleitung von Abwässern und anderen flüssigen oder gasförmigen Abgängen jeder Art vor, die nicht mehr nur Fischereigewässer, sondern alle Oberflächengewässer erfasste (Art. 5 Abs. 1 GSchG 1955; vgl. Schindler, Rechtsfragen, 414 ff.). Die Kantone hatten insbesondere die vorgängige Reinigung oder Unschädlichmachung der Abgänge und die Beseitigung der dabei entstehenden Rückstände zu verlangen (Art. 5 Abs. 2 GSchG 1955). Die Abwasservorschriften des GSchG 1955 wurden von den Kantonen zunächst nur schleppend umgesetzt (Schindler, Rechtsfragen, 415 f., 421 f.). Die Vollzugsbemühungen der Kantone erstarkten erst, nachdem der Bundesrat durch die Revision der VV GSchG 1956 vom 2. Februar 1962 (AS 1962 96) die rechtlichen Grundlagen schuf, um den Kantonen und Gemeinden erhebliche Bundesmittel zum Bau von Abwasserreinigungsanlagen zur Verfügung zu stellen (Botschaft GSchG 1970, 431; Schindler, Rechtsfragen, 423 f.).
3. Mit Erlass von Art. 17 GSchG 1971 anlässlich der Totalrevision des GSchG vom 8. Oktober 1971 wurden die Kantone verpflichtet, auf Grundlage von generellen Kanalisationsprojekten (GKP) für die Erstellung der erforderlichen öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu sorgen (Botschaft GSchG 1970, 451 f.). Zudem wurden die materiellen Vorschriften über die Beseitigung von Abwässern in der gestützt auf Art. 21 GSchG 1971 erlassenen Abwassereinleitungsverordnung 1975 erheblich verschärft, indem strenge Grenzwerte für die Konzentrationen verschiedener Schadstoffe in den Abwässern sowie Qualitätsziele für die Oberflächengewässer aufgestellt wurden (Botschaft GSchG 1987, 1074). Im Gegenzug zu den Verschärfungen der Vorschriften wurde das per Verordnung eingeführte System von Bundessubventionen mit Art. 31 GSchG 1971 ins Gesetzesrecht überführt und weiter ausgebaut, indem der Kreis beitragsberechtigter Gewässerschutzanlagen erweitert wurde (Botschaft GSchG 1970, 437, 465 ff.).
4. Bis Ende der 1980er-Jahre konnten im Bereich der Gewässerreinhaltung durch den Ausbau der zentralen Abwasserinfrastruktur, die Verschärfung der Vorschriften über die Gewässereinleitung und verstärkte Anstrengungen bei der Sanierung bestehender Einleitungen aus gewerblichen und industriellen Betrieben beträchtliche Fortschritte erzielt werden (Botschaft GSchG 1987, 1073 f.; Stutz, Abwasserrecht, 92 f., 105). Gleichzeitig mit diesen Erfolgen traten zunehmend aber auch die Grenzen des damaligen Konzepts der Abwasserbeseitigung zutage, welches auf dem Grundsatz beruhte, sämtliche Siedlungsabwässer unabhängig von ihrer Zusammensetzung auf möglichst direktem Weg abzuleiten und in eine Abwasserreinigungsanlage einzuleiten. Mit der voranschreitenden Versiegelung der Bodenfläche durch Siedlungs‑ und Strassenbau führte dieses Konzept im Laufe der Jahre zu einer starken Zunahme des in den Abwasseranlagen anfallenden Abwassers, was nicht nur kostspielige Investitionen in die Abwasserinfrastruktur erforderlich machte, sondern auch die Gefahr von Hochwassern durch eine Überlastung des Kanalisationsnetzes bei starken Niederschlägen erhöhte (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.).
5. Aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber mit der Totalrevision des GSchG vom 24. Januar 1991 das im aktuellen Art. 7 verankerte moderne Entsorgungskonzept eingeführt, dessen zentrales Element das Gebot der Abwassertrennung ist. Neu wurde verlangt, dass verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser getrennt beseitigt wird (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.). Fortan sollte nur noch verschmutztes Abwasser behandelt bzw. in die Kanalisation eingeleitet werden (Art. 7 Abs. 1 GSchG). Nicht verschmutztes Abwasser hingegen ist nach Möglichkeit versickern zu lassen (Art. 7 Abs. 2 GSchG).
6. Mit dem Erlass des aktuell geltenden Art. 7 Abs. 3 GSchG im Rahmen der GSchG-Revision vom 20. Juni 1997 wurden die Kantone verpflichtet, für eine kommunale und – soweit erforderlich – für eine regionale Entwässerungsplanung zu sorgen. Die Planungspflicht der Kantone im Bereich der Abwasserentsorgung wurde damit inhaltlich erheblich über die bislang in Art. 10 Abs. 4 vorgeschriebene generelle Kanalisationsplanung hinaus erweitert. Nach der neuen Regelung soll sich die kommunale Entwässerungsplanung nicht mehr allein mit der Planung der Abwasseranlagen beschäftigen, sondern den gesamten lokalen Wasserkreislauf auf dem Gebiet einer Gemeinde ins Auge fassen. Mit der regionalen Entwässerungsplanung sollte ein Instrument geschaffen werden, welches «eine gesamtheitliche Planung, die nicht nur über die Gemeindegrenze, sondern oft über die Kantonsgrenze hinausgeht», ermöglicht und mit dem die «vielschichtigen ökologischen Zusammenhänge» berücksichtigt werden können (Botschaft GSchG 1996, 1228). Im Zuge der ebenfalls mit der GSchG-Revision vom 20. Juni 1997 erfolgten Einführung der verursachergerechten Abwassergebühren wurden die Tatbstände für Bundessubventionen im Bereich der Abwasserentsorgung weitgehend abgebaut (Botschaft GSchG 1996, 1226 f.). Gemäss dem in Art. 60a Abs. 1 GSchG verankerten Verursacherprinzip haben die Kantone nunmehr dafür zu sorgen, dass grundsätzlich die vollen Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen mittels Gebühren und Abgaben den Verursachern überbunden werden (Botschaft GSchG 1996, 1222 f., vgl. Komm. zu Art. 60a GSchG). Gegenwärtig gewährt der Bund im Bereich der Abwasserentsorgung nur noch Subventionen für Massnahmen zur Stickstoffeliminierung, soweit sie der Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen dienen, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezwecken (Art. 61 Abs. 1 GSchG; s. Botschaft GSchG 1996, 1224 ff.), sowie für Massnahmen zur Eliminierung von organischen Spurenstoffen (Art. 61a GSchG, s. Botschaft GSchG 2013, 5554, 5559), wobei letztere über eine gesamtschweizerische verursachergerechte Abgabe finanziert werden (Botschaft GSchG 2013, 5553 f., 5557 f.).
7. Mit dem Bewilligungsverfahrensgesetz vom 21. Dezember 2007 wurde die bislang in Art. 7 Abs. 2 GSchG vorgesehene Bewilligungspflicht für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer aufgehoben, soweit die Einleitung in der von den kantonalen Behörden genehmigten generellen Entwässerungsplanung vorgesehen ist (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 355).
8. Art. 7 Abs. 1, 2 und 3 GSchG wurde in den parlamentarischen Beratungen ohne Diskussionen zugestimmt (AB S 1988 634, AB N 1989 954, AB S 1996 1167, AB N 1997 431, AB 2007 N 1398, AB 2007 S 1002).
9. Die gewässerschutzrechtliche Sorgfaltspflicht (Art. 3 GSchG) und das Gewässerverunreinigungsverbot (Art. 6 GSchG) verlangen, dass anfallendes Abwasser in einer für die Gewässer unschädlichen Weise beseitigt werden muss. Art. 7 GSchG enthält allgemeine Vorschriften über die Abwasserbeseitigung, welche das Konzept vorgeben, nach dem das Abwasser ordnungsgemäss beseitigt, d.h. in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden muss. Die in Art. 7 GSchG verankerten Grundzüge des Abwasserbeseitigungskonzepts werden in den Art. 9–17 GSchG sowie den dazugehörigen Verordnungsbestimmungen (insb. Art. 3–21 und Anh. 1–3 GSchV) weiter konkretisiert.
10. Zentrales Element des in Art. 7 GSchG skizzierten Abwasserbeseitigungskonzepts ist das Gebot der Abwassertrennung (BGer 2P.248/2004 [«Rheinhafen»], E. 2.2). Dieses verlangt, dass verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser getrennt beseitigt werden muss. Verschmutztes Abwasser ist nach Art. 7 Abs. 1 GSchG vor seiner Einleitung in ein Gewässer zu behandeln (Behandlungsgebot). Nicht verschmutztes Abwasser hingegen ist gemäss Art. 7 Abs. 2 GSchG nach Möglichkeit versickern zu lassen (Versickerungsgebot). Um eine sachgemässe und zweckmässige Abwasserbeseitigung nach diesem Konzept gewährleisten zu können, bedarf es einer vorausschauenden und sachlich übergreifenden Planung. Art. 7 Abs. 3 GSchG verlangt daher nach einer kommunalen und – gegebenenfalls – regionalen Entwässerungsplanung.
11. Der Begriff «Abwasser» wird in Art. 4 Bst. e GSchG anhand drei verschiedener Tatbestände gesetzlich umschrieben: Abwasser ist demnach das «durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, das in einer Kanalisation stetig damit zusammen abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser» (vgl. zum Begriff «Abwasser» auch Komm. zu Art. 4 GSchG N 27 ff.).
12. Als verschmutzt gilt gemäss Art. 4 Bst. f GSchG Abwasser, welches geeignet ist, das Gewässer, in das es eingeleitet wird, zu verunreinigen. Nach dem strengen Schutzkonzept des GSchG wird ein Gewässer bereits dann verunreinigt, wenn das Wasser in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert wird und dadurch eine messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand entsteht (vgl. zum Begriff «verschmutztes Abwasser» auch Komm. zu Art. 4 GSchG N 31 ff.).
13. Abfall‑ wie Abwasserrecht sind Teilgebiete des Umweltrechts, die schädliche oder lästige Umwelteinwirkungen durch eine Bewirtschaftung natürlicher Stoffkreisläufe zu verhindern suchen. In beiden Regelungsbereichen steht die Frage im Vordergrund, unter welchen Voraussetzungen schädliche Stoffe, die für keinen weiteren Gebrauch vorgesehen sind, in die natürlichen Stoffkreisläufe zurückzugeführt werden dürfen.
14. Die Vorschriften des Abfall‑ und Abwasserrechts gründen im Wesentlichen auf denselben Ansätzen: Primär soll die Entstehung schädlicher Stoffe möglichst vermieden werden. Nicht zu vermeidende Abfälle und Abwässer sollen – soweit sinnvoll – stofflich (Recycling) oder energetisch verwertet werden. Die nicht mehr verwertbaren schädlichen Reststoffe sind schliesslich nach den gesetzlichen Vorschriften zu behandeln und in unschädlicher Weise zu beseitigen (s. für Abfälle explizit Art. 30 USG).
15. Abfall‑ und Abwasserrecht verfolgen bei der Beseitigung nicht wiederverwertbarer Stoffe einen vorwiegend technologischen Ansatz. Die Reststoffe werden durch technische Mittel kontrolliert in weitgehend unschädliche Grundstoffe zersetzt (Abfallverbrennung, Abwasserreinigung). Die schwer abbaubaren schädlichen Stoffe sind auszufiltern und schliesslich separat in Deponien abzulagern. Die Erstellung und der Betrieb der erforderlichen Infrastruktur für die Abfall‑ und Abwasserbeseitigung ist von Bundesrechts wegen zu weiten Teilen eine Aufgabe des Gemeinwesens (Art. 10 GSchG; Art. 31 ff. USG; s. zu den entsprechenden Pflichten allgemein EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012, Di Sarno et autres c. Italie, Nr. 30765/08, N 108 ff.). Abfall‑ und Abwassererzeuger haben verursachergerecht die Entsorgungskosten zu tragen (Art. 60a GSchG, Art. 32 und 32a USG).
16. Obschon die abfallrechtlichen Bestimmungen des USG (Art. 30–32e USG) ursprünglich aus dem Gewässerschutzrecht stammen, stellt das Abwasserrecht heute gesetzessystematisch einen Teilbereich des Abfallrechts dar (Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 14 f.). Generell erfasst das USG Gewässerverunreinigungen als schädliche Einwirkungen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 USG, die es nach Art. 1 USG zu begrenzen gilt. Sodann erstreckt sich der Begriff des Abfalls i.S.v. Art. 7 Abs. 6 USG auch auf das Abwasser im Sinne des GSchG, weshalb die abfallrechtlichen Bestimmungen des USG grundsätzlich auch auf Abwasser anwendbar wären. Jedoch richtet sich die Beseitigung von Abwasser nicht nach den allgemeinen Vorschriften über die Abfallentsorgung des USG, sondern ausschliesslich nach den spezielleren gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen über die Abwasserbeseitigung (Seiler, Kommentar USG, Art. 3 N 49; Stutz, Abwasserrecht, 81; Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 51).
17. Art. 10 GSchV schreibt vor, dass feste oder flüssige Abfälle nicht zusammen mit dem Abwasser entsorgt werden dürfen, ausser wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist. Zu entsorgende Flüssigkeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit gemäss den Gewässerschutzvorschriften auch nach allfälliger Vorbehandlung nicht in die Kanalisation abgeleitet werden dürfen, gelten als flüssiger Abfall und sind nach den Vorschriften des Abfallrechts zu entsorgen. Darunter fallen insbesondere die im Abfallverzeichnis in Anh. 1 der VO Abfalllisten verzeichneten Sonderabfälle und andere kontrollpflichtige Abfälle (zur Abgrenzung von Abwasser und Sonderabfällen, s. Stutz, Abwasserrecht, 81 ff.). Die Abgrenzung zwischen flüssigem Abfall und Abwasser kann sich in der Praxis als schwierig erweisen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob mit Blick auf die Ziele des Gewässer‑ und Umweltschutzes eine Entsorgung als Abfall oder eine Einleitung in die Kanalisation mit allfälliger Vorbehandlung zweckmässiger ist. Dabei sind neben den im konkreten Fall vorhanden Abfall‑ bzw. Abwasserinfrastrukturen, der Stand der Technik und die Wirtschaftlichkeit der alternativen Entsorgungswege zu berücksichtigen. Die von der VSA veröffentlichte Vollzugshilfe «Ist es Abwasser? Ist es Abfall?» zeigt auf, wie in Zweifelsfällen eine pragmatische Beurteilung vorgenommen werden kann (VSA, Abwasser oder Abfall?; zur rechtlichen Bedeutung von privaten Vollzugshilfen vgl. N 74).
19. Die Entsorgung von Klärschlamm, der bei der Abwasserentsorgung anfällt, richtet sich – entgegen der Gesetzessystematik – nach den gewässerschutzrechtlichen Spezialregelungen in Art. 18–21 GSchV, obwohl Klärschlamm grundsätzlich als Abfall i.S. des USG und nicht als Abwasser zu qualifizieren ist (Seiler, Kommentar USG, Art. 3 N 50). Klärschlamm darf seit dem Jahr 2006 nicht mehr als Dünger verwertet werden (Art. 21 Abs. 2 GSchV i.V.m. Anh. 2.6 Ziff. 2.1 Abs. 2 ChemRRV; Art. 21a Abs. 2 DüV) und muss – soweit er nicht anderweitig verwertet werden kann – verbrannt oder thermisch behandelt werden (Art. 11 TVA; vgl. zu den vom BR vorgeschlagenen Vorschriften über die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm Botschaft «Grüne Wirtschaft» 2014, 1854 f., 1891).
19. Das Einbringen von verschmutztem Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf stellt die Hauptursache von Gewässerverunreinigungen dar. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GSchG statuiert daher ein Behandlungsgebot für verschmutztes Abwasser. Dieses verlangt, dass die gewässerverunreinigenden Stoffe aus dem verschmutzten Abwasser entfernt werden, soweit sie durch das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer nicht oder nicht genügend schnell abgebaut werden können. Im Anschluss an die gebotene Behandlung ist das (ehemals) verschmutzte Abwasser in ein Gewässer einzuleiten. Eine Versickerung des behandelten Abwassers ist grundsätzlich verboten (Art. 8 Abs. 1 GSchV). Sie kommt nur in Ausnahmefällen in Frage (Art. 8 Abs. 2 GSchV).
1. Behandlungsgebot (Satz 1)
20. Gemäss dem Behandlungsgebot müssen gewässerverunreinigende Stoffe aus dem verschmutzten Abwasser soweit entfernt werden, als diese durch das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer nicht oder nicht genügend schnell abgebaut werden können. Das Behandlungsgebot gilt für alle verschmutzten Abwässer. Das GSchG sieht keine Ausnahmen vom Behandlungsgebot vor (Stutz, Abwasserrecht, 123).
21. Indem das Behandlungsgebot bei den Ursachen von Gewässerverunreinigungen ansetzt, stellt es eine Ausprägung des umweltrechtlichen Grundsatzes der Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen an der Quelle dar (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 11 N 6). Allerdings greift das Behandlungsgebot für verschmutztes Abwasser nicht bereits bei der Entstehung von verschmutztem Abwasser ein, sondern zielt lediglich auf dessen Unschädlichmachung vor der Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf (Griffel, Grundprinzipien, 157, N 203). Grund dafür ist die Tatsache, dass Wasser – im Gegensatz zur Luft und zum Boden – mit vertretbarem Aufwand gereinigt werden kann.
22. Das Behandlungsgebot richtet sich an den Inhaber des Abwassers, d.h. an diejenige Person, welche die Entstehung des verschmutzten Abwassers selbst verursacht hat oder welche das verschmutzte Abwasser vom ursprünglichen Verursacher freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Vorschrift übernommen hat. In der Regel handelt es sich beim Abwasserinhaber um die Person, die die tatsächliche Herrschaft über das Abwasser ausübt. Tatsächliche Herrschaft meint das faktische Vermögen, die Sache ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht zu verwenden, zu verä̈ndern, zu zerstören, zu behalten oder weiterzugeben (vgl. BGE 119 Ib 492, E. 4b cc; 118 Ib 407, E. 3c). Vgl. zur Definition des analogen Begriffs des Abfallinhabers Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 50.
23. Im Bereich der öffentlichen Kanalisation muss verschmutztes Abwasser gemäss Art. 11 Abs. 1 GSchG in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden (vgl. Komm. zu Art. 11 GSchG). Damit geht die Pflicht zur Behandlung des verschmutzten Abwassers an den Inhaber der Kanalisation über. Wer aber Abwasser einleiten will, das den Anforderungen an die Einleitung in die Kanalisation nicht entspricht, muss es gemäss Art. 12 Abs. 1 GSchG vorbehandeln (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG). Ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen verbleibt die Abwasserbehandlungspflicht grundsätzlich beim ursprünglichen Abwasserverursacher, der das Abwasser gemäss Art. 13 Abs. 1 GSchG entsprechend dem Stand der Technik zu beseitigen hat (vgl. Komm. zu Art. 13 GSchG).
24. Über die Frage, wie verschmutztes Abwasser zu behandeln ist, äussert sich Art. 7 GSchG als Grundnorm über die Abwasserbeseitigung selber nicht. Die konkreten Anforderungen an die Abwasserbehandlung ergeben sich im Wesentlichen aus den spezielleren Bestimmungen des GSchG über die Behandlung des verschmutzten Abwassers (Art. 10–13 GSchG) sowie aus den gestützt auf Art. 9 und 16 GSchG erlassenen Vorschriften des Bundesrates über die «Ableitung von verschmutztem Abwasser» (Art. 6–10, Anh. 1–3 GSchV; s. auch N 29 ff.).
2. Bewilligungspflicht (Satz 2)
25. Verschmutztes Abwasser darf man gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 GSchG nur mit Bewilligung der kantonalen Vollzugsbehörde versickern lassen oder in ein Gewässer einleiten (vgl. zum Begriff «Versickernlassen» Komm. zu Art. 6 GSchG N 19). Entscheidend für die Frage, ob zu entsorgendes Abwasser i.S.v. Art. 7 Abs. 1 GSchG als verschmutzt gilt und damit nur mit einer Bewilligung versickert werden oder in ein Gewässer eingeleitet werden darf, ist der Verunreinigungsgrad des Abwassers vor der gebotenen Abwasserbehandlung (vgl. zum Begriff «verschmutztes Abwasser» Komm. zu Art. 4 GSchG N 31 ff.). Die Bewilligungspflicht für Versickerungen und Einleitungen besteht insbesondere auch dann, wenn das zu entsorgende Abwasser nach der gemäss Art. 12 Abs. 1 GSchG erforderlichen Abwasservorbehandlung nicht mehr als verschmutzt i.S.v. Art. 4 Bst. f GSchG gelten sollte.
26. Neben der Einleitung von (behandeltem) verschmutztem Abwasser in ein Gewässer unterliegt auch die Einleitung von Abwasser in die öffentliche Kanalisation einer gewässerschutzrechtlichen Bewilligungspflicht, sofern es sich beim zu entsorgenden Abwasser nicht um «kommunales Abwasser» (vgl. N 34), sondern um «Industrieabwasser» (vgl. N 37) oder um «anderes verschmutztes Abwasser» (vgl. N 40) handelt (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 874). Allerdings stützt sich die in Art. 7 Abs. 1 GSchV verankerte Bewilligungspflicht für die Einleitung in die Kanalisation nicht auf Art. 7, sondern auf Art. 12 Abs. 1 und 2 bzw. Art. 16 Bst. a GSchG ab (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG und 16 GSchG; Stutz, Abwasserrecht, 158, Fn. 606).
27. Mit dem Bewilligungserfordernis nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 GSchG wird von den kantonalen Behörden verlangt, dass sie die Einhaltung des Behandlungsgebots mittels präventiver Kontrolle umfassend überwachen. Andererseits soll die Bestimmung den Kantonen aber auch ermöglichen, die Einleitung oder Versickerung von verschmutztem Abwasser im Sinne einer Ausnahme vom Verunreingungsverbot (vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 9 f.) im Einzelfall für zulässig zu erklären, sofern die gesetzlichen Anforderung an die Behandlung des Abwassers eingehalten sind (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008 [«Kupfer KKL»], E. 2.4; Stutz, Abwasserrecht, 115).
28. Die in Art. 6 GSchV näher umschriebene Bewilligung für die Einleitung von behandeltem Abwasser in ein Gewässer stellt eine Polizeibewilligung dar, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung (vgl. N 29 ff.) erfüllt sind (Stutz, Abwasserrecht, 141). Anders verhält es sich bei der Bewilligung für die Versickerung von verschmutztem Abwasser, die von den Behörden nach Art. 8 Abs. 2 GSchV erteilt werden «kann», aber angesichts des in Art. 8 Abs. 1 GSchV verankerten grundsätzlichen Versickerungsverbots nur in Ausnahmefällen erteilt werden soll (vgl. N 44 f.).
3. Voraussetzungen der Einleitungsbewilligung
29. Die Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser in oberirdische Gewässer, Drainagen sowie unterirdische Flüsse und Bäche sind gemäss Art. 6 GSchV – analog dem allgemeinen Immissionsschutzkonzept des USG – auf Grundlage der konkreten Umstände in einem zweistufigen Vorgehen festzusetzen. Aus emissionsseitiger Betrachtung hat die Behörde zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen von Anh. 3 GSchV aufgrund der Beschaffenheit und Menge des anfallenden Abwassers erfüllt sind. Die Verordnung unterscheidet zwischen kommunalem Abwasser (vgl. N 34 ff.), Industrieabwasser (vgl. N 37 ff.) und anderem verschmutztem Abwasser (vgl. N 40 ff.), für die je unterschiedliche Anforderungen gelten. Sind diese erfüllt, so ist die Bewilligung grundsätzlich zu erteilen (Art. 6 Abs. 1 GSchV). Allerdings muss die Behörde aus immissionseitiger Betrachtung in einem weiteren Schritt stets zusätzlich beurteilen, ob die Anforderungen aufgrund der zu erwartenden Einwirkungen der Einleitung auf das aufnehmende Gewässer zu verschärfen sind (Art. 6 Abs. 2 und 3 GSchV) oder gelockert werden können (Art. 6 Abs. 4 GSchV).
30. Eine Verschärfung oder Ergänzung der Anforderungen hat dann zu erfolgen, wenn die betroffenen Gewässer durch die Einleitung des Abwassers die Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV nicht erfüllen (Art. 6 Abs. 2 Bst. a GSchV) und wenn aufgrund von Abklärungen feststeht, dass die ungenügende Wasserqualität zu einem wesentlichen Teil auf die Einleitung des Abwassers zurückzuführen ist und die entsprechenden Massnahmen bei der Abwasserreinigungsanlage nicht unverhältnismässig sind (Art. 6 Abs. 2 Bst. b GSchV). Die Behörde kann die Anforderungen auch dann verschärfen oder ergänzen, wenn die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV für eine besondere Nutzung des betroffenen Gewässers nicht ausreicht (Art. 6 Abs. 3 GSchV).
31. Eine Erleichterung der Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser kann dann gewährt werden, wenn durch eine Verminderung der eingeleiteten Abwassermenge die Schadstofffracht gesamthaft reduziert werden kann (Art. 6 Abs. 4 Bst. a GSchV) oder wenn die Umwelt durch die Einleitung nicht verwertbarer Stoffe in Industrieabwasser gesamthaft weniger belastet wird als durch eine andere Entsorgung (Art. 6 Abs. 4 Bst. b GSchV).
32. Die ökologischen Gewässerziele in Anh. 1 GSchV stellen zum einen Kriterien für die Beurteilung der ökologischen Qualität eines Gewässers zur Verfügung und geben zum anderen Richtlinien vor, nach denen die Entwicklung der Gewässer im Sinne einer naturnahen Gewässergestaltung ausgerichtet werden soll (Griffel, Grundprinzipien, 285, N 389). Die ökologischen Ziele sind gemäss Art. 1 Abs. 2 GSchV bei allen Massnahmen nach der GSchV zu berücksichtigen. Im Rahmen der Ermessensausübung sind sie damit auch bei der Festlegung der Anforderungen an die Einleitung gemäss Art. 6 GSchV in die Erwägungen einzubeziehen, insbesondere bei der Frage, ob die Anforderungen an die Einleitung zu verschärfen, zu ergänzen oder zu erleichtern sind (Stutz, Abwasserrecht, 144, 182; BGer 1A.256/2003 vom 14. Juni 2004 [«ARA Worblental»], E. 2.1).
33. Nach Vorgabe von Art. 46 Abs. 3 GSchV hat die zuständige Behörde bei der Erteilung von Bewilligungen für Einleitungen und Versickerungen von verschmutztem Abwasser nach den Art. 6–8 GSchV neben den gewässerschutzrechtlichen Vorschriften auch die Anforderungen des USG an den Schutz der Bevölkerung vor Geruchsimmissionen sowie die Anforderungen des ArG und des UVG an den Schutz der Gesundheit des Personals von Abwasseranlagen zu berücksichtigen.
Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer (Anh. 3.1 GSchV):
34. «Kommunales Abwasser» umfasst häusliches Abwasser (Abwasser aus Haushalten und gleichartiges Abwasser) und das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende und mit dem häuslichen Abwasser abgeleitete Niederschlagswasser (Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Als kommunales Abwasser gilt nicht nur Abwasser aus Privathaushalten, sondern auch das Abwasser anderer Herkunft, das eine ähnliche Zusammensetzung wie das häusliche Abwasser aufweist, wie z.B. das Abwasser aus den Sanitäranlagen von Industrie‑, Gewerbe‑ und Dienstleistungsbetrieben. Das kommunale Abwasser enthält mehrheitlich leicht abbaubare organische Stoffe, die aus der Benutzung der Sanitäreinrichtungen sowie aus Wasch‑, Spül‑ und Reinigungsarbeiten stammen (Stutz, Abwasserrecht, 76).
35. Die in Anh. 3.1 GSchV enthaltenen Anforderungen beziehen sich auf die Einleitung von kommunalem Abwasser, welches nach seiner Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden soll (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 481 f.). Die Anforderungen nach Anh. 3.1 Ziff. 2–4 gelten nur für ARAs mit mehr als 200 Einwohnerwerten im Normalbetrieb (Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1). Für kommunales Abwasser aus Abwasserreinigungsanlagen mit 200 oder weniger Einwohnerwerten und für Abwasser aus Überläufen von Mischsystemen legt die Behörde die Anforderungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse fest.
36. Anh. 3.1 GSchV enthält in Ziff. 2 allgemeine Anforderungen in Form von numerischen Immisionsgrenzwerten für das einzuleitende Abwasser. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Gesamtmenge ungelöster Stoffe, den biochemischen Sauerstoffbedarf während eines Zeitraums von fünf Tagen (BSB5), die Gesamtmenge des gelösten organischen Sauerstoffes sowie die Konzentrationen von Ammonnium, Nitrit und adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen. Für die Einleitung in empfindliche Gewässer enthält Anh. 3.1 Ziff. 3 GSchV zusätzliche Anforderungen an die Eliminierung des Gesamtphosphors (Summe aller Phosphorverbindungen) und des Gesamtstickstoffs (Summe aller Stickstoffverbindungen) aus dem Abwasser. Im Weiteren macht Ziff. 4 Vorgaben über die Häufigkeit von Probenahmen und die zulässige Anzahl Abweichungen von den Grenzwerten. Mit dem Bericht des BAFU zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014 wurden verschiedene Änderungen in Anh. 3.1 GSchV vorgeschlagen. Insbesondere soll in Ziff. 2 für die Eliminierung von organischen Spurenstoffen (Mikroverunreinigungen) neu ein Reinigungseffekt von 80 % in den grösseren ARAs vorgeschrieben werden (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 17 ff.).
Anforderungen an die Einleitung von Industrieabwasser in die Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation (Anh. 3.2 GSchV):
37. «Industrieabwasser» umfasst Abwasser aus gewerblichen und industriellen Betrieben sowie damit vergleichbares Abwasser, wie solches aus Laboratorien und Spitälern (Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Auch das verschmutzte industrielle Abwasser ist – nach allfälliger Vorbehandlung (Art. 12 Abs. 1 GSchG) – grundsätzlich in die öffentliche Kanalisation einzuleiten (Art. 11 Abs. 1 GSchG). In seltenen Fällen, wenn Abwässer von Betrieben die Kapazität der zentralen ARA quantitativ übersteigen oder aufgrund ihrer Zusammensetzung für eine Reinigung in der zentralen ARA nicht geeignet sind, können die Betriebe dazu verpflichtet werden, eine eigene ARA mit direkter Einleitung in ein Oberflächengewässer zu erstellen und zu betreiben (Botschaft GSchG 1987, 1115).
38. Eine Bewilligung für die Einleitung von Industrieabwasser in ein Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation darf nach Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller bei Produktionsprozessen und bei der Abwasserbehandlung die nach dem «Stand der Technik» notwendigen Massnahmen trifft, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Er muss gemäss Bst. a der Bestimmung insbesondere dafür sorgen, dass so wenig abzuleitendes Abwasser und so wenig gewässerverunreinigende Stoffe anfallen als dies «technisch und betrieblich möglich» und «wirtschaftlich tragbar» ist (zur Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe Mettler, Stand der Technik, 37 ff.), dass nicht verschmutztes Abwasser und Kühlwasser getrennt von verschmutztem Abwasser anfällt (Bst. b) sowie dass verschmutztes Abwasser weder verdünnt noch mit anderem Abwasser vermischt wird, um die Anforderungen einzuhalten (Bst. c). Vorbehalten ist allerdings der Fall, dass eine Verdünnung für die Abwasserbehandlung zweckmässig ist und die Menge gewässerverunreinigender Stoffe dadurch nicht vergrössert wird. Eine weitere Bewilligungsvoraussetzung ist, dass am Ort der Einleitung die allgemeinen Anforderungen nach Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV und für Abwasser aus bestimmten Branchen die besonderen Anforderungen für bestimmte Stoffe nach Anh. 3.2 Ziff. 3 GSchV eingehalten werden.
39. Die Behörde legt gemäss Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 3 GSchV weniger strenge Anforderungen fest, wenn der Inhaber des Betriebes nachweist, dass er die nach dem Stand der Technik erforderlichen Massnahmen nach Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV getroffen hat und dass die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen nach Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV unverhältnismässig wäre. Ermöglichen die nach dem Stand der Technik gemäss Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV erforderlichen Massnahmen hingegen strengere Anforderungen als diejenigen nach den Anh. 3.2. Ziff. 2 und 3 GSchV einzuhalten, kann die Behörde nach Anh. 3.2. Ziff. 1 Abs. 4 GSchV aufgrund der Angaben des Betriebsinhabers und nach dessen Anhörung solch strengere Werte festlegen.
Anforderungen an die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation (Anh. 3.3 GSchV):
40. Verschmutztes Abwasser, das weder kommunales noch Industrieabwasser darstellt, gilt als «anderes verschmutztes Abwasser» (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Darunter fällt insbesondere verschmutztes Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen abfliesst und nicht mit anderem verschmutztem Abwasser vermischt ist (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV).
41. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in ein Gewässer nach Anh. 3.3 GSchV enthalten – anders als Anh. 3.1 Ziff. 2 GSchV für kommunales Abwasser und Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV für industrielles Abwasser – keine allgemeinen numerischen Grenzwerte. Die Behörden haben die Anforderungen vielmehr auf Grund der Eigenschaften des Abwassers, des Standes der Technik und des Zustandes des Gewässers im Einzelfall festzulegen. Sie haben dabei internationale oder nationale Normen, vom BAFU veröffentlichte Richtlinien (z.B. BUWAL, Stand der Technik, Entwässerung von Verkehrswegen; ASTRA/BAFU, Strassenabwasserbehandlungsverfahren) oder von der betroffenen Branche in Zusammenarbeit mit dem BAFU erarbeitete Normen (z.B. BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser) zu berücksichtigen (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV).
42. Für anderes verschmutztes Abwasser aus bestimmten Branchen, Anlagen und Prozessen stellt Anh. 3.3 Ziff. 2 GSchV besondere Anforderungen auf. Diese spezifischen Vorgaben betreffen das Abwasser aus Durchlauf‑ und Kreislaufkühlungen (Ziff. 21 und 22), von Baustellen (Ziff. 23), aus der Fassaden‑ und Tunnelreinigung (Ziff. 24), aus Deponien (Ziff. 25), aus der Kiesaufbereitung (Ziff. 26), aus Fischzuchtanlagen (Ziff. 27) und Schwimmbecken (Ziff. 28).
43. Mit Blick auf das Ziel des Gewässerschutzrechtes ist nicht die Herkunft, sondern das Schädigungspotential des verschmutzten Abwassers entscheidend (Rausch/Trüeb, Abfallentsorgung, 203). Die Behörden haben daher bei der Festlegung der Anforderung an die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser auch die in Anh. 3.2 GSchV enthaltenen substanzspezifischen Grenzwerte für industrielles Abwasser heranzuziehen (BGer 1C_43/2007 [«Kupfer KKL»], E. 3.5).
4. Voraussetzungen der Versickerungsbewilligung
44. Die Versickerung von verschmutztem Abwasser ist dem Grundsatz nach verboten (Art. 8 Abs. 1 GSchV) und darf nur ausnahmsweise erteilt werden (BGer 1C_87/2012 vom 27. November 2012 [«Hochdorf»], E. 4.2). Eine Versickerungsbewilligung darf zudem nur für kommunales Abwasser oder für anderes verschmutztes Abwasser vergleichbarer Zusammensetzung erteilt werden, nicht aber für Industrieabwasser (Art. 8 Abs. 2 GSchV). Grund für die strengen Bewilligungsvoraussetzungen ist die mit der Versickerung verbundene Gefahr von Schadstoffeinträgen in Böden und Grundwasser (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 12, N 3; Bose, Schutz Grundwasser, 124).
45. Art. 8 Abs. 2 Bst. a–d GSchV stellen entsprechend strenge Anforderungen auf, die für eine Bewilligungserteilung kumulativ erfüllt sein müssen. Neben den Voraussetzungen, die auch für Abwassereinleitungen gelten (Bst. a), müssen die Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV bei Versickerungen in jedem Fall eingehalten werden (Bst. b) und kommen nicht erst – wie bei Einleitungen – über die Verschärfung oder Ergänzung der Anforderungen zum Tragen (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 481). Damit die Fruchtbarkeit der Böden langfristig nicht beeinträchtigt wird, müssen zudem die Anforderungen der Verordnung über Belastungen des Bodens vom 1. Juli 1998 (VBBo) eingehalten werden (Bst. c). Ausgenommen davon sind aber Versickerungen in bewilligten Versickerungsanlagen wie Versickerungsmulden oder Strassenböschungen (BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 16).
46. Nicht verschmutztes Abwasser ist gemäss Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GSchG nach Anordnung der kantonalen Behörde in erster Linie versickern zu lassen (Versickerungsgebot). Lassen dies die örtlichen Verhältnisse nicht zu, so kann das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden; dabei sind nach Möglichkeit Rückhaltemassnahmen zu treffen, um ein gleichmässiges Abfliessen des Wassers auch bei grossem Anfall zu ermöglichen (Satz 2). Einleitungen in ein Gewässer, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, bedürfen einer Bewilligung durch die kantonale Vollzugsbehörde (Satz 3). Fällt auch die Einleitung des nicht verschmutzten Abwassers in ein oberirdisches Gewässer ausser Betracht, so kann die kantonale Behörde gemäss Art. 12 Abs. 3 GSchG als letzte Möglichkeit ausnahmsweise auch die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in die öffentliche Kanalisation im Mischsystem bewilligen, sofern es sich um stetig anfallendes Abwasser, d.h. nicht um Niederschlagswasser handelt (Botschaft GSchG 1987, 1115).
47. Auf welche Weise, nicht verschmutztes Abwasser zu entsorgen ist, entscheidet die Behörde im Einzelfall. Ausgangspunkt der Entscheidung ist der Generelle Entwässerungsplan (GEP), welcher u.a. die geeigneten Versickerungsflächen auf dem Gemeindegebiet bezeichnet sowie diejenigen Gebiete, in denen das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten ist (vgl. N 69). Aufgrund ihrer beschränkten Verbindlichkeit entbinden die Vorgaben des GEP die Entscheidungsbehörden aber nicht davon, die angeordneten Massnahmen im konkreten Fall auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit zu überprüfen (vgl. N 79).
48. Sofern noch kein GEP vorhanden ist bzw. die Entwässerungsplanung noch nicht an die neuen Anforderungen angepasst wurde, ist es zulässig, die Abwasserbeseitigungsart bzw. die Rückhaltemassnahmen direkt gestützt auf Art. 7 Abs. 2 GSchG anzuordnen (Stutz, Abwasserrecht, 128). In diesem Fall muss die Gemeinde anhand der bereits vorhandenen Planungsgrundlagen sachlich begründen können, in welchen Gebieten und unter welchen Umständen sie bestimmte Massnahmen verlangt (BGer 2C_283/2008 vom 11. August 2008 [«Kanalisationsanschlussgebühr»], E. 4.2).
49. Zum Thema der Regenwasserentsorgung haben die eidgenössischen und kantonalen Vollzugsbehörden sowie der VSA zahlreiche Empfehlungen und Richtlinien publiziert, die aufzeigen, welche Gesichtspunkte bei der Entsorgung von Niederschlagswasser im Rahmen einer zweckmässigen Siedlungsentwässerung zu beachten sind (z.B. BUWAL, Regenwassernutzung; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen; VSA, Regenwasserentsorgung; AWEL, Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung).
1. Versickerungsgebot (Satz 1)
50. Mit dem Versickerungsgebot für nicht verschmutztes Abwasser soll zum einen die Abwasserinfrastruktur entlastet werden. Nicht verschmutztes Abwasser, das keine Gefährdung für die Gewässerqualität darstellt und keiner Behandlung bedarf, soll von der Kanalisation ferngehalten werden. Zum anderen dient das Versickerungsgebot dem Schutz vor Hochwasser. Es soll verhindern, dass grosse Mengen von Niederschlagswasser in kurzer Zeit in oberirdische Gewässer eingeleitet werden (BGer 1C_157/2009 [«Gewächshaus»], E. 5.4). Hinter dem Versickerungsgebot steht sodann das Anliegen, den Wasserkreislauf auf möglichst natürliche Weise zu schliessen. Durch Infiltration des oberirdisch anfallenden Niederschlagswassers soll insbesondere die natürliche Speisung des Grundwassers gefördert werden (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.; Bose, Schutz Grundwasser, 123; Stutz, Abwasserrecht, 123 f.).
51. Das Versickerungsgebot steht nicht im Widerspruch zur Nutzung von nicht verschmutztem Regenwasser zur Gartenbewässerung. Vielmehr handelt es sich dabei im Lichte des in Art. 76 Abs. 1 BV festgelegten Grundsatzes der haushälterischen Nutzung der Wasservorkommen gerade um eine sinnvolle und umweltverträgliche Nutzungsart (BGer 1C_157/2009 [«Gewächshaus»], E. 5.4).
52. Soweit es die lokalen Umstände zulassen, soll das nicht verschmutzte Abwasser dezentral, möglichst am Ort des Abwasseranfalls versickert werden. Bei unzureichender Versickerungsleistung können Rückhaltemassnahmen angezeigt sein. Die Versickerung soll nach Möglichkeit über die durchwurzelte Humusschicht erfolgen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Bst. b GSchV), da dadurch die Reinigungswirkung der biologisch aktiven Bodenschicht ausgenutzt werden kann (vgl. BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 19). In Gebieten, wo die Fruchtbarkeit des Oberbodens erhalten bleiben soll, schränken aber die Bestimmungen der Verordnung über Belastungen des Bodens eine Versickerung über den bewachsenen Boden ein (Art. 3 Abs. 2 Bst. c GSchV).
53. Kommt eine dezentrale Versickerung aus hydrogeologischen, gewässerschutzrechtlichen oder nutzungsrechtlichen Gründen nicht in Frage, ist in zweiter Linie zu prüfen, ob das Abwasser über eine zentrale Anlage wie eine Versickerungsmulde oder ‑becken versickert werden kann. Für eine solche Versickerung in einer unterirdischen Anlage unter Umgehung des bewachsenen Bodens ist aus Gründen des Grundwasserschutzes in der Regel eine Machbarkeits‑ und Zulässigkeitsprüfung erforderlich (vgl. BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 69).
44. Generell verboten ist die Versickerung von Abwasser in den Grundwasserschutzzonen S1 und S2 (Fassungsbereich S1: Anh. 4 Ziff. 223 GSchV; engere Schutzzone S2: Anh. 4 Ziff. 222 Abs. 1 Bst. c GSchV). Rechtlich unzulässig ist die Versickerung von Abwasser sodann über einem mit Altlasten belasteten Gebiet (Art. 3 Abs. 2 Bst. a GSchV).
2. Einleitung in ein oberirdisches Gewässer (Satz 2)
55. Nicht verschmutztes Abwasser soll grundsätzlich nur dann in ein Gewässer eingeleitet werden, wenn eine Versickerung des Abwassers aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse nicht in Frage kommt, aus rechtlichen Gründen unzulässig ist oder mit unzumutbarem Aufwand verbunden wäre. Die Einleitung kann direkt in das oberirdische Gewässer oder indirekt über eine Kanalisation im Trennsystem erfolgen. Die Gemeinden haben diejenigen Gebiete, in denen nicht verschmutztes Abwasser in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden soll, im GEP zu bezeichnen (vgl. N 69).
56. Voraussetzung für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer ist, dass der aufnehmende Wasserlauf über eine ausreichende Abflusskapazität verfügt, um die zusätzliche Abflussmenge aufnehmen zu können. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GSchG verlangt daher, dass bei einer Einleitung des Abwassers in ein Gewässer «nach Möglichkeit» Rückhaltemassnahmen zu treffen sind, damit das Wasser bei grossem Anfall gleichmässig dosiert in das Gewässer abgeleitet werden kann und die Spitzen in den Schadstoffkonzentrationen gebrochen werden (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 354; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 26). Allerdings bedeutet dies nicht, dass Rückhaltemassnahmen bei jeder Einleitung zwingend sind. Die Notwendigkeit und die Art der Rückhaltemassnahmen sind aufgrund der zu erwartenden nachteiligen Einwirkungen auf das aufnehmende Gewässer zu beurteilen. Letztere sind typischerweise umso stärker, je kleiner das aufnehmende Gewässer und je grösser die Entwässerungsfläche ist.
57. Die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in eine Kanalisation im Mischsystem als sog. Fremdwasser ist soweit wie möglich zu vermeiden. Gemäss Art. 12 Abs. 3 GSchG muss die Einleitung von stetig anfallendem nicht verschmutztem Abwasser in die Mischkanalisation die Ausnahme bleiben (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG). Sie kann unter Umständen in überbauten Siedlungsgebieten, die vorwiegend im Mischsystem entwässert werden, eine akzeptable Option darstellen (BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 26).
3. Bewilligungspflicht (Satz 3)
58. Gemäss Art. 7 Abs. 2 Satz 3 GSchG bedürfen Einleitungen, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, einer Bewilligung der kantonalen Behörde. Das Bundesrecht unterstellt damit die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser nur dann einer Bewilligungspflicht, wenn noch kein von der kantonalen Behörde genehmigter GEP besteht oder wenn dieser keine Angaben über die Zulässigkeit der konkret zu beurteilenden Einleitung enthält. Dies trifft regelmässig auf die Entwässerung von Strassen ausserhalb des Planungsperimeters zu (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 355).
59. Für die Versickerung von nicht verschmutztem Abwasser bedarf es nach dem Bundesrecht keiner formellen Bewilligung. Die Kantone sind aber frei, eine solche vorzusehen (vgl. z.B. § 85 Abs. 2 GWBA SO).
1. Allgemeines
60. Indem Art. 7 Abs. 3 GSchG eine Planungspflicht für den Bereich der Siedlungsentwässerung verankert, trägt die Bestimmung den zuständigen Gemeinwesen auf, die ihnen obliegenden Aufgaben im Bereich der Abwasserentsorgung auf Grundlage und im Rahmen einer Planung wahrzunehmen. Mit Planung gemeint ist eine bestimmte Problemlösungsmethode bzw. Vorgehensweise bei der Aufgabenberfüllung, die aus der Abfolge von vier (nicht immer klar voneinander abgrenzbaren) Schritten besteht: 1) Analyse der Problemlage (sachliche Rahmenbedingungen, berührte Interessen), 2) Festlegung der Entwicklungsziele, 3) Erarbeitung von Massnahmenkonzepten zur Erreichung dieser Ziele und 4) periodische Kontrolle und allfällige Anpassung der Planung. Mit Hilfe dieses prozeduralen Schemas soll der eigentliche Zweck der Planung – die vorwegnehmende Koordination einzelner Handlungsbeiträge und ihrer Steuerung über längere Zeit – erreicht werden (zum Begriff der Planung Tschannen, Kommentar RPG, Art. 2 N 15; Tschannen, Kommentar USG, Art. 31 N 8).
61. Sachlicher Gegenstand der Entwässerungsplanung bildet die Siedlungsentwässerung, die neben dem Gewässerschutz vor allem der Siedlungshygiene und dem Schutz vor Überschwemmungen dient. Das Ziel der Siedlungsentwässerung ist «die schnelle, unschädliche, geruchlose, einwandfreie und vollkommene Abführung der Abwässer aller Art aus Haushalt, Gewerbe und Industrie sowie die Ableitung der Niederschlagswässer von Grundstücken und Strassen» (Bischofberger/Teichmann/Hegemann, Abwassertechnik, 919). Der Umfang der Planungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 GSchG beschränkt sich indes nicht einzig auf die Ableitung des Abwassers von seinem Entstehungsort, sondern umfasst auch die nachfolgende Abwasserreinigung und Rückführung des Abwassers in den Wasserkreislauf. Aus den Materialien zu Art. 7 Abs. 3 GSchG geht hervor, «dass der Anwendungsbereich der Planungspflicht nicht auf verschmutztes Abwasser beschränkt ist, sondern unverschmutztes Abwasser mitumfasst» (Botschaft GSchG 1996, 1229).
62. Der Zweck der Planungspflicht liegt darin, dass sich die zuständigen Gemeinwesen bereits vorausschauend mit der Frage beschäftigen, wie sie die ihnen übertragenen Aufgaben im Bereich der Abwasserbeseitigung möglichst gewässerschonend und wirtschaftlich wahrnehmen können. Sodann sollen die Entwässerungspläne aufzeigen, wie die Entwässerungsmassnahmen mit den anderen an den Gewässern bestehenden Nutzungs‑ und Schutzinteressen sinnvoll abgestimmt werden können. Mit den im Rahmen der Planung zu erstellenden Entwässerungsplänen soll zudem die Grundlage für eine zweckmässige, vorhersehbare sowie rechtsgleiche Umsetzung der Vorschriften über die Abwasserbeseitigung im Einzelfall geschaffen werden (vgl. BGer 2C.283/2008 vom 11. August 2008 [«Kanalisationsanschlussgebühr»], E. 4.2).
63. Art. 7 Abs. 3 GSchG unterscheidet zwischen einer kommunalen und einer regionalen Ebene der Entwässerungsplanung, wobei der räumliche Umfang der Planungspflicht je nach Ebene unterschiedlich ist. Während Art. 7 Abs. 3 GSchG nach einer flächendeckenden kommunalen Entwässerungsplanung verlangt, ist eine regionale Entwässerungsplanung nur für jene Gebiete erforderlich, in denen aufgrund spezieller Umstände besondere Anforderungen an die Gewässerschutzmassnahmen gestellt werden oder die Massnahmen koordiniert werden müssen (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479). Allerdings verlangt Art. 7 Abs. 3 GSchG von den Kantonen, dass sie zumindest Abklärungen darüber vornehmen, ob und in welchem Umfang Handlungsbedarf für die Erstellung einer regionalen Entwässerungsplanung besteht.
64. Die Ziele, Inhalte und Instrumente der kommunalen und der regionalen Entwässerungsplanung werden auf Verordnungsebene in den Art. 4 und 5 GSchV konkretisiert. Daraus geht hervor, dass sich die kommunale und die regionale Planungsebenen nicht nur hinsichtlich ihres räumlichen Umfangs, sondern auch in Bezug auf ihre Zielsetzungen unterscheiden (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 123, N 388): Das Ziel der kommunalen Entwässerungsplanung besteht im Wesentlichen in der Erarbeitung eines Entwässerungskonzepts, mit dem aufgezeigt werden soll, wie die gesetzlichen Vorschriften über die Abwasserbeseitigung auf dem Gebiet einer Gemeinde zweckmässig umgesetzt werden können und welche Infrastrukturen dafür erforderlich sind (Art. 5 Abs. 1 und 2 GSchV). Das wesentliche Ziel der regionalen Entwässerungplanung liegt dagegen in der räumlich und thematisch übergeordneten Koordination der Gewässerschutzmassnahmen zwischen den Gemeinden und mit anderen an den Gewässern bestehenden Interessen (Art. 4 Abs. 1 und 3 GSchV).
65. Hauptinstrumente der Entwässerungsplanung sind die generellen bzw. regionalen Entwässerungspläne. Diese halten die Ergebnisse der Planungsprozesse fest, etwa in Form von Sachberichten, räumlichen Plänen, Massnahmenkonzepten oder Entwicklungszielen. Die Verordnung schreibt in Art. 4 und 5 GSchV gewisse Mindestanforderungen für die kommunalen und regionalen Entwässerungspläne vor, womit sichergestellt werden soll, dass die Pläne den ihnen bundesrechtlich zugedachten Zweck erfüllen. Den Kantonen steht es aber grundsätzlich frei, die Inhalte und Rechtwirkungen der Entwässerungspläne im Rahmen der übergeordneten Ziele des Bundesrechts weiter zu konkretisieren oder zu erweitern (Jomini, Kommentar RPG, Art. 19 N 50).
66. Die Entwässerungspläne dienen in erster Linie der behördeninternen Entscheidfindung und sind daher grundsätzlich nur für die Behörden verbindlich, nicht aber für die Privaten (vgl. zu den Ausnahmen N 78). Allerdings handelt es sich bei den Entwässerungsplänen nicht um rein behördeninterne Instrumente, da ihnen – angesichts der Tatsache, dass sie gemäss Art. 4 Abs. 5 und Art. 5 Abs. 4 GSchV öffentlich zugänglich zu machen sind – gegenüber Privaten eine Informationsfunktion zukommt.
2. Inhalte der Entwässerungsplanung
67. Die kommunale Entwässerungsplanung dient der konkreten Planung der Siedlungsentwässerung auf dem Gebiet einer Gemeinde. Sie beinhaltet im Wesentlichen die Planung der öffentlichen Abwasserinfrastruktur sowie die Erstellung eines räumlichen Entwässerungskonzepts, mit dem aufgezeigt werden soll, wie die Vorgaben von Art. 7 Abs. 1 und 2 GSchG – insbesondere die Gebote der Abwassertrennung (vgl. N 10), der Abwasserbehandlung (vgl. N 20 ff.) und der Versickerung nicht verschmutzten Abwassers (vgl. N 50 ff.) – auf dem Gebiet einer Gemeinde zweckmässig und wirtschaftlich umgesetzt werden können.
68. Der in Art. 5 GSchV umschriebene GEP dient zum einen als kommunales Planungsinstrument für die Erstellung und die Bewirtschaftung der öffentlichen Abwasserinfrastrukur. So sind im GEP gemäss den in Art. 5 Abs. 2 GSchV vorgeschriebenen Mindestinhalten diejenigen Gebiete festzulegen, in denen öffentliche Kanalisationen zu erstellen sind (Bst. a), sowie an welchen Orten, mit welchem Behandlungssystem und mit welcher Kapazität zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu errichten sind (Bst. f). Damit übernimmt der GEP im Wesentlichen dieselben Aufgaben wie das frühere «Generelle Kanalisationsprojekt» (GKP), das sich unter Geltung des GSchG 1971 als Planungsinstrument für die Erstellung der erforderlichen Abwasseranlagen bewährt hat (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479). Mit dem GEP sollen nunmehr aber auch die bestehendenen Gewässerbelastungen sowie der Zustand und der Wert der Abwasserinfrastruktur systematisch erfasst werden. Damit sollen Entscheidungsgrundlagen für einen zielgerichteteten Einsatz der öffentlichen Mittel und die Sicherstellung der zukünftig notwendigen Kapazitäten erarbeitet werden.
69. Während das GKP im Wesentlichen auf die Ableitung und Reinigung des verschmutzten Abwassers beschränkt war, beinhaltet die generelle Entwässerungsplanung auch ein umfassendes Entwässerungskonzept für verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser für das gesamte Gemeindegebiet. Mit diesem Konzept soll erreicht werden, dass die Schmutzwasserkanalisation und die ARA durch Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser nicht unnötig belastet werden (Art. 5 Abs. 2 Bst. b und e GSchV), dass genügend Versickerungsflächen zur Verfügung stehen (Bst. c) und dass die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer an geeigeten Stellen erfolgt (Bst. d). Sodann soll mit dem GEP aufgezeigt werden, wie auch ausserhalb des Einzugsgebiets der Kanalisation eine sachgemässe Entsorgung des verschmutzten Abwassers sichergestellt werden kann (Bst. g).
70. Zahlreiche Gemeinden haben sich zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Abwasserbeseitigung zu Gemeindeverbänden zusammengeschlossen (vgl. zu den verschiedenen Organisationsformen EAWAG, Abwasserentsorgung 2025, 53 ff.). Die Kantone sehen daher entweder in ihrem kantonalen Ausführungsrecht (z.B. § 17 Abs. 3 EG UWR AG) oder in den Richtlinien bzw. Vollzugsweisungen der kantonalen Behörden neben den kommunalen GEP auch generelle Entwässerungspläne auf der Ebene der Abwasserverbände (Verbands-GEP) vor. Inhaltlich bauen die Verbands-GEP zu grossen Teilen auf den bereits im Rahmen der kommunalen Entwässerungsplanung erhobenen Daten auf. Als Bindeglied zwischen den kommunalen GEP bestehen die inhaltlichen Schwerpunkte der Verbands-GEP in der Planung und Bewirtschaftung der gemeinsamen Verbandsanlagen sowie in der Erarbeitung von Massnahmen zur Reduktion von Fremdwassereinleitungen in die ARA (vgl. AWEL, Leitfaden VGEP, 4 ff.).
71. Geht es bei der generellen Entwässerungsplanung (GEP und Verbands-GEP) in erster Linie um die konkrete Umsetzung des gesetzlichen Abwasserentsorgungskonzepts auf kommunaler Ebene bzw. auf Verbandsebene, steht bei der regionalen Entwässerungsplanung die Abstimmung der Siedlungsentwässerung innerhalb eines Gewässereinzugsgebiets (vgl. Art. 4 Abs. 1 GSchV) und mit den anderen Bereichen der Wasserwirtschaft im Vordergrund. Gemäss Art. 4 Abs. 3 GSchV hat die Behörde bei der Erstellung des REP neben der Abwasserentbeseitigung insbesondere auch den Raumbedarf der Gewässer, den Hochwasserschutz und andere Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu berücksichtigen.
72. Beim regionalen Entwässerungsplan (REP) handelt es sich entsprechend seiner unterschiedlichen Funktion nicht einfach um einen GEP für ein grösseres Gebiet, sondern um ein übergeordnetes Planungsinstrument (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479; Griffel/Marti/Rausch, Umweltrecht, 123, N 388; Chaix, Einzugsgebietsmanagement, 532). Art. 4 Abs. 4 GSchV hält ausdrücklich fest, dass die REP für die Planung und Festlegung der Gewässerschutzmassnahmen in den Gemeinden – und somit für die kommunale Entwässerungsplanung – verbindlich sind. Die regionale Planungsebene ist der kommunalen Planungsebene damit normhierarchisch übergeordnet.
73. Die Pflicht zur regionalen Entwässerungsplanung stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Koordinationsgebots dar, welches in Art. 46 Abs. 1 GSchV nunmehr auch für den Bereich des Gewässerschutzrechts ausdrücklich verankert ist (BAFU, Koordination, 7, 10 f.). Wie das Koordinationsgebot findet die Pflicht zur regionalen Entwässerungsplanung ihre Grenzen im Gebot der Verhältnismässigkeit: Eine Planung bzw. vorausschauende Koordination ist nur dann sinnvoll, wenn deren zu erwartender Nutzen den Aufwand übersteigt (vgl. BAFU, Koordination, 22). Art. 4 Abs. 1 GSchV sieht entsprechend vor, dass die Kantone nur dann für die Erstellung eines REP zu sorgen haben, «wenn zur Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes in einem begrenzten, hydrologisch zusammenhängenden Gebiet die Gewässerschutzmassnahmen der Gemeinden aufeinander abgestimmt werden müssen.» Nicht nur die Frage, ob auf regionaler Ebene geplant werden muss, sondern auch die Frage nach dem erforderlichen Umfang der regionalen Entwässerungsplanung ist auf Grundlage des im Einzelfall festgestellten Handlungsbedarfs bzw. des zu erwartenden Nutzens zu beurteilen. Allerdings sind im REP gemäss Art. 4 Abs. 2 GSchV mindestens die Standorte und die Einzugsgebiete der zentralen ARA festzulegen (Bst. a) und jene zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu bezeichnen, bei denen die Anforderungen an die Einleitung verschärft oder ergänzt werden müssen (Bst. c). Sodann hat der REP zu bestimmen, welche oberirdischen Gewässer in welchem Ausmass für die Einleitung von Abwasser, insbesondere bei Niederschlägen, geeignet sind (Bst. b).
74. Das BAFU, die kantonalen Umweltbehörden und der VSA haben zahlreiche Vollzugsrichtlinien bzw. Hilfsmittel publiziert, die sich teilweise oder gesamthaft mit der Entwässerungsplanung befassen (z.B. BAFU, Entwässerung von Verkehrswegen; BAFU, Grundwasserschutz; VSA, Musterpflichtenheft GEP; VSA, Genereller Entwässerungsplan; VSA, Regionaler Entwässerungsplan; vgl. für weitere Publikationen des VSA: www.vsa.ch/publikationen). Die Rechtswirkungen solcher von Behörden oder anerkannten privaten Fachverbänden publizierten Richtlinien, Wegleitungen oder Empfehlungen hängt davon ab, ob und in welcher Weise die Kantone diese in ihre Ausführungsrecht einbinden (vgl. zu den verschiedenen Formen der Einbindung privater Normen in das staatliche Recht Uhlmann, Private Normen, 92 ff.). Soweit sie nicht ausdrücklich als rechtlich bindend erklärt werden, erschöpft sich die Rechtswirkung dieser Dokumente darin, dass sie die gängige Verwaltungspraxis darstellen bzw. Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen sind (vgl. etwa BGer 1A.51/2005 [«Faerbi-Areal»], E. 2.3).
3. Koordination mit anderen Planungen
75. Die Entwässerungspläne sind nicht nur untereinander verknüpft, sondern überlagern sich inhaltlich auch mit anderen Planungen nach dem GSchG (z.B. planerischer Schutz der Gewässer nach Art. 19 ff. GSchG, Revitalisierungsplanung nach Art. 38a GSchG) sowie mit Planungen aus anderen, aber thematisch verknüpften Bereichen wie etwa der Raumplanung. Zwischen den verschiedenen Planungsinstrumenten besteht zwar grundsätzlich keine festgefügte Planhierarchie, doch verlangt das Koordinationsgebot (Art. 46 Abs. 1 GSchV), dass die Planungen soweit erforderlich inhaltlich aufeinander abzustimmen sind. Art. 46 Abs. 1bis GSchV verpflichtet die Kantone zudem ausdrücklich dazu, die Planungen nach der GSchV bei der Erstellung der Richt‑ und Nutzungsplanung zu berücksichtigen.
76. Die generellen Entwässerungspläne sind namentlich wichtige Grundlage und Vorgabe der in Art. 19 Abs. 2 RPG vorgeschriebenen kommunalen Erschliessungsprogramme, in denen verbindliche Fristen für die etappenweise Erstellung der kommunalen Erschliessungsanlagen (Verkehr, Wasser‑, Energie‑ sowie Abwasserleitungen) festzulegen sind (vgl. BRP, Erschliessungsrecht, 17; ausdrücklich teils das kantonale Recht Art. 9 Abs. 4 KGSchG BE; Art. 12 Abs. 2 GewG FR; § 11 Abs. 2 EGzGSchG SZ). Bei der Nutzungs‑ und Richtplanung sind die Entwässerungspläne im Rahmen des planerischen Ermessens sowie als Informationsgrundlage zu berücksichtigen, z.B. beim Entscheid über die Ausscheidung neuer Bauzonen oder bei der Erarbeitung von Berichten und Konzepten über die Erschliessung der Siedlungsgebiete im Rahmen der Richtplanung (Art. 6 Abs. 3 Bst. b RPG, Art. 8a Abs. 1 Bst. b RPG).
4. Rechtsnatur
77. Über die Rechtsnatur bzw. Bindungswirkungen der Entwässerungspläne macht Art. 7 Abs. 3 GSchG keine Aussage. Die Verordnung hält diesbezüglich nur fest, dass die REP «für die Planung und Festlegung der Gewässerschutzmassnahmen in den Gemeinden verbindlich» sind (Art. 4 Abs. 4 GSchV). Vor dem Hintergrund der lückenhaften Vorgaben des Bundesrechts kommt den Kantonen und – je nach kantonalem Recht – den Gemeinden bei der Ausgestaltung der Rechtsform der Entwässerungspläne ein gewisser Spielraum zu. Die Kantone sind aber verpflichtet, für die Entwässerungspläne eine Rechtsform zu wählen, die ihrer bundesrechtlichen Konzeption als Koordinationsinstrumente für die Massnahmenplanung im Bereich der öffentlichen Abwasserbeseitigung gerecht wird. Um eine wirksame Koordinationswirkung zu erzielen, sind die Entwässerungspläne daher mindestens für die Behörden verbindlich auszugestalten, was in Art. 4 Abs. 4 GSchV für die REP auch verlangt wird. Einige Kantone halten die Behördenverbindlichkeit der GEP in ihrer Ausführungsgesetzgebung ausdrücklich fest (z.B. Art. 15 Abs. 1 und 3 kGSchG NW), andere Kantone weisen den Entwässerungsplänen explizit die Natur von «Richtplänen» bzw. «plans directeurs» und dadurch indirekt Behördenverbindlichkeit zu (z.B. Art. 166 Abs. 2 LPGE NE).
78. Die Entwässerungspläne entfalten gegenüber Privaten grundsätzlich nur eine informierende Wirkung, sind aber in der Regel rechtlich nicht direkt verbindlich. Allerdings wirken die GEP indirekt auf die Rechtsstellung der Privaten ein, da die bundesrechtliche Bewilligungspflicht für Einleitungen von nicht verschmutztem Abwasser in Oberflächengewässer entfällt, wenn diese in der kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind (vgl. N 58). Sodann sehen einzelne Kantone für ihre Entwässerungspläne ausnahmsweise direkte, verfügungsähnliche Wirkungen gegenüber Privaten vor (z.B. Verleihung des Enteignungsrechts mit der Genehmigung des GEP durch den RR nach § 3 Abs. 5 kGSchG BL; Verpflichtung der Grundeigentümer zur Erstellung und zum Betrieb der im GEP bezeichneten Anlagen zur Ableitung, Rückhaltung oder Behandlung des Abwassers nach Art. 6 EG GSchG AI).
79. Die Bindungswirkungen der Entwässerungspläne sind – was die Mehrheit der behördenverbindlichen Elemente betrifft – beschränkt. Ähnlich wie die Richtpläne ermöglichen die Entwässerungspläne die Koordination der Massnahmen im Bereich der Siedlungsentwässerung, können diese Koordination aber nicht aus eigener Kraft rechtsverbindlich herbeiführen (vgl. zu den Bindungswirkungen der Richtpläne Tschannen, Kommentar RPG, Art. 9 N 2 ff.). Ihre Bindungswirkung besteht im Wesentlichen darin, dass sie den Behörden eine (vorwiegend technische) Richtlinie für die Ermessensausübung vorgeben, ohne damit die von den Plänen beeinflussten Entscheidungen abschliessend festzulegen. Eine von den Vorgaben der Entwässerungspläne abweichende Ausübung des behördlichen Ermessens ist im Einzelfall zulässig, muss aber besonders begründet werden können.
5. Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsschutz
80. Zuständigkeit und Verfahren der Entwässerungsplanung richten sich im Wesentlichen nach kantonalem Recht.
81. Was die Zuständigkeiten für die Erstellung und den Erlass der Entwässerungspläne betrifft, schreibt Art. 7 Abs. 3 GSchG zwar vor, dass die Kantone für die erforderlichen Entwässerungsplanungen zu sorgen haben. Damit wird aber nicht verlangt, dass die Kantone die Entwässerungsplanungen selbst erstellen müssen, sondern weist ihnen nur die Vollzugsverantwortung zu. Die Kantone dürfen die Zuständigkeit für die Entwässerungsplanung an die Gemeinden oder andere Träger der öffentlichen Aufgaben im Bereich der Siedlungsentwässerung delegieren (die Abfallplanung hat im Gegensatz dazu zwingend auf kantonaler Ebene zu erfolgen, vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 31 N 21).
82. Abgesehen weniger Ausnahmen haben sämtliche Kantone die Zuständigkeit für die Erstellung der GEP im Rahmen ihres kantonalen Ausführungsrechts an die Gemeinden übertragen (§ 14 EG GSchG ZH; Art. 9 KGSchG BE; § 3 Abs. 3 Bst. b und § 16 EGGSchG LU; § 10 Abs. 1 VVzGSchG SZ; Art. 5 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 15 kGSchG NW Art. 4 Abs. 1 EG GSchG GL; § 52 Abs. 2 GewG ZG; Art. 12 Abs. 1 GewG FR; § 107 i.V.m. § 95 GWBA SO und § 30 VWBA SO; § 3 kGSchG BL; Art. 8 Abs. 2 EG GSchG SH; Art. 58 Abs. 1 UGsG AR; Art. 5 GSchVG SG; Art. 10 KGSchG GR; § 17 EG UWR AG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 21 Abs. 1 LPEP VD; Art. 10 GVGSchG VS; Art. 166 Abs. 1 LPGE NE; Art. 56 Abs. 1 LEaux-GE). Ausnahmen bestehen in den Kantonen AI (Zuständigkeit des Departement des Innern für die Erstellung der GEP, Art. 5 Abs. 1 EG GSchG AI), BS (Zuständigkeit des Regierungsrats für den GEP der Stadt Basel, § 2 Abs. 1 KGSchV BS) und UR (Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Körperschaft «Abwasser Uri AG», Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR).
83. Obschon die Bewilligungspflicht für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser gemäss Art. 7 Abs. 2 GSchG nur dann entfällt, wenn der GEP dem Kanton unterbreitet und von diesem bewilligt worden ist, verlangt das Bundesrecht nicht ausdrücklich, dass die GEP von einer kantonalen Stelle genehmigt werden müssen. Dennoch hat die überwiegende Mehrheit der Kantone die durch die Gemeinden zu erarbeitenden GEP der Genehmigung durch eine kantonale Verwaltungsbehörde oder durch die Kantonsregierung unterstellt (§ 14 Abs. 1 EG GSchG ZH; Art. 8 Abs. 2 KGV BE; § 16 Abs. 2 EGGSchG LU; Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR; § 13 Abs. 3 PBG SZ i.V.m. § 12 Abs. 2 VVzGSchG SZ; Art. 3 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 15 Abs. 2 kGSchG NW; Art. 4 Abs. 3 EG GSchG GL; § 52 Abs. 2 GewG ZG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 75 Abs. 1bis RPBG FR i.V.m. Art. 12 Abs. 4 GewG FR; § 2 Abs. 2 KGSchV BS; § 3 Abs. 4 kGSchG BL; Art. 8 Abs. 2 EG GSchG SH; Art. 58 Abs 1 UGsG AR; Art. 5 Abs. 2 GSchVG SG; Art. 10 KGSchG GR; § 17 Abs. 4 EG UWR AG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 21 Abs. 1 LPEP VD; Art. 3 Bst. j GVGSchG VS; Art. 44 Abs. 2 LCAT NE i.V.m Art. 166 Abs. 2 LPGE NE; Art. 56 Abs. 3 LEaux-GE). Gegen den Genehmigungbeschluss über kommunale Entwässerungspläne kann die Gemeinde gestützt auf ihre Gemeindeautonomie Beschwerde einlegen. Vereinzelt sieht das kantonale Recht eine Berschwerdmöglichkeit gegen den kantonalen Genehmigungsbeschluss ausdrücklich vor (z.B. Art. 6 Abs. 3 KGV BE).
84. Die meisten Kantone haben die Zuständigkeit für die Erstellung der REP einer kantonalen Behörde (Regierungsrat oder zuständiges Departement) übertragen (§ 1 KGSchV BS; Art. 15 Abs. 3 kGSchG NW; Art. 8 Abs. 1 EG GSchG SH; Art. 58 Abs. 2 UGsG AR; Art. 4bis GSchVG SG; § 92 Abs. 2 Bst. a GWBA SO; Art. 55 Abs. 1 LEaux-GE). In einigen Kantonen ist die Erstellung von REP aber Aufgabe der Gemeinden bzw. der Gemeindeverbände (Art. 5 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 166 Abs. 1 LPGE NE; Art. 4 Abs. 3 und 6 GewG FR; § 10 Abs. 3 VVzGSchG SZ) oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Zuständigkeit der «Abwasser Uri» AG, Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR). Vereinzelt sieht das kantonale Auführungsrecht eine gemeinsame Zuständigkeit von Kanton und Gemeinden für die Erstellung der REP vor (§ 3 Abs. 1 kGSchG BL).
85. Auch hinsichtlich des Verfahrens enthält das Gewässerschutzrecht des Bundes nur wenige ausdrückliche Vorgaben. Verlangt wird einzig, dass die Pläne nach Abschluss des Verfahrens öffentlich zugänglich zu machen sind (Art. 4 Abs. 5 und Art. 5 Abs. 4 GSchV). Auch die kantonalen Ausführungsgesetze zum GSchG regeln das Verfahren zum Erlass der Entwässerungspläne in der Regel nicht speziell. Verschiedentlich finden sich aber Bestimmungen über einzelne Verfahrenselemente (z.B. öffentliche Auflage: § 9 Abs. 1 EG GSchG TG, Genehmigungsverfahren: Art. 4 Abs. 4 und 12 Abs. 3 GewG FR) oder ausdrückliche Verweise auf ein bestimmtes gesetzlich bereits festgelegtes Verfahren (Verweis auf das kommunale Richtplanverfahren: Art. 8 Abs. 1 KGV BE; Art. 166 Abs. 2 LPGE NE).
86. Das Bundesrecht schreibt insbesondere keine zwingende Mitwirkung der Bevölkerung bei der Ausarbeitung und beim Erlass der Entwässerungspläne vor. Wenn die Entwässerungspläne aber verfügungsähnliche Elemente enthalten, die Private in ihrer Rechtsposition unmittelbar betreffen, so ist den direkt Betroffenen das rechtliche Gehör grundsätzlich vor dem Erlass der Pläne zu gewähren (vgl. aber die Rspr. des BGer mit Blick auf den Erlass von Nutzungsplänen BGE 135 II 286, E. 5 ff.). Sodann unterstehen die Entwässerungspläne keiner Genehmigung durch den Bund. Genügt eine Planung den bundesrechtlichen Anforderungen nicht, so stehen dem Bund einzig die ordentlichen Aufsichtsmittel zur Durchsetzung des Bundesrechts zur Verfügung.
87. Der Rechtsschutz gegen die Entwässerungspläne greift grundsätzlich erst im konkreten Anwendungsfall, wenn die Pläne als Grundlage für eine verbindliche Verfügung gegenüber Privaten herangezogen werden. In der gegen die Verfügung gerichteten Beschwerde können dann auch die im konkreten Fall herangezogenen Bestimmungen der Entwässerungspläne akzessorisch überprüft werden (vgl. etwa BGer 1C_115/2012 vom 23. Mai 2012 [«Meteorwasserleitung»], E. 2.4). Eine direkte Anfechtungsmöglichkeit verlangt das Bundesrecht (Art. 29a BV) jedoch dann, wenn die Entwässerungspläne ausnahmsweie direkt verbindliche und individuell-konkrete Anordnungen enthalten, die allfällig nachfolgende Verfahren auf Erlass einer Verfügung weitgehend präjudizieren oder gar überflüssig machen (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 882). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts z.B. dann, wenn mit den Entwässerungsplänen ein Enteignungsrecht eingeräumt wird (vgl. BGE 120 Ia 209, E. 6).
Résumé
L’art. 7 LEaux contient des prescriptions générales régissant l’évacuation des eaux qui sont concrétisées aux art. 9 à 17 LEaux ainsi que dans l’OEaux (en particulier les art. 3 à 21 OEaux et les annexes 1 à 3). Cette disposition se base sur le principe selon lequel les eaux polluées doivent être correctement éliminées avant d’être réacheminées dans le cycle de l’eau. L’élément central de cette disposition est l’obligation de séparer les eaux polluées (al. 1) des eaux non polluées (al. 2).
L’art. 7 al. 1 1ère phr. LEaux instaure une obligation de traitement pour les eaux polluées. Cette disposition requiert que les substances dangereuses pour les eaux soient retirées des eaux polluées lorsqu’elles ne peuvent pas être éliminées par la capacité d’autoépuration des eaux ou ne peuvent l’être assez rapidement. Une infiltration des eaux polluées est en principe interdite (cf. art. 8 OEaux).
Selon la 2ème phr. de l’art. 7 al. 1 LEaux, les eaux polluées ne peuvent être déversées dans une eau ou infiltrées qu’avec l’autorisation de l’autorité. Les conditions de l’autorisation de déversement sont réglées à l’art. 6 OEaux. Une autorisation d’infiltration ne peut être accordée que pour les eaux polluées communales ou d’autres eaux polluées de composition analogue et non pour les eaux polluées industrielles conformément à l’art. 8 al. 2 OEaux.
En vertu de l’art. 7 al. 2 LEaux, l’autorité détermine au cas par cas la façon dont les eaux non polluées doivent être traitées sur la base du plan général d’évacuation des eaux (PGEE). L’obligation d’infiltration de la 1ère phr. de l’art. 7 al. 2 LEaux doit permettre de décharger les infrastructures d’assai-nissement et de protéger contre les crues. Si les circonstances le permettent, les eaux non polluées doivent si possible être infiltrées de manière décentralisée sur place et ne peuvent en principe être déversées dans les eaux superficielles que lorsque les conditions hydrologiques ne permettent pas l’infiltration, que l’infiltration n’est pas autorisée pour des raisons d’ordre juridique ou qu’elle entrainerait des frais disproportionnés. L’infiltration d’eaux non polluées dans une eau n’est possible que si le cours d’eau recevant cette eau dispose d’une capacité d’écoulement suffisante pour recevoir le débit supplémentaire.
Selon l’art. 7 al. 3 LEaux, les cantons doivent assurer une planification communale, respectivement régionale, d’évacuation des eaux. L’objet matériel de la planification de l’évacuation des eaux comporte l’évacuation des eaux usées en provenance des zones habitées qui sert, outre la protection des eaux, à l’assainissement des eaux polluées et à la protection contre les crues.
Les principaux instruments de la planification d’évacuation des eaux sont les plans généraux, respectivement régionaux, d’évacuation des eaux. Ils servent à l’élaboration de décisions purement internes et n’ont ainsi en principe un caractère contraignant qu’envers les autorités. Bien qu’ils lient en principe les autorités, ils n’ont qu’un caractère informatif envers les privés. La compétence et la procédure de la planification d’évacuation des eaux sont réglées pour l’essentiel par le droit cantonal.
Literatur: Bischofberger Wolfgang/Teichmann Hannes/Hegemann Werner, Abwassertechnik, in: Lecher Kurt/Lühr Hans-Peter/Zanke Ulrich C.E. (Hrsg.), Taschenbuch der Wasserwirtschaft, 8. Aufl., Berlin 2001, 889 ff. (zit. Abwassertechnik); Chaix Olivier, Einzugsgebietsmanagement: Koordination der Bereiche und wasserwirtschaftliche Planung, in: URP 2008, 527 ff. (zit. Einzugsgebietsmanagement); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Rausch Heribert/Trüeb Hans Rudolf, Die Entsorgung von Abfällen aus dem Strassenunterhalt, in: URP 2002, 179 ff. (zit. Abfallentsorgung); Uhlmann Felix, «Die Normen können bei … bezogen werden» – Gedanken zur Publikation und Verbindlichkeit privater Normen, in: LeGes 2013, 89 ff. (zit. Private Normen); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht).
Materialien und amtliche Publikationen: Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Genereller Entwässerungsplan (GEP) – Richtlinie für die Bearbeitung und Honorierung, Glattbrugg 1989 (zit. Genereller Entwässerungsplan); Bundesamt für Raumplanung (BRP) (Hrsg.) (verfasst durch Eymann Urs), Erschliessungsrecht und Erschliessungsprogramm – Vollzugshilfe zu den neuen bundesrechtlichen Bestimmungen über die Erschliessung, Bern 1999 (zit. Erschliessungsrecht); AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Kt. ZH (Hrsg.) (verfasst durch Spohn Peter/Fischer Hansueli/Sbuttoni Eraldo), Genereller Entwässerungsplan für den Abwasserverband VGEP – Leitfaden für Gemeindebehörden und Verbandsgremien – Neuformulierung des Leistungsauftrags für Zweckverbände und Gemeinde mit wesentlichen Anschlussverträgen, Zürich 2000 (zit. Leitfaden VGEP); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Der Regionale Entwässerungsplan (REP) – Empfehlungen für die Bearbeitung des REP im Rahmen einer ganzheitlichen Gewässerplanung, Glattbrugg 2000 (zit. Regionaler Entwässerungsplan); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung Gewässerschutz bei der Entwässerung von Verkehrswegen, Vollzug Umwelt Nr. 2310, Bern 2002 (zit. Entwässerung von Verkehrswegen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Regenwasser richtig nutzen – Möglichkeiten und Grenzen – Mit Tipps und Checkliste, Bern 2003 (zit. Regenwassernutzung); Botschaft zum Bundesgesetz über die Aufhebung und die Vereinfachung von Bewilligungsverfahren («Vereinfachung des unternehmerischen Alltags») vom 8. Dezember 2006, BBl 2007 315 ff. (zit. Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Richtlinie zur Versickerung, Retention und Ableitung von Niederschlagswasser in Siedlungsgebieten – Update 2008, Zürich 2008 (zit. Regenwasserentsorgung); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Ist es Abwasser? Ist es Abfall? – Entscheidungshilfe: pragmatische Annäherung aus der Sicht des Praktikers, Glattbrugg 2009 (zit. Abwasser oder Abfall?); Bundesamt für Strassen (ASTRA)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Steiner Michele/Goosse Patrice/Rutz Felix et al.), Strassenabwasserbehandlungsverfahren: Stand der Technik, Dokumentation ASTRA 88002, Bern 2010 (zit. Strassenabwasserbehandlungsverfahren); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Das neue Musterpflichtenheft für den Generellen Entwässerungsplan (GEP), Olten 2010 (zit. Musterpflichtenheft GEP); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Kt. ZH (Hrsg.), Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung – Praxishilfe für Baubehörden und Planer – Anweisungen für private Fachleute mit Vollzugsaufgaben im Gewässerschutz, Version 3.0, Februar 2013, Zürich 2013 (zit. Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung); Botschaft zur Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Umweltschutzgesetzes) vom 12. Februar 2014, BBl 2014 1817 ff. (zit. Botschaft «Grüne Wirtschaft» 2014); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014, Bern 2014 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014).
Hettich Peter | Tschumi Tobias
Aufgehoben
Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 21. Dez. 1995; AS 1997 1155; BBl 1993 II 1445.
Abrogé
Abrogé par le ch. 2 de l’annexe à la LF du 21 déc. 1995; RO 1997 1155; FF 1993 II 1337.
Abrogato
Abrogato dal n. 2 dell’all. alla LF del 21 dic. 1995; RU 1997 1155; FF 1993 II 1213.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte und Aufhebung | 1 |
II. | Kommentierung | 4 |
A. | Behebung von Gewässerverunreinigungen (Abs. 1) | 5 |
1. | Begriffe | 6 |
2. | Durchführung der Behebung | 9 |
B. | Kataster der stillgelegten Abfalldeponien (Abs. 2) | 15 |
1. Gemäss Art. 8 GSchG sollten die Kantone dafür sorgen, dass Gewässerverunreinigungen aus stillgelegten oder noch betriebenen Abfalldeponien rasch behoben werden (Abs. 1). Sodann sollte ein Kataster der stillgelegten Abfalldeponien erstellt werden, der – soweit möglich – auch Auskunft über die Art der abgelagerten Abfälle gibt (Abs. 2).
2. Schon Art. 16 GSchG 1971 sah die Sanierung gewässerverunreinigender Einleitungen und Versickerungen vor. Zudem wurden die Kantone in Art. 44 USG 1983 dazu angehalten, Erhebungen über die Umweltbelastung von Standorten durchzuführen (AS 1984 1122). Mit Art. 8 GSchG wurde im Rahmen der Totalrevision des GSchG eine explizite Vorschrift zur Sanierung von verunreinigenden Einleitungen und Versickerungen bei Abfalldeponien, insbesondere bei nicht mehr betriebenen, in das Gesetz aufgenommen. Damit enthielt das Gewässerschutzgesetz die Vorläuferbestimmungen zum heutigen Altlastenrecht (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 127; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32 N 4). Während Art. 16 GSchG 1971 noch die Aufhebung aller verunreinigender Einleitungen und Versickerungen innert bestimmter Frist verlangte, ging der Gesetzgeber beim Erlass von Art. 8 GSchG offenbar davon aus, dass diese Aufgabe mit Ausnahme von Einleitungen und Sickerwasser aus Deponien bereits erfüllt war. Jedenfalls beschränkte sich Art. 8 GSchG auf die rasche Beseitigung von Gewässerverunreinigungen aus stillgelegten oder noch in Betrieb stehenden Abfalldeponien (Rausch, Ausblick, 312).
3. Art. 8 GSchG konnte angesichts der Überführung der darin enthaltenen Vorschriften in das USG mit Ziff. 2 des Anhangs zur USG-Revision vom 21. Dezember 1995 auf den 1. Juli 1997 aufgehoben werden. Die Vorschriften wurden in die inhaltlich erweiterte Bestimmung von Art. 32c USG über die Pflicht zur Sanierung von Deponien und anderen durch Abfälle belasteten Standorten sowie zur Erstellung eines Katasters solcher Standorte integriert, da deren Geltungsbereich auch Einwirkungen von Deponien auf Gewässer erfasst (AS 1997 1155 ff.; Botschaft USG 1993, 1502; Rausch, Ausblick, 313).
4. Abfallablagerungen können dazu führen, dass umweltgefährdende Stoffe in den Boden und den Untergrund gelangen. Von den betroffenen Standorten geht somit häufig eine erhebliche Gefahr von lästigen und schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, namentlich von Gewässerverunreinigungen, aus (Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 1). Art. 8 GSchG hatte zum Ziel, sowohl die stillgelegten als auch die noch in Betrieb stehenden Abfalldeponien zu erfassen, ihr Gefährdungspotenzial zu bestimmen und die von diesen Standorten ausgehenden schädlichen Einwirkungen auf die Gewässer zu beseitigen (vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 32 N 2).
5. Abs. 1 von Art. 8 GSchG verpflichtete die Kantone, dafür zu sorgen, dass Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien, insbesondere aus nicht mehr betriebenen, rasch behoben wurden (BGE 121 II 378, E. 17a/bb; Daetwyler, Altlasten, 269 f.; Peregrina, L’assainissement, 280).
1. Begriffe
6. Unter dem Begriff der «Abfalldeponie» waren und sind gemäss Legaldefinition in Art. 3 Bst. k VVEA Abfallanlagen zu verstehen, in denen Abfälle kontrolliert abgelagert werden (bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch die Deponierichtlinie 1976, die Deponieklassen und Bestimmungen zu «wilden» und unkontrollierten Ablagerungen vorsah).
7. Als «Sickerwasser» wird das Wasser bezeichnet, welches einen Standort durchsickert (BAFU, Altlastenglossar). Es kann zu Gewässerverunreinigungen führen, wenn es umweltgefährdende Stoffe (z.B. aus Abfalldeponien) beinhaltet, die in das Grundwasser gelangen. Verunreinigungen der Gewässer durch Einleitungen von Abwässern aus belasteten Standorten wie Abfalldeponien können ferner durch das unmittelbare Abfliessen von umweltgefährdenden Stoffen in oberirdische Gewässer verursacht werden (Hunger, Sanierungspflicht, 133; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 12).
8. Als «Gewässerverunreinigungen» galten gemäss Art. 4 Bst. d GSchG bereits vor Ausserkrafttreten von Art. 8 GSchG nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderungen des Wassers. Über die Anforderungen an die Grundwasserqualität und an Versickerungen bestanden damals noch keine Regeln (anders heute, vgl. Anhang 2 Ziff. 2 GSchV; BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser, passim). Im Gegensatz dazu hatte der Verordnungsgeber bereits gestützt auf das GSchG 1971 in einem ausführlichen Anhang zur Verordnung über Abwassereinleitungen Anforderungen an Einleitungen in Oberflächengewässer aufgestellt (Daetwyler, Altlasten, 268).
2. Durchführung der Behebung
9. Die Behebung der Gewässerverunreinigungen durch Sickerwasser aus Abfalldeponien hatte soweit zu erfolgen, dass die von den Verunreinigungen ausgehende Gefahr nicht mehr bestand (BGE 121 II 378, E. 17a/bb, c mit weiteren Hinweisen; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 11). Aus Verhältnismässigkeitsgründen musste der belastete Standort nicht in seinen natürlichen Zustand zurückgeführt werden (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 129 f.; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 16).
10. Gemäss Art. 8 Abs. 1 GSchG hatte die Behebung der Gewässerverunreinigungen rasch zu erfolgen. Demnach waren die verunreinigenden Einleitungen und Versickerungen unverzüglich, nachdem sie als solche erkannt wurden, zu beheben (zit. Botschaft GSchG 1987, 1112).
11. Art. 8 Abs. 1 GSchG stellte einen Auftrag an die Kantone dar, die für die rasche Behebung der Gewässerverunreinigungen zu sorgen hatten. Das Gesetz äusserte sich aber nicht zur Frage, wer die Pflicht zur konkreten Behebung der Verunreinigungen zu tragen hatte (Realleistungspflicht). Nach Ansicht des Bundesrates waren die Kantone selbst verpflichtet, die Gewässerverunreinigungen zu beheben, da es vor allem bei nicht mehr betriebenen und zum Teil nicht einmal mehr bekannten Abfalldeponien häufig nicht möglich sei, einen Verursacher zu ermitteln (zit. Botschaft GSchG 1987, 1111 f.). Gemäss Lehre und Rechtsprechung handelte es sich bei der Behebung einer Gewässerverunreinigung jedoch definitionsgemäss um die Beseitigung eines umweltgefährdenden und damit eines polizeiwidrigen Zustands, weshalb sich die Sanierungspflicht gemäss Art. 8 Abs. 1 GSchG nach den allgemeinen Grundsätzen des Polizeirechts richten sollte (Daetwyler, Altlasten, 270; Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 61 und 127; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 22). Massgebend war nach dieser Auffassung das Störerprinzip (allgemein zur Sanierungspflicht bei Altlasten vgl. BGE 139 II 106, E. 3.1.1, E. 3.7; BGE 131 II 743, E. 3.1; BGE 122 II 65, E. 6; BGE 121 II 378, E. 17a/bb; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 22).
12. Dem Störerprinzip (vgl. Komm. zu Art. 3a GSchG N 24 f.) zufolge sind Massnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines ordnungsgemässen Zustands von derjenigen Person zu treffen bzw. zu erdulden, welcher der polizeiwidrige Zustand insofern zugerechnet werden kann, als sie dem Gefahrenherd in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht am nächsten steht. Obwohl das Konzept des Störers primär die polizeirechtliche Pflicht zur Verhinderung oder Beseitigung einer Gefahr oder Störung zuweist, wird zuweilen auch für die Kostentragung bei Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands daran angeknüpft (so jüngst auch BGE 139 II 106 nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre; weiter BGE 114b 44, E. 2a; BGE 122 II 65, E. 6a; vgl. Caluori, Verursacherbegriff, 551 ff., mit einer kritischen Analyse zur damit verbundenen Gleichsetzung des Störer‑ und Verursacherbegriffs). Es wird vor allem unterschieden zwischen dem Verhaltens‑ und dem Zustandsstörer. Ein Verhaltensstörer ist jemand, dessen Verhalten unmittelbar eine Gefahr gesetzt hat; der Zustandsstörer hat hingegen die tatsächliche oder rechtliche Herrschaft über eine Gefahrenquelle (zum Störerprinzip allgemein vgl. BGE 122 II 65, E. 6a; BGE 114 Ib 44, E. 2a; Reinhard, Polizeirecht, 175 ff.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 6 ff.; Thürer, Störerprinzip, 471 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 56 N 28 ff.).
13. In Bezug auf Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien ist als Verhaltensstörer derjenige zu qualifizieren, der durch sein eigenes Verhalten oder durch das Verhalten Dritter, das unter seiner Verantwortung erfolgt ist, die Verunreinigung bewirkt hat (vgl. BGer 1A.67/1997 vom 26. Februar 1998, E. 4c/aa). Bei einer (Abfall‑)Deponie ist dies der Deponiebetreiber (Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 128; Dubs, Finanzierung, 296 f.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 16 f.). Nach Auffassung von Tschannen und Frick handelt es sich beim Deponiebetreiber um den «Inhaber der tatsächlichen Herrschaft über den Ablagerungsstandort» (Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 17). Ebenfalls Verhaltensstörer ist der «Abfall-Lieferant», der den Abfall nicht korrekt deklariert dem Deponiebetreiber übergibt (Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 128; Dubs, Finanzierung, 296 f.). Als Zustandsstörer gilt, wer als Eigentümer, Pächter, Mieter oder auf eine andere Art und Weise Beauftragter die rechtliche oder tatsächliche Herrschaft über das Grundstück hat, welches die Abfalldeponie verkörpert (vgl. BGE 104 Ib 410, E. 5c; BGE 114 Ib 44, E. 2c/aa; BGer 1A.67/1997 vom 26. Februar 1998, E. 4c/bb; BGer 1A.145/1993 vom 15. Juni 1994, E. 5b–d; vgl. auch BGE 139 106, E. 3.1 ff.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 18).
14. Das Gemeinwesen kommt als Störer in Betracht, wenn es die Belastung des Standortes durch sein Verhalten oder durch Sachen, die in seiner Verfüngungsmacht sind, unmittelbar zu verantworten hat (BGer 1A.145/1993 vom 15. Juni 1994, E. 4g; BGer vom 12. Februar 1986, E. 2, in: ZBl 1987, 301; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 23). In Bezug auf Art. 8 Abs. 1 GSchG war dies namentlich dann der Fall, wenn das Gemeinwesen selbst Betreiber der Abfalldeponie war.
15. Art. 8 Abs. 2 GSchG auferlegte den Kantonen die Pflicht, einen Kataster der stillgelegten Abfalldeponien zu erstellen, der auch Auskunft über die Art der abgelagerten Abfälle zu geben hatte, soweit dies möglich war. Bei einem solchen Kataster handelt es sich um ein amtliches Verzeichnis belasteter Standorte und Altlasten, das öffentlich zugänglich ist (BAFU, Altlastenglossar). Das Altlastenkataster nach heutiger Konzeption (Art. 32c Abs. 2 USG) enthält Angaben über Lage, Art und Menge der an den Standort gelangten Abfälle; es führt bereits durchgeführte Untersuchungen und Massnahmen zum Schutz der Umwelt, bereits festgestellte Einwirkungen sowie gefährdete Umweltbereiche und besondere Vorkommnisse auf (vgl. Art. 5 AltlV). Das Kataster soll die wirkliche Situation der Gewässerverunreinigung möglichst wahrheitsgetreu wiedergeben, da sich die davon ausgehenden Gefährdungen nur auf diese Weise sachgerecht beurteilen lassen (Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 35). Über die Form des Katasters schwieg sich Art. 8 Abs. 2 GSchG aus. Der Wortlaut der Bestimmung («einen» Kataster) implizierte, dass ein zentrales Verzeichnis zu erstellen war (vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 37).
16. Hinter der Pflicht der Kantone zur Erstellung eines Katasters ehemaliger Abfalldeponien stand die Absicht, «auf diesem Gebiet ein für allemal mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen» (Botschaft GSchG 1987, 1112). Mit der Katasterpflicht für nicht mehr betriebene Abfalldeponien sollten zukünftige Verunreinigungen der Gewässer verhindert werden (BUWAL, Altlasten-Konzept, 10). Allgemein besteht der Zweck eines Katasters in der Schaffung eines Informations‑ und Planungsinstruments, mit welchem mit möglichst geringem Aufwand aus der Vielzahl der belasteten Standorte diejenigen identifiziert werden können, die saniert werden müssen. Das Kataster verschafft den Behörden den nötigen Überblick für eine sachgerechte Massnahmenplanung und dient damit im Einzelfall als wesentliche Grundlage für eine willkürfreie Gesetzesanwendung (Daetwyler, Altlasten, 266). Zudem stellt es eine öffentlich zugängliche Informationsquelle über punktuelle Belastungen des Bodens und des Untergrundes (inklusive Grundwasser) dar (BUWAL, Altlasten-Kataster, 8). Darüber hinaus erfüllt das Altlasten-
kataster heute eine wichtige Funktion bei Planungsentscheiden und Bau-bewilligungsverfahren (Art. 3 AltlV; BUWAL, Altlasten-Konzept, 10; Stutz/
Cummins, Sanierung von Altlasten, 53).
17. Im Verhältnis zwischen den Privaten und dem altlastenkatasterführenden Gemeinwesen stellt sich die Frage der Haftung für fehlende oder fehlerhafte Katastereinträge. Eine solche wird von der Lehre grundsätzlich verneint, da es nicht Aufgabe eines Katasters ist, zu garantieren, dass nicht bezeichnete Flächen «altlastenfrei» sind (z.B. frei von Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien; Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 54).
Résumé
L’art. 8 LEaux imposait aux cantons de remédier sans tarder aux pollutions des eaux dues aux décharges désaffectées ou en exploitation (al. 1) et d’établir un cadastre des décharges désaffectées comportant un maximum d’indications sur le type de déchets stockés (al. 2). Cette disposition visait à recenser les décharges désaffectées ou en exploitation, à déterminer leur danger potentiel et à éliminer sur ces sites les atteintes nuisibles aux eaux.
L’art. 8 LEaux a été abrogé par l’entrée en vigueur le 1er juillet 1997 des nouvelles dispositions de la LPE concernant l’assainissement de sites pollués par des déchets (art. 32c et 32d LPE) conformément au ch. 2 de l’annexe de la révision de la LPE du 21 décembre 1995.
Literatur: Caluori Corina, Der Verursacherbegriff im Altlastenrecht – eine kritische Analyse, in: URP 2011, 541 ff. (zit. Verursacherbegriff); Daetwyler Max Arthur, Altlasten heute – Situation und Rechtslage, in: URP 1993, 259 ff. (zit. Altlasten); Dubs Hans, Wer soll das bezahlen? – Die Finanzierung der Sanierung, in: URP 1993, 289 ff. (zit. Finanzierung); Peregrina Daniel, L’assainissement des sites industriels contaminés, in: DEP 1993, 271 ss (cit. L’assainissement); Rausch Heribert, Ausblick auf neues Recht, in: URP 1993, 310 ff. (zit. Ausblick); Reinhard Hans, Allgemeines Polizeirecht – Aufgaben, Grundsätze und Handlungen, Diss. Bern 1993 (zit. Polizeirecht); Stutz Hans W./Cummins Mark, Die Sanierung von Altlasten – Rechtsfragen der Behandlung kontaminierter Grundstücke unter besonderer Berücksichtigung des zürcherischen Rechts, Zürich 1996 (zit. Sanierung von Altlasten); Thürer Daniel, Das Störerprinzip im Polizeirecht, in: ZSR 1983 I, 463 ff. (zit. Störerprinzip); Tschannen Pierre/Frick Martin, Der Verursacherbegriff nach Art. 32d USG – La notion de personne à l’origine de l’assainissement selon l’art. 32d LPE – Ergebnisse eines zuhanden des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verfassten Gutachtens, in: URP 2003, 286 ff. (zit. Verursacherbegriff); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht).
Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Hauri H.P./Rickli D./Schenk K. et al.), Altlasten-Konzept für die Schweiz – Ziele und Massnahmen, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 220, Bern 1994 (zit. Altlasten-Konzept); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Wenger C./Ziegler U./Schocher R.J. et al.), Altlasten Kataster – Erstellung des Katasters der belasteten Standorte, Vollzug Umwelt Nr. 3411, Bern 2001 (zit. Altlasten-Kataster); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Altlastenglossar – Stand: Dezember 2008, <http://www.bafu.admin.ch/altlasten/01593/01606/01826/index.html
?lang=de>, besucht am 1.7.2013 (zit. Altlastenglossar).
Hettich Peter | Tschumi Tobias
Vorschriften des Bundesrates über das Einleiten und Versickern von Stoffen
1 Der Bundesrat legt die Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer fest.
2 Er erlässt Vorschriften über:
a. die Einleitung von Abwasser in Gewässer;
b. die Versickerung von Abwasser;
c. Stoffe, die nach Art ihrer Verwendung ins Wasser gelangen können und die aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihrer Verbrauchsmenge die Gewässer verunreinigen oder für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich sein können.
Prescriptions du Conseil fédéral relatives au déversement et à l’infiltration de substances
1 Le Conseil fédéral fixe les exigences auxquelles doit satisfaire la qualité des eaux superficielles et des eaux souterraines.
2 Il édicte des prescriptions concernant:
a. le déversement dans une eau des eaux à évacuer;
b. l’infiltration des eaux à évacuer;
c. les substances qui, selon leur mode d’utilisation, peuvent parvenir dans l’eau et qui, en raison de leurs propriétés ou des quantités utilisées, risquent de la polluer ou de nuire au fonctionnement des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux.
Prescrizioni del Consiglio federale su l’immissione e l’infiltrazione di sostanze
1 Il Consiglio federale fissa le esigenze relative alla qualità delle acque superficiali e di quelle sotterranee.
2 Esso emana prescrizioni su:
a. l’immissione delle acque di scarico nelle acque;
b. l’infiltrazione delle acque di scarico;
c. le sostanze che, per il modo in cui vengono impiegate, possono pervenire nelle acque e, in ragione delle loro proprietà o delle quantità usate, possono inquinare le acque o nuocere al funzionamento degli impianti di evacuazione e di depurazione delle acque di scarico.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 5 |
III. | Kommentierung | 7 |
A. | Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer (Abs. 1) | 7 |
B. | Abwasser und gewässerverunreinigende Stoffe (Abs. 2) | 11 |
1. | Einleitung von Abwasser in Gewässer (Abs. 2 Bst. a) | 12 |
2. | Versickerung von Abwasser (Abs. 2 Bst. b) | 15 |
3. | Verunreinigende Stoffe (Abs. 2 Bst. c) | 16 |
1. Das GSchG 1955 verpflichtete den Bundesrat in Art. 17 Abs. 1, «die für die Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Ausführungsvorschriften» zu erlassen. Darauf gestützt erliess der Bundesrat die VV GSchG 1956, deren Art. 4 das EDI ermächtigte, nach Massgabe des Standes der Technik und der jeweiligen Bedürfnisse technische Richtlinien zu erlassen (vgl. die Übersicht über die erlassenen Richtlinien Botschaft GSchG 1970, 432). Das GSchG 1955 enthielt indessen noch keine Delegationsnorm, die dem BR die Befugnis eingeräumt hätte, gesetzesvertretende Verordnungsbestimmungen zu erlassen (Schindler, Rechtsfragen, 441 ff.).
2. Das GSchG 1971 enthielt neben einer Verordnungskomptenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (Art. 3 Abs. 1 GSchG 1971), die im Wesentlichen Art. 17 Abs. 1 GSchG 1955 entsprach, zahlreiche spezielle Delegationsnormen, welche den Bundesrat zum Erlass gesetzesvertretender Vorschriften ermächtigten. Dazu gehörten auch Art. 22 und 23 GSchG 1971, die als Vorgängerbestimmungen von Art. 9 GSchG gelten (Botschaft GSchG 1987, 1112). Art. 22 GSchG 1971 ermöglichte dem Bundesrat insbesondere, Vorschriften über die Beschaffenheit der in die Gewässer einzuleitenden Abwässer festzulegen und «für einzelne Gewässer auf dem Verordnungswege nach Anhören der Kantone besondere Vorschriften für die Reinhaltung (Reinhalteordnungen) [zu] erlassen». Art. 23 GSchG 1971 ermächtigte den Bundesrat dazu, Bestimmungen über Erzeugnisse, Stoffe und Produktionsverfahren mit nachteiligen Wirkungen auf die Gewässer zu erlassen, welche nötigenfalls ausdrücklich auch Verbote vorsehen konnten.
3. In der gestützt auf Art. 22 und 23 GSchG 1971 erlassenen AbwV 1975 legte der Bundesrat neben verschiedenen allgemeinen und besonderen Einleitungsbedingungen (Art. 6 ff. AbwV 1975) auch Konzentrationsgrenzwerte für bestimmte im Abwasser enthaltene Schadstoffe fest, die bei der Einleitung in ein Gewässer nicht überschritten werden durften (Anh. Kolonnen II und III AbwV 1975). Darüber hinaus enthielt die AbwV 1975 auch Qualitätsziele für Oberflächengewässer (Art. 1, 2 und Anh. Kolonne I AbwV 1975), die aber im damals in Kraft stehenden GSchG 1971 noch keine gesetzliche Grundlage fanden (Botschaft GSchG 1987, 1112). Gestützt auf Art. 23 GSchG 1971 erliess der Bundesrat sodann die VWF, die GV und die StoV.
4. In Art. 9 (sowie in Art. 16) des aktuellen GSchG wurden im Wesentlichen die Verordnungsbefugnisse von Art. 22 und 23 GSchG 1971 zusammengefasst und insofern ergänzt, als bereits beanspruchte Verordnungskompetenzen, die sich vor Erlass von Art. 9 GSchG auf keine bzw. keine genügende gesetzliche Grundlage stützen liessen, nachträglich auf eine solche gestellt wurden (Botschaft GSchG 1987, 1112 f.). Der Wortlaut von Art. 9 GSchG entspricht – abgesehen von einer redaktionellen Änderung im Titel – dem Entwurf des Bundesrates (AB 1988 S 634 f.; AB 1989 N 954).
5. Art. 9 GSchG beauftragt den Bundesrat, die Vorschriften über die Reinhaltung der Gewässer, namentlich über die Abwässer, durch Verordnung näher zu konkretisieren. Gemäss unzweideutigem Wortlaut des Gesetzgebers ist der Bunderat nicht nur ermächtigt, sondern zum Erlass von Vorschriften auch verpflichtet. Da Art. 9 GSchG selbst keine materiellen Ziele enthält, handelt es sich bei der Bestimmung um eine nicht unproblematische (Blanko‑)Delegationsnorm. Im Gegensatz zu blossen Vollzugsnormen, die der Bundesrat direkt gestützt auf Art. 182 Abs. 2 BV erlassen kann, erlaubt Art. 9 GSchG die Ergänzung und Vervollständigung des Gesetzes (sog. gesetzesvertretende Verordnungen; allgemein Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1857; zu Recht kritisch zur weitreichenden Formulierung des ähnlich konzipierten Art. 29 USG Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 29 N 5; kritisch im Zusammenhang mit Art. 29f USG auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 60; ferner Leimbacher, Kommentar USG, Art. 29 USG N 6 und 20, der allerdings die Bestimmung einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich erachtet). Art. 9 GSchG eröffnet dem Bundesrat erhebliche Regelungsspielräume, die er allerdings teilweise auch schon vor der Schaffung einer «expliziten» Ermächtigung in Anspruch genommen hat (Botschaft GSchG 1987, 1112 ff.). Gemäss der allgemeinen Regelung von Art. 48 Abs. 1 RVOG kann der Bundesrat seine Rechtsetzungskompetenz auch auf die Departemente übertragen. Gemäss Art. 45 Abs. 5 GSchV i.d.F. vom 4. November 2015 (in Kraft seit 1. Januar 2016) hat das UVEK neu die Kompetenz, in Anh. 2 Ziff. 11 Abs. 3, Ziff. 12 Abs. 5 und Ziff. 22 Abs. 2 bei Bedarf neue numerische Anforderungen an die Wasserqualität für Stoffe zu erlassen sowie bestehende zu ändern oder aufzuheben (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 12 f.). Eine Rechtsetzung durch Ämter ist im Bereich des GSchG nicht vorgesehen (s. dafür z.B. Art. 39 USG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 RVOG).
6. Art. 9 GSchG erfasst grundsätzlich zwei Regelungsbereiche: Einerseits soll der Bundesrat in die Lage versetzt werden, die «Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer» festzulegen (Abs. 1). Andererseits soll der Bundesrat Vorschriften über Abwasser und gewässerverunreinigende Stoffe erlassen (Abs. 2). Über die ökologischen Ziele für Gewässer (Art. 1 Abs. 2 GSchV, konkretisiert in Anh. 1 GSchV) werden diese beiden Absätze – als zwei Seiten einer Medaille – auf dasselbe Ziel ausgerichtet (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 32).
A. Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer (Abs. 1)
7. Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 GSchG hat der Bundesrat die Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer festzulegen. Konkrete materielle Vorgaben hierfür enthält das Gesetz nicht (vgl. N 5); der Bundesrat muss sich vor allem von der Zweckbestimmung (Art. 1 GSchG) und der Verfassung (z.B. Art. 73 BV) leiten lassen, die freilich selbst auch nur geringen normativen Gehalt aufweisen (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 17).
8. Die konkreten Festlegungen erfolgen in Anh. 2 GSchV, der für ober‑ und unterirdirsche Gewässer unterschiedliche Qualitätsziele enthält. Die Qualitätsmerkmale für oberirdische Gewässer weisen neben allgemeinen Anforderungen je zusätzliche Anforderungen für Fliessgewässer und stehende Gewässer auf (Ziff. 1 Anh. 2 GSchV). Allgemein zielen die Qualitätsziele darauf ab, dass die oberirdischen Gewässer als Fischgewässer, Trinkwasservorkommen oder Badegewässer geschützt werden bzw. – trotz allfälliger Abwassereinleitungen – in diesen Funktionen erhalten bleiben. Dazu sind unter anderem Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen und physikalische Veränderungen (z.B. Temperaturveränderungen) vorgesehen.
9. Für die unterirdischen Gewässer legt Anh. 2 GSchV sowohl «allgemeine Anforderungen» (Ziff. 21) als auch «zusätzliche Anforderungen an Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist» (Ziff. 22), fest. Auch für unterirdische Gewässer sind Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen und physikalische Veränderungen (z.B. Temperaturveränderungen) vorgesehen (s. zu Quellen der Belastung des Grundwassers etwa BAFU, Grundwasserschutz, 5 ff.; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 25). Ursprünglich wollte sich der Bundesrat hier vor allem auf Festlegungen für Grundwasser beschränken und erreichen, dass Grundwasservorkommen möglichst ohne Aufbereitung als Trinkwasser genutzt werden können; dies ist vielerorts noch der Fall (Botschaft GSchG 1987, 1112 f.; s. dazu BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 6).
10. Die vom Bundesrat formulierten Anforderungen an die Wasserqualität finden in Art. 6, 8, 13 und 47 GSchV Verwendung. Art. 6 GSchV ermöglicht die Verschärfung, Ergänzung oder Erleichterung der Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser in Gewässer, abhängig von der Einhaltung der Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV (s. Komm. zu Art. 7 N 30 f.). Art. 8 GSchV verweist auf Anh. 2 GSchV als Bewilligungsvoraussetzung für das ausnahmsweise Versickernlassen von verschmutztem Abwasser (s. Komm. zu Art. 7 N 45). Art. 13 GSchV betrifft die Anforderungen an den fachgerechten Betrieb von Abwasseranlagen. Schliesslich ist die Nichteinhaltung der Anforderungen von Anh. 2 GSchV nach Art. 47 GSchV Auslöser für ein behördliches Vorgehen bei verunreinigten Gewässern.
11. Art. 9 Abs. 2 GSchG beauftragt den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften zur Einleitung und zur Versickerung von Abwasser sowie zu gewässerverunreinigenden Stoffen. Diese Vorschriften finden sich namentlich im 3. Abschnitt der GSchV zur Ableitung von verschmutztem Abwasser (Art. 6–10 GSchV).
1. Einleitung von Abwasser in Gewässer (Abs. 2 Bst. a)
12. Die Formulierung von Art. 9 Abs. 2 Bst. a GSchG ermächtigt den Bund zum Erlass von Vorschriften über die Beschaffenheit von Abwasser in Form von Konzentrationsbegrenzungen und mengenmässigen Begrenzungen (Fracht). Sodann soll die Bestimmung auch bei der Einleitung von Kühlwasser Anwendung finden (Botschaft GSchG 1987, 1113).
13. Während die Bewilligung zur Einleitung von Abwasser materiell in Art. 6 GSchV i.V.m. 7 Abs. 1 GSchG geregelt wird, sind die konkreten Anforderungen an die Einleitung in Gewässer (und die öffentliche Kanalisation) in Anh. 3 GSchV enthalten (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 25 ff.).
14. Anh. 3 GSchV enthält neben den Anforderungen an die «Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer» (Anh. 3.1, s. Komm. zu Art. 7 N 34 ff) auch die Anforderungen an die «Einleitung von Industrieabwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation» (Anh. 3.2, s. Komm. zu Art. 7 N 37 ff.) sowie die «Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation» (Anh. 3.3, s. Komm. zu Art. 7 N 40 ff.). Während der Verordnungsgeber bei kommunalem Abwasser vorwiegend mit Schadstoffgrenzwerten (Verhaltensgeboten) arbeitet, greift er für Industrieabwasser zusätzlich auf einen offenen Standard – «Stand der Technik», «technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar» – zurück, der weiterer Konkretisierung im Einzelfall bedarf und neben den allgemeinen und spezifisch für bestimmte Branchen festgelegten Schadstoffgrenzwerten zur Anwendung gelangt (zu diesen Standards etwa Art. 4 LRV und Art. 3 Bst. m VVEA; weiterführend Hettich, Risikovorsorge, N 440; Seiler, Technische Risiken, 160). Hinsichtlich des anderen verschmutzten Abwassers sind namentlich die Vorschriften für Kühlwasser zu erwähnen (Ziff. 21 und 22 Anh. 3.3 GSchV).
2. Versickerung von Abwasser (Abs. 2 Bst. b)
15. Art. 9 Abs. 2 Bst. b GSchG schafft die gesetzliche Grundlage für die Regelung, «welche Abwässer man mit Rücksicht auf die Anforderungen an die Wasserqualität versickern lassen darf» (Botschaft GSchG 1987, 1113 f.; zum Begriff des «Versickernlassens» vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 19). Die materiellen Regeln zum Versickern von verschmutztem und unverschmutztem Abwasser finden sich in Art. 3 und 8 GSchV i.V.m. Art. 7 Abs. 1 und 2 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 44 f., 50 ff.). Dabei ist nach Anweisung des Gesetzgebers unverschmutztes Abwasser i.S.v. Art. 3 GSchV grundsätzlich versickern zu lassen und nur ausnahmsweise in ein oberirdirsches Gewässer einzuleiten (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Das Versickernlassen von verschmutztem Abwasser ist dagegen verboten und nur mit Ausnahmebewilligung der zuständigen Behörde zulässig (Art. 8 GSchV; vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 44 f.).
3. Verunreinigende Stoffe (Abs. 2 Bst. c)
16. Der Regelungsauftrag von Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG betrifft Stoffe (zum Begriff der «Stoffe» vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 15), die kumulativ mehrere Voraussetzungen erfüllen: Einerseits müssen die Stoffe «nach Art ihrer Verwendung ins Wasser gelangen können». Andererseits müssen die betreffenden Stoffe potenziell entweder «Gewässer verunreinigen» können oder sich «für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich» erweisen. Ferner muss die schädliche Wirkung von den Stoffeigenschaften (z.B. persistent, bioakkumulierbar oder toxisch gemäss Art. 6a ChemV) oder von der Verbrauchsmenge der Stoffe herrühren (zu den analog in Art. 29 USG verwendeten Begriffen Leimbacher, Kommentar USG, Art. 29 USG, N 17 ff.).
17. Die Bestimmung führt Art. 23 Abs. 2 des GSchG 1971 fort, wonach der Bundesrat nötigenfalls die Herstellung, Anwendung, Einfuhr und das Inverkehrbringen von Stoffen und Erzeugnissen, die nachteilige Wirkungen für den Betrieb von Abwasseranlagen oder für die Gewässer haben können, verbieten konnte. Nach dem Willen des Bundesrates und der Räte soll die heutige Regelungsbefugnis die Verbotskompetenz weiterhin mitumfassen (Botschaft GSchG 1987, 1113; AB S 1988, 634 [Voten Bührer, Hefti und BR Cotti]; AB N 1989, 954 [Votum BR Cotti]; gemäss Botschaft GSchG 1970, 456 f., ging es damals vor allem um synthetische Wasch‑, Spül‑ und Reinigungsmittel). Mit Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG wurde eine materielle Angleichung an Art. 29 USG angestrebt (Vorschriften des Bundesrates über umweltgefährdende Stoffe; Botschaft GSchG 1987, 1113 f.; dazu Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 29 USG, N 1 ff.). Entsprechend stützt sich das einschlägige Verordnungsrecht – die ChemRRV, die ChemV sowie die DüV – neben dem USG unter anderem auch auf Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG. So enthält die ChemRRV diverse Bestimmungen zur Anwendung bestimmter Stoffe (Dünger, Pflanzenschutzmittel, etc.) in und in der Nähe von Gewässern.
18. Gemäss Art. 10 Bst. a GSchV ist es verboten, feste und flüssige Abfälle mit dem Abwasser zu entsorgen, ausser wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist. Dabei gelten als Abfälle «bewegliche Sachen, deren sich der Inhaber entledigt oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse geboten ist» (Art. 7 Abs. 6 USG; zum Abfallbegriff etwa BGE 123 II 359 ff., 363, E. 4; Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 31 ff.; zur Abgrenzung von flüssigem Abfall und Abwasser, vgl. Komm. zu Art. 7 N 17).
19. Ferner ist es gemäss Art. 10 Bst. b GSchV verboten, Stoffe entgegen den Angaben des Herstellers auf der Etikette oder der Gebrauchsanweisung abzuleiten. Dabei ist es Sache des Inverkehrbringers, den Abnehmer über die umweltbezogenen Eigenschaften zu informieren und so anzuweisen, dass beim vorschriftsgemässen Umgang mit den Stoffen die Umwelt oder mittelbar der Mensch nicht gefährdet werden kann (Art. 27 Abs. 1 USG; s.a. Art. 7 ChemG und zur Umsetzung Art. 6 ChemV [Umweltgefährliche Eigenschaften], Art. 13 ff. ChemV [Einstufung hinsichtlich der umweltgefährlichen Eigenschaften], Art. 39 und 46 ChemV [Kennzeichnung] und Art. 75 ChemV [Werbung]; s. zu weiteren Informationspflichten auch die Anhänge ChemRRV sowie zum umweltgerechten Umgang mit Stoffen Art. 28 USG und Art. 71 ChemV i.V.m. Art. 8 ChemG).
Résumé
L’art. 9 LEaux, en tant que pure norme de délégation, autorise et oblige le Conseil fédéral à concrétiser les dispositions concernant la qualité des eaux par voie d’ordonnance.
Le Conseil fédéral doit en premier lieu selon l’al. 1 du présent article fixer les exigences auxquelles doit satisfaire la qualité des eaux conformément à la finalité de la loi (art. 1 LEaux) et de la Cst. (par ex. art. 73 Cst.). Les objectifs de qualité concrets se trouvent à l’annexe 2 OEaux pour les eaux superficielles (ch. 1) et les eaux souterraines (ch. 21 et 22). Les art. 6, 8, 13 et 47 OEaux se fondent sur ces exigences.
En second lieu, le Conseil fédéral doit édicter des prescriptions concernant le déversement et l’infiltration des eaux à évacuer ainsi que les substances polluantes pour les eaux en vertu des let. a à c de l’al. 2 de l’art. 9 LEaux.
La let. a autorise le Conseil fédéral à édicter des prescriptions sur la nature des eaux polluées (limites quantitatives et de concentration). L’autorisation de déversement est réglée à l’art. 6 LEaux en relation avec l’art. 7 LEaux et les exigences concrètes de déversement sont réglées à l’annexe 3 OEaux. La let. b crée, pour le Conseil fédéral, la base légale nécessaire pour déterminer les eaux à évacuer que l’on peut laisser s’infiltrer en respectant les exigences de qualité (cf. art. 3 et 8 OEaux). La let. c permet au Conseil fédéral d’édicter des prescriptions concernant les substances polluantes. Celles-ci doivent remplir cumulativement plusieurs conditions. Elles doivent ainsi, d’une part, selon leur mode d’utilisation, pouvoir parvenir dans l’eau et doivent, d’autre part, potentiellement risquer de polluer ou de nuire au fonctionnement des installations. Des dispositions figurent à l’art. 10 OEaux ou dans des ordonnances d’exécution (par ex. ORRChim) fondées sur l’art. 29 LPE mais aussi sur l’art. 9 al. 2 let. c LEaux.
Literatur: Hettich Peter, Kooperative Risikovorsorge – Regulierte Selbstregulierung im Recht der operationellen und technischen Risiken, Habil. St. Gallen 2014 (zit. Risikovorsorge); Seiler Hansjörg, Recht und technische Risiken – Grundzüge des technischen Sicherheitsrechts, Zürich 1997 (zit. Technische Risiken); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).
Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hartmann Daniel/Meylan Benjamin/Jordi Beat), Management des Grundwassers in der Schweiz – Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Umwelt-Wissen Nr. 0806, Bern 2008 (zit. Leitlinien Grundwassermanagement); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014, Bern 2014 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014).
2. Abschnitt: Behandlung des Abwassers und Verwertung des Hofdüngers
Stutz Hans W.
Öffentliche Kanalisationen und zentrale Abwasserreinigungsanlagen
1 Die Kantone sorgen für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser:
a. aus Bauzonen;
b. aus bestehenden Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung (Art. 13) keinen ausreichenden Schutz der Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind.
1bis Sie sorgen für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen.
2 In abgelegenen oder in dünn besiedelten Gebieten ist das verschmutzte Abwasser durch andere Systeme als durch zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu behandeln, wenn der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet ist.
3 Kann eine private Kanalisation auch öffentlichen Zwecken dienen, so ist sie der öffentlichen Kanalisation gleichgestellt.
4 … (Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 20. Juni 1997; AS 1997 2243; BBl 1996 IV 1217).
Egouts publics et stations centrales d’épuration des eaux
1 Les cantons veillent à la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées provenant:
a. des zones à bâtir;
b. des groupes de bâtiments situés hors des zones à bâtir pour lesquels les méthodes spéciales de traitement (art. 13) n’assurent pas une protection suffisante des eaux ou ne sont pas économiques.
1bis Ils veillent à l’exploitation économique de ces installations.
2 Dans les régions retirées ou dans celles qui ont une faible densité de population, on traitera les eaux polluées par d’autres systèmes que les stations centrales d’épuration, pour autant que la protection des eaux superficielles et souterraines soit assurée.
3 Les égouts privés pouvant également servir à des fins publiques sont assimilés aux égouts publics.
4 … (Abrogé par le ch. I de la LF du 20 juin 1997; RO 1997 2243; FF 1996 IV 1213).
Canalizzazioni pubbliche e stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico
1 I Cantoni provvedono alla costruzione di canalizzazioni pubbliche e di stazioni centrali di depurazione per le acque di scarico inquinate provenienti:
a. dalle zone edificabili;
b. da gruppi di edifici esistenti che si trovano fuori della zona edificabile e per i quali i metodi speciali per l’eliminazione delle acque di scarico (art. 13) non garantiscono una protezione sufficiente delle acque o non sono economici.
1bis Essi provvedono a un esercizio economico di questi impianti.
2 Nelle regioni discoste o scarsamente abitate, le acque di scarico inquinate devono essere trattate con altri sistemi e non in una stazione centrale di depurazione, sempreché la protezione delle acque superficiali e sotterranee sia garantita.
3 Le canalizzazioni private che servono anche per scopi pubblici sono equiparate alle canalizzazioni pubbliche.
4 … (Abrogato dal n. I della LF del 20 giu. 1997; RU 1997 2243; FF 1996 IV 1041).
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
A. | Abs. 1 und 2 | 1 |
B. | Abs. 3 | 3 |
C. | Abs. 1bis | 4 |
D. | Aufhebung Abs. 4 | 7 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 10 |
III. | Kommentierung | 17 |
A. | Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen (Abs. 1) |
17 |
1. | Auftrag an die Kantone | 17 |
2. | Begriffe und Abgrenzungen | 20 |
3. | Erstellungspflicht des Gemeinwesens | 26 |
4. | Abgrenzung zum Verantwortungsbereich der Privaten | 31 |
B. | Wirtschaftlicher Betrieb der Abwasseranlagen (Abs. 1bis) | 32 |
1. | Auftrag an die Kantone | 32 |
2. | Begriffe und Abgrenzungen | 35 |
C. | Abgelegene oder dünn besiedelte Gebiete (Abs. 2) | 42 |
D. | Private Kanalisationen (Abs. 3) | 45 |
1. Die Verpflichtung, öffentliche Kanalisationen und zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu erstellen, findet sich bereits in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 GSchG 1971. Adressaten der Verpflichtung waren die Kantone, die den Bau und Betrieb der Abwasseranlagen selber vornehmen konnten oder die Aufgabe den Gemeinden, anderen Korporationen des öffentlichen Rechts oder Zweckverbänden übertragen konnten (Art. 17 Abs. 2 GSchG 1971). Die Kantone sollten die Verantwortung für den Bau der öffentlichen Abwasseranlagen tragen; wenn sie die bauliche Ausführung den Gemeinden oder anderen öffentlichrechtlichen Aufgabenträgern übertrugen, mussten sie diese unter eine «dauernde Aufsicht durch die kantonalen Fachorgane» stellen (Botschaft GSchG 1970, 452).
2. Die in Art. 17 GSchG 1971 festgehaltene Pflicht der Kantone, für den Bau der öffentlichen Abwasserinfrastruktur zu sorgen, wurde ins GSchG übernommen (Art. 10 Abs. 1 GSchG). Der Bundesrat stellte dazu in seiner Botschaft fest, dass das bewährte Konzept der zentralen Abwasserreinigung beibehalten werde (Botschaft GSchG 1987, 1086). Nationalrat und Ständerat folgten dem Vorschlag des Bundesrates. In den parlamentarischen Beratungen wurde die in der Botschaft vorgeschlagene Regelung mit wenigen redaktionellen Änderungen übernommen und um einen Absatz ergänzt, wonach in abgelegenen oder in dünn besiedelten Gebieten das verschmutzte Abwasser durch andere Systeme als durch zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu behandeln ist, wenn der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet ist (Abs. 2). Diese Ergänzung geht auf eine von der nationalrätlichen Kommission eingebrachten Antrag zurück (siehe AB 1989 N 954).
3.Abs. 3 wurde vom Bundesrat vorgeschlagen (Botschaft GSchG 1987, 1185, dort noch als Abs. 2). In der Botschaft fehlt indes jeder Hinweis auf die Tragweite der Vorschrift, dass private Kanalisationen, die öffentlichen Zwecken dienen können, der öffentlichen Kanalisation gleichgestellt sind. Der bundesrätliche Entwurf wurde von Nationalrat und Ständerat unverändert übernommen.
4. Die Vorschrift, wonach der Betrieb öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen wirtschaftlich sein muss, wurde im Zuge der Gesetzesrevision vom 20. Juni 1997 (AS 1997 2243) eingeführt. Mit dieser Revision wurde in erster Linie das Verursacherprinzip stärker im Gesetz verankert.
5. Gemäss der Botschaft des Bundesrates bezweckt Abs. 1bis den Schutz der Abwasserproduzenten. Mit der Gesetzesrevision sind sie nämlich verpflichtet worden, die Kosten des Baus und Betriebs der öffentlichen Abwasseranlagen (über Gebühren und andere Abgaben; Art. 60a GSchG) voll zu tragen. Dabei haben sie keine Möglichkeit, ihr Abwasser bei einer anderen, allenfalls günstigeren Abwasserreinigungsanlage behandeln zu lassen. Es besteht somit keine Konkurrenz zwischen den Anlagen und wenig Anreiz für Optimierungen (Botschaft GSchG 1996, 1229).
6. Nationalrat und Ständerat übernahmen den vom Bundesrat vorgeschlagenen Wortlaut von Abs. 1bis unverändert.
7. In der ursprünglichen Fassung des GSchG enthielt Art. 10 Abs. 4 GSchG die Verpflichtung, dass für die einzelnen zentralen Abwasserreinigungsanlagen und die zugehörigen öffentlichen Kanalisationen eine generelle Entwässerungsplanung erstellt wird. Mit der Gesetzesrevision vom 20. Juni 1997 (AS 1997 2243) wurde die Bestimmung systematisch neu platziert und inhaltlich erweitert. Art. 10 Abs. 4 GSchG wurde aufgehoben und als Art. 7 Abs. 3 GSchG neu formuliert.
8. Der Bundesrat begründete diese Änderung einerseits damit, dass die generelle Entwässerungsplanung auch die Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers nicht ausser Acht lassen darf (Botschaft GSchG 1996, 1228 f.). Im Übrigen wurde mit dem neuen Art. 7 Abs. 3 GSchG auch die Planungspflicht insoweit erweitert, als neu auch regionale Entwässerungsfragen – i.d.R. ausgerichtet auf das Einzugsgebiet eines Gewässers – mit der generellen Entwässerungsplanung zu bearbeiten sind (Botschaft GSchG 1996, 1228 f.).
9. Die eidgenössischen Räte folgten dem Bundesrat und übernahmen die von ihm vorgeschlagene Änderung.
10. Am Anfang der modernen staatlichen Bemühungen um den Gewässerschutz stand die Abwassersanierung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde vielerorts die Beseitigung der Abwässer aus den Siedlungsräumen zu einer Aufgabe des Gemeinwesens. Zunächst stand dabei die Ableitung der ungereinigten Abwässer in einen Vorfluter, in der Regel ein oberirdisches Gewässer, im Vordergrund («Verdünnungsprinzip»; vgl. Rausch, Umweltschutzgesetzgebung, 159). Da die Selbstreinigungskraft der Gewässer oft nicht ausreichte, um die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe abzubauen, mussten Reinigungssysteme (zunächst eine mechanische Klärung, dann biologisch-chemische Verfahren) eingeführt werden. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen hierzu wurden insbesondere an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag, Ursprünge seit 1936) und die technischen Grundlagen vom Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA, gegründet 1944) erarbeitet.
11. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich in der Schweiz das Prinzip der Sammlung und zentralen Reinigung der Abwässer durchgesetzt (vgl. Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 383). Gefördert wurde der Bau öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen (ARA, «Kläranlagen») durch erhebliche Beiträge des Bundes und der Kantone. Der «Startschuss» (Bundi, Wasserwirtschaft, 431) für die systematische Abwasserreinigung erfolgte mit einer Änderung der Vollziehungsverordnung zum GSchG 1955 im Jahr 1962 (AS 1962 96): Nach Art. 7 und Art. 7bis der Vollziehungsverordnung leistete der Bund, abgestuft nach Finanzkraft der Kantone, Beiträge an die Erstellung von öffentlichen Abwasseranlagen (bis zu 35 % der anrechenbaren Kosten, unter der Voraussetzung, dass auch der Kanton eigene Beiträge ausrichtete). Mit diesen Bundes‑ und Kantonsbeiträgen wurde der Bau der öffentlichen Kanalisationen und zentralen Abwasserreinigungsanlagen stark gefördert.
12. Mit dem Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 wurde dann die systematische Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen angeordnet (Art. 17 GSchG 1971). In der Folge wurden fast flächendeckend die Gebäude und Anlagen, bei denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation angeschlossen; in der Schweiz sind heute etwa 97 % der Bauten und Anlagen, von denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation angeschlossen (BAFU, Anschluss‑ und Ausbaugrad).
13. Auch unter dem heute geltenden Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 wird am Prinzip der Sammlung und zentralen Reinigung der Abwässer festgehalten. Allerdings wird heute vermehrt auf die Wirtschaftlichkeit des Kanalisationsanschlusses geachtet. In weit abgelegenen Gebieten kommen – vorab aus Kostengründen – andere Arten der Abwasserentsorgung (Reinigung der Abwässer in Klein-Kläranlagen, oder Sammlung in abflusslosen Gruben und Abtransport in die zentrale Abwasserreinigungsanlage) zur Anwendung.
14. Dennoch stellt die Sammlung und Behandlung des aus den Siedlungen anfallenden Abwassers in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen auch heute noch das Rückgrat des qualitativen Gewässerschutzes in der Schweiz dar. Die zentralen Abwasserreinigungsanlagen sorgen dafür, dass die im verschmutzten Abwasser enthaltenen Schadstoffe von den Gewässern weitgehend ferngehalten werden. Im Allgemeinen sind die Anlagen beim Abbau leicht abbaubarer organischer Verbindungen, wie sie typischerweise in kommunalem Abwasser (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 34) enthalten sind, sehr effizient: Die zentralen Abwasserreinigungsanlagen weisen einen Wirkungsgrad von 88 % bei der Elimination von leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen und einen Wirkungsgrad von 84 % mit Bezug auf den Phosphorgehalt des Abwassers auf (Eawag, Schlussbericht Abwasserentsorgung, 35). In der Schweiz fällt jährlich eine Abwassermenge von etwa 1’700 Mio. m3 an (Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 131 ff.). Die 839 ARA und etwa 3385 Klein-Kläranlagen haben im Jahr gesamthaft eine Stofffracht von 462’000 t (gemessen als Chemischer Sauerstoffbedarf, CSB), 40’000 t Stickstoff und 6’400 t Phosphor zu bewältigen (Eawag, Kennzahlen).
15. Weniger wirksam sind die zentralen Abwasserreinigungsanlagen mit herkömmlicher Behandlungstechnologie beim Abbau von persistenten (d.h. mikrobiologisch schwer abbaubaren) organischen Verbindungen. Man spricht bei diesen Verbindungen gemeinhin von «Mikroverunreinigungen». Darunter fallen z.B. Lösungs‑, Flammschutz‑, Pflanzenschutz‑, Gefrierschutz‑ und Kältemittel, Hormone und hormonähnliche Verbindungen, Treibstoffe und deren Zusatzstoffe, pharmazeutische Wirkstoffe und Weichmacher. Sie wirken bereits in sehr geringen Konzentrationen und üben nachteilige Wirkungen auf Wasserlebewesen aus (BAFU, Kommunales Abwasser, 22 ff.; Stutz, Herausforderungen, 513). Diesbezüglich sind Bestrebungen im Gange, die bedeutendsten Verschmutzungsquellen zu erfassen und den Eintrag von Mikroverunreinigungen mit geeigneten technologischen Massnahmen (Behandlung mit Aktivkohle, Ozonierung) zum Schutz der Wasserflora und ‑fauna und der Trinkwasserressourcen zu verringern. Der Bund hat im Frühjahr 2014 beschlossen, Massnahmen bei grossen zentralen Abwasserreinigungsanlagen und solchen an Fliessgewässern mit einem hohen Anteil an gereinigtem Abwasser zu unterstützen. Hierfür wird eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe pro angeschlossenem Einwohner erhoben (weiterführend die Botschaft GSchG 2013; die eidgenössischen Räte haben die entsprechende Änderung des Gewässerschutzgesetzes am 21. März 2014 beschlossen [siehe Art. 60b und 61a GSchG, die am 1. Januar 2016 in Kraft treten; AS 2014 3327]).
16. Die öffentliche Abwasserentsorgungsinfrastruktur wurde mit einem sehr bedeutenden Mitteleinsatz erstellt. Der heutige Wiederbeschaffungswert der öffentlichen Kanalisationen wird auf CHF 66 Mrd. geschätzt, derjenige der 839 grösseren zentralen Abwasserreinigungsanlagen auf CHF 14 Mrd. (Eawag, Kennzahlen). Es sind bedeutende Anstrengungen zu unternehmen, um diese wichtige Infrastruktur in ihrem Wert dauerhaft zu erhalten und weiterzuentwickeln.
1. Auftrag an die Kantone
17. Der Bundesgesetzgeber überträgt das Bereitstellen der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur, d.h. die Erstellung der öffentlichen Kanalisationen und der zentralen Abwasserreinigungsanlagen, den Kantonen. Diese haben dafür zu sorgen, dass die erforderlichen öffentlichen Abwasseranlagen erstellt werden. Die Kantone können diese Aufgabe selber wahrnehmen – was eher die Ausnahme darstellt – oder sie den Gemeinden zuweisen. Auch eine Auslagerung an öffentlichrechtliche Körperschaften und Anstalten oder an Private ist nicht ausgeschlossen, erfordert aber eine wirksame Fachaufsicht des Kantons über diese Aufgabenträger.
18. Die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt. Dieses muss die Zuständigkeiten derart festlegen, dass eine sachgerechte Umsetzung des bundesgesetzlichen Auftrags gewährleistet ist.
19. Die öffentliche Kanalisation (unter Einschluss der Sonderbauwerke) und die zentralen Abwasserreinigungsanlagen stellen Abwasseranlagen dar, die dem öffentlichen Zweck einer sicheren und umweltgerechten Abwasserentsorgung dienen. An diesen öffentlichen Werken besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, da sie dafür sorgen, dass sehr bedeutende Schadstofffrachten von den Gewässern ferngehalten werden (N 10 ff.). Daher muss sichergestellt werden, dass diese Anlagen jederzeit zuverlässig funktionieren.
2. Begriffe und Abgrenzungen
20. Als öffentliche Kanalisationen werden im GSchG Kanalisationssysteme der öffentlichen Hand bezeichnet, die der Ableitung des verschmutzten Abwassers in die zentrale Abwasserreinigungsanlage dienen. Unter den Begriff der öffentlichen Kanalisation fallen im vorliegenden Zusammenhang nicht nur eigentliche Kanalisationsleitungen mit den dazu gehörenden Ausrüstungen (Regenwassersammler, Kontrollschächte, Schlammsammler, Schwerkraftabscheider usw.), sondern ebenso Sonderbauwerke wie Regenüberläufe, Regenbecken, Regenrückhaltebecken, Strassenwasser-Reinigungsbauwerke und Abwasserpumpwerke.
21. Bei der Entwässerung der Grundstücke kommen zwei Entwässerungssysteme zur Anwendung:
22. Das Mischsystem ist in der Schweiz das vorherrschende Entwässerungssystem. Etwa 70 % des Siedlungsgebiets der Schweiz werden auf diese Weise entwässert (BAFU, Kommunales Abwasser, 20), wobei dies je nach Kanton erheblich variieren kann. Obwohl das Mischsystem dem Grundsatz der Trennung von verschmutztem und nicht verschmutztem Abwasser (Art. 7 GSchG) nicht entspricht, ist es als Entwässerungssystem unter Umständen zulässig (BGer 1C_87/2012 vom 27. November 2012, E. 4.3; im zu beurteilenden Fall berücksichtigte das Gericht die Tatsache, dass bei den im Mischsystem entwässerten Flächen Massnahmen zur lokalen Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers getroffen wurden und dass künftig eine Entwässerung im Trennsystem vorgesehen war). In der Praxis werden die beiden beschriebenen Entwässerungssysteme auch in Kombinationen erstellt und betrieben (z.B. «Teiltrennsystem»). Die Wahl des Entwässerungssystems hat anhand der konkreten Verhältnisse (Eignung des Untergrunds für die lokale Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers, Vorhandensein eines Vorfluters für die Einleitung des nicht verschmutzten Abwassers, nutzungsbezogene Gefährdungssituation bei den zu entwässernden Flächen usw.) zu erfolgen.
23. Wenn in Art. 12 GSchG von der öffentlichen Kanalisation die Rede ist, so ist damit ein Kanalisationssystem gemeint, dessen Hauptfunktion die Ableitung des verschmutzten Abwassers in die zentrale Abwasserreinigungsanlage darstellt. Beim Trennsystem führt nur die Schmutzwasserkanalisation dorthin, während die Regenwasserkanalisation das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer leitet. Auch diese Kanalisation ist Teil der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur. Die Regenwasserkanalisation dient jedoch nicht dem Abtransport des verschmutzten, sondern des nicht verschmutzten Abwassers.
24. Die zentrale Abwasserreinigungsanlage nimmt das von der öffentlichen Kanalisation zufliessende verschmutzte Abwasser auf; sie ist eine Anlage, die der «Reinigung von verschmutztem Abwasser» (Abs. 1) dient, bevor dieses in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet wird. In der Regel ist die zentrale Abwasserreinigungsanlage für die Behandlung von «kommunalem» Abwasser ausgelegt. Gemäss Anhang 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV umfasst kommunales Abwasser:
a. Häusliches Abwasser (Abwasser aus Haushalten und gleichartiges Abwasser);
b. das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende und mit dem häuslichen Abwasser abgeleitete Niederschlagswasser.
25. Bis zu einem gewissen Grad ist die zentrale Abwasserreinigungsanlage auch in der Lage, Industrieabwasser (Anhang 3.2 GSchV) und anderes verschmutztes Abwasser (Anhang 3.3 GSchV) zu behandeln. Allerdings muss derartiges Abwasser unter Umständen vor der Ableitung in die öffentliche Kanalisation vorbehandelt werden (Komm. zu Art. 12 GSchG N 12).
3. Erstellungspflicht des Gemeinwesens
26. Die Pflicht zur Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser umfasst nicht nur die erstmalige Erstellung dieser Abwasseranlagen, sondern zielt auf eine dauernde Erhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur ab. Abs. 1 verlangt somit auch, dass das erstellungspflichtige Gemeinwesen seine Anlagen sachgerecht unterhält und festgestellte bauliche Mängel umgehend behebt (sogenannter baulicher Unterhalt).
27. Überdies umfasst der Gesetzesauftrag auch die fortwährende Optimierung der gesamten Infrastruktur:
28. Diese Optimierungen werden in der Regel im Rahmen der generellen Entwässerungsplanung (Art. 7 Abs. 3 GSchG) aufeinander abgestimmt.
29. Schliesslich bezieht sich Abs. 1 auch auf die Erneuerung der Abwasseranlagen. Kanalisationsleitungen weisen eine technische Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren auf, bei Sonderbauwerken geht man, je nach Anlage, von 20 bis 40 Jahren aus. Die technische Lebensdauer von zentralen Abwasserreinigungsanlagen bzw. deren Anlageteilen beträgt etwa 20 bis 25 Jahre. Sind Abwasseranlagen zu erneuern, ist als Massstab der Stand der Technik zu nehmen. Darunter ist ein fortschrittliches Technologieniveau zu verstehen («Front des technischen Fortschritts»; vgl. Komm. zu Art. 12 N 38).
30. Mit dem Umfang der Erstellungspflicht des Gemeinwesens ist implizit auch geklärt, dass die entsprechenden Kosten über die Abwasserrechnung der öffentlichen Hand und damit vollumfänglich über Abwasserabgaben zu finanzieren sind (Art. 60a GSchG).
4. Abgrenzung zum Verantwortungsbereich der Privaten
31. Abs. 1 definiert den Umfang der Erstellungspflicht des Gemeinwesens und grenzt damit den Verantwortungsbereich von Kanton oder Gemeinde gegen denjenigen der Privaten ab. Letztere sind unter Umständen verpflichtet, selber für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation zu sorgen (vgl. Art. 11 Abs. 2 Bst. c GSchG). Die Erstellungspflicht des Gemeinwesens ist begrenzt auf die Bauzonen (Art. 10 Abs. 1 Bst. a GSchG; angeknüpft wird dabei an Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG) und auf bestehende Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung im Sinne von Art. 13 GSchG keinen ausreichenden Schutz der Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind (Art. 10 Abs. 1 Bst. b GSchG).
1. Auftrag an die Kantone
32. Abs. 1bis verlangt, dass die öffentlichen Abwasseranlagen wirtschaftlich betrieben werden. Die Vorschrift wendet sich in erster Linie an die Kantone: Sie müssen dafür sorgen, dass die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung – meist Gemeinden, Zweckverbände oder interkommunale Anstalten – die ihnen obliegenden Aufgaben bei der Abwasserentsorgung wirtschaftlich wahrnehmen. Diese Vorgabe entspricht dem Gebot der sparsamen Mittelverwendung, wie es allgemein für die Tätigkeit der öffentlichen Hand gilt.
33. Die Verpflichtung von Abs. 1bis, die öffentlichen Abwasseranlagen wirtschaftlich zu betreiben, ist im Einzelfall unmittelbar anwendbar. Die Kantone müssen im Rahmen ihrer Fachaufsicht über die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung dafür sorgen, dass Bau und Betrieb der Anlagen wirtschaftlich erfolgen. «Dies kann im Einzelfall eine Kontrolle und gegebenenfalls eine stärkere Einflussnahme auf die Investitionspolitik von Verbänden bedeuten» (Botschaft GSchG 1996, 1229).
34. Umgesetzt werden kann der Auftrag beispielsweise auch dadurch, dass bauliche Veränderungen an der öffentlichen Kanalisation oder an der zentralen Abwasserreinigungsanlage einer Bewilligungspflicht des Kantons unterworfen werden. Die Kantone können durch Gesetz oder Verordnung den Trägern der öffentlichen Abwasserentsorgung auch genauere Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit beim Bau und Betrieb der öffentlichen Abwasserinfrastruktur machen. Ansatzpunkte können etwa der Erlass organisatorischer oder personeller Standards, die kantonsweite Einführung einer einheitlichen Rechnungsführung, Vorschriften zur Höhe der Abschreibungen, Vorgaben über die Dimensionierung von Anlagen oder die Schliessung unwirtschaftlicher Betriebsteile darstellen (Tschannen, Kommentar USG, Art. 31b N 23).
2. Wirtschaftlicher Betrieb
35. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist hier in einem umfassenden Sinn zu verstehen: Er bezieht sich nicht nur auf den Betrieb, verstanden als ständiges Aufrechterhalten der Funktionsfähigkeit der Abwasserentsorgungsinfrastruktur, sondern umfasst auch die Erstellung, Optimierung und Erneuerung dieser Infrastruktur.
36. In der Ökonomie wird die Wirtschaftlichkeit definiert als ein Mass für das Verhältnis von Handlungsergebnissen (Nutzen) und dem dafür erforderlichen Mitteleinsatz, wobei sowohl der Nutzen als auch der Mitteleinsatz in Geldeinheiten gemessen werden. Im vorliegenden Zusammenhang lässt sich der Wert des Nutzens (nämlich der Wert des Betriebs der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur) nicht sinnvoll in Geldeinheiten ausdrücken. Daher muss es genügen, wenn die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur lediglich qualitativ umschrieben wird.
37. Wirtschaftlich ist der Betrieb (im oben beschriebenen Sinn), wenn zur Erreichung des Zieles einer dauernd funktionierenden öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur möglichst geringe Mittel eingesetzt werden müssen. Dieses Ziel soll mit einem möglichst geringen Aufwand erreicht werden.
38. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Abwasserentsorgungsinfrastruktur darf dabei aber nicht mit einer unbedachten kurzfristigen Minimierung der Ausgaben gleichgesetzt werden, sondern es ist eine langfristige Perspektive zu wahren. So ist zum Schutz der bestehenden Infrastruktur ein hinreichender baulicher Unterhalt sicherzustellen, um die Funktionstüchtigkeit der Anlagen während ihrer gesamten vorgesehenen Lebensdauer zu erhalten. In dieser Hinsicht bestehen mancherorts noch grosse Defizite.
39. Beim Betrieb der zentralen Abwasserreinigungsanlage bedeutet ein wirtschaftlicher Betrieb, dass die Anlage mit möglichst hohem Wirkungsgrad und damit mit einer guten Umweltleistung bei gleichzeitig niedrigen Kosten betrieben wird. Nicht mit Wirtschaftlichkeitsargumenten begründet werden kann indessen ein Betrieb, bei dem Energie‑ und Stoffverbrauch derart minimiert werden, dass die in der Gewässerschutzverordnung festgehaltenen Anforderungen an die Einleitung des in der zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelten Abwassers gerade noch erfüllt werden. Die Anlagen sind vielmehr mit Blick auf das Vorsorgeprinzip so zu betreiben, dass möglichst wenig Stoffe, die Wasser verunreinigen können, in das Gewässer eingeleitet werden (vgl. Anhang 1 Ziff. 1 Abs. 3 GSchV).
40. Auch bei Neuinvestitionen ist darauf zu achten, Anlagen mit hohem Wirkungsgrad und guter Umweltleistung einzusetzen.
41. Abs. 1bis ist schliesslich auch Grundlage für die Bemühungen, unwirtschaftliche kleine zentrale Abwasserreinigungsanlagen, die oft bei vergleichsweise hohen Kosten eine ungenügende Reinigungsleistung aufweisen, aufzuheben und mit anderen zentralen Abwasserreinigungsanlagen zusammenzulegen. Die Tendenz zu grösseren Einheiten und die damit einhergehende Professionalisierung der öffentlichen Abwasserreinigung ist durchaus erwünscht.
42. Die öffentliche Abwasserreinigung setzt zwar zur Hauptsache darauf, dass das verschmutzte Abwasser in zentralen Abwasserreinigungsanlagen behandelt wird; Abs. 1 definiert den Umfang der Erstellungspflicht der öffentlichen Hand. Indes erlaubt Abs. 2 den Kantonen, in abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten angepasste Entsorgungskonzepte umzusetzen. Diese Ausnahme ist ein Gesichtspunkt des mit dem GSchG 1991 verfolgten Ansatzes des differenzierten Gewässerschutzes (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1086).
43. Das Gemeinwesen ist gehalten, das verschmutzte Abwasser in den abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten mit dezentralen Systemen zu behandeln (z.B. Klein-Kläranlage). Dabei wird vorausgesetzt, dass der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet bleibt. Massgebend sind die Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser gemäss Anh. 3.1 GSchV und die Anforderungen an die Wasserqualität gemäss Anh. 2 GSchV. Lässt sich kein hinreichender Schutz der Gewässer erreichen, ist die Entsorgung des verschmutzten Abwassers auf andere Weise zu organisieren (z.B. Sammeln in abflusslosen Gruben und periodischer Abtransport in die zentrale Abwasserreinigungsanlage; vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 224) oder es müssen Nutzungsverbote ausgesprochen werden. Das Vorgehen richtet sich nach Art. 47 GSchV.
44. Art. 10 Abs. 2 GSchG richtet sich ausschliesslich an die Kantone (bzw. die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung); die Privaten können aus Abs. 2 nicht eine Befreiung von ihrer Pflicht zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation ableiten (BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 3.b).
45. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für öffentliche Kanalisationen beim Gemeinwesen und für private Kanalisationen bei ihren Eigentümern. Gemeinwesen und Private tragen im Regelfall je die Kosten für Erstellung, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung ihrer Kanalisation. Abs. 3 regelt nun den Ausnahmefall, bei dem eine private Kanalisation nicht nur der Abwasserentsorgung der oder des Privaten dient, sondern einem grösseren Kreis von Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung steht.
46. Eine private Kanalisation dient öffentlichen Zwecken, wenn sie der Ableitung des verschmutzten Abwassers aus mehreren Gebäuden in die zentrale Abwasserreinigungsanlage dient (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.3). Es kommt somit auf die tatsächliche Verwendung einer Kanalisation an.
47. Dient eine private Kanalisation in diesem Sinn öffentlichen Zwecken, ist sie der öffentlichen Kanalisation «gleichgestellt». Dies bedeutet, dass die Wirkungen von Art. 11 Abs. 1 GSchG zum Tragen kommen, wonach das verschmutzte Abwasser aus Drittliegenschaften, die im Bereich der privaten Kanalisation liegen, in diese eingeleitet werden muss. Ebenso ist Art. 11 Abs. 3 GSchG anzuwenden; somit ist der Inhaber der privaten Kanalisation verpflichtet, den Anschluss von Drittliegenschaften an seine Kanalisation zu dulden und das von diesen Liegenschaften anfallende Abwasser abzunehmen.
48. Dabei bleibt das Verhältnis zwischen Kanalisationsinhaber und den anzuschliessenden Dritten ein privatrechtliches. Die Privaten können Entschädigung für die Mitbenutzung, Unterhalts‑ und Erneuerungspflichten frei auf privatvertraglicher Grundlage regeln. Kommt jedoch keine Einigung zustande, muss das Gemeinwesen mit Verfügung die gegenseitigen Rechte und Pflichten regeln. Ebenso erlässt es eine Verfügung, wenn der Anschluss der Drittliegenschaften nicht freiwillig vorgenommen wird oder sich der Inhaber der privaten Kanalisation weigert, den Anschluss der Drittliegenschaften zu dulden.
49. Das kantonale oder kommunale Recht kann die Voraussetzungen regeln, unter denen private Kanalisationen auch öffentlichen Zwecken dienen können. Ferner können auch öffentlichrechtliche Regeln für die Übernahme solcher Kanalisationen durch das Gemeinwesen, Entschädigung sowie Unterhalt und Erneuerung aufgestellt werden.
Résumé
Aux termes de l’art. 10 al. 1 LEaux, les cantons sont chargés de la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées provenant des zones à bâtir (let. a) et des groupes de bâtiments situés hors des zones à bâtir pour autant que les méthodes spéciales de traitement au sens de l’art. 13 LEaux n’assurent pas une protection suffisante des eaux ou ne sont pas économiques (let. b). Les cantons ne sont pas tenus d’exécuter eux-mêmes cette tâche mais peuvent la déléguer aux communes, à des corporations et établissements de droit public ou à des privés. Cet alinéa couvre non seulement la construction de ces installations mais vise également leur fonctionnement durable. Par conséquent, la collectivité doit entretenir correctement les installations et remédier immédiatement aux défauts de construction constatés. De plus, elle doit s’assurer de la constante optimisation de l’ensemble de ces installations par l’amélioration continuelle du système et par l’extension des réseaux d’égouts et des stations centrales d’épuration des eaux usées. L’al. 1bis LEaux impose aux cantons de veiller à l’exploitation économique de ces installations en exerçant un contrôle «et, le cas échéant, une plus grande influence sur la politique d’investissement des associations concernées».
L’al. 2 de l’art. 10 LEaux prévoit que, dans les régions retirées ou celles qui ont une faible densité de population, les eaux polluées peuvent être traitées par d’autres systèmes que les stations d’épuration, pour autant que la protection des eaux superficielles et souterraines soit assurée sur la base des exigences relatives au déversement d’eaux polluées communales dans les eaux (annexe 3.1 OEaux) et des exigences relatives à la qualité des eaux (annexe 2 OEaux).
En principe, la responsabilité ainsi que les coûts pour la construction, l’utilisation, l’entretien et le renouvellement des égouts sont à la charge des communes pour les égouts publics et des propriétaires pour les égouts privés. L’al. 3 instaure cependant une exception à ce principe lorsqu’une conduite d’eaux usées permet l’évacuation d’eaux usées d’un large cercle d’utilisateurs, en assimilant aux égouts publics les égouts privés pouvant également servir à des fins publiques. L’al. 4 a été abrogé avec la révision de la loi du 20 juin 1997 et a été remplacé par l’art. 7 al. 3 de la présente loi.
Literatur: Bundi Ulrich, Wasserwirtschaft als Spielfeld der Interessen, in: URP 2008, 423 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Rausch Heribert, Die Umweltschutzgesetzgebung – Aufgabe, geltendes Recht und Konzepte, Zürich 1977 (zit. Umweltschutzgesetzgebung).
Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU), Indikator Anschluss- und Ausbaugrad von Abwasserreinigungsanlagen, <http://www.bafu.admin.ch/umwelt/indikatoren/
08605/08610/index.html?lang=de>, 18.8.2015 (zit. Anschluss- und Ausbaugrad); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Maurer Max/Herlyn Anja), Zustand, Kosten und Investitionsbedarf der schweizerischen Abwasserentsorgung, Schlussbericht im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Dübendorf 2006 (zit. Schlussbericht Abwasserentsorgung); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag), Kennzahlen und Eckdaten – Siedlungswasserwirtschaft Schweiz, Stand 2012, <http://www.eawag.ch/forschung/sww/kennzahlen/index?print=1>, besucht am 27.8.2014 (zit. Kennzahlen).
Kehrli Jeannette | Stutz Hans W.
Anschluss‑ und Abnahmepflicht
1 Im Bereich öffentlicher Kanalisationen muss das verschmutzte Abwasser in die Kanalisation eingeleitet werden.
2 Der Bereich öffentlicher Kanalisationen umfasst:
a. Bauzonen;
b. weitere Gebiete, sobald für sie eine Kanalisation erstellt worden ist (Art. 10 Abs. 1 Bst. b);
c. weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist.
3 Der Inhaber der Kanalisation ist verpflichtet, das Abwasser abzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen.
Obligations de raccorder et de prendre en charge les eaux polluées
1 Les eaux polluées produites dans le périmètre des égouts publics doivent être déversées dans les égouts.
2 Le périmètre des égouts publics englobe:
a. les zones à bâtir;
b. les autres zones, dès qu’elles sont équipées d’égouts (art. 10, al. 1, let. b);
c. les autres zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être envisagé.
3 Les détenteurs des égouts sont tenus de prendre en charge les eaux polluées et de les amener jusqu’à la station centrale d’épuration.
Obbligo di allacciamento e di accettazione
1 Nel perimetro delle canalizzazioni pubbliche, le acque di scarico inquinate devono essere immesse nelle canalizzazioni.
2 Il perimetro delle canalizzazioni pubbliche comprende:
a. le zone edificabili;
b. le altre zone, non appena dispongano di una canalizzazione (art. 10 cpv. 1 lett. b);
c. le altre zone nelle quali l’allacciamento alle canalizzazioni sia opportuno e ragionevolmente esigibile.
3 Il detentore della canalizzazione è tenuto ad accettare le acque di scarico e a convogliarle verso la stazione centrale di depurazione.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 4 |
III. | Kommentierung | 7 |
A. | Bereich öffentlicher Kanalisationen (Abs. 2) | 7 |
1. | Umfang und Bedeutung | 7 |
2. | Im Besonderen: Weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist | 9 |
B. | Anschlusspflicht (Abs. 1) | 20 |
1. | Umfang | 20 |
2. | Pflichten des Abwasserinhabers | 23 |
3. | Zusammenhang mit der rechtsgenügenden Erschliessung | 26 |
4. | Abgrenzung zur Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers | 27 |
C. | Abnahmepflicht (Abs. 3) | 28 |
1. Die Pflicht zum Anschluss des Abwassers an die öffentliche Kanalisation und die komplementäre Pflicht des Inhabers dieser Kanalisation, das Abwasser abzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuleiten, wurden aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 GSchG 1971 übernommen – freilich mit dem wichtigen Unterschied, dass das nicht verschmutzte Abwasser möglichst nicht in die zentrale Abwasserreinigungsanlage abgeleitet werden soll (s. N 4 ff.).
2. In der bundesrätlichen Botschaft von 1987 steht zu Art. 11 GSchG lapidar ein Satz (Botschaft GSchG 1987, 1115): «Die generelle Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation hat sich bewährt und soll deshalb beibehalten werden.»
3. Der Vorschlag des Bundesrates (Botschaft GSchG 1987, 1185) wurde im parlamentarischen Prozess inhaltlich nicht verändert, sondern nur redaktionell angepasst (AB 1988 S 635).
4. Der Siedlungsentwässerung in der Schweiz liegt das Konzept der zentralen Reinigung des Abwassers zu Grunde. Während nach dem GSchG 1971 noch grundsätzlich alle Abwässer im Siedlungsgebiet der öffentlichen Kanalisation zuzuführen waren, zielt das heute geltende GSchG darauf ab, dass nur das verschmutzte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet wird, während das nicht verschmutzte Abwasser lokal zu versickern oder, wenn dies technisch nicht möglich ist, in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten ist.
5. Um dieses Konzept zu verwirklichen, genügt es nicht, gemäss Art. 10 Abs. 1 GSchG lediglich die erforderlichen öffentlichen Kanalisationen und zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu erstellen. Art. 11 Abs. 1 GSchG zwingt die Inhaber von verschmutztem Abwasser auch, dieses in die öffentliche Kanalisation abzuleiten und damit der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen. Mit dieser gesetzgeberischen Konstruktion gelingt es, das verschmutzte Abwasser im Siedlungsgebiet flächendeckend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GSchG zu behandeln, bevor es in den Vorfluter eingeleitet wird.
6. Art. 11 Abs. 1 GSchG errichtet im Bereich öffentlicher Kanalisationen ein mittelbares rechtliches Monopol (hierzu Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2564) hinsichtlich der Entsorgung des verschmutzten Abwassers, vergleichbar etwa mit dem Kehrichtentsorgungsmonopol der Kantone gemäss Art. 31b Abs. 1 USG. Dieses Entsorgungsmonopol ist vorwiegend (gewässerschutz‑)polizeilich motiviert (vgl. analog BGer 1A.15/2006 vom 10. August 2006, E. 3.1.2, dort gestützt auf Art. 31b Abs. 1 USG mit Bezug auf Abfälle aus der öffentlichen Abwasserreinigung).
1. Umfang und Bedeutung
7. Abs. 2 umschreibt den Perimeter, innerhalb dessen das verschmutzte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden muss und damit in der zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelt wird. Dieser Perimeter wird der «Bereich öffentlicher Kanalisationen» genannt. Er umfasst zunächst die Gebiete, in denen das Gemeinwesen auf Kosten der öffentlichen Abwasserrechnung gemäss Art. 10 Abs. 1 GSchG für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen sorgen muss. Es sind dies Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG (Art. 11 Abs. 2 Bst. a GSchG) und weitere Gebiete, sobald für sie eine Kanalisation erstellt worden ist (Art. 11 Abs. 2 Bst. b).
8. Indes geht der Bereich öffentlicher Kanalisationen über diese Gebiete hinaus. Nach Art. 11 Abs. 2 Bst. c GSchG umfasst er auch «weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist». In diesen Gebieten sind die Inhaber der anzuschliessenden Grundstücke für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation verantwortlich. Sie werden verpflichtet, ihre Liegenschaften an die öffentliche Kanalisation anzuschliessen. Die Inhaber tragen gemäss Art. 3a GSchG auch die Kosten für Projektierung, Erstellung und Betrieb der für den Anschluss erforderlichen privaten Abwasseranlagen.
2. Im Besonderen: Weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist
9. Was unter der Zweckmässigkeit und der Zumutbarkeit eines Anschlusses an die Kanalisation zu verstehen ist, wird im Verordnungsrecht näher ausgeführt. Gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. a GSchV ist der Anschluss zweckmässig, wenn er sich einwandfrei und mit normalem baulichem Aufwand herstellen lässt. Die Zumutbarkeit des Anschlusses ist gegeben, wenn die dafür aufzuwendenden Kosten diejenigen für vergleichbare Anschlüsse innerhalb der Bauzone nicht wesentlich überschreiten (Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV). Beim Entscheid über die Zweckmässigkeit und die Zumutbarkeit des Anschlusses handelt es sich um einen Ermessensentscheid, was von der zum Entscheid zuständigen Behörde eine pflichtgemässe Ermessensausübung erfordert, bei der sämtliche massgebenden Gesichtspunkte zu beurteilen und zu würdigen sind (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 9. Juli 2008 [VB.2008.00116], E. 11.3). Eine reiche Gerichtspraxis trägt des Weiteren zur Konkretisierung der zwei Kriterien bei.
Zweckmässigkeit
10. Nach Gerichtspraxis ist von der Zweckmässigkeit des Anschlusses auszugehen, wenn sich dieser einwandfrei und von den topografischen oder baugrundspezifischen Verhältnissen her ohne besonderen baulichen Aufwand herstellen lässt und das Fassungsvermögen der öffentlichen Kanalisationsleitung nicht übersteigt (Stutz, Abwasserrecht, 132; BGE 115 Ib 28, 30 f., E. 2b.aa; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 456, E. 4.2).
11. Der normale bauliche Aufwand wird bei der Unterquerung einer Strasse, einer Eternitleitung oder eines Bachs ebenso wenig infrage gestellt wie im Falle der Notwendigkeit einer Pumpe bzw. einer Druckleitung (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 4.2; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 456, E. 4.2). Ebenfalls bejaht wurde die Zweckmässigkeit des Anschlusses bei der Linienführung durch ein Naturschutzgebiet, da der Eingriff in dieses minimal ausfiel und gleichzeitig durch den Anschluss der Nährstoffeintrag ins Naturschutzgebiet vermindert werden konnte (BGE 115 Ib 28, 31, E. 2b.aa). Selbst das Verlegen einer Leitung, der Einbau von Sickerkies und Querriegeln aus Lehm sowie eine geologische Baubegleitung zur Verhinderung der Beeinträchtigung einer privaten Quelle waren nicht als derart ungewöhnlich zu qualifizieren, als dass dies zur Annahme eines Sonderfalls geführt hätte. Die Zweckmässigkeit des Anschlusses war deshalb auch in diesem Fall zu bejahen (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 458, E. 4.4).
12. Das Argument, eine alternative Lösung sei dem Kanalisationsanschluss ebenbürtig oder sogar überlegen, vermag die Zweckmässigkeit des Anschlusses ebenfalls nicht in Frage zu stellen (BGE 115 Ib 28, 31, E. 2b.aa; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 4. Dezember 2002, E. 2c m.w.H., in: URP 2003, 252, 254). Die Prüfung von Alternativen würde dem gesetzgeberischen Willen der generellen Anschlusspflicht widersprechen (Botschaft GSchG 1987, 1115; Kohler, Verhältnismässigkeitsprinzip, 311).
Zumutbarkeit
13. Für die Prüfung der Zumutbarkeit des Anschlusses ist auf die Summe der tatsächlich zu tragenden Kosten abzustellen (BGE 132 II 515, 517, E. 4). Aus diesem Grund sind auch die anfallenden Anschlussgebühren in die Prüfung miteinzubeziehen. Der Umstand, dass auch Grundeigentümer in der Bauzone Anschlussgebühren zu entrichten haben, vermag die Nichtberücksichtigung der Anschlussgebühren nicht zu rechtfertigen, zumal die Berechnungsweise und Höhe dieser Gebühren je nach Lage der Baute (Bauzone oder Nichtbauzone) stark variieren können (BGE 132 II 515, 517, E. 4).
14. Die Beurteilung der noch als zumutbar anzusehenden Kosten erfolgt in der Regel aufgeschlüsselt auf die anfallenden Kosten pro Einwohnergleichwert (EGW), wobei der EGW der Anzahl Schlaf‑, Wohn‑ und Arbeitsräume eines Wohnhauses (ohne Küche, Bad, WC etc.) entspricht (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 459, E. 5.2 m.w.H.; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.2; siehe auch BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 2c.bb). Möglich ist aber auch eine Beurteilung pauschal nach der Hausgrösse (VSA, Leitfaden Abwasser, B05 1; vgl. Regierungsrat AR, RRB 1996, 37, 39). Ein fester Wert, der noch als zumutbarer Betrag gilt, kann nicht festgelegt werden, da kein absoluter Referenzwert vorhanden ist, sondern vielmehr regionale Unterschiede bestehen (VSA, Leitfaden Abwasser, A02 5, B05 1). Die Gerichtspraxis hat u.a. folgende Anschlusskosten als zumutbar anerkannt, wobei die Höhe der zumutbaren Anschlusskosten im Laufe der Zeit im Rahmen der allgemeinen Preisentwicklung grundsätzlich gestiegen ist:
15. Auch unter Berücksichtigung der Teuerung als nicht mehr zumutbar wurden hingegen Anschlusskosten von CHF 10’000 pro EGW beurteilt (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 29. April 2004, in: BVR 2004 549, 558, E. 3.5.6).
16. Es stellt sich die Frage, ob bei Einhaltung eines bestimmten, nach der jeweiligen kantonalen Praxis noch als zumutbar einzustufenden, Betrags die Kosten einer Kleinabwasserreinigungsanlage oder einer anderen Alternativlösung zur Abwasserbeseitigung überhaupt in die Zumutbarkeitsprüfung miteinzubeziehen sind. Im Grundsatz gilt, dass die Anschlusspflicht nach Art. 11 GSchG nicht allein aus Gründen der technischen Abwasserbeseitigung, sondern auch zur Durchsetzung einer rechtsgleichen, gemeinschaftlichen und ausgewogenen Finanzierung der notwendigen Kanalisation- und Reinigungsanlagen besteht (BGE 115 Ib 28, 30, E. 2a; BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 3a; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 460, E. 5.3). Vor diesem Hintergrund kommt eine Befreiung von der Anschlusspflicht im Bereich öffentlicher Kanalisationen nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen von Art. 12 GSchG in Betracht (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 15. September 2004, E. 3.5, in: URP 2005, 373, 377).
17. Das Bundesgericht selbst hat die Frage, welche Auswirkungen alternative Formen der Abwasserbeseitigung auf die Zumutbarkeit des Anschlusses haben, nicht ausdrücklich beantwortet, hat allerdings die Zumutbarkeit des Anschlusses bei Einhalten eines bestimmten Betrags ohne weitere Prüfung bejaht (vgl. BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 2c.bb; BGE 132 II 515, 518, E. 5.2; siehe Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 460, E. 5.3, wonach die Kosten einer alternativen Art der Abwasserbeseitigung unter den üblichen Umständen nicht zu berücksichtigen sind; gl.M. Verwaltungsgericht TG, Urteil vom 30. Juni 2010, E. 2.1, in: TVR 2010 Nr. 16, wonach die Frage, ob allenfalls eine Kleinkläranlage günstiger wäre, für die Zumutbarkeit keine Rolle spielt). Diese Praxis ist nicht zu beanstanden. Massgebend ist einzig, ob die für den Kanalisationsanschluss aufzuwendenden Kosten diejenigen für vergleichbare Anschlüsse innerhalb der Bauzone nicht wesentlich überschreiten (vgl. Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV). Wann eine wesentliche Überschreitung der Kosten für vergleichbare Anschlüsse vorliegt, kann nicht abschliessend beantwortet werden, sondern liegt im Ermessen der zuständigen Behörde.
18. Nach der Praxis des Verwaltungsgerichts Zürich sind die Kosten alternativer Lösungen in die Zumutbarkeitsbeurteilung miteinzubeziehen, wenn die anfallenden Kosten im interkantonalen Vergleich oder im Vergleich mit den nach bisheriger Rechtsprechung als zumutbar eingestuften Kosten als hoch erscheinen (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 4. Dezember 2002, E. 4c.cc und 4d.bb, in: URP 2003, 252, 258 f.; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.5.6). Ein Vergleich mit den Kosten für eine dezentrale gewässerschutzkonforme Abwasserreinigungsanlage könne nicht erst bei Überschreiten eines bestimmten, als zumutbar eingestuften Normwerts erfolgen. Vielmehr würden sich nur im unteren Bereich der zumutbaren Anschlusskosten Mehrkosten eines Anschlusses gegenüber alternativen gewässerschutzkonformen Lösungen von mehr als 20 % rechtfertigen (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.5.6 und 5.5.7).
19. Diese Praxis des Verwaltungsgerichts Zürich überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat durch die Definition des Zumutbarkeitsbegriffs in Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV die Kriterien der Zumutbarkeitsbeurteilung vorweggenommen. Wenn alternative Formen der Abwasserbeseitigung eine günstigere Lösung als ein Anschluss an die zentrale Abwasserreinigungsanlage darstellen, sollte dies die Zumutbarkeit nicht in Frage stellen. Das gleiche gilt – wie erwähnt – auch für die Frage der Zweckmässigkeit, welche nicht einmal dadurch beinflusst wird, dass andere Formen der Abwasserbeseitigung dem Kanalisationsanschluss überlegen sein können (s. N 12).
1. Umfang
20. Der Wortlaut von Abs. 1 knüpft nicht ausdrücklich an den Anschluss von Bauten und Anlagen an die öffentliche Kanalisation an – obwohl üblicherweise genau dies unter dem in der Marginalie genannten Stichwort «Anschlusspflicht» verstanden wird. Abs. 1 regelt unmittelbar die Entsorgung des verschmutzten Abwassers und mittelbar (weil solches sinnvoll nur über einen Kanalisationsanschluss zu bewerkstelligen ist) die Pflicht zum Anschluss von Bauten und Anlagen, von denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation.
21. Angeschlossen werden müssen Gebäude und Anlagen, aus denen verschmutztes Abwasser anfällt, bzw. die mit den entsprechenden Abwasseranlagen (gebäudeinterne Kanalisation zur Aufnahme von Abwasser aus Küche, Bad, WC-Anlagen, Waschküche, Produktionsräumen usw.) ausgerüstet sind. Das GSchG verlangt allerdings nicht, dass jeder einzelne Teil einer Anlage oder jedes einzelne Grundstück eigene Anschlussleitungen aufweisen muss. So ist es etwa zulässig, das Abwasser, das bei der Reinigung eines Gartenterrassenbetriebs anfällt, mittels Kanistern in der angrenzenden Bar zu entsorgen und über den dortigen Anschluss in die Kanalisation einzuleiten (BGer 1C_534/2011 vom 29. Mai 2012, E. 3.3, in: URP 2013, 349, 355).
22. Die Anschlusspflicht umfasst die Pflicht, einen technisch einwandfreien Anschluss an die öffentliche Kanalisation vorzunehmen. Das kantonale Recht kann die Einzelheiten regeln. Typischerweise enthalten die kommunalen Erlasse zur Siedlungsentwässerung Vorschriften über die Ausgestaltung des Anschlusses und die Bau‑ und Unterhaltspflichten der Beteiligten, erfolgt doch mit dem Anschluss der privaten Hausanschlussleitung an die öffentliche Kanalisation auch eine Abgrenzung der Verantwortlichkeitssphäre des privaten Anschlusspflichtigen gegenüber derjenigen des Gemeinwesens als Träger der öffentlichen Kanalisation.
2. Pflichten des Abwasserinhabers
23. Die Anschlusspflicht besteht, soweit nicht eine Ausnahme nach Art. 12 GSchG vorliegt. Der Inhaber ist insbesondere verpflichtet, das verschmutzte Abwasser in einer Beschaffenheit und Menge abzuleiten, die den Anforderungen der Gewässerschutzverordnung (Anhang 3 GSchV) entsprechen.
24. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung beruht die Anschlusspflicht nicht nur auf Überlegungen der technischen Abwasserentsorgung, sondern soll auch eine ausgewogene, gemeinschaftliche und rechtsgleiche Finanzierung der für den Gewässerschutz erforderlichen Kanalisations- und Reinigungsanlagen sicherstellen (BGE 115 Ib 28, 30, E. 2a; 112 Ib 51, 53 f., E. 5; 107 Ib 116, 118, E. 2a).
25. Aus diesem Grund kann auch bei Vorliegen einer funktionsfähigen alternativen Lösung zur Abwasserbeseitigung (z.B. Kleinabwasserreinigungsanlage) der Anschluss an die öffentliche Kanalisation verlangt werden, sobald sich die betreffende Baute im Bereich der öffentlichen Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 GSchG befindet. Wurde z.B. ausserhalb des Bereichs der öffentlichen Kanalisation eine Kleinabwasserreinigungsanlage bewilligt und erschliesst die Gemeinde zu einem späteren Zeitpunkt das Gebiet kanalisationstechnisch, so befindet sich die betreffende Baute damit neu im Bereich der öffentlichen Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 Bst. b GSchG. Ein Anschluss hat zu erfolgen, auch wenn die vormals bewilligte alternative Form der Abwasserbeseitigung einwandfrei funktioniert.
3. Zusammenhang mit der rechtsgenügenden Erschliessung
26. Der Anschluss an die öffentliche Kanalisation stellt eine Voraussetzung für eine hinreichende Erschliessung im Sinne von Art. 19 RPG dar. Fehlt es an der Erschliessung, ist die Erteilung einer Baubewilligung ausgeschlossen. Dies wird in Art. 17 GSchG ausdrücklich normiert.
4. Abgrenzung zur Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers
27. Abs. 1 bezieht sich ausschliesslich auf verschmutztes Abwasser im Sinne von Art. 4 Bst. f GSchG. Nicht verschmutztes Abwasser soll wenn möglich von der öffentlichen Kanalisation ferngehalten werden (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Hierfür sind grundsätzlich eigene Entsorgungsanlagen vorzusehen (namentlich Versickerungsanlagen zur lokalen Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers). Aus diesem Grund verlangt Art. 11 GSchV, dass das Niederschlagswasser und das Fremdwasser bis ausserhalb des Gebäudes getrennt vom verschmutzten Abwasser abgeleitet werden.
28. Während der Inhaber des Abwassers gestützt auf Abs. 1 zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation verpflichtet ist, hat der Inhaber der öffentlichen Kanalisation dieses Abwasser aufgrund von Abs. 3 entgegenzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen.
29. Öffentliche Kanalisation und zentrale Abwasserreinigungsanlage bilden dabei eine funktionale Einheit: Mit der Abnahmepflicht ist gleichzeitig auch eine Pflicht des Inhabers der öffentlichen Kanalisation verbunden, für eine umweltgerechte Entsorgung des Abwassers zu sorgen. Ist der Inhaber der öffentlichen Kanalisation gleichzeitig auch Inhaber der zentralen Abwasserreinigungsanlage, hat er dafür zu sorgen, dass das Abwasser in seiner zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelt wird. Haben öffentliche Kanalisation und zentrale Abwasserreinigungsanlage hingegen verschiedene Inhaber, muss der Inhaber der öffentlichen Kanalisation das Abwasser dem Inhaber der zentralen Abwasserreinigungsanlage übergeben; Letzterer ist dann für die gewässerschutzrechtskonforme Behandlung des Abwassers verantwortlich.
Résumé
L’art. 11 LEaux fixe deux obligations complémentaires. L’art. 11 al. 1 LEaux prévoit une obligation générale de raccordement aux égouts publics, dans lesquels les eaux polluées au sens de l’art. 4 let. f LEaux doivent être déversées. Cet alinéa institue un monopole de droit sur l’élimination des eaux polluées. La seconde obligation est celle imposée aux détenteurs des égouts publics de prendre en charge les eaux polluées et de les amener jusqu’à la station centrale d’épuration (art. 11 al. 3 LEaux). Les détenteurs des eaux polluées sont, en outre, tenus de s’assurer que les eaux polluées soient évacuées conformément aux exigences de qualité et de quantité fixées à l’annexe 3 OEaux.
L’obligation de raccordement dans le périmètre des égouts (art. 11 al. 2 LEaux) englobe, en dehors des zones de constructions au sens de l’art. 15 LAT, d’autres zones telles que celles équipées d’égouts (art. 11 al. 2 let. b LEaux) ou les zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être exigé (art. 11 al. 2 let. c LEaux). Selon l’art. 12 al. 1 let. a OEaux, le raccordement est opportun lorsqu’il peut être effectué conformément aux règles de la technique et aux coûts de construction usuels. Il est raisonnablement exigible lorsque les coûts du raccordement ne sont pas sensiblement plus élevés que ceux d’un raccordement comparable dans la zone à bâtir (art. 12 al. 1 let. b OEaux). La décision sur l’opportunité et l’exigibilité du raccordement est une décision discrétionnaire. Une abondante jurisprudence concrétise ces deux principes.
Le raccordement aux égouts publics est également une condition pour l’équipement adéquat au sens de l’art. 19 LAT. Selon la jurisprudence constante du TF, l’obligation de raccordement se fonde non seulement sur des considérations techniques d’évacuation des eaux, mais vise également à assurer un financement équilibré, commun et égal pour tous des canalisations et installations d’épuration.
Materialien: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Hinweise für die Abwasserbeseitigung im ländlichen Raum, in: Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 107, Bern 1989 (zit. Abwasserbeseitigung); Regierungsrat AR, Regierungsratsbeschluss vom 13. August 1996, in: AR GVP 8/1996, 37 ff. (zit. RRB 1996); Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Abwasser im ländlichen Raum – Leitfaden für Planung, Evaluation, Betrieb und Unterhalt von Abwassersystemen bei Einzelliegenschaften und Kleinsiedlungen, Zürich 2005 (zit. Leitfaden Abwasser).
Kehrli Jeannette | Stutz Hans W.
Sonderfälle im Bereich öffentlicher Kanalisationen
1 Wer Abwasser einleiten will, das den Anforderungen an die Einleitung in die Kanalisation nicht entspricht, muss es vorbehandeln. Die Kantone regeln die Vorbehandlung.
2 Die kantonale Behörde entscheidet über die zweckmässige Beseitigung von Abwasser, das für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist.
3 Nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt, darf weder direkt noch indirekt einer zentralen Abwasserreinigungsanlage zugeleitet werden. Die kantonale Behörde kann Ausnahmen bewilligen.
4 In einem Landwirtschaftsbetrieb mit erheblichem Rindvieh- und Schweinebestand darf das häusliche Abwasser zusammen mit der Gülle landwirtschaftlich verwertet werden (Art. 14), wenn:
a. die Wohn‑ und Betriebsgebäude mit Umschwung in der Landwirtschaftszone liegen oder die Gemeinde Massnahmen trifft, namentlich Planungszonen bestimmt, um die Gebäude samt Umschwung der Landwirtschaftszone zuzuweisen;
b. die Lagerkapazität auch für das häusliche Abwasser ausreicht und die Verwertung auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche sichergestellt ist.
5 Werden Wohn‑ und Betriebsgebäude mit Umschwung nach Absatz 4 nicht innert fünf Jahren nach Erlass der Massnahmen der Landwirtschaftszone zugewiesen, so muss das häusliche Abwasser in die Kanalisation geleitet werden.
Cas particuliers dans le périmètre des égouts publics
1 Celui qui détient des eaux usées ne répondant pas aux exigences fixées pour le déversement dans les égouts doit soumettre celles-ci à un prétraitement. Celui-ci est réglementé par les cantons.
2 Lorsque les eaux usées ne se prêtent pas à l’épuration dans une station centrale, l’autorité cantonale prescrit un mode d’élimination approprié.
3 Les eaux non polluées dont l’écoulement est permanent ne doivent pas être amenées, directement ou indirectement, à une station centrale d’épuration. L’autorité cantonale peut autoriser des exceptions.
4 Dans une exploitation agricole comprenant un important cheptel bovin ou porcin, les eaux usées domestiques peuvent être mélangées au lisier (art. 14) lorsque:
a. les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes ont été classés en zone agricole ou que la commune a pris les dispositions nécessaires pour qu’ils le soient, notamment par des mesures d’aménagement du territoire;
b. la capacité d’entreposage est suffisante pour que les eaux usées domestiques puissent également y être recueillies et que leur utilisation soit possible sur les terres en propre ou en fermage.
5 Si, dans les cinq ans, les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes au sens de l’al. 4 ne sont pas classés en zone agricole, les eaux usées domestiques seront alors déversées dans les égouts.
Casi particolari nel perimetro delle canalizzazioni pubbliche
1 Chi ha acque di scarico che non soddisfano le esigenze per l’immissione nelle canalizzazioni deve pretrattarle. I Cantoni disciplinano il pretrattamento.
2 Per le acque di scarico non idonee ad essere trattate in una stazione centrale di depurazione, l’autorità cantonale prescrive altri metodi appropriati di eliminazione.
3 Le acque di scarico non inquinate, con afflusso permanente, non devono essere introdotte né direttamente né indirettamente in una stazione centrale di depurazione. L’autorità cantonale può autorizzare eccezioni.
4 In un’azienda agricola con un notevole effettivo di bovini o suini, le acque di scarico domestiche possono essere sfruttate a scopi agricoli insieme al colaticcio (art. 14), se:
a. gli edifici abitativi e aziendali e il terreno adiacente si trovano in zona agricola o il comune adotta le disposizioni necessarie, segnatamente delimita zone di pianificazione, per dichiararli in zona agricola;
b. la capacità di deposito è sufficiente anche per le acque di scarico domestiche e lo sfruttamento su superfici utili, proprie o affittate, è assicurato.
5 Se, entro cinque anni dall’adozione delle misure, gli edifici abitativi e aziendali e il terreno adiacente secondo il capoverso 4 non sono dichiarati in zona agricola, le acque di scarico domestiche devono essere immesse nelle canalizzazioni.
Inhaltsübersicht
I. | Entstehungsgeschichte | 1 |
II. | Allgemeine Bemerkungen | 5 |
A. | Überblick | 5 |
B. | Abwasservorbehandlung | 9 |
C. | Abwasser, das für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist | 13 |
D. | Fremdwasserproblematik | 16 |
E. | Landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers | 19 |
III. | Kommentierung | 21 |
A. | Vorbehandlung von Abwasser (Abs. 1) | 21 |
1. | Handlungspflichten | 21 |
2. | Vorbehandlungsmassnahmen | 37 |
3. | Kantonale Regelung der Vorbehandlung | 43 |
B. | Entsorgung von für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignetem Abwasser (Abs. 2) | 46 |
1. | Zweckmässige Entsorgung von nicht geeignetem Abwasser | 46 |
2. | Entscheid der kantonalen Behörde | 48 |
3. | Mitwirkung des Inhabers des Abwassers | 52 |
C. | Fremdwasser | 58 |
1. | Begriff und Abgrenzung | 58 |
2. | Ausnahmebewilligung | 60 |
D. | Landwirtschaftliches Privileg (Abs. 4 und 5 |
62 |
1. | Voraussetzungen | 62 |
2. | Besonderes | 69 |
1. Die Abs. 1 und 2 knüpfen inhaltlich an die Regelung von Art. 18 Abs. 1 und 2 GSchG 1971 an (AS 1972 950). Als Ausnahme zur allgemeinen Kanalisationsanschlusspflicht wurde in Abs. 1 die kantonale Behörde ermächtigt, «besondere Arten der Behandlung und Ableitung» anzuordnen, wenn es sich um Abwässer handelte, «die für die zentrale Reinigung nicht geeignet sind oder für die diese aus anderen wichtigen Gründen nicht angezeigt ist». Dabei dachte man in erster Linie an Industrieabwasser (Botschaft GSchG 1970, 452). Abs. 2 Satz 2 schränkte die Pflicht der Inhaber der Kanalisationen, die Abwässer abzunehmen und der zentralen Reinigung zuzuführen, ein: «Abwässer mit schädlichen Wirkungen für die Abwasseranlagen sind vor der Einleitung in die Kanalisationen durch den Verursacher vorbehandeln zu lassen.»
2. Eine Vorschrift über nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt (Abs. 3), war im GSchG 1971 noch nicht enthalten. Immerhin wurde auf Verordnungsebene unter dem Stichwort «Abwasserverdünnung» angeordnet, dass «wenig verschmutztes Niederschlagswasser, Sickerwasser, Quellwasser, Bachwasser und ähnliche unverschmutzte Wässer mit Rücksicht auf die unerwünschte Verdünnung in der Mischwasserkanalisation […] direkt in ein Oberflächengewässer einzuleiten oder unter Berücksichtigung der örtlichen hydrogeologischen und technischen Verhältnisse versickern zu lassen» seien (Art. 4 Abs. 3 der bundesrätlichen Verordnung über Abwassereinleitungen vom 8. Dezember 1975, AS 1975 2403).
3. Zu den Abs. 4 und 5 finden sich im GSchG 1971 keine entsprechenden Be-stimmungen. Die landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers wurde vor der Regelung in Art. 12 Abs. 4 und 5 GSchG lediglich jenen Landwirten zugestanden, deren Betriebe ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen lagen (Botschaft GSchG 1987, 1116).
4. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Art. 12 (Botschaft GSchG 1987, 1185 f.) wurde von den eidgenössischen Räten mit unbedeutenden redaktionellen Änderungen ins Gesetz übernommen. Weder im Nationalrat noch im Ständerat war Art. 12 Gegenstand von Debatten.
5. Es geht in Art. 12 GSchG um verschiedene Tatbestände, die in einem bestimmten Zusammenhang mit der Entsorgung von verschmutztem Abwasser im Bereich der öffentlichen Kanalisationen stehen.
6. Art. 12 GSchG knüpft an die bestehende allgemeine Pflicht zum Anschluss des verschmutzten Abwassers an die öffentliche Kanalisation (Art. 11 Abs. 1 GSchG) an. In Art. 12 GSchG werden zunächst drei Sachverhalte geregelt, bei denen der Grundsatz der Einleitung des verschmutzten Abwassers in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage durchbrochen wird (Abs. 1, 2 sowie 4–5). Ferner befasst sich Abs. 3 mit der sogenannten Fremdwasserproblematik. Als Fremdwasser wird «nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt» verstanden.
7. Zu Art. 12 GSchG hat der Bundesrat mit der Gewässerschutzverordnung gesetzesvertretendes Ausführungsrecht geschaffen. Art. 6–17 GSchV und die Anh. 3.2 und 3.3 GSchV enthalten Bestimmungen, welche die Vorgaben von Art. 12 GSchG präzisieren. Insbesondere enthalten die Anh. 3.2 und 3.3 GSchV Anforderungen an die Beschaffenheit des abzuleitenden verschmutzten Abwassers.
8. In Bezug auf Abs. 4 von Art. 12 GSchG definiert Art. 12 Abs. 3 GSchV, was unter einem erheblichen Rindvieh‑ und Schweinebestand gemeint ist.
9. Die zentrale Abwasserreinigungsanlage ist in erster Linie auf die Behandlung von kommunalem Abwasser (Anh. 3.1 GSchV) ausgerichtet. Dieses enthält neben Feststoffen gelöste organische, leicht abbaubare (Nähr‑)Stoffe. Während die Feststoffe in der mechanischen Stufe vom Abwasser abgetrennt werden, werden die gelösten Stoffe in der biologischen Stufe der zentralen Abwasserreinigungsanlage durch Mikroorganismen abgebaut.
10. Es muss sichergestellt werden, dass in der biologischen Reinigungsstufe der zentralen Abwasserreinigungsanlage dauernd Bedingungen herrschen, bei denen die Mikroorganismen ihre Funktion des Abbaus der organischen Stoffe erfüllen können. Das Rohabwasser muss in Bezug auf Temperatur und Zusammensetzung bestimmte Eigenschaften aufweisen. Insbesondere dürfen keine Stoffe in Konzentrationen im Rohabwasser auftreten, die allein oder in ihrem Zusammenwirken auf die Mikroorganismen toxisch wirken. Ferner sind oberflächenaktive Stoffe wie Detergentien in höheren Konzentrationen problematisch, weil sie in der zentralen Abwasserreinigungsanlage störend wirken (Schaumbildung usw.). Dies beeinträchtigt die Aufnahme von Sauerstoff durch die Mikroorganismen, was im Extremfall zu einem vollständigen Versagen der biologischen Stufe und damit zu gravierenden Gewässerverunreinigungen führen kann.
11. Auch die Temperaturverhältnisse haben einen Einfluss auf die Reinigungsleistung der biologischen Stufe der zentralen Abwasserreinigungsanlage. Je nach Temperatur des Abwassers ist das Abbauverhalten der Mikroorganismen verschieden, was zu Unterschieden bei der Reinigungsleistung der zentralen Abwasserreinigungsanlage führt.
12. Um das Funktionieren der zentralen Abwasserreinigungsanlage sicherzustellen, legt die Gewässerschutzverordnung in Anh. 3.2 für Industrieabwasser und in Anh. 3.3 für «anderes» verschmutztes Abwasser (als kommunales Abwasser und Industrieabwasser) Anforderungen an dessen Beschaffenheit fest. Diese Anforderungen müssen am Ort der Einleitung in die öffentliche Kanalisation eingehalten werden. Man spricht von «Vorbehandlung» des Abwassers am Anfallort (Vorbehandlung deshalb, weil das vorbehandelte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet wird und in der zentralen Abwasserreinigungsanlage dann soweit behandelt wird, dass es in das Gewässer eingeleitet werden kann). Ziel dieser Vorbehandlung ist mithin, das Abwasser gemäss den Anforderungen der GSchV so zu konditionieren, dass es in die öffentliche Kanalisation abgeleitet werden kann.
13. Abs. 2 bezieht sich auf verschmutztes Abwasser, das aufgrund seiner Beschaffenheit oder Menge nicht (ohne Weiteres) in die öffentliche Kanalisation und somit die zentrale Abwasserreinigungsanlage abgeleitet werden darf, weil es zu Problemen in der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen kann. So kann es zu hydraulischen Überlastungen der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage kommen, wenn Abwassermengen eingeleitet werden, welche die Kapazität der Abwasseranlagen übersteigen. Die Folge können vermehrte ungewollte Entlastungen von verschmutztem Abwasser, das noch nicht behandelt ist, in die Gewässer sein, wodurch Gewässerverunreinigungen entstehen. Ferner können Überlastungen der Reinigungsstufen der zentralen Abwasserreinigungsanlage auftreten, die dazu führen, dass ungenügend gereinigtes Abwasser in den Vorfluter fliesst oder es zum Rückstau in der Kanalisation kommt. Vor allem bei Industrieabwasser werden auch toxische und korrosive Stoffe abgeleitet, die zu Schäden an der öffentlichen Kanalisation (Korrosion von Abwasserleitungen) oder an der zentralen Abwasserreinigungsanlage (toxische Wirkungen auf die biologische Reinigungsstufe) führen können.
14. Im Einzelnen geht es um:
15. Abs. 2 regelt nicht das Thema Fremdwasser, weil es sich dabei – vom Ursprungsort aus betrachtet – um nicht verschmutztes Abwasser handelt. Bei der Entsorgung des Fremdwassers sind die Vorschriften über die Entsorgung von nicht verschmutztem Abwasser anzuwenden (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Hingegen gilt Kühlwasser gemäss Anh. 3.3 Ziff. 21 und 22 GSchV als verschmutztes Abwasser. Diese gesetzliche Vermutung kann nicht widerlegt werden, da das Kühlwasser einerseits in der Regel physikalisch verändert wurde (Temperatur!) und andererseits stets ein gewisses Risiko besteht, dass das Kühlwasser mit Stoffen, die Wasser verunreinigen können, verunreinigt wird.
16. Pro Jahr wird in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen schweizweit knapp 1,7 Mrd. m3 verschmutztes Abwasser behandelt (Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 131). Im Durchschnitt beträgt dabei der Anteil des Fremdwassers etwa 40 %, wobei je nach Kanton erhebliche Abweichungen vom schweizerischen Mittel auftreten (z.B. Kanton Wallis: mehr als 60 %; Kanton Basel-Land, nach einer Kampagne zur Fremdwassersanierung: 30 %; vgl. Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 138). Das Fremdwasser stammt aus Sickerleitungen, landwirtschaftlichen Drainagen, Quellen, eingedolten oberirdischen Gewässern, Überläufen von Reservoiren der Wasserversorgung und aus Laufbrunnen. Nicht zu vernachlässigen sind auch Grundwassereinbrüche bei schadhaften Kanalisationen.
17. Hohe Fremdwasseranteile in der öffentlichen Kanalisation und in der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen zu verschiedenen unerwünschten Effekten:
18. Fremdwasserzuflüsse in die öffentliche Kanalisation sind zu sanieren (Komm. zu Art. 76 GSchG N 6 f.). Das Fremdwasser, welches als nicht verschmutzt gilt, ist zu versickern oder, wenn dies aus technischen Gründen (Versickerungsfähigkeit des Bodens usw.) nicht möglich ist, in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten.
E. Landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers
19. Art. 12 Abs. 4 regelt eine Ausnahme von der Anschlusspflicht für landwirtschaftliche Betriebe. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, eine differenzierte Regelung der Abwasserbeseitigung zu verwirklichen und eine aus Sicht des Gewässerschutzes vorteilhafte Verwertung der Abwässer zu ermöglichen (Botschaft GSchG 1987, 1116). Da landwirtschaftliche Gülle ohnehin vor der Ausbringung mit Wasser verdünnt werden muss, damit keine Schäden an begüllten Kulturen entstehen und die Nährstoffe der Gülle besser genutzt werden, ist es sinnvoll, dafür häusliches Abwasser anstelle von Trinkwasser zu verwenden (BLW/BUWAL, Wegleitung Landwirtschaft, 52; Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 21. August 2013, B-2013-61, E. 4.5.4). Da der natürliche Boden, sofern er bepflanzt und durchwurzelt ist, bei sachgerechter Ausbringung der verdünnten Gülle als Filter für das Abwasser einen äusserst hohen Wirkungsgrad aufweist, ist eine solche Abwasserbehandlung zudem aus Sicht des Gewässerschutzes vorteilhaft (BLW/BUWAL, Wegleitung Landwirtschaft, 52).
20. Sind die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 erfüllt, entfällt die Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation. Es ist insbesondere auch nicht zu prüfen, ob ein Anschluss an die Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 Bst. c zweckmässig und zumutbar wäre (BGer 1C_401/2008 vom 26. März 2009, E. 2.3).
1. Handlungspflichten
21. Die Verpflichtung zur Abwasservorbehandlung trifft den Inhaber des Abwassers, wie aus dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 1: «Wer Abwasser einleiten will, […] muss es vorbehandeln» geschlossen werden kann. Ein Blick auf das ausführende Verordnungsrecht zeigt indes, dass der Inhaberbegriff mehrschichtig ist. Je nach Sachzusammenhang ist der Inhaber des verschmutzten Abwassers, der Inhaber der Abwasseranlagen (wozu auch Vorbehandlungsanlagen zählen) oder auch der Inhaber des Betriebs, der Industrieabwasser ableitet, Adressat von Art. 12 GSchG. Im Übrigen ist der Inhaberbegriff im Gewässerschutzrecht gleich wie im Umweltschutzrecht zu definieren: Als Inhaber gilt, wer die tatsächliche Herrschaft über eine Sache innehat. Tatsächliche Sachherrschaft «meint das faktische Vermögen, die Sache ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht zu verwenden, zu verändern, zu zerstören, zu behalten oder weiterzugeben» (Brunner/Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30-32e, N 50, mit Verweis auf BGE 119 Ib 492, 502, E. 4b cc; 118 Ib 407, 411, E. 3c = URP 1993, 87; vgl. auch Lustenberger, Gefahrenabwehr, 378 ff.; ferner Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 15. März 2004, E. 4.4, in: BVR 2004 464, 472).
22. Im Einzelnen bestehen bei der Verpflichtung zur Abwasservorbehandlung folgende Handlungspflichten:
Pflicht zur Projektierung und Erstellung der Vorbehandlungsanlagen
23. Die Entsorgung von Industrieabwasser (d.h. Abwasser aus gewerblichen und industriellen Betrieben sowie damit vergleichbares Abwasser, wie solches aus Laboratorien und Spitälern; Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. a und b GSchV) ist Teil der betrieblichen Leistungserbringungsprozesse. Ist eine Vorbehandlung bestimmter verschmutzter Abwässer erforderlich, ist dies zwangsläufig mit Umstellungen in den betrieblichen Abläufen verbunden.
24. Diese Umstellungen müssen vom Betrieb bewusst geplant werden. Es ist zu entscheiden, welche Verfahrenstechnik bei der Abwasserbehandlung eingesetzt werden soll. Unter Umständen sind mit Blick auf die Entsorgung des Abwassers überdies Produktionsprozesse zu optimieren (z.B. Verfahrensumstellungen in der Produktion, Substitution von Stoffen durch weniger problematische). Über die Anwendung einer geeigneten Abwassertechnologie hinaus sind somit stets auch organisatorische und betriebliche Massnahmen in Betracht zu ziehen. Oft sind Kombinationen verschiedener Massnahmen zielführend; es gibt nicht nur eine Möglichkeit, um das Ziel der Abwasservorbehandlung zu erreichen, nämlich dass das in die öffentliche Kanalisation abzuleitende Abwasser in seiner Beschaffenheit den Anforderungen von Anh. 3.2 GSchV (Industrieabwasser) bzw. Anh. 3.3 GSchV (anderes verschmutztes Abwasser) dauernd entspricht.
25. Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV gibt bei Industrieabwasser vor, dass bei Produktionsprozessen und bei der Abwasserbehandlung die nach dem Stand der Technik notwendigen Massnahmen getroffen werden müssen, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Insbesondere ist dafür zu «sorgen, dass:
a. so wenig abzuleitendes Abwasser anfällt und so wenig Stoffe, die Wasser verunreinigen können, abgeleitet werden, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist;
b. nicht verschmutztes Abwasser und Kühlwasser getrennt von verschmutztem Abwasser anfällt;
c. verschmutztes Abwasser weder verdünnt noch mit anderem Abwasser vermischt wird, um die Anforderungen einzuhalten; die Verdünnung ist erlaubt, wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist und dadurch nicht mehr Stoffe abgeleitet werden als bei getrennter Behandlung.»
26. Zusätzlich gibt Anh. 3.2 GSchV für Industrieabwasser allgemeine Anforderungen (z.B. Anforderungen an den pH-Wert des abzuleitenden Abwassers, Konzentrationsgrenzwerte für bestimmte Schwermetalle und andere Stoffe) und für Abwasser aus bestimmten Branchen besondere Anforderungen vor.
27. Bei anderem verschmutztem Abwasser im Sinne von Anh. 3.3 GSchV legt die Gewässerschutzbehörde die Anforderungen an die Einleitung aufgrund der Eigenschaften des Abwassers, des Standes der Technik und des Zustandes des Gewässers im Einzelfall fest (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Auch hier sind für bestimmte Prozesse (für Anlagen mit Kühlsystemen, Baustellen, Fassaden‑ und Tunnelreinigung, Deponien, Kiesaufbereitungsanlagen oder Schwimmbecken) ergänzend besondere Anforderungen zu beachten (Anh. 3.3 Ziff. 2 GSchV).
28. Einleitungen von Industrieabwasser nach Anh. 3.2 GSchV und von anderem verschmutztem Abwasser nach Anh. 3.3 GSchV in die öffentliche Kanalisation sind bewilligungspflichtig (Art. 7 Abs. 1 GSchV). Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ist nicht nur zu prüfen, ob die Anforderungen nach Anh. 3.2 bzw. Anh. 3.3 GSchV eingehalten werden, sondern auch, ob Gründe zur Verschärfung oder Erleichterung der Anforderungen vorliegen (Art. 7 Abs. 2 und 3 GSchV).
29. Selbstverständlich sind auch Einleitungen von verschmutztem Abwasser in Gewässer und die ausnahmsweise Versickerung solchen Abwassers bewilligungspflichtig (Art. 7 Abs. 1 GSchG in Verbindung mit Art. 6 GSchV bzw. Art. 8 GSchV). Auch bei der Einleitung verschmutzten Abwassers in Gewässer bestehen Verschärfungs‑, Ergänzungs‑ und Erleichterungsgründe (Art. 6 Abs. 2–4 GSchV; vgl. dazu Komm. zu Art. 7 GSchG N 29 ff.).
30. Für die Erstellung der Vorbehandlungsanlagen ist ihr Inhaber verantwortlich (so auch ausdrücklich Art. 15 Abs. 1 GSchG). Dieser ist regelmässig gleichzeitig auch der Inhaber des Abwassers.
Pflicht, die Vorbehandlungsanlagen sachgemäss zu betreiben
31. Im Hinblick auf einen störungsfreien Betrieb müssen die Vorbehandlungsanlagen sachgemäss betrieben werden. Unter einem sachgemässen Betrieb sind die fachkundige Bedienung, die permanente Wartung und der hinreichende Unterhalt der Anlagen zu verstehen. Diese Pflichten folgen bereits in allgemeiner Weise aus Art. 12 Abs. 1 GSchG und werden in Art. 15 Abs. 1 GSchG ausdrücklich als Pflichten des Inhabers der Abwasseranlagen genannt. Auf Verordnungsebene führt Art. 13 GSchV («Fachgerechter Betrieb») die Pflichten näher aus.
32. Zu einem sachgemässen Betrieb gehören auch verschiedene Nebenpflichten, so etwa das Protokollieren der wesentlichen Betriebszustände der Vorbehandlungsanlage (namentlich Aufzeichnungen einer pH-Endkontrolle, Ergebnisse von chemischen Analysen, Rapporte über Betriebsstörungen und deren Behebung, Protokolle der vorgeschriebenen regelmässigen Funktionskontrollen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GSchG). Zu den im Einzelnen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Abwasseranlagen bestehenden Pflichten s. Komm. zu Art. 15 GSchG N 28 ff.
Meldepflichten gegenüber der Gewässerschutzbehörde
33. Die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation ableiten, und die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten (worunter Vorbehandlungsanlagen zu verstehen sind), können verpflichtet werden, der Gewässerschutzbehörde wesentliche Daten über die Abwasserentsorgung zu melden (Art. 14 GSchV). Bezweckt wird damit einerseits, dass die Behörde erkennen kann, ob in einem industriellen oder gewerblichen Betrieb eine Abwasservorbehandlung angeordnet werden muss. Andererseits wird mit der Meldepflicht auch bezweckt, dass bei eingetretenen oder zu befürchtenden Störungen des Betriebs bestehender Vorbehandlungsanlagen die Behörde frühzeitig eingreifen kann.
34. Der Gewässerschutzbehörde gemeldet werden müssen die abgeleiteten Abwassermengen und die Mengen und Konzentrationen der Stoffe, die sie nach Art. 13 GSchV ermitteln müssen. In der gemäss Art. 7 GSchV erforderlichen Bewilligung wird diese Meldepflicht als Auflage in denjenigen Fällen angeordnet, in denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Abwassereinleitungen zu Problemen in der öffentlichen Kanalisation oder in der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen könnten.
Pflicht, Massnahmen im Hinblick auf ausserordentliche Ereignisse zu ergreifen
35. Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in eine Abwasserreinigungsanlage ableiten, «müssen zur Verminderung des Risikos einer Gewässerverunreinigung durch ausserordentliche Ereignisse die geeigneten und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen treffen» (Art. 16 Abs. 1 GSchV). Stellt sich heraus, dass trotz dieser Massnahmen das Verunreinigungsrisiko «nicht tragbar» ist, ordnet die Gewässerschutzbehörde die erforderlichen zusätzlichen Massnahmen an (Art. 16 Abs. 2 GSchV), und zwar ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Tragbarkeit dieser zusätzlichen Massnahmen. Dieser Risikoansatz wurde dem Regelungskonzept der StFV nachgebildet (weiterführend Stutz, Abwasserrecht, 48 f.).
36. Im Zusammenhang mit diesem Risikoansatz müssen die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation ableiten, dafür sorgen, dass ausserordentliche Ereignisse unverzüglich dem Inhaber der Abwasserreinigungsanlage gemeldet werden, wenn diese Ereignisse dazu führen können, dass der ordnungsgemässe Betrieb der (öffentlichen) Abwasseranlagen erschwert oder gestört wird (Art. 17 Abs. 2 GSchV). Auch gegenüber der Bewilligungsbehörde (vgl. Art. 6–8 GSchV) besteht eine Meldepflicht (Art. 17 Abs. 1 GSchV).
2. Vorbehandlungsmassnahmen
37. Soweit das abzuleitende verschmutzte Abwasser in seiner Beschaffenheit nicht den Anforderungen von Anh. 3.2 oder Anh. 3.3 GSchV entspricht, ist es vorzubehandeln. Vorbehandlung in einem weiten Sinn umfasst auch verfahrenstechnische Umstellungen in der Produktion wie namentlich die Substitution von Stoffen oder die Wahl alternativer Herstellungsverfahren. In einem engeren Sinn versteht man unter Vorbehandlung technische Behandlungsverfahren für das Abwasser, mit dem Ziel, das Abwasser in seiner Beschaffenheit so zu ändern, dass es den Vorschriften für die Ableitung in die öffentliche Kanalisation entspricht. Es kommt dabei, zugeschnitten auf die jeweils vorhandenen Stoffe im vorzubehandelnden Abwasser (eine Auswahl typischer Inhaltsstoffe findet sich in Stutz, Abwasserrecht, 153), eine Vielzahl physikalischer, biologischer und