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Gewässerschutzgesetz

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1. Titel, Allgemeine Bestimmungen

Vallender Klaus A.

 

Zweck

Dieses Gesetz bezweckt, die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Es dient insbesondere:

a.       der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen;

b.       der Sicherstellung und haushälterischen Nutzung des Trink‑ und Brauchwassers;

c.       der Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt;

d.      der Erhaltung von Fischgewässern;

e.       der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente;

f.        der landwirtschaftlichen Bewässerung;

g.       der Benützung zur Erholung;

h.      der Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs.

But

La présente loi a pour but de protéger les eaux contre toute atteinte nuisible. Elle vise notamment à:

a.       préserver la santé des êtres humains, des animaux et des plantes;

b.       garantir l’approvisionnement en eau potable et en eau d’usage industriel et promouvoir un usage ménager de l’eau;

c.       sauvegarder les biotopes naturels abritant la faune et la flore indigènes;

d.       sauvegarder les eaux piscicoles;

e.       sauvegarder les eaux en tant qu’élément du paysage;

f.        assurer l’irrigation des terres agricoles;

g.       permettre l’utilisation des eaux pour les loisirs;

h.       assurer le fonctionnement naturel du régime hydrologique.

Scopo

Scopo della presente legge è di proteggere le acque da effetti pregiudizievoli e in particolare di:

a.       preservare la salute dell’uomo, degli animali e delle piante;

b.       garantire l’approvvigionamento e promuovere un uso parsimonioso dell’acqua potabile ed industriale;

c.       conservare i biotopi naturali per la fauna e la flora indigene;

d.       conservare le acque ittiche;

e.       salvaguardare le acque come elementi del paesaggio;

f.        garantire l’irrigazione agricola;

g.       permettere l’uso delle acque a scopo di svago e di ristoro;

h.       garantire la funzione naturale del ciclo idrologico.

Inhaltsübersicht

​I. ​Entstehungsgeschichte ​1
​II. ​Allgemeine Bemerkungen 13
III. ​Kommentierung 17
​A. ​ ​Funktion von Art. 1 GSchG 17
​B. ​Schutz vor nachteiligen Einwirkungen (Art. 1 Satz 1 GSchG) 19
​C. ​Angestrebte Schutzziele (Art. 1 Satz 2 GSchG) 23
1.​ ​Überschneidungen mit anderen Gesetzen 24
​2. ​Verhältnis der Ziele zueinander 26
​3. ​Berücksichtigung der Ziele bei der Gesetzgebung 29
​4. ​Konkretisierungen 35

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Entstehungsgeschichte des bundesrechtlich geordneten Gewässerschutzes der Schweiz gibt bereichsbezogen einen interessanten Einblick in die Entwicklung des Verhältnisses des Menschen zur Natur. Dabei sind insbesondere die folgenden fünf Etappen von Bedeutung: Bei der ersten Etappe steht der Schutz des Wassers durch die Fischereigesetzgebung im Vordergrund. Die zweite Etappe bildet der qualitative Gewässerschutz durch das GSchG 1955 (BG vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung). Als dritte Etappe ist das GSchG 1971 (BG vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung) zu nennen. Das geltende GSchG von 1991 mit seitherigen Änderungen (BG vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer) erweiterte den Schutzbereich durch den Einbezug des quantitativen Gewässerschutzes in beachtlicher Weise (4. Etappe). Im Zentrum der 5. Etappe steht die Verfolgung des Renaturierungsziels.

2. Da die genannten Etappen, die man aus heutiger Perspektive als fruchtbaren Trial and Error Prozess bewerten kann, zum Verständnis des zu kommentierenden Gesetzes, insbesondere seines Zweckartikels, beitragen, werden sie im Folgenden skizziert (vgl. zu den Entwicklungslinien Stutz, Abwasserrecht, 89 ff.).

3. In der ersten Etappe des Gewässerschutzes auf bundsrechtlicher Ebene ist die Gesetzgebung auf den Schutz der Fischgewässer ausgerichtet. Aus heutiger Sicht geradezu modern mutet in diesem Kontext Art. 21 des auf Art. 25 BV 1874 gestützten BGF 1888 an, vor allem, wenn man ihn im Kontext mit der SpezV BGF 1925 liest. Art. 21 BGF 1888 verbot es, «in Fischgewässer Fabrikabgänge oder andere Stoffe von solcher Beschaffenheit und in solchen Mengen einzuwerfen oder einfliessen zu lassen, dass dadurch der Fisch‑ und Krebsbestand geschädigt wird. Fabrikabgänge solcher Art sind in einer dem Fischbestand unschädlichen Weise abzuleiten.» Die genannte VO dehnte das Verbot der Einleitung von Fabrikabgängen auf Abfälle und Abwässer schlechthin aus (vgl. dazu Botschaft GSchG 1954, 20; weiter Stutz, Abwasserrecht, 94 ff. und Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 938). Auch wenn diese Regelung in erster Linie die Fischereiinteressen im Auge hatte (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 368; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 3 N 10), nimmt ihr dies objektiv gesehen ihre kluge, vorausschauende Stossrichtung in keiner Weise. Dies vor allem, wenn man berücksichtigt, dass, neben den unerlässlichen chemisch-physikalischen Analysen, Fische als Indikatoren für die Wasserqualität in hohem Mass geeignet sind. Fische eignen sich als Bioindikator. Hierunter versteht man «an organism used as a sensor to detect changes in its environment and to indicate whether life may be endangered.» (Holm, Fish as Bioinicator, 1; vgl. zu Erfahrungen in der Schweiz damit Burkhardt-Holm, Bioindikator Fisch, 7 ff.; weiter Cowx/Harvey/Noble et. al., Monitoring Fish Population, 55 ff.). Die WRRL sieht daher ausdrücklich auch eine fischbezogene Bewertungsmethode vor (WRRL Anhang V: 2.5 1. Zustand der Oberflächengewässer, 1.1 Qualitätskomponenten für die Einstufung des ökologischen Zustands, 1.1.1 Flüsse Biologische Komponenten: Zusammensetzung und Abundanz der Gewässerflora, Zusammensetzung und Abundanz der benthischen wirbellosen Fauna, Zusammensetzung, Abundanz und Altersstruktur der Fischfauna; vgl. zur WRRL, Rey/Müller, EG-WRRL, die das schweizerische Gewässerschutzrecht mit der Wasserrahmenrichtlinie der EU vergleichen, Überblick zum Anhang V WRRL, 75; vgl. zur Umsetzung das Beispiel Freistaat Thüringen anhand Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, Wasserrahmenrichtlinie, 1: «Die vielfältige natürliche Fischfauna – vom nur wenige Zentimeter kleinen Stichling bis zum meterlangen Hecht – stellt die unterschiedlichsten Ansprüche an den Lebensraum Gewässer. […] Um stabile Populationen zu bilden, benötigen Fische somit eine Vielfalt an Lebensbedingungen, so dass eine artenreiche Fischfauna nur bei einem intakten Gewässer anzutreffen ist»; vgl. weiter Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie).

4. Der Grund für die ungenügende Wirkung der Spezialverordnung lag ganz wesentlich im völlig mangelhaften Vollzug. Man sprach mit Bezug auf Art. 21 BGF 1888 nicht ohne Grund von toten Buchstaben (vgl. Zurbrügg, Régime des eaux, 314). Wenn die SpezV BGF 1925 von Bund und Kantonen konsequent vollzogen worden wäre, «so wäre der Erlass des GSchG kaum notwendig geworden.» (Schindler, Rechtsfragen, 415 f.).

5. Die beachtliche Gleichgerichtetheit der Ziele des Schutzes der Fischgewässer und des Gesundheitsschutzes des Menschen rückte erst sehr spät ins allgemeine Bewusstsein. So stellte ein eidgenössischer Fischereiinspektor 1952 fest, zahlreiche Gemeinden und Industrien könnten nicht verstehen, «dass ihnen für den Bau von Abwasserreinigungsanlagen finanzielle Opfer zugemutet werden, die bisweilen in die Hunderttausende, ja Millionen von Franken gehen, während der Ertragswert der zu schützenden Fischgewässer im Vergleich dazu in der Regel verschwindend klein ist.» (Matthey-Doret, Fischereigesetzgebung, 335). Und Schindler musste auch noch 1965 schliessen: «Die Erkenntnis, dass die Reinhaltung der Gewässer eine der Vorbedingungen des Fortbestandes und der Fortentwicklung unserer Zivilisation ist, ist noch kaum Allgemeingut geworden.» (Rechtsfragen, 395).

6. Die zweite Etappe bildete das erste Gewässerschutzgesetz vom 16. März 1955 (GSchG 1955). Als Verfassungsgrundlage diente Art. 24quater BV 1874, der am 6. Dezember 1953 von Volk und Ständen angenommen worden war und wie folgt lautete: «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der ober‑ und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigungen zu erlassen. Der Vollzug dieser Bestimmungen verbleibt unter der Aufsicht des Bundes den Kantonen.» Der Bund erhielt damit eine «umfassende Kompetenz zur Gesetzgebung über die Reinhaltung der Gewässer» (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9, N 371). Der quantitative Gewässerschutz war in dieser Kompetenz nicht inbegriffen (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 47).

7. Das GSchG 1955 sah gemäss Art. 2 Abs. 1 seinen Zweck in Massnahmen «zum Schutze der Gesundheit von Mensch und Tier, zur Verwendung von Grund‑ und Quellwasser als Trinkwasser, zur Aufbereitung von Wasser aus oberirdischen Gewässern zu Trink‑ und Brauchwasser, zur Benützung zu Badezwecken, zur Erhaltung von Fischgewässern, zum Schutze baulicher Anlagen vor Schädigung und zum Schutze des Landschaftsbildes.» Diese Zweckumschreibung bildet ein Spiegelbild der lange bestandenen Gefährdungen zahlreicher Schutzgüter durch die Auswirkungen der Gewässerverschmutzungen (hierzu grundlegend Schindler, Rechtsfragen, 397 ff.). Der Bundesrat sah es als erwiesen an, dass neben der Fischerei «allgemeinere Interessen von unvergleichlich höherer Bedeutung auf dem Spiele stehen. So ist die Verschmutzung der Oberflächengewässer und des Grundwassers geeignet, die Gesundheit von Mensch und Tier zu gefährden, die Verwendung als Trink‑ und Brauchwasser zu beeinträchtigen, bauliche Anlagen zu schädigen, den Badebetrieb und Wassersport einzuschränken und das Landschaftsbild zu stören» (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 20). Der Berichterstatter im Nationalrat illustrierte das Ausmass der Misere anhand von Zahlen. Seinen Angaben zufolge ergab sich 1954 «eine tägliche Schmutzmenge von 2,5 Millionen x 1,5 kg = 3,75 Millionen kg oder 3750 Tonnen = 375 Eisenbahnwagen Fäkalien und Schmutz, die täglich in die Gewässer abgeführt we[u]rden.» (AB N 1954, 260, Hervorhebung nur hier).

8. Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955 ging in seiner Bedeutung über eine reine Zweckbestimmung hinaus. Er bildete unter Beachtung von Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955, der vorschrieb, bei den Massnahmen Rücksicht zu nehmen u.a. «auf die wirtschaftliche und finanzielle Belastung», eine Rechtsgrundlage «für alle Schutzmassnahmen, die sich im einzelnen Falle in dem durch das Gesetz gezogenen Rahmen nach pflichtgemässem Ermessen der vollziehenden Behörde als gerechtfertigt erweisen, und verpflichtet die Behörde das Erforderliche anzuordnen» (BGE 86 I 187, 195, E. 5 [Hervorhebung nur hier]; vgl. weiter BGE 90 I 195, 198, E. 3; 92 I 409, 414, E. 4).

9. Gegenüber dem Schutz nach Fischereigesetz, das allein die oberirdischen Gewässer schützen wollte, wurde der Anwendungsbereich erweitert und auf die unterirdischen Gewässer ausgedehnt. Damit war auch der Grundwasserschutz explizit in das Zielsystem aufgenommen. Mit dem Inkrafttreten des GSchG 1955, im Jahre 1957, traten Art. 21 BGF 1888 und die erwähnte SpezV BGF 1925 ausser Kraft.

10. Gewisse Verschärfungen kennzeichnen die dritte Etappe, die Totalrevision von 1971; sie änderte zwar an der Grundkonzeption und den zentralen Zwecksetzungen nichts Wesentliches (Botschaft GSchG 1970, 436); war aber hinsichtlich der Mittel zur Zielerreichung «umfassender, klarer, strenger und wirksamer» angelegt (Hofmann [Berichterstatter im Ständerrat], AB 1971 S 116). Das GSchG 1955 hatte ja die in es gesetzten Erwartungen keineswegs erfüllt. Schon bald war angesichts der raschen industriellen Entwicklung und des Wachstums der Städte die fehlende Wirksamkeit des GSchG 1955 offensichtlich geworden. 1969 waren erst 43 % der Bevölkerung an Kläranlagen angeschlossen; Glarus und Basel-Stadt waren ohne Anlagen (vgl. Walter, Umweltgeschichte, 167 ff.). Zahlreiche Gewässer befanden sich in äusserst bedenklichem Zustand (vgl. Walter, Bedrohte Natur, 168; weiter z.B. den Bericht über den Bodensee anlässlich der vom St. Galler Apotheker Hans Stehle organisierten «Seeputzeten», Der Spiegel 46/1970 «Getrübte Träne»; dagegen Spiegel 16/2015: «Zu sauber zum Fischen»). Beachtlich ausgebaut wurden die Bundesbeiträge an «die Erstellung von Anlagen oder Einrichtungen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben auf dem Gebiete des Gewässerschutzes»(Botschaft GSchG 1970, 463 ff., 487 f.). Gesetzesbestimmungen, die sich nach Meinung der Landesregierung nicht bewährt hatten, wurden in das GSchG 1971 nicht mehr übernommen. Dazu zählte der Bundesrat namentlich den selbständigen Kompetenz‑ und Auftragscharakter, den das GSchG 1955 mit der Zwecksetzung verknüpfte (vgl. Botschaft GSchG 1970, 429 und 443; zur Rechtslage nach Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955; Schindler, Rechtsfragen, 436 f.). Weiter wurden bestimmte Abschwächungen aus dem Gesetz gestrichen. So z.B. Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955, der hinsichtlich Massnahmeneinsatz ausserhalb des Trinkwasserschutzes u.a. die Rücksichtnahme auf die «entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung» vorsah (Botschaft GSchG 1970, 439 f. und Schindler, Rechtsfragen, 437 f.); weiter Art. 5, der einen «scheinbaren» Vorbehalt bezüglich der Landwirtschaft enthielt (Botschaft GSchG 1970, 439). Sodann wurden die Haftungs‑ und Strafbestimmungen verschärft (Botschaft GSchG 1970, 473 ff.). In der Botschaft angesprochen wurde auch schon das unbefriedigende Fehlen eines quantitativen Gewässerschutzes. Die Ausarbeitung einer Verfassungsgrundlage wurde angekündigt (Botschaft GSchG 1970, 441).

11. Den Übergang zur vierten Etappe brachte das GSchG vom 24. Januar 1991. Sachlich zentraler Revisionsgrund des GSchG war das Fehlen eines quantitativen Gewässerschutzes. Entsprechend wurde der Titel des Gesetzes – dies der Konzepterweiterung durch Art. 24bis BV 1874 vom 7. Dezember 1975 gegenüber Art. 24quater BV 1874 folgend – «verallgemeinert». Wies der Titel der Gesetzesvorläufer noch auf die frühere Zweckbegrenzung – «Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung» – hin, wurde im geltenden GSchG diese Einschränkung fallengelassen, was der Einbezug des quantitativen Gewässerschutzes nahelegte (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1085; weiter Ruch, Umwelt, § 56 N 1820). Nicht unerwähnt bleiben darf neben dem zentralen Ziel des quantitativen Gewässerschutzes der Revision die Aufnahme von Grundsätzen zur Beschränkung von anderen Eingriffen, wie Eindolungen, Verbauungen, Aufschüttungen von Flachufern von Seen, Versiegelungen, Ausbeutungen von Kies, Sand und anderem Material (Botschaft GSchG 1987, 1092 f. und Entwurf BR 2. Titel, 3. Kapitel «Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer [Art. 37–44]).». Als wesentlicher Auslöser für die Gesetzesrevision wirkte die Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» (Botschaft GSchG 1987, 1061 ff.). Das GSchG bildete einen «indirekten Gegenentwurf zur Initiative» (Botschaft GSchG 1987, 1063). Der Zielkatalog entspricht, was den qualitativen Umweltschutz betrifft, im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955 bzw. Art. 2 Abs. 1 GSchG 1971 (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1084). Dies mit Ausnahme des Ziels der landwirtschaftlichen Bewässerung. Der quantitative Gewässerschutz, der in beiden genannten Vorläufern des geltenden Gesetzes nicht geregelt war, wurde im 2. Kapitel des 2. Teils des GSchG verankert.

12. Als fünfte Etappe – ohne den Eindruck erwecken zu wollen, der Prozess sei damit abgeschlossen – erscheint eine Rückbesinnung auf die in der Vergangenheit gemachten «Sünden» oder zielwidrigen Unterlassungen. Diese Rückschau findet ihren Ausdruck namentlich im Begriff der erforderlichen «Renaturierung» und der Sicherung und der extensiven Bewirtschaftung des Gewässerraumes sowie in der Einsicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Reduktion der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung (vgl. BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 9; weiter Griffel, Entwicklungen 2009, 16) ihre gesetzliche Ausprägung in der Änderung des GSchG vom 11. Dezember 2009 (BBl 2010 355 ff.) sowie in der GSchV in der Fassung vom 4. Mai 2011 (AS 2011 1955). Instrumental im Vordergrund stehen die Schaffung von Gewässerräumen von Fliessgewässern (Art. 36a GSchG; vgl. hierzu BGer 1C_505/2011, E. 3), die Revitalisierung von Gewässern (Art. 38a GSchG), die Verhinderung oder Beseitigung der die Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich beeinträchtigenden Wirkungen von Schwall und Sunk (Art. 39a GSchG) und solcher Wirkungen durch Änderungen des Geschiebehaushaltes (Art. 43a GSchG​).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

13. Grundlage für die Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes bildet Art. 76 BV. Art. 76 Abs. 1 BV enthält abstrakt formulierte Ziele, zu deren Erreichung der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten, wozu namentlich diejenigen gemäss Art. 76 Abs. 2 und Abs. 3 BV gehören, zu sorgen hat. Art. 76 Abs. 2 BV räumt dem Bund eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz ein betreffend die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen, die Nutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke und bezüglich anderer Eingriffe in den Wasserkreislauf.

14. Auf den Gebieten des qualitativen und quantitativen Gewässerschutzes, des Wasserbaus einschliesslich der Sicherheit der Stauanlagen und der Beeinflussung der Niederschläge hat der Bund umfassende Gesetzgebungskompetenzen (statt vieler Biaggini, Kommentar BV, Art. 76 N 4 f.). Art. 76 BV enthält – wie schon der Vorgängerartikel Art. 24bis BV 1874 – eine Gesamtkonzeption des für die Schweiz «besonders bedeutsamen Rechts des Wasserhaushalts und der Wasserwirtschaft» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 33 m.H.). Zugrunde liegt der «Gedanke einer umfassenden Ordnung in einem einheitlichen Akt» (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1). Diese Konzeption «ist formal nur auf Verfassungsstufe verwirklicht» (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1). Anvisiert werden nach Art. 76 Abs. 1 BV die haushälterische Nutzung und der Schutz der Wasservorkommen sowie die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers. Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft werden auf Verfassungsebene als Einheit erfasst. Der einzelne Fluss bzw. Bach, See und das Grundwasser erscheinen als Elemente des Gesamtsystems, was den natürlichen Gegebenheiten entspricht, auf welche die Verfassung in Art. 76 BV (früher Art. 24bis BV 1874) Bezug nimmt (vgl. Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 3; weiter Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2). Die auf Verfassungsebene angelegte Gesamtkonzeption macht deutlich, dass der Verfassungsgeber dem Gesetzgeber mit der Zielvorgabe in Art. 76 Abs. 1 BV – «als Zielbestimmung und Auslegungshilfe für das gesamte Wasserrecht des Bundes» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2) – einen Interessenausgleich aufträgt. Dabei sticht die Höherbewertung des qualitativen im Vergleich zum quantitativen Gewässerschutz ins Auge. «So wird der qualitative Schutz (Abs. 3) nicht durch Rücksichtnahmen auf andere Interessen relativiert. […] Beim quantitativen Schutz, der primär auf Regenerationsfähigkeit ausgerichtet ist, differenziert die Verfassung: Die Nutzung von Wasservorkommen durch den Menschen schränkt sie weder für einzelne Zwecke ein, noch priorisiert sie diese nach bestimmten Kriterien (Abs. 2). Wo das Wasser dagegen ausschliesslich als Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen dient, bleibt der quantitative Schutz auf angemessene Restwassermengen beschränkt (Abs. 3)» (Brunner/Looser, Schutzintensität, 35). Der Begriff Gewässerschutz in Art. 76 Abs. 3 BV bezieht sich nach h.L. auf den qualitativen Gewässerschutz, der neben Verunreinigungen auch «alle anderen schädlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen des Wassers erfasst […]», während sich die Kompetenz bezüglich quantitativem Gewässerschutz «soweit es nicht um den in Abs. 3 explizit erwähnten Restwasserschutz geht» auf die Grundsatzgesetzgebung im Sinne von Art. 76 Abs. 2 BV beschränkt (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 18; gleicher Meinung Caluori/Griffel, BSK BV, Art. 76 N 37). Diese eher enge Interpretation wird nicht einhellig vertreten. Bundesrat und Parlament gehen offenbar «von einem weiteren, umfassenden Sinn des Begriffs ‚Gewässerschutz’ in Art. 76 Abs. 3 aus» (Marti, St. Galler Kommentar zu Art. 76 N 18; ebenso Caluori/Griffel, BSK BV, Art. 76 N 37). Jedenfalls ging die UREK-S in ihrem Bericht vom 3. September 2012 betreffend Standesinitiative vom 16. Juni 2010 – es ging dabei um die ausnahmsweise Ermöglichung der Umlegung und gleichzeitigen Aufwertung von unverbauten und unkorrigierten natürlichen Fliessgewässern, wenn die Errichtung einer neuen Deponie für ausschliesslich unverschmutzten Aushub dies zwingend erforderlich macht (geltendes Recht Art. 37 Abs. 1 Bst. bbis GSchG) – von einer Abstützung auf Art. 76 Abs. 3 BV aus (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, BBl 2012 9407 ff., 9412: «Die Vorlage stützt sich auf Art. 76 Abs. 3 der Bundesverfassung, welcher dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen.»). Es ist offenkundig, dass die vielfältigen (Wasser‑)Nutzungsinteressen in einem Spannungsverhältnis zum qualitativen und quantitativen Gewässerschutz stehen (vgl. hierzu auch Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 377: «Die Nutzungen des Wassers durch den Menschen sind denn auch äusserst vielfältig. Stichwortartig seien nur die wichtigsten genannt: Trinkwasserversorgung und Hygiene; Brauchwasser für die Industrie; Bewässerung; Energiegewinnung; Erholung und Sport; Fischerei; Schifffahrt; Kühlung und Wärmegewinnung.»; s. auch die Übersicht «Verschiedene Ansprüche an die Wassernutzung» bei Stutz, Abwasserrecht, 10).

15. Auf Gesetzesstufe findet die Gesamtkonzeption ihren Niederschlag in verschiedenen Gesetzen mit getrennten Ordnungen, namentlich für den Wasserbau, die Wasserkraftnutzungdie Fischerei und den Gewässerschutz. Zu nennen sind insbesondere das WBG, StAG, WRG, BGF und das geltende GSchG. Die genannten Gesetze (bzw. ihre Vorläufer) spannen den Bogen über die damit repräsentierten Grundanliegen – Schutz vor dem Wasser (Hochwasserschutz etc.), Wasserkraftnutzung und Schutz des Wassers – oder mit den (vielzitierten) Worten des Altmeisters des Wasserrechts, Riccardo Jagmetti: sie zeigen den Weg «vom Schutz des Menschen vor dem Wasser über die Nutzung des Wassers zum Schutz des Wassers vor dem Menschen» (Jagmetti, Energierecht, § 4 N 4118, 412; ebenso Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24 N 3; ebenso Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 1; vgl. zum weiten Verständnis des Begriffs «Wasserwirtschaft», die Nutzung, die Abwehr und den Schutz umfassend, BAFU, Koordination, 14 f.). Das WBG, das BGF und das GSchG wurden allesamt 1991 revidiert und «je mit einem ganzheitlichen, auch der Ökologie verpflichteten Ansatz neu gefasst und inhaltlich, soweit sich die Regelungsbereiche touchieren, weitgehend koordiniert.» (Brunner, Fallstudie, 154).

16. Mit dem GSchG erfüllt der Bundesgesetzgeber namentlich Aufträge aus Art. 76 Abs. 2 BV, wonach der Bund Grundsätze festlegt über die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen, die Nutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke sowie andere Eingriffe in den Wasserkreislauf und aus Art. 76 Abs. 3 BV, demgemäss er (der Bund) Vorschriften erlässt über den Gewässerschutz, die Sicherung angemessener Restwassermengen, den Wasserbau, die Sicherheit der Stauanlagen und die Beeinflussung der Niederschläge. Inhaltlich entspricht Art. 76 BV dem früheren Art. 24bis aBV (vgl. Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 BV N 1). Art. 1 GSchG enthält, wie die Vorgängerbestimmungen, eine nicht abschliessende Aufzählung der Zwecke des Gesetzes. Ebenso wie bei der Gesetzesrevision 1971 verzichtet der Gesetzgeber in Art. 1 GSchG darauf, Aufträge zu erteilen oder Massnahmen anzusprechen.

 

 

III.        Kommentierung

A. Funktion von Art. 1 GSchG

17. Art. 1 GSchG trägt die Überschrift «Zweck». Er gibt als typischer Zweckartikel Auskunft über die Absichten des Gesetzgebers – Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen – und nennt Beispiele für die mit dem Gesetz zu erreichenden Ziele (vgl. zu Zweckbestimmungen ganz allgemein, Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, 195, N 3). Massnahmen zur Zielerreichung lassen sich auf ihn allein nicht abstützen (s. zur anderen Konzeption des Art. 2 Abs. 1 GSchG 1955, vgl. N 8). Es trifft zu, dass Art. 1 GSchG, jedenfalls für sich allein betrachtet, «kaum normativen Gehalt hat» (Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, 222, Fn. 904, Hervorhebung nur hier). Hierfür spricht auch, dass Art. 1 GSchG von der bundesgerichtlichen Praxis als nicht sehr relevant erachtet wird, tritt doch der Zweckartikel in den Leitentscheiden des Bundesgerichtes «kaum» in Erscheinung. Sieht man Art. 1 GSchG allerdings im Kontext mit den im Gesetz vorgesehenen Massnahmen, wandelt sich das Bild.

18. Art. 1 Satz 1 GSchG legt fest, dass die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen sind. Art. 1 Satz 2 GSchG sagt beispielhaft, wozu der Schutz zu erfolgen hat, d.h. welchen Zielen er dient. Aufschluss über das jeweilige Ziel und sein relatives Gewicht, ergeben einerseits die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen (Mittel zur Zielerreichung) und andererseits insbesondere Vorschriften, die der Gesetzgeber den rechtsanwendenden Behörden im Sinne von Vorgaben für die Interessenabwägung macht (Anwendungshinweis bei N 34). Dies namentlich im Hinblick auf die Verwirklichung von Zielen, die zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen.

B. Schutz vor nachteiligen Einwirkungen (Art. 1 Satz 1 GSchG)

19. Nach Art. 1 Satz 1 GSchG bezweckt das Gesetz, die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen durch den Menschen zu schützen. Gemeint sind damit anthropogene Eingriffe mit Bezug auf die Wasserqualität, die Wassermenge oder andere nachteilige Einflüsse (z.B. Wassertemperatur).

20. Schutz vor «nachteiligen Einwirkungen» macht deutlich, dass nicht nur der Schutz vor Verunreinigungen im engeren Sinn gemeint ist, sondern ein weiterer Begriff zugrunde liegt. Der Gesetzgeber versteht darunter Verunreinigungen und andere Eingriffe, «welche die Gestalt eines Gewässers beeinträchtigen» (Art. 4 Bst. c GSchG​), wobei der Begriff Verunreinigung jede «nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers» einschliesst (Art. 4 Bst. d GSchG​).

21. Mit diesem weiten Schutzspektrum — alle nachteiligen Einwirkungen umfassend — soll der Schutz die Gewässer in ihrer Gesamtheit erreichen, was die instrumentelle Umsetzung in den Art. 6–28 GSchG betreffend den qualitativen und in den Art. 29–36 GSchG hinsichtlich des quantitativen Gewässerschutzes bestätigt (vgl. Rüegger, Wasserzugang, 80). Diese Konzeption lehnt sich an diejenige des USG an, nach dessen Art. 8 Einwirkungen sowohl einzeln als auch gesamthaft nach ihrem Zusammenwirken beurteilt werden.

22. Bezüglich des Gewässerbegriffs folgt der Gesetzgeber hier der bisherigen Konzeption, wonach mit «die Gewässer», was Art. 2 GSchG mit der Umschreibung des sachlichen Geltungsbereichs bestätigt, «alle ober‑ und unterirdischen Gewässer» gemeint sind; dies der Konzeption des Art. 76 BV folgend (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2.). Eine Legaldefinition des Gewässers enthält das GSchG nicht. Der Begriff des Gewässers ist nicht gleichzusetzen mit dem des Wassers. Er hat nach der Rechtsprechung des BGer «einen engeren, auf den Wasserhaushalt der Natur bezogenen Sinngehalt und ist im Rahmen des GSchG in diesem Sinne zu verstehen» (BGE 107 IV 63, 65, E. 2).

Aus der Aufzählung der Schutzfunktionen schliesst das BGer überzeugend, «dass dem Gesetz nur Wasser als Teil des natürlichen Wasserkreislaufs unterstellt werden sollte […], ob dieses auf oder unter der Erde, in einem natürlichen oder einem künstlichen Bett (Kanälen, Becken usw.) fliesst oder steht […], ist solange belanglos, als es in jenem Kreislauf bleibt. Wo es jedoch aus diesem ausgeschieden, von ihm abgesondert wird, wie das gerade bei Abwässern der Fall ist, die in Kanalisationen und Kläranlagen geleitet werden, um die natürlichen biologischen Verhältnisse des Wasserhaushaltes vor Verunreinigungen zu schützen, […] da hat man es nicht mit Gewässern im Sinne des GSchG zu tun, die dem besonderen Schutz dieses Gesetzes unterstehen.» (BGE 107 IV 63, 65 f., E. 2).

C. Angestrebte Schutzziele (Art. 1 Satz 2 GSchG)

23. Art. 1 Satz 2 GSchG enthält eine nicht abschliessende Aufzählung angestrebter Schutzziele und erläutert damit beispielhaft, welche Ziele mit dem Schutz vor nachteiligen Einwirkungen erreicht werden sollen.

1. Überschneidungen mit anderen Gesetzen
24. Die Ziele bilden eine Weiterentwicklung derjenigen der Vorläufer des GSchG und überlappen sich zum Teil mit denjenigen anderer Gesetze. So bestehen beispielsweise Überschneidungen mit dem USG. Dies nicht nur – wie oben gesagt – methodisch-konzeptionell, sondern auch hinsichtlich einzelner Schutzziele. So könnte man den Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen (Art. 1 Bst. a GSchG), die Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt (Art. 1 Bst. c GSchG), die Erhaltung von Fischgewässern (Art. 1 Bst. d GSchG) und die Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs (Art. 1 Bst. d GSchG) sowie die Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Bst. e GSchG​) durchaus als gewässerschutzbezogene Konkretisierungen des Art. 1 USG interpretieren, wonach das Gesetz (USG) Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten soll. Auch der zentrale Begriff der Einwirkungen gemäss Art. 7 Abs. 1 USG, wonach Einwirkungen u.a. Gewässerverunreinigungen oder andere Eingriffe in Gewässer sind, kann als eine allgemeinere Fassung der oben (N 20) erläuterten Einwirkungen nach Art. 4 Bst. c GSchG angesehen werden.

25. Von besonderer Bedeutung sind sodann die Vorschriften, welche die rechtsanwendenden Behörden verpflichten, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Gewässerschutzziele zu beachten. Als Beispiele genannt seieArt. 1 Bst. a und Art. 3 Abs. 1 NHG (hierzu BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013, E. 5.2) und Art. 22 Abs. 2 WRG betreffend den Landschaftsschutz. Überlappungen gibt es weiter in beachtlichem Mass mit dem BGF. Dies wird schon in Art. 1 Bst. a BGF deutlich, wonach das Gesetz bezweckt, die natürliche Artenvielfalt und den Bestand einheimischer Fische, Krebse und Fischnährtiere sowie deren Lebensräume zu erhalten. Zur Erreichung der Ziele sieht das BGF in Art. 8 Abs. 1 u.a. eine fischereirechtliche Bewilligungspflicht für technische Eingriffe in die Gewässer, ihren Wasserhaushalt oder ihren Verlauf sowie Eingriffe in die Ufer, den Grund von Gewässern vor, soweit die Eingriffe Interessen der Fischerei berühren können. Art. 8 Abs. 2 BGF enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der bewilligungspflichtigen Eingriffe (Nutzung der Wasserkräfte; Seeregulierung, Fluss‑ und Bachverbauungen sowie Uferrodungen; die Schaffung künstlicher Fliessgewässer; maschinelle Reinigungsarbeiten in Gewässern; die Gewinnung und das Waschen von Kies, Sand und anderen Stoffen in Gewässern; Wasserentnahmen, Wassereinleitungen; landwirtschaftliche Entwässerungen; Verkehrsanlagen; Fischzuchtanlagen). Der Gesetzgeber nimmt die Überschneidungen teilweise wahr und wirkt Doppelspurigkeiten entgegen. So ist z.B. nach Art. 8 Abs. 4 BGF keine Bewilligung nach dem BGF für Wasserentnahmen nötig, falls ein Bewilligungsverfahren nach Art. 29 ff. GSchG durchgeführt wird, weil diese in der umfassenderen Bewilligung nach GSchG enthalten ist (BGE 125 II 18, E. 4a/bb [Elektrizitätswerke Wynau AG]; weiter BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013, E. 4.2 [Simmentaler Kraftwerke AG]; vgl. weiter Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, 224 N 926 und 324 N 1366 f.).

2. Verhältnis der Ziele zueinander
26. Ziele der Verfassung oder Ziele der Gesetze können grundsätzlich in einem harmonischen, neutralen oder antinomischen Verhältnis zueinander stehen (vgl. Vallender/Morell, Umweltrecht, § 4 N 5). Im vorliegenden Fall verhalten sich die Ziele Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen, Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt, Erhaltung von Fischgewässern, Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente und Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufes zueinander harmonisch.

27. Versteht man die haushälterische Nutzung im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips gemäss Art. 73 BV so, «dass die Wasservorkommen als natürliche Ressource so zu nutzen sind, dass die Nutzung nicht auf eine Zerstörung der Ressource hinausläuft und dass andere Funktionen und Nutzungsarten der Ressource im Rahmen einer Güterabwägung zu berücksichtigen sind» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 3), steht auch die Sicherstellung und haushälterische Nutzung des Trink‑ und Brauchwassers (Bst. b) grundsätzlich in einem harmonischen Verhältnis zu den genannten Zielen (Bst. a, c, d, e und h). Demgegenüber stehen die landwirtschaftliche Bewässerung (Bst. f) und die Benützung zur Erholung (Bst. g) zu den zuerst genannten Zwecken zwar nicht unbedingt in einem antinomischen Verhältnis, aber doch zumindest potentiell in einem Spannungsverhältnis.

28. Bei der Interpretation der vom Wortlaut her klar erscheinenden Zielumschreibung in Art. 1 Satz 2 GSchG ist zu beachten, dass die Formulierung namentlich der Ziele der Bst. c und d die Relativität der einzelnen Zwecke deutlich werden lässt. Es heisst nicht, das Gesetz diene der Erhaltung der natürlichen Lebensräume oder der Fischgewässer, sondern der Erhaltung natürlicher Lebensräume und der Erhaltung von Fischgewässern.

3. Berücksichtigung der Ziele bei der Gesetzgebung
29. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, hinsichtlich der vorgegebenen Ziele eine Optimierung anzustreben, also möglichst alle Ziele zur Entfaltung zu bringen und vereinseitigende Lösungen zu vermeiden (vgl. hierzu Vallender/Morell, Umweltrecht, § 1 N 12 ff.). Dieser Prozess dürfte nie ganz abgeschlossen sein; dies namentlich schon deshalb nicht, weil die Gefährdungen der einzelnen Ziele sich im Zeitablauf ändern. So werden beispielsweise bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 % «organische Spurenstoffe in Konzentrationen gemessen, welche die Fortpflanzung und Entwicklung empfindlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen beeinträchtigen», welche in dieser Menge und Zusammensetzung in früheren Jahren noch nicht existierten oder festgestellt wurden (Botschaft GSchG 2013, 5552). Unter «Mikroverunreinigungen» «können Schwermetalle, Farben, Lösungs‑, Flammschutz‑, Pflanzenschutz‑, Gefrierschutz‑ und Kältemittel, pharmazeutische Wirkstoffe, Hormone und hormonähnliche Verbindungen, Treibstoffe und deren Zusatzstoffe, Weichmacher und andere Stoffgruppen fallen» (Stutz, Herausforderungen, 513; vgl. weiter BAFU, Mikroverunreinigungen, 178 ff.). Hinsichtlich vieler mittlerer und grosser Flüsse stammt der Hauptteil der Mikroverunreinigungen «aus den Abwasserreinigungsanlagen [ARAs]. Rund 4800 km des insgesamt 65 000 km langen Gewässernetzes sind in der Schweiz mit Abwasser aus diesen Punktequellen belastet. Eine erste Anlage weist in der Schweiz bereits eine zusätzliche Klärstufe zum Entfernen von Mikroverunreinigungen auf. […] In kleineren Bächen sind diffuse Quellen für die Belastung mit Mikroverunreinigungen verantwortlich.» (Schweizerischer Bundesrat, BR-Bericht 2015, 69; vgl. aus aktuellem Anlass St. Galler Tagblatt, 28.9.2015: «Herisau bekommt die sauberste Kläranlage der Schweiz». Bezug genommen wird auf die Eröffnung der «Abwasserreinigungsstufe mit Pulveraktivkohle»). Nach der Änderung des GSchG vom 21. März 2014 (AS 2014 3327; tritt auf den 1. Januar 2016 in Kraft) gewährt der Bund den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und der verfügbaren Mittel Abgeltungen an die Erstellung und die Beschaffung von a. Anlagen und Einrichtungen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen, soweit sie zur Einhaltung der Vorschriften über die Einleitung von Abwasser in Gewässern erforderlich sind b. Kanalisationen, die anstelle von Anlagen und Einrichtungen nach Bst. a erstellt werden (Art. 61a GSchG). Die Finanzierung erfolgt mittels einer Abwasserabgabe des Bundes (Art. 60b GSchG).

30. Anders als bei der End-of-Pipe-Lösung bei den ARAs sind bei Mikroverunreinigungen aus diffusen Einträgen Massnahmen an den Quellen nötig (vgl. hierzu BAFU, Diffuse Einträge, 71).

31. Da die Gewässerschutzgesetzgebung entsprechend den Vorgaben der Bundesverfassung teilweise gegenläufige Schutz‑ und Nutzungsinteressen verfolgt, wird die Koordination auf Gesetzesebene und auf der Ebene der Rechtsanwendung zur Voraussetzung des Gelingens optimaler Rechtsverwirklichung (vgl. zu den Rechtsgrundlagen BAFU, Koordination, 11 ff. und 38 ff.). Was den Bereich der Rechtsanwendung betrifft, enthalten Art. 25a RPG und Art. 46 GSchG die zentralen Vorgaben hinsichtlich koordinierter Rechtsanwendung.

32. Noch immer an erster Stelle nennt das GSchG – was die anthropozentrische Ausrichtung der Gewässerschutzgesetzgebung unterstreicht – das Gesundheitsziel, das schon in den GSchG 1955 und 1971 (jeweils Art. 2) die Zielliste anführte, allerdings ohne dass in diesen Gesetzesbestimmungen die Pflanzen genannt waren. Die Hinzufügung der Pflanzen zur Trias – Mensch, Tier, Pflanzen – und auch die sonstige Weiterentwicklung der beispielhaften Aufzählung der Zwecke in Art. 1 GSchG – namentlich die Aufnahme von Bst. c – Erhaltung natürlicher Lebensräume – entspricht der Einsicht, dass auch im Bereich des Wassers auf Dauer nur eine ökologische Gesamtsicht zu befriedigenden nachhaltigen Ergebnissen führen kann.

33. Hinweise darauf, wie der Gesetzgeber die Zwecke, die er in Art. 1 Satz 2 Bst. a–h GSchG nennt, versteht und gewichtet, ergeben sich namentlich aus der Betrachtung der Instrumente und der Vorgaben für Interessenabwägungen, die das Gesetz vorsieht.

34. Illustrativ ist diesbezüglich die Regelung der Sicherung angemessener Restwassermengen (2. Kapitel, Art. 29–36 GSchG) als Mittel zur Zielerreichung namentlich der Ziele der Erhaltung natürlicher Lebensräume, der Erhaltung von Fischgewässern und der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Satz 2 Bst. c, d, e). Im Mittelpunkt stehen hier vor allem die in Art. 31–35 GSchG geregelten im Rahmen des Bewilligungsverfahrens (Art. 29 GSchG) zu prüfenden Anforderungen an Wasserentnahmen (Mindestwassermenge, Art. 31 GSchG; Ausnahmen, Art. 32 GSchG; Erhöhung der Mindestwassermenge gemäss Art. 33 GSchG und hier insbesondere die Vorgaben für die Interessenabwägung [Art. 33 Abs. 2 und Abs. 3 GSchG]; allgemeiner Hinweis in N 18). So bestimmt beispielsweise Art. 31 Abs. 1 GSchG die Mindestrestwassermengen bei Wasserentnahmen und Art. 31 Abs. 2 Bst. a bis e umschreiben die Tatbestände, welche die Pflicht zur Erhöhung dieser in Art. 31 Abs. 1 GSchG geregelten Mengen auslösen (vgl. als gutes Anwendungsbeispiel BGE 140 II 262, 274 f., E. 6.3).

4. Konkretisierungen
35. Sodann zeigt das Verordnungsrecht, wie der Verordnungsgeber die Gesetzesziele konkretisiert. Die GSchV regelt u.a. die ökologischen Ziele für Gewässer (Art. 2 Bst. a GSchV) sowie die Anforderungen an die Wasserqualität (Art. 2 Bst. b GSchV). Schon die AbwV 1975 enthielt die Gesetzeszwecke konkretisierende Qualitätsziele für Fliessgewässer und Flussstaue (Art. 1) und für stehende Gewässer (Art. 2) (vgl. hierzu Bundi, Ziele, 39 f.). Die verbalen Qualitätsziele für Gewässer und Gewässerqualität, welche die geltende GSchV in Art. 2 Abs. 1 Bst. a und b nennt und die Anh. 1 (für oberirdische und unterirdische Gewässer), Anh. 2 (hinsichtlich Wasserqualität) und Anh. 4a (bezüglich Planung zur Sanierung bei Schwall und Sunk sowie des Geschiebehaushalts) vorsehen, können als Weiterentwicklung und Erweiterung der Vorschriften der Qualitätsziele der AbwV 1975 verstanden werden (vgl. zur empfohlenen Vorgehensweise beim Vollzug, BAFU, Methoden, 5: Liechtis Bericht beschreibt «Methoden, mit welchen Fliessgewässer anhand chemisch-physikalischer Kenngrössen beurteilt werden können. Die Beurteilung orientiert sich an den Anforderungen an die Wasserqualität, wie sie im Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung beschrieben sind: Die numerischen Anforderungen werden direkt übernommen, die verbalen Anforderungen in nummerische Grössen umgesetzt.»).

36. Im Vordergrund stehen hinsichtlich der Ziele betreffend die oberirdischen Gewässer der Schutz der Lebensgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen und der von ihnen beeinflussten Umgebung. Diese Lebensgemeinschaften sollen naturnah und standortgerecht sein sowie sich selbst reproduzieren und regulieren (Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. a GSchV) und eine Vielfalt und Häufigkeit der Arten aufweisen, die typisch sind für nicht oder nur schwach belastete Gewässer des jeweiligen Gewässertyps (Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. b GSchV). Für Fliessgewässer enthält Anh. 2 der GSchV weitere verbale Anforderungen und Grenzwerte. Der Leitgedanke der gewässerschutzrechtlichen Massnahmen zur Erreichung der ökologischen Ziele für Gewässer besteht im Bestreben, naturnahe Gewässer zu erreichen (vgl. Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, § 9 N 380), was namentlich als Konkretisierung von Art. 1 Satz 2 Bst. c GSchG erscheint und mit den Bst. a, d, e und h in einem harmonischen Verhältnis steht. Bst. c zielt auf den Biotopschutz. Das Gewässer – z.B. ein Bach – ist als Lebensraum für die davon abhängige Tier‑ und Pflanzenwelt zu erhalten (BGE 120 Ib 233, 246, E. 7d). Naturnahe Gewässer entsprechen zugleich dem Ziel der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente (Art. 1 Bst. e GSchG), das ebenso wie dasjenige der Erhaltung von Fischgewässern (Art. 1 Bst. d GSchG) insbesondere durch übermässige Wasserentnahme und durch Verbauungen beeinträchtigt werden kann. Die Interpretation des Ziels der Erhaltung der Gewässer als Landschaftselemente durch das BGer zeigt wiederum deutlich die anthropozentrische Ausrichtung des Gesetzes, hängt doch der Grad der Schutzwürdigkeit einer Restwasserstrecke nicht zuletzt auch von der guten oder weniger guten Einsehbarkeit der Strecke ab (BGer 1C_283/2012 vom 2. April 2014, E. 8.4.3). Art. 1 Bst. d GSchG (Erhalt der Fischgewässer) wird im Regelfall entsprochen, wenn der Biotopschutz gelingt. Er kann demzufolge als Spezialnorm zu Bst. c verstanden werden. Neben der Gewässerverschmutzung bedrohen insbesondere Verbauungen und Wasserentnahmen die Fischgewässer. Hinsichtlich letzterer sind Art. 29–35 GSchG massgebend (Bewilligungspflicht [Art. 29 GSchG]; Voraussetzungen für die Bewilligung [Art. 30 GSchG]; Mindestrestwassermenge [Art. 31 GSchG]; Ausnahmen [Art. 32 GSchG]; Erhöhung der Mindesrestwassermenge [Art. 33 GSchG] letzterer konkretisiert Art. 1 GSchG in mehrfacher Hinsicht). Von besonderem Wert sind Fischereigewässer, die als Lebensraum für Jungfische dienen. Ein Bach sollte daher trotz Wasserentnahmen seine Funktion als Fischaufzuchtgebiet erfüllen können. Zudem muss auch nach allfälligen Wasserentnahmen grundsätzlich die freie Fischwanderung gewährleistet sein (BGE 120 Ib 233, 246, E. 7b).

37. Eine Reihe von Vorschriften der GSchV fördert zugleich die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den teilweise gegenläufigen Zielen des Art. 1 GSchG. So wird die Zulässigkeit von Wasserentnahmen, Wassereinleitungen und baulicher Eingriffe zu Recht vorausgesetzt, zugleich aber festgehalten, dass hierdurch die Hydrodynamik, die Morphologie und die Temperaturverhältnisse des Gewässers nicht derart verändert werden dürfen, dass dessen Selbstreinigungsvermögen vermindert wird oder die Wasserqualität für das Gedeihen der für das Gewässer typischen Lebensgemeinschaften nicht mehr genügt (Anh. 2 Ziff. 12 Abs. 3 GSchV). Sodann wird von der Zulässigkeit von Wärmeeinträgen oder ‑entzügen ausgehend festgelegt, dass hierdurch die Temperatur eines Fliessgewässers gegenüber dem möglichst unbeeinflussten Zustand höchstens 3° C, in Gewässerabschnitten der Forellenregion um höchstens 1,5° C, verändert werden und die Wassertemperatur dabei 25° C nicht übersteigen darf (Anh. 2 Ziff. 12 Abs. 4 GSchV​).

 

Résumé

En partant du principe que le développement durable selon l’art. 73 Cst. requiert l’établissement d’un équilibre durable entre la nature et son utilisation par l’être humain, dont la capacité de renouvellement est la caractéristique de cet équilibre, l’art. 1 2ème phrase LEaux met en évidence que le législateur aspire, dans une vision anthropocentrique, à une utilisation durable de l’eau par l’être humain. La sauvegarde des biotopes naturels abritant la faune et la flore indigènes (let. c), la sauvegarde des eaux piscicoles (let. d) et la sauvegarde du fonctionnement naturel du régime hydrologique (let. h) sont les conditions préalables nécessaires pour l’objectif de la préservation de la santé des êtres humains, des animaux et des plantes (let. a), la garantie de l’approvisionnement durable en eau potable et en eau d’usage industriel et de leur usage ménager (let. b), l’irrigation (durable) des terres agricoles (let. f), la sauvegarde des eaux en tant qu’élément du paysage (let. e) et l’utilisation des eaux pour les loisirs (let. g).

Literatur: Brunner Ursula, Eine Fallstudie zur Rechtsmethodik bei legislativen Grossprojekten: Die Erarbeitung des Solothurner Gesetzes über Wasser, Boden und Abfall (GWBA), in: LeGes 2010, 151 ff. (zit. Fallstudie); Brunner Ursula/Looser Martin, Schutzintensität und Interessen im Umweltrecht – Eine Auswertung von neun umweltrechtlichen Erlassen, Schlussbericht zu einem Forschungsauftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Zürich 2012 (zit. Schutzintensität); Bundi Ueli, Gewässerschutz in der Schweiz – Sind die Ziele erreichbar? Schlussbericht der Studie „Gewässerschutz 2000″, Bern 1981 (zit. Ziele); Burkhardt-Holm Patricia, Der Fisch – wie lässt er sich als Indikator für die Qualität seiner Umwelt einsetzen?, in: GAIA 10 (2001), no. 1, 6 ff. (zit. Bioindikator Fisch); Cowx Ian G./Harvey Jonathan P./Noble Richard A. et. al., Monitoring Fish Population in River SACs, in: Hurford Clive/Schneider Michael/Cowx Ian G. (Hrsg.), Conservation Monitoring in Freshwater Habitats: A Practical Guide and Case Studies, Heidelberg/London/New York 2010, 53 ff. (zit. Monitoring Fish Population); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2009, Bern 2010 (zit. Entwicklungen 2009); Holm Patricia, The Fish as Bioindicator: The Effect of Environmental Influences on Selected Molecules, Cells and Organs, Habil. Bern 1999 (zit. Fish as Bioindicator); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Matthey-Doret Alfred, Fischereigesetzgebung, in: Schmid Gottfried [Hrsg.], Fisch und Fischerei, Winterthur 1952, 325 ff. (zit. Fischereigesetzgebung); Müller Georg/Uhlmann Felix, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 (zit. Rechtssetzungslehre); Rey Peter/Müller Edwin, EG-Wasserrahmenrichtlinie und Schweizer Wasser‑ und Gewässerschutzgesetzgebung – eine Gegenüberstellung, im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern 2007 (zit. EG-WRRL); Ruch Alexander, Umwelt – Boden – Raum, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VI, Basel 2010 (zit. Umwelt); Rüegger Vanessa, Der Zugang zu Wasser als Verteilungsfrage – das Verhältnis zwischen dem Menschrecht auf Wasser und den Herrschafts‑ und Nutzungsrechten an Wasservorkommen, Diss. Freiburg i.Üe. 2012 (zit. Wasserzugang); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Waldmann Bernhard/Belser EvA Maria/Epiney Astrid (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesverfassung, Basel 2015 (zit. Bearbeiter, BSK BV); Walter François, Bedrohliche und bedrohte Natur – Umweltgeschichte der Schweiz seit 1800, Zürich 1996 (zit. Bedrohte Natur); Zurbrügg Henri, Aspects Juridiques du Régime des Eaux en Suisse, in: ZSR 1965 II, 201 ff. (zit. Régime des eaux).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Schluep Mathias/Thomann Michael/Häner Andreas et. al.), Organische Mikroverunreinigungen und Nährstoffe, Eine Standortbestimmung für die Siedlungswasserwirtschaft, Umwelt-Wissen Nr. 0614, Bern 2006 (zit. Mikroverunreinigungen); Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt (Hrsg.), Europäische Wasserrahmenrichtlinie, <http://apps.thueringen.d
e/de/publikationen/pic/pubdownload872.pdf>, Erfurt 2008 (zit. Wasserrahmenrichtlinie); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Liechti Paul), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer, Chemisch-physikalische Erhebungen, Nährstoffe, Umwelt-Vollzug Nr. 1005, Bern 2010 (zit. Methoden); Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S), Standesinitiative Gewässerschutzgesetz. Teilrevision – Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 3. September 2012, BBl 2012 9407 ff. (zit. Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012); Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (Hrsg.), Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Baden-Württemberg, Zwischenbericht – 2012, <http://www4.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/101559/Zwischenbericht%2
0WRRL%202012.pdf>, Stuttgart 2012 (zit. Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Braun Christian/Gälli René/Leu Christian et al.), Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern aus diffusen Einträgen, Umwelt-Zustand Nr. 1514, Bern 2015 (zit. Diffuse Einträge); Schweizerischer Bundesrat (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015, Bericht des Bundesrates, Bern 2015 (zit. BR-Bericht).

Autor: Thurnherr Daniela

​Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für alle ober‑ und unterirdischen Gewässer.

Champ d’application
La présente loi s’applique aux eaux superficielles et aux eaux souterraines.

Campo d’applicazione
La presente legge si applica a tutte le acque, superficiali o sotterranee.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 5
A. Gewässer 5
1. Begriffselemente 5
​2. ​Abgrenzungen 9​
​B. ​Reichweite mit Blick auf unterschiedliche Gewässertypen 16

 

I. Entstehungsgeschichte

1. Art. 2 GSchG, der den Geltungsbereich des Gewässerschutzgesetzes absteckt, ist insofern knapper formuliert als seine Vorgängerbestimmungen (Art. 1 GSchG 1971 bzw. Art. 1 GSchG 1955), als er lediglich auf «alle ober‑ und unterirdischen Gewässer» verweist. Die Erwähnung der unterirdischen Gewässer diente ursprünglich primär der Klarstellung von deren Einbezug in das Gesetz (s. Botschaft GSchG 1954, 335).

2. Nicht mehr explizit hingewiesen wird auf die bisher genannten «natürlichen und künstlichen, öffentlichen und privaten Gewässer mit Einschluss der Quellen». Materielle Änderungen sind damit nicht verbunden; es handelt sich lediglich um eine «redaktionelle Vereinfachung» (Botschaft GSchG 1987, 1104); die erwähnten Gewässerarten fallen daher nach wie vor in den Geltungsbereich des GSchG.

 

 

II. Allgemeine Bemerkungen

3. Mit der Umschreibung des Geltungsbereichs präzisiert der Gesetzgeber die Reichweite des Zweckartikels von Art. 1 GSchG, der lediglich auf den Schutz der Gewässer als solche Bezug nimmt. Er knüpft an die Kompetenzbestimmung von Art. 76 Abs. 3 BV an, die eine umfassende Rechtsetzungszuständigkeit des Bundes unter anderem zum Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung und die Sicherung angemessener Restwassermengen statuiert (dazu statt vieler Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 18 f.). Die Bestimmung von Art. 2 GSchG wiederum wird – was die ober‑ und unterirdischen Gewässer anbelangt – in Art. 4 Bst. a und b GSchG näher umschrieben.

4. Wenngleich das GSchG für den Schutz der Gewässer von zentralster Bedeutung ist, dienen auch andere umweltbezogene Erlasse deren Bewahrung. Begründet ist dies in den unterschiedlichen sektoriellen Regelungsperspektiven der einschlägigen Gesetze: So reguliert beispielsweise das GTG mit dem Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eine bestimmte Tätigkeit (s. Art. 3 Abs. 1 GTG), die sich auch auf den Zustand der Gewässer auswirken kann. Steht der Schutz spezifischer Umweltmedien im Zentrum, kann aufgrund der Interdependenzen mit den Gewässern auch eine Schutzwirkung für Letztere verbunden sein. Dies gilt etwa für die im USG geregelte Sanierung belasteter Standorte (Art. 32c ff. USG), die nicht zuletzt auch der Verhinderung der Verunreinigung ober‑ und unterirdischer Gewässer dient.

 

 

III. Kommentierung

A. Gewässer

1. Begriffselemente
5. Aus Art. 2 GSchG resultiert, dass die «Gewässer» den Oberbegriff für sämtliche vom Geltungsbereich des Gesetzes erfassten Wasseransammlungen bilden. Dieser Terminus wird allerdings weder im GSchG noch in der GSchV definiert. Er erfährt lediglich in Art. 4 Bst. a und b GSchG in Verbindung mit den Adjektiven ober‑ bzw. unterirdisch eine Konkretisierung, wobei das Hauptaugenmerk auf dieser Differenzierung und nicht auf der Abgrenzung gegenüber Nicht-Gewässern liegt. Abgesehen davon, dass diese Umschreibungen dennoch gewisse Rückschlüsse auf den Begriffsgehalt zulassen, ist bei dessen Konkretisierung – neben der umgangssprachlichen Bedeutung – primär auf die Ratio Legis abzustellen.

6. Gewässer werden in allgemeiner Weise als «Ansammlung von Wasser auf oder unter der Erdoberfläche» (so VSA, Glossar) bzw. als «in der Natur fliessendes oder stehendes Wasser einschliesslich Gewässerbett und Grundwasserleiter» (so DIN 4049 Teil 1 Nr. 1.10) definiert. Teilweise wird explizit gefordert, dass die Ansammlung natürlicher Art sei (so Duden online). Diese Definitionen sind mit Blick auf das GSchG zu präzisieren:

7. Auszugehen ist von der Zweckbestimmung von Art. 1 GSchG, die unter anderem auf die Sicherung der natürlichen Funktionen des Wasserkreislaufs Bezug nimmt (Art. 1 ​Bst. h GSchG). Der Umstand, dass der Wasserkreislauf den Transport von Wasser zwischen den Gewässern und zwischen den verschiedenen Sphären (Hydrosphäre, Lithosphäre, Biosphäre und Atmosphäre) beschreibt, legt es nahe, den Begriff des Gewässers auf Wasseransammlungen zu beschränken, die Bestandteil dieses hydrologischen Zyklus sind und unmittelbar mit dem Ökosystem Wasser verbunden sind. In diesem Sinn hat auch das BGer festgehalten, dass der Gewässerbegriff auf den Wasserhaushalt der Natur bezogen sei (BGE 107 IV 63, 65 E. 2).

8. Bei der Begriffsbestimmung ist sodann jenen Aspekten der Zweckbestimmungen Rechnung zu tragen, die – wie die Erhaltung der natürlichen Tier‑ und Pflanzenwelt (Art. 1 Bst. c GSchG) – ein über das Gewässer im engeren Sinn hinausgehendes Schutzziel verfolgen. Vor diesem Hintergrund drängt sich ein Begriffsverständnis auf, das – anders als die umgangssprachlichen Definitionen – nicht nur das Wasser als solches umfasst, sondern auch gewisse mit dem Wasser in Verbindung stehende Elemente der natürlichen Umwelt, deren Schutz für die effektive Zweckverfolgung unerlässlich ist. Dies gilt beispielsweise für die «Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung» (so die Definition des oberirdischen Gewässers in Art. 4 Bst. a GSchG).

2.  Abgrenzungen
9. Zentrales Begriffselement bildet nach dem Vorstehenden die Einbindung in den Wasserkreislauf. Bevor auf das von diesem Kreislauf getrennte Wasser eingegangen wird (vgl. N 12), sind zunächst vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks verschiedene Präzisierungen innerhalb des Wasserkreislaufes vorzunehmen (vgl. N 10 f.).

10. Fraglich ist zunächst, ob eine gewisse Mindestgrösse bzw. Bestandesdauer des Gewässers Begriffsbestandteil bildet. So werden für das deutsche Recht «völlig unbedeutende […] Teile der Erdoberfläche» und Gewässer, die einmalig sind oder lediglich «bei ganz aussergewöhnlichen Witterungslagen» auftreten, vom Geltungsbereich des Wasserhaushaltsgesetzes ausgenommen (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 6). Dieser Ansicht ist auch für das schweizerische Recht zu folgen. Da diesbezüglich kein Schutzbedürfnis besteht bzw. derartige Erscheinungen sich mit dem gewässerschutzrechtlichen Instrumentarium ohnehin nicht adäquat steuern lassen, bilden eine gewisse Bestandesdauer sowie eine minimale Ausdehnung Voraussetzung für die Subsumtion unter den Gewässerbegriff von Art. 2 GSchG, wobei beide Elemente im Einzelfall mit Blick auf die Ratio Legis zu konkretisieren sind.

11. Auszuschliessen sind aufgrund der limitierten Steuerungsfähigkeit des Gesetzes überdies jene Bestandteile des Wasserhaushalts, die – wie die Niederschläge und die als Porenwinkelwasser bezeichnete Bodenfeuchte unter der Erdoberfläche – einer gewässerschutzrechtlichen Lenkung verschlossen bleiben (so für das deutsche Recht Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 9).

12. Nicht vom Geltungsbereich des GSchG erfasst wird Wasser, das aus dem Kreislauf ausgeschieden und von ihm abgesondert wird. Dies gilt insbesondere für «Abwässer […], die in die Kanalisation und Kläranlagen geleitet werden, um die natürlichen biologischen Verhältnisse des Wasserhaushaltes vor Verunreinigungen zu schützen, bzw. jene Verhältnisse durch besondere Behandlung des abgesonderten Wassers wiederherzustellen» (BGE 107 IV 63, 65 f. E. 2; Kantonsgericht SG, Urteil vom 21. September 1989 [GVP 1989 Nr. 27], E. 2; ebenso Oftinger, Haftpflicht, 105; Piraccini, Vergehenstatbestände, 27 ff.; Schindler, Rechtsfragen, 449; aus der deutschen Literatur statt vieler Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 8 m.w.H.). Ebenfalls nicht als Gewässer im Sinne des GSchG gilt Wasser, das sich in Schwimmbädern oder sonstigen nach aussen hin undurchlässigen Becken wie Lösch‑ oder Zierteichen bzw. Springbrunnen befindet (vgl. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 8 für das deutsche Recht).

13. Die Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter den Geltungsbereich bedarf daher zunächst einer Analyse der unmittelbaren Verbindung mit dem Wasserkreislauf. Im Zweifelsfall bildet aufgrund des Gesetzeszwecks entscheidendes Kriterium, ob das zur Diskussion stehende Wasser Anteil an den Gewässerfunktionen hat (vgl. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 2 N 7 m.H. darauf, dass diese Verbindung beispielsweise bei in einem offenen Kanal geführten Abwasser, dem Niederschlags‑ und Oberflächenwasser zufliessen, gegeben ist).

14. Nicht als Gewässer gelten vor diesem Hintergrund die Gletscher. Anders zu beurteilen sind demgegenüber ober‑ und unterirdische Gletscherbäche (Bütler, Gletscher, 325).

15. Auch bei lediglich vorübergehender Abtrennung vom Ökosystem Wasser kommt das GSchG nicht zum Tragen. Zu präzisieren ist allerdings Folgendes: Zum einen können für Wasser, das nicht dem GSchG untersteht, spezifische Vorschriften des privaten und öffentlichen Rechts bestehen. Exemplarisch zu nennen sind kantonale Bestimmungen zur Qualität des Badewassers. Diese dienen dem Schutz der Gewässer mittelbar, sofern damit auch bereits für die spätere Wiedereinleitung in den Wasserkreislauf vorgesorgt wird. Zum anderen handelt es sich um Gewässerverschmutzungen im Sinne des GSchG, wenn Verunreinigungen aus Wasseransammlungen ausserhalb des gesetzlichen Geltungsbereichs in davon erfasste Gewässer fliessen: «Tritt nämlich die Verunreinigung aus der Kanalisation in ein offenes Gewässer oder verlässt der verunreinigende Stoff die Kläranlage, weil er in dieser nicht abgebaut wurde, und gelangt er in den Vorfluter und damit in ein Gewässer, so liegt eine mittelbare Gewässerverschmutzung […] vor» (BGE 107 IV 63, 66 E. 2 m.H. auf BGE 101 IV 419, 420 E. 5). Wenngleich das GSchG keine Anwendung auf die vom sachlichen Geltungsbereich ausgeklammerten Wasseransammlungen findet und diese daher nicht unmittelbar von den Schutzzielen profitieren, bestehen somit durchaus Interdependenzen, welche zur Folge haben, dass im Umgang mit Wasser generell «alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden» ist (so der Wortlaut von Art. 3 GSchG).

B. Reichweite mit Blick auf unterschiedliche Gewässertypen

16. Das GSchG verzichtet (abgesehen von der Nennung der ober‑ und unterirdischen Gewässer) darauf, einzelne Gewässertypen explizit zu bezeichnen. Begründet ist dies im Umstand, dass eine solche Aufzählung «keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte und daher eher einer Beschränkung gleichkäme» (Botschaft GSchG 1954, 335).

17. Die integrale Nennung der ober‑ und unterirdischen Gewässer (zu diesen Begriffen s. Komm. zu Art. 4 Bst. a und b GSchG) impliziert ein weites Begriffsverständnis. Die nachfolgend erörterten Begriffspaare dienen vor diesem Hintergrund primär der Veranschaulichung der Reichweite des Gesetzes.

18. Der Geltungsbereich des Gesetzes wird unabhängig davon eröffnet, ob ein Gewässer legal oder illegal angelegt wurde. Irrelevant sind auch die Differenzierungen zwischen fliessenden und stehenden sowie jene zwischen natürlichen und künstlichen Gewässern (zum letztgenannten Begriffspaar auch Botschaft GSchG 1987, 1104). Massgeblich ist somit einzig, ob es sich um ein Gewässer im Sinne des Gesetzes handelt.

19. Bei der Ausarbeitung der Vorgängererlasse von 1955 und 1971 wurde diskutiert, ob für die privaten Quellen (zur Subsumtion der Quellen unter den Begriff der unterirdischen Gewässer s. Komm. zu Art. 4 Bst. b GSchG​) die privatrechtlichen Bestimmungen von Art. 706 und 707 ZGB zum Abgraben von Quellen bzw. deren Wiederherstellung hinreichend seien und daher auf eine Subsumtion unter das GSchG verzichtet werden könne (s. Botschaft GSchG 1954, 335Botschaft GSchG 1970, 442 f.). Diese Frage wurde aufgrund der teilweise weitreichenden Folgen der Beeinträchtigung von Quellen, die nicht nur private Interessen tangieren, zu Recht verneint. Verunreinigungen privater Quellen können nämlich in grössere Gewässer gelangen und schädigende Konsequenzen entfalten, die weit über den privaten Bereich hinausreichen. Dort, wo die Behebung von Beeinträchtigungen auch im öffentlichen Interesse liegt, kann es daher nicht dem betroffenen Privaten überlassen werden, ob er etwas dagegen unternimmt (Botschaft GSchG 1970, 442 f.). Da Massnahmen, die sich gegen private Quellen richten, als Eingriffe in das Privateigentum zu qualifizieren sind, handelt es sich beim GSchG gleichzeitig um die aus demokratischer und rechtsstaatlicher Warte geforderte Eingriffsnorm (Botschaft GSchG 1954, 335).

 

Résumé

L’art. 2 LEaux fixe le champ d’application de la LEaux, en disposant qu’il porte sur toutes les eaux superficielles et les eaux souterraines. Cette disposition a pour but de préciser la portée de l’art. 1 LEaux et se fonde sur la norme de compétence de l’art. 76 al. 3 Cst.

Le terme «Eaux» de l’art. 2 LEaux constitue un terme générique pour l’ensemble des accumulations d’eau, étant couvert par les champs d’application de la loi et se référant à l’ordre de la nature. Ainsi, il ne comprend pas seulement l’eau elle-même mais également les éléments de l’environnement naturel liés à l’eau. L’intégration des «Eaux» au régime hydrologique ainsi que la nécessité d’une certaine taille minimale, respectivement d’une durée d’existence constituent des caractéristiques essentielles de la notion d’«Eaux» au sens de l’art. 2 LEaux. La LEaux ne s’applique pas aux eaux ne faisant pas partie du régime hydrologique, à savoir celles ne remplissant pas de fonctions y relatives, pas plus qu’aux eaux provisoirement sorties de l’écosystème.

 

Literatur: Bütler Michael, Gletscher im Blickfeld des Rechts, Diss. Zürich 2005 (zit. Gletscher); Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftpflichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA), Glossar, abgerufen unter <http://www.vsa.ch/glossar> (zit. Glossar).

Autorin: Thurnherr Daniela​

Sorgfaltspflicht

Jedermann ist verpflichtet, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.

Devoir de diligence

Chacun doit s’employer à empêcher toute atteinte nuisible aux eaux en y mettant la diligence qu’exigent les circonstances.

Obbligo di diligenza

Ognuno è tenuto ad usare tutta la diligenza richiesta dalle circostanze al fine di evitare effetti pregiudizievoli alle acque.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
II. ​Allgemeine Bemerkungen 4
A. ​Gewässerschutzrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips 4
B. ​Kontextualisierung bezüglich weiterer Sorgfaltspflichten 6
III. ​ ​Kommentierung 10
A. ​Rechtsnormativer Gehalt 10
1. ​Divergierende Ansätze in Literatur und Praxis 10
2.. Auslegung 12
​3. ​Fazit: Funktionenvielfalt 16
B. ​Tragweite der Sorgfaltspflicht 21
1. Adressatenkreis («Jedermann ist verpflichtet …») 21
2. ​Sorgfaltsmassstab («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden») 22
3. ​Inhalt («…um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.») 32
C. ​Konsequenzen von Sorgfaltspflichtverletzungen 35
1. ​Verwaltungsrechtlich 35
2. ​Strafrechtlich 36
3. Haftpflichtrechtlich 39

 

 

I. Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1955 kannte noch keine Art. 3 GSchG entsprechende Bestimmung. Eine Sorgfaltspflicht wurde erstmals im totalrevidierten Erlass von 1971 verankert. Dessen Art. 13 schrieb jedermann vor, «alle nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um die Verunreinigung der ober- und unterirdischen Gewässer zu vermeiden».

2. Die Sorgfaltspflicht im geltenden GSchG weist einen modifizierten Wortlaut auf: Während das GSchG 1971 noch lediglich zur Vermeidung der Verunreinigung von Gewässern anhielt, erstreckt sich die Sorgfaltspflicht heute – dem ausgedehnteren Schutzbereich des Gesetzes entsprechend (s. Botschaft GSchG 1987, 1104) – auf nachteilige Einwirkungen als solche. Der letztgenannte Terminus verfügt insofern über einen umfassenderen Gehalt, als er gemäss Art. 4 Bst. c GSchG neben der eigentlichen Verunreinigung auch «andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen», umfasst. Er hat zur Folge, dass sich die Sorgfaltspflicht nicht nur auf den qualitativen, sondern auch auf den quantitativen Gewässerschutz erstreckt. Keine Konsequenzen hinsichtlich der Reichweite der Sorgfaltspflicht resultieren hingegen aus der ersatzlosen Streichung des Adjektivpaars ober- und unterirdisch, da sich diese Präzisierung bereits aufgrund des in Art. 2 definierten Geltungsbereichs des GSchG ergibt.

3. Überdies hat die Sorgfaltspflicht im Rahmen der jüngsten Totalrevision einen prominenteren Platz in der Gesetzessystematik zugewiesen erhalten: Die Einordnung unmittelbar nach dem Zweckartikel (Art. 1 GSchG) und der Umschreibung des Geltungsbereichs (Art. 2 GSchG) bringt den Grundsatzcharakter sowie die zentrale Bedeutung dieser Norm ungleich stärker zum Ausdruck als deren bisherige Verankerung im zweiten Abschnitt zur Verhinderung von Verunreinigungen.

 

II. Allgemeine Bemerkungen

A. Gewässerschutzrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips

4. Die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG bezweckt, Verunreinigungen oder andere nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer gar nicht erst entstehen zu lassen (Stutz, Abwasserrecht, 109; Hunger, Sanierungspflicht, 205). Mit dieser präventiven Zielsetzung bildet sie «Ausdruck des im Umweltschutzrecht allgemein geltenden Grundsatzes, jede mögliche und zumutbare Vorsorge zu treffen, um eine Schädigung der Umwelt zu verhindern (Art. 1 Abs. 2 [USG])» (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 m.w.H. [nicht amtlich publizierte E. von BGE 134 II 142 ff.], in: URP 2008, 576 ff.). Art. 3 GSchG stellt daher die gewässerschutzrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips dar (statt vieler Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; Griffel, Grundprinzipien, N 136; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 4 f.; Koechlin, Vorsorgeprinzip, 29 [betr. Art. 13 GSchG 1971]; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 1 N 19; Marti, Vorsorgeprinzip, 209; Stutz, Abwasserrecht, 46 f.).

5. Die In-Bezug-Setzung zum Vorsorgeprinzip lässt allerdings noch keine zwingenden Schlüsse auf den exakten Gehalt von Art. 3 GSchG zu. Die konkrete Tragweite der Sorgfaltspflicht erschliesst sich vielmehr erst aufgrund der Ermittlung des Normsinns gestützt auf die tradierten Auslegungsregeln.

 

B. Kontextualisierung bezüglich weiterer Sorgfaltspflichten

6. Für das Verständnis der Tragweite von Art. 3 GSchG ist eine Einbettung in den Kontext weiterer Sorgfaltspflichten aufschlussreich. Diese lassen sich in drei Normkomplexe gruppieren:

7. Erstens finden sich im GSchG konkretisierende Sorgfaltspflichten: So verbietet Art​. 6 generell das mittelbare oder unmittelbare Einbringen oder Versickernlassen von Stoffen, die Wasser verunreinigen können. Art. 14 ​regelt sodann die Verwertung von Hofdünger für Betriebe mit Nutztierhaltung und Art. 27 statuiert gewässerschutzrelevante Anforderungen an die Bodenbewirtschaftung. Diesbezüglich ist die Frage nach der eigenständigen Bedeutung der umfassend formulierten Sorgfaltspflicht von Art. 3 aufgeworfen (vgl. dazu N 4).

8. Zweitens kennen auch andere umweltbezogene Erlasse allgemeine oder spezifische Sorgfaltspflichten: Zu nennen ist in diesem Kontext insbesondere der ebenfalls dem Gedanken der Vorsorge Ausdruck verleihende Art. 28 Abs. 1 USG, wonach mit Stoffen nur so umgegangen werden darf, dass sie, ihre Folgeprodukte oder Abfälle, «die Umwelt oder mittelbar den Menschen nicht gefährden können». Analoge Sorgfaltspflichten existieren für den Umgang mit Organismen (s. Art. 29a USG; Art. 6 GTGArt. 6 FrSVArt. 4 ESV). Diesbezüglich ist zum einen von einer partiellen Überlagerung der Vorschriften auszugehen, wenn der Umgang mit Stoffen nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zeitigt. Begründet ist diese in den unterschiedlichen Regelungsansätzen (Art. 3 GSchG: Schutz der Gewässer als solche; Art. 28 Abs. 1 und Art. 29a USGArt. 6 GTG bzw. Art. 6 FrSV und Art. 4 ESV: Regulierung bestimmter Tätigkeiten; s. zu den Überlagerungen der verschiedenen legislatorischen Ansätze auch die Komm. von Art. 2 GSchG). Abgrenzungsprobleme stellen sich dabei insofern nicht, als sich aufgrund der identischen Sachlage auch ein deckungsgleicher Sorgfaltsmassstab aufdrängt. Zum anderen kann eine systematische Auslegung von Art. 3 GSchG unter Bezugnahme auf entsprechende Bestimmungen in anderen Erlassen Rückschlüsse auf den normativen Gehalt der gewässerschutzrechtlichen Sorgfaltspflicht erlauben (vgl. dazu N 22 ff.).

9. Drittens ist auf die Sorgfaltspflichten ausserhalb des (in einem weiten Sinn verstandenen) Umweltrechts hinzuweisen, wie sie sich beispielsweise im Arbeitsrecht finden. Diese können als Quellen konkreter Verhaltenspflichten im Einzelfall Aufschluss über den von Art. 3 GSchG geforderten Sorgfaltsmassstab erteilen (vgl. dazu N 22 ff.).

 

 

III. Kommentierung

A. Rechtsnormativer Gehalt

1. Divergierende Ansätze in Literatur und Praxis
10. In der Literatur wird die Normqualität von Art. 3 GSchG unterschiedlich beurteilt. Der überwiegende Teil der Stimmen erblickt darin «nicht bloss eine programmatische Norm, sondern eine direkt anwendbare Vorschrift mit normativem Inhalt», die selbständig wirkt, sofern es an spezifischen Bestimmungen mangelt (Stutz, Abwasserrecht, 110; ebenso Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; Hunger, Sanierungspflicht, 205 f.). Demgegenüber begründet Art. 3 GSchG nach anderer Ansicht «aufgrund des Legalitätsprinzips keine selbständigen Verpflichtungen» (so Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848; s. auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 120 f.). Vielmehr würden sich die zu beachtenden Massnahmen allein aus den diese Norm konkretisierenden gesetzlichen Handlungs- und Unterlassungspflichten im GSchG sowie der GSchV ergeben, wobei eine unmittelbare Wirkung von Art. 3 GSchG immerhin für den Fall angenommen wird, dass gestützt auf eine Garantenpflicht Massnahmen ergriffen werden müssen (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848).

11. Der zweitgenannten Meinung hat sich das VGer ZH angeschlossen und präzisiert, dass die allgemeine Sorgfaltspflicht nach Art. 3 GSchG nicht nur durch die einzelnen Verhaltenspflichten im Gewässerschutzgesetz, sondern auch durch Vorschriften aus anderen Bereichen wie dem Abfallrecht konkretisiert werden könne, deren Missachtung zugleich eine Verletzung von Art. 3 GSchG darstelle (VGer ZH, Urteil vom 17. Juni 2005 [VB.2005.00037], E. 6.3.1). Das BGer nahm im Entscheid 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009 – allerdings ohne Begründung – an, dass Art. 3 GSchG nicht weiter gehe als Art. 6 und 14 GSchG. Aus der Formulierung im Bundesgerichtsentscheid kann indes nicht zwingend auf die lediglich programmatische Natur von Art. 3 GSchG geschlossen werden. Sie lässt sich nämlich auch so verstehen, dass bei Tatbeständen, die unter Art. 6 GSchG zu subsumieren sind und bei denen die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung irrelevant ist, kein Raum für eine Anwendung von Art. 3 besteht (so auch Stutz, Grundwasserschutz, 683 f.).

2. Auslegung
12. Der Bundesrat führte in der Botschaft zur ähnlich lautenden Vorgängernorm von Art. 13 GSchG 1971 aus, diese Grundsatzbestimmung «soll es den zuständigen Behörden ermöglichen, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Akten, die von den nachfolgenden speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, die notwendigen verwaltungsrechtlichen Massnahmen zu treffen und allenfalls gegen die Fehlbaren Strafanzeigen einzureichen» (Botschaft GSchG 1970, 449). Entsprechend wurde der damalige Art. 13 in den parlamentarischen Beratungen als «wichtigste Bestimmung» bzw. «Perle in diesem Gesetz» (Voten Binder, AB 1971 N 655 bzw. 696) bezeichnet. Dieser dynamische legislatorische Ansatz ermöglichte es dem Gesetzgeber, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (vgl. auch Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 476, m.H. darauf, dass der Gesetzgeber nur jene Tatbestände einer expliziten Regelung unterziehen wollte, welche aus seiner Sicht zusätzlich nötig waren). Die historische Auslegung legt somit die Annahme einer eigenständigen Verhaltensnorm nahe, die dann zum Tragen kommt, wenn es an spezialgesetzlichen Pflichten mangelt.

13. Zum selben Ergebnis gelangt man gestützt auf systematische Erwägungen: Für eine Qualifikation als verbindlicher Rechtssatz spricht die In-Bezug-Setzung zum Vorsorgeprinzip von Art. 1 Abs. 2 USG, das gemäss herrschender Lehre auch über «Elemente eines subsumtionsfähigen Rechtssatzes» verfügt (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 1 N 21; so im Ergebnis auch Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474).

14. Den gleichen Schluss legen schliesslich rechtsvergleichende Überlegungen nahe: § 5 Abs. 1 des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes statuiert eine Art. 3 GSchG vergleichbare Norm. Diese Sorgfaltspflicht gilt ebenfalls nicht nur als rein allgemeingültiger Appell, sich verantwortungsvoll zu verhalten, sondern entfaltet unmittelbar geltende wasserrechtliche Verhaltenspflichten, die bei gewässerrelevanten Handlungen von jedermann zu beachten sind (Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 5 N 3 und 17 f.).

15. Die Tatsache einer gewissen Unbestimmtheit des Gesetzestexts kann der direkten Anwendbarkeit nicht entgegengehalten werden. Auch ist nicht von einem Verstoss gegen das rechtsstaatlich begründete und aus Art. 5 Abs. 1 bzw. Art. 36 Abs. 1 BV abgeleitete Bestimmtheitserfordernis auszugehen. In Anbetracht der limitierten Antizipierbarkeit möglicher Sachverhalte und Verhaltensweisen drängt sich die Formulierung einer final strukturierten Norm vielmehr geradezu auf (s. auch Stutz, Abwasserrecht, 110). Diese macht zudem eine Anpassung der Verhaltenspflichten bei Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse obsolet, da der offene Wortlaut Raum für eine Modifikation der Pflichten im Einzelfall lässt (Stutz, Abwasserrecht, 110, m.H. darauf, dass Art. 3 GSchG «auf eine umfassende und kontinuierliche Pflichtverfolgung angelegt» ist).

3. Fazit: Funktionenvielfalt
16. Art. 3 GSchG realisiert den Gedanken der Vorsorge mit Blick auf die in Art. 1​ GSchG genannten öffentlichen Interessen somit auf zweierlei Weise: Er ist einerseits programmatischer Natur; anderseits stellt er eine direkt anwendbare Vorschrift mit normativem Gehalt und unmittelbarer Verbindlichkeit dar.

17. Mangelt es an spezialgesetzlichen Verhaltenspflichten im nominalen oder funktionalen Gewässerschutzrecht, dient die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG, wie dargelegt, als Auffangtatbestand, der auf alle gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden menschlichen Tätigkeiten anzuwenden ist (Stutz, Grundwasserschutz, 683). Es handelt sich um eine «verwaltungsrechtliche Generalklausel, die materiell gebietet, dass jedermann sein Verhalten so ausgestaltet, dass die Gewässer nicht beeinträchtigt werden» (Stutz, Abwasserrecht, 110). Dabei wirkt sie als unmittelbar anwendbarer Rechtssatz, der für die Normadressaten direkt (Verhaltens-)Pflichten statuiert, deren Verletzung mit Strafe bedroht ist (Stutz, Abwasserrecht, 114). Relevant ist dieser Aspekt insbesondere im Kontext der erlaubnisfreien Gewässernutzung bzw. der erlaubnisfreien Tätigkeiten mit potentiellen Auswirkungen auf die Gewässer (exemplarisch hinzuweisen ist auf das Düngen von Feldern), da hier keine spezifischen Auflagen an die Adresse der Allgemeinheit oder eines spezifischen Personenkreises statuiert werden. So lässt sich die Verpflichtung, Massnahmen zur Elimination von Mikroverunreinigungen zu ergreifen, unmittelbar auf Art. 3 GSchG i.V.m. Anh. 1 GSchV abstützen (Stutz, Herausforderungen, 515; zu den nachteiligen Wirkungen von Mikroverunreinigungen auf Wasserlebewesen BAFU, Umwelt Schweiz 2015, 71). Art. 3 GSchG bildet aber auch Verfügungsgrundlage für behördliche Anordnungen, mit denen die Sorgfaltspflicht konkretisiert wird.

18. Darüber hinaus wirkt Art. 3 GSchG als programmatische Norm, die durch Ausführungsvorschriften zu konkretisieren ist. Soweit ausführende Bestimmungen im Verordnungsrecht des Bundes bzw. auf kantonaler Ebene als Grundrechtsbeschränkungen eines gewissen Schweregrads qualifiziert werden können, wirkt Art. 3 GSchG als von Art. 36 Abs. 1 BV gebotene formell-gesetzliche Grundlage (Stutz, Abwasserrecht, 110), deren Sorgfaltsmassstab auf tieferer Ebene der Normenhierarchie indes nicht verschärft werden kann. Vielmehr ist Art. 3 GSchG bei der Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt im Kontext der konkretisierenden Normen heranzuziehen. Anderes gilt für spezifische gleichrangige Bestimmungen (exemplarisch hinzuweisen ist auf Art. 6 GSchG zum Einleiten, Einbringen oder Versickernlassen von Stoffen oder auf Art. 15 GSchG betreffend die Pflicht zum Unterhalt der Abwasseranlagen), welche das geforderte Mass an Sorgfalt näher konkretisieren und dabei weiter gehen können als die allgemeine Norm von Art. 3 GSchG.

19. Für die konkretisierenden Bestimmungen im Verordnungsrecht des Bundes sowie im ausführenden kantonalen Recht nimmt die Rückkopplung an Art. 3 GSchG sodann eine wichtige Funktion in strafrechtlicher Hinsicht wahr: In Konstellationen, in denen zwar gewässerschutzrechtliche Verpflichtungen missachtet wurden, aber kein Vergehenstatbestand nach Art. 70 GSchG erfüllt ist, setzt die Anwendung der Übertretungsstrafnorm von Art. 71 B​st. a GS​chG​ ​voraus, dass «in anderer Weise diesem Gesetz» zuwidergehandelt wurde. Indem sich Verstösse gegen konkretisierende Bestimmungen ausserhalb des GSchG auch als Verstoss gegen Art. 3 GSchG qualifizieren lassen, sind sie als Übertretungen strafbar (Huber-Wälchli, Vollzug Umweltrecht, 852; Stutz, Abwasserrecht, 111).

20. Spezifische Fragen wirft die Übertragbarkeit des gewässerschutzrechtlichen Sorgfaltsmassstabs auf andere Rechtsgebiete wie das Strafrecht und das private Haftpflichtrecht auf (vgl. dazu N 36 ff. und N 39 f.).

 

B. Tragweite der Sorgfaltspflicht

1. Adressatenkreis («Jedermann ist verpflichtet …»)
21. Art. 3 GSchG gilt gegenüber jedermann. Der Adressatenkreis lässt sich – ausgehend von den eben erörterten Normschichten – in drei Gruppen gliedern: Im Zentrum stehen «die Privaten, d.h. natürliche und juristische Personen, die gewässerrelevante Massnahmen selber vornehmen oder aufgrund einer Verfügungs- oder Weisungsbefugnis veranlassen» (Stutz, Abwasserrecht, 112). Bei der Ausübung ihrer gewässerschutzrechtlich relevanten Tätigkeit an die Sorgfaltspflicht gebunden sind darüber hinaus die Verwaltungsbehörden sämtlicher staatlicher Ebenen. Adressiert werden durch die programmatische Komponente schliesslich die Gewässerschutzbehörden der Kantone, die verpflichtet sind, «alle notwendigen gesetzlichen Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu ergreifen» (Stutz, Abwasserrecht, 112).

2. Sorgfaltsmassstab («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden»)
22. Aufgrund von Art. 3 GSchG ist jedermann verpflichtet, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.​

23. Wenngleich es sich dabei um eine weitgehende Verpflichtung handelt, welche verlangt, Einwirkungen im Sinne der Vorsorge möglichst gering zu halten, basiert diese Bestimmung auf der Prämisse, dass nachteilige Einwirkungen nicht generell untersagt, sondern als Konsequenz erlaubter Tätigkeiten in einem bestimmten Umfang in Kauf genommen werden müssen. Der Sorgfaltsmassstab kann daher durchaus auch als Begrenzung der privaten Pflichten zur Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer verstanden werden. In diesem Sinn hielt bereits die Botschaft zum GSchG 1971 fest: «Die Verpflichtung zu einem sorgfältigen Verhalten soll […] nur so weit gehen, als dies entsprechend den Umständen des Einzelfalls geboten erscheint» (Botschaft GSchG 1970, 440).

24. Welches Mass an Sorgfalt verlangt wird, lässt sich nicht generell festhalten. Grundsätzlich erforderlich ist aufgrund der expliziten Bezugnahme auf die Umstände eine einzelfallweise Beurteilung. Vorbehalten bleiben allerdings spezifische, die Zulässigkeit von Einwirkungen näher konkretisierende Vorschriften des GSchG (s. exemplarisch Art. 6 GSchG). Eine spezifische Sorgfaltsprüfung im Hinblick auf die Vornahme einer bestimmten Tätigkeit (nicht aber für deren Ausführung!) ist überdies dort obsolet, wo diese – allenfalls näher eingeschränkt durch den Zweck, die Art, das Mass und die Dauer – im Rahmen einer Bewilligungserteilung explizit als erlaubt ausgewiesen wird.

25. Aus der Ausrichtung des GSchG auf den Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen (s. Art. 1) resultiert, dass der Sorgfaltsmassstab objektiver Natur ist (so auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848) und damit am hypothetischen Verhalten einer Drittperson anknüpft (zum objektiven Sorgfaltsmassstab Favre, Sorgfaltspflichten, 7 ff.). Die Zweckverfolgung bedingt es nämlich, dass die Sorgfaltspflicht nicht unter Bezugnahme auf allenfalls verminderte Kenntnisse Privater reduziert wird (zur Berücksichtigung individueller Fähigkeiten bei der strafrechtlichen Würdigung vgl. N 36 ff.).

26. Bei der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Auslegung und Anwendung hat unter Rückgriff auf die Interessenabwägung als «Argumentationstechnik zur kontrollierten Konkretisierung von rechtlich vermittelten Handlungsspielräumen» zu erfolgen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 36). Diese bedingt einen Dreischritt, der von der Ermittlung der relevanten Interessen über deren Beurteilung bis zur Optimierung der ermittelten und beurteilten Interessen reicht (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 37). Wenngleich selten transparent gemacht, findet dieser Gedanke in Literatur und Rechtsprechung darin Ausdruck, dass bei der Konkretisierung der Sorgfaltspflicht regelmässig auf die Zumutbarkeit Bezug genommen wird (s. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.; 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 m.w.H. [nicht amtlich publizierte E. von BGE 134 II 142 ff.], in: URP 2008, 576 ff.).

27. Zum Kreis der zu berücksichtigenden Interessen zählen einerseits das betroffene Schutzgut sowie die möglichen Konsequenzen der fraglichen Tätigkeit auf dieses Schutzgut. Das effektive Risiko bemisst sich dabei anhand des Umfangs des potentiellen Schadens sowie seiner Eintretenswahrscheinlichkeit (zum Risikobegriff statt vieler Thurnherr, Biosecurity, 127 ff. m.w.H.). Andererseits ist das Interesse an der zur Diskussion stehenden Tätigkeit zu gewichten. An die – die Ausübung der Tätigkeit limitierende – Sorgfaltspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je wahrscheinlicher und grösser der Schaden, mithin je grösser das Risiko ist, das Wasserqualität und Wassermenge droht. Das Adjektiv «geboten» im Wortlaut von Art. 3 GSchG verdeutlicht, dass es sich um einen normativen Massstab handelt, der nicht dadurch verwässert werden darf, dass sich in der Praxis bei der Ausübung der betreffenden Tätigkeit eine gewisse Nachlässigkeit eingeschlichen hat (so für das deutsche Recht Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 5 N 4).

28. Als Sorgfaltspflichtverletzung qualifiziert wurde beispielsweise die Situation, in der sich die verantwortliche Person einer Firma, auf deren Werkareal mit wassergefährdenden Flüssigkeiten umgegangen wird und ölhaltiges Abwasser anfällt, nicht um die korrekte Entwässerung des Areals kümmert und es unterlässt, klare Anweisungen hinsichtlich Unterhalt und Wartung des Entwässerungssystems zu erteilen (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.).

29. Bei der Konkretisierung des im Einzelfall gebotenen Sorgfaltsmassstabs kann auf externe Kriterien abgestellt werden, sofern sie dem Gedanken der Vorsorge hinreichend Rechnung tragen. Dies gilt zunächst für die Einhaltung des jeweils in Betracht kommenden Standes der Technik (s. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474). Dieser beschreibt jedenfalls die Mindestanforderungen an die einzuhaltende Sorgfalt. Gesondert zu klären ist indes, ob damit auch den gesetzlichen Vorgaben Genüge getan ist. Nach vorliegend vertretener Ansicht kann aus der Beachtung der Regeln der Technik nicht in jedem Fall auf die Einhaltung von Art. 3 GSchG geschlossen werden. Ist der Stand der Technik noch nicht so weit entwickelt, dass er ein allfälliges Risiko hinreichend zu minimieren vermag, und ist gleichzeitig von einem grossen Risiko auszugehen, gebietet Art. 3 GSchG vielmehr, dass von der betreffenden Tätigkeit gänzlich Abstand genommen wird. Anderes kann nur dort gelten, wo eine bestimmte Tätigkeit mit der Auflage der Berücksichtigung des Standes der Technik von Gesetzes wegen explizit erlaubt wird.

30. Zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht herangezogen werden können mangels gesetzlicher Regeln im Einzelfall sodann «allgemeine […] Rechtsgrundsätze sowie allgemein anerkannte […] Verhaltensregeln und Verkehrsnormen […], auch wenn diese von Privaten oder einem halböffentlichen Verband erlassen wurden und keine Rechtsnormen sind» (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa m.w.H.). Auch Sorgfaltspflichten aus anderen Rechtsgebieten vermögen im Einzelfall Aufschluss über die Anforderungen zu geben. So hat das BGer im selben Entscheid ausgeführt, auch ein Verstoss gegen eine arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht, die Bestandteil des betrieblichen Sicherheitsdispositivs bildet und damit dem Gewässerschutz dient, begründe eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinn des GSchG (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa und Regeste; s. Portmann, BSK OR I, Art. 321a OR N 1, wonach die Pflicht zur sorgfältigen Aufgabenausführung bedinge, dass der Arbeitnehmer «die Arbeit unter vollem Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte verrichte[…] sowie die ihm zur Verfügung stehenden Produktionsmittel fachgerecht einsetze[…]»).

31. Beim die Sorgfaltspflicht konkretisierenden Passus («alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt») handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von den Gerichten grundsätzlich frei überprüft werden kann. Soweit sich technische Probleme stellen und die Vorinstanz gestützt auf Berichte der gesetzlichen Fachbehörde entschieden hat, kann indes legitimerweise Zurückhaltung geübt werden (zur Zulässigkeit von Kognitionsbeschränkungen in solchen Konstellationen statt vieler Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 1603).

3. Inhalt («…um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden.»)
32. Die Sorgfaltspflicht von Art. 3 GSchG bezweckt die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer (zum Terminus der nachteiligen Einwirkung s. Komm. zu Art. 4 Bst. c GSchG). Diese sind in einem weiten Sinn zu verstehen und umfassen – anknüpfend an die Systematik des GSchG – neben der qualitativen und der quantitativen Beeinträchtigung der Gewässer sämtliche weiteren nachteiligen Einwirkungen: «Gerichtet ist die Sorgfaltspflicht auf die Sicherung einer ausreichenden Wasserqualität in den Gewässern, die Erhaltung eines ausreichenden Gewässerraums sowie die Sicherung eines naturnahen Wasserhaushalts.» (Stutz, Abwasserrecht, 110; zum Umstand, dass die Sorgfaltspflicht unabhängig davon besteht, ob sich das Grundwasser als Trinkwasser eignet, VGer ZH, Urteil vom 9. Juli 2008 [VB.2007.00470], E. 4.2.3).

33. Die Pflicht, alles Zumutbare vorzukehren, um Verunreinigungen zu vermeiden bzw. möglichst gering zu halten, besteht – entsprechend dem Gedanken der Vorsorge (zum Konnex zum Vorsorgeprinzip vgl. N 4 f.) – auch dann, wenn das betroffene Gewässer die Qualitätsanforderungen gemäss Anh. 2 der GSchV erfüllt und wenn keine Gefahr besteht, dass aufgrund der fraglichen Tätigkeit ein Erfüllungsdefizit resultieren könnte (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.2 [nicht in BGE 134 II 142 ff. enthalten], in: URP 2008, 756 ff.; gleichlautend: BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1, in: URP 2009, 634 ff.). Dies verdeutlicht, dass die Sorgfaltspflicht nicht durch das «Auffüllprinzip» relativiert wird (BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser, 19).

34. Das Verb «vermeiden» impliziert, dass damit künftige bzw. weitere oder neue Verunreinigungen (seien diese einmalig oder wiederkehrend) unterbunden werden sollen. Nicht von diesem Begriff erfasst wird demgegenüber die Beseitigung von durch Dritte verursachten Schäden (anderes gilt für die selbst verursachten nachteiligen Einwirkungen; s. dazu N 35). Die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen kann im konkreten Fall ein Unterlassen gebieten; denkbar sind allerdings auch positive Handlungspflichten (so für das deutsche Recht Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, § 5 N 5; a.M. Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 120, welche die Existenz positiver Verpflichtungen zu aktiver Verhinderung möglicher drohender Einwirkungen negiert; s. aber Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 848, wo die Konstellation thematisiert wird, dass gestützt auf eine Garantenpflicht Massnahmen ergriffen werden müssen). Positive Verpflichtungen, beispielsweise Massnahmen zur Reduktion der Kupferabschwemmungen (s. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 4 [nicht in BGE 134 II 142 ff. enthalten], in: URP 2008 756 ff.), können nämlich gegebenenfalls als mildere Mittel im Vergleich zu einem gänzlichen Verbot bestimmter Tätigkeiten gelten (s. auch BGE 121 II 378, 409 E. 16b betreffend den Einbau einer bituminösen Heissmischtragschicht [HMT-Belag], welcher einen reduzierten Herbizideinsatz erlaubt und daher vom BGer als Massnahme qualifiziert wurde, welche im Sinne von Art. 3 GSchG nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer vermeiden soll).

 

C. Konsequenzen von Sorgfaltspflichtverletzungen

1. Verwaltungsrechtlich
35. Gemäss der Botschaft zum GSchG 1971 ermöglicht es diese Norm den zuständigen Behörden, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Tätigkeiten, die von den speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, die nötigen verwaltungsrechtlichen Massnahmen zu treffen (Botschaft GSchG 1970, 449). Dazu gehören generell-abstrakte Sicherheitsstandards (s. BGer 1A.92/2005 vom 22. November 2005, in: URP 2006, 127 ff., wonach Art. 3 GSchG eine gesetzliche Grundlage für die technischen Tankvorschriften darstellt), eine behördliche Praxis (s. BVR 2006, 272, 280 E. 5h, in: URP 2006, 743) ebenso wie Verfügungen, mittels derer zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands (beispielsweise durch Unterlassung einer sorgfaltspflichtwidrigen Tätigkeit) angehalten wird (s. BGer 1C_320/2011 vom 30. Mai 2012, E. 8.3, in: URP 2012, 330 ff. betreffend im Rahmen eines Nutzungskonzepts vorgesehenen und auf Art. 3 GSchG gestützten Massnahmen zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Zustände). Werden solche Anordnungen missachtet, können Sanktionen angedroht und ergriffen werden, wobei bei Verpflichtungen zu einem positiven Tun die Ersatzvornahme im Zentrum steht. Die Verletzung von Unterlassungspflichten lässt sich demgegenüber vornehmlich mittels strafrechtlicher Sanktionen ahnden (dazu sogleich).

2. Strafrechtlich
36. Art. 3 GSchG erlaubt es den zuständigen Behörden, auch bei denjenigen gegen die Gewässerschutzinteressen verstossenden Tätigkeiten, die von den speziellen Gebots- und Verbotsnormen nicht erfasst werden, neben den verwaltungsrechtlichen Massnahmen allenfalls gegen die Fehlbaren Strafanzeige einzureichen (Botschaft GSchG 1970, 449). Grundlage für die Strafbarkeit bildet der Auffangtatbestand von Art. 71 Abs​. 1 Bst. a​ (gegebenenfalls in Verbindung mit Abs. 2) GSchG (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474).

37. Subjektives Tatbestandserfordernis bildet dabei Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Anders als bei der verwaltungsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzung (dazu N 35) ist bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit, die in Art. 12 Abs. 3 StGB umschrieben wird, ein individualisierender Massstab heranzuziehen (s. Satz 2 und dazu Niggli/Maeder, BSK StGB I, Art. 12 StGB N 89). In diesem Sinne hat das BGer bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit festgehalten, der Richter müsse die Sorgfaltspflicht «im Hinblick auf die jeweilige Situation und die individuellen Fähigkeiten des Täters konkretisieren und im Einzelfall beurteilen, ob ein Regelverstoss strafrechtlich erheblich ist» (BGE 120 IV 300, 309 E. 3d/aa). Aus strafrechtlicher Warte ist die Frage nach dem (zuerst zu klärenden) objektiven Sorgfaltsmassstab daher mit der sich daran anschliessenden nach der subjektiv geforderten Sorgfalt zu koppeln. Daraus resultiert, dass nicht zwingend jeder Verstoss gegen Art. 3 GSchG auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt.

38. Bei der Beurteilung des subjektiv gebotenen Sorgfaltsmasses ist im Kontext arbeitsteiliger Produktions- und Arbeitsabläufe beispielsweise zu berücksichtigen, welche Funktion einer Person in diesem Gefüge zukommt. So hat das BGer festgehalten, dass sich in Konstellationen, wo mehrere Sicherheitssysteme hintereinander geschaltet werden, um den Ausfall des primären Systems nach dem Prinzip der Mehrfachsicherung durch ein sekundäres aufzufangen, der für das eine System Verantwortliche nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. Anders als Dritte, die grundsätzlich auf Mehrfachsicherungen vertrauen können, dürfe «der Verantwortliche eines Primärsystems prinzipiell gerade nicht mit der ordnungsgemässen Bedienung und dem entsprechenden Funktionieren des Sekundärsystems rechnen (und umgekehrt)» (BGE 120 IV 300, 310 E. d/bb).

3. Haftpflichtrechtlich
39. Die Verletzung der von Art. 3 GSchG statuierten Sorgfaltspflicht kann Schadenersatzansprüche begründen. Soweit die relevante Haftungsgrundlage, wie beispielsweise Art. 41 OR, Verschulden voraussetzt, ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers nachzuweisen. Die zivilrechtliche Fahrlässigkeit beurteilt sich dabei nach einem objektiven Massstab (Heierli/Schnyder, BSK OR I, Art. 41 OR N 48a). Sie liegt vor, wenn jemand unsorgfältig agiert, indem er «das Mass an Sorgfalt ausser Acht [lässt], welches die Verkehrssitte von einer mit dem Handelnden in gleichen Verhältnissen stehenden Person unter den konkreten Umständen gebietet» (Heierli/Schnyder, BSK OR I, Art. 41 OR N 50). Als Massstab für die gebotene Sorgfalt wird dabei die gewässerschutzrechtliche Pflicht von Art. 3 GSchG herangezogen (Stutz, Abwasserrecht, 112). Zur Bedeutung dieser Bestimmung auch für die Haftungsvoraussetzung der Widerrechtlichkeit in Konstellationen reiner Vermögensschäden s. die Ausführungen im nächsten Abschnitt.

40. Differenziert zu betrachten ist das Erfordernis des Nachweises einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der als Gefährdungshaftung (scharfe Kausalhaftung) ausgestalteten Haftungsnorm von Art. 59a USG, die auch auf bestimmte Schädigungen an Gewässern Anwendung findet (zur Qualifikation als Gefährdungshaftung s. Jäggi, Haftungsbestimmungen, 250; Trüeb, Kommentar USG, Art. 59a N 122). Da die (im Gesetz nicht explizit genannte, aber dennoch erforderliche [s. Botschaft USG 1993, 1559]) Widerrechtlichkeit bei Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter wie der körperlichen Integrität und dem Eigentum stets erfüllt ist, bedarf es keines Nachweises einer Sorgfaltspflichtverletzung. Anderes gilt bei reinen Vermögensschäden, deren Widerrechtlichkeit die Verletzung einer Norm bedingt, die dem Vermögen des Geschädigten dient. Nach – allerdings nicht unumstrittener Meinung – lässt sich jede Verletzung einer polizeilichen Norm zum Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen und damit auch von Art. 3 GSchG als widerrechtlich qualifizieren (s. dazu Jäggi, Haftungsbestimmungen, 251 f. m.H. auf die unterschiedlichen Ansichten und Ausführungen zu alternativen Schutznormen im Straf- und Zivilrecht).

 

Résumé

Le devoir de diligence de l’art. 3 LEaux porte sur les atteintes nuisibles proprement dites, c’est-à-dire sur la protection qualitative mais également sur celle quantitative des eaux. Il vise à prévenir les pollutions ou toutes autres atteintes nuisibles aux eaux. Avec un tel objectif, l’art. 3 LEaux constitue une application du principe de prévention dans le domaine du droit de la protection des eaux et au regard des intérêts publics expressément mentionnés à l’art. 1 LEaux, il est de nature programmatique et d’application directe.

L’art. 3 LEaux s’applique à toute personne devant empêcher des atteintes nuisibles aux eaux. La liste des destinataires se subdivise ainsi en trois groupes: privés, autorités administratives et autorités cantonales compétentes en matière de protection de l’eau.

En vertu de l’art. 3 LEaux, chacun doit s’employer à empêcher toute atteinte nuisible aux eaux en y mettant la diligence qu’exigent les circonstances. Cette disposition repose sur le principe que les atteintes nuisibles ne sont pas de manière générale interdites, mais qu’elles doivent être prises en compte comme conséquence d’activités autorisées. Le degré de diligence est déterminé dans chaque cas par un examen individuel. Il s’agit d’une notion juridique indéterminée, qui peut être arrêtée sur la base de critères externes. Les conséquences de la violation du devoir de diligence peuvent être de nature administrative, pénale ou civile (responsabilité civile).

Literatur: Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Favre Katia, Sorgfaltspflichten bei der Datenübertragung, Diss. Zürich 2006 (zit. Sorgfaltspflichten); Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfang (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I – Art. 1–529 OR, 5. Aufl., Basel 2011 (zit. Bearbeiter, BSK OR I); Huber-Wälchli Veronika, Zum Vollzug des Umweltrechts im Kanton Graubünden – Bericht aus der Praxis, in: URP 2011, 819 ff. (zit. Vollzug Umweltrecht); Jäggi Thomas, Neue Haftungsbestimmungen im Umweltschutzgesetz, in: SJZ 92 (1996), 249 ff. (zit. Haftungsbestimmungen); Koechlin Dominik, Das Vorsorgeprinzip im Umweltschutzgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Emissions- und Immissionsgrenzwerte, Diss. Bern 1989 (zit. Vorsorgeprinzip); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Marti Ursula, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, Diss. Genf 2009 (zit. Vorsorgeprinzip); Rhinow René/Koller Heinrich/Kiss Christina et al., Öffentliches Prozessrecht – Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Aufl., Basel 2014 (zit. Prozessrecht); Sieder Frank/Zeitler Herbert/Dahme Heinz et al., Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, 48. Aufl., München 2015 (zit. Bearbeiter, Wasserhaushaltsgesetz); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Thurnherr Daniela, Biosecurity und Publikationsfreiheit – Die Veröffentlichung heikler Forschungsdaten im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit – eine grundrechtliche Analyse, Bern 2014 (zit. Biosecurity); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015 – Bericht des Bundesrates, Umwelt-Zustand Nr. ub2015, Bern 2015 (zit. Umwelt 2015).

Autorin: Wagner Peifer Beatrice

Verursacherprinzip

Wer Massnahmen nach diesem Gesetz verursacht, trägt die Kosten dafür.

Principe de causalité

Celui qui est à l’origine d’une mesure prescrite par la présente loi en supporte les frais.

Principio di causalità

I costi delle misure prese secondo la presente legge sono sostenuti da chi ne è la causa.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
 II.​ Allgemeine Bemerkungen 4
A. Verfassungsrechtliche Grundlage 4
B. Völkerrechtliche Grundlagen 11
III. Kommentierung 14
A. Rechtsnatur des Verursacherprinzips 14
B. Elemente der gesetzlichen Regelung 23
1. Begriff des Verursachers 23
​2. Massnahmen nach diesem Gesetz 30
3. Kostenfolgen 32
C. Anwendungsbereiche 62
​1. Reinhaltung der Gewässer 62
2. Planerischer Gewässerschutz 65
3. Sicherung angemessener Restwassermengen 69
4. Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer 74
5. Kosten der Ermittlung des Sachverhalts 77
6. Haushälterische Trink- und Brauchwasserversorgung 80

 

 

I. Entstehungsgeschichte

1. Art. 3a GSchG wurde nachträglich ins Gesetz aufgenommen (in Kraft seit 1. November 1997), um angesichts der zunehmend knappen Mittel der öffentlichen Hand die Finanzierung von Infrastrukturanlagen im Abwasser- sowie im Abfallbereich auf längere Zukunft hinaus sicherstellen zu können. Der Bundesrat hatte bereits vier Jahre zuvor, im Rahmen der Sanierung des Bundeshaushalts, einen Rückzug des Bundes aus dem bisherigen System der Subventionierung und eine breitere Abdeckung der anfallenden Kosten durch die Erhebung verursachergerechter Gebühren angekündigt (Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993, 306 f.).

2. Die Gesetzesvorlage zur Verankerung des Verursacherprinzips im GSchG wurde 1996 zusammen mit den neuen Bestimmungen über die Entwässerungsplanung vorgelegt. Der Wortlaut des neuen Art. 3a GSchG wurde aus dem bereits geltenden Art. 2 USG übernommen. Damit wurde das Verursacherprinzip integral für die vom GSchG vorgesehenen Massnahmen eingeführt. Von der finanziellen Belastung der Verursacher wurde eine motivierende Wirkung zur Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer erwartet (Botschaft GSchG 1996, 1222, 1228).

3. Das Parlament verabschiedete den neuen Gesetzesartikel diskussionslos. Anlass zu Meinungsdifferenzen gaben nur die zu ändernden Bestimmungen über die Leistung von Abgeltungen (vgl. Komm. zu Art. 61–66 GSchG).

 

 

II. Allgemeine Bemerkungen

 A. Verfassungsrechtliche Grundlage

4. Im Zeitpunkt der Aufnahme von Art. 3a ins GSchG war die neue verfassungsrechtliche Grundlage des Art. 74 Abs. 2 BV noch nicht in Kraft. Die BV 1874 (Art. 24septies) hatte die umweltrechtlichen Grundprinzipien (Nachhaltigkeit, Vorsorge- und Verursacherprinzip) noch nicht aufgeführt.

5. Verfassungsgrundlage für Art. 3a GSchG bildete ursprünglich allein die Sachzuständigkeit des Bundes im Bereich des Gewässerschutzes (heute Art. 76 BV). Die Zuständigkeit des Bundes für die generelle Einführung des Verursacherprinzips war unbestritten. Die konkretisierenden Vorschriften über die Finanzierung der Abwasseranlagen berührten demgegenüber die Autonomie der Kantone. Die Vorlage wurde jedoch als einheitliche Gesamtlösung gewertet, mit der die landesweite Durchsetzung der materiellen Verfassungsziele im Bereich eines nachhaltigen Gewässerschutzes sichergestellt werden konnten. Eine bundesrechtliche Rahmenregelung wurde deshalb als gerechtfertigt erachtet (Botschaft GSchG 1996, 1238).

6. Der heute massgebliche Art. 74 Abs. 2 BV bestimmt, dass die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung schädlicher oder lästiger Einwirkungen auf die natürliche Umwelt und den Menschen von den Verursachern zu tragen sind. Das verfassungsrechtlich verbindliche Verursacherprinzip knüpft damit an den Begriff der Einwirkung an. Das GSchG definiert in Art. 4 Bst. c den Begriff der nachteiligen Einwirkung als «Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen».

7. Die Definition des Begriffs der «Einwirkung» in Art. 7 Abs. 1 USG bezieht Gewässerverunreinigungen und andere Eingriffe in Gewässer […], die durch den Bau und Betrieb von Anlagen, durch den Umgang mit Stoffen, Organismen oder Abfällen oder durch die Bewirtschaftung des Bodens erzeugt werden, ebenfalls mit ein.

8. Gewässerverunreinigungen sind nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderungen des Wassers (Art. 4 Bst. d GSchG); bei den anderen Eingriffen geht es um nachteilige Einwirkungen, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen (Art. 4 Bst. c GSchG) (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG).

9. Der Mensch ist durch die Vorschriften über den Schutz vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen (Art. 74 Abs. 1 BV) nur geschützt, soweit er mittelbar, z.B. durch Verunreinigungen des Wassers, betroffen wird (Botschaft BV 1996, 248).

10. Alle Massnahmen, mit denen schädliche oder lästige Einwirkungen vermieden, begrenzt oder beseitigt werden, sind aufgrund von Art. 74 Abs. 2 BV gemäss den Grundsätzen des Verursacherprinzips zu finanzierenZu diesen Massnahmen und zu den möglichen Finanzierungsinstrumenten s. N 23 ff.

B. Völkerrechtliche Grundlagen

11. Das Verursacherprinzip ist in mehreren internationalen Übereinkommen enthalten. Die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung (1992) ruft die Staaten in ihrem Grundsatz 16 dazu auf, «die Internalisierung von Umweltkosten und den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente zu fördern» und den Ansatz zu verfolgen, wonach «grundsätzlich der Verursacher die Kosten der Verschmutzung zu tragen hat.»

12. Im Bereich des Gewässerschutzes ist das Verursacherprinzip namentlich in der UNECE-Wasserkonvention und in der OSPAR-Konvention festgehalten.

13. Eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung wird zumeist verneint, da keine Klarheit bezüglich der Inhalte des Prinzips besteht. Die Pflicht zur Kostentragung bezieht sich auf Privatpersonen und von einer Einigkeit über eine Staatenverantwortlichkeit kann nicht ausgegangen werden (Epiney/Scheyli, Umweltvölkerrecht, 92; Sands/Peel, Principles, 228 ff.).

 

III. Kommentierung

A. Rechtsnatur des Verursacherprinzips

14. Das Verursacherprinzip wird in der Lehre teilweise als allgemeiner Rechtsgrundsatz qualifiziert (Emmenegger/Tschentscher, BK ZGB, Art. 1 ZGB N 97), d.h. als Grundsatz, der wegen seiner allgemeinen Tragweite in allen Rechtsgebieten Geltung hat (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 184 f.). Teilweise wird in unbestimmterer Weise von einem «allgemeinen Grundsatz» oder einem «Handlungsprinzip» gesprochen (BGE 134 II 142, unpubl. E. 4.2, publ. in: URP 2008, 576; Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 132; Keller/von Arb, Nachhaltige Entwicklung, 467; Epiney/Scheily, Umweltvölkerrecht, 84 f.).

15. Aufgrund der Verankerung in Art. 74 Abs. 2 BV stellt das Verursacherprinzip auf dem Gebiet des Umwelt- und Gewässerschutzrechts einen verfassungsrechtlichen Grundsatz dar, der den Gesetzgeber bindet. Als Folge von Art. 190 BV müssen jedoch auch bundesgesetzliche Bestimmungen zur Anwendung gebracht werden, welche Kostenfolgen abweichend vom Verursacherprinzip regeln. Bundesgesetze sind indessen verfassungskonform auszulegen. Zudem bedarf auch das Verursacherprinzip selber der Auslegung, was gewisse Abweichungen aus überwiegenden öffentlichen, insb. ökologischen Gründen zulässt (vgl. N 40).

16. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Verursacherprinzips wird vom BGer und von der Mehrheit der Lehre verneint (BGE 125 I 449, unpubl. E. 1b, publ. in: URP 2000, 133; Frick, Verursacherprinzip, 140 ff., m.w.H.; a.M. Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 2 N 13 ff.). Dennoch ist die Justiziabilität insofern gegeben, als eine unrichtige Auslegung von Art. 74 Abs. 2 BV bzw. Art. 3a GSchG im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Beschwerde vor BGer gegenüber kantonalen Erlassen und Entscheiden gestützt auf Art. 95 Bst. a BGG als Verletzung von Bundesrecht gerügt werden kann (Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 48).

17. Dagegen gewährt das Verursacherprinzip keine verfassungsmässigen Rechte im Sinne von Art. 98 und Art. 116 BGG (BGer 2P.266/2003 vom 5. März 2004, E. 1.1).

18. Die Konkretisierung des Verursacherprinzips erfolgt durch gesetzliche Bestimmungen auf eidg. und kt. Ebene. Die föderalistische Zuständigkeit richtet sich nach der Sachmaterie. So fällt z.B. die Finanzierung von Abwasseranlagen in die Zuständigkeit der Kantone (und Gemeinden). Der Bund bejaht demgegenüber seine Kompetenz zur Erhebung von Lenkungsabgaben kraft Sachzusammenhang. Danach können eidg. Abgaben eingeführt werden, wenn ihr «gesetzgeberisches Leitmotiv in der Verhaltensbeeinflussung der Wirtschaftssubjekte zu sehen ist, und nicht in der Einnahmenerzielung». Eine «unvermeidbare Einnahmenerzielung» soll die verfassungsrechtliche Finanzkompetenzordnung nicht tangieren (Botschaft USG 1993, 1538 f.; zustimmend Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Vorbem. zu Art. 35a–35c N 8; Näheres zur Verfassungsmässigkeit von Lenkungsabgaben N 48 ff.).

19. Stets geht es bei der Umsetzung des Verursacherprinzips um Kostenregelungen, nicht dagegen um Verhaltenspflichten (Griffel, Grundprinzipien, Nr. 236). Richtet sich eine Verhaltenspflicht an eine andere Person als den Verursacher, so kann dieser die ihm entstehenden Kosten nicht unter Berufung auf das Verursacherprinzip auf den oder die (Mit-) Verursacher überwälzen. Ein solcher Kostenausgleichsanspruch ist nur bei Vorliegen einer entsprechenden (formell-) gesetzlichen Grundlage gegeben (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 94). Im Einzelnen kann gesetzlicher Auslegungsbedarf bestehen (Näheres N 62 ff.).

20. Die Qualifikation des Verursacherprinzips als Kostenzurechnungsregel macht eine Abgrenzung zum Haftpflichtrecht erforderlich. Im Unterschied zu den haftpflichtrechtlichen Regelungen (Art. 59a–d USG, dazu N 59 f.) geht es beim Verursacherprinzip nicht um die Schädigung individueller Rechtsgüter, sondern um sog. «uncharged disservices», d.h. um volkswirtschaftliche Verluste, wie z.B. verunreinigte Gewässer, die bei den Verursachern «internalisiert» werden sollen (dazu N 32 f.). Die Ursprünge des Verursacherprinzips liegen in ökonomischen Theorien über die Nutzung öffentlicher Güter. Die gegenwärtigen und die zukünftig zu erwartenden Nutzungen sollen monetarisiert und den Nutzern als Kosten angelastet werden. Dadurch sollen die Verursacher einen Anreiz erhalten, übermässige Nutzungen zu vermeiden (Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 46 ff.).

21. Das Verursacherprinzip setzt daher weder einen Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinn noch Widerrechtlichkeit des Verhaltens des Verursachers voraus. Im Haftpflichtrecht kommt demgegenüber eine reine Billigkeitshaftung, d.h. eine Haftung trotz Rechtmässigkeit des Handelns, nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in Frage (vgl. Art. 52 Abs. 2, Art. 54 OR, Art. 701 ZGB und dazu Meier-Hayoz, BK Grundeigentum II, Art. 701 ZGB N 23).

22. Haftpflichtrechtliche Regelungen entsprechen zwar ihrem Sinn und Geist nach ebenfalls dem Verursacherprinzip, jedoch ermöglichen sie wegen der dargelegten Unterschiede keine zureichende Internalisierung externer Umweltkosten. Eine solche erfolgt über das öffentlich-rechtliche Abgaberecht (dazu N 32 ff.) oder über die spezielle Form der Kostenüberwälzung nach einer Ersatzvornahme (dazu N 57 f.).

 

B. Elemente der gesetzlichen Regelung

1. Begriff des Verursachers
23. Der Begriff des Verursachers wird in Art. 3a GSchG nicht definiert. Bei der Konkretisierung des Verursacherprinzips besteht ein Gestaltungsspielraum. Die Bestimmung des massgeblichen Verursachers erfordert eine normative, wertende Zuordnung.

24. Verwendet eine Rechtsnorm den Begriff des Verursachers ohne nähere Umschreibungen, so ist für die Begründung einer Kostenpflicht zunächst ein natürlicher Kausalzusammenhang erforderlich. Zur weiteren Begrenzung des Kreises der Kostenpflichtigen hat das BGer bei solchen Rechtsnormen das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung aufgestellt und in weitgehender Anlehnung an den polizeirechtlichen Störerbegriff sowohl den Zustands- als auch den Verhaltensstörer für kostenpflichtig erklärt (BGE 138 II 111, 125, E. 5.3.2132 II 371, 380, E. 3.5).

25. Als Verhaltensstörer gilt gemäss st. Rspr., wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgende Verhalten Dritter den Schaden oder die Gefahr verursacht hat; Zustandsstörer ist, wer über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat. Als Zustandsstörer fallen neben dem Eigentümer auch Mieter, Pächter, Verwalter, Beauftragte usw. in Betracht (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 4).

26. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung bedeutet im Zusammenhang mit der polizeilichen Gefahrenabwehr, dass die kostenbegründende Verhaltensweise bereits selber die Grenze zur Gefahr überschritten haben muss und entferntere, lediglich mittelbare Ursachen ausscheiden (BGE 114 Ib 44, 48, E. 2a; BGer Urteil vom 29. April 1988, E. 2a, in: BVR 1988, 406; vgl. Komm. zu Art. 54 GSchG N 47 ff.). Je nach Sachzusammenhang kann auch von Relevanz sein, ob dem Verursacher durch die Einwirkung oder als Folge ihrer Abwehr oder Beseitigung wirtschaftliche Vorteile erwachsen (BGE 139 II 106, 119, E. 6.1, betr. Art. 32d USG); ferner können u.U. Praktikabilitätserwägungen eine Rolle spielen (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 64, m.w.H.). Die Mitberücksichtigung von Gesichtspunkten wie der wirtschaftlichen Interessenlage oder der Billigkeit und Praktikabilität rechtfertigt jedoch nicht die Begründung einer solidarischen Haftung zu Lasten einzelner Verursacher (BGer Urteil vom 12. Oktober 1990, E. 6a, in: ZBl 1991, 212). Dennoch hat das BGer auch schon darauf abgestellt, ob jemand die von ihm eingeforderten Kosten aufgrund eines Rechtsverhältnisses auf denjenigen überwälzen kann, der den Schaden unmittelbar verursacht hatte (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 7; vgl. auch BGE 138 II 111, 125 f., E. 5.3.2). Damit relativierte das BGer in einzelnen Fällen das Unmittelbarkeitserfordernis.

27. Im Unterschied zur Auslegung eines nicht näher eingegrenzten Verursacherbegriffs durch die Verwaltungsbehörden ist der Gesetzgeber bei der Konkretisierung des Verursacherprinzips nicht an das Unmittelbarkeitserfordernis gebunden. Verlangt wird aber auch hier, dass ein hinreichender direkter funktioneller Zusammenhang besteht, der eine normative Zurechnung erlaubt. Denn es geht beim Verursacherprinzip stets um eine möglichst gerechte Verteilung der Kosten nach Massgabe der zurechenbaren Verantwortung im Einzelfall (BGE 139 II 106, 110, 112, E. 3.1.2, 3.2138 II 111, 126, 129, E. 5.3.3, 5.4.3).

28. Griffel verwendet für die Unterscheidung der unterschiedlich dichten Anforderungen an die Zurechenbarkeit der Kostenverursachung die Begriffe des Verursacherprinzips im engeren bzw. im weiteren Sinn (Griffel, Grundprinzipien, Nr. 210 ff.; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 2 N 3 ff.). Das Erfordernis der Unmittelbarkeit soll danach nur für das Verursacherprinzip im engeren Sinn gelten. Dieses setze «einen individualisierbaren Kausalzusammenhang zwischen einem konkreten umweltbelastenden Verhalten einerseits und den daraus konkret entstehenden externen Kosten anderseits voraus». Das Instrument zur Umsetzung des Verursacherprinzips im engeren Sinn sei typischerweise die Verfügung. Das Verursacherprinzip im weiteren Sinn erfordere zwar ebenfalls einen Kausalzusammenhang, jedoch gehe es hier nicht um eine individuelle Zurechenbarkeit, weshalb pauschalisierende Zumessungen möglich seien. Das Instrument zur Umsetzung des Verursacherprinzips im weiteren Sinne seien öffentliche Abgaben. Nur beim Verursacherprinzip im weiteren Sinn würden demnach die strengeren abgaberechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zur Geltung kommen.

29. Verfassungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich des Legalitätsprinzips bestehen allerdings nicht nur für Steuern und Lenkungsabgaben. Auch dort, wo verfassungsrechtliche Prinzipien wie das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip die Funktion der Gesetzesform übernehmen, sind Lockerungen hinsichtlich der gesetzlichen Grundlage stets nur in Bezug auf die Bemessung der Höhe der Kostenpflicht zulässig, nicht dagegen für die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstandes der Abgabe (BGE 132 I 117, 121, E. 4.2). Wer als Verursacher kostenpflichtig wird, kann daher nicht von den Behörden im Einzelfall ex aequo et bono entschieden werden. Das gilt sowohl für die Erhebung von Gebühren als auch für die Kostenüberbindung nach einer Ersatzvornahme. Einer Grundlage im formellen Gesetz bedarf deshalb z.B. die Begründung einer Kostenpflicht aufgrund des Kriteriums des «wirtschaftlichen Vorteils». Andernfalls kann ein solcher Vorteil höchstens bei der Bemessung des individuellen Kostenanteils und innerhalb der Schranken des behördlichen Ermessensspielraums berücksichtigt werden (kritisch zu würdigen unter diesem Aspekt BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 7 betr. Begründung einer solidarischen Haftbarkeit für den Kostenanteil eines anderen Verursachers aufgrund eines vermuteten wirtschaftlichen Vorteils).

2. Massnahmen nach diesem Gesetz
30. Im Unterschied zu Art. 74 Abs. 2 BV bezieht sich das Verursacherprinzip des Art. 3a GSchG nicht nur auf Massnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Einwirkungen, sondern in umfassender Weise auf sämtliche Massnahmen, die sich auf das GSchG oder seine Ausführungsverordnungen stützen. Betroffen sein können alle Regelungsbereiche, d.h. sowohl das Kapitel Reinhaltung (Art. 6−28 GSchG) als auch die Bestimmungen über Restwassermengen (Art. 29−36 GSchG) und über die Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen (Art. 36a−44 GSchG) sowie schliesslich auch der Vollzug (Art. 54 GSchG). Näheres zu diesen verschiedenen Anwendungsbereichen bei N 62 ff.

31. Bei den Massnahmen nach GSchG kann es sich auch um Massnahmen von Privaten handeln. So ist eine private Kanalisation ebenfalls nach Verursacherprinzip zu finanzieren, wenn sie im Sinne von Art. 10 Abs. 3 GSchG öffentlichen Zwecken dient (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.1, 5.3).

3. Kostenfolgen Kausalabgaben, Lenkungsabgaben und Kostenanlastungssteuern
32. Nach dem Wortlaut des Gesetzes trägt der Verursacher die Kosten der von ihm verursachten gewässerschutzrechtlichen Massnahmen. Das auf ökonomische Theorien zurückgehende Polluter Pays Principle geht davon aus, dass Umweltbeeinträchtigungen auf eine Übernutzung von Umweltgütern zurückzuführen sind, die als kollektive Güter nicht dem marktwirtschaftlichen Preis- und Ausschlussmechanismus unterworfen sind. Obwohl solche Umweltgüter einen wirtschaftlichen Wert haben, haben sie keinen Preis. Nach der vom Engländer Arthur Cecil Pigou entwickelten These ist deshalb durch Abgaben und andere marktwirtschaftliche Instrumente («Pigou-Steuern») einer Übernutzung solcher öffentlicher Güter entgegenzuwirken (vgl. zu den Konzepten für eine Internalisierung externer Umweltkosten Frick, Verursacherprinzip, 7 ff.).

33. Im Vordergrund des abgaberechtlichen Instrumentariums stehen die bei den Verursachern erhobenen Kausalabgaben.

Kausalabgaben

34. Der Aufwand, der bei den Behörden für den Vollzug des GSchG und die vom Staat zu treffenden Massnahmen anfällt, ist aufgrund des Verursacherprinzips mittels Gebühren oder Vorzugslasten auf die Verursacher zu überwälzen. Auch die für Vollzugsaufgaben beigezogenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten (Art. 49 Abs. 3 GSchG) können ermächtigt werden, Kostenverfügungen zu erlassen (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 26).

35. Auf Bundesebene sieht Art. 55 GSchG in diesem Sinne vor, dass der Bund für die in seine Zuständigkeit fallenden Bewilligungen und Kontrollen sowie für die besonderen Dienstleistungen, die im GSchG und in den Ausführungsbestimmungen näher geregelt sind, Gebühren erhebt. Die GebV-BAFU regelt die Bemessung der Gebühren und legt feste Gebührenansätze fest. Eine Pflicht zur Gebührenerhebung bei kantonalen Hoheitsakten und Dienstleistungen ist in Art. 55 GSchG nicht vorgesehen (anders diesbezüglich die parallele Vorschrift des Art. 48 USG).

36. Das Verursacherprinzip wird in Art. 55 GSchG nicht ausdrücklich erwähnt. Der Bundesrat ging in seiner Botschaft davon aus, dass es sich um Massnahmen handelt, die einem Verursacher bestehender oder künftiger Gewässerbelastungen eindeutig zugeordnet werden können (Botschaft GSchG 1987, 1151 f.). Im Zusammenhang mit Art. 48 USG hat das BGer den Bezug zum Verursacherprinzip wiederholt festgehalten (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.1, m.w.H.; BGE 138 II 111, 120, E. 4.3.4).

37. Die Pflicht, bei den Verursachern Gebühren zu erheben, schliesst eine Finanzierung nach dem Gemeinlastprinzip aus. Früher, d.h. bis zum Inkrafttreten der Art. 3a und 60a GSchG, waren die kommunalen Abwasser- und Abwasserinfrastrukturanlagen noch durch Beiträge von Bund und Kantonen aus allgemeinen Steuermitteln subventioniert worden (dazu Stutz, Abwasserrecht, 92 ff.).

38. Nach heutiger Rechtslage verlangt Art. 60a GSchG, dass die Kantone dafür sorgen, dass die Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen, mit Gebühren oder anderen Abgaben den Verursachern überbunden werden. Art. 60a Abs. 1 GSchG legt die Kriterien fest, welche die Kantone und Gemeinden bei der Bemessung der von ihnen erhobenen Abgaben zu berücksichtigen haben. Dem kt. (bzw. kommunalen) Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung der konkretisierenden Abgaberegelungen jedoch erheblicher Spielraum offen. Erhoben werden können Anschlussgebühren, Erschliessungsbeiträge (Vorzugslasten) und/oder Benützungsgebühren (vgl. zur Terminologie BGE 106 Ia 241, 242 f., E. 3b; Stutz, Abwasserrecht, 192 ff.). Die von den Kantonen und Gemeinden erlassenen Gesetzesbestimmungen behalten dabei trotz der bundesrechtlich geregelten Rahmenbedingungen ihre selbständige Natur (BGer 2C_817/2008 vom 27. Januar 2009, E. 5.1; BGE 128 I 46, 51, E. 1b/cc).

39. Unter dem Aspekt des Verursacherprinzips zulässig ist ein System, das mengenabhängige Verbrauchs‑ (Benützungs‑) Gebühren (Gebühren, welche nach der tatsächlichen Benützung der Abwasseranlagen bemessen werden) kombiniert mit einer Grundgebühr («Bereitstellungsgebühr»), welche als Entgelt für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur konzipiert ist (BGE 128 I 46, 55 f., E. 5b/bb). Empfohlen wird eine solche Aufteilung von den Fachvereinigungen (VSA/Schweizerischer Städteverband/FES, Finanzierung). Nicht mehr mit Art. 60a GSchG bzw. mit dem Verursacherprinzip vereinbar ist jedoch eine Abwassergebühr, die im Wesentlichen oder ausschliesslich auf der mengenunabhängigen Grundgebühr basiert und nur eine marginale Mengengebühr enthält (BGer 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013, E. 6.4). Denn dem Kostenfaktor der Dimensionierung der Anlagen und den möglichen, dabei zu berücksichtigenden Spitzenbelastungen wird bereits mit den einmaligen Beiträgen oder Anschlussgebühren Rechnung getragen. Deshalb soll die als Teil der Benützungsgebühren veranlagte Grundgebühr i.d.R. einen niedrigeren Kostenanteil abdecken als die mengenabhängige Gebühr, mit der ein Lenkungseffekt anzustreben ist (BGer 2P.266/2003 vom 5. März 2004, E. 3.2).

40. Abweichungen vom Verursacherprinzip sind zulässig, wenn andernfalls eine umweltverträgliche Entsorgung des Abwassers gefährdet wäre (Art. 60a Abs. 2 GSchG). Dabei ging es dem Gesetzgeber weniger um die Gefahr einer «wilden» Abwasserentsorgung, wie dies bei der Parallelvorschrift des Art. 32a Abs. 2 USG der Fall war. Im Vordergrund stand vielmehr die Sorge um möglicherweise unterbleibende Investitionen, wenn diese eine sprunghafte Erhöhung der Abwassergebühren zur Folge hätten (Botschaft GSchG 1996, 1230; vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 134).

41. Für die Erhebung aller Kausalabgaben gelten neben dem Verursacherprinzip die allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätze, d.h. die grundlegenden Bestimmungen über den Kreis der Abgabepflichtigen sowie den Gegenstand und die Bemessung der Abgabe müssen im formellen Gesetz festgelegt werden (Art. 164 Abs. 1 Bst. d BV). Kt. Gebühren und Vorzugslasten können deshalb nicht direkt gestützt auf Art. 3a GSchG erhoben werden, vielmehr setzt diese Bestimmung ergänzendes Ausführungsrecht voraus (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.3; BGE 119 Ib 389, 394, E. 4b).

42. Gelockerte Vorgaben an die gesetzliche Grundlage gelten für die Abgabenbemessung, wenn das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt (BGE 132 I 117, 121, E. 4.2). In diesem Sinne gelangen bei den Kausalabgaben, mit denen das Verursacherprinzip umgesetzt wird, das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip zur Anwendung.

43. Das Kostendeckungsprinzip ist als Maximalgrenze zum Schutz des einzelnen Abgabepflichtigen zu verstehen. Darin unterscheidet es sich vom Verursacherprinzip, das grundsätzlich eine Vollkostenüberwälzung verlangt. Es muss demnach der Gesamtaufwand des betroffenen Verwaltungszweigs (dazu Hungerbühler, Kausalabgabenrecht, 520 f.) aufgrund des Verursacherprinzips überwälzt werden, jedoch bildet dieser Aufwand zugleich auch die Obergrenze für die Kostenüberwälzung.

44. Bei Abwasseranlagen kann das Kostendeckungsprinzip unterschiedlich ausgelegt werden, indem es sich entweder auf die Gesamtheit von Anschluss- und Benützungsgebühren beziehen kann oder indem es für die verschiedenen Verwaltungszweige separat beurteilt wird. Das Bundesrecht schreibt eine Aufgliederung nicht vor, steht aber einer solchen auch nicht entgegen, wenn dieses Vorgehen als sachgerecht erscheint. Dies ist namentlich der Fall, wenn damit Querfinanzierungen vermieden werden und so eine vollumfängliche Erfüllung des Kostendeckungsprinzips ermöglicht wird (BGer 2C_644/2009 vom 16. August 2010, E. 4.2; 2C_322/2010 vom 22. August 2011, E. 4).

45. Bei kostenunabhängigen Kausalabgaben kommt das Kostendeckungsprinzip nicht zum Tragen. Darunter fallen sämtliche Konzessions- und Wassernutzungsgebühren (Mahaim, Föderalismus, 298, 318). Das Verursacherprinzip ist auch bei diesen Gebühren zu beachten (Mahaim, Föderalismus, 286). Die Höhe der Abgabe muss aus der formellgesetzlichen Grundlage in hinreichend bestimmter Weise hervorgehen. Zulässig ist es jedoch, wenn der kt. Gesetzgeber für die Bestimmung des Satzes des Wasserzinses auf den im WRG vorgesehenen Maximalsatz verweist (BGE 128 II 112, 122, E. 7).

46. Das Äquivalenzprinzip konkretisiert für den Bereich des Abgaberechts den Verhältnismässigkeitsgrundsatz sowie das Gleichheitsgebot und das Willkürverbot (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2642). Die Höhe von Gebühren und Vorzugslasten muss demnach in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der staatlichen Leistung bzw. zum bezogenen Sondervorteil stehen. Massgeblich sind der Nutzen für den Pflichtigen oder der Kostenaufwand des Gemeinwesens bzw. der Mehrwert, der dem Beitragspflichtigen zuwächst. Sowohl bei Gebühren als auch bei Vorzugslasten sind gewisse Schematisierungen zulässig, sofern sie nicht zu sachlich unhaltbaren oder rechtsungleichen Ergebnissen führen (BGer 2C_356/2013 vom 17. März 2014, E. 5.2.2–5.2.3; 2C_722/2009 vom 8. November 2010, E. 3.2–3.3; Mahaim, Föderalismus, 298, m.w.H.).

47. Während sich das Äquivalenzprinzip darauf beschränkt, zu verlangen, dass sich der zur Anwendung gelangende Massstab auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, konkretisiert das Verursacherprinzip solche Gründe, indem es eine Bemessung der Abgabe nach Kriterien wie Art, Menge oder Gewicht der Verursachungsanteile fordert und verlangt, dass eine beim Verursacher erhobene Abgabe eine Lenkungswirkung entfaltet. Ein gewisser Schematismus bleibt aber auch beim Verursacherprinzip zulässig, solange die Lenkungswirkung dadurch nicht verloren geht (vgl. für die Parallelvorschrift des Abfallrechts, Art. 32a USG: BGE 137 I 257, 269 ff., E. 6.1.1).

Lenkungsabgaben

48. Kausalabgaben, namentlich Gebühren und Vorzugslasten, können neben dem Finanzierungszweck einen Nebenzweck der Verhaltenslenkung verfolgen (Lenkungskausalabgaben). In solchen Fällen gelten für denjenigen Teil der Abgabe, der über die erforderliche Kostendeckung hinausgeht, die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Legalitätsprinzips im Abgaberecht (formellgesetzliche Grundlage).

49. Es gibt aber auch Lenkungsabgaben, welche direkt auf die Verhaltenslenkung ausgerichtet sind und keine Finanzierungszwecke verfolgen. Die Kompetenz zur Erhebung solcher reiner Lenkungsabgaben folgt der Kompetenz in der Sachmaterie. Die Kantone können im Bereich des Gewässerschutzrechts Lenkungsabgaben nur erheben, soweit der Bund keine abschliessenden Regelungen getroffen hat. So wäre z.B. die Erhebung einer kt. Abgabe im Bereich des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen aufgrund der in diesem Bereich bestehenden umfassenden eidg. Vorschriften (GSchV, ChemRRV, PSMV, DüV) nicht zulässig.

50. Auf Bundesebene leitet sich die Kompetenz zur Erhebung gewässerschutzrechtlicher Lenkungsabgaben, mit denen keine Finanzierungszwecke verfolgt werden, aus Art. 76 BV her. Als verfassungsrechtliche Grundlage kommen aber auch andere Bundesaufgaben in Frage (insb. Umweltschutz: Art. 74 BV; Energie: Art. 89 BV). Übernimmt eine vom Bund erhobene Abgabe zusätzlich auch Finanzierungsfunktionen, so ist nach der immer noch vorherrschenden Lehre eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage erforderlich (Donzel, Redevances, 220, m.w.H.; Hettich/Walther, Rechtsfragen, 156 ff.; vgl. für die ältere Lehre Fleiner, Verfassungsmässigkeit, 306 ff.; eine restriktive Auslegung vertritt auch heute noch Reich, Steuerrecht, 51 f.). Teilweise billigt die neuere Lehre allerdings die Verwendung des Abgabeaufkommens für lenkungszielkonforme Zwecke (Donzel, Redevances, 196 ff., m.w.H.).

51. Das GSchG sieht in seiner gegenwärtigen Fassung keine Lenkungsabgaben vor. Eine Motion der UREK-S (94.3005 vom 27. Januar 1994), mit welcher die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Mineraldüngern, regionalen Hofdünger-Überschüssen und Pflanzenschutzmitteln im Interesse des Gewässerschutzes verlangt worden war, wurde vom Bundesrat unter Hinweis auf die Möglichkeiten eines konsequenteren Vollzugs der bestehenden Vorschriften abgelehnt (Bericht Umweltrisiken 2003, 4802). Im Rahmen der Vorlage für eine verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser wurde eine Produkt- oder Lenkungsabgabe insb. aus aussenhandelstechnischen Gründen verworfen (Botschaft GSchG 2013, 5555). Beschlossen wurde nun eine Abgabe, mit welcher technische Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasserreinigungsanlagen abgegolten werden sollen. Diese Abgabe stellt allerdings keine Lenkungsabgabe dar. Auf ihre rechtliche Qualifizierung ist im nachfolgenden Abschnitt einzugehen.

Kostenanlastungssteuern

52. Kostenanlastungssteuern sind Sondersteuern, die einer bestimmten Gruppe von Personen auferlegt werden, weil diese zu bestimmten Aufwendungen des Gemeinwesens in einer näheren Beziehung stehen als die übrigen Steuerpflichtigen. Im Unterschied zu den Kausalabgaben sind Kostenanlastungssteuern voraussetzungslos geschuldet, d.h. unabhängig von einem konkreten Nutzen des Einzelnen oder vom konkreten Verursacheranteil der steuerpflichtigen Person (BGer 2C_1158/2012 vom 27. August 2013, E. 4.2).

53. Die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Abgabe für die Finanzierung der Abgeltung technischer Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasserreinigungsanlagen wird bei den Inhabern der ARA erhoben und auf die angeschlossenen Einwohner als «Verursacher» überwälzt (Art. 60b Abs. 1 und 5 GSchG). Gemäss Botschaft handelt es sich dabei um eine Kausalabgabe mit «qualifizierter Gruppenäquivalenz»mit welcher Tätigkeiten finanziert werden, die zwar nicht den einzelnen Beaufsichtigten individuell zugutekommen, jedoch dem Kreis der Abgabepflichtigen als Gruppe. Die Zuständigkeit des Bundes zur Erhebung einer solchen Abgabe und deren Verfassungsmässigkeit sollen sich gemäss Bundesrat, wie bei einer reinen Lenkungsabgabe, aus der Verfassungsgrundlage des Art. 76 Abs. 3 BV, d.h. aus dem Sachzusammenhang, herleiten lassen (Botschaft GSchG 2013, 5565).

54. Der Bundesrat bezieht sich bei dieser rechtlichen Beurteilung auf die «Praxis des Bundesamtes für Justiz». Diese Praxis wurde im Zusammenhang mit den verschiedenen Sonderabgaben entwickelt, die seit einigen Jahren auf Bundesebene im Bereich der Wirtschaftsaufsicht in zunehmender Fülle erhoben werden. Die Verfassungsmässigkeit dieser Art von Abgaben ist in der Lehre jedoch erheblich umstritten und wurde vom BGer bisher nicht bestätigt (vgl. 2C_726/2007 vom 2. Oktober 2008, E. 4.2.2; Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 BV N 19; Karlen, Abgaben, 1 f.; Hettich/Wettstein, Kostenanlastungssteuern, 551 ff.)

55. Da zwischen der Nachrüstung ausgewählter ARA einerseits und den von sämtlichen ARA-Benützern der ganzen Schweiz verursachten Abwässern anderseits kein Zusammenhang besteht, der eine Kostenzurechnung erlauben würde, ist die Qualifikation als Kausalabgabe abzulehnen. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich vielmehr um eine voraussetzungslos geschuldete Kostenanlastungssteuer, deren Einführung auf Bundesebene einer besonderen verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfte (vgl. BGE 131 II 271, 276 ff., E. 5).

56. Eine weitere gewässerschutzrechtliche Finanzierungsabgabe ist im EnG geregelt ist. Art. 15abis EnG bestimmt, dass die Kosten für Sanierungsmassnahmen nach Art. 39a GSchG (Schwall und Sunk) und nach Art. 43a GSchG (Geschiebehaushalt), ebenso wie die Kosten für fischereirechtliche Sanierungsmassnahmen (Art. 10 BGF), den Inhabern von Wasserrechtskonzessionen vollständig zu ersetzen sind. Zu diesem Zweck wird auf den Übertragungskosten der Hochspannungsnetze ein Zuschlag von 0,1 Rappen/kWh erhoben (Netzzuschlag: Art. 15b Abs. 4 EnG). Damit finanzieren im Endeffekt die Strombezüger Massnahmen des Gewässerschutzes, die als Folge der Nutzung von Gewässern für die Stromproduktion erforderlich werden. In diesem Sinne entspricht die Abgabe dem Verursacherprinzip. Auch wenn mit der Mittelverwendung die Ziele der Energiegesetzgebung (Art. 1 Abs. 1 EnG: umweltverträgliche Energieversorgung) unterstützt werden, handelt es sich nicht um eine Lenkungsabgabe. Es ist vielmehr auch bei dieser Abgabe von einer Kostenanlastungssteuer auszugehen (Hettich/Walther, Rechtsfragen, 153 ff., qualifizieren diese Abgabe als allgemeine Zwecksteuer).

Kostenüberbindung nach einer Ersatzvornahme

57. Die Überbindung der Kosten für Massnahmen, welche die Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens getroffen haben (Art. 54 GSchG), erfolgt unter direkter Anwendung der Grundsätze des Verursacherprinzips. Ergänzende abgaberechtliche Regelungen gibt es auf Bundesebene nicht; das kt. Recht kann jedoch besondere Regelungen vorsehen, insb. für die Inrechnungstellung von Kosten der Ereignisdienste.

58. Zur Auslegung des gewässerschutzrechtlichen Verursacherprinzips im Zusammenhang mit einer antizipierten Ersatzvornahme gibt es eine vielfältige Kasuistik, die bereits unter den alten gewässerschutzrechtlichen Erlassen (1955, 1971) entwickelt wurde. Ausgangspunkt bildete das aus dem Verkehrspolizeirecht übernommene Störerprinzip, das sich sowohl auf die Pflicht zur Ergreifung von Massnahmen als auch auf die damit verbundenen Kostenfolgen bezieht (vgl. die Kasuistik zum Gewässerschutzrecht bei Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 121 ff.). Auch heute noch wird für die Kostenzurechnung nach Art. 54 GSchG an den polizeirechtlichen Störerbegriff und an die Unterscheidung von Zustands- und Verhaltensstörern angeknüpft (BGer 1C_146/2011 vom 29. November 2011, E. 2; Näheres bei Komm. zu Art. 54 GSchG N 38 ff.).

Privatrechtliche Haftungsansprüche

59. Normen, welche geschädigten Personen haftungsrechtliche Ansprüche gewähren, sind nicht direkt auf das öffentlich-rechtliche Verursacherprinzip zurückzuführen. Es handelt sich vielmehr um privatrechtliche Schadenersatzansprüche. Solche Ansprüche können auch dem Gemeinwesen zustehen, wenn die Voraussetzungen für eine Überbindung des Schadens auf den Verursacher mittels hoheitlicher Kostenverfügung nicht erfüllt sind (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Kostenüberbindung von Schadenbehebungskosten nach Art. 54 GSchG die Komm. zu Art. 54 GSchG N 35 ff.).

60. Das geltende GSchG kennt keine privatrechtliche Haftungsnorm mehr. Art. 69 GSchG wurde mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen der Art. 59ad USG per 1. Juli 1997 aufgehoben. Da der Anwendungsbereich des USG heute auch Gewässerverunreinigungen mit-einschliesst (Art. 7 Abs. 1 USG), gelten die haftungsrechtlichen Regelungen des USG seither auch bei Schäden, die durch nachteilige Einwirkungen auf ein Gewässer entstehen.

61. Haftbar sind nach diesen Bestimmungen die Inhaber besonders umwelt- oder gewässergefährdender Betriebe oder Anlagen sowie Personen, die mit Organismen umgehen, welche eine Gefahr für Wasserorganismen darstellen. Auch das Gemeinwesen kann als Inhaber eines Betriebs oder einer Anlage den haftungsrechtlichen Bestimmungen des USG unterworfen sein (vgl. zu den haftungsrechtlichen Voraussetzungen nach den Bestimmungen des USG und zu deren Geltung im Anwendungsbereich des GSchG Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 1808 ff., 1873 f.).

C. Anwendungsbereiche

1. Reinhaltung der Gewässer
62. Die Reinhaltung der Gewässer ist das Hauptanwendungsgebiet des Verursacherprinzips. Art. 10 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 10 GSchG) verpflichtet die Kantone, für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser zu sorgen. Der Bund verzichtete jedoch darauf, die erforderlichen Abgaben für die Beseitigung und Reinigung der Abwässer selber festzulegen. Er übertrug diese Aufgabe den Kantonen und überliess ihnen dabei einen grossen Spielraum (vgl. N 38). Das Bundesrecht regelt in Art. 60a GSchG (vgl. Komm. zu Art. 60a GSchG) immerhin die Rahmenbedingungen einer kostendeckenden und verursachergerechten Abgabenerhebung für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz aller Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen. Nach Verursacherprinzip zu finanzieren ist auch eine private Kanalisationwenn der Inhaber der Leitung nach Art. 11 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 10 und 11 GSchG) verpflichtet ist, Abwasser einer anderen Liegenschaft abzunehmen (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.1, 5.3). Die Tatsache, dass eine private Kanalisation von mehreren Grundeigentümern benützt wird, bedeutet aber noch nicht, dass sie öffentlichen Zwecken dient (BGer 1C_721/2013 vom 15. Juli 2014, E. 3.2; vgl. dazu auch N 31).

63. Nicht unter die nach Art. 3a GSchG zu finanzierenden Massnahmen fallen die regionale ebenso wie die kommunale Entwässerungsplanung, mit der eine zweckmässige Siedlungsentwässerung zu gewährleisten ist (Art. 7 Abs. 3 GSchGArt. 4, 5 GSchV; vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG). Die Entwässerungsplanung dient lediglich den Behörden als Vorbereitung allfälliger Massnahmen und sie ist nur behördenverbindlich. Eine finanzielle Beteiligung Privater an dieser Planung und den dafür notwendigen Grundlagen, wie z.B. an einem geologischen Gutachten oder einem «Zustandsbericht Versickerung», müsste ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sein (VGer GR, Urteil vom 17. Mai 2004, in: URP 2004, 352 ff.).

64. Art. 54 GSchG, der die Kostenüberbindung nach den Grundsätzen des Verursacherprinzips für behördliche Massnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens regelt, ist ebenfalls auf die Interessen der Gewässerreinhaltung ausgerichtet (Näheres bei Komm. zu Art. 54 GSchG N 7).

2. Planerischer Gewässerschutz
65. Art. 19−21 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 19–21 GSchG)verpflichten die Kantone zur Bezeichnung von Gewässerschutzbereichen und zur Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen und -arealen. Kostenfragen und die Frage nach der Geltung des Verursacherprinzips können sich hier stellen, wenn bei bestehenden Bauten und Anlagen aufgrund der Neuausscheidung von Schutzzonen nachträglich Schutzmassnahmen notwendig werden, um Gefährdungen für die Trinkwassernutzung oder für die Grundwasserfassungs- und -anreicherungsanlagen zu vermeiden (Art. 31 GSchV).

66. Konflikte zwischen Grundwasserschutz und baulichen Nutzungen sollten allerdings primär durch eine geeignete Standortwahl für Grundwasserfassungen vermieden werden. Müssen dennoch bei bestehenden Fassungen nachträglich in bereits baulich genutzten Gebieten Schutzzonen ausgeschieden werden und kommt eine Verlegung oder Aufgabe der Fassung nicht in Frage, so legen die Kantone die notwendigen Eigentumsbeschränkungen zu Lasten der betroffenen Bauten und Anlagen fest. Die Inhaber der Grundwasserfassungen müssen für allfällige Entschädigungen aufkommen (Art. 20 Abs. 2 Bst. c GSchGvgl. Komm. zu Art. 20 GSchG).

67. Eine Abweichung vom Verursacherprinzip ist in dieser Bestimmung nicht zu sehen. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe der Inhaber gewässergefährdender Bauten und Anlagen, Massnahmen, welche zum Schutz des Grund- und Trinkwassers bei ihren Anlagen ergriffen werden müssen, auf ihre eigenen Kosten durchzuführen. Ein Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Inhaber der Grundwasserfassung besteht nur, wenn die angeordneten Eigentumsbeschränkungen so schwer wiegen, dass sie einer Enteignung gleichkommen, d.h. wenn eine materielle Enteignung vorliegt. Die nachträgliche Verpflichtung, bei bestehenden Bauten oder Anlagen zusätzliche bauliche Schutzmassnahmen zu ergreifen (z.B. doppelwandige Abwasserleitungen), stellt für sich allein noch keine materielle Enteignung dar (VGer SG, Urteil vom 25. November 2008, in: URP 2009, 198 ff. Näheres bei Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 919 ff.).

68. Als Verursacher sind demnach in erster Linie die Inhaber derjenigen Bauten und Anlagen anzusehen, die mit gewässergefährdenden Nutzungen verbunden sind und deshalb Schutzmassnahmen nach Art. 31 GSchV erforderlich machen (Huber-Wälchli, Kostentragung, 802 f.). Die Tatsache, dass Gewässerschutzbereiche oder Grundwasserschutzzonen und -areale erst nachträglich bezeichnet und ausgeschieden werden, kann für die Bestimmung des kostenpflichtigen Verursachers jedoch ebenfalls Bedeutung erlangen. Sind nämlich bestehende Nutzungskollisionen auf Planungsfehler und mangelnde Koordination zwischen Grundwasserschutz und Nutzungsplanung zurückzuführen, so kann dies die Annahme einer materiellen Enteignung rechtfertigen. Die Entschädigungspflicht trifft in solchen Fällen nicht allein die Inhaber der Grundwasserfassungen, sondern auch das planende Gemeinwesen (BGE 106 Ib 336, 340, E. 5c/bb131 II 72, 79, E. 3.6; Huber-Wälchli, Kostentragung, 805 ff.; Keller, Sanierung, 548 ff.).

3. Sicherung angemessener Restwassermengen
69. Beim quantitativen Gewässerschutz kann sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Verursacherprinzips insb. im Zusammenhang mit der Sanierung von Fliessgewässern, die durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusst werden, stellen (Art. 80−83 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 80−83 GSchG). Das Gesetz regelt weder, wer die Sanierung solcher Gewässer vorzunehmen hat noch wer die Kosten trägt. Nur wenn ein entschädigungsbegründender Eingriff in bestehende Wassernutzungsrechte vorliegt, bestimmt Art. 80 Abs. 2 GSchG, dass die Bestimmungen des Enteignungsrechts zur Anwendung kommen (vgl. Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 941 ff.).

70. Für Sanierungsmassnahmen nach Art. 80 Abs. 1 GSchG ebenso wie nach Abs. 2 gelten demnach die allgemeinen Grundsätze, wonach zur Ermittlung des Sanierungspflichtigen das Störerprinzip heranzuziehen ist. Ist der Sanierungsbedarf auf eine Wasserentnahme zurückzuführen, so steht der Inhaber der Bewilligung nach Art. 29 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG) dem Gefahrenherd am nächsten und verfügt i.d.R. auch über die persönlichen und sachlichen Mittel, um die Störung beseitigen zu können (BGE 107 Ia 19, 25, E. 2b).

71. Da der Gesetzgeber für die Kostenfolgen keine abweichenden Regelungen erlassen hat, obliegt dem realleistungspflichtigen Störer zugleich auch die ausschliessliche Kostentragungspflicht (Hunger, Sanierungspflicht, 271).

72. Besteht demgegenüber Anspruch auf eine enteignungsrechtliche Entschädigung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, so stellt sich die Frage, ob der Enteigner (i.d.R. der Kanton) eine volle Entschädigung für den Minderwert schuldet, der aus der Teilenteignung des betroffenen Wasserrechts resultiert, oder ob auch Aspekte des Verursacherprinzips in die Bemessung der Höhe der Entschädigung miteinfliessen sollen. Wird der Verweis in Art. 80 Abs. 2 GSchG bei solchen regulatorischen Eingriffen nur auf das anwendbare Verfahren bezogen, nicht dagegen auf die materiellen Regeln der Entschädigungsbemessung (so auch Riva, Wohlerworbene Rechte, 207 f., 126; vgl. auch BGE 139 II 28, 42, E. 3.1), so ist nach den Grundsätzen des Verursacherprinzips eine Entschädigung nur für denjenigen Teil der Sanierungsmassnahmen zu gewähren, welcher über das nach Art. 80 Abs. 1 GSchG Gebotene hinausgeht (Riva, Wohlerworbene Rechte, 209; vgl. BGE 139 II 28, 45, E. 3.7). Denn im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 GSchG hat der Konzessionär als Verursacher ausser den Kosten der von ihm als Störer zu ergreifenden Massnahmen auch die daraus resultierenden wirtschaftlichen Einbussen zu tragen (Hunger, Sanierungspflicht, 258 ff.).

73. Das Verursacherprinzip kann im Weiteren bei der Kostentragung im Verfahren der Sanierung Bedeutung erlangen. Sieht eine kantonale Gebührenverordnung die Festsetzung von Abgaben und Gebühren für die Erteilung und Abänderung von Bewilligungen zur Wasserentnahme vor, so gilt diese Kostenfolge auch für das Verfahren zur Restwassersanierung. Denn der Sache nach handelt es sich dabei um die Abänderung einer Bewilligung (VGer BE, Urteil in: BVR 1998, 111, 130, E. 14b).

4. Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer
74. Im 3. Kapitel des 2. Titels über die Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen (Art. 36a−44 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 36a–44 GSchG) finden sich verschiedene Vorschriften, welche sich an die Inhaber bestimmter Anlagen und Werke richten und diesen Pflichten zur Ergreifung von Massnahmen zur Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer auferlegen. Die Kosten dieser Massnahmen fallen grundsätzlich direkt bei den Massnahmenpflichtigen an, so dass sich die Frage nach möglichen kostenpflichtigen Verursachern nicht stellt.

75. Sind allerdings bauliche Massnahmen zur Verhinderung oder Beseitigung von Schwall und Sunk (Art. 39a GSchG) oder geeignete Massnahmen zur Verhinderung beeinträchtigender Veränderungen des Geschiebehaushalts (Art. 43a GSchG) als Sanierungsmassnahmen bei bestehenden Wasserkraftwerken oder anderen Anlagen an Gewässern zu ergreifen (Art. 83a GSchGvgl. Komm. zu Art. 83a GSchG), so steht den Inhabern einer Konzession ein Anspruch auf Rückerstattung der vollständigen Kosten zu (Art. 15abis EnG). Schuldner dieses Anspruchs ist die Nationale Netzgesellschaft (Swissgrid), welche zu diesem Zweck einen Zuschlag auf den Kosten der Stromübertragung auf dem Hochspannungsnetz erhebt. Dieser Zuschlag beträgt 0,1 Rappen/kWh und wird auf die Endverbraucher, d.h. die Strombezüger, überwälzt (Art. 15b EnG).

76. Der Gesetzgeber bezieht mit dieser Abgabe die Stromverbraucher in die Kostentragungspflicht mit ein, obwohl sie nicht unmittelbare Verursacher der zu ergreifenden gewässerschutzrechtlichen Sanierungsmassnahmen sind. Das Unmittelbarkeitserfordernis bindet den Gesetzgeber aber nicht, wenn zwischen der Kostenpflicht und dem Verwendungszweck ein hinreichender direkter funktioneller Zusammenhang besteht (vgl. N 27). In diesem Sinne beinhaltet der Begriff des Verursachers eine normative Wertung, welche dem formellen Gesetzgeber bei der Umsetzung des Verursacherprinzips Spielraum lässt.

5. Kosten der Ermittlung des Sachverhalts
77. Das Verursacherprinzip kann schliesslich auch im Rahmen der Regelung der Verfahrenskosten zum Tragen kommen, insb. wenn über die Kostenverteilung für Massnahmen zur Feststellung des Sachverhalts zu entscheiden ist. Die Kostentragungspflicht kann dabei nicht direkt aus Art. 3a GSchG hergeleitet werden, da das Verursacherprinzip als allgemeiner Grundsatz der Umsetzung durch Gebührenregelungen und -tarife bedarf (BGer 1C_78/2012 vom 10. Oktober 2012, E. 5.3; BGE 119 Ib 389, 394, E. 4b).

78. Auf Bundesebene ermächtigt Art. 46a RVOG den Bundesrat zum Erlass von Bestimmungen über die Erhebung angemessener Gebühren im erstinstanzlichen Verfahren (Krauskopf/Emmenegger, Praxiskommentar VwVG, Art. 12 N 61).

79. In eidgebenso wie in kt. Verfahren werden die Parteien durch Art. 52 Abs. 1 Satz 3 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 52 GSchG) zur Mitwirkung und zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Behörden verpflichtet. Obwohl im Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt und die Sachverhaltsermittlung grundsätzlich den Behörden obliegt, kann daher z.B. der Inhaberin einer Einleitungsbewilligung die Pflicht auferlegt werden, Abklärungen oder Studien zur Möglichkeit einer Schadstoffreduktion in Auftrag zu geben (BGE 134 II 142, unpubl. E. 4). Die Kosten fallen in einem solchen Fall direkt bei der mitwirkungspflichtigen Partei an. Damit bedarf es keiner speziellen Kostenregelung zur Umsetzung des Verursacherprinzips mehr.

6. Haushälterische Trink- und Brauchwasserversorgung
80. Die Trink- und Brauchwasserversorgung wird im GSchG nicht geregelt. Gemäss Art. 1 Bst. b GSchG (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG) wird aber mit den Regelungen dieses Gesetzes auch die Sicherstellung und haushälterische Nutzung des Trink- und Brauchwassers bezweckt. Insofern lassen sich auch die Massnahmen zur Trink- und Brauchwasserversorgung unter Art. 3a GSchG subsumieren. Kantonale Regelungen, welche eine kostendeckende Gebührenerhebung für den Frischwasseranschluss und den Wasserverbrauch vorsehen, sind deshalb grundsätzlich mit dem eidg. GSchG und dem Verursacherprinzip vereinbar (Brunner, Wasserwirtschaft, 492 f.). Eine Pflicht zur Einführung des Verursacherprinzips im Bereich der Wasserversorgung wird jedoch verneint (Stutz, Herausforderungen, 524 f.).

81. Der gesetzgeberische Spielraum der Kantone und Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Abgaben für die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser ist noch grösser als bei der Abwasserentsorgung, da es an konkretisierenden Bestimmungen auf Bundesebene fehlt (vgl. zu einzelnen gesetzlichen Vorgaben des Bundesrechts im Bereich der Wasserversorgung Friederich/
Wichtermann, Abgaben, 94). Im Sinne des Verursacherprinzips ist eine Regelung, welche bei der Benützungsgebühr eine Kombination von Grund- und Mengengebühren vorsieht und dabei den Anteil der Grundgebühr nicht strikt gemäss dem Fixkostenanteil festsetzt, sondern einen erhöhten Anteil der verbrauchsabhängigen Mengengebühr vorsieht, um damit grössere Sparanreize zu erzielen. Das Äquivalenzprinzip muss jedoch gewahrt bleiben (VGer ZH, Urteil vom 28. Februar 2012 [AN.2011.00004], E. 4., 6).

 

Résumé

L’art. 3a LEaux dispose que celui qui est à l’origine d’une mesure en supporte les frais. Cette disposition concrétise le principe de causalité que l’on retrouve aux art. 74 al. 2 Cst. et 2 LPE (principe du pollueur payeur).

L’art. 3a LEaux ne définit pas la notion de pollueur. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la situation ou le comportement du perturbateur doit être en relation de causalité naturelle avec la menace ou l’atteinte. De plus, il faut que le lien de causalité soit immédiat, c’est-à-dire que la cause elle-même ait franchi les limites de la mise en danger. Seules des mesures prescrites par la loi peuvent être mises aux frais du pollueur. Ces frais peuvent être mis à la charge du pollueur par des taxes causales, soit des émoluments ou des charges de préférence.

En vertu de l’art. 55 LEaux, la Confédération perçoit des émoluments pour les autorisations qu’elle délivre, les contrôles qu’elle effectue, ainsi que pour les prestations spéciales qu’elle fournit conformément à la LEaux. Le Tribunal fédéral a retenu que l’application simultanée des art. 48 LPE et art. 55 LEaux est soumise au principe du pollueur-payeur. L’art. 60a LEaux exige que les cantons veillent à ce que les coûts de construction, d’exploitation, d’entretien, d’assainissement et de remplacement des installations d’évacuation et d’épuration des eaux concourant à l’exécution de tâches publiques soient mis, par l’intermédiaire d’émoluments ou d’autres taxes, à la charge de ceux qui sont à l’origine de la production d’eaux usées. Afin de respecter le principe de causalité, les cantons doivent prévoir un système combinant des taxes de bases et des taxes de consommation d’eau déterminées en fonction de la quantité d’eaux usées à évacuer. Ces taxes causales doivent respecter le principe de la couverture des frais, ainsi que le principe de proportionnalité, en particulier le principe d’équivalence. Les taxes d’orientation, au contraire des taxes causales, n’ont pas un but fiscal mais uniquement un but incitatif, c’est-à-dire d’agir sur le comportement des particuliers. Elles se fondent sur l’art. 76 Cst. et sur les lois fédérales. La LEaux n’en contient toutefois aucune.

Les impôts d’affectation sont des impôts spéciaux prélevés auprès d’un groupe déterminé de particuliers à raison des dépenses que ceux-ci occasionnent à la communauté dans une proportion supérieure à celle des autres contribuables. On trouve déjà actuellement un impôt d’affectation à l’art. 15abis LEne.

Le terme «mesures» de l’art. 3a LEaux comprend principalement les mesures prises pour le traitement des eaux que ce soit lors de la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées (art. 60LEaux) ou lors de coûts résultant des mesures de prévention et de réparation des dommages (art. 54 LEaux) qui sont donc à la charge de celui qui a provoqué ces interventions ou de celui qui a produit les eaux usées. Par contre, la planification de l’évacuation régionale ou communale des eaux (art. 7 al. 3 LEaux) ne constitue pas une mesure au sens de l’art. 3LEaux et les frais doivent donc être pris en charge par la collectivité publique. Le principe de causalité trouve également son application dans le cadre des mesures d’organisation du territoire, en particulier pour les détenteurs de captages d’eaux souterraines qui sont tenus de prendre à leur charge les indemnités à verser en cas de restriction au droit de propriété (art. 20 al. 2 let. c LEaux). Les mesures d’assainissement de l’art. 80 LEaux ou les mesures pour garantir l’approvisionnement en eau potable et en eau d’usage industriel sont également soumises au principe de causalité. Enfin, les frais de procédure, et plus particulièrement les frais dus à l’établissement des faits, ne peuvent être perçus en se fondant directement sur l’art. 3a LEaux. Il faut, pour ce faire, que les cantons édictent des dispositions et fixent un tarif. Au niveau fédéral, l’art. 46 LOGA autorise le Conseil fédéral à édicter des dispositions prévoyant la perception d’émoluments appropriés pour les décisions et les autres prestations de l’administration fédérale.

 

Literatur: Brunner Ursula, Auf dem Weg zur integralen Wasserwirtschaft: Das Solothurner Gesetz über Wasser, Boden und Abfall (GWBA), in: URP 2013, 479 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Caroni Pio/Schöbi Felix/Emmenegger Susan et. al., Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. I/1, Einleitung (Art. 1–9 ZGB), Bern 2012 (zit. Bearbeiter, BK ZGB); Donzel Valérie, Les redevances en matière écologique, Diss. Lausanne 2002 (zit. Redevances); Epiney Astrid/Scheyli Martin, Umweltvölkerrecht – Völkerrechtliche Bezugspunkte des schweizerischen Umweltrechts, Bern 2000 (zit. Umweltvölkerrecht); Fleiner-Gerster Thomas, Rechtsgutachten über die Verfassungsmässigkeit des Vorentwurfes zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 18. Dezember 1973, in: WuR 27 (1975), 193 ff. (zit. Verfassungsmässigkeit); Frick Martin, Das Verursacherprinzip in Verfassung und Gesetz, Diss. Bern 2003 (zit. Verursacherprinzip); Friederich Ueli/Wichtermann Jürg, Umweltrelevante Abgaben in Gemeinden – Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung, Schriftenreihe der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) Nr. 8, Bern 2006 (zit. Abgaben); Hettich Peter/Walther Simone, Rechtsfragen um die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Elektrizität aus erneuerbaren Energien, in: ZBl 112 (2011), 143 ff. (zit. Rechtsfragen); Hettich Peter/Wettstein Yannick, Rechtsfragen um Kostenanlastungssteuern, in: ASA 78 (2010), 537 ff. (zit. Kostenanlastungssteuern); Huber-Wälchli Veronika, Kostentragung für Massnahmen bei bestehenden Anlagen in neuen Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 790 ff. (zit. Kostentragung); Hungerbühler Adrian, Grundsätze des Kausalabgabenrechts. Eine Übersicht über die neuere Rechtsprechung und Doktrin, in: ZBl 104 (2003), 505 ff. (zit. Kausalabgabenrecht); Karlen Peter, Zum Erfinden neuer öffentlicher Abgaben, in: ZBl 115 (2014), 1 f. (zit. Abgaben); Keller Helen/von Arb Christine, Nachhaltige Entwicklung im Völkerrecht – Begriff, Ursprung, Qualifikation, in: URP 2006, 439 ff. (zit. Nachhaltige Entwicklung); Keller Peter M., Sanierung in Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 534 ff. (zit. Sanierung); Mahaim Raphaël, Die abgaberechtliche Vielfalt in der Schweiz am Beispiel der Wassernutzung – Insbesondere zur Tarifgestaltung der für die Nutzung von Oberflächengewässern erhobenen Abgaben, in: Waldmann Bernhard/Hänni Peter/Belser Eva Maria (Hrsg.), Föderalismus 2.0 – Denkanstösse und Ausblicke, Bern 2011, 283 ff. (zit. Föderalismus); Meier-Hayoz Arthur, Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. IV/3, Grundeigentum II (Art. 680-701 ZGB), Bern 1974 (zit. BK Grundeigentum II); Reich Markus, Steuerrecht – Teil IV Mehrwertsteuerrecht verfasst von Philip Robinson, 2. Aufl., Zürich 2012 (zit. Steuerrecht); Sands Philippe/Peel Jacqueline, Principles of International Environmental Law, 3. Aufl., Cambridge 2012 (zit. Principles); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht I, 3. Aufl, Zürich 2009 (zit. Umweltrecht I).

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft über die Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt vom 4. Oktober 1993, BBl 1993 IV 293 ff. (zit. Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993); Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Schweizerischer Städteverband/Fachorganisation für Entsorgung und Strassenunterhalt (FES) (Hrsg.), Richtlinie über die Finanzierung auf Gemeinde- und Verbandsebene (Module 11 und 12), Glattbrugg 1994 (zit. Finanzierung); Bericht des Bundesrates über die Reduktion der Umweltrisiken von Düngern und Pflanzenschutzmitteln vom 21. Mai 2003, BBl 2003 4802 ff. (zit. Bericht Umweltrisiken 2003).

Autoren: Fritzsche Christoph | Hettich Peter | Huber-Wälchli Veronika | Thurnherr Daniela​ | Tschopp Simone | Tschumi Tobias

Begriffe

In diesem Gesetz bedeuten:

a. Oberirdisches
Gewässer:
Wasserbett mit Sohle und Böschung so wie die tierische und pflanzliche Besiedlung.
b. Unterirdisches
Gewässer:
Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht.
c. Nachteilige
Einwirkung:
Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen.
d. Verunreinigung: Nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers.
e. Abwasser: Das durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, ferner das in der Kanalisation stetig damit abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser.
f. Verschmutztes
Abwasser:
Abwasser, das ein Gewässer, in das es gelangt, verunreinigen kann.
g. Hofdünger: Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung.
h. Abflussmenge Q347: Abflussmenge, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist.
i. Ständige
Wasserführung:
Abflussmenge Q347, die grösser als Null ist.
k. Restwassermenge: Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser verbleibt.
l. Dotierwassermenge: Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimmten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird.
m. Revitalisierung: Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen.

Définitions

Au sens de la présente loi, on entend par:

a. eaux superficielles: les eaux de surface, les lits, les fonds et les berges, de même que la faune et la flore qui y vivent.
b. eaux souterraines: les eaux du sous-sol, les formations aquifères, le substratum imperméable et les couches de couverture.
c. atteinte nuisible: toute pollution et toute intervention susceptible de nuire à l’aspect ou aux fonctions d’une eau.
d. pollution: toute altération nuisible des propriétés physiques, chimiques ou biologiques de l’eau.
e. eaux à évacuer: les eaux altérées par suite d’usage domestique, industriel, artisanal, agricole ou autre, ainsi que les eaux qui s’écoulent avec elles dans les égouts et celles qui proviennent de surfaces bâties ou imperméabilisées.
f. eaux polluées: les eaux à évacuer qui sont de nature à contaminer l’eau dans laquelle elles sont déversées.
g. engrais de ferme: le lisier, le fumier et les jus de silo provenant de la garde d’animaux de rente.
h. débit Q347: le débit d’un cours d’eau atteint ou dépassé pendant 347 jours par année, dont la moyenne est calculée sur une période de dix ans et qui n’est pas influencé sensiblement par des retenues, des prélèvements ou des apports d’eau.
i. débit permanent: un débit Q347 supérieur à zéro.
k. débit résiduel: le débit d’un cours d’eau qui subsiste après un ou plusieurs prélèvements.
l. débit de dotation: la quantité d’eau nécessaire au maintien d’un débit résiduel déterminé après un prélèvement.
m. revitalisation: le rétablissement, par des travaux de construction, des fonctions naturelles d’eaux superficielles endiguées, corrigées, couvertes ou mises sous terre.

Definizioni

Ai sensi della presente legge si intendono per:

a. acque superficiali: l’acqua, l’alveo, con fondali e scarpate, compresi i loro insediamenti animali e vegetali.
b. acque sotterranee: la falda freatica, la formazione acquifera, il sostrato impermeabile e lo strato di copertura.
c. effetto pregiudizievole: l’inquinamento ed ogni altro intervento che nuoccia all’aspetto o alla funzione delle acque.
d. inquinamento: un’alterazione pregiudizievole delle proprietà fisiche, chimiche o biologiche dell’acqua.
e. acque di scarico: le acque alterate dall’uso domestico, industriale, artigianale, agricolo o altro e quelle che vi scorrono continuamente insieme in una canalizzazione come pure le acque meteoriche che scorrono da superfici edificate o consolidate.
f. acque di scarico inquinate: le acque di scarico in grado di inquinare l’acqua in cui sono immesse.
g. concime di fattoria: il colaticcio, il letame e i liquami di silo provenienti dall’allevamento di bestiame da reddito.
h. portata Q347: la portata, determinata su un periodo di dieci anni, che è raggiunta o superata in media durante 347 giorni all’anno e non è sensibilmente influenzata né da sbarramenti, né da prelievi, né da apporti d’acqua.
i. deflusso permanente: una portata Q347 superiore a zero.
k. deflusso residuale: il deflusso che rimane di un corso d’acqua dopo uno o più prelievi.
l. portata di dotazione: la portata indispensabile per assicurare un determinato deflusso residuale in caso di prelievo.
m. rivitalizzazione: il ripristino, con misure di natura edile, delle funzioni naturali di acque superficiali arginate, corrette, coperte o messe in galleria.

 

Inhaltsübersicht

​Ober‑ und unterirdisches Gewässer (Bst. a und b) 1
​A. ​Begriff des Gewässers 1
B. ​Oberirdisches Gewässer (Bst. a) 3
C. ​Unterirdisches Gewässer (Bst. b) 13
II.  ​ Nachteilige Einwirkung (Bst. c) 21
III. Verunreinigung (Bst. d) 26
​IV. ​Abwasser (Bst. e) 27
V.​ ​Verschmutztes Abwasser (Bst. f) 31
​VI. ​Hofdünger (Bst. g) 34
​VII. ​ Abflussmenge Q347 (Bst. h) 40
A. Tragweite 42
​B. ​Elemente der Legaldefinition 48
1. Ausgangspunkt 48
2. ​Abszissengemittelte zehnjährige Dauerkurve 51
3. ​Durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst 55
4. ​Massgebende Beobachtungsperiode? 62
​VIII. ​Ständige Wasserführung (Bst. i) 66
​​IX.  ​Restwassermenge (Bst. k)
​​X. ​​Dotierwassermenge (Bst. l) 74
​XI.  ​​Revitalisierung (Bst. m) 77

 

 

I. Ober‑ und unterirdisches Gewässer (Bst. a und b)

A. Begriff des Gewässers

1. Wie im Kontext von Art. 2 GSchG ausgeführt, definiert weder das GSchG noch die GSchV den Gewässerbegriff als solchen. Ausgehend von einer primär an der ratio legis orientierten Auslegung bildet die Einbindung in den Wasserkreislauf das Hauptkriterium für die Subsumtion unter den Gewässerbegriff. Daher gelten nur Wassermengen, die Bestandteil des hydrologischen Zyklus bilden und unmittelbar mit dem Ökosystem Wasser verbunden sind, als Gewässer im Sinne dieses Gesetzes (s. dazu Komm. zu Art. 2 GSchG N 7 mit Ausführungen zu den ergänzenden, ebenfalls aus dem Gesetzeszweck resultierenden Begriffspräzisierungen und ‑abgrenzungen).

2. Ausgehend von der Systematik der Begriffsbestimmungen in Art. 4 GSchG werden nachfolgend die Legaldefinitionen des ober‑ bzw. unterirdischen Gewässers erörtert. Die Differenzierung zwischen den beiden Gewässertypen dient nicht nur der Verdeutlichung von deren integralen rechtlichen Erfassung: Zwar unterscheiden verschiedene Vorgaben wie die Sorgfaltspflicht gemäss Art. 3 GSchG nicht zwischen ober‑ und unterirdischen Gewässern. Konsequenz des naturwissenschaftlich begründeten Bedürfnisses nach passgenauen Vorgaben im Hinblick auf die Realisierung eines umfassenden Gewässerschutzes bildet allerdings, dass sich eine Reihe von Bestimmungen des GSchG und der GSchV ausschliesslich auf die ober‑ (s. exemplarisch Art. 4 Bst. m, Art. 7 Abs. 2 und Art. 36a Abs. 1 GSchG sowie Anh. 2 Ziff. 1 GSchV) bzw. die unterirdischen Gewässer (s. Art. 24 GSchG sowie Art. 6 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 Bst. a und Abs. 3 sowie Anh. 2 Ziff. 2 GSchV) bezieht.

B. Oberirdisches Gewässer (Bst. a)

3. Art. 4 Bst. a GSchG definiert oberirdische Gewässer als «Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung». Von dieser Umschreibung erfasst werden etwa Flüsse, Bäche, Kanäle und Gräben als fliessende Gewässer sowie Seen und Teiche als stehende Gewässer (s. BGer 1C_821/20131C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.2). Unerheblich ist, wie das Wasser in das Bett gelangt ist (unmittelbar von der Erdoberfläche oder erst nach Versickern) und welche Eigenschaft es vor dem Eintritt in das Wasserbett aufwies (z.B. Grundwasser, Regenwasser etc.; s. Czychowski/Rein­hardt, Kommentar WHG, § 3 N 4 zum deutschen Recht).

4. Der Gesetz‑ und Verordnungsgeber hat darauf verzichtet, die Oberflächengewässer in verschiedene Klassen mit unterschiedlichen Konsequenzen bezüglich der Schutzwürdigkeit einzuteilen. Somit kommt allen oberirdischen Gewässern derselbe Schutz zu (Vallender/Morell, Umweltrecht, N 40). Allerdings werden in Anh. 2 zur GSchV unterschiedliche zusätzliche Anforderungen an Fliessgewässer und stehende Gewässer statuiert.

5. Als Wasserbett definiert wird gemeinhin «eine in der Natur äusserlich wahrnehmbare Vertiefung der Erdoberfläche, die als solche eindeutig vom übrigen Erdreich abgegrenzt ist und schon nach dem äusseren Erscheinungsbild (bei objektiver Betrachtungsweise) ausschliesslich oder im Wesentlichen dazu dient, Wasser zu sammeln oder fortzuleiten» (s. Czychows­ki/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 11). Unerheblich ist, ob es sich um natürliche oder künstlich bzw. legal oder illegal angelegte Gewässer handelt (s. Komm. zu Art. 2 GSchG N 18). Die Qualifikation als Gewässer bedingt sodann nicht, dass das Bett ständig Wasser führt. Ausgeklammert bleiben allerdings in ihrer Ausdehnung minimale oder sich bloss selten, beispielsweise bei entsprechenden Witterungsverhältnissen, sammelnde Wassermengen (s. Komm. zu Art. 2 GSchG N 10).

6. Spezifischer Erörertung bedarf die Qualifikation von eingedolten Gewässern, d.h. von solchen, «die in der Vergangenheit einmal in eine Leitung gezwungen worden sind» (Stutz, Uferstreifen, 14 Fn. 35). Zwar können eingedolte Gewässer verschiedene Funktionen oberirdischer Gewässer nicht oder nurmehr beschränkt erfüllen (zu den Funktionen oberirdischer Gewässer s. N 10) und daher nicht vollständig der Definition von Bst. a entsprechen. Allerdings geht die Eigenschaft eines oberirdischen Gewässers durch die partielle Verlegung nicht gänzlich verloren. Ein gewichtiges Argument für deren Subsumtion unter Bst. a bildet überdies der Umstand, dass Bst. m von «eingedolten oberirdischen Gewässer[n]» spricht und auch der Verordnungsgeber von einer solchen Zuordnung ausgeht (Art. 41a Abs. 5 Bst. b und Art. 41c Abs. 6 Bst. b GSchV; s. auch BEZ 2012 Nr. 35 E. 4.1, in welchem die Zuordnung zu einem ober‑ bzw. unterirdischen Gewässer relevant war für die Frage der Ausscheidung des Gewässerraumes nach Art. 36a Abs. 1 GSchG; zum deutschen Recht, in welchem die Zuordnung von sog. verrohrten Bächen ebenfalls zu den oberirdischen Gewässern erfolgt, s. Czychowski/Rein­hardt, Kommentar WHG, § 3 N 13).

7. Zum Wasserbett gehört zum einen die Sohle, d.h. der vom Wasser bedeckte Boden des Gewässers, der Letzteres zur Landoberfläche sowie zum Grundwasser abgrenzt. Nicht Bestandteil der Sohle bilden demgegenüber Flächen, die zeitweilig, z.B. aufgrund von Überschwemmungen, unter Wasser stehen (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 16 zum deutschen Recht). Diese zählen jedoch dann ebenfalls zum oberirdischen Gewässer, wenn sie Bestandteil der Böschung sind. Die Zuordnung bleibt deshalb nicht ohne Folgen, weil die Sohle per se unter die Gewässerdefinition fällt, währenddem bei der Böschung ein funktionaler Konnex zum Wasserhaushalt bestehen muss (dazu sogleich).

8. Zum anderen bildet die Böschung Bestandteil des Wasserbetts. Diese beschreibt die seitlichen Einfassungen eines Gewässers. Ihre Konturen sind zu unterscheiden von der in Art. 41b Abs. 1 GSchV erwähnten Uferlinie, welche die Grenze zwischen Land und Wasser beschreibt. Ebenso wie die tierische und pflanzliche Besiedlung ausserhalb des Wasserbetts lässt sich auch die Böschung nicht abstrakt umreissen. Vielmehr ist sie mit Blick auf den Gesetzeszweck zu erschliessen. Wenn in der bundesrätlichen Botschaft GSchG 1987 ausgeführt wird, dass die «vielfachen Wechselwirkungen zwischen dem Wasser, der Gewässersohle, der Böschung und der vom Gewässer abhängigen Tier‑ und Pflanzenwelt […] eine ganzheitliche Gewässerdefinition» verlangen und exemplarisch auf den Einfluss des Schattenwurfs der Böschungsbestockung auf die Wasserqualität hingewiesen wird (Botschaft GSchG 1987, 1105), wird deutlich, dass sich die vom Gewässerbegriff erfasste Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung nur im Einzelfall gestützt auf die Bedeutung dieser Umweltbestandteile für die Realisierung des Gesetzeszwecks eruieren lässt. Spezifische Vorgaben gelten für den mindestens sechs Meter breiten sog. Pufferstreifen entlang von oberirdischen Gewässern. Die Erfüllung des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) setzt voraus, dass dort teilweise auf Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichtet wird (s. Anh. 1 Ziff. 9.6 DZV; dazu auch Koordinationsgruppe Richtlinien Tessin und Deutschschweiz (KIP)/Groupement pour la promotion intégrée dans l’Ouest de la Suisse (PIOCH), Merkblatt «Pufferstreifen – richtig messen und bewirtschaften», 2. Aufl., Lindau 2011, einsehbar unter <www.agridea.ch>).

9. Die Qualifikation als Gewässer drängt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bestandteilen oberirdischer Gewässer jedenfalls dann auf, wenn durch Kiesabbau künstlich geschaffene Buchten zu beurteilen sind, die in einen See einmünden: Da sich die einzelnen Elemente des Gewässerbegriffs (namentlich Wasserbett, Sohle und Böschung) «im Laufe der Zeit verändern können, sei es durch natürliche Vorgänge (Erosion, Verlandung) oder infolge menschlicher Eingriffe», seien «alle (zumindest periodisch) vom Seewasser überschwemmten Landteile zum Gewässer zu zählen, unabhängig von Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung» (BGer 1C_821/20131C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.3 m.H.).

10. Die oberirdischen Gewässer erfüllen wichtige Funktionen: Dazu gehören das Ableiten von Hochwasser und Geschiebe, die Sicherstellung der Entwässerung und die Bereitstellung eines Lebensraums für Pflanzen und Tiere, eines Raums für die Vernetzung des Gewässers mit seiner Umgebung sowie eines Erholungsraums für den Menschen, die Selbstreinigung des Wassers und die Erneuerung des Grundwassers (dazu Stutz, Raumbedarf, 6; ferner Stutz, Uferstreifen, 97; BAFU, Umwelt 2015, 69).

11. Diesen Funktionen ist bei der Formulierung der Qualitätsanforderungen Rechnung zu tragen: Gemäss Anh. 2 Ziff. 11 Abs. 1 GSchV muss die Wasserqualität u.a. so beschaffen sein, dass «sich im Gewässer mit blossem Auge keine sichtbaren Kolonien von Bakterien, Pilzen oder Protozoen und keine unnatürlichen Wucherungen von Algen oder höheren Wasserpflanzen bilden», «Laichgewässer für Fische erhalten bleiben» und «das Wasser nach Anwendung von angemessenen Aufbereitungsverfahren die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung erfüllt».

12. Vom oberirdischen Gewässer abzugrenzen ist der sog. Gewässerraum, wie er in Art. 36a GSchG geregelt ist. Der Gewässerraum ist aufgrund seines Zwecks (s. Art. 36a Abs. 1 GSchG: Gewährleistung der natürlichen Funktionen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser und der Gewässernutzung) in der Regel nicht deckungsgleich mit dem Raum, den das oberirdische Gewässer selbst einnimmt (s. auch Stutz, Uferstreifen, 97 Fn. 4; spezifisch zum Verhältnis zwischen dem Quelllebensraum und dem oberirdischen Gewässer im Sinne von Art. 4 Bst. a GSchG Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 384).

 

C. Unterirdisches Gewässer (Bst. b)

13. Gemäss Art. 4 Bst. b GSchG umfasst das unterirdische Gewässer das «Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer sowie Deckschicht». Die allgemeinen Anforderungen an die Qualität des unterirdischen Gewässers werden in Anh. 2 Ziff. 21 der GSchV statuiert: Unter anderem wird festgehalten, dass die Konzentration von Stoffen wie Ammonium, Nitrat, Sulfat oder Chlorid nicht stetig steigen darf (Abs. 1) bzw. das Grundwasser bei Exfiltration das oberirdische Gewässer nicht verunreinigen darf (Abs. 2). Zusätzliche Anforderungen gelten für das Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist (Ziff. 22).

14. Grundwasser kennzeichnet sich dadurch, dass es «die natürlichen Hohlräume (Poren, Spalten, Lüfte) des Untergrundes zusammenhängend aus[füllt]» und sich «entsprechend der Schwerkraft» bewegt (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11). Als Teil des natürlichen Wasserkreislaufes entsteht es «einerseits durch die natürliche Versickerung eines Niederschlagsanteils (Niederschlag minus Oberflächenabfluss und Verdunstung) und anderseits durch die Infiltration (Versickerung) von Wasser aus Flüssen und Bächen» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11). Zum Grundwasser zählt auch das Bergwasser (BUWAL, Untertagebauten, 8). Sofern das unterirdische Wasser im natürlichen Zusammenhang verbleibt, behält es die Grundwasserqualität, auch wenn es durch menschliche Einwirkung unterirdisch aufgestaut wird (s. zum deutschen Recht Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, § 2 N 34). Davon zu unterscheiden ist das sog. Stauwasser, verstanden als nur zeitweise – beispielsweise aufgrund starker Niederschläge – vorhandene oberflächennahe Anreicherung von Wasser (s. Scheffer/Schachtschnabel, Bodenkunde, 328). Entsprechend den Ausführungen zu den oberirdischen Gewässern (dazu N 5) und entgegen der bodenkundlichen Differenzierung (s. Scheffer/Schachtschnabel, Bodenkunde, 152) ist auch das Stauwasser mit Blick auf den Schutzzweck des GSchG zum Grundwasser zu zählen, sofern es an den natürlichen Gewässerfunktionen teilnimmt und nicht bloss selten auftritt. Nicht um Grundwasser handelt es sich demgegenüber beim sog. Hangdruckwasser als oberirdisch wild abfliessendes Niederschlagswasser (s. Czychowski/Reinhardt, Kommentar WHG, § 3 N 49 zum deutschen Recht).

15. Das explizit inkludierte Quellwasser bezeichnet das von Quellen als «natürliche Grundwasseraustritte an der Erdoberfläche» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 11; s. auch BGE 43 II 152, 158 E. 3; Lubini-Ferlin/Stucki/Vincentini et al., Ökologische Bewertung, 7 mit Hinweis auf die unterschiedlichen Quelltypen) geführte Wasser. Sobald das ausgetretene Quellwasser auf der Erdoberfläche angekommen ist und dort auf ein Wasserbett mit Sohle und Böschung trifft, wird es Teil eines oberirdischen Gewässers im Sinne von Art. 4 Bst. a GSchG (zur spezifischen Situation bei jenen Sickerquellen, bei welchen das Wasser wieder versickert, ohne dass sich ein Wasserbett mit Sohle und Böschung bildet, vgl. BUWAL, Ufervegetation, 23).

16. In der Schweiz liegt rund ein Fünftel aller Wasserreseven (insgesamt etwa 50 Mrd. Kubikmeter) als Grundwasser im Untergrund (BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 11). Bereits in der bundesrätlichen Botschaft von 1954 wurde auf die Bedeutung des Grundwasserschutzes im Hinblick auf die Sicherstrellung der Trinkwasserqualität hingewiesen (Botschaft GSchG 1954, 334). Ihm kommt nicht nur für die Vegetation sondern auch im Hinblick auf die Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit eminente Bedeutung zu (s. auch Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 395).

17. Die ebenfalls Bestandteil der unterirdischen Gewässer bildenden Grundwasserleitern und Grundwasserstauer sowie die Deckschicht erfüllen eine wichtige Schutzfunktion für das Grundwasser, indem sie es vor schädlichen Stoffen bewahren (s. Kozel, Grundwasser, 14; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 62; ferner Art. 32 Abs. 2 Bst. b GSchV). Um diese Funktion sicherstellen zu können, bedürfen sie ebenfalls eines besonderen Schutzes.

18. Bei den Grundwasserleitern, verstanden als Gesteinskörper mit Hohlräumen, welche das Grundwasser leiten, werden grundsätzlich drei Typen unterschieden: die Lockergesteins-Grundwasserleiter, die in den grossen Alpentälern sowie im schweizerischen Mittelland auftreten, die Karst-Grundwasserleiter, die im Falten‑ und Tafeljura sowie in den nördlichen Alpen verbreitet sind, sowie die Kluft-Grundwasserleiter, die sich in den Alpen sowie im Mittelland finden (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 13 ff.; s. dazu auch Kozel, Grundwasser, 11 ff.).

19. Als Grundwasserstauer bezeichnet werden «[h]ydrogeologische Einheit[en], die Grundwasser aufgrund ihrer geringen Durchlässigkeit nicht leite[n]» (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 125). Als sehr feinporige Gesteine lassen sie Wasser nicht oder kaum durchfliessen und verhindern auf diese Weise, dass es in tiefer liegende Schichten sickert.

20. Die Deckschicht schliesslich befindet sich «zwischen der Geländeoberfläche und dem zu schützenden Grundwasservorkommen» (Sinreich, Vulnerabilität, 110).

 

 

II. Nachteilige Einwirkung (Bst. c)

21. Der Terminus der nachteiligen Einwirkungen ist im GSchG von zentraler Bedeutung: Der Schutz der Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen bildet gemäss Art. 1 GSchG ratio legis. Dagegen zielte die Vorgängerbestimmung von Art. 2 des GSchG von 1955 bzw. jene von 1971 mit dem Schutz vor Verunreinigungen noch auf ein engeres Ziel ab. Art. 3 GSchG richtet die Sorgfaltspflicht auf die Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer. Die Verhinderung (und Behebung) nachteiliger Einwirkungen bildet sodann Gegenstand des 2. Titels, der sich von Art. 6–44 GSchG erstreckt und sich damit als gemeinsamer Nenner sämtlicher materiellrechtlicher Pflichten verstehen lässt. Art. 50 Abs. 3 GSchG schliesslich nimmt unter dem Titel von «Information und Beratung» explizit Bezug auf die Empfehlung von Massnahmen zur Verhinderung und Vermeidung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer.

22. Art. 4 Bst. c GSchG definiert die nachteilige Einwirkung als «Verunreinigung oder andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen». Somit bilden die nachteiligen Einwirkungen den Oberbegriff, der neben anderen Einwirkungen, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen, auch die Verunreinigung umfasst (s. zum Begriff der Verunreinigung Komm. zu Art. 4 Bst. d GSchG N 26).

23. Der Begriff der nachteiligen Einwirkung hat umfassenden Charakter (Botschaft GSchG 1987, 1084). Er bildet Ausdruck der erweiterten Zwecksetzung des GSchG von 1991, welches «nicht mehr nur de[n] Schutz der Gewässer vor Verunreinigung, sondern de[n] Schutz vor nachteiligen Einwirkungen in einem ganz allgemeinen und umfassenden Sinn» bezweckt (Botschaft GSchG 1987, 1084). Damit werden neben Verunreinigungen auch Eingriffe wie Wasserableitungen oder strukturelle Veränderungen der Gewässer einbezogen (Botschaft GSchG 1987, 1104). Abbild davon bilden die Regelungsgegenstände des 2. Titels, welche sich sowohl auf den qualitativen Gewässerschutz (1. Kapitel: Art. 6–28 GSchG), als auch auf den quantitativen Gewässerschutz (2. Kapitel: Art. 29–36 GSchG) und die Vermeidung anderer nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer (Art. 36a–44 GSchG) erstreckt.

24. Der Kreis der anderen Eingriffe, der aus der Subtraktion der Verunreinigungen von sämtlichen nachteiligen Einwirkungen resultiert, umfasst «beispielsweise Eingriffe in Fliessgewässer im Rahmen von Bachkorrekturen, Veränderungen von Seeufern als Folge von Aufschüttungen oder Beeinträchtigungen von Grundwasservorkommen durch Stauhaltungen oder Entwässerungen» (Botschaft GSchG 1987, 1105). Konsequenz bildet, «dass die Gewässer ihre Aufgaben als Lebensraum einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt, als Element der Landschaft und Erholung oder als Trinkwasserspeicher nicht mehr zufriedenstellend wahrnehmen können» (Botschaft GSchG 1987, 1105).

25. Der Begriff der nachteiligen Einwirkungen ist ausgehend von der Funktion der Gewässer zu erschliessen. Seine möglichen Erscheinungsformen sind vielfältig (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 26). In Ergänzung zu den bereits erwähnten Beispielen ist etwa auf dauernde Grundwasserspiegelabsenkungen oder die Verbindung von Grundwasserleitern, welche Qualität oder Menge des Grundwassers beeinträchtigt, hinzuweisen (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 55 f.). Weitere Beispiele möglicher Gewässerbeeinträchtigungen sind insbesondere «erhebliche Wasserentzüge, künstliche Aufwärmungen oder Abkühlungen, ins Gewicht fallende künstliche Veränderungen der Wassertiefe oder der Fliessgeschwindigkeit, Entzug von Licht und Wärme bei Eindolungen und dergleichen» (Botschaft GSchG 1970, 443; s. auch die Beispiele bei Oftinger, Haftpflicht, 103 f.; BAFU, Grundwasserschutz, 25). Während die «Verunreinigungen» vor allem durch Art. 6 ff. GSchG (1. Kapitel) eine Regelung finden, sind die anderen nachteiligen Einwirkungen hauptsächlich Gegenstand von Art. 29 ff. (2. Kapitel) und Art. 36ff. GSchG (3. Kapitel).

 

III. Verunreinigung (Bst. d)

26. Als «Verunreinigung» gilt gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers (s. Komm. zu Art. 6 GSchG N 16). Der Gesetzgeber knüpft hier an die Definition des GSchG 1971 an (vgl. Botschaft GSchG 1970, 443). Als «nachteilig» anzusehen ist jede messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand, d.h. unabhängig vom ursprünglichen Reinheitsgrad des Wassers (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3, in: URP 2008, 576). Im Gegensatz zu den allgemeiner gefassten «Einwirkungen» kommt es also nicht auf die Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen – Nutzung als Trinkwasser, Fischgewässer, Erholungsgewässer u.a. (dazu N 25) – an (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3 u.H. auf Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 128; s.a. die Übersicht bei Stutz, Herausforderungen, 507 f.). Hauptquelle für Verunreinigungen ist der Eintrag von Schadstoffen in die Gewässer. Beispiele sind etwa der Eintrag von Schadstoffen aufgrund ungenügend behandelter Abwässer aus industriellen und gewerblichen Prozessen und Haushalten; Auswaschungen von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukte aus landwirtschaftlichen Nutzflächen, Gärten und Sportanlagen; Sickerwässer aus Altlasten; Sickerverluste aus undichten Abwasserkanalisationen, Güllegruben und Tankanlagen; Eintrag von wasserlöslichen Schadstoffen aus der Luft; Eintrag von Schadstoffen aus der Entwässerung von Baustellen oder Verkehrswegen; Schadstoffeinträge aus Unfällen verschiedenster Art (s. etwa BAFU, Grundwasserschutz, 25). Zurzeit als Verunreinigung im Fokus stehen organische Spurenstoffe («Mikroverunreinigungen») im Abwasser (BAFU, Schadstoffbelastung, 10 ff.; Botschaft GSchG 2013, 5550 ff.). Die entsprechenden Verschärfungen von GSchG und GSchV sind per 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Als Verunreinigungen gelten neben dem Eintrag von Schadstoffen insbesondere auch Verfärbungen oder Trübungen des Wassers, soweit diese nicht aus natürlichen Vorgängen entstehen (z.B. Blütenstaubablagerungen, Algenwachstum), oder Veränderungen der Wassertemperatur durch Wärmeentnahme oder ‑zufuhr.

 

 

IV. Abwasser (Bst. e)

27. Der Begriff «Abwasser» wird in Art. 4 Bst. e GSchG anhand dreier verschiedener Tatbestände und in enger Anlehnung an den Wortlaut von § 2 Abs. 1 des AbwAG DE (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1105) gesetzlich umschrieben: Abwasser ist demnach das «durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, das in einer Kanalisation stetig damit zusammen abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser».

28. In dieser Legaldefinition nicht ausdrücklich erwähnt, aber für den gesetzlichen Abwasserbegriff konstitutiv sind zwei Merkmale: Zum einen wird Wasser nur dann als Abwasser qualifiziert, wenn es vom natürlichen Wasserkreislauf abgesondert worden ist (BGE 120 IV 300, E. 3a). Zum anderen setzt das Vorliegen von Abwasser voraus, dass sich der Inhaber des Abwassers entledigen möchte oder die Entsorgung des Abwassers im öffentlichen Interesse geboten ist (Stutz, Abwasserrecht, 81; s.a. Art. 7 Abs. 6 USG zur Definition der Abfälle).

29. Wasser, das sich im natürlichen Wasserkreislauf (z.B. in einem Oberflächengewässer oder ungefasst im Grundwasser) befindet, stellt kein Abwasser dar, selbst wenn das Wasser verschmutzt ist bzw. typische Inhaltsstoffe von Abwasser enthält (Stutz, Abwasserrecht, 71). Auch kein Abwasser ist Niederschlagswasser, das auf unbefestigte Flächen fällt und lokal versickert, sowie Niederschlagswasser, das eine Platzbefestigung durchsickert, selbst wenn dabei Schadstoffe ausgewaschen werden (Stutz, Abwasserrecht, 71, m. H. auf BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2). Gegensätzlich verhält es sich, wenn Niederschlagswasser vor der Versickerung über eine Abwasserleitung abgeleitet wird (Stutz, Abwasserrecht, 70).

30. Solange Wasser seinem Verwendungszweck noch nicht zugeführt wurde, stellt es kein Abwasser dar. Dieses entsteht erst dann, wenn es nach dem vorgesehenen Gebrauch abgeleitet wird, d.h. keiner weiteren Zweckbestimmung dient und in die Kanalisation oder in ein Gewässer eingebracht werden soll (Stutz, Abwasserrecht, 71).

 

 

V. Verschmutztes Abwasser (Bst. f)

31. Als verschmutzt gilt gemäss Art. 4 Bst. f GSchG Abwasser, welches geeignet ist, das Gewässer, in das es eingeleitet wird, zu verunreinigen. Nach dem strengen Schutzkonzept des GSchG wird ein Gewässer bereits dann verunreinigt, wenn das Wasser in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert wird und dadurch eine messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand entsteht (s. N 26; Komm. zu Art. 6 GSchG N 16).

32. Ob Abwasser als verschmutzt oder nicht verschmutzt gilt, ist im Einzelfall gemäss den Vorgaben von Art. 3 GSchV zu beurteilen. Abzustellen ist dabei zum einen auf eine emissionsseitige Betrachtung, d.h. auf die Art, die Menge, die Eigenschaften und den zeitlichen Anfall der Stoffe, die im Abwasser enthalten sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. a GSchV). Zum anderen ist aus immissionsseitiger Sicht ebenfalls zu berücksichtigen, in welchem Zustand sich das Gewässer, in welches das Abwasser gelangt, befindet (Art. 3 Abs. 1 Bst. b GSchV) bzw. wie stark der Untergrund an der Stelle, wo das Abwasser versickert, mit Schadstoffen belastet ist (Art. 3 Abs. 2 GSchV). Es ist somit denkbar, dass Abwasser, welches bei der Einleitung in ein bestimmtes Gewässer als verschmutzt gilt, bei der Einleitung in ein anderes Gewässer als nicht verschmutzt gilt (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478). Im Weiteren unterscheidet die GSchV zwischen drei verschiedenen Arten von verschmutztem Abwasser – kommunalem Abwasser (Anh. 3.1 GSchV), Industrieabwasser (Anh. 3.2 GSchV) und anderem verschmutztem Abwasser (Anh. 3.3 GSchV) – und stellt für diese Abwasserarten spezifische Anforderungen an deren Behandlung und Beseitigung auf (s. Komm. zu Art. 7 GSchG N 34 ff.).

33. Als nicht verschmutzt gilt dasjenige Abwasser, das nicht geeignet ist, das Gewässer, in welches es gelangt, zu verunreinigen (Botschaft GSchG 1987, 1110; Stutz, Abwasserrecht, 85). Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen wie Dächern, Wegen, Strassen, Plätzen und Gleisanlagen abfliesst, gilt nach gesetzlicher Vermutung als nicht verschmutzt, soweit die in Art. 3 Abs. 3 Bst. a–c GSchV aufgezählten Bedingungen erfüllt sind. Von dieser Vermutung darf die Behörde ausgehen, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die den gegenteiligen Schluss nahe legen. Liegen aber solche Umstände vor, müssen weitere Abklärungen getroffen werden (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478 Fn. 15). Gemäss der Bau‑, Verkehrs‑ und Energiedirektion des Kantons Bern handelt es sich bei Niederschlagswasser, welches von begehbaren Attikaflächen, Dachterrassen und Balkonen abfliesst, um verschmutztes Abwasser (RA Nr. 110/2005/41 vom 8. September 2005, E. 5h, in: BVR 2006 272 ff.).

 

 

VI. Hofdünger (Bst. g)

34. Hofdünger werden gemeinhin von Recyclingdüngern und Mineraldüngern abgegrenzt. Wie der Gesetzeswortlaut sagt, sind unter dem Begriff «Hofdünger» Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung zu verstehen. Damit ist die gewässerschutzrechtliche Definition vom Wortlaut her enger gefasst als die Definition nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV. Ob diese Divergenz vom Gesetzgeber gewollt bzw. sachlich gerechtfertigt ist, erschliesst sich nicht ohne Weiteres und müsste im Einzelfall geprüft werden. Bereits aus normhierarchischen Gründen ist eine Ausweitung des gewässerschutzrechtlichen Hofdüngerbegriffs über den auf dem Betrieb durch herbivore Tierhaltung anfallenden Dünger hinaus allerdings nicht möglich.

35. Mit dem Wortlaut von Art. 4 Bst. g GSchG nicht vereinbar sein dürfte insbesondere der in Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV statuierte Einbezug von Abgängen aus dem Pflanzenbau – soweit dieser nicht für die Nutztierhaltung erfolgt – und von Material nicht landwirtschaftlicher Herkunft (allenfalls mit der Ausnahme der Hausabwässer gemäss Art. 12 Abs. 4 GSchG, wobei diese nach hiesigem Verständnis aber nicht zum Hofdünger werden, sondern nur mit diesem zusammen verwertet werden dürfen). Die Problematik der Ausweitung des Hofdüngerbegriffs über die Abgänge aus der Nutztierhaltung hinaus ist vor allem darin zu sehen, dass das Gewässerschutzgesetz der Überdüngung in Art. 14 Abs. 4 damit begegnet, dass es die Erzeugung des Hofdüngers über die Menge der erlaubten Grossvieheinheiten an die düngbare Fläche bindet. Speziell beim Einsatz von zusätzlichem, nährstoffreichem Material – wie es die DüV erlaubt – geriete das gewässerschutzrechtliche System somit aus den Fugen und die im GSchG festgelegten Grenzwerte verlören jegliche Aussagekraft.

36. Auf der anderen Seite fragt es sich, ob es der Konzeption des Gewässerschutzgesetzes nicht entsprechen würde, dass das Endprodukt der Co-Vergärung unabhängig vom Gehalt des Ausgangsstoffes ebenso wie weitere Nebenprodukte nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV und Abschlämmwasser aus Biowäschern und Abwasser aus Chemowäschern als Hofdünger angesehen werden, wenn sie ausschliesslich aufgrund herbivorer Tierhaltung im eigenen Betrieb anfallen. Nachdem die Nährstoffkreisläufe auf einem Betrieb möglichst zu schliessen sind, um eine ausgeglichene Nährstoffbilanz zu erreichen, wäre über die Nutztierhaltung immerhin dasselbe begrenzende Element gegeben.

37. Gegenwärtig zählen Produkte der Vergärung und Verrottung nach der Praxis des BAFU nur dann zu den Hofdüngern im Rechtssinne, wenn sie die Anforderungen des per 1. Januar 2014 revidierten Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV erfüllen bzw. – nach der Vollzugshilfe zum alten Recht – solange, wie sie den überwiegenden Teil am Endprodukt der Co-Vergärung ausmachen (vgl. BAFU, Düngung, Ziff. 351.2, 21).

38.Die Gülle, ein flüssiger Hofdünger, besteht aus Harn und Kot von Nutztieren sowie aus Wasser. Der Mist, ein fester Hofdünger, enthält je nach Art der Haltung kleinere oder grössere Mengen mit Harn, Kot und Futterresten versetzter Streue. Die Silosäfte schliesslich sind extrem nährstoffreiche und saure flüssige Hofdünger, die je nach gewähltem Verfahren und Gärgut bei der Silierung oder durch die Verunreinigung von Niederschlagswasser mit Silage entstehen (vgl. AUE BL, Vollzugshilfe Silieranlagen BL, 2; BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 23 f.).

39. Der Nährstoffgehalt des Hofdüngers ist je nach Tierart und ‑haltung sehr unterschiedlich und kann sogar in derselben Kategorie je nach Betrieb stark differieren. Eine Übersicht verschaffen zum Beispiel die Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau (GRUDAF, 2009) der Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil und Reckenholz-Tänikon.

 

 

VII. Abflussmenge Q347 (Bst. h)

40. Im E-GSchG 1984 (Art. 4) wurde nicht der Begriff «Abflussmenge Q347» definiert, sondern – etwas umständlicher, aber insgesamt inhaltlich gleich – die Begriffe «natürliche Wasserführung», «massgebende Wasserführung» sowie «Wasserführung Q347». Die Begriffe «ständige Wasserführung», «Restwasserführung» und «Dotierwassermenge» entsprechen inhaltlich den heutigen Begriffen gemäss Art. 4 Bst. i–l GSchG (vgl. N 66 ff., 69 ff., 74 ff.).

41. Den vom Bundesrat im E-GSchG 1987 vorgeschlagenen Legaldefinitionen für «Abflussmenge Q347», «ständige Wasserführung», «Restwassermenge» und «Dotierwassermenge» (Art. 4 Bst. g–k E-GSchG 1987) stimmten die Räte diskussionslos zu.

 

A. Tragweite

42. Die Abflussmenge Q347 ist die grundlegende Bezugsgrösse für den Vollzug der Restwasservorschriften. Von ihrem Wert hängt nicht nur ab, ob ein Fliessgewässer als ständig wasserführend gilt (s. N 66 ff.) und eine Wasserentnahme über den Gemeingebrauch hinaus demzufolge einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG bedarf, sondern auch, ob eine bestehende Wasserentnahme in den Anwendungsbereich von Art. 80 ff. GSchG fällt (vgl. Verwaltungsgericht GL, Urteil vom 30. Oktober 2014 [VG.2014.00051], E. 2). Die Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme muss für die Anwendung der Restwasservorschriften bekannt sein (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. e, Art. 32 Bst. a und b GSchG), ebenso für die Erteilung einer Bewilligung für eine Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG.

43. Der grösste Stellenwert kommt der Ermittlung der Abflussmenge Q347 zu, wenn die Restwassermenge nur durch Art. 31 Abs. 1 GSchG be­stimmt wird und die Abflussmenge Q347 mehr als 60 l/s beträgt. Sobald eine Erhöhung nach Art. 31 Abs. 2 GSchG und/oder nach Art. 33 GSchG erfolgt, tritt die Bedeutung des Wertes von Q347 in den Hintergrund.

44. Ohne Kenntnis der Abflussmenge Q347 ist es nur in seltenen Fällen möglich, die Restwasservorschriften anzuwenden, z.B. wenn aufgrund der Grösse des Einzugsgebietes mit Sicherheit feststeht, dass die Abflussmenge Q347 eines Gewässers weniger als 60 l/s beträgt. In solchen Fällen beträgt die minimale Restwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG 50 l/s, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 GSchG beansprucht wird. Einzelne Ausnahmebestimmungen können in gewissen Fällen angewendet werden, wenn die Abflussmenge Q347 nur ungefähr bekannt ist (s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 42).

45. Das natürliche Abflussregime bzw. die natürliche Wasserführung eines Fliessgewässers im jahreszeitlichen Verlauf hängt von zahlreichen Faktoren ab, so vom Klima (Niederschläge und Temperatur) und von den charakteristischen Merkmalen des Einzugsgebiets wie z.B. dessen Fläche, Höhe, Neigung, Vergletscherungsgrad, Speichervermögen des Bodens und Vegetation. Die natürliche Wasserführung schwankt infolge variierender Niederschläge und Temperaturen – mit Auswirkungen auf die Schnee‑ und Gletscherschmelze – nicht nur von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat und von Tag zu Tag, sondern auch während des Tages. Die natürliche Wasserführung eignet sich deshalb nicht als Bezugsgrösse für die Anwendung der Restwasservorschriften (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1105 f.). Stattdessen wird auf die Abflussmenge Q347 abgestellt (vgl. Art. 31 GSchG N 25 ff.​).

46. Die Abflussmenge Q347 ist ein Mass für Niedrigwasserabflüsse. Es handelt sich um eine statistische Grösse zur Beschreibung eines gewässerspezifischen Mindestabflusses, auf welchen sich das Ökosystem des Gewässers eingestellt hat. Nur an 5 % aller Tage ist die Abflussmenge Q kleiner als Q347 (s. N 53; für Beispiele der Abflussmengen Q347 verschiedener Gewässer an verschiedenen Stellen bzw. Messstationen vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, Anh. A2, 107 ff.).

47. Ausmass und Dauer von Niedrigwasserabflüssen im Alpenraum unterscheiden sich grundsätzlich von denen des Mittellandes und des Juras sowie der tiefer gelegenen Gebiete der Alpensüdseite (dazu BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 77 f.; BUWAL, Niedrigwasserabflussmenge Q347, 13 ff.). Das Abflussregime in alpinen Gewässern ist von geringen Spätwinterabflüssen und Abflusspitzen im Frühsommer geprägt. Der Niedrigwasserabfluss ist auf die Monate November bis März beschränkt. In dieser Zeit werden die Niederschläge als Schnee und Eis gespeichert. Tage mit Abflussmengen Q ≤ Q347 treten nur in diesen Monaten auf. Fliessgewässer des Mittellandes weisen ein ausgeglicheneres Abflussregime auf. Die minimalen Abflussmengen konzentrieren sich auf Sommer und Herbst, sie können aber in jedem beliebigen Monat auftreten.

 

B. Elemente der Legaldefinition

1. Ausgangspunkt

48. Die Abflussmenge Q347 ist definiert als jene Abflussmenge eines Fliessgewässers, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist.

49. Sind Abflussmessungen über eine Periode von zehn oder mehr Jahren vorhanden (s. N 52, N 62 ff.) und sind die Abflussverhältnisse nicht wesentlich beeinflusst (s. N 55 ff.) oder können diese rekonstruiert werden (s. N 58), wird die Abflussmenge Q347 durch Auswertung der Dauerkurve oder Dauerlinie (s. N 53) ermittelt (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 81, 83 ff., insb. Abb. 7.4).

50. Liegen unzureichende oder keine Messergebnisse vor, ist die Abflussmenge Q347 gemäss Art. 59 GSchG mit anderen Methoden zu ermitteln (s. Komm. zu Art. 59 GSchG N 15 ff.). Eine bestimmte Abflussmenge Q347 gilt für eine Stelle eines Fliessgewässers (ausnahmsweise für eine Gewässerstrecke, wenn diese weder Zu‑ noch Abflüsse aufweist). Die Abflussmenge Q347 verändert sich gewässerabwärts. Sie nimmt i.d.R mit zunehmendem Einzugsgebiet zu, ausgenommen in Gewässerabschnitten mit wesentlichen Versickerungen (vgl. dazu Komm. zu Art. 31 GSchG N 17 ff.).

 

2. Abszissengemittelte zehnjährige Dauerkurve

51. Aus der Umschreibung des Begriffs Abflussmenge Q347 ergibt sich, dass der Wert für Q347 grundsätzlich aus Abflussmessungen hergeleitet wird (s. aber N 50; zur Durchführung von Abflussmessungen vgl. BWG/Spreafico/
Weingartner, Hydrologie Schweiz, 47 ff.; LHG, Pegelmessung, 3 ff.).

52. Die Abflussmenge Q347 ist durch Messungen während zehn Jahren zu ermitteln. Mit der zehnjährigen Messperiode wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass auch Gewässer, die in niederschlagsarmen Jahren kaum Wasser führen, noch unter die Restwasserbestimmungen fallen (Botschaft GSchG 1987, 1107; zu den Schwankungen von Q347 BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 79).

53. Die Abflussmenge Q347 ist nach der sog. abszissengemittelten Methode zu bestimmen. Dazu wird während zehn Jahren, also an 3650 Tagen, täglich die durchschnittliche Abflussmenge eines Fliessgewässers in l/s oder m3/s (Tagesmittelwert) gemessen. Die Messwerte werden nach ihrer Grösse zu einer Dauerkurve geordnet. Die Dauerkurve ist die Darstellung statistisch gleichwertiger Beobachtungen (Tagesmittelwerte) in der Reihenfolge ihrer Grösse. Dem grössten Abflusswert wird der Abszissenwert 1, dem zweitgrössten der Abszissenwert 2 und dem kleinsten Abflusswert der Abszissenwert 3650 zugeordnet (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 84 f., Abb. 7.5). So erhält man eine abszissengemittelte Dauerkurve oder Dauerlinie der Tagesmittelwerte. Die Abflussmenge Q347 entspricht der Wassermenge, die an 3470 Tagen (95 % aller Tage) erreicht oder überschritten ist. An den übrigen 180 Tagen (5 % aller Tage) beträgt die Abflussmenge weniger als Q347. Die Schalttage werden nicht berücksichtigt.

54. Die Ermittlung der Abflussmenge Q347 mit der «ordinatengemittelten» Methode, bei der die zehn jährlichen Abflusswerte Q347 gemittelt werden, wäre nicht zu vereinbaren mit Art. 4 Bst. h GSchG (Begründung in BGE 120 Ib 233, 242 [Geisslibach], E. 5e aa m.H.; zum Unterschied zwischen abszissengemittelter und ordinatengemittelter Dauerkurve s. LHG, Niedrigwasserabflussmenge Q347, 15 f.). Dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich dies nicht entnehmen.

 

3. Durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst

55. Bei der Ermittlung der Abflussmenge Q347 ist von den Tagesmittelwerten des natürlichen Abflusses auszugehen (Botschaft GSchG 1987, 1106). Der Abfluss zahlreicher Fliessgewässer ist bereits durch Eingriffe beeinflusst, durch Stauung zur Regulierung des Wassers, durch Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung, zur Verwendung als Trink‑ und Brauchwasser und zur landwirtschaftlichen Bewässerung sowie durch Wassereinleitungen. Wassereinleitungen sind z.B. die Wasserrückgabe von turbiniertem Wasser, die Umlagerung von Wasser vom Sommer in den Winter (mit Hilfe von Speicherseen) sowie Einleitungen von Abwasser aller Art wie z.B. gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen und Strassenabwasser (Zusammenstellung von Eingriffstypen und ‑arten vgl. BAFU, Abflussregime Stufe F, 49 ff., insb. Tab. 8).

56. Der massgebende Wert der Abflussmenge Q347 darf durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst sein. Das GSchG regelt nicht, was unter nicht wesentlich beeinflusst bzw. wesentlich beeinflusst zu verstehen ist. Eine einheitliche Regelung zum Begriff wesentliche Beeinflussung wäre kaum möglich und nicht sinnvoll (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 136; vgl. N 60).

57. Werden Abflüsse an einem Gewässer bestimmt, welchem oberhalb der Messstelle bereits Wasser entnommen wird, sei es direkt aus dem Gewässer oder ausserhalb des Gewässers in dessen Einzugsgebiet (z.B. Fassung von Quellen, Entnahmen aus dem Grundwasser), sind im Einzelfall Abklärungen zur Wesentlichkeit der damit verbundenen Veränderungen durchzuführen (BGE 120 Ib 233, 243 f. [Geisslibach] E. 6b), und zwar durch eine Fachperson. Dasselbe gilt bei Wassereinleitungen oberhalb der Messstelle, sei es direkt in das Fliessgewässer, sei es z.B. in einen seitlichen Zufluss. Dabei müssen insbesondere jene Entnahmen und Zuleitungen von Wasser berücksichtigt werden, welche die Abflussmenge Q347 wesentlich beeinflussen könnten. Das Augenmerk ist deshalb auf Entnahmen und Zuleitungen von Wasser während Niedrigwasserabflussperioden (in alpinen Gewässern in den Wintermonaten) zu richten. Keinen Einfluss auf die Abflussmenge Q347 hat z.B. der Schwallbetrieb eines Kraftwerks innerhalb eines Tages, da die Tagesmittelwerte massgebend sind. Einen wesentlichen Einfluss hat demgegenüber die Saisonspeicherung mit der Umlagerung der Abflüsse vom Sommer auf den Winter.

58. Ist die Beeinflussung wesentlich, darf bei der Ermittlung der Abflussmenge Q347 nicht von den tatsächlich gemessenen Tagesmittelwerten ausgegangen werden, vielmehr ist der nicht wesentlich beeinflusste, natürliche Abfluss massgebend (BGE 120 Ib 233, 243 f. [Geisslibach], E. 6b). Wird einem interkantonalen Gewässer bereits auf dem Gebiet des oberliegenden Kantons Wasser entnommen, muss dieser gestützt auf Art. 56 Abs. 1 GSchG dem Unterlieger Aufschluss über das Mass der Nutzung auf seinem Gebiet geben (E. 6b–c). Soweit möglich sind die natürlichen Abflussverhältnisse zu rekonstruieren (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 81, Abb. 7.3, 86).

59. Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Eingriff ein Fliessgewässer wesentlich beeinflusst oder nicht:

  • Wasserentnahmen von höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1000 l/s werden im Hinblick auf die Bewilligung einer Wasserentnahme als nicht wesentliche Beeinflussung eines Fliessgewässers betrachtet, da sie sich im Rahmen der natürlichen Schwankungen der Wasserführung halten (s. Komm zu Art. 30 GSchG N 14 f.; Botschaft GSchG 1987, 1128; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 136 f.). Hingegen kann eine Veränderung der jährlichen Wasserfracht um 20 % nicht a priori als nicht wesentliche Beeinflussung beurteilt werden (vgl. dazu Eckert, Restwassermengen, 54). Würde eine solche Wassermenge einem Fliessgewässer in den Alpen im Winterhalbjahr entnommen, würde dies eine sehr wesentliche Beeinflussung darstellen.
  • Eine Beeinflussung wird als nicht wesentlich angesehen, solange sie sich im Rahmen der natürlichen Schwankungen der Abflussmenge Q347 bewegt (Botschaft GSchG 1987, 1107). Als Mass für eine unwesentliche Beeinflussung eines Gewässers durch Wasserentnahmen könnte die durchschnittliche Schwankung der jährlichen natürlichen Abflussmenge Q347 gelten (LHG, Abflussmenge Q347, 21 f.; zum Ausmass der Schwankungen vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 79). Je grösser diese ist, ein umso höherer Anteil kann der Wassermenge Q347 entnommen oder zugegeben werden, ohne dass das Fliessgewässer dadurch wesentlich beeinflusst wird. Zur vergleichenden Beurteilung der durchschnittlichen Schwankungen der natürlichen jährlichen Abflussmenge Q347 eignet sich der Variationskoeffizient (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 137; BUWAL, Sanierungsbericht Wasserentnahmen, 15 ff., mit Ablaufschema für die Beurteilung der wesentlichen Beeinflussung). Der Variationskoeffizient variiert mit dem Abflussregimetyp. Er ist bei den alpinen Abflussregimetypen geringer als in den übrigen Einzugsgebieten (BAFU, Abflussregime Stufe F, 28 ff., Abb. 6 und 7, 40 ff., Tab. 7). In alpinen Gebieten ist somit die durchschnittliche Schwankung der Abflussmenge Q347 geringer als in anderen Gebieten.
  • Erst Wasserentnahmen, die mehr als 50 % der Abflussmenge Q347 betragen, werden als «bedeutende Entnahmen aus Umweltsicht» betrachtet (BAFU, Restwasserkarte Schweiz, 8, 10).
  • Zur Beurteilung des Ausmasses der Beeinflussung eines Fliessgewässers durch wasserwirtschaftliche Eingriffe eignet sich die im Modul Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend) beschriebene Methode HYDMOD-F (BAFU, Abflussregime Stufe F, 7 ff.). Sie ist Bestandteil des Modul-Stufen-Konzepts des Bundes (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 80). Dabei werden die wasserwirtschaftlichen Eingriffe erfasst und deren Auswirkungen auf das Abflussregime bewertet (BAFU, Abflussregime Stufe F, 17 ff., 55 ff., 78 ff.). Die Bewertung erfolgt anhand von neun Bewertungsindikatoren, welche alle relevanten Aspekte des Abflussregimes, nämlich Mittelwasser‑, Hochwasser‑ und Niedrigwasserregime, sowie die Kurzzeiteffekte (Schwall-Sunk, Spülung und Entleerung, Regenwassereinleitungen) abdecken. Jeder Bewertungsindikator wird einzeln bewertet und die Einzelbewertungen zu einer Gesamtbewertung aggregiert. Das Resultat ist eine Gesamtbewertung der Natürlichkeit eines Abflussregimes. Die Skala beginnt bei Klasse 1 (blau), natürlich/naturnah, und reicht über Klasse 2 (grün), wenig verändert, Klasse 3 (gelb), wesentlich verändert, Klasse 4 (orange), stark verändert, bis zu Klasse 5 (rot), naturfern. Eine nicht wesentliche Beeinflussung des Abflusses eines Gewässers liegt vor, wenn die Gesamtbewertung die Stufe blau erreicht oder wenn – bei einem bereits beeinträchtigen Gewässer – dieselbe Stufe wie ohne den Eingriff erreicht wird. Dies erlaubt grundsätzlich, diese Methode auch zur Abrenzung der Restwasserstrecke (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 13, dritter Punkt) einzusetzen, wenn sich unterhalb einer geplanten Wasserentnahme Gewässerabschnitte befinden, die durch bereits bestehende Wasserentnahmen beeinflusst sind und zusätzlich durch den Schwall-Sunk-Betrieb eines oder mehrerer Kraftwerke beeinflusst werden.
  • In den Kantonen GR und VS kann ein Hinweis auf die Wesentlichkeit einer Beeinflussung sein, ob die an eine Gewässerstrecke anstossende Gemeinde noch eine Konzession erteilen muss und Wasserzinsen erhält. Für die Nutzung eines öffentlichen Gewässers, welches sich auf dem Gebiet mehrerer Gemeinden befindet, muss von jeder dieser Gemeinden eine Konzession erworben werden; dies gilt auch bei Ableitung in ein anderes Einzugsgebiet (Art. 8 BWRG; vgl. Jagmetti, Energierecht, N 4117). Allerdings muss dann im Einzelnen untersucht werden, auf welcher Strecke das Fliessgewässer durch die Wasserentnahme wesentlich beeinflusst wird.

60. Die Unterscheidung von «wesentlich beeinflusst» und «nicht wesentlich beeinflusst» ist auch für den Vollzug von Art. 29 Bst. b (und Art. 34) sowie Art. 80 GschG und für die Bestimmung der Restwasserstrecke bei fehlender Wasserrückgabe (Komm. zu Art. 31 GSchG N 13, dritter Punkt) wichtig (vgl. Komm. zu Art. 80 GschG N 15). Dabei nimmt «wesentlich beeinflusst» im Sinn von Art. 80 GSchG eine besondere Stellung ein. Damit ein durch Wasserentnahmen bereits beeinflusstes Fliessgewässer saniert werden muss, ist eine wesentlich intensivere Beeinflussung des Gewässers erforderlich (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 16) als in den anderen erwähnten Fällen.

61. Riva (Wohlerworbene Rechte, 137 f.) verwendet neben «wesentlich beeinflusst» denn auch den Begriff «wesentlich beeinträchtigt». Ein Fliessgewässer gilt insbesondere dann als wesentlich beeinflusst und damit sanierungsbedürftig, wenn die Mindestrestwassermenge für Neuanlagen unterschritten ist (vgl. Komm. zu Art. 80 N 18 f.).

 

4. Massgebende Beobachtungsperiode?

62. Die Abflussmenge Q347 ist gemäss Definition durch Messung der täglichen durchschnittlichen Abflüsse während zehn Jahren zu ermitteln. Nicht geregelt ist, welche Beobachtungsperiode verwendet werden soll beim Vorliegen von Abflusswerten für mehr als zehn Jahre. In diesen Fällen sollen die Werte aus der aktuellsten Messperiode verwendet werden, sofern sich die Niederwasserabflüsse während der Dauer der Beobachtung systematisch verändert haben, d.h. sofern ein Trend in der Entwicklung der jährlichen Abflüsse Q347 besteht (Botschaft GSchG 1987, 1155 ff.; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85; Beispiel s. LHG, Abflussmenge Q347, 22 f., Fig. 3).

63. Lässt sich aus der Aufzeichnung der jährlichen Abflusswerte Q347 über die Dauer der langen Beobachtungszeit kein statistisch eindeutiger Trend erkennen, besteht kein Grund, nicht die gesamte Beobachtungsperiode für die Bildung der Dauerlinie und die Ermittlung der Abflussmenge Q347 heranzuziehen, wird doch der Wert für Q347 umso zuverlässiger, je länger die Messperiode ist (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85; LHG, Abflussmenge Q347, 23).

64. Die Beachtung von Trends ist notwendig, auch wenn dadurch die Verwendung von Messreihen und deren Interpretation für die Bestimmung aktueller Abflussverhältnisse schwieriger wird. Wegen des Klimawandels muss in Zukunft mit Änderungen der jahreszeitlichen Verteilung der Abflüsse sowohl im alpinen Gebiet als auch im Mittelland und damit auch mit Änderungen der Abflussmengen Q347 gerechnet werden (BAFU, Klimaänderung, 44–64, insb. Abb. 29; zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Einzugsgebiet der Rhone s. Hill Clarvis/Fatichi/Allan et al., Klimawandel, 58 ff., Table 1).

65. Stehen für eine interessierende Stelle ausschliesslich ältere Messreihen über die Abflussverhältnisse zur Verfügung, ist mit geeigneten Methoden (z.B. Korrelation mit aktuellen Kurzzeitmessungen, Vergleiche der Niederschlagsverteilung zum Zeitpunkt der Datenerhebung und heute) zu prüfen, ob die alten Datenreihen unkorrigiert für die Darstellung der heutigen natürlichen Abflussverhältnisse verwendet werden dürfen (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 85). Ist dies nicht möglich, ist die Abflussmenge Q347 gemäss Art. 59 GSchG mit andern Methoden zu ermitteln (vgl. BGer 1C_67/2011 vom 19. April 2012 [Borgne], E. 4).

 

 

VIII.  Ständige Wasserführung (Bst. i)

66. Unter ständiger Wasserführung wird eine Abflussmenge Q347 verstanden, die grösser als Null ist. Führt ein Fliessgewässer an einer bestimmten Stelle oder in einem bestimmten Abschnitt gemittelt über zehn Jahre durchschnittlich an 347 oder mehr Tagen im Jahr Wasser, ist es an dieser Stelle oder in diesem Abschnitt ständig wasserführend. Ist die Abflussmenge Q347 Null, besteht keine ständige Wasserführung.

67. Da sich die Abflussmenge Q347 gewässerabwärts verändert (s. N 50), kann ein Fliessgewässer Abschnitte mit ständiger und solche mit nicht ständiger Wasserführung aufweisen. Ein Wasserlauf ist als Fliessgewässer zu qualifizieren, sobald er die Anforderungen an ein oberirdisches Gewässer nach Art. 4 Bst. a GSchG erfüllt (s. N 3 ff.). Der oberste Abschnitt eines Fliessgewässers weist in vielen Fällen noch keine ständige Wasserführung auf. Ab einem bestimmten Punkt ist die Abflussmenge Q347 des Gewässers grösser als Null, das Gewässer ist ständig wasserführend. In Abschnitten mit Versickerung nimmt die Abflussmenge Q347 wieder ab. Starke Versickerung kann dazu führen, dass auf einen Gewässerabschnitt mit ständiger Wasserführung ein Gewässerabschnitt ohne ständige Wasserführung folgt.

68. Ob ein Fliessgewässer als ständig oder nicht ständig wasserführend qualifiziert wird, ist von grosser Bedeutung, da nur für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich ist (zur Frage, an welcher Stelle ein Fliessgewässer eine ständige Wasserführung aufweisen muss, damit es als Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung i.S.v. Art. 29 GSchG gilt s. Komm. zu Art. 29 GSchG N 42 ff.). Zudem müssen die Restwasservorschriften (Art. 31–33 GSchG) nur in Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung erfüllt sein (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV; s. dazu Komm. zu Art. 31 GSchG N 31 f., Komm. zu Art. 33 GSchG N 15).

 

IX.         Restwassermenge (Bst. k)

69. Die Restwassermenge ist die Differenz zwischen der zufliessenden und der entnommenen Wassermenge, also jene Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser im Gewässer verbleibt. Die Gewässerstrecke unterhalb einer Wasserentnahme wird als Restwasserstrecke bezeichnet (zu deren Abgrenzung s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 13). Die Restwassermenge ist die an beliebiger Stelle im Fliessgewässer unterhalb der Wasserentnahme vorhandene Abflussmenge (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1108).

70. Die Restwassermenge setzt sich zusammen aus der Dotierwassermenge gemäss Art. 4 Bst. l GSchG (s. N 74), allfälligem Überlaufwasser bei der Fassung und dem Wasser aller oberirdischen und unterirdischen Zuflüsse aus dem Einzugsgebiet des Gewässers unterhalb der Fassung, unter Abzug der unterirdischen Abflüsse bzw. der Versickerungen (Botschaft GSchG 1987, 1107 f.; vgl. BGE 126 II 283, 298 f. [Lungerersee], E. 5b, in: URP 2000, 679; zur Terminologie s. auch BGE 112 Ib 424, 429 f. [Val Müstair], E. 4a) sowie unter Abzug allfälliger oberirdischer Abflüsse.

71. Die Restwassermenge variiert mit dem Abstand von der Fassung. Unmittelbar unterhalb einer Wasserfassung (oder Staumauer) entspricht sie der Dotierwassermenge plus jener Wassermenge, welche nicht gefasst oder durch Stauung zurückgehalten wird, nämlich Überlaufwasser sowie Wasser, welches die Fassung im Untergrund umströmt und dann wieder ins Bachbett austritt. Gewässerabwärts nimmt die Restwassermenge i.d.R. mit zunehmendem Einzugsgebiet zu. In Gewässerabschnitten, in welchen grössere Wassermengen in den Untergrund versickern (Versickerungsstrecken, s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 18), kann sie abnehmen. Anschliessend nimmt sie i.d.R. wieder zu. Exfiltration von Grundwasser in die Restwasserstrecke erhöht die Restwassermenge.

72. Von der Restwassermenge zu unterscheiden ist die Mindestrestwassermenge: Damit wird die minimale Restwassermenge bezeichnet, die unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung gemäss Art. 31 GSchG im Gewässer verbleiben muss (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 7). Sie kann gestützt auf Art. 32 GSchG ausnahmsweise tiefer angesetzt werden.

73. Eine angemessene Restwassermenge ist jene Restwassermenge, die nach einer Wasserentnahme im Gewässer verbleiben muss. Sie wird aufgrund von Art. 31–33 GSchG bestimmt und bildet die Grundlage für die Festlegung der Dotierwassermenge.

 

 

X.            Dotierwassermenge (Bst. l)

74. Die Dotierwassermenge ist gemäss Legaldefinition jene «Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimmten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird». Dotieren bedeutet «ausstatten» (vom lateinischen dotare). Die Dotierwassermenge ist jene Wassermenge, mit welcher das Gewässer unterhalb der Wasserentnahme ausgestattet werden muss. Zwischen dem Begriff «Dotierwassermenge» und der Umschreibung «im Gewässer belassen wird» besteht damit ein gewisser Widerspruch. Bei Gebrauchswasserentnahmen z.B. für die landwirtschaftliche Bewässerung wird i.d.R. die Dotierwassermenge im Gewässer belassen. Bei Wasserfassungen zur Wasserkraftnutzung wird demgegenüber häufig mehr Wasser entnommen als genutzt werden soll. Das nicht genutzte Wasser wird dem Gewässer gesteuert wieder zugeführt. In diesen Fällen ist die Dotierwassermenge jene Wassermenge, die bei einer Wasserfassung oder bei einer Stauhaltung unmittelbar unterhalb der Fassung bzw. der Staumauer «dotiert», d.h. ins Gewässer zurückgegeben werden muss («Dotierwasserabgabe»). Die Dotierwassermenge begrenzt die zulässige Entnahmemenge und stellt die wichtigste Massnahme zur Gewährleistung einer angemessenen Restwassermenge dar (Botschaft GSchG 1987, 1107 f.).

75. Die Höhe der Dotierwassermenge muss so bestimmt werden, dass in allen Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung unterhalb der Wasserentnahme angemessene Restwassermengen fliessen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV; vgl. aber Komm. zu Art. 33 GSchG N 15). Diese ergeben sich aus Art. 31–33 GSchG. Sind zeitlich unterschiedliche Restwassermengen erforderlich, z.B. zur Erhaltung der Gewässer als Lebensraum, zur Sicherstellung der freien Fischwanderung oder um der Bedeutung des Gewässers als Landschaftelement gerecht zu werden, muss i.d.R. auch die Dotierwassermenge zeitlich unterschiedlich festgelegt werden (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 52 f.). Bei der Festlegung der Dotierwassermenge wird die natürlicherweise im Gewässer vorhandene Restwassermenge berücksichtigt (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 50 f.; zu den besonderen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Dotierwassermenge bei Restwasserstrecken mit Versickerungsabschnitten vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 51, erster Punkt).

76. Die Dotierwassermenge wird von der Behörde im Einzelfall zahlenmässig in l/s oder in m3/s bestimmt (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 46 ff.). Wer einem Gewässer Wasser entnimmt, muss der Behörde i.d.R. durch Messungen nachweisen, dass er die Dotierwassermenge einhält (Art. 36 Abs. 1 GSchG​). Bei grösseren Kraftwerken kommt eine energetische Nutzung des Dotierwassers in einem in der Wehranlage des Kraftwerks integrierten Dotierwasserkraftwerk in Betracht.

 

 

XI.         Revitalisierung (Bst. m)

77. Gemäss Art. 38a Abs. 1 GSchG sorgen die Kantone für die «Revitalisierung» von Gewässern. Sie sind zuständig für die Planung der Revitalisierungen (Abs. 2). Ziel dieser mit der GSchG-Revision 2011 neu eingeführten Norm ist die Beschleunigung der Revitalisierungen von Gewässern.

78. Revitalisierung ist die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen (Art. 4 Bst. m GSchG; neu eingefügt mit Änderung vom 11. Dezember 2009).

79. Derartige Revitalisierungen (als Form der Renaturierung) stellen eine ökologische und landschaftliche Aufwertung der Gewässer und deren Gewässerräume dar. Massnahmen zur Revitalisierung sind insbesondere die Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs und die naturnahe Gestaltung von Gewässern und Gewässerräumen. Nicht als Revitalisierung gilt die Aufwertung von Gewässern durch Massnahmen zur Verbesserung der Wasserführung (Schwall und Sunk unterhalb von Wasserkraftwerken und Restwasser (Art. 39a GSchG​) sowie Massnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts gemäss Art 43a GSchG (UREK-S, Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059).

80. «Mit Revitalisierungen sollen naturnahe Fliessgewässer mit typspezifischer Eigendynamik (Morphologie, Abfluss‑ und Geschieberegime) sowie naturnahe Stillgewässer (Uferbereiche) wiederhergestellt werden. Die Gewässer sollen von naturnahen, standorttypischen Lebensgemeinschaften in sich selbst reproduzierenden Populationen besiedelt werden, die Fähigkeit zur Selbstregulation und Resilienz (Erholung nach externen Störungen) aufweisen und untereinander vernetzt sein. Damit sollen die Gewässer langfristig Ökosystemfunktionen (sauberes Wasser, Anreicherung Grundwasser, Lebensraum für Flora und Fauna, Erholungsraum, etc.) erfüllen können. Zudem soll sichergestellt werden, dass Gewässer naturnahe, prägende Elemente der Landschaft bilden» (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5 f.).

 

Résumé

Les eaux superficielles et les eaux souterraines (let. a et b) sont définies à l’art. 4 let. a et b LEaux. Ni la LEaux ni l’OEaux ne définissent par contre la notion d’eaux. Le critère principal pour qualifier une eau comme telle est son intégration au régime hydrologique. Ainsi, seules les quantités d’eau qui font partie intégrante du régime hydrologique et qui sont directement connectées à l’écosystème eau, sont des «eaux».

L’art. 4 let. a LEaux définit les eaux superficielles comme étant «les eaux de surface, les lits, les fonds et les berges, de même que la faune et la flore qui y vivent». Cette notion inclut aussi bien les eaux courantes que celles stagnantes. Toutes les eaux superficielles bénéficient de la même protection. L’espace réservé aux eaux est à distinguer des eaux superficielles.

Selon l’art. 4 let. b LEaux, les eaux souterraines comprennent «les eaux du sous-sol (y compris l’eau de source), les formations aquifères, le substratum imperméable et les couches de couverture». Les eaux souterraines se caractérisent par le fait qu’elles remplissent de manière continue les vides du sous-sol et s’écoulent selon la loi de la gravité. Les eaux souterraines participent au régime naturel de l’eau grâce aux fortes précipitations et à l’afflux des pertes des cours d’eau. Une source est une émergence naturelle d’eaux souteraines. On distingue en principe trois types d’acquifère: les acquifères en roches meubles, les acquifères en roches karstiques et les acquifères en roches fissurées. Le substratum imperméable (aquiclude) est une formation rocheuse non perméable qui s’oppose au passage de l’eau ou ne la conduit que très lentement. Les couches de couverture sont situées entre les surfaces de terrain et les nappes d’eaux souterraines.

La protection des eaux contre les atteintes nuisibles constitue selon l’art. 2 LEaux la ratio legis de la loi. L’art. 4 let. c LEaux définit les atteintes nuisibles comme «toute pollution et toute intervention susceptible de nuire à l’aspect ou aux fonctions d’une eau». Le terme générique d’«atteintes nuisibles» englobe, outre les autres atteintes nuisant à l’aspect ou aux fonctions d’une eau, aussi la pollution.

Selon l’art. 4 let. d LEaux, toute altération physique, chimique ou biologique de l’eau nuisible représente une pollution. Selon le Tribunal fédéral, doit être qualifiée de nuisible toute surcharge mesurable de l’état initial, c’est à dire indépendamment du degré de pureté initiale.

Les eaux à évacuer (let. e) sont les «eaux altérées par suite d’usage domestique, industriel, artisanal, agricole ou autre, ainsi que les eaux qui s’écoulent avec elles dans les égouts et celles qui proviennent de surfaces bâties ou imperméabilisées». Les eaux seront qualifiées d’eaux à évacuer lorsqu’elles sont séparées du cycle naturel de l’eau, si le détenteur des eaux à évacuer s’en défait ou si le traitement des eaux à évacuer est commandé l’intérêt public. C’est seulement lorsque les eaux sont évacuées par suite d’une utilisation prévue qu’on pourra parler d’eaux à évacuer. Ainsi, tant que l’eau est utilisée à un autre usage, il n’y a pas d’eau à évacuer.

Les eaux polluées selon l’art. 4 let. f LEaux sont les eaux à évacuer qui sont de nature à contaminer l’eau dans laquelle elles sont déversées. Selon le concept de protection prévu par la LEaux, un cours d’eau est déjà pollué lorsque les propriétés physiques, chimiques ou biologiques de l’eau sont altérées et qu’il y a une surcharge mesurable de l’état initial. Afin de déterminer si une eau est considérée comme polluée ou non, il faut évaluer chaque cas en fonction des critères prévus à l’art. 3 OEaux. Les observations concernant les émissions, soit le type, la quantité, les propriétés et les périodes de déversement des substances susceptibles de polluer les eaux et présentes dans les eaux à évacuer (art. 3 let. a OEaux) et les immissions, soit l’état des eaux réceptrices, doivent être pris en compte afin d’évaluer une eau. Seules sont réputées eaux non polluées celles qui ne sont pas de nature à porter atteinte aux eaux dans lesquelles elles aboutissent.

Les engrais de ferme (let. g) sont en principe séparés des engrais de recyclage et des engrais minéraux. Aux termes de la loi, le terme «engrais de ferme» recouvre le lisier, le fumier et les jus de silo provenant de la garde d’animaux de rente.

Le débit Q347 (let. h) est la grandeur de référence pour l’exécution des débits résiduels. En l’absence du débit Q347, il n’est rarement possible d’appliquer les prescriptions relatives aux débits résiduels. Le débit Q347 est une mesure pour les débits d’étiage. Le débit Q347 se définit comme chaque débit d’un cours d’eau atteint ou dépassé pendant 347 jours par année, dont la moyenne est calculée sur une période de dix ans et qui n’est pas influencé sensiblement par des retenues, des prélèvements ou des apports d’eau. Pour établir le débit Q347, on part des valeurs journalières moyennes du débit naturel. Les débits naturels doivent être, si possible, reconstitués.

Par débit permanent (let. i), on entend tout débit Q347 supérieur à zéro. Lorsqu’un cours d’eau à un endroit déterminé ou sur un tronçon déterminé sur une période de dix ans charrie de l’eau pendant plus de 347 jours en moyenne par année, le débit est permanent à cet endroit ou tronçon. Lorsque le débit Q347 est à égal à zéro, il n’y a pas de débit permanent. Vu que le débit Q347 peut varier en aval, un cours d’eau peut avoir des tronçons avec et sans débit permanent.

Le débit résiduel (let. k) est la différence entre le débit effectif et la quantité d’eau prélevée, soit le débit d’un cours d’eau qui subsiste après un ou plusieurs prélèvements. Les débits résiduels varient en fonction de la distance au captage. Est admissible comme débit résiduel celui qui doit subsister après un prélèvement dans un cours d’eau.

Le débit de dotation (let. l) est selon la définition légale «la quantité d’eau nécessaire au maintien d’un débit résiduel déterminé après un prélèvement». La hauteur du débit de dotation est déterminée de manière à maintenir des débits résiduels appropriés sur tous les tronçons du cours d’eau à débit permanent en aval du point de prélèvement.

La revitalisation (let. m) est le rétablissement des fonctions naturelles d’eaux superficielles endiguées, corrigées, couvertes ou mises sous terre par des travaux de construction. La revitalisation vise à valoriser écologiquement les eaux et les espaces réservés aux eaux. Les mesures de revitalisation consistent en particulier au rétablissement du cours naturel et de l’état naturel des eaux et des espaces réservés aux eaux. Les eaux sont ainsi à même de remplir durablement leurs fonctions d’écosystèmes. Il convient de plus de garantir que les eaux puissent former des éléments marquants du paysage.

 

Literatur: Czychowski Manfred/Reinhardt Michael, WHG – Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., München 2014 (zit. Kommentar WHG); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Hill Clarvis Margot/Fatichi Simone/Allan Andrew et al., Governing and managing water resources under changing hydro-climatic contexts: The case of the upper Rhone basin, in: Environmental Science & Policy, Vol. 43 (2014), 56 ff. (zit. Klimawandel); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Kozel Ronald, Grundwasser in der Schweiz, in: aqua viva 2/2013, 10 ff. (zit. Grundwasser); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Lubini-Ferlin Verena/Stucki Pascal/Vicentini Heinrich et al., Ökologische Bewertung von Quell-Lebensräumen in der Schweiz – Entwurf für ein strukturelles und faunistisches Verfahren, Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU, 2014 (zit. Ökologische Bewertung); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftpflichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Scheffer Friedrich Wilhelm/Schachtschnabel Paul, neu bearbeitet von Blume Hans-Peter/Brümmer Gerhard W./Horn Rainer et al., Lehrbuch der Bodenkunde, 16. Aufl., Heidelberg 2010 (zit. Bodenkunde); Sieder Frank/Zeitler Herbert/Dahme Heinz et al., Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, 48. Aufl., München 2015 (zit. Bearbeiter, Wasserhaushaltsgesetz); Sinreich Michael, Konzept der Vulnerabilität im Grundwasserschutz – Anwendung auf die Verhältnisse der Schweiz, in: gwa 2/2009, 109 ff. (zit. Vulnerabilität); Stutz Hans W., Raumbedarf der Gewässer – die bundesrechtlichen Vorgaben für das Planungs‑ und Baurecht, in: PBG aktuell 2011/4, 5 ff. (zit. Raumbedarf); Stutz Hans W., Uferstreifen und Gewässerraum – Umsetzung durch die Kantone, in: URP 2012, 90 ff. (zit. Uferstreifen); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Vonlanthen-Heuck Jennifer, Der Schutz von Quelllebensräumen, in: URP 2015, 373 ff. (zit. Quelllebensräume); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl., Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (Entwurf der Kommission Aubert), Bern 1984 (zit. E-GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo), Die Niedrigwasserabflussmenge Q347 – Bestimmung und Abschätzung in alpinen schweizerischen Einzugsgebieten – Eine Arbeitsanleitung, Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 18, Bern 1992 (zit. Niedrigwasserabflussmenge Q347); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Sanierungsbericht Wasserentnahmen – Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 25, Bern 1997 (zit. Sanierungsbericht Wasserentnahmen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Leuthold Barbara/Lussi Stephan/Klötzli Frank), Ufervegetation und Uferbereich nach NHG – Begriffserklärung, Vollzug Umwelt Nr. 8804, Bern 1997 (zit. Ufervegetation); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung zur Umsetzung des Grundwasserschutzes bei Untertagebauten, Vollzug Umwelt Nr. 2503, Bern 1998 (zit. Untertagebauten); Landeshydrologie und ‑geologie (LHG) (Hrsg.) (verfasst durch Wyder Daniel), Handbuch der Pegelmessung, in: Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 26, Bern 1998 (zit. Pegelmessung); Landeshydrologie und –geologie (LHG) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo/Kan Caroline), Die Abflussmenge Q347 – Eine Standortbestimmung, in: Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 27, Bern 1999 (zit. Abflussmenge Q347); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Amt für Umweltschutz und Energie BL (AUE BL) (Hrsg.), Gewässerschutz in der Landwirtschaft – Silieranlagen, Liestal 2004 (zit. Vollzugshilfe Silieranlagen BL); Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Spreafico Manfred/Weingartner Rolf (Hrsg.), Hydrologie der Schweiz – Ausgewählte Aspekte und Resultate, Berichte des Bundesamtes für Wasser und Geologie (BWG), Serie Wasser Nr. 7, Bern 2005 (zit. Hydrologie Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kummer Manfred/Baumgartner Marc/Devanthéry Daniel), Restwasserkarte Schweiz 1:200’000 – Wasserentnahmen und ‑rückgaben, Umweltzustand Nr. 0715, Bern 2007 (zit. Restwasserkarte Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hartmann Daniel/Meylan Benjamin/Jordi Beat), Management des Grundwassers in der Schweiz – Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Umwelt-Wissen Nr. 0806, Bern 2008 (zit. Leitlinien Grundwassermanagement); Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Agroscope Changins-Wädenswil ACW/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.) (verfasst durch Flisch René/Sinaj Sokrat/Charles Raphaël et al.), Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau 2009 (GRUDAF), Posieux 2009 (zit. GRUDAF 2009); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gälli René/Ort Christoph/Schärer Michael), Mikroverunreinigungen in den Gewässern – Bewertung und Reduktion der Schadstoffbelastung aus der Siedlungsentwässerung, Umwelt-Wissen Nr. 0917, Bern 2009 (zit. Schadstoffbelastung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Pfaundler Martin/Dübendorfer Christina/Zysset Andreas), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer – Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend), Umwelt-Vollzug Nr. 1107, Bern 2011 (zit. Abflussregime Stufe F); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Baulicher Umweltschutz in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Schweiz – Stand Mai 2012, 2. Aufl., Umwelt-Vollzug Nr. 1101, Bern 2012 (zit. Baulicher Umweltschutz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer – Synthesebericht zum Projekt «Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz» (CCHydro), Umwelt-Wissen Nr. 1217, Bern 2012 (zit. Klimaänderung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015 – Bericht des Bundesrates, Umwelt-Zustand Nr. ub2015, Bern 2015 (zit. Umwelt 2015).

Autoren: Schindler Benjamin | Tschumi Tobias​

Ausnahmen für Gesamtverteidigung und Notlagen

Soweit die Gesamtverteidigung oder Notlagen es erfordern, kann der Bundesrat durch Verordnung Ausnahmen von diesem Gesetz vorsehen.

Exceptions pour la défense nationale et en cas d’urgence

Si les intérêts de la défense nationale l’exigent, ou en cas d’urgence, le Conseil fédéral peut déroger à la présente loi par voie d’ordonnance.

Deroghe per la difesa integrata e le situazioni d’emergenza

In quanto lo esigano la difesa integrata o situazioni d’emergenza, il Consiglio federale può, in via d’ordinanza, prevedere deroghe alla presente legge.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
II. ​ ​Allgemeine Bemerkungen 3
​III. Kommentierung 7
A. Gesamtverteidigung 15
B. Notlagen 19
 IV. Würdigung 24

 

I. Entstehungsgeschichte

1. Unter dem Titel «Ausnahmen für Gesamtverteidigung und Notlagen» wurde Art. 5 anlässlich der Totalrevision des GSchG von 1991 im heute noch geltenden Wortlaut in den Gesetzestext aufgenommen (AS 1992 1860). Das GSchG 1955 und das GSchG 1971 enthielten noch keine mit Art. 5 vergleichbare allgemeine Ausnahmebestimmung.

2. In Anlehnung an die analoge Bestimmung des Art. 5 USG sah der Entwurf des Bundesrats für Art. 5 GSchG zunächst nur die Möglichkeit von Ausnahmen für die «Gesamtverteidigung» vor (Botschaft GSchG 1987, 1183). Der Ausnahmetatbestand der «Notlagen» wurde erst in der parlamentarischen Beratung durch den Ständerat hinzugefügt (AB S 1988 634). Dieser Vorschlag wurde schliesslich auch vom Nationalrat gutgeheissen, nachdem der Antrag, auf die ursprüngliche bundesrätliche Fassung zurückzukommen, verworfen worden war (AB N 1989 952 ff.).

 

II. Allgemeine Bemerkungen

3. Das Recht allgemein und die Vorschriften des GSchG insbesondere gelten grundsätzlich uneingeschränkt sowohl für Private wie für den Staat, soweit die Rechtsordnung keine Ausnahmen vorsieht. Im Sinne einer solchen Ausnahme soll Art. 5 GSchG Abweichungen von den ordentlichen Bestimmungen des GSchG ermöglichen, indem er dem Bundesrat erlaubt, im Interesse der Gesamtverteidigung oder für die Bewältigung von Notlagen «durch Verordnung Ausnahmen von diesem Gesetz vor[zu]sehen». Damit ermächtigt Art. 5 GSchG den Bundesrat zum Erlass von gesetzesvertretenden bzw. gesetzesderogierenden Verordnungen.

4. Aufgrund der Normenhierarchie sind Ausnahmen von einem bestimmten Gesetz grundsätzlich auf derselben oder auf höherer Normebene zu verankern. Die Befugnis des Bundesrats, gestützt auf Art. 5 Ausnahmen vom GSchG auf der dem Gesetz untergeordneten Verordnungsebene vorzusehen, kommt daher einer Relativierung der Normenhierarchie bzw. des Legalitätsprinzips mit Blick auf das Erfordernis der genügenden Normstufe gleich (vgl. Schindler, St. Galler Kommentar, Art. 5 N 20, 36). Aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen darf Art. 5 GSchG daher nur mit Zurückhaltung angewendet werden. Generell-abstrakte Ausnahmen i.S.v. Art. 5 GSchG dürfen nur erlassen werden, soweit diese zur Erreichung der Ziele der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung unerlässlich sind und sich der Weg der ordentlichen Gesetzgebung infolge zeitlicher Dringlichkeit nicht anbietet (Subsidiarität).

5. Bislang hat der Bundesrat noch keine formell auf Art. 5 GSchG gestützte Verordnung erlassen. Allerdings ergeben sich aufgrund anderer Bestimmungen des Bundesrechts bereits heute Ausnahmen von den ordentlichen Vorschriften des GSchG für bestimmte Tätigkeiten im Interesse der Gesamtverteidigung oder zur Bewältigung von Notlagen. So können etwa militärische Geheimhaltungsinteressen Ausnahmen von den Duldungs‑ und Auskunftspflichten (Art. 52 Abs. 1 GSchG) begründen (vgl. etwa Art. 4 Bundesgesetz über den Schutz militärischer Anlagen vom 23. Juni 1950, SR 510.518). Sodann ermöglicht Art. 32 Bst. d GSchG bei Vorliegen einer Notsituation bereits heute eine Unterschreitung der Mindestrestwassermengen für befristete Entnahmen zum Zweck der Trinkwasserversorgung, für Löschzwecke oder zur landwirtschaftlichen Bewässerung.

6. Eine analoge Ausnahmeregelung zugunsten der Interessen der Gesamtverteidigung mit beinahe identischem Wortlaut enthält Art. 5 USG, welcher für den Anwendungsbereich des USG im Wesentlichen denselben Zweck erfüllt wie Art. 5 GSchG für den Bereich des GSchG. Zur Auslegung von Art. 5 GSchG kann daher zu weiten Teilen auf die Rechtsprechung zu Art. 5 USG zurückgegriffen werden (vgl. Lang, Umweltschutzrecht, 38).

 

 

III. Kommentierung

7. Bei Art. 5 GSchG handelt es sich um eine reine Delegationsnorm, die von Behörden und Gerichten nicht direkt angewendet werden kann. Die Bestimmung «zielt (…) nicht auf einmalige Abweichungen im Einzelfall ab, sondern auf besondere Verhältnisse oder Situationen (Anliegen der Gesamtverteidigung oder Notlagen), die wegen einer Mehr‑ oder Vielzahl betroffener Rechtsbeziehungen einer Regelung auf generell-abstrakter Ebene (durch Erlass) bedürfen» (BGE 125 II 29 [«Schübelweiher»], E. 3c; vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 18; Lang, Umweltschutzrecht, 25).

8. Nach der Rspr. des BGer können in Ausnahmefällen Abweichungen vom GSchG im Einzelfall bei Vorliegen einer unvermeidbaren Normkollision auf Grundlage einer Interessenabwägung zulässig sein (BGE 125 II 29 [«Schübelweiher»], E. 3d; vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG). Diese Möglichkeit ergibt sich allerdings nicht aus Art. 5 GSchG selbst, sondern infolge der Normenkonkurrenz, die von den rechtsanwendenden Behörden im Einzelfall aufzulösen ist (vgl. Schindler, Verwaltungsermessen, N 253 m.w.H.). Sodann hat das BGer festgehalten, dass es – auch wenn der Bundesrat noch keine Ausführungsverordnung zu Art. 5 GSchG erlassen hat – nicht ausgeschlossen sei, die Anliegen der Gesamtverteidigung (bzw. der Notlagenbewältigung) im Rahmen gesetzlich vorgesehener Interessenabwägungen zu berücksichtigen (BGE 119 Ib 463, E. 5a; Lang, Umweltschutzrecht, 71).

9. Art. 5 GSchG stellt eine allgemeine Ausnahmemöglichkeit dar, welche Abweichungen von sämtlichen Bestimmungen des GSchG zulässt. Grundsätzlich keine Rolle spielt dabei, ob es sich um Vorschriften materieller, formeller oder organisatorischer Natur handelt; allerdings ist bei Ausnahmen von materiellen Schutzvorschriften regelmässig grössere Zurückhaltung geboten als bei der Lockerung verfahrensrechtlicher Vorschriften (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 12, 19). Im Gegensatz zu Art. 5 erlauben die besonderen Ausnahmeregelungen des GSchG (z.B. Art. 12 Abs. 3, Art. 14 Abs. 7 oder Art. 18 GSchG​) nur ein Abweichen von einer einzelnen Vorschrift des GSchG.

10. Obschon Art. 5 GSchG nach seinem Wortlaut nur Ausnahmen von den Vorschriften des GSchG selbst erlaubt, sind gestützt auf Art. 5 GSchG kraft der Normenhierarchie auch Abweichungen von dem auf das GSchG gestützte eidgenössische und kantonale Ausführungsrecht zulässig. Was die Ausführungsverordnungen zum GSchG betrifft, erscheint es allerdings zweckmässiger, Ausnahmen als Einschränkungen des Geltungsbereichs der betreffenden Verordnung zu formulieren (BGE 119 IB 464, E. 6g; Lang, Umweltschutzrecht, 25).

11. Als Ausdruck des Grundsatzes, wonach der Umweltschutz und die weiteren Staatsaufgaben soweit möglich in Ausgleich zu bringen sind (BGE 119 Ib 463, E. 5a m.w.H.), darf der Bundesrat von der Ausnahmekompetenz nach Art. 5 GSchG nur soweit Gebrauch machen, als «die Gesamtverteidigung oder Notlagen es erfordern.» Abweichungen von den Vorschriften des GSchG sind somit nicht bereits dann zulässig, wenn diese zu einer Erleichterung der Tätigkeiten im Interesse der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung führen. Vielmehr erlaubt Art. 5 GSchG eine Ausnahme erst dann, wenn die Erfüllung der Aufgaben der Gesamtverteidigung oder die Bewältigung von Notlagen durch die Anwendung von Vorschriften des GSchG verunmöglicht oder unverhältnismässig erschwert würde (Lang, Umweltschutzrecht, 71; Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 10).

12. Das Kriterium der Erforderlichkeit der Ausnahmeregelung verlangt nach einer Interessenabwägung zwischen den Interessen der Gesamtverteidigung bzw. der Notlagenbewältigung und denjenigen des Gewässerschutzes (Lang, Umweltschutzrecht, 71 ff.). Eine Ausnahme i.S.v. Art. 5 GSchG ist nur soweit statthaft, als keine alternative Massnahme zur Verfügung steht, die ohne Abweichen von den Vorschriften des GSchG die Ziele der Gesamtverteidigung oder der Notlagenbekämpfung gleichermassen erfüllen kann. Mangels Erforderlichkeit würde z.B. eine umfassende Ausnahme für sämtliche Massnahmen im Dienste der Gesamtverteidigung oder der Bekämpfung von Notlagen den Rahmen von Art. 5 GSchG sprengen (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 10).

13. Art. 48 Abs. 1 RVOG erklärt die Subdelegation einer Verordnungskompetenz vom BR an ein Departement unter Berücksichtigung der «Tragweite der Rechtsätze» grundsätzlich für zulässig (vgl. Sägesser, Handkommentar RVOG, Art. 48 N 9 ff.). Mit Blick auf Art. 5 GSchG ist allerdings von einer engen Zulässigkeit der Subdelegation auszugehen, da es vorliegend um die Befugnis zum Erlass gesetzesderogierender und mithin grundsätzlich wichtiger Normen geht. Für eine beschränkte Zulässigkeit der Subdelegation spricht auch die Tatsache, dass Art. 5 GSchG die Zuständigkeit für den Erlass der Verordnungen nach seinem Wortlaut ausschliesslich dem BR zuweist. Ausnahmsweise dürfte die Subdelegation an ein Departement dann zulässig sein, wenn die gesetzesderogierenden Verordnungsbestimmungen nur geringfügige Abweichungen von den Schutzzielen des GSchG vorsehen und einen kleinen Adressatenkreis betreffen oder überwiegend technischer Natur sind. Eine Übertragung der Verordnungskompetenz auf Gruppen und Ämter ist mangels spezieller Ermächtigung im GSchG gemäss Art. 48 Abs. 2 RVOG nicht zulässig (vgl. Sägesser, Handkommentar RVOG, Art. 48 N 20).

14. Da es sich bei den auf Art. 5 GSchG gestützten Bundesratsverordnungen um Rechtsverordnungen (und nicht bloss um Verwaltungsverordnungen) handelt, sind sie amtlich zu publizieren (Art. 2 Bst. d PublG). Erlasse, die im Interesse der Landesverteidigung geheim gehalten werden müssen, können aber ausnahmsweise von der Publikationspflicht ausgenommen werden (Art. 6 PublG).

A.           Gesamtverteidigung

15. Der Begriff der «Gesamtverteidigung» spielt in der gegenwärtigen Verteidigungs‑ und Sicherheitspolitik der Schweiz keine zentrale Rolle mehr; er findet sich aber nach wie vor vereinzelt in den Gesetzestexten. Seine Bedeutung als Rechtsbegriff ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund des im Entstehungszeitpunkt der betreffenden Norm vorherrschenden Verständnisses auszulegen (Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 5; Lang, Umweltschutzrecht, 3). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu bedenken, ob und wie weit eine Berufung auf die «Gesamtverteidigung» als Ausnahmetatbestand angesichts der geänderten Bedrohungslagen und Verteidigungskonzepte heute überhaupt noch zeitgemäss sein kann.

16. Das Konzept der Gesamtverteidigung wurde in den frühen 1970er Jahre während des Kalten Krieges aus der Doktrin der «Totalen Landesverteidigung» entwickelt und zur Jahrtausendwende durch die Strategie einer umfassenden flexiblen Sicherheitskooperation (UFS) als zentraler Pfeiler der schweizerischen Verteidigungspolitik abgelöst (SIPOL B 2000, 7691 f.). Kernelement der Gesamtverteidigung war die umfassende Ausrichtung des sicherheitspolitischen Instrumentariums gegen alle möglichen Bedrohungen und Gefahren, bis hin zu einem bewaffneten Grosskonflikt in Europa (SIPOL B 2000, 7664 f.; zur ursprünglichen Konzeption der Gesamtverteidigung SIPOL B 1973, 123 ff.; SIPOL ZB 1979, 357 f.). Zu den Mitteln der Gesamtverteidigung zählten neben der Armee, namentlich der Zivilschutz, die Aussenpolitik, die wirtschaftliche Landesversorgung, die Information, die psychologische Abwehr und der Staatsschutz (SIPOL B 1973, 128 ff.; SIPOL ZB 1979, 365 ff.).

17. Ausnahmen nach Art. 5 GSchG sind grundsätzlich für alle Tätigkeiten und Massnahmen im Rahmen der «Gesamtverteidigung» zulässig; dies unabhängig davon, durch welches Organ und mit welchen Mitteln die öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird. In Frage kommen sie aber hauptsächlich im Rahmen der militärischen Landesverteidigung sowie der wirtschaftlichen Landesversorgung und des Zivilschutzes (vgl. Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 6). Denkbar sind in erster Linie Ausnahmen für die Erstellung und den Betrieb der Infrastruktur der Landesverteidigung, des Zivilschutzes oder der wirtschaftlichen Landesversorgung (militärische Verteidigungs‑, Ausbildungs‑ und Verwaltungsinfrastrukturen, Zivilschutzanlagen oder Landesversorgungsinfrastruktur) sowie für die dienstlichen Tätigkeiten der zuständigen Organe.

18. Eine auf Art. 5 GSchG gestützte Ausnahme ist allerdings nur dann berechtigt, wenn die Aufgabenwahrnehmung aufgrund der Besonderheit der Ziele der Gesamtverteidigung durch die Vorschriften des GSchG stärker betroffen ist als private oder andere staatliche Tätigkeiten. Wegen rein finanzieller Interessen ist eine Abweichung von den Vorschriften des GSchG nicht zulässig (Seiler, Kommentar USG, Art. 5 N 14). Nicht gedeckt durch Art. 5 GSchG wären daher z.B. Lockerungen der abwasserrechtlichen Vorschriften für militärische Anlagen wie Kasernen oder Waffenplätze in Friedenszeiten. Vorstellbar sind dagegen Aufschüttungen in Seen in nicht überbauten Gebieten für standortgebundene militärische Anlagen in Abweichung von Art. 39 GSchG oder die Benützung von Gewässern als Zielgebiete für Schiessübungen in Abweichung von Art. 6 GSchG (Seiler, Kommentar USG, Art. 5, N 39).

 

B.            Notlagen

19. Der Begriff «Notlagen» i.S.v. Art. 5 GSchG bezeichnet «klare Katastrophenlagen oder ähnliche Situationen» (Votum BR Cotti, AB N 1989 954). Zu denken ist etwa an eine grossflächige chemische oder radioaktive Kontamination, akute Energienotstände, Seuchenausbrüche, Naturkatastrophen oder kriegerische Ereignisse. Gemäss der parlamentarischen Beratung stellen Alltags‑ und Grossereignisse wie z.B. die regelmässig auftretenden und regional beschränkten Hochwasserereignisse keine Notlagen i.S.v. Art. 5 GSchG dar (Votum Rüttimann, AB N 1989 953).

20. in Art. 5 GSchG verankerte Verordnungskompetenz für «Notlagen» soll dem BR ein situationsadäquates, rasches Handeln zum Schutz zentraler Rechtsgüter ermöglichen, indem er mittels Verordnung Massnahmen für zulässig erklären kann, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften des GSchG stehen. Die Verordnungsbefugnis deckt sich somit in ihrer Zielrichtung zu weiten Teilen mit der verfassungsunmittelbaren Notverordnungskompetenz von Art. 185 Abs. 3 BV zuhanden des BR (vgl. Voten Thür und BR Cotti, AB N 1989 954). Sie unterscheidet sich bezüglich ihres Umfangs von dieser aber u.a. in zwei Punkten: Zum einen erlaubt Art. 5 GSchG nur den Erlass von generell-abstrakten Verordnungen, wohingegen Art. 185 Abs. 3 BV auch den Erlass von Notverfügungen zulässt. Zum anderen ermöglicht Art. 5 GSchG ein Abweichen von den Bestimmungen des GSchG ausdrücklich, während unter dem Titel von Art. 185 Abs. 3 BV nur in Ausnahmefällen contra legem legiferiert werden darf (vgl. zur diesbezüglichen Kontroverse in der Lehre Saxer, St. Galler Kommentar, Art. 185 N 101 ff.).

21. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG decken sich im Wesentlichen mit den Anwendungsvoraussetzungen von Art. 185 Abs. 3 BV (vgl. Voten Thür und BR Cotti, AB N 1989 954): Betroffenheit eines zentralen Schutzgutes, sachliche und zeitliche Dringlichkeit sowie Subsidiarität (zu diesen Anwendungsvoraussetzung Saxer, St. Galler Kommentar, Art. 185 N 71 ff.). Keine eigenständige Voraussetzung für das Vorliegen einer Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG bildet das Kriterium der Unvorhersehbarkeit. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob genügend wirkungsvolle Massnahmen, die im Einklang mit dem GSchG stehen, zur Bewältigung der Notlage ergriffen werden können.

22. Begriff der Notlage i.S.v. Art. 5 GSchG ist aber insofern enger zu fassen als derjenige der Notrechtslage i.S.v. Art. 185 BV, als Art. 5 GSchG im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Notverordnungskompetenz nur Ausnahmen von den Bestimmungen des GSchG betrifft. Andererseits ist der Anwendungsbereich von Art. 5 GSchG in der Hinsicht weiter zu ziehen, als er im Vergleich zur Notrechtslage i.S.v. Art. 185 Abs. 3 BV eine weniger akute Bedrohung des Schutzguts voraussetzt. Dies deshalb, weil Art. 5 GSchG nur den Erlass von Verordnungen zulässt, im Gegensatz zu Art. 185 Abs. 3 BV nicht aber den Erlass von Verfügungen. Damit steht Art. 5 GSchG in einer weniger starken Spannung zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen als Art. 185 Abs. 3 BV, weil eine allzu freie Interessenabwägung im Einzelfall unterbunden werden kann (vgl. Seiler, Kommenter USG, Art. 5 N 41).

23. Wie bei Art. 185 Abs. 3 BV beschränkt sich der Zweck von Art. 5 GSchG auf die reaktive Bewältigung von akuten Notlagen, d.h. die Ausnahmebestimmung kann erst dann angewendet werden, wenn eine Notlage bereits vorliegt. Der präventive Schutz vor Notlagen durch geeignete vorsorgliche Massnahmen ist dagegen nicht über Ausnahmeverordnungen i.S.v. Art. 5 GSchG sicherzustellen. Wichtige gesetzliche Grundlagen für den präventiven Schutz vor Notlagen bilden insbesondere das Bevölkerungs‑ und Zivilschutzgesetz (BZG), das Landesversorgungsgesetz (LVG), die dazugehörige Verordnung über die Trinkwasserversorgung in Notlagen (VTN) sowie Art. 10 USG (Katastrophenschutz) und die darauf gestützte Störfallverordnung (StFV). Die StFV stützt sich konsequenterweise nicht auf Art. 5 GSchG, sondern u.a. auf die generelle Kompetenz des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsvorschriften zum GSchG (Art 47 GSchG).

 

 

IV. Würdigung

24. Der Schutz der Lebensgrundlagen der Bevölkerung und damit auch der Umwelt‑ und Gewässerschutz sind nach heutiger Sichtweise Teil der integralen Sicherheitspolitik und damit zumindest indirekt auch Aufgabe der Armee (SIPOL B 2010, 5143, 5171). Nicht zuletzt unter dem Eindruck der im Jahr 1987 von Volk und Ständen angenommenen «Volksintiative zum Schutz der Moore – Rothenturm-Initiative» und der 1993 knapp abgelehnten «Waffenplatzinitiative», die sich beide gegen den Bau neuer Waffenplätze richteten (Lang, Umweltschutzrecht, 17 ff.), hat sich in der Armee die Einsicht entwickelt, wonach diese sich nur dann auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung abstützen kann, wenn sie die Anliegen des Umweltschutzes ernst nimmt (vgl. Lang, Umweltschutzrecht, 173). Entsprechend bekennt sich das VBS in seinem aktuellen Leitbild «Raum + Umwelt» ausdrücklich zum Gewässerschutz: «Das VBS achtet auf gesetzeskonforme Wasserversorgungen und Entwässerungen. Es verhindert die Belastung von Grund‑ und Oberflächenwasser und reduziert die Störung von natürlichen Lebensräumen auf das notwendige Minimum» (VBS, Leitbild Raumordnung + Umwelt – Schwerpunkte, 5).

25. Angesichts dieses Wandels in der Bedeutung des Umweltschutzes in der Armee und der Tatsache, dass auch nach mehr als 20 Jahren seit der Inkraftsetzung von Art. 5 GSchG noch keine formell darauf gestützte Verordnung erlassen wurde, stellt sich die Frage, ob die Ausnahmeregelung des Art. 5 GSchG überhaupt notwendig ist.

26. Dennoch ist Art. 5 GSchG nicht ohne jede sachliche Berechtigung. Zwar erweist sich sein Anwendungsbereich in Friedenszeiten und ausserhalb von Notlagen vor dem Hintergrund der rechtsstaatlich und demokratiepolitisch gebotenen Zurückhaltung bei der Anwendung von Art. 5 GSchG als sehr eng (vgl. Votum Rüttimann, AB N 1989 953) und die Anrufung der Bestimmung erscheint umweltpolitisch als kaum opportun. Doch gerade bei abrupten Änderungen der Bedrohungslage bzw. bei unvermitteltem Eintreten einer Notlage, ohne dass die Schwelle der verfassungsrechtlichen Notlage überschritten wird, ist eine Anrufung von Art. 5 GSchG denkbar. Der Hauptzweck von Art. 5 GSchG besteht somit darin, dem BR ein sog. Anpassungsermessen einzuräumen, um ihm so in nicht genau voraussehbaren Gefährdungslagen durch punktuelle Herabsetzung der Anforderungen des GSchG eine zeitgerechte und wirksame Reaktion zu ermöglichen (vgl. zum Begriff des Anpassungsermessens Schindler, Verwaltungsermessen, N 438 ff.).

 

Résumé

La clause d’exception prévue à l’art. 5 LEaux autorise le Conseil fédéral à déroger à la présente loi par voie d’ordonnance si les intérêts de la défense nationale l’exigent, ou en cas d’urgence. L’art. 5 LEaux peut dans une grande mesure être interprété conformément à la jurisprudence développée par le TF dans le cadre de l’art. 5 LPE. Cette disposition constitue une norme de délégation non directement applicable par une autorité ou un tribunal.

L’art. 5 LEaux prévoit la possiblité générale de déroger pour l’ensemble des dispositions de la LEaux. Même si le libellé de l’art. 5 LEaux n’autorise que les dérogations aux dispositions de la LEaux, des dérogations basées sur des dispositions d’exécution fédérales et cantonales prises en application de la LEaux sont autorisées. La sous-délégation (art. 48 al. 1 LOGA) du Conseil fédéral à un département doit cependant être restreinte et ne devrait être admissible en principe que lorsque les dérogations à la LEaux sont de minime importance et que les dispositions de l’ordonnance touchent un petit cercle de destinataires ou sont principalement de nature technique.

Le critère de nécessité exige de procéder à une pesée des intérêts entre les intérêts de la défense nationale et les intérêts de la protection des eaux. Une exception est uniquement admissible lorsqu’aucune mesure alternative autant efficace qui ne déroge pas à la LEaux n’est envisageable. De simples intérêts financiers ne suffisent ainsi pas pour justifier une exception au sens de l’art. 5 LEaux.

La notion d’intérêts de la défense nationale doit être comprise dans le contexte de sa genèse. Ce concept fut développé lors de la guerre froide au début des années 1970 et fut remplacé à la fin du siècle par la stratégie de coopération globale et souple en matière de sécurité (CGSS). La notion d’urgence désigne une situation de catastrophe claire, requérant une action rapide et adéquate et dont les conditions correspondent essentiellement à celles d’application de l’art. 185 al. 3 Cst. Toutefois, la notion d’urgence de l’art. 5 LEaux nécessite une menace moins urgente, vu que la disposition n’autorise que l’adoption d’ordonnances et non la prise de décisions.

 

Literatur: Lang Christoph Ignaz, Umweltschutzrecht und Militär, Diss. Zürich 1997 (zit. Umweltschutzrecht); Sägesser Thomas, Stämpflis Handkommentar, Regierungs‑ und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) vom 21. März 1997, Bern 2007 (zit. Bearbeiter, Handkommentar RVOG); Schindler Benjamin, Verwaltungsermessen – Gestaltungskompetenzen der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, Habil. Zürich 2010 (zit. Verwaltungsermessen).

Materialien und amtliche Publikationen: Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 27. Juni 1973 (Konzeption der Gesamtverteidigung), BBl 1973 II 112 (zit. SIPOL B 1973); Zwischenbericht zur Sicherheitspolitik vom 3. Dezember 1979, BBl 1980 I 355 (zit. SIPOL ZB 1979); Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 7. Juni 1999 – Sicherheit durch Kooperation, BBl 1999 7657 ff. (zit. SIPOL B 2000); Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, Leitbild VBS Raumordnung und Umwelt – Schwerpunkte, <http://www.vbs.admin.ch/internet/vbs/de
/home/documentation/publication/umwelt.parsys.85214.downloadList.36068.DownloadFile.tmp/vbsumweltleitbildteil1d.pdf>, 2004 (zit. VBS, Leitbild Raumordnung + Umwelt – Schwerpunkte); Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 23. Juni 2010, BBl 2010 5133 ff. (zit. SIPOL B 2010).

2. Titel, Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen

​​​1. Kapitel: Reinhaltung der Gewässer

1. Abschnitt: Einleiten, Einbringen und Versickern von Stoffen

Hettich Peter​ | Tschumi Tobias​

 

Grundsatz

1         Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen.

2         Es ist auch untersagt, solche Stoffe ausserhalb eines Gewässers abzulagern oder auszubringen, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Verunreinigung des Wassers entsteht.

Principe

1             Il est interdit d’introduire directement ou indirectement dans une eau des substances de nature à la polluer; l’infiltration de telles substances est également interdite.

2         De même, il est interdit de déposer et d’épandre de telles substances hors d’une eau s’il existe un risque concret de pollution de l’eau.

Principio

1         È vietato introdurre direttamente o indirettamente o lasciare infiltrarsi nelle acque sostanze che possono inquinarle.

2         È parimenti vietato depositare o spandere tali sostanze fuori delle acque, se ne scaturisce un pericolo concreto di inquinare l’acqua.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 6
III. Reinhaltungsgebot 15
A. ​Mittelbare oder unmittelbare Einbringung (Abs. 1) 15
B. Konkrete Gefährdung (Abs. 2) 20

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Schon Art. 12 des BGF 1875 enthielt ein Verbot, Stoffe in Fischwasser einzuwerfen, durch welche die Fische beschädigt oder vertrieben werden könnten. Die Bestimmung begrenzte auch die Schadstoffkonzentrationen und Hitzezufuhr durch «Fabrikabgänge» (detailliert Art. 1 ff. VV BGF 1886). Art. 21 des totalrevidierten BGF 1888 dehnte in der Folge den Gewässerschutz auf Krebse aus. Die in Ausführung dieser Bestimmung am 17. April 1925 erlassene «Spezialverordnung» erfasste auch nicht mehr nur Fabrikabgänge, sondern Abfälle und Abwässer schlechthin, also auch solche aus gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben und aus Ortschaften. Im Zentrum dieser Normen stand der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Fischerei (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 3 N 10; auch Botschaft BGF 1887, 364), wobei ein gesunder Fischbestand auch als Indikator für die Qualität eines Gewässers an sich dienen kann (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 3).

2. In der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1953 wurde Art. 24quater BV 1874 als erster Umweltschutzartikel mit 81.3 % Ja-Stimmen angenommen (am 7. Dezember 1975 abgelöst durch Art. 24bis BV 1874), wodurch der Bund gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der ober‑ und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigung erlassen konnte. Der Bundesrat begründete die Kompetenz mit der zunehmenden Gewässerverschmutzung durch Haushalte (Schwemmkanalisation) sowie Abwässer aus Fabriken sowie aus gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 1 f.; s.a. Stutz, Herausforderungen, 510 und 513). Es ging nun nicht mehr nur um den Schutz der Fischereiwirtschaft, sondern auch um die «Erhaltung des Landschaftsbildes», die «Öffentliche Gesundheitspflege» sowie die Sicherung von «Brauchwasser in Industrie und Gewerbe» (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 5 ff., 15).

3. Parallel mit der zugehörigen Verfassungsbestimmung (dazu Bendel, Gewässerschutz, 208 ff.; s. zur Entwicklung auch Schindler, Rechtsfragen, 418 ff.) wurde der Entwurf eines BG über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung erarbeitet, der am 9. Februar 1954 vom Bundesrat und am 16. März 1955 von der Bundesversammlung verabschiedet wurde. Der noch als Zweckartikel konzipierte Art. 2 GSchG 1955 wurde schon bald als Grundlage für Massnahmen gegen die Verunreinigung der Gewässer herangezogen, was vom Bundesgericht geschützt wurde (BGE 84 I 150 ff., 156: Verbot Grosstankanlage; BGE 86 l 187 ff., 198: Kiesabbau; BGE 90 I 195 ff., 198: Ölbehälter; BGE 92 I 409 ff., 414: Baubewilligung Einfamilienhaus; zu dieser Rechtsprechung Schindler, Rechtsfragen, 432 ff.). Dabei war allerdings Rücksicht zu nehmen «auf die technischen Möglichkeiten, das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer, die Filtrierfähigkeit des Bodens und, soweit es sich nicht um die Sicherstellung gesunden Trink‑ und Brauchwassers handelt, auf die entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung» (Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955). Der Begriff der Verunreinigung wurde bewusst nicht weiter definiert, sollte aber neben schädlichen auch andere beeinträchtigende Einflüsse erfassen, z.B. die Einleitung von heissem Wasser (Botschaft GSchG 1954, 335). Das Gesetz enthielt sodann Vorschriften zur Reinigung von Abwässern (Art. 3 GSchG 1955) sowie zum Ablagern von Stoffen ausserhalb der Gewässer (Art. 4 GSchG 1955; zur Anwendung des Gesetzes Bendel, Gewässerschutz, 214 ff.).

4. Art. 14 des totalrevidierten GSchG 1971 kann als Vorläufer des heutigen Art. 6 GSchG angesehen werden (zur Entstehung des Gesetzes Bendel, Gewässerschutz, 209 f., s.a. 232 ff.). Nach dieser Bestimmung war es untersagt, feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, mittelbar oder unmittelbar in die Gewässer einzubringen oder abzulagern. Bei Gefahr einer Verunreinigung war auch das Ablagern ausserhalb der Gewässer untersagt. Sodann war es verboten, verunreinigende Stoffe durch Versickernlassen in den Untergrund zu beseitigen. Als Verunreinigung sah der Bundesrat nicht nur Verunreinigungsakte im engeren Sinn an, sondern auch anderweitige Handlungen, die eine schädliche Veränderung der physikalischen, der chemischen oder der biologischen Beschaffenheit des Wassers zur Folge haben können (Botschaft GSchG 1970, 443). Auf die Weiterführung der durch Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955 verlangten Interessenabwägung wurde verzichtet, da diese die Wirkung des Gesetzes abschwäche (Botschaft GSchG 1970, 438).

5. Mit der – als indirekten Gegenvorschlag zur Volkinitiative «Rettung unserer Gewässer» gedachten (AB S 1988, 620) – Totalrevision vom 24. Januar 1991 wurde Art. 6 GSchG schliesslich in der heute vorliegenden Form im Gesetz verankert. Der Entwurf des Bundesrates passierte beide Räte diskussionslos (AB S 1988, 634; AB N 1989, 954). Die Vorlage stand nicht mehr im Zeichen der Verbesserung des qualitativen Gewässerschutzes, sodass die Bestimmungen zur Reinhaltung der Gewässer aus dem GSchG 1971 weitgehend übernommen werden konnten (Botschaft GSchG 1987, 1084, 1086; AB S 1988 622 und AB N 1989 933 [Voten der Berichterstatter zum Eintreten]; zur Differenzierung im Bereich der Abwasserbeseitigung Stutz, Herausforderungen, 512 und die Entstehungsgeschichte in der Komm. zu Art. 7 GSchG N 1 ff.). Im Unterschied zum alten Gesetz wird in Art. 6 GSchG neben dem Ablagern auch das Ausbringen von Stoffen (z.B. Dünger) ausserhalb der Gewässer geregelt (Botschaft GSchG 1987, 1109).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

6. Art. 6 GSchG ist die zentrale Norm zur Sicherstellung des qualitativen Gewässerschutzes; sie ergänzt für diesen Regelungsbereich die allgemeine Sorgfaltspflicht des Art. 3 GSchG. Die Bestimmung regelt die Reinhaltung umfassend und lässt für ergänzendes oder strengeres kantonales Recht keinen Raum (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.3 im Anschluss an Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 16 und Mahon, Petit Commentaire Cst., art. 76 N 11 f.).

7. Die beiden Absätze des Art. 6 GSchG statuieren absolute Verbote, die in ihrem Umfang durch die weiteren Bestimmungen des GSchG konkretisiert werden. Das von Art. 6 GSchG umschriebene Verhalten ist damit generell unzulässig («generelles Verunreinigungsverbot», VGer SG, Urteil vom 3. Dezember 2013 (B 2012/161), E. 4.2.1; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 382), ausser es werde durch die Gewässerschutzgesetzgebung ausdrücklich erlaubt («gewässerschutzrechtliche Reinhaltungsgebot»; dazu BGE 125 II 29 ff., 37, in: URP 1999, 135 ff.; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.4, in: URP 2008, 576, auszugsweise publiziert in BGE 134 II 142).

8. Mit Art. 6 GSchG soll grundsätzlich verhindert werden, dass Schadstoffe ins Wasser gelangen und dieses verunreinigen. Das generelle Verunreinigungsverbot gilt selbst dann, wenn die Anforderungen an die Wasserqualität gemäss Anh. 2 GSchV nach eingetretener Verunreinigung noch erfüllt sind (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 3.6, in: URP 2008, 576; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 478 f. Fn. 17). Art. 6 GSchG entspricht damit einer strengen Konkretisierung des Vorsorgeprinzips für den Bereich des qualitativen Gewässerschutzes, wonach a priori jegliche Verschlechterung der Wasserqualität unzulässig ist. Im Gegensatz dazu basiert das USG auf einer Konzeption des Vorsorgeprinzips, nach welcher Immissionen grundsätzlich nur dann frühzeitig zu begrenzen sind, wenn sie schädlich oder lästig werden könnten (Art. 1 Abs. 2 USG; Marti, Vorsorgeprinzip, 210; kritisch: Griffel, Grundprinzipien, N 78). M.a.W. sei beim USG «grundsätzlich alles erlaubt, was nicht durch Verbote oder Gebote abgedeckt ist» (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 475).

9. Ausnahmen vom Verunreinigungsverbot sind in Art. 6 GSchG selbst nicht vorgesehen und entsprechend direkt gestützt darauf auch nicht bewilligungsfähig (BGE 125 II 29 ff., 37). Für eine Interessenabwägung, wie sie Art. 2 Abs. 3 GSchG 1955 noch enthalten hat, belässt Art. 6 GSchG keinen Raum. Ein Abweichen von Art. 6 GSchG im Rahmen einer Interessenabwägung ist gemäss Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn eine koordinierte Rechtsanwendung mit anderen, gleichrangigen Normen nicht möglich und eine Verletzung des Reinhaltegebots als Folge eines zwingenden Normkonflikts quasi geboten ist (BGE 125 II 29 ff., 38, «Bekämpfung roter Sumpfkrebs»; dazu etwa Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 382).

10. Für das Einleiten und Versickernlassen von Abwasser (Art. 4 Bst. e GSchG; s. zum Begriff etwa BGer, in: URP 1998, 734, E. 4c) gelten die Vorgaben von Art. 7 und 9 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG). Die gemäss Art. 7 Abs. 1 GSchG bewilligungsfähige Einleitung bzw. Versickerung von verschmutztem Abwassser stellt eine gesetzliche Ausnahme vom generellen Verunreinigungsverbot dar (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.4; Stutz, Abwasserrecht, 115; Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 475).

11. Im Rahmen der Gesamtverteidigung oder von Notlagen kann der Bundesrat allgemein Ausnahmen von den gewässerschutzrechtlichen Vorgaben und damit auch von Art. 6 GSchG vorsehen, allerdings nur soweit dies erforderlich ist (Art. 5 GSchG). Der Bundesrat hat keine auf Art. 5 GSchG gestützten Verordnungsbestimmungen erlassen, die Ausnahmen von Art. 6 GSchG vorsehen (vgl. Komm. zu Art. 5 GSchG N 5).

12. Als Beispiel für eine spezialgesetzliche Ausnahme vom Verunreinigungsverbot zu nennen ist Art. 79 f. StSV i.V.m. Art. 26 Abs. 2 StSG. Danach dürfen flüssige radioaktive Abfälle mit geringer Aktivität über das Abwasser an Oberflächengewässer abgegeben werden. Die dafür notwendige Ausnahmebewilligung erteilt fallabhängig das BAG, die SUVA oder das ENSI (Art. 136 StSV). Die Gewässerschutzverordnung ist aufgrund der Anordnung von Art. 2 Abs. 2 GSchV nicht anwendbar.

13. Die vorsätzliche Verletzung des Verunreinigungsverbots gemäss Art. 6 GSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (bis zu 360 Tagessätzen, Art. 34 StGB) geahndet (Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG; s. etwa BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff.). Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die maximale Geldstrafe gemäss Art. 70 Abs. 2 GSchG bis zu 180 Tagessätze (vgl. Komm. zu Art. 70 GSchG N 5 ff.). Mögliche Folge einer Verletzung sind sodann Kostenüberwälzung gemäss Art. 54 GSchG und Haftung gemäss Art. 41 OR, Art. 59a USG, etc. (vgl. Komm. zu Art. 54 GSchG N 11 ff.).

14. Art. 6 GSchG dient zusammen mit Art. 49 GSchG als rechtliche Grundlage für das Einschreiten der Schadendienste (Spezialisten der Gewässerschutzfachstelle, Feuerwehr, Polizei usw.) bei akuten Gewässerverschmutzungen. Zudem kann die Bestimmung im akuten Schadenfall auch für verwaltungsrechtliche (Zwangs‑)Massnahmen gegenüber Privaten als Rechtsgrundlage herangezogen werden (Stutz, Abwasserrecht, 116 f.). Nicht ganz klar erscheint, ob auch die Anordnung von Sanierungsmassnahmen gegenüber Privaten direkt auf Art. 6 GSchG gestützt werden kann (bejahend: Stutz, Abwasserrecht, 116, insb. Fn. 443 sowie BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.4, in: URP 2006, 174 ff.). Sodann hat die Baurekurskommission I ZH in einem Entscheid vom 23. Juni 2000 (in: URP 2000, 730) Auflagen zur Verhinderung einer Gewässerverunreinigung im Baubewilligungsverfahren gestützt auf Art. 6 GSchG zugelassen, sofern «geprüft worden ist, ob und inwieweit den besonderen betrieblichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann» (Auflage, wonach auf einem Occasionsauto-Verkaufsplatz, dessen Oberflächenwasser weitgehend versickert oder der öffentlichen Kanalisation zugeführt wird, keine verkehrsuntauglichen bzw. keine reparaturbedürftigen Fahrzeuge abgestellt werden dürfen). Ferner hat das VGer ZH in einen Entscheid vom 13. April 2000 (in: URP 2000, 847) eine Bewilligung eines erdverlegten Jaucheteichs mit Kunststoffabdichtung u.a. auf Art. 6 GSchG gestützt.

 

 

III.        Reinhaltungsgebot

A.           Mittelbare oder unmittelbare Einbringung (Abs. 1)

15. Der Begriff der «Stoffe» ist weit zu verstehen. In Analogie zu Art. 4 Abs. 1 Bst. a ChemG sowie Art. 7 Abs. 5 USG können jegliche «natürliche oder durch ein Produktionsverfahren hergestellte chemische Elemente und deren Verbindungen» unter den Begriff subsumiert werden (s.a. die weitergehende Definition in Art. 2 Abs. 1 Bst. a ChemV, wonach der Stoff auch seine Verunreinigungen mitumfasst; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 26 N 5; zum Begriff der Stoffe nach USG und ChemG Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 61 ff.; noch zum altrechtlichen Begriff Leimbacher, Kommentar USG, Art. 28 N 23 f.; Keller, Kommentar USG, Art. 7 N 23 ff.). Die Materialien nennen Abfälle, Schwermetalle, Brenn‑ und Treibstoffe, Wasch‑ und Spülmittel, Pflanzenschutzmittel, Nitrat und Phosphor (Jauche, Künstdünger), ohne die Absicht zu verfolgen, den Begriff der Stoffe damit abschliessend zu definieren (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.3., in: URP 2006, 174 ff. «beispielhafte Aufzählung»; s.a. Schindler, Rechtsfragen, 387 ff.; vgl. etwa BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff. für ein stark ätzendes Reinigungsmittel; BGer 1A.152/2001 vom 5. März 2002, E. 4.2, in: URP 2002, 417 ff., für Öle und Fette).

16. «Verunreinigung» gilt gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG). «Nachteilig» ist jede messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand, d.h. unabhängig vom ursprünglichen Reinheitsgrad des Wassers (BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.1; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2; BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 2.3, in: URP 2008, 576). Zurzeit als Verunreinigung im Fokus stehen organische Spurenstoffe («Mikroverunreinigungen») im Abwasser (BAFU, Schadstoffbelastung, 10 ff.; Botschaft GSchG 2013, 5550 ff.).

17. Der Begriff des Gewässers umfasst sowohl die «oberirdischen Gewässer» (Art. 4 Bst. a GSchG) wie auch die «unterirdischen Gewässer» (Art. 4 Bst. b GSchG; vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 1 ff.). Erfasst sind damit das Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung bzw. das Grundwasser (inkl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht. Die Begriffe haben einen «auf den Wasserhaushalt der Natur bezogenen Sinngehalt» und sind keinesfalls mit dem «Wasser» an sich gleichzusetzen (BGE 107 IV 63 ff., 65). Nicht zu den gschützten Gewässern zählen z.B. Kanalisationen, Kläranlagen und Klärbecken (BGE 107 IV 63 ff., 66; Schindler, Rechtsfragen, 449; Oftinger, Haftpflicht, 105; Piraccini, Vergehenstatbestände, 27 ff.). Künstliche Gewässer sind einbezogen, soweit diese Kanäle, Becken, etc. Teil des natürlichen Wasserkreislaufs bilden (Botschaft GSchG 1987, 1104; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 4). Grundsätzlich geniessen alle Gewässer den gleichen Schutz; auf eine formelle Einteilung der Gewässer in verschiedene Schutzklassen wurde verzichtet (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 4; VGer BE, Urteil vom 4. Dezember 1995, in: BVR 1996, 551 ff., 554).

18. «Einbringen» «bedeutet die Beifügung schädlicher Stoffe im festen, flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand» (BGE 101 IV 419 ff., 420; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff., 968). Unmittelbar ist das Einbringen, wenn verunreinigende Stoffe «direkt ins Wasser geschüttet oder geleitet werden» (BGE 101 IV 419 ff., 420). Ein mittelbares Einbringen ist gegeben, wenn ein verunreinigender Stoff über die Kanalisation in ein offenes Gewässer tritt oder wenn der Stoff die Kläranlage, die diesen nicht abbauen konnte, verlässt (BGE 107 IV 63 ff., 66; OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., zu Öl, das über eine Entwässerungsanlage in die Limmat floss; BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, in: URP 2002, 114, zu quecksilberhaltigem Wasser, das über die Kanalisation abgeleitet wird; BGE 120 IV 300, 307, zu atrazinhaltigem Abwasser, das in der Industriekläranlage nicht abgebaut werden konnte; s. weiter Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 849). Ein widerrechtliches mittelbares Einbringen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GSchG ist nicht gegeben, wenn die Grenzwerte von Wasserproben lediglich in den Versickerungsschächten, nicht aber beim Meteoreinlauf zum betreffenden Gewässer überschritten werden (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.).

19. Für das «Versickernlassen» genügt, dass Stoffe auf das Erdreich geschüttet werden und durch dieses hindurch in das Grundwasser oder in Abwasserläufe, welche in offene Gewässer führen, gelangen könnten (BGE 101 IV 419 ff., 420BGE 107 IV 63 ff., 67). Kein Versickern liegt vor, wo eine wassergefährdende Flüssigkeit auf befestigten, flüssigkeitsundurchlässigen Boden ausfliesst, selbst wenn die Flüssigkeit in der Folge in eine Kanalisation gelangt (BGE 107 IV 63 ff., 67). Als nicht erstellt sah das Bundesgericht den Tatbestand bei geringfügigen Versickerungen von tierischen Ausscheidungen in einem mit Verbundsteinen befestigten, nicht vollständig sickerfesten Laufhof an (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, in: URP 2009, 634, zurückgewiesen zur Neubeurteilung; wohl zu kritisch zum Entscheid Huber-Wälchli/Kel-ler, Rechtsprechung 2003–2012, 212 und Stutz, Grundwasserschutz, 673 ff.). Vom Einbringen unterscheidet sich das Versickernlassen dadurch, «dass Versickern nicht den Nachweis erfordert, dass die schädliche versickerte Flüssigkeit auch in die geschützten Gewässer gelangte. Es genügt, dass Gefahr hierfür bestand» (BGE 101 IV 419 ff., 420 noch zu Art. 37 GSchG 1971; weiter OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]; im Ergebnis auch BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, in: URP 2009, 634). Sobald eine versickerte Flüssigkeit in geschützte Gewässer gelangt, ist sie mittelbar in das Gewässer eingebracht.

 

B.            Konkrete Gefährdung (Abs. 2)

20. Der Begriff der «Stoffe» nach Abs. 2 ist gleich wie in Abs. 1 und damit weit auszulegen (vgl. N 15).

21. Unter «Ablagern» ist das endgültige Deponieren oder Niederlegen fester Stoffe ausserhalb des Gewässers zu verstehen (BGE 107 IV 63 ff., 67, noch zum GSchG 1971; s.a. Piraccini, Vergehenstatbestände, 91 ff.). Darunter fällt die Benützung einer Parzelle zur Lagerung von Bauholz und eisernen Gerüstträgern (unverö. Urteil BGer vom 27. September 1968), die Wiederauffüllung einer Grube, die beim Abbau von Kies und Sand gebildet wurde (BGE 86 I 196, E. 6a), die rechtswidrige Ablagerung von mit polychlorierten Biphenylen (PCB) durchsetztem Aushubmaterial (RR ZH vom 20. November 1996, in: URP 1997, 53, 55 ff.) und eine Platzkofferung mit Mischabbruchgranulat (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, in: URP 2006, 174 ff.).

22. Der Vorgang des «Ausbringens» erfasst namentlich das Düngen von landwirtschaftlich genutzten Flächen mit tierischen Ausscheidungen oder künstlich hergestellten Stoffen (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 9; siehe auch Art. 71 ChemV; vgl. aber auch OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., 773 zum «Ausbringen» von ölhaltigem Abwasser; OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2002, E. 1.2., in: URP 2003, 279], zum Austreten von Öl wegen eines falsch installierten Tanks). Gemäss BAFU (Düngung, 35 f.) soll «[d]as gewässerschützerisch einwandfreie Verwerten, d.h. das sorgfältige Ausbringen von Gülle, die bekanntlich in den Boden eindringt (‹versickert›), […] nicht als Versickerung im Sinn von Artikel 6 Absatz 1 GSchG [gelten], denn die Nährstoffe werden normalerweise von den Pflanzenwurzeln rasch aufgenommen. Der dann noch verbleibende Rest wird überwiegend an Bodenteilchen gebunden und steht später den Pflanzen ebenfalls wieder zur Verfügung.» Die näheren Anforderungen an den Umgang mit Dünger regelt Anh. 2.6 ChemRRV.

23. Auch wenn das «Ausbringen» dem «Versickernlassen» zwingend zeitlich vorausgeht, sind die beiden Vorgänge in vielen Fällen kaum praktikabel voneinander abzugrenzen. Jedoch dürfte die konkrete Subsumtion meist keine Rolle spielen, da sowohl Art. 6 Abs. 1 als auch Abs. 2 wie auch die Strafnorm von Art. 70 GSchG an die gewässerverunreinigende Wirkung der freigesetzten Stoffe anknüpfen (ähnlich BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.1, in: URP 2009, 634 ff.; vgl. auch Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 211 ff.).

24. Art. 6 Abs. 2 GSchG erfasst alle Bereiche «ausserhalb eines Gewässers» (zum Begriff des Gewässers vgl. N 17 und Komm. zu Art. 4 GSchG N 1 ff.); sie werden in ihrer räumlichen Reichweite nur durch das Erfordnis der Schaffung einer konkreten Gefahr der Verunreinigung eines vom Gesetz geschützten Gewässers begrenzt.

25. Eine «konkrete Gefahr» ist gegeben, wenn verunreinigende Stoffe «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit grosser Wahrscheinlichkeit früher oder später» in ein geschütztes Gewässer gelangen können (so BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.1; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2 unter Hinweis auf Botschaft GSchG 1987, 1109; weiter BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, E. 3; BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.1, in: URP 2006, 174 ff.; BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2002, E. 1.2., in: URP 2003, 279; s. schon BGE 101 IV 419 ff., 422). Eine solche Gefahr wurde etwa bejaht beim Abschwemmen von Gülle, Mistwasser, Silosäften (VGer SG, Urteil vom 3. Dezember 2013, B 2012/161, E. 4.2.3., bestätigt in BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015 «Kälberiglus»), beim Versickernlassen von stark kohlenwasserstoffhaltigem Kompressorwasser in einen Schacht ohne Boden mit Dachwasserzulauf im Gewässerschutzbereich A (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff., 773 f.), bei der möglichen Auswaschung von Schadstoffen aus einer Platzkofferung mit Mischabbruchgranulat (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, in: URP 2006, 174 ff.) und beim Auslaufen von 741 l Öl auf durchlässiges Erdreich, auch wenn dieses sofort ausgebaggert wird (OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff. [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]). Eine konkrete Gefährdung ist auch gegeben beim Einleiten eines ätzenden Reinigungsmittels in einen Abwasserschacht, der in einen – zufällig gerade trockenen – Bach ableitet (BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff.; dazu Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 208). Die Frage der konkreten Gefährdung ist unabhängig vom – allenfalls nicht eingetretenen – Erfolg und unabhängig von der Zeitdauer, zu der die Gefahr bestand, zu beurteilen (OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff., 972 [bestätigt in BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2009, E. 1.2., in: URP 2003, 279]; s.a. Botschaft GSchG 1970, 474).

26. Grundsätzlich ist beim Nachweis einer «konkreten Gefahr» davon auszugehen, dass die Rechtsunterworfenen das anwendbare Recht einhalten. So stellt die fachgerechte und vorschriftsgemässe Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger in Gewässerschutzbereichen A keine «konkrete Gefahr» dar (VGer BE, Urteil vom 30. Juni 2003, in: URP 2003, 763 ff., 767); die entsprechenden Tätigkeiten können nicht mit Verweis auf mögliche Gesetzesverstösse präventiv verboten werden. Auch eine gewässerschützerisch und pflanzenbaulich einwandfreie Verwertung von Hofdünger schafft keine solche Gefahr und gilt auch nicht als Versickerung im Sinn von Art. 6 Abs. l GSchG. Die mit dem Regen früher oder später in den Boden eindringenden Düngstoffe werden in diesen Fällen von den Pflanzenwurzeln aufgenommen oder durch die Bodenteilchen gebunden (Botschaft GSchG 1987, 1109BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.4). Das Versickernlassen von Hofdünger ist also insoweit zulässig, als die Natur grundsätzlich in der Lage ist, die fragliche Stoffmenge abzubauen und keine Überdüngung droht (BGer 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, E. 2.3; BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.3; BGE 97 I 467, E. 3; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 2004, N 404 ff.; Botschaft GSchG 1987, 1118 f.). Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es auf «die Anzahl betroffener Tiere, die beanspruchte Bodenfläche, die vorgesehene Benutzungsdauer und den Grad der Durchlässigkeit des bestehenden Bodens an», wobei an den Nachweis der Abbaubarkeit ausserhalb besonders gefährdeter Grundwasserbereiche keine erhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.3 f.).

27. Der Begriff der «Verunreinigung» umfasst gemäss der Legaldefinition von Art. 4 Bst. d GSchG jede nachteilige Veränderung des Wassers (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 26) und ist gleich wie in Abs. 1 auszulegen (N 16).

 

Résumé

L’art. 6 LEaux est la norme centrale pour la protection qualitative des eaux; elle complète le devoir général de diligence prévue à l’art. 3 LEaux. Cette disposition règlemente de manière exhaustive la protection contre la pollution de telle sorte que les cantons ne peuvent pas adopter des règles cantonales plus strictes. Les deux alinéas de cet article instaurent une interdiction générale de polluer les eaux qui s’applique également lorsque les exigences générales de qualité des eaux selon l’annexe 2 OEaux sont encore remplies.

L’art. 7 LEaux ainsi que les art. 79 s. ORaP et 26 al. 2 LRaP font exception au principe général prévu à l’art. 6 LEaux. Une dérogation à l’art. 6 LEaux dans le cadre d’une pondération des intérêts ne peut se justifier selon la jurisprudence du TF que si l’application coordonnée des normes de même rang n’est pas possible et que la violation du principe de sauvegarde de la qualité des eaux doit apparaitre comme nécessaire consécutivement à un conflit de normes impératives.

La violation de cette norme est passible d’une peine d’emprisonnement de trois ans au plus ou de peine pécuniaire (art. 70 LEaux). L’al. 2 de l’art. 6 LEaux inclut toutes les pollutions hors de l’eau. Il suppose une mise en danger concrète.

 

Literatur: Bendel Felix, Gewässerschutz, in: Müller-Stahel Hans-Ulrich (Hrsg.), Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, 208 ff. (zit. Gewässerschutz); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Marti Ursula, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, Diss. Genf 2009 (zit. Vorsorgeprinzip); Oftinger Karl, Haftpflicht wegen Verunreinigung eines Gewässers – die Haftplichtbestimmung des neuen Gewässerschutzgesetzes, in: SJZ 68 (1972), 101 ff. (zit. Haftpflicht); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Vallender Klaus/Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht – Besondere Regelungsbereiche – Handbuch zu Chemikalien, GVO, Altlasten, Gewässerschutz, Energie u.a., Zürich/St. Gallen 2013 (zit. Umweltrecht Handbuch).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Fischerei, in Revision desjenigen vom 18. September 1875, vom 3. Juni 1887, BBl 1887 III 363 ff. (zit. Botschaft BGF 1887); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gälli René/Ort Christoph/Schärer Michael), Mikroverunreinigungen in den Gewässern – Bewertung und Reduktion der Schadstoffbelastung aus der Siedlungsentwässerung, Umwelt-Wissen Nr. 0917, Bern 2009 (zit. Schadstoffbelastung).

Hettich Peter​

Abwasserbeseitigung

1         Verschmutztes Abwasser muss behandelt werden. Man darf es nur mit Bewilligung der kantonalen Behörde in ein Gewässer einleiten oder versickern lassen.

2         Nicht verschmutztes Abwasser ist nach den Anordnungen der kantonalen Behörde versickern zu lassen. Erlauben die örtlichen Verhältnisse dies nicht, so kann es in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden; dabei sind nach Möglichkeit Rückhaltemassnahmen zu treffen, damit das Wasser bei grossem Anfall gleichmässig abfliessen kann. Einleitungen, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, bedürfen der Bewilligung der kantonalen Behörde.

3         Die Kantone sorgen für eine kommunale und, soweit notwendig, für eine regionale Entwässerungsplanung.

Evacuation des eaux

1         Les eaux polluées doivent être traitées. Leur déversement dans une eau ou leur infiltration sont soumis à une autorisation cantonale.

2         Les eaux non polluées doivent être évacuées par infiltration conformément aux règlements cantonaux. Si les conditions locales ne permettent pas l’infiltration, ces eaux peuvent être déversées dans des eaux superficielles; dans la mesure du possible, des mesures de rétention seront prises afin de régulariser les écoulements en cas de fort débit. Les déversements qui ne sont pas indiqués dans une planification communale de l’évacuation des eaux approuvée par le canton sont soumis à une autorisation cantonale.

3         Les cantons veillent à l’établissement d’une planification communale et, si nécessaire, d’une planification régionale de l’évacuation des eaux.

Eliminazione delle acque di scarico

1         Le acque di scarico inquinate devono essere trattate. Possono essere immesse o lasciate infiltrare nelle acque solo con il permesso dell’autorità cantonale.

2         Le acque di scarico non inquinate devono essere eliminate mediante infiltrazione giusta le prescrizioni dell’autorità cantonale. Se le condizioni locali non lo permettono, possono essere immesse in un’acqua superficiale; in tal caso occorre provvedere per quanto possibile affinché, in caso di grande afflusso, misure di ritenuta consentano di far defluire l’acqua in modo regolare. Le immissioni non indicate in una pianificazione comunale dello smaltimento delle acque di scarico approvata dal Cantone necessitano del permesso dell’autorità cantonale.

3         I Cantoni provvedono a una pianificazione comunale e, se necessario, a una pianificazione regionale dello smaltimento delle acque di scarico.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​  ​ Allgemeines 9
A. Überblick 9
B. ​Verhältnis zum Abfallrecht 13
III. Kommentierung 19
A. ​Beseitigung von verschmutztem Abwasser (Abs. 1) 19
1. ​Behandlungsgebot (Satz 1) 20
2. ​Bewilligungspflicht (Satz 2) 25
​3. ​Voraussetzungen der Einleitungsbewilligung 29
4. ​Voraussetzungen der Versickerungsbewilligung 44
B. ​Beseitigung von nicht verschmutztem Abwasser (Abs. 2) 46
​1. ​Versickerungsgebot (Satz 1) 50
2. ​Einleitung in ein oberirdisches Gewässer (Satz 2) 55
3. ​Bewilligungspflicht (Satz 3) 58
C. ​Entwässerungsplanung (Abs. 3) 60
1. Allgemeines 60
2. ​Inhalte der Entwässerungsplanung 67
​3. Koordination mit anderen Planungen
​4. ​​Rechtsnatur 77
​5. ​Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsschutz 80

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Bereits das BGF 1875 und das BGF 1888 enthielten Vorschriften über die Abwasserbeseitigung. Diese Bestimmungen bezogen sich zunächst nur auf «Fabrikabgänge», die in Fischereigewässer eingeleitet wurden. Ihr Anwendungsbereich wurde in der Folge mit der SpezV BGF 1925 auf alle Arten von Abwassereinleitungen ausgedehnt (vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 1).

2. Die wesentlichen Inhalte der frühen fischereirechtlichen Bestimmungen über die Abwasserbeseitigung wurden in das erste Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 16. März 1955 (GSchG 1955) überführt. Das Gesetz sah neu eine Bewilligungspflicht für die Einleitung von Abwässern und anderen flüssigen oder gasförmigen Abgängen jeder Art vor, die nicht mehr nur Fischereigewässer, sondern alle Oberflächengewässer erfasste (Art. 5 Abs. 1 GSchG 1955; vgl. Schindler, Rechtsfragen, 414 ff.). Die Kantone hatten insbesondere die vorgängige Reinigung oder Unschädlichmachung der Abgänge und die Beseitigung der dabei entstehenden Rückstände zu verlangen (Art. 5 Abs. 2 GSchG 1955). Die Abwasservorschriften des GSchG 1955 wurden von den Kantonen zunächst nur schleppend umgesetzt (Schindler, Rechtsfragen, 415 f., 421 f.). Die Vollzugsbemühungen der Kantone erstarkten erst, nachdem der Bundesrat durch die Revision der VV GSchG 1956 vom 2. Februar 1962 (AS 1962 96) die rechtlichen Grundlagen schuf, um den Kantonen und Gemeinden erhebliche Bundesmittel zum Bau von Abwasserreinigungsanlagen zur Verfügung zu stellen (Botschaft GSchG 1970, 431; Schindler, Rechtsfragen, 423 f.).

3. Mit Erlass von Art. 17 GSchG 1971 anlässlich der Totalrevision des GSchG vom 8. Oktober 1971 wurden die Kantone verpflichtet, auf Grundlage von generellen Kanalisationsprojekten (GKP) für die Erstellung der erforderlichen öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu sorgen (Botschaft GSchG 1970, 451 f.). Zudem wurden die materiellen Vorschriften über die Beseitigung von Abwässern in der gestützt auf Art. 21 GSchG 1971 erlassenen Abwassereinleitungsverordnung 1975 erheblich verschärft, indem strenge Grenzwerte für die Konzentrationen verschiedener Schadstoffe in den Abwässern sowie Qualitätsziele für die Oberflächengewässer aufgestellt wurden (Botschaft GSchG 1987, 1074). Im Gegenzug zu den Verschärfungen der Vorschriften wurde das per Verordnung eingeführte System von Bundessubventionen mit Art. 31 GSchG 1971 ins Gesetzesrecht überführt und weiter ausgebaut, indem der Kreis beitragsberechtigter Gewässerschutzanlagen erweitert wurde (Botschaft GSchG 1970, 437, 465 ff.).

4. Bis Ende der 1980er-Jahre konnten im Bereich der Gewässerreinhaltung durch den Ausbau der zentralen Abwasserinfrastruktur, die Verschärfung der Vorschriften über die Gewässereinleitung und verstärkte Anstrengungen bei der Sanierung bestehender Einleitungen aus gewerblichen und industriellen Betrieben beträchtliche Fortschritte erzielt werden (Botschaft GSchG 1987, 1073 f.; Stutz, Abwasserrecht, 92 f., 105). Gleichzeitig mit diesen Erfolgen traten zunehmend aber auch die Grenzen des damaligen Konzepts der Abwasserbeseitigung zutage, welches auf dem Grundsatz beruhte, sämtliche Siedlungsabwässer unabhängig von ihrer Zusammensetzung auf möglichst direktem Weg abzuleiten und in eine Abwasserreinigungsanlage einzuleiten. Mit der voranschreitenden Versiegelung der Bodenfläche durch Siedlungs‑ und Strassenbau führte dieses Konzept im Laufe der Jahre zu einer starken Zunahme des in den Abwasseranlagen anfallenden Abwassers, was nicht nur kostspielige Investitionen in die Abwasserinfrastruktur erforderlich machte, sondern auch die Gefahr von Hochwassern durch eine Überlastung des Kanalisationsnetzes bei starken Niederschlägen erhöhte (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.).

5. Aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber mit der Totalrevision des GSchG vom 24. Januar 1991 das im aktuellen Art. 7 verankerte moderne Entsorgungskonzept eingeführt, dessen zentrales Element das Gebot der Abwassertrennung ist. Neu wurde verlangt, dass verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser getrennt beseitigt wird (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.). Fortan sollte nur noch verschmutztes Abwasser behandelt bzw. in die Kanalisation eingeleitet werden (Art. 7 Abs. 1 GSchG). Nicht verschmutztes Abwasser hingegen ist nach Möglichkeit versickern zu lassen (Art. 7 Abs. 2 GSchG).

6. Mit dem Erlass des aktuell geltenden Art. 7 Abs. 3 GSchG im Rahmen der GSchG-Revision vom 20. Juni 1997 wurden die Kantone verpflichtet, für eine kommunale und – soweit erforderlich – für eine regionale Entwässerungsplanung zu sorgen. Die Planungspflicht der Kantone im Bereich der Abwasserentsorgung wurde damit inhaltlich erheblich über die bislang in Art. 10 Abs. 4 vorgeschriebene generelle Kanalisationsplanung hinaus erweitert. Nach der neuen Regelung soll sich die kommunale Entwässerungsplanung nicht mehr allein mit der Planung der Abwasseranlagen beschäftigen, sondern den gesamten lokalen Wasserkreislauf auf dem Gebiet einer Gemeinde ins Auge fassen. Mit der regionalen Entwässerungsplanung sollte ein Instrument geschaffen werden, welches «eine gesamtheitliche Planung, die nicht nur über die Gemeindegrenze, sondern oft über die Kantonsgrenze hinausgeht», ermöglicht und mit dem die «vielschichtigen ökologischen Zusammenhänge» berücksichtigt werden können (Botschaft GSchG 1996, 1228). Im Zuge der ebenfalls mit der GSchG-Revision vom 20. Juni 1997 erfolgten Einführung der verursachergerechten Abwassergebühren wurden die Tatbstände für Bundessubventionen im Bereich der Abwasserentsorgung weitgehend abgebaut (Botschaft GSchG 1996, 1226 f.). Gemäss dem in Art. 60a Abs. 1 GSchG verankerten Verursacherprinzip haben die Kantone nunmehr dafür zu sorgen, dass grundsätzlich die vollen Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen mittels Gebühren und Abgaben den Verursachern überbunden werden (Botschaft GSchG 1996, 1222 f., vgl. Komm. zu Art. 60a GSchG). Gegenwärtig gewährt der Bund im Bereich der Abwasserentsorgung nur noch Subventionen für Massnahmen zur Stickstoffeliminierung, soweit sie der Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen dienen, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezwecken (Art. 61 Abs. 1 GSchG; s. Botschaft GSchG 1996, 1224 ff.), sowie für Massnahmen zur Eliminierung von organischen Spurenstoffen (Art. 61a GSchG, s. Botschaft GSchG 2013, 5554, 5559), wobei letztere über eine gesamtschweizerische verursachergerechte Abgabe finanziert werden (Botschaft GSchG 2013, 5553 f., 5557 f.).

7. Mit dem Bewilligungsverfahrensgesetz vom 21. Dezember 2007 wurde die bislang in Art. 7 Abs. 2 GSchG vorgesehene Bewilligungspflicht für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer aufgehoben, soweit die Einleitung in der von den kantonalen Behörden genehmigten generellen Entwässerungsplanung vorgesehen ist (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 355).

8. Art. 7 Abs. 1, 2 und 3 GSchG wurde in den parlamentarischen Beratungen ohne Diskussionen zugestimmt (AB S 1988 634, AB N 1989 954, AB S 1996 1167, AB N 1997 431, AB 2007 N 1398, AB 2007 S 1002).

II.           Allgemeines

A.           Überblick

9. Die gewässerschutzrechtliche Sorgfaltspflicht (Art. 3 GSchG) und das Gewässerverunreinigungsverbot (Art. 6 GSchG) verlangen, dass anfallendes Abwasser in einer für die Gewässer unschädlichen Weise beseitigt werden muss. Art. 7 GSchG enthält allgemeine Vorschriften über die Abwasserbeseitigung, welche das Konzept vorgeben, nach dem das Abwasser ordnungsgemäss beseitigt, d.h. in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden muss. Die in Art. 7 GSchG verankerten Grundzüge des Abwasserbeseitigungskonzepts werden in den Art. 9–17 GSchG sowie den dazugehörigen Verordnungsbestimmungen (insb. Art. 3–21 und Anh. 1–3 GSchV) weiter konkretisiert.

10. Zentrales Element des in Art. 7 GSchG skizzierten Abwasserbeseitigungskonzepts ist das Gebot der Abwassertrennung (BGer 2P.248/2004 [«Rheinhafen»], E. 2.2). Dieses verlangt, dass verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser getrennt beseitigt werden muss. Verschmutztes Abwasser ist nach Art. 7 Abs. 1 GSchG vor seiner Einleitung in ein Gewässer zu behandeln (Behandlungsgebot). Nicht verschmutztes Abwasser hingegen ist gemäss Art. 7 Abs. 2 GSchG nach Möglichkeit versickern zu lassen (Versickerungsgebot). Um eine sachgemässe und zweckmässige Abwasserbeseitigung nach diesem Konzept gewährleisten zu können, bedarf es einer vorausschauenden und sachlich übergreifenden Planung. Art. 7 Abs. 3 GSchG verlangt daher nach einer kommunalen und – gegebenenfalls – regionalen Entwässerungsplanung.

11. Der Begriff «Abwasser» wird in Art. 4 Bst. e GSchG anhand drei verschiedener Tatbestände gesetzlich umschrieben: Abwasser ist demnach das «durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, das in einer Kanalisation stetig damit zusammen abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser» (vgl. zum Begriff «Abwasser» auch Komm. zu Art. 4 GSchG N 27 ff.).

12. Als verschmutzt gilt gemäss Art. 4 Bst. f GSchG Abwasser, welches geeignet ist, das Gewässer, in das es eingeleitet wird, zu verunreinigen. Nach dem strengen Schutzkonzept des GSchG wird ein Gewässer bereits dann verunreinigt, wenn das Wasser in seinen physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften verändert wird und dadurch eine messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand entsteht (vgl. zum Begriff «verschmutztes Abwasser» auch Komm. zu Art. 4 GSchG N 31 ff.).

 

B.            Verhältnis zum Abfallrecht

13. Abfall‑ wie Abwasserrecht sind Teilgebiete des Umweltrechts, die schädliche oder lästige Umwelteinwirkungen durch eine Bewirtschaftung natürlicher Stoffkreisläufe zu verhindern suchen. In beiden Regelungsbereichen steht die Frage im Vordergrund, unter welchen Voraussetzungen schädliche Stoffe, die für keinen weiteren Gebrauch vorgesehen sind, in die natürlichen Stoffkreisläufe zurückzugeführt werden dürfen.

14. Die Vorschriften des Abfall‑ und Abwasserrechts gründen im Wesentlichen auf denselben Ansätzen: Primär soll die Entstehung schädlicher Stoffe möglichst vermieden werden. Nicht zu vermeidende Abfälle und Abwässer sollen – soweit sinnvoll – stofflich (Recycling) oder energetisch verwertet werden. Die nicht mehr verwertbaren schädlichen Reststoffe sind schliesslich nach den gesetzlichen Vorschriften zu behandeln und in unschädlicher Weise zu beseitigen (s. für Abfälle explizit Art. 30 USG).

15. Abfall‑ und Abwasserrecht verfolgen bei der Beseitigung nicht wiederverwertbarer Stoffe einen vorwiegend technologischen Ansatz. Die Reststoffe werden durch technische Mittel kontrolliert in weitgehend unschädliche Grundstoffe zersetzt (Abfallverbrennung, Abwasserreinigung). Die schwer abbaubaren schädlichen Stoffe sind auszufiltern und schliesslich separat in Deponien abzulagern. Die Erstellung und der Betrieb der erforderlichen Infrastruktur für die Abfall‑ und Abwasserbeseitigung ist von Bundesrechts wegen zu weiten Teilen eine Aufgabe des Gemeinwesens (Art. 10 GSchGArt. 31 ff. USG; s. zu den entsprechenden Pflichten allgemein EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012, Di Sarno et autres c. Italie, Nr. 30765/08, N 108 ff.). Abfall‑ und Abwassererzeuger haben verursachergerecht die Entsorgungskosten zu tragen (Art. 60a GSchGArt. 32 und 32a USG).

16. Obschon die abfallrechtlichen Bestimmungen des USG (Art. 30–32e USG) ursprünglich aus dem Gewässerschutzrecht stammen, stellt das Abwasserrecht heute gesetzessystematisch einen Teilbereich des Abfallrechts dar (Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 14 f.). Generell erfasst das USG Gewässerverunreinigungen als schädliche Einwirkungen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 USG, die es nach Art. 1 USG zu begrenzen gilt. Sodann erstreckt sich der Begriff des Abfalls i.S.v. Art. 7 Abs. 6 USG auch auf das Abwasser im Sinne des GSchG, weshalb die abfallrechtlichen Bestimmungen des USG grundsätzlich auch auf Abwasser anwendbar wären. Jedoch richtet sich die Beseitigung von Abwasser nicht nach den allgemeinen Vorschriften über die Abfallentsorgung des USG, sondern ausschliesslich nach den spezielleren gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen über die Abwasserbeseitigung (Seiler, Kommentar USG, Art. 3 N 49; Stutz, Abwasserrecht, 81; Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 51).

17. Art. 10 GSchV schreibt vor, dass feste oder flüssige Abfälle nicht zusammen mit dem Abwasser entsorgt werden dürfen, ausser wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist. Zu entsorgende Flüssigkeiten, die wegen ihrer Beschaffenheit gemäss den Gewässerschutzvorschriften auch nach allfälliger Vorbehandlung nicht in die Kanalisation abgeleitet werden dürfen, gelten als flüssiger Abfall und sind nach den Vorschriften des Abfallrechts zu entsorgen. Darunter fallen insbesondere die im Abfallverzeichnis in Anh. 1 der VO Abfalllisten verzeichneten Sonderabfälle und andere kontrollpflichtige Abfälle (zur Abgrenzung von Abwasser und Sonderabfällen, s. Stutz, Abwasserrecht, 81 ff.). Die Abgrenzung zwischen flüssigem Abfall und Abwasser kann sich in der Praxis als schwierig erweisen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob mit Blick auf die Ziele des Gewässer‑ und Umweltschutzes eine Entsorgung als Abfall oder eine Einleitung in die Kanalisation mit allfälliger Vorbehandlung zweckmässiger ist. Dabei sind neben den im konkreten Fall vorhanden Abfall‑ bzw. Abwasserinfrastrukturen, der Stand der Technik und die Wirtschaftlichkeit der alternativen Entsorgungswege zu berücksichtigen. Die von der VSA veröffentlichte Vollzugshilfe «Ist es Abwasser? Ist es Abfall?» zeigt auf, wie in Zweifelsfällen eine pragmatische Beurteilung vorgenommen werden kann (VSA, Abwasser oder Abfall?; zur rechtlichen Bedeutung von privaten Vollzugshilfen vgl. N 74).

19. Die Entsorgung von Klärschlamm, der bei der Abwasserentsorgung anfällt, richtet sich – entgegen der Gesetzessystematik – nach den gewässerschutzrechtlichen Spezialregelungen in Art. 18–21 GSchV, obwohl Klärschlamm grundsätzlich als Abfall i.S. des USG und nicht als Abwasser zu qualifizieren ist (Seiler, Kommentar USG, Art. 3 N 50). Klärschlamm darf seit dem Jahr 2006 nicht mehr als Dünger verwertet werden (Art. 21 Abs. 2 GSchV i.V.m. Anh. 2.6 Ziff. 2.1 Abs. 2 ChemRRV; Art. 21a Abs. 2 DüV) und muss – soweit er nicht anderweitig verwertet werden kann – verbrannt oder thermisch behandelt werden (Art. 11 TVA; vgl. zu den vom BR vorgeschlagenen Vorschriften über die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm Botschaft «Grüne Wirtschaft» 2014, 1854 f., 1891).

III.        Kommentierung

A.           Beseitigung von verschmutztem Abwasser (Abs. 1)

19. Das Einbringen von verschmutztem Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf stellt die Hauptursache von Gewässerverunreinigungen dar. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GSchG statuiert daher ein Behandlungsgebot für verschmutztes Abwasser. Dieses verlangt, dass die gewässerverunreinigenden Stoffe aus dem verschmutzten Abwasser entfernt werden, soweit sie durch das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer nicht oder nicht genügend schnell abgebaut werden können. Im Anschluss an die gebotene Behandlung ist das (ehemals) verschmutzte Abwasser in ein Gewässer einzuleiten. Eine Versickerung des behandelten Abwassers ist grundsätzlich verboten (Art. 8 Abs. 1 GSchV). Sie kommt nur in Ausnahmefällen in Frage (Art. 8 Abs. 2 GSchV).

 

1.             Behandlungsgebot (Satz 1)

20. Gemäss dem Behandlungsgebot müssen gewässerverunreinigende Stoffe aus dem verschmutzten Abwasser soweit entfernt werden, als diese durch das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer nicht oder nicht genügend schnell abgebaut werden können. Das Behandlungsgebot gilt für alle verschmutzten Abwässer. Das GSchG sieht keine Ausnahmen vom Behandlungsgebot vor (Stutz, Abwasserrecht, 123).

21. Indem das Behandlungsgebot bei den Ursachen von Gewässerverunreinigungen ansetzt, stellt es eine Ausprägung des umweltrechtlichen Grundsatzes der Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen an der Quelle dar (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 11 N 6). Allerdings greift das Behandlungsgebot für verschmutztes Abwasser nicht bereits bei der Entstehung von verschmutztem Abwasser ein, sondern zielt lediglich auf dessen Unschädlichmachung vor der Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf (Griffel, Grundprinzipien, 157, N 203). Grund dafür ist die Tatsache, dass Wasser – im Gegensatz zur Luft und zum Boden – mit vertretbarem Aufwand gereinigt werden kann.

22. Das Behandlungsgebot richtet sich an den Inhaber des Abwassers, d.h. an diejenige Person, welche die Entstehung des verschmutzten Abwassers selbst verursacht hat oder welche das verschmutzte Abwasser vom ursprünglichen Verursacher freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Vorschrift übernommen hat. In der Regel handelt es sich beim Abwasserinhaber um die Person, die die tatsächliche Herrschaft über das Abwasser ausübt. Tatsächliche Herrschaft meint das faktische Vermögen, die Sache ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht zu verwenden, zu verä̈ndern, zu zerstören, zu behalten oder weiterzugeben (vgl. BGE 119 Ib 492, E. 4b cc; 118 Ib 407, E. 3c). Vgl. zur Definition des analogen Begriffs des Abfallinhabers Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 50.

23. Im Bereich der öffentlichen Kanalisation muss verschmutztes Abwasser gemäss Art. 11 Abs. 1 GSchG in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden (vgl. Komm. zu Art. 11 GSchG). Damit geht die Pflicht zur Behandlung des verschmutzten Abwassers an den Inhaber der Kanalisation über. Wer aber Abwasser einleiten will, das den Anforderungen an die Einleitung in die Kanalisation nicht entspricht, muss es gemäss Art. 12 Abs. 1 GSchG vorbehandeln (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG). Ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen verbleibt die Abwasserbehandlungspflicht grundsätzlich beim ursprünglichen Abwasserverursacher, der das Abwasser gemäss Art. 13 Abs. 1 GSchG entsprechend dem Stand der Technik zu beseitigen hat (vgl. Komm. zu Art. 13 GSchG).

24. Über die Frage, wie verschmutztes Abwasser zu behandeln ist, äussert sich Art. 7 GSchG als Grundnorm über die Abwasserbeseitigung selber nicht. Die konkreten Anforderungen an die Abwasserbehandlung ergeben sich im Wesentlichen aus den spezielleren Bestimmungen des GSchG über die Behandlung des verschmutzten Abwassers (Art. 10–13 GSchG) sowie aus den gestützt auf Art. 9 und 16 GSchG erlassenen Vorschriften des Bundesrates über die «Ableitung von verschmutztem Abwasser» (Art. 6–10, Anh. 1–3 GSchV; s. auch N 29 ff.).

 

2.             Bewilligungspflicht (Satz 2)

25. Verschmutztes Abwasser darf man gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 GSchG nur mit Bewilligung der kantonalen Vollzugsbehörde versickern lassen oder in ein Gewässer einleiten (vgl. zum Begriff «Versickernlassen» Komm. zu Art. 6 GSchG N 19). Entscheidend für die Frage, ob zu entsorgendes Abwasser i.S.v. Art. 7 Abs. 1 GSchG als verschmutzt gilt und damit nur mit einer Bewilligung versickert werden oder in ein Gewässer eingeleitet werden darf, ist der Verunreinigungsgrad des Abwassers vor der gebotenen Abwasserbehandlung (vgl. zum Begriff «verschmutztes Abwasser» Komm. zu Art. 4 GSchG N 31 ff.). Die Bewilligungspflicht für Versickerungen und Einleitungen besteht insbesondere auch dann, wenn das zu entsorgende Abwasser nach der gemäss Art. 12 Abs. 1 GSchG erforderlichen Abwasservorbehandlung nicht mehr als verschmutzt i.S.v. Art. 4 Bst. f GSchG gelten sollte.

26. Neben der Einleitung von (behandeltem) verschmutztem Abwasser in ein Gewässer unterliegt auch die Einleitung von Abwasser in die öffentliche Kanalisation einer gewässerschutzrechtlichen Bewilligungspflicht, sofern es sich beim zu entsorgenden Abwasser nicht um «kommunales Abwasser» (vgl. N 34), sondern um «Industrieabwasser» (vgl. N 37) oder um «anderes verschmutztes Abwasser» (vgl. N 40) handelt (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 874). Allerdings stützt sich die in Art. 7 Abs. 1 GSchV verankerte Bewilligungspflicht für die Einleitung in die Kanalisation nicht auf Art. 7, sondern auf Art. 12 Abs. 1 und 2 bzw. Art. 16 Bst. a GSchG ab (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG und 16 GSchG; Stutz, Abwasserrecht, 158, Fn. 606).

27. Mit dem Bewilligungserfordernis nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 GSchG wird von den kantonalen Behörden verlangt, dass sie die Einhaltung des Behandlungsgebots mittels präventiver Kontrolle umfassend überwachen. Andererseits soll die Bestimmung den Kantonen aber auch ermöglichen, die Einleitung oder Versickerung von verschmutztem Abwasser im Sinne einer Ausnahme vom Verunreingungsverbot (vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 9 f.) im Einzelfall für zulässig zu erklären, sofern die gesetzlichen Anforderung an die Behandlung des Abwassers eingehalten sind (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008 [«Kupfer KKL»], E. 2.4; Stutz, Abwasserrecht, 115).

28. Die in Art. 6 GSchV näher umschriebene Bewilligung für die Einleitung von behandeltem Abwasser in ein Gewässer stellt eine Polizeibewilligung dar, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung (vgl. N 29 ff.) erfüllt sind (Stutz, Abwasserrecht, 141). Anders verhält es sich bei der Bewilligung für die Versickerung von verschmutztem Abwasser, die von den Behörden nach Art. 8 Abs. 2 GSchV erteilt werden «kann», aber angesichts des in Art. 8 Abs. 1 GSchV verankerten grundsätzlichen Versickerungsverbots nur in Ausnahmefällen erteilt werden soll (vgl. N 44 f.).

 

3.             Voraussetzungen der Einleitungsbewilligung

29. Die Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser in oberirdische Gewässer, Drainagen sowie unterirdische Flüsse und Bäche sind gemäss Art. 6 GSchV – analog dem allgemeinen Immissionsschutzkonzept des USG – auf Grundlage der konkreten Umstände in einem zweistufigen Vorgehen festzusetzen. Aus emissionsseitiger Betrachtung hat die Behörde zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen von Anh. 3 GSchV aufgrund der Beschaffenheit und Menge des anfallenden Abwassers erfüllt sind. Die Verordnung unterscheidet zwischen kommunalem Abwasser (vgl. N 34 ff.), Industrieabwasser (vgl. N 37 ff.) und anderem verschmutztem Abwasser (vgl. N 40 ff.), für die je unterschiedliche Anforderungen gelten. Sind diese erfüllt, so ist die Bewilligung grundsätzlich zu erteilen (Art. 6 Abs. 1 GSchV). Allerdings muss die Behörde aus immissionseitiger Betrachtung in einem weiteren Schritt stets zusätzlich beurteilen, ob die Anforderungen aufgrund der zu erwartenden Einwirkungen der Einleitung auf das aufnehmende Gewässer zu verschärfen sind (Art. 6 Abs. 2 und 3 GSchV) oder gelockert werden können (Art. 6 Abs. 4 GSchV).

30. Eine Verschärfung oder Ergänzung der Anforderungen hat dann zu erfolgen, wenn die betroffenen Gewässer durch die Einleitung des Abwassers die Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV nicht erfüllen (Art. 6 Abs. 2 Bst. a GSchV) und wenn aufgrund von Abklärungen feststeht, dass die ungenügende Wasserqualität zu einem wesentlichen Teil auf die Einleitung des Abwassers zurückzuführen ist und die entsprechenden Massnahmen bei der Abwasserreinigungsanlage nicht unverhältnismässig sind (Art. 6 Abs. 2 Bst. b GSchV). Die Behörde kann die Anforderungen auch dann verschärfen oder ergänzen, wenn die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV für eine besondere Nutzung des betroffenen Gewässers nicht ausreicht (Art. 6 Abs. 3 GSchV).

31. Eine Erleichterung der Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser kann dann gewährt werden, wenn durch eine Verminderung der eingeleiteten Abwassermenge die Schadstofffracht gesamthaft reduziert werden kann (Art. 6 Abs. 4 Bst. a GSchV) oder wenn die Umwelt durch die Einleitung nicht verwertbarer Stoffe in Industrieabwasser gesamthaft weniger belastet wird als durch eine andere Entsorgung (Art. 6 Abs. 4 Bst. b GSchV).

32. Die ökologischen Gewässerziele in Anh. 1 GSchV stellen zum einen Kriterien für die Beurteilung der ökologischen Qualität eines Gewässers zur Verfügung und geben zum anderen Richtlinien vor, nach denen die Entwicklung der Gewässer im Sinne einer naturnahen Gewässergestaltung ausgerichtet werden soll (Griffel, Grundprinzipien, 285, N 389). Die ökologischen Ziele sind gemäss Art. 1 Abs. 2 GSchV bei allen Massnahmen nach der GSchV zu berücksichtigen. Im Rahmen der Ermessensausübung sind sie damit auch bei der Festlegung der Anforderungen an die Einleitung gemäss Art. 6 GSchV in die Erwägungen einzubeziehen, insbesondere bei der Frage, ob die Anforderungen an die Einleitung zu verschärfen, zu ergänzen oder zu erleichtern sind (Stutz, Abwasserrecht, 144, 182; BGer 1A.256/2003 vom 14. Juni 2004 [«ARA Worblental»], E. 2.1).

33. Nach Vorgabe von Art. 46 Abs. 3 GSchV hat die zuständige Behörde bei der Erteilung von Bewilligungen für Einleitungen und Versickerungen von verschmutztem Abwasser nach den Art. 6–8 GSchV neben den gewässerschutzrechtlichen Vorschriften auch die Anforderungen des USG an den Schutz der Bevölkerung vor Geruchsimmissionen sowie die Anforderungen des ArG und des UVG an den Schutz der Gesundheit des Personals von Abwasseranlagen zu berücksichtigen.

 

Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer (Anh. 3.1 GSchV):

34. «Kommunales Abwasser» umfasst häusliches Abwasser (Abwasser aus Haushalten und gleichartiges Abwasser) und das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende und mit dem häuslichen Abwasser abgeleitete Niederschlagswasser (Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Als kommunales Abwasser gilt nicht nur Abwasser aus Privathaushalten, sondern auch das Abwasser anderer Herkunft, das eine ähnliche Zusammensetzung wie das häusliche Abwasser aufweist, wie z.B. das Abwasser aus den Sanitäranlagen von Industrie‑, Gewerbe‑ und Dienstleistungsbetrieben. Das kommunale Abwasser enthält mehrheitlich leicht abbaubare organische Stoffe, die aus der Benutzung der Sanitäreinrichtungen sowie aus Wasch‑, Spül‑ und Reinigungsarbeiten stammen (Stutz, Abwasserrecht, 76).

35. Die in Anh. 3.1 GSchV enthaltenen Anforderungen beziehen sich auf die Einleitung von kommunalem Abwasser, welches nach seiner Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden soll (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 481 f.). Die Anforderungen nach Anh. 3.1 Ziff. 2–4 gelten nur für ARAs mit mehr als 200 Einwohnerwerten im Normalbetrieb (Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1). Für kommunales Abwasser aus Abwasserreinigungsanlagen mit 200 oder weniger Einwohnerwerten und für Abwasser aus Überläufen von Mischsystemen legt die Behörde die Anforderungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse fest.

36. Anh. 3.1 GSchV enthält in Ziff. 2 allgemeine Anforderungen in Form von numerischen Immisionsgrenzwerten für das einzuleitende Abwasser. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Gesamtmenge ungelöster Stoffe, den biochemischen Sauerstoffbedarf während eines Zeitraums von fünf Tagen (BSB5), die Gesamtmenge des gelösten organischen Sauerstoffes sowie die Konzentrationen von Ammonnium, Nitrit und adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen. Für die Einleitung in empfindliche Gewässer enthält Anh. 3.1 Ziff. 3 GSchV zusätzliche Anforderungen an die Eliminierung des Gesamtphosphors (Summe aller Phosphorverbindungen) und des Gesamtstickstoffs (Summe aller Stickstoffverbindungen) aus dem Abwasser. Im Weiteren macht Ziff. 4 Vorgaben über die Häufigkeit von Probenahmen und die zulässige Anzahl Abweichungen von den Grenzwerten. Mit dem Bericht des BAFU zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014 wurden verschiedene Änderungen in Anh. 3.1 GSchV vorgeschlagen. Insbesondere soll in Ziff. 2 für die Eliminierung von organischen Spurenstoffen (Mikroverunreinigungen) neu ein Reinigungseffekt von 80 % in den grösseren ARAs vorgeschrieben werden (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 17 ff.).

 

Anforderungen an die Einleitung von Industrieabwasser in die Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation (Anh. 3.2 GSchV):

37. «Industrieabwasser» umfasst Abwasser aus gewerblichen und industriellen Betrieben sowie damit vergleichbares Abwasser, wie solches aus Laboratorien und Spitälern (Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Auch das verschmutzte industrielle Abwasser ist – nach allfälliger Vorbehandlung (Art. 12 Abs. 1 GSchG) – grundsätzlich in die öffentliche Kanalisation einzuleiten (Art. 11 Abs. 1 GSchG). In seltenen Fällen, wenn Abwässer von Betrieben die Kapazität der zentralen ARA quantitativ übersteigen oder aufgrund ihrer Zusammensetzung für eine Reinigung in der zentralen ARA nicht geeignet sind, können die Betriebe dazu verpflichtet werden, eine eigene ARA mit direkter Einleitung in ein Oberflächengewässer zu erstellen und zu betreiben (Botschaft GSchG 1987, 1115).

38. Eine Bewilligung für die Einleitung von Industrieabwasser in ein Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation darf nach Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller bei Produktionsprozessen und bei der Abwasserbehandlung die nach dem «Stand der Technik» notwendigen Massnahmen trifft, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Er muss gemäss Bst. a der Bestimmung insbesondere dafür sorgen, dass so wenig abzuleitendes Abwasser und so wenig gewässerverunreinigende Stoffe anfallen als dies «technisch und betrieblich möglich» und «wirtschaftlich tragbar» ist (zur Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe Mettler, Stand der Technik, 37 ff.), dass nicht verschmutztes Abwasser und Kühlwasser getrennt von verschmutztem Abwasser anfällt (Bst. b) sowie dass verschmutztes Abwasser weder verdünnt noch mit anderem Abwasser vermischt wird, um die Anforderungen einzuhalten (Bst. c). Vorbehalten ist allerdings der Fall, dass eine Verdünnung für die Abwasserbehandlung zweckmässig ist und die Menge gewässerverunreinigender Stoffe dadurch nicht vergrössert wird. Eine weitere Bewilligungsvoraussetzung ist, dass am Ort der Einleitung die allgemeinen Anforderungen nach Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV und für Abwasser aus bestimmten Branchen die besonderen Anforderungen für bestimmte Stoffe nach Anh. 3.2 Ziff. 3 GSchV eingehalten werden.

39. Die Behörde legt gemäss Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 3 GSchV weniger strenge Anforderungen fest, wenn der Inhaber des Betriebes nachweist, dass er die nach dem Stand der Technik erforderlichen Massnahmen nach Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV getroffen hat und dass die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen nach Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV unverhältnismässig wäre. Ermöglichen die nach dem Stand der Technik gemäss Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV erforderlichen Massnahmen hingegen strengere Anforderungen als diejenigen nach den Anh. 3.2. Ziff. 2 und 3 GSchV einzuhalten, kann die Behörde nach Anh. 3.2. Ziff. 1 Abs. 4 GSchV aufgrund der Angaben des Betriebsinhabers und nach dessen Anhörung solch strengere Werte festlegen.

 

Anforderungen an die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation (Anh. 3.3 GSchV):

40. Verschmutztes Abwasser, das weder kommunales noch Industrieabwasser darstellt, gilt als «anderes verschmutztes Abwasser» (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Darunter fällt insbesondere verschmutztes Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen abfliesst und nicht mit anderem verschmutztem Abwasser vermischt ist (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV).

41. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in ein Gewässer nach Anh. 3.3 GSchV enthalten – anders als Anh. 3.1 Ziff. 2 GSchV für kommunales Abwasser und Anh. 3.2 Ziff. 2 GSchV für industrielles Abwasser – keine allgemeinen numerischen Grenzwerte. Die Behörden haben die Anforderungen vielmehr auf Grund der Eigenschaften des Abwassers, des Standes der Technik und des Zustandes des Gewässers im Einzelfall festzulegen. Sie haben dabei internationale oder nationale Normen, vom BAFU veröffentlichte Richtlinien (z.B. BUWAL, Stand der Technik, Entwässerung von Verkehrswegen; ASTRA/BAFU, Strassenabwasserbehandlungsverfahren) oder von der betroffenen Branche in Zusammenarbeit mit dem BAFU erarbeitete Normen (z.B. BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser) zu berücksichtigen (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV).

42. Für anderes verschmutztes Abwasser aus bestimmten Branchen, Anlagen und Prozessen stellt Anh. 3.3 Ziff. 2 GSchV besondere Anforderungen auf. Diese spezifischen Vorgaben betreffen das Abwasser aus Durchlauf‑ und Kreislaufkühlungen (Ziff. 21 und 22), von Baustellen (Ziff. 23), aus der Fassaden‑ und Tunnelreinigung (Ziff. 24), aus Deponien (Ziff. 25), aus der Kiesaufbereitung (Ziff. 26), aus Fischzuchtanlagen (Ziff. 27) und Schwimmbecken (Ziff. 28).

43. Mit Blick auf das Ziel des Gewässerschutzrechtes ist nicht die Herkunft, sondern das Schädigungspotential des verschmutzten Abwassers entscheidend (Rausch/Trüeb, Abfallentsorgung, 203). Die Behörden haben daher bei der Festlegung der Anforderung an die Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser auch die in Anh. 3.2 GSchV enthaltenen substanzspezifischen Grenzwerte für industrielles Abwasser heranzuziehen (BGer 1C_43/2007 [«Kupfer KKL»], E. 3.5).

 

4.             Voraussetzungen der Versickerungsbewilligung

44. Die Versickerung von verschmutztem Abwasser ist dem Grundsatz nach verboten (Art. 8 Abs. 1 GSchV) und darf nur ausnahmsweise erteilt werden (BGer 1C_87/2012 vom 27. November 2012 [«Hochdorf»], E. 4.2). Eine Versickerungsbewilligung darf zudem nur für kommunales Abwasser oder für anderes verschmutztes Abwasser vergleichbarer Zusammensetzung erteilt werden, nicht aber für Industrieabwasser (Art. 8 Abs. 2 GSchV). Grund für die strengen Bewilligungsvoraussetzungen ist die mit der Versickerung verbundene Gefahr von Schadstoffeinträgen in Böden und Grundwasser (Vallender/Morell, Umweltrecht, § 12, N 3; Bose, Schutz Grundwasser, 124).

45. Art. 8 Abs. 2 Bst. a–d GSchV stellen entsprechend strenge Anforderungen auf, die für eine Bewilligungserteilung kumulativ erfüllt sein müssen. Neben den Voraussetzungen, die auch für Abwassereinleitungen gelten (Bst. a), müssen die Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV bei Versickerungen in jedem Fall eingehalten werden (Bst. b) und kommen nicht erst – wie bei Einleitungen – über die Verschärfung oder Ergänzung der Anforderungen zum Tragen (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 481). Damit die Fruchtbarkeit der Böden langfristig nicht beeinträchtigt wird, müssen zudem die Anforderungen der Verordnung über Belastungen des Bodens vom 1. Juli 1998 (VBBo) eingehalten werden (Bst. c). Ausgenommen davon sind aber Versickerungen in bewilligten Versickerungsanlagen wie Versickerungsmulden oder Strassenböschungen (BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 16).

B.            Beseitigung von nicht verschmutztem Abwasser (Abs. 2)

46. Nicht verschmutztes Abwasser ist gemäss Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GSchG nach Anordnung der kantonalen Behörde in erster Linie versickern zu lassen (Versickerungsgebot). Lassen dies die örtlichen Verhältnisse nicht zu, so kann das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden; dabei sind nach Möglichkeit Rückhaltemassnahmen zu treffen, um ein gleichmässiges Abfliessen des Wassers auch bei grossem Anfall zu ermöglichen (Satz 2). Einleitungen in ein Gewässer, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, bedürfen einer Bewilligung durch die kantonale Vollzugsbehörde (Satz 3). Fällt auch die Einleitung des nicht verschmutzten Abwassers in ein oberirdisches Gewässer ausser Betracht, so kann die kantonale Behörde gemäss Art. 12 Abs. 3 GSchG als letzte Möglichkeit ausnahmsweise auch die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in die öffentliche Kanalisation im Mischsystem bewilligen, sofern es sich um stetig anfallendes Abwasser, d.h. nicht um Niederschlagswasser handelt (Botschaft GSchG 1987, 1115).

47. Auf welche Weise, nicht verschmutztes Abwasser zu entsorgen ist, entscheidet die Behörde im Einzelfall. Ausgangspunkt der Entscheidung ist der Generelle Entwässerungsplan (GEP), welcher u.a. die geeigneten Versickerungsflächen auf dem Gemeindegebiet bezeichnet sowie diejenigen Gebiete, in denen das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten ist (vgl. N 69). Aufgrund ihrer beschränkten Verbindlichkeit entbinden die Vorgaben des GEP die Entscheidungsbehörden aber nicht davon, die angeordneten Massnahmen im konkreten Fall auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit zu überprüfen (vgl. N 79).

48. Sofern noch kein GEP vorhanden ist bzw. die Entwässerungsplanung noch nicht an die neuen Anforderungen angepasst wurde, ist es zulässig, die Abwasserbeseitigungsart bzw. die Rückhaltemassnahmen direkt gestützt auf Art. 7 Abs. 2 GSchG anzuordnen (Stutz, Abwasserrecht, 128). In diesem Fall muss die Gemeinde anhand der bereits vorhandenen Planungsgrundlagen sachlich begründen können, in welchen Gebieten und unter welchen Umständen sie bestimmte Massnahmen verlangt (BGer 2C_283/2008 vom 11. August 2008 [«Kanalisationsanschlussgebühr»], E. 4.2).

49. Zum Thema der Regenwasserentsorgung haben die eidgenössischen und kantonalen Vollzugsbehörden sowie der VSA zahlreiche Empfehlungen und Richtlinien publiziert, die aufzeigen, welche Gesichtspunkte bei der Entsorgung von Niederschlagswasser im Rahmen einer zweckmässigen Siedlungsentwässerung zu beachten sind (z.B. BUWAL, Regenwassernutzung; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen; VSA, Regenwasserentsorgung; AWEL, Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung).

 

1.             Versickerungsgebot (Satz 1)

50. Mit dem Versickerungsgebot für nicht verschmutztes Abwasser soll zum einen die Abwasserinfrastruktur entlastet werden. Nicht verschmutztes Abwasser, das keine Gefährdung für die Gewässerqualität darstellt und keiner Behandlung bedarf, soll von der Kanalisation ferngehalten werden. Zum anderen dient das Versickerungsgebot dem Schutz vor Hochwasser. Es soll verhindern, dass grosse Mengen von Niederschlagswasser in kurzer Zeit in oberirdische Gewässer eingeleitet werden (BGer 1C_157/2009 [«Gewächshaus»], E. 5.4). Hinter dem Versickerungsgebot steht sodann das Anliegen, den Wasserkreislauf auf möglichst natürliche Weise zu schliessen. Durch Infiltration des oberirdisch anfallenden Niederschlagswassers soll insbesondere die natürliche Speisung des Grundwassers gefördert werden (Botschaft GSchG 1987, 1110 f.; Bose, Schutz Grundwasser, 123; Stutz, Abwasserrecht, 123 f.).

51. Das Versickerungsgebot steht nicht im Widerspruch zur Nutzung von nicht verschmutztem Regenwasser zur Gartenbewässerung. Vielmehr handelt es sich dabei im Lichte des in Art. 76 Abs. 1 BV festgelegten Grundsatzes der haushälterischen Nutzung der Wasservorkommen gerade um eine sinnvolle und umweltverträgliche Nutzungsart (BGer 1C_157/2009 [«Gewächshaus»], E. 5.4).

52. Soweit es die lokalen Umstände zulassen, soll das nicht verschmutzte Abwasser dezentral, möglichst am Ort des Abwasseranfalls versickert werden. Bei unzureichender Versickerungsleistung können Rückhaltemassnahmen angezeigt sein. Die Versickerung soll nach Möglichkeit über die durchwurzelte Humusschicht erfolgen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Bst. b GSchV), da dadurch die Reinigungswirkung der biologisch aktiven Bodenschicht ausgenutzt werden kann (vgl. BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 19). In Gebieten, wo die Fruchtbarkeit des Oberbodens erhalten bleiben soll, schränken aber die Bestimmungen der Verordnung über Belastungen des Bodens eine Versickerung über den bewachsenen Boden ein (Art. 3 Abs. 2 Bst. c GSchV).

53. Kommt eine dezentrale Versickerung aus hydrogeologischen, gewässerschutzrechtlichen oder nutzungsrechtlichen Gründen nicht in Frage, ist in zweiter Linie zu prüfen, ob das Abwasser über eine zentrale Anlage wie eine Versickerungsmulde oder ‑becken versickert werden kann. Für eine solche Versickerung in einer unterirdischen Anlage unter Umgehung des bewachsenen Bodens ist aus Gründen des Grundwasserschutzes in der Regel eine Machbarkeits‑ und Zulässigkeitsprüfung erforderlich (vgl. BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 69).

44. Generell verboten ist die Versickerung von Abwasser in den Grundwasserschutzzonen S1 und S2 (Fassungsbereich S1: Anh. 4 Ziff. 223 GSchV; engere Schutzzone S2: Anh. 4 Ziff. 222 Abs. 1 Bst. c GSchV). Rechtlich unzulässig ist die Versickerung von Abwasser sodann über einem mit Altlasten belasteten Gebiet (Art. 3 Abs. 2 Bst. a GSchV).

 

2.             Einleitung in ein oberirdisches Gewässer (Satz 2)

55. Nicht verschmutztes Abwasser soll grundsätzlich nur dann in ein Gewässer eingeleitet werden, wenn eine Versickerung des Abwassers aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse nicht in Frage kommt, aus rechtlichen Gründen unzulässig ist oder mit unzumutbarem Aufwand verbunden wäre. Die Einleitung kann direkt in das oberirdische Gewässer oder indirekt über eine Kanalisation im Trennsystem erfolgen. Die Gemeinden haben diejenigen Gebiete, in denen nicht verschmutztes Abwasser in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werden soll, im GEP zu bezeichnen (vgl. N 69).

56. Voraussetzung für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer ist, dass der aufnehmende Wasserlauf über eine ausreichende Abflusskapazität verfügt, um die zusätzliche Abflussmenge aufnehmen zu können. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GSchG verlangt daher, dass bei einer Einleitung des Abwassers in ein Gewässer «nach Möglichkeit» Rückhaltemassnahmen zu treffen sind, damit das Wasser bei grossem Anfall gleichmässig dosiert in das Gewässer abgeleitet werden kann und die Spitzen in den Schadstoffkonzentrationen gebrochen werden (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 354; BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 26). Allerdings bedeutet dies nicht, dass Rückhaltemassnahmen bei jeder Einleitung zwingend sind. Die Notwendigkeit und die Art der Rückhaltemassnahmen sind aufgrund der zu erwartenden nachteiligen Einwirkungen auf das aufnehmende Gewässer zu beurteilen. Letztere sind typischerweise umso stärker, je kleiner das aufnehmende Gewässer und je grösser die Entwässerungsfläche ist.

57. Die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in eine Kanalisation im Mischsystem als sog. Fremdwasser ist soweit wie möglich zu vermeiden. Gemäss Art. 12 Abs. 3 GSchG muss die Einleitung von stetig anfallendem nicht verschmutztem Abwasser in die Mischkanalisation die Ausnahme bleiben (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG). Sie kann unter Umständen in überbauten Siedlungsgebieten, die vorwiegend im Mischsystem entwässert werden, eine akzeptable Option darstellen (BUWAL, Entwässerung von Verkehrswegen, 26).

 

3.             Bewilligungspflicht (Satz 3)

58. Gemäss Art. 7 Abs. 2 Satz 3 GSchG bedürfen Einleitungen, die nicht in einer vom Kanton genehmigten kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind, einer Bewilligung der kantonalen Behörde. Das Bundesrecht unterstellt damit die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser nur dann einer Bewilligungspflicht, wenn noch kein von der kantonalen Behörde genehmigter GEP besteht oder wenn dieser keine Angaben über die Zulässigkeit der konkret zu beurteilenden Einleitung enthält. Dies trifft regelmässig auf die Entwässerung von Strassen ausserhalb des Planungsperimeters zu (Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007, 355).

59. Für die Versickerung von nicht verschmutztem Abwasser bedarf es nach dem Bundesrecht keiner formellen Bewilligung. Die Kantone sind aber frei, eine solche vorzusehen (vgl. z.B. § 85 Abs. 2 GWBA SO).

C.           Entwässerungsplanung (Abs. 3)

1.             Allgemeines

60. Indem Art. 7 Abs. 3 GSchG eine Planungspflicht für den Bereich der Siedlungsentwässerung verankert, trägt die Bestimmung den zuständigen Gemeinwesen auf, die ihnen obliegenden Aufgaben im Bereich der Abwasserentsorgung auf Grundlage und im Rahmen einer Planung wahrzunehmen. Mit Planung gemeint ist eine bestimmte Problemlösungsmethode bzw. Vorgehensweise bei der Aufgabenberfüllung, die aus der Abfolge von vier (nicht immer klar voneinander abgrenzbaren) Schritten besteht: 1) Analyse der Problemlage (sachliche Rahmenbedingungen, berührte Interessen), 2) Festlegung der Entwicklungsziele, 3) Erarbeitung von Massnahmenkonzepten zur Erreichung dieser Ziele und 4) periodische Kontrolle und allfällige Anpassung der Planung. Mit Hilfe dieses prozeduralen Schemas soll der eigentliche Zweck der Planung – die vorwegnehmende Koordination einzelner Handlungsbeiträge und ihrer Steuerung über längere Zeit – erreicht werden (zum Begriff der Planung Tschannen, Kommentar RPG, Art. 2 N 15; Tschannen, Kommentar USG, Art. 31 N 8).

61. Sachlicher Gegenstand der Entwässerungsplanung bildet die Siedlungsentwässerung, die neben dem Gewässerschutz vor allem der Siedlungshygiene und dem Schutz vor Überschwemmungen dient. Das Ziel der Siedlungsentwässerung ist «die schnelle, unschädliche, geruchlose, einwandfreie und vollkommene Abführung der Abwässer aller Art aus Haushalt, Gewerbe und Industrie sowie die Ableitung der Niederschlagswässer von Grundstücken und Strassen» (Bischofberger/Teichmann/Hegemann, Abwassertechnik, 919). Der Umfang der Planungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 GSchG beschränkt sich indes nicht einzig auf die Ableitung des Abwassers von seinem Entstehungsort, sondern umfasst auch die nachfolgende Abwasserreinigung und Rückführung des Abwassers in den Wasserkreislauf. Aus den Materialien zu Art. 7 Abs. 3 GSchG geht hervor, «dass der Anwendungsbereich der Planungspflicht nicht auf verschmutztes Abwasser beschränkt ist, sondern unverschmutztes Abwasser mitumfasst» (Botschaft GSchG 1996, 1229).

62. Der Zweck der Planungspflicht liegt darin, dass sich die zuständigen Gemeinwesen bereits vorausschauend mit der Frage beschäftigen, wie sie die ihnen übertragenen Aufgaben im Bereich der Abwasserbeseitigung möglichst gewässerschonend und wirtschaftlich wahrnehmen können. Sodann sollen die Entwässerungspläne aufzeigen, wie die Entwässerungsmassnahmen mit den anderen an den Gewässern bestehenden Nutzungs‑ und Schutzinteressen sinnvoll abgestimmt werden können. Mit den im Rahmen der Planung zu erstellenden Entwässerungsplänen soll zudem die Grundlage für eine zweckmässige, vorhersehbare sowie rechtsgleiche Umsetzung der Vorschriften über die Abwasserbeseitigung im Einzelfall geschaffen werden (vgl. BGer 2C.283/2008 vom 11. August 2008 [«Kanalisationsanschlussgebühr»], E. 4.2).

63. Art. 7 Abs. 3 GSchG unterscheidet zwischen einer kommunalen und einer regionalen Ebene der Entwässerungsplanung, wobei der räumliche Umfang der Planungspflicht je nach Ebene unterschiedlich ist. Während Art. 7 Abs. 3 GSchG nach einer flächendeckenden kommunalen Entwässerungsplanung verlangt, ist eine regionale Entwässerungsplanung nur für jene Gebiete erforderlich, in denen aufgrund spezieller Umstände besondere Anforderungen an die Gewässerschutzmassnahmen gestellt werden oder die Massnahmen koordiniert werden müssen (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479). Allerdings verlangt Art. 7 Abs. 3 GSchG von den Kantonen, dass sie zumindest Abklärungen darüber vornehmen, ob und in welchem Umfang Handlungsbedarf für die Erstellung einer regionalen Entwässerungsplanung besteht.

64. Die Ziele, Inhalte und Instrumente der kommunalen und der regionalen Entwässerungsplanung werden auf Verordnungsebene in den Art. 4 und 5 GSchV konkretisiert. Daraus geht hervor, dass sich die kommunale und die regionale Planungsebenen nicht nur hinsichtlich ihres räumlichen Umfangs, sondern auch in Bezug auf ihre Zielsetzungen unterscheiden (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 123, N 388): Das Ziel der kommunalen Entwässerungsplanung besteht im Wesentlichen in der Erarbeitung eines Entwässerungskonzepts, mit dem aufgezeigt werden soll, wie die gesetzlichen Vorschriften über die Abwasserbeseitigung auf dem Gebiet einer Gemeinde zweckmässig umgesetzt werden können und welche Infrastrukturen dafür erforderlich sind (Art. 5 Abs. 1 und 2 GSchV). Das wesentliche Ziel der regionalen Entwässerungplanung liegt dagegen in der räumlich und thematisch übergeordneten Koordination der Gewässerschutzmassnahmen zwischen den Gemeinden und mit anderen an den Gewässern bestehenden Interessen (Art. 4 Abs. 1 und 3 GSchV).

65. Hauptinstrumente der Entwässerungsplanung sind die generellen bzw. regionalen Entwässerungspläne. Diese halten die Ergebnisse der Planungsprozesse fest, etwa in Form von Sachberichten, räumlichen Plänen, Massnahmenkonzepten oder Entwicklungszielen. Die Verordnung schreibt in Art. 4 und 5 GSchV gewisse Mindestanforderungen für die kommunalen und regionalen Entwässerungspläne vor, womit sichergestellt werden soll, dass die Pläne den ihnen bundesrechtlich zugedachten Zweck erfüllen. Den Kantonen steht es aber grundsätzlich frei, die Inhalte und Rechtwirkungen der Entwässerungspläne im Rahmen der übergeordneten Ziele des Bundesrechts weiter zu konkretisieren oder zu erweitern (Jomini, Kommentar RPG, Art. 19 N 50).

66. Die Entwässerungspläne dienen in erster Linie der behördeninternen Entscheidfindung und sind daher grundsätzlich nur für die Behörden verbindlich, nicht aber für die Privaten (vgl. zu den Ausnahmen N 78). Allerdings handelt es sich bei den Entwässerungsplänen nicht um rein behördeninterne Instrumente, da ihnen – angesichts der Tatsache, dass sie gemäss Art. 4 Abs. 5 und Art. 5 Abs. 4 GSchV öffentlich zugänglich zu machen sind – gegenüber Privaten eine Informationsfunktion zukommt.

 

2.             Inhalte der Entwässerungsplanung

67. Die kommunale Entwässerungsplanung dient der konkreten Planung der Siedlungsentwässerung auf dem Gebiet einer Gemeinde. Sie beinhaltet im Wesentlichen die Planung der öffentlichen Abwasserinfrastruktur sowie die Erstellung eines räumlichen Entwässerungskonzepts, mit dem aufgezeigt werden soll, wie die Vorgaben von Art. 7 Abs. 1 und 2 GSchG – insbesondere die Gebote der Abwassertrennung (vgl. N 10), der Abwasserbehandlung (vgl. N 20 ff.) und der Versickerung nicht verschmutzten Abwassers (vgl. N 50 ff.) – auf dem Gebiet einer Gemeinde zweckmässig und wirtschaftlich umgesetzt werden können.

68. Der in Art. 5 GSchV umschriebene GEP dient zum einen als kommunales Planungsinstrument für die Erstellung und die Bewirtschaftung der öffentlichen Abwasserinfrastrukur. So sind im GEP gemäss den in Art. 5 Abs. 2 GSchV vorgeschriebenen Mindestinhalten diejenigen Gebiete festzulegen, in denen öffentliche Kanalisationen zu erstellen sind (Bst. a), sowie an welchen Orten, mit welchem Behandlungssystem und mit welcher Kapazität zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu errichten sind (Bst. f). Damit übernimmt der GEP im Wesentlichen dieselben Aufgaben wie das frühere «Generelle Kanalisationsprojekt» (GKP), das sich unter Geltung des GSchG 1971 als Planungsinstrument für die Erstellung der erforderlichen Abwasseranlagen bewährt hat (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479). Mit dem GEP sollen nunmehr aber auch die bestehendenen Gewässerbelastungen sowie der Zustand und der Wert der Abwasserinfrastruktur systematisch erfasst werden. Damit sollen Entscheidungsgrundlagen für einen zielgerichteteten Einsatz der öffentlichen Mittel und die Sicherstellung der zukünftig notwendigen Kapazitäten erarbeitet werden.

69. Während das GKP im Wesentlichen auf die Ableitung und Reinigung des verschmutzten Abwassers beschränkt war, beinhaltet die generelle Entwässerungsplanung auch ein umfassendes Entwässerungskonzept für verschmutztes und nicht verschmutztes Abwasser für das gesamte Gemeindegebiet. Mit diesem Konzept soll erreicht werden, dass die Schmutzwasserkanalisation und die ARA durch Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser nicht unnötig belastet werden (Art. 5 Abs. 2 Bst. b und e GSchV), dass genügend Versickerungsflächen zur Verfügung stehen (Bst. c) und dass die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser in ein Gewässer an geeigeten Stellen erfolgt (Bst. d). Sodann soll mit dem GEP aufgezeigt werden, wie auch ausserhalb des Einzugsgebiets der Kanalisation eine sachgemässe Entsorgung des verschmutzten Abwassers sichergestellt werden kann (Bst. g).

70. Zahlreiche Gemeinden haben sich zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Abwasserbeseitigung zu Gemeindeverbänden zusammengeschlossen (vgl. zu den verschiedenen Organisationsformen EAWAG, Abwasserentsorgung 2025, 53 ff.). Die Kantone sehen daher entweder in ihrem kantonalen Ausführungsrecht (z.B. § 17 Abs. 3 EG UWR AG) oder in den Richtlinien bzw. Vollzugsweisungen der kantonalen Behörden neben den kommunalen GEP auch generelle Entwässerungspläne auf der Ebene der Abwasserverbände (Verbands-GEP) vor. Inhaltlich bauen die Verbands-GEP zu grossen Teilen auf den bereits im Rahmen der kommunalen Entwässerungsplanung erhobenen Daten auf. Als Bindeglied zwischen den kommunalen GEP bestehen die inhaltlichen Schwerpunkte der Verbands-GEP in der Planung und Bewirtschaftung der gemeinsamen Verbandsanlagen sowie in der Erarbeitung von Massnahmen zur Reduktion von Fremdwassereinleitungen in die ARA (vgl. AWEL, Leitfaden VGEP, 4 ff.).

71. Geht es bei der generellen Entwässerungsplanung (GEP und Verbands-GEP) in erster Linie um die konkrete Umsetzung des gesetzlichen Abwasserentsorgungskonzepts auf kommunaler Ebene bzw. auf Verbandsebene, steht bei der regionalen Entwässerungsplanung die Abstimmung der Siedlungsentwässerung innerhalb eines Gewässereinzugsgebiets (vgl. Art. 4 Abs. 1 GSchV) und mit den anderen Bereichen der Wasserwirtschaft im Vordergrund. Gemäss Art. 4 Abs. 3 GSchV hat die Behörde bei der Erstellung des REP neben der Abwasserentbeseitigung insbesondere auch den Raumbedarf der Gewässer, den Hochwasserschutz und andere Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu berücksichtigen.

72. Beim regionalen Entwässerungsplan (REP) handelt es sich entsprechend seiner unterschiedlichen Funktion nicht einfach um einen GEP für ein grösseres Gebiet, sondern um ein übergeordnetes Planungsinstrument (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 479; Griffel/Marti/Rausch, Umweltrecht, 123, N 388; Chaix, Einzugsgebietsmanagement, 532). Art. 4 Abs. 4 GSchV hält ausdrücklich fest, dass die REP für die Planung und Festlegung der Gewässerschutzmassnahmen in den Gemeinden – und somit für die kommunale Entwässerungsplanung – verbindlich sind. Die regionale Planungsebene ist der kommunalen Planungsebene damit normhierarchisch übergeordnet.

73. Die Pflicht zur regionalen Entwässerungsplanung stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Koordinationsgebots dar, welches in Art. 46 Abs. 1 GSchV nunmehr auch für den Bereich des Gewässerschutzrechts ausdrücklich verankert ist (BAFU, Koordination, 7, 10 f.). Wie das Koordinationsgebot findet die Pflicht zur regionalen Entwässerungsplanung ihre Grenzen im Gebot der Verhältnismässigkeit: Eine Planung bzw. vorausschauende Koordination ist nur dann sinnvoll, wenn deren zu erwartender Nutzen den Aufwand übersteigt (vgl. BAFU, Koordination, 22). Art. 4 Abs. 1 GSchV sieht entsprechend vor, dass die Kantone nur dann für die Erstellung eines REP zu sorgen haben, «wenn zur Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes in einem begrenzten, hydrologisch zusammenhängenden Gebiet die Gewässerschutzmassnahmen der Gemeinden aufeinander abgestimmt werden müssen.» Nicht nur die Frage, ob auf regionaler Ebene geplant werden muss, sondern auch die Frage nach dem erforderlichen Umfang der regionalen Entwässerungsplanung ist auf Grundlage des im Einzelfall festgestellten Handlungsbedarfs bzw. des zu erwartenden Nutzens zu beurteilen. Allerdings sind im REP gemäss Art. 4 Abs. 2 GSchV mindestens die Standorte und die Einzugsgebiete der zentralen ARA festzulegen (Bst. a) und jene zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu bezeichnen, bei denen die Anforderungen an die Einleitung verschärft oder ergänzt werden müssen (Bst. c). Sodann hat der REP zu bestimmen, welche oberirdischen Gewässer in welchem Ausmass für die Einleitung von Abwasser, insbesondere bei Niederschlägen, geeignet sind (Bst. b).

74. Das BAFU, die kantonalen Umweltbehörden und der VSA haben zahlreiche Vollzugsrichtlinien bzw. Hilfsmittel publiziert, die sich teilweise oder gesamthaft mit der Entwässerungsplanung befassen (z.B. BAFU, Entwässerung von Verkehrswegen; BAFU, Grundwasserschutz; VSA, Musterpflichtenheft GEP; VSA, Genereller Entwässerungsplan; VSA, Regionaler Entwässerungsplan; vgl. für weitere Publikationen des VSA: www.vsa.ch/publikationen). Die Rechtswirkungen solcher von Behörden oder anerkannten privaten Fachverbänden publizierten Richtlinien, Wegleitungen oder Empfehlungen hängt davon ab, ob und in welcher Weise die Kantone diese in ihre Ausführungsrecht einbinden (vgl. zu den verschiedenen Formen der Einbindung privater Normen in das staatliche Recht Uhlmann, Private Normen, 92 ff.). Soweit sie nicht ausdrücklich als rechtlich bindend erklärt werden, erschöpft sich die Rechtswirkung dieser Dokumente darin, dass sie die gängige Verwaltungspraxis darstellen bzw. Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen sind (vgl. etwa BGer 1A.51/2005 [«Faerbi-Areal»], E. 2.3).

 

3.             Koordination mit anderen Planungen

75. Die Entwässerungspläne sind nicht nur untereinander verknüpft, sondern überlagern sich inhaltlich auch mit anderen Planungen nach dem GSchG (z.B. planerischer Schutz der Gewässer nach Art. 19 ff. GSchG, Revitalisierungsplanung nach Art. 38a GSchG) sowie mit Planungen aus anderen, aber thematisch verknüpften Bereichen wie etwa der Raumplanung. Zwischen den verschiedenen Planungsinstrumenten besteht zwar grundsätzlich keine festgefügte Planhierarchie, doch verlangt das Koordinationsgebot (Art. 46 Abs. 1 GSchV), dass die Planungen soweit erforderlich inhaltlich aufeinander abzustimmen sind. Art. 46 Abs. 1bis GSchV verpflichtet die Kantone zudem ausdrücklich dazu, die Planungen nach der GSchV bei der Erstellung der Richt‑ und Nutzungsplanung zu berücksichtigen.

76. Die generellen Entwässerungspläne sind namentlich wichtige Grundlage und Vorgabe der in Art. 19 Abs. 2 RPG vorgeschriebenen kommunalen Erschliessungsprogrammein denen verbindliche Fristen für die etappenweise Erstellung der kommunalen Erschliessungsanlagen (Verkehr, Wasser‑, Energie‑ sowie Abwasserleitungen) festzulegen sind (vgl. BRP, Erschliessungsrecht, 17; ausdrücklich teils das kantonale Recht Art. 9 Abs. 4 KGSchG BE; Art. 12 Abs. 2 GewG FR; § 11 Abs. 2 EGzGSchG SZ). Bei der Nutzungs‑ und Richtplanung sind die Entwässerungspläne im Rahmen des planerischen Ermessens sowie als Informationsgrundlage zu berücksichtigen, z.B. beim Entscheid über die Ausscheidung neuer Bauzonen oder bei der Erarbeitung von Berichten und Konzepten über die Erschliessung der Siedlungsgebiete im Rahmen der Richtplanung (Art. 6 Abs. 3 Bst. b RPG, Art. 8a Abs. 1 Bst. b RPG).

 

4.             Rechtsnatur

77. Über die Rechtsnatur bzw. Bindungswirkungen der Entwässerungspläne macht Art. 7 Abs. 3 GSchG keine Aussage. Die Verordnung hält diesbezüglich nur fest, dass die REP «für die Planung und Festlegung der Gewässerschutzmassnahmen in den Gemeinden verbindlich» sind (Art. 4 Abs. 4 GSchV). Vor dem Hintergrund der lückenhaften Vorgaben des Bundesrechts kommt den Kantonen und – je nach kantonalem Recht – den Gemeinden bei der Ausgestaltung der Rechtsform der Entwässerungspläne ein gewisser Spielraum zu. Die Kantone sind aber verpflichtet, für die Entwässerungspläne eine Rechtsform zu wählen, die ihrer bundesrechtlichen Konzeption als Koordinationsinstrumente für die Massnahmenplanung im Bereich der öffentlichen Abwasserbeseitigung gerecht wird. Um eine wirksame Koordinationswirkung zu erzielen, sind die Entwässerungspläne daher mindestens für die Behörden verbindlich auszugestalten, was in Art. 4 Abs. 4 GSchV für die REP auch verlangt wird. Einige Kantone halten die Behördenverbindlichkeit der GEP in ihrer Ausführungsgesetzgebung ausdrücklich fest (z.B. Art. 15 Abs. 1 und 3 kGSchG NW), andere Kantone weisen den Entwässerungsplänen explizit die Natur von «Richtplänen» bzw. «plans directeurs» und dadurch indirekt Behördenverbindlichkeit zu (z.B. Art. 166 Abs. 2 LPGE NE).

78. Die Entwässerungspläne entfalten gegenüber Privaten grundsätzlich nur eine informierende Wirkung, sind aber in der Regel rechtlich nicht direkt verbindlich. Allerdings wirken die GEP indirekt auf die Rechtsstellung der Privaten ein, da die bundesrechtliche Bewilligungspflicht für Einleitungen von nicht verschmutztem Abwasser in Oberflächengewässer entfällt, wenn diese in der kommunalen Entwässerungsplanung ausgewiesen sind (vgl. N 58). Sodann sehen einzelne Kantone für ihre Entwässerungspläne ausnahmsweise direkte, verfügungsähnliche Wirkungen gegenüber Privaten vor (z.B. Verleihung des Enteignungsrechts mit der Genehmigung des GEP durch den RR nach § 3 Abs. 5 kGSchG BL; Verpflichtung der Grundeigentümer zur Erstellung und zum Betrieb der im GEP bezeichneten Anlagen zur Ableitung, Rückhaltung oder Behandlung des Abwassers nach Art. 6 EG GSchG AI).

79. Die Bindungswirkungen der Entwässerungspläne sind – was die Mehrheit der behördenverbindlichen Elemente betrifft – beschränktÄhnlich wie die Richtpläne ermöglichen die Entwässerungspläne die Koordination der Massnahmen im Bereich der Siedlungsentwässerung, können diese Koordination aber nicht aus eigener Kraft rechtsverbindlich herbeiführen (vgl. zu den Bindungswirkungen der Richtpläne Tschannen, Kommentar RPG, Art. 9 N 2 ff.). Ihre Bindungswirkung besteht im Wesentlichen darin, dass sie den Behörden eine (vorwiegend technische) Richtlinie für die Ermessensausübung vorgeben, ohne damit die von den Plänen beeinflussten Entscheidungen abschliessend festzulegen. Eine von den Vorgaben der Entwässerungspläne abweichende Ausübung des behördlichen Ermessens ist im Einzelfall zulässig, muss aber besonders begründet werden können.

 

5.             Zuständigkeit, Verfahren und Rechtsschutz

80. Zuständigkeit und Verfahren der Entwässerungsplanung richten sich im Wesentlichen nach kantonalem Recht.

81. Was die Zuständigkeiten für die Erstellung und den Erlass der Entwässerungspläne betrifft, schreibt Art. 7 Abs. 3 GSchG zwar vor, dass die Kantone für die erforderlichen Entwässerungsplanungen zu sorgen haben. Damit wird aber nicht verlangt, dass die Kantone die Entwässerungsplanungen selbst erstellen müssen, sondern weist ihnen nur die Vollzugsverantwortung zu. Die Kantone dürfen die Zuständigkeit für die Entwässerungsplanung an die Gemeinden oder andere Träger der öffentlichen Aufgaben im Bereich der Siedlungsentwässerung delegieren (die Abfallplanung hat im Gegensatz dazu zwingend auf kantonaler Ebene zu erfolgen, vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 31 N 21).

82. Abgesehen weniger Ausnahmen haben sämtliche Kantone die Zuständigkeit für die Erstellung der GEP im Rahmen ihres kantonalen Ausführungsrechts an die Gemeinden übertragen (§ 14 EG GSchG ZH; Art. 9 KGSchG BE; § 3 Abs. 3 Bst. b und § 16 EGGSchG LU; § 10 Abs. 1 VVzGSchG SZ; Art. 5 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 15 kGSchG NW Art. 4 Abs. 1 EG GSchG GL; § 52 Abs. 2 GewG ZG; Art. 12 Abs. 1 GewG FR; § 107 i.V.m. § 95 GWBA SO und § 30 VWBA SO; § 3 kGSchG BL; Art. 8 Abs. 2 EG GSchG SH; Art. 58 Abs. 1 UGsG AR; Art. 5 GSchVG SG; Art. 10 KGSchG GR; § 17 EG UWR AG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 21 Abs. 1 LPEP VD; Art. 10 GVGSchG VS; Art. 166 Abs. 1 LPGE NE; Art. 56 Abs. 1 LEaux-GE). Ausnahmen bestehen in den Kantonen AI (Zuständigkeit des Departement des Innern für die Erstellung der GEP, Art. 5 Abs. 1 EG GSchG AI), BS (Zuständigkeit des Regierungsrats für den GEP der Stadt Basel, § 2 Abs. 1 KGSchV BS) und UR (Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Körperschaft «Abwasser Uri AG», Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR).

83. Obschon die Bewilligungspflicht für die Einleitung von nicht verschmutztem Abwasser gemäss Art. 7 Abs. 2 GSchG nur dann entfällt, wenn der GEP dem Kanton unterbreitet und von diesem bewilligt worden ist, verlangt das Bundesrecht nicht ausdrücklich, dass die GEP von einer kantonalen Stelle genehmigt werden müssen. Dennoch hat die überwiegende Mehrheit der Kantone die durch die Gemeinden zu erarbeitenden GEP der Genehmigung durch eine kantonale Verwaltungsbehörde oder durch die Kantonsregierung unterstellt (§ 14 Abs. 1 EG GSchG ZH; Art. 8 Abs. 2 KGV BE; § 16 Abs. 2 EGGSchG LU; Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR; § 13 Abs. 3 PBG SZ i.V.m. § 12 Abs. 2 VVzGSchG SZ; Art. 3 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 15 Abs. 2 kGSchG NW; Art. 4 Abs. 3 EG GSchG GL; § 52 Abs. 2 GewG ZG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 75 Abs. 1bis RPBG FR i.V.m. Art. 12 Abs. 4 GewG FR; § 2 Abs. 2 KGSchV BS; § 3 Abs. 4 kGSchG BL; Art. 8 Abs. 2 EG GSchG SH; Art. 58 Abs 1 UGsG AR; Art. 5 Abs. 2 GSchVG SG; Art. 10 KGSchG GR; § 17 Abs. 4 EG UWR AG; § 5 Abs. 1 EG GSchG TG; Art. 21 Abs. 1 LPEP VD; Art. 3 Bst. j GVGSchG VS; Art. 44 Abs. 2 LCAT NE i.V.m Art. 166 Abs. 2 LPGE NE; Art. 56 Abs. 3 LEaux-GE). Gegen den Genehmigungbeschluss über kommunale Entwässerungspläne kann die Gemeinde gestützt auf ihre Gemeindeautonomie Beschwerde einlegen. Vereinzelt sieht das kantonale Recht eine Berschwerdmöglichkeit gegen den kantonalen Genehmigungsbeschluss ausdrücklich vor (z.B. Art. 6 Abs. 3 KGV BE).

84. Die meisten Kantone haben die Zuständigkeit für die Erstellung der REP einer kantonalen Behörde (Regierungsrat oder zuständiges Departement) übertragen (§ 1 KGSchV BS; Art. 15 Abs. 3 kGSchG NW; Art. 8 Abs. 1 EG GSchG SH; Art. 58 Abs. 2 UGsG AR; Art. 4bis GSchVG SG; § 92 Abs. 2 Bst. a GWBA SO; Art. 55 Abs. 1 LEaux-GE). In einigen Kantonen ist die Erstellung von REP aber Aufgabe der Gemeinden bzw. der Gemeindeverbände (Art. 5 Abs. 2 Bst. a kGSchV OW; Art. 166 Abs. 1 LPGE NE; Art. 4 Abs. 3 und 6 GewG FR; § 10 Abs. 3 VVzGSchG SZ) oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Zuständigkeit der «Abwasser Uri» AG, Art. 26 Abs. 1 Bst. a KUG UR). Vereinzelt sieht das kantonale Auführungsrecht eine gemeinsame Zuständigkeit von Kanton und Gemeinden für die Erstellung der REP vor (§ 3 Abs. 1 kGSchG BL).

85. Auch hinsichtlich des Verfahrens enthält das Gewässerschutzrecht des Bundes nur wenige ausdrückliche Vorgaben. Verlangt wird einzig, dass die Pläne nach Abschluss des Verfahrens öffentlich zugänglich zu machen sind (Art. 4 Abs. 5 und Art. 5 Abs. 4 GSchV). Auch die kantonalen Ausführungsgesetze zum GSchG regeln das Verfahren zum Erlass der Entwässerungspläne in der Regel nicht speziell. Verschiedentlich finden sich aber Bestimmungen über einzelne Verfahrenselemente (z.B. öffentliche Auflage: § 9 Abs. 1 EG GSchG TG, Genehmigungsverfahren: Art. 4 Abs. 4 und 12 Abs. 3 GewG FR) oder ausdrückliche Verweise auf ein bestimmtes gesetzlich bereits festgelegtes Verfahren (Verweis auf das kommunale Richtplanverfahren: Art. 8 Abs. 1 KGV BE; Art. 166 Abs. 2 LPGE NE).

86. Das Bundesrecht schreibt insbesondere keine zwingende Mitwirkung der Bevölkerung bei der Ausarbeitung und beim Erlass der Entwässerungspläne vor. Wenn die Entwässerungspläne aber verfügungsähnliche Elemente enthalten, die Private in ihrer Rechtsposition unmittelbar betreffen, so ist den direkt Betroffenen das rechtliche Gehör grundsätzlich vor dem Erlass der Pläne zu gewähren (vgl. aber die Rspr. des BGer mit Blick auf den Erlass von Nutzungsplänen BGE 135 II 286, E. 5 ff.). Sodann unterstehen die Entwässerungspläne keiner Genehmigung durch den Bund. Genügt eine Planung den bundesrechtlichen Anforderungen nicht, so stehen dem Bund einzig die ordentlichen Aufsichtsmittel zur Durchsetzung des Bundesrechts zur Verfügung.

87. Der Rechtsschutz gegen die Entwässerungspläne greift grundsätzlich erst im konkreten Anwendungsfall, wenn die Pläne als Grundlage für eine verbindliche Verfügung gegenüber Privaten herangezogen werden. In der gegen die Verfügung gerichteten Beschwerde können dann auch die im konkreten Fall herangezogenen Bestimmungen der Entwässerungspläne akzessorisch überprüft werden (vgl. etwa BGer 1C_115/2012 vom 23. Mai 2012 [«Meteorwasserleitung»], E. 2.4). Eine direkte Anfechtungsmöglichkeit verlangt das Bundesrecht (Art. 29a BV) jedoch dann, wenn die Entwässerungspläne ausnahmsweie direkt verbindliche und individuell-konkrete Anordnungen enthalten, die allfällig nachfolgende Verfahren auf Erlass einer Verfügung weitgehend präjudizieren oder gar überflüssig machen (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 882). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts z.B. dann, wenn mit den Entwässerungsplänen ein Enteignungsrecht eingeräumt wird (vgl. BGE 120 Ia 209, E. 6).

 

Résumé

L’art. 7 LEaux contient des prescriptions générales régissant l’évacuation des eaux qui sont concrétisées aux art. 9 à 17 LEaux ainsi que dans l’OEaux (en particulier les art. 3 à 21 OEaux et les annexes 1 à 3). Cette disposition se base sur le principe selon lequel les eaux polluées doivent être correctement éliminées avant d’être réacheminées dans le cycle de l’eau. L’élément central de cette disposition est l’obligation de séparer les eaux polluées (al. 1) des eaux non polluées (al. 2).

L’art. 7 al. 1 1ère phr. LEaux instaure une obligation de traitement pour les eaux polluées. Cette disposition requiert que les substances dangereuses pour les eaux soient retirées des eaux polluées lorsqu’elles ne peuvent pas être éliminées par la capacité d’autoépuration des eaux ou ne peuvent l’être assez rapidement. Une infiltration des eaux polluées est en principe interdite (cf. art. 8 OEaux).

Selon la 2ème phr. de l’art. 7 al. 1 LEaux, les eaux polluées ne peuvent être déversées dans une eau ou infiltrées qu’avec l’autorisation de l’autorité. Les conditions de l’autorisation de déversement sont réglées à l’art. 6 OEaux. Une autorisation d’infiltration ne peut être accordée que pour les eaux polluées communales ou d’autres eaux polluées de composition analogue et non pour les eaux polluées industrielles conformément à l’art. 8 al. 2 OEaux.

En vertu de l’art. 7 al. 2 LEaux, l’autorité détermine au cas par cas la façon dont les eaux non polluées doivent être traitées sur la base du plan général d’évacuation des eaux (PGEE). L’obligation d’infiltration de la 1ère phr. de l’art. 7 al. 2 LEaux doit permettre de décharger les infrastructures d’assai-nissement et de protéger contre les crues. Si les circonstances le permettent, les eaux non polluées doivent si possible être infiltrées de manière décentralisée sur place et ne peuvent en principe être déversées dans les eaux superficielles que lorsque les conditions hydrologiques ne permettent pas l’infiltration, que l’infiltration n’est pas autorisée pour des raisons d’ordre juridique ou qu’elle entrainerait des frais disproportionnés. L’infiltration d’eaux non polluées dans une eau n’est possible que si le cours d’eau recevant cette eau dispose d’une capacité d’écoulement suffisante pour recevoir le débit supplémentaire.

Selon l’art. 7 al. 3 LEaux, les cantons doivent assurer une planification communale, respectivement régionale, d’évacuation des eaux. L’objet matériel de la planification de l’évacuation des eaux comporte l’évacuation des eaux usées en provenance des zones habitées qui sert, outre la protection des eaux, à l’assainissement des eaux polluées et à la protection contre les crues.

Les principaux instruments de la planification d’évacuation des eaux sont les plans généraux, respectivement régionaux, d’évacuation des eaux. Ils servent à l’élaboration de décisions purement internes et n’ont ainsi en principe un caractère contraignant qu’envers les autorités. Bien qu’ils lient en principe les autorités, ils n’ont qu’un caractère informatif envers les privés. La compétence et la procédure de la planification d’évacuation des eaux sont réglées pour l’essentiel par le droit cantonal.

 

Literatur: Bischofberger Wolfgang/Teichmann Hannes/Hegemann Werner, Abwassertechnik, in: Lecher Kurt/Lühr Hans-Peter/Zanke Ulrich C.E. (Hrsg.), Taschenbuch der Wasserwirtschaft, 8. Aufl., Berlin 2001, 889 ff. (zit. Abwassertechnik); Chaix Olivier, Einzugsgebietsmanagement: Koordination der Bereiche und wasserwirtschaftliche Planung, in: URP 2008, 527 ff. (zit. Einzugsgebietsmanagement); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Rausch Heribert/Trüeb Hans Rudolf, Die Entsorgung von Abfällen aus dem Strassenunterhalt, in: URP 2002, 179 ff. (zit. Abfallentsorgung); Uhlmann Felix, «Die Normen können bei … bezogen werden» – Gedanken zur Publikation und Verbindlichkeit privater Normen, in: LeGes 2013, 89 ff. (zit. Private Normen); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Genereller Entwässerungsplan (GEP) – Richtlinie für die Bearbeitung und Honorierung, Glattbrugg 1989 (zit. Genereller Entwässerungsplan); Bundesamt für Raumplanung (BRP) (Hrsg.) (verfasst durch Eymann Urs), Erschliessungsrecht und Erschliessungsprogramm – Vollzugshilfe zu den neuen bundesrechtlichen Bestimmungen über die Erschliessung, Bern 1999 (zit. Erschliessungsrecht); AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Kt. ZH (Hrsg.) (verfasst durch Spohn Peter/Fischer Hansueli/Sbuttoni Eraldo), Genereller Entwässerungsplan für den Abwasserverband VGEP – Leitfaden für Gemeindebehörden und Verbandsgremien – Neuformulierung des Leistungsauftrags für Zweckverbände und Gemeinde mit wesentlichen Anschlussverträgen, Zürich 2000 (zit. Leitfaden VGEP); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Der Regionale Entwässerungsplan (REP) – Empfehlungen für die Bearbeitung des REP im Rahmen einer ganzheitlichen Gewässerplanung, Glattbrugg 2000 (zit. Regionaler Entwässerungsplan); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung Gewässerschutz bei der Entwässerung von Verkehrswegen, Vollzug Umwelt Nr. 2310, Bern 2002 (zit. Entwässerung von Verkehrswegen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Regenwasser richtig nutzen – Möglichkeiten und Grenzen – Mit Tipps und Checkliste, Bern 2003 (zit. Regenwassernutzung); Botschaft zum Bundesgesetz über die Aufhebung und die Vereinfachung von Bewilligungsverfahren («Vereinfachung des unternehmerischen Alltags») vom 8. Dezember 2006, BBl 2007 315 ff. (zit. Botschaft Aufhebung und Vereinfachung von Bewilligungsverfahren 2007); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Richtlinie zur Versickerung, Retention und Ableitung von Niederschlagswasser in Siedlungsgebieten – Update 2008, Zürich 2008 (zit. Regenwasserentsorgung); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Ist es Abwasser? Ist es Abfall? – Entscheidungshilfe: pragmatische Annäherung aus der Sicht des Praktikers, Glattbrugg 2009 (zit. Abwasser oder Abfall?); Bundesamt für Strassen (ASTRA)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Steiner Michele/Goosse Patrice/Rutz Felix et al.), Strassenabwasserbehandlungsverfahren: Stand der Technik, Dokumentation ASTRA 88002, Bern 2010 (zit. Strassenabwasserbehandlungsverfahren); Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Das neue Musterpflichtenheft für den Generellen Entwässerungsplan (GEP), Olten 2010 (zit. Musterpflichtenheft GEP); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Kt. ZH (Hrsg.), Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung – Praxishilfe für Baubehörden und Planer – Anweisungen für private Fachleute mit Vollzugsaufgaben im Gewässerschutz, Version 3.0, Februar 2013, Zürich 2013 (zit. Richtlinie und Praxishilfe Regenwasserentsorgung); Botschaft zur Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Umweltschutzgesetzes) vom 12. Februar 2014, BBl 2014 1817 ff. (zit. Botschaft «Grüne Wirtschaft» 2014); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014, Bern 2014 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014).

Hettich Peter​ | Tschumi Tobias​

Aufgehoben

Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 21. Dez. 1995; AS 1997 1155; BBl 1993 II 1445.

Abrogé

Abrogé par le ch. 2 de l’annexe à la LF du 21 déc. 1995; RO 1997 1155; FF 1993 II 1337.

Abrogato

Abrogato dal n. 2 dell’all. alla LF del 21 dic. 1995; RU 1997 1155; FF 1993 II 1213.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte und Aufhebung​ 1
II.  ​  ​ Kommentierung 4
A. ​Behebung von Gewässerverunreinigungen (Abs. 1) 5
1. Begriffe 6
2. ​Durchführung der Behebung 9
B. ​Kataster der stillgelegten Abfalldeponien (Abs. 2) 15

 

I.              Entstehungsgeschichte und Aufhebung

1. Gemäss Art. 8 GSchG sollten die Kantone dafür sorgen, dass Gewässerverunreinigungen aus stillgelegten oder noch betriebenen Abfalldeponien rasch behoben werden (Abs. 1). Sodann sollte ein Kataster der stillgelegten Abfalldeponien erstellt werden, der – soweit möglich – auch Auskunft über die Art der abgelagerten Abfälle gibt (Abs. 2).

2. Schon Art. 16 GSchG 1971 sah die Sanierung gewässerverunreinigender Einleitungen und Versickerungen vor. Zudem wurden die Kantone in Art. 44 USG 1983 dazu angehalten, Erhebungen über die Umweltbelastung von Standorten durchzuführen (AS 1984 1122). Mit Art. 8 GSchG wurde im Rahmen der Totalrevision des GSchG eine explizite Vorschrift zur Sanierung von verunreinigenden Einleitungen und Versickerungen bei Abfalldeponien, insbesondere bei nicht mehr betriebenen, in das Gesetz aufgenommen. Damit enthielt das Gewässerschutzgesetz die Vorläuferbestimmungen zum heutigen Altlastenrecht (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 127; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32 N 4). Während Art. 16 GSchG 1971 noch die Aufhebung aller verunreinigender Einleitungen und Versickerungen innert bestimmter Frist verlangte, ging der Gesetzgeber beim Erlass von Art. 8 GSchG offenbar davon aus, dass diese Aufgabe mit Ausnahme von Einleitungen und Sickerwasser aus Deponien bereits erfüllt war. Jedenfalls beschränkte sich Art. 8 GSchG auf die rasche Beseitigung von Gewässerverunreinigungen aus stillgelegten oder noch in Betrieb stehenden Abfalldeponien (Rausch, Ausblick, 312).

3. Art. 8 GSchG konnte angesichts der Überführung der darin enthaltenen Vorschriften in das USG mit Ziff. 2 des Anhangs zur USG-Revision vom 21. Dezember 1995 auf den 1. Juli 1997 aufgehoben werden. Die Vorschriften wurden in die inhaltlich erweiterte Bestimmung von Art. 32c USG über die Pflicht zur Sanierung von Deponien und anderen durch Abfälle belasteten Standorten sowie zur Erstellung eines Katasters solcher Standorte integriert, da deren Geltungsbereich auch Einwirkungen von Deponien auf Gewässer erfasst (AS 1997 1155 ff.; Botschaft USG 1993, 1502; Rausch, Ausblick, 313).

 

 

II.           Kommentierung

4. Abfallablagerungen können dazu führen, dass umweltgefährdende Stoffe in den Boden und den Untergrund gelangen. Von den betroffenen Standorten geht somit häufig eine erhebliche Gefahr von lästigen und schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, namentlich von Gewässerverunreinigungen, aus (Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 1). Art. 8 GSchG hatte zum Ziel, sowohl die stillgelegten als auch die noch in Betrieb stehenden Abfalldeponien zu erfassen, ihr Gefährdungspotenzial zu bestimmen und die von diesen Standorten ausgehenden schädlichen Einwirkungen auf die Gewässer zu beseitigen (vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 32 N 2).

 

A.           Behebung von Gewässerverunreinigungen (Abs. 1)

5. Abs. 1 von Art. 8 GSchG verpflichtete die Kantone, dafür zu sorgen, dass Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien, insbesondere aus nicht mehr betriebenen, rasch behoben wurden (BGE 121 II 378, E. 17a/bb; Daetwyler, Altlasten, 269 f.; Peregrina, L’assainissement, 280).

 

1.             Begriffe

6. Unter dem Begriff der «Abfalldeponie» waren und sind gemäss Legaldefinition in Art. 3 Bst. k VVEA Abfallanlagen zu verstehen, in denen Abfälle kontrolliert abgelagert werden (bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch die Deponierichtlinie 1976, die Deponieklassen und Bestimmungen zu «wilden» und unkontrollierten Ablagerungen vorsah).

7. Als «Sickerwasser» wird das Wasser bezeichnet, welches einen Standort durchsickert (BAFU, Altlastenglossar). Es kann zu Gewässerverunreinigungen führen, wenn es umweltgefährdende Stoffe (z.B. aus Abfalldeponien) beinhaltet, die in das Grundwasser gelangen. Verunreinigungen der Gewässer durch Einleitungen von Abwässern aus belasteten Standorten wie Abfalldeponien können ferner durch das unmittelbare Abfliessen von umweltgefährdenden Stoffen in oberirdische Gewässer verursacht werden (Hunger, Sanierungspflicht, 133; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 12).

8. Als «Gewässerverunreinigungen» galten gemäss Art. 4 Bst. d GSchG bereits vor Ausserkrafttreten von Art. 8 GSchG nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderungen des Wassers. Über die Anforderungen an die Grundwasserqualität und an Versickerungen bestanden damals noch keine Regeln (anders heute, vgl. Anhang 2 Ziff. 2 GSchV; BAFU/VSA/VBSA, Deponiesickerwasser, passim). Im Gegensatz dazu hatte der Verordnungsgeber bereits gestützt auf das GSchG 1971 in einem ausführlichen Anhang zur Verordnung über Abwassereinleitungen Anforderungen an Einleitungen in Oberflächengewässer aufgestellt (Daetwyler, Altlasten, 268).

 

2.             Durchführung der Behebung

9. Die Behebung der Gewässerverunreinigungen durch Sickerwasser aus Abfalldeponien hatte soweit zu erfolgen, dass die von den Verunreinigungen ausgehende Gefahr nicht mehr bestand (BGE 121 II 378, E. 17a/bb, c mit weiteren Hinweisen; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 11). Aus Verhältnismässigkeitsgründen musste der belastete Standort nicht in seinen natürlichen Zustand zurückgeführt werden (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 129 f.; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 16).

10. Gemäss Art. 8 Abs. 1 GSchG hatte die Behebung der Gewässerverunreinigungen rasch zu erfolgen. Demnach waren die verunreinigenden Einleitungen und Versickerungen unverzüglich, nachdem sie als solche erkannt wurden, zu beheben (zit. Botschaft GSchG 1987, 1112).

11. Art. 8 Abs. 1 GSchG stellte einen Auftrag an die Kantone dar, die für die rasche Behebung der Gewässerverunreinigungen zu sorgen hatten. Das Gesetz äusserte sich aber nicht zur Frage, wer die Pflicht zur konkreten Behebung der Verunreinigungen zu tragen hatte (Realleistungspflicht). Nach Ansicht des Bundesrates waren die Kantone selbst verpflichtet, die Gewässerverunreinigungen zu beheben, da es vor allem bei nicht mehr betriebenen und zum Teil nicht einmal mehr bekannten Abfalldeponien häufig nicht möglich sei, einen Verursacher zu ermitteln (zit. Botschaft GSchG 1987, 1111 f.). Gemäss Lehre und Rechtsprechung handelte es sich bei der Behebung einer Gewässerverunreinigung jedoch definitionsgemäss um die Beseitigung eines umweltgefährdenden und damit eines polizeiwidrigen Zustands, weshalb sich die Sanierungspflicht gemäss Art. 8 Abs. 1 GSchG nach den allgemeinen Grundsätzen des Polizeirechts richten sollte (Daetwyler, Altlasten, 270; Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 61 und 127; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 22). Massgebend war nach dieser Auffassung das Störerprinzip (allgemein zur Sanierungspflicht bei Altlasten vgl. BGE 139 II 106, E. 3.1.1, E. 3.7BGE 131 II 743, E. 3.1BGE 122 II 65, E. 6BGE 121 II 378, E. 17a/bb; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 22).

12. Dem Störerprinzip (vgl. Komm. zu Art. 3a GSchG N 24 f.) zufolge sind Massnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines ordnungsgemässen Zustands von derjenigen Person zu treffen bzw. zu erdulden, welcher der polizeiwidrige Zustand insofern zugerechnet werden kann, als sie dem Gefahrenherd in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht am nächsten steht. Obwohl das Konzept des Störers primär die polizeirechtliche Pflicht zur Verhinderung oder Beseitigung einer Gefahr oder Störung zuweist, wird zuweilen auch für die Kostentragung bei Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands daran angeknüpft (so jüngst auch BGE 139 II 106 nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre; weiter BGE 114b 44, E. 2a; BGE 122 II 65, E. 6a; vgl. Caluori, Verursacherbegriff, 551 ff., mit einer kritischen Analyse zur damit verbundenen Gleichsetzung des Störer‑ und Verursacherbegriffs). Es wird vor allem unterschieden zwischen dem Verhaltens‑ und dem Zustandsstörer. Ein Verhaltensstörer ist jemand, dessen Verhalten unmittelbar eine Gefahr gesetzt hat; der Zustandsstörer hat hingegen die tatsächliche oder rechtliche Herrschaft über eine Gefahrenquelle (zum Störerprinzip allgemein vgl. BGE 122 II 65, E. 6a; BGE 114 Ib 44, E. 2a; Reinhard, Polizeirecht, 175 ff.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 6 ff.; Thürer, Störerprinzip, 471 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 56 N 28 ff.).

13. In Bezug auf Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien ist als Verhaltensstörer derjenige zu qualifizieren, der durch sein eigenes Verhalten oder durch das Verhalten Dritter, das unter seiner Verantwortung erfolgt ist, die Verunreinigung bewirkt hat (vgl. BGer 1A.67/1997 vom 26. Februar 1998, E. 4c/aa). Bei einer (Abfall‑)Deponie ist dies der Deponiebetreiber (Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 128; Dubs, Finanzierung, 296 f.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 16 f.). Nach Auffassung von Tschannen und Frick handelt es sich beim Deponiebetreiber um den «Inhaber der tatsächlichen Herrschaft über den Ablagerungsstandort» (Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 17). Ebenfalls Verhaltensstörer ist der «Abfall-Lieferant», der den Abfall nicht korrekt deklariert dem Deponiebetreiber übergibt (Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 128; Dubs, Finanzierung, 296 f.). Als Zustandsstörer gilt, wer als Eigentümer, Pächter, Mieter oder auf eine andere Art und Weise Beauftragter die rechtliche oder tatsächliche Herrschaft über das Grundstück hat, welches die Abfalldeponie verkörpert (vgl. BGE 104 Ib 410, E. 5c; BGE 114 Ib 44, E. 2c/aa; BGer 1A.67/1997 vom 26. Februar 1998, E. 4c/bb; BGer 1A.145/1993 vom 15. Juni 1994, E. 5b–d; vgl. auch BGE 139 106, E. 3.1 ff.; Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 18).

14. Das Gemeinwesen kommt als Störer in Betracht, wenn es die Belastung des Standortes durch sein Verhalten oder durch Sachen, die in seiner Verfüngungsmacht sind, unmittelbar zu verantworten hat (BGer 1A.145/1993 vom 15. Juni 1994, E. 4g; BGer vom 12. Februar 1986, E. 2, in: ZBl 1987, 301; Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 23). In Bezug auf Art. 8 Abs. 1 GSchG war dies namentlich dann der Fall, wenn das Gemeinwesen selbst Betreiber der Abfalldeponie war.

B.            Kataster der stillgelegten Abfalldeponien (Abs. 2)

15. Art. 8 Abs. 2 GSchG auferlegte den Kantonen die Pflicht, einen Kataster der stillgelegten Abfalldeponien zu erstellen, der auch Auskunft über die Art der abgelagerten Abfälle zu geben hatte, soweit dies möglich war. Bei einem solchen Kataster handelt es sich um ein amtliches Verzeichnis belasteter Standorte und Altlasten, das öffentlich zugänglich ist (BAFU, Altlastenglossar). Das Altlastenkataster nach heutiger Konzeption (Art. 32c Abs. 2 USG) enthält Angaben über Lage, Art und Menge der an den Standort gelangten Abfälle; es führt bereits durchgeführte Untersuchungen und Massnahmen zum Schutz der Umwelt, bereits festgestellte Einwirkungen sowie gefährdete Umweltbereiche und besondere Vorkommnisse auf (vgl. Art. 5 AltlV). Das Kataster soll die wirkliche Situation der Gewässerverunreinigung möglichst wahrheitsgetreu wiedergeben, da sich die davon ausgehenden Gefährdungen nur auf diese Weise sachgerecht beurteilen lassen (Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 35). Über die Form des Katasters schwieg sich Art. 8 Abs. 2 GSchG aus. Der Wortlaut der Bestimmung («einen» Kataster) implizierte, dass ein zentrales Verzeichnis zu erstellen war (vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 32c N 37).

16. Hinter der Pflicht der Kantone zur Erstellung eines Katasters ehemaliger Abfalldeponien stand die Absicht, «auf diesem Gebiet ein für allemal mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen» (Botschaft GSchG 1987, 1112). Mit der Katasterpflicht für nicht mehr betriebene Abfalldeponien sollten zukünftige Verunreinigungen der Gewässer verhindert werden (BUWAL, Altlasten-Konzept, 10). Allgemein besteht der Zweck eines Katasters in der Schaffung eines Informations‑ und Planungsinstruments, mit welchem mit möglichst geringem Aufwand aus der Vielzahl der belasteten Standorte diejenigen identifiziert werden können, die saniert werden müssen. Das Kataster verschafft den Behörden den nötigen Überblick für eine sachgerechte Massnahmenplanung und dient damit im Einzelfall als wesentliche Grundlage für eine willkürfreie Gesetzesanwendung (Daetwyler, Altlasten, 266). Zudem stellt es eine öffentlich zugängliche Informationsquelle über punktuelle Belastungen des Bodens und des Untergrundes (inklusive Grundwasser) dar (BUWAL, Altlasten-Kataster, 8). Darüber hinaus erfüllt das Altlasten-
kataster heute eine wichtige Funktion bei Planungsentscheiden und Bau-bewilligungsverfahren (Art. 3 AltlV; BUWAL, Altlasten-Konzept, 10; Stutz/
Cummins, Sanierung von Altlasten, 53).

17. Im Verhältnis zwischen den Privaten und dem altlastenkatasterführenden Gemeinwesen stellt sich die Frage der Haftung für fehlende oder fehlerhafte Katastereinträge. Eine solche wird von der Lehre grundsätzlich verneint, da es nicht Aufgabe eines Katasters ist, zu garantieren, dass nicht bezeichnete Flächen «altlastenfrei» sind (z.B. frei von Gewässerverunreinigungen durch Einleitungen oder Versickerungen aus Abfalldeponien; Stutz/Cummins, Sanierung von Altlasten, 54).

 

Résumé

L’art. 8 LEaux imposait aux cantons de remédier sans tarder aux pollutions des eaux dues aux décharges désaffectées ou en exploitation (al. 1) et d’établir un cadastre des décharges désaffectées comportant un maximum d’indications sur le type de déchets stockés (al. 2). Cette disposition visait à recenser les décharges désaffectées ou en exploitation, à déterminer leur danger potentiel et à éliminer sur ces sites les atteintes nuisibles aux eaux.

L’art. 8 LEaux a été abrogé par l’entrée en vigueur le 1er juillet 1997 des nouvelles dispositions de la LPE concernant l’assainissement de sites pollués par des déchets (art. 32et 32LPE) conformément au ch. 2 de l’annexe de la révision de la LPE du 21 décembre 1995.

 

Literatur: Caluori Corina, Der Verursacherbegriff im Altlastenrecht – eine kritische Analyse, in: URP 2011, 541 ff. (zit. Verursacherbegriff); Daetwyler Max Arthur, Altlasten heute – Situation und Rechtslage, in: URP 1993, 259 ff. (zit. Altlasten); Dubs Hans, Wer soll das bezahlen? – Die Finanzierung der Sanierung, in: URP 1993, 289 ff. (zit. Finanzierung); Peregrina Daniel, L’assainissement des sites industriels contaminés, in: DEP 1993, 271 ss (cit. L’assainissement); Rausch Heribert, Ausblick auf neues Recht, in: URP 1993, 310 ff. (zit. Ausblick); Reinhard Hans, Allgemeines Polizeirecht – Aufgaben, Grundsätze und Handlungen, Diss. Bern 1993 (zit. Polizeirecht); Stutz Hans W./Cummins Mark, Die Sanierung von Altlasten – Rechtsfragen der Behandlung kontaminierter Grundstücke unter besonderer Berücksichtigung des zürcherischen Rechts, Zürich 1996 (zit. Sanierung von Altlasten); Thürer Daniel, Das Störerprinzip im Polizeirecht, in: ZSR 1983 I, 463 ff. (zit. Störerprinzip); Tschannen Pierre/Frick Martin, Der Verursacherbegriff nach Art. 32d USG – La notion de personne à l’origine de l’assainissement selon l’art. 32d LPE – Ergebnisse eines zuhanden des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verfassten Gutachtens, in: URP 2003, 286 ff. (zit. Verursacherbegriff); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Hauri H.P./Rickli D./Schenk K. et al.), Altlasten-Konzept für die Schweiz – Ziele und Massnahmen, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 220, Bern 1994 (zit. Altlasten-Konzept); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Wenger C./Ziegler U./Schocher R.J. et al.), Altlasten Kataster – Erstellung des Katasters der belasteten Standorte, Vollzug Umwelt Nr. 3411, Bern 2001 (zit. Altlasten-Kataster); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA)/Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) (Hrsg.) (verfasst durch Hermanns Stengele Rita/Moser Ruedi), Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser – Empfehlungen für die Beurteilung, Behandlung und Einleitung von Deponiesickerwasser, Umwelt-Vollzug Nr. 1223, Bern 2012 (zit. Deponiesickerwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Altlastenglossar – Stand: Dezember 2008, <http://www.bafu.admin.ch/altlasten/01593/01606/01826/index.html
?lang=de>, besucht am 1.7.2013 (zit. Altlastenglossar).

Hettich Peter​ | Tschumi Tobias​

Vorschriften des Bundesrates über das Einleiten und Versickern von Stoffen

1         Der Bundesrat legt die Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer fest.

2         Er erlässt Vorschriften über:

a.       die Einleitung von Abwasser in Gewässer;

b.       die Versickerung von Abwasser;

c.       Stoffe, die nach Art ihrer Verwendung ins Wasser gelangen können und die aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihrer Verbrauchsmenge die Gewässer verunreinigen oder für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich sein können.

Prescriptions du Conseil fédéral relatives au déversement et à l’infiltration de substances

1             Le Conseil fédéral fixe les exigences auxquelles doit satisfaire la qualité des eaux superficielles et des eaux souterraines.

2         Il édicte des prescriptions concernant:

a.       le déversement dans une eau des eaux à évacuer;

b.       l’infiltration des eaux à évacuer;

c.       les substances qui, selon leur mode d’utilisation, peuvent parvenir dans l’eau et qui, en raison de leurs propriétés ou des quantités utilisées, risquent de la polluer ou de nuire au fonctionnement des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux.

Prescrizioni del Consiglio federale su l’immissione e l’infiltrazione di sostanze

1         Il Consiglio federale fissa le esigenze relative alla qualità delle acque superficiali e di quelle sotterranee.

2         Esso emana prescrizioni su:

a.       l’immissione delle acque di scarico nelle acque;

b.       l’infiltrazione delle acque di scarico;

c.       le sostanze che, per il modo in cui vengono impiegate, possono pervenire nelle acque e, in ragione delle loro proprietà o delle quantità usate, possono inquinare le acque o nuocere al funzionamento degli impianti di evacuazione e di depurazione delle acque di scarico.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
​​II. ​Allgemeine Bemerkungen 5
III. Kommentierung 7
A. ​Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer (Abs. 1) 7
B. Abwasser und gewässerverunreinigende Stoffe (Abs. 2) 11
1. ​Einleitung von Abwasser in Gewässer (Abs. 2 Bst. a) 12
2. ​Versickerung von Abwasser (Abs. 2 Bst. b) 15
3. ​Verunreinigende Stoffe (Abs. 2 Bst. c) 16

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1955 verpflichtete den Bundesrat in Art. 17 Abs. 1, «die für die Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Ausführungsvorschriften» zu erlassen. Darauf gestützt erliess der Bundesrat die VV GSchG 1956, deren Art. 4 das EDI ermächtigte, nach Massgabe des Standes der Technik und der jeweiligen Bedürfnisse technische Richtlinien zu erlassen (vgl. die Übersicht über die erlassenen Richtlinien Botschaft GSchG 1970, 432). Das GSchG 1955 enthielt indessen noch keine Delegationsnorm, die dem BR die Befugnis eingeräumt hätte, gesetzesvertretende Verordnungsbestimmungen zu erlassen (Schindler, Rechtsfragen, 441 ff.).

2. Das GSchG 1971 enthielt neben einer Verordnungskomptenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen (Art. 3 Abs. 1 GSchG 1971), die im Wesentlichen Art. 17 Abs. 1 GSchG 1955 entsprach, zahlreiche spezielle Delegationsnormen, welche den Bundesrat zum Erlass gesetzesvertretender Vorschriften ermächtigten. Dazu gehörten auch Art. 22 und 23 GSchG 1971, die als Vorgängerbestimmungen von Art. 9 GSchG gelten (Botschaft GSchG 1987, 1112). Art. 22 GSchG 1971 ermöglichte dem Bundesrat insbesondere, Vorschriften über die Beschaffenheit der in die Gewässer einzuleitenden Abwässer festzulegen und «für einzelne Gewässer auf dem Verordnungswege nach Anhören der Kantone besondere Vorschriften für die Reinhaltung (Reinhalteordnungen) [zu] erlassen». Art. 23 GSchG 1971 ermächtigte den Bundesrat dazu, Bestimmungen über Erzeugnisse, Stoffe und Produktionsverfahren mit nachteiligen Wirkungen auf die Gewässer zu erlassen, welche nötigenfalls ausdrücklich auch Verbote vorsehen konnten.

3. In der gestützt auf Art. 22 und 23 GSchG 1971 erlassenen AbwV 1975 legte der Bundesrat neben verschiedenen allgemeinen und besonderen Einleitungsbedingungen (Art. 6 ff. AbwV 1975) auch Konzentrationsgrenzwerte für bestimmte im Abwasser enthaltene Schadstoffe fest, die bei der Einleitung in ein Gewässer nicht überschritten werden durften (Anh. Kolonnen II und III AbwV 1975). Darüber hinaus enthielt die AbwV 1975 auch Qualitätsziele für Oberflächengewässer (Art. 1, 2 und Anh. Kolonne I AbwV 1975), die aber im damals in Kraft stehenden GSchG 1971 noch keine gesetzliche Grundlage fanden (Botschaft GSchG 1987, 1112). Gestützt auf Art. 23 GSchG 1971 erliess der Bundesrat sodann die VWF, die GV und die StoV.

4. In Art. 9 (sowie in Art. 16) des aktuellen GSchG wurden im Wesentlichen die Verordnungsbefugnisse von Art. 22 und 23 GSchG 1971 zusammengefasst und insofern ergänzt, als bereits beanspruchte Verordnungskompetenzen, die sich vor Erlass von Art. 9 GSchG auf keine bzw. keine genügende gesetzliche Grundlage stützen liessen, nachträglich auf eine solche gestellt wurden (Botschaft GSchG 1987, 1112 f.). Der Wortlaut von Art. 9 GSchG entspricht – abgesehen von einer redaktionellen Änderung im Titel – dem Entwurf des Bundesrates (AB 1988 S 634 f.; AB 1989 N 954).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

5. Art. 9 GSchG beauftragt den Bundesrat, die Vorschriften über die Reinhaltung der Gewässer, namentlich über die Abwässer, durch Verordnung näher zu konkretisieren. Gemäss unzweideutigem Wortlaut des Gesetzgebers ist der Bunderat nicht nur ermächtigt, sondern zum Erlass von Vorschriften auch verpflichtet. Da Art. 9 GSchG selbst keine materiellen Ziele enthält, handelt es sich bei der Bestimmung um eine nicht unproblematische (Blanko‑)Delegationsnorm. Im Gegensatz zu blossen Vollzugsnormen, die der Bundesrat direkt gestützt auf Art. 182 Abs. 2 BV erlassen kann, erlaubt Art. 9 GSchG die Ergänzung und Vervollständigung des Gesetzes (sog. gesetzesvertretende Verordnungen; allgemein Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1857; zu Recht kritisch zur weitreichenden Formulierung des ähnlich konzipierten Art. 29 USG Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 29 N 5; kritisch im Zusammenhang mit Art. 29f USG auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 60; ferner Leimbacher, Kommentar USG, Art. 29 USG N 6 und 20, der allerdings die Bestimmung einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich erachtet). Art. 9 GSchG eröffnet dem Bundesrat erhebliche Regelungsspielräume, die er allerdings teilweise auch schon vor der Schaffung einer «expliziten» Ermächtigung in Anspruch genommen hat (Botschaft GSchG 1987, 1112 ff.). Gemäss der allgemeinen Regelung von Art. 48 Abs. 1 RVOG kann der Bundesrat seine Rechtsetzungskompetenz auch auf die Departemente übertragen. Gemäss Art. 45 Abs. 5 GSchV i.d.F. vom 4. November 2015 (in Kraft seit 1. Januar 2016) hat das UVEK neu die Kompetenz, in Anh. 2 Ziff. 11 Abs. 3, Ziff. 12 Abs. 5 und Ziff. 22 Abs. 2 bei Bedarf neue numerische Anforderungen an die Wasserqualität für Stoffe zu erlassen sowie bestehende zu ändern oder aufzuheben (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 12 f.). Eine Rechtsetzung durch Ämter ist im Bereich des GSchG nicht vorgesehen (s. dafür z.B. Art. 39 USG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 RVOG).

6. Art. 9 GSchG erfasst grundsätzlich zwei Regelungsbereiche: Einerseits soll der Bundesrat in die Lage versetzt werden, die «Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer» festzulegen (Abs. 1). Andererseits soll der Bundesrat Vorschriften über Abwasser und gewässerverunreinigende Stoffe erlassen (Abs. 2). Über die ökologischen Ziele für Gewässer (Art. 1 Abs. 2 GSchV, konkretisiert in Anh. 1 GSchV) werden diese beiden Absätze – als zwei Seiten einer Medaille – auf dasselbe Ziel ausgerichtet (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 32).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer (Abs. 1)

7. Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 GSchG hat der Bundesrat die Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer festzulegen. Konkrete materielle Vorgaben hierfür enthält das Gesetz nicht (vgl. N 5); der Bundesrat muss sich vor allem von der Zweckbestimmung (Art. 1 GSchG) und der Verfassung (z.B. Art. 73 BV) leiten lassen, die freilich selbst auch nur geringen normativen Gehalt aufweisen (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 17).

8. Die konkreten Festlegungen erfolgen in Anh. 2 GSchV, der für ober‑ und unterirdirsche Gewässer unterschiedliche Qualitätsziele enthält. Die Qualitätsmerkmale für oberirdische Gewässer weisen neben allgemeinen Anforderungen je zusätzliche Anforderungen für Fliessgewässer und stehende Gewässer auf (Ziff. 1 Anh. 2 GSchV). Allgemein zielen die Qualitätsziele darauf ab, dass die oberirdischen Gewässer als Fischgewässer, Trinkwasservorkommen oder Badegewässer geschützt werden bzw. – trotz allfälliger Abwassereinleitungen – in diesen Funktionen erhalten bleiben. Dazu sind unter anderem Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen und physikalische Veränderungen (z.B. Temperaturveränderungen) vorgesehen.

9. Für die unterirdischen Gewässer legt Anh. 2 GSchV sowohl «allgemeine Anforderungen» (Ziff. 21) als auch «zusätzliche Anforderungen an Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist» (Ziff. 22), fest. Auch für unterirdische Gewässer sind Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen und physikalische Veränderungen (z.B. Temperaturveränderungen) vorgesehen (s. zu Quellen der Belastung des Grundwassers etwa BAFU, Grundwasserschutz, 5 ff.; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 25). Ursprünglich wollte sich der Bundesrat hier vor allem auf Festlegungen für Grundwasser beschränken und erreichen, dass Grundwasservorkommen möglichst ohne Aufbereitung als Trinkwasser genutzt werden können; dies ist vielerorts noch der Fall (Botschaft GSchG 1987, 1112 f.; s. dazu BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 6).

10. Die vom Bundesrat formulierten Anforderungen an die Wasserqualität finden in Art. 6, 8, 13 und 47 GSchV Verwendung. Art. 6 GSchV ermöglicht die Verschärfung, Ergänzung oder Erleichterung der Anforderungen an die Einleitung von verschmutztem Abwasser in Gewässer, abhängig von der Einhaltung der Anforderungen an die Wasserqualität nach Anh. 2 GSchV (s. Komm. zu Art. 7 N 30 f.). Art. 8 GSchV verweist auf Anh. 2 GSchV als Bewilligungsvoraussetzung für das ausnahmsweise Versickernlassen von verschmutztem Abwasser (s. Komm. zu Art. 7 N 45). Art. 13 GSchV betrifft die Anforderungen an den fachgerechten Betrieb von Abwasseranlagen. Schliesslich ist die Nichteinhaltung der Anforderungen von Anh. 2 GSchV nach Art. 47 GSchV Auslöser für ein behördliches Vorgehen bei verunreinigten Gewässern.

 

B.            Abwasser und gewässerverunreinigende Stoffe (Abs. 2)

11. Art. 9 Abs. 2 GSchG beauftragt den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften zur Einleitung und zur Versickerung von Abwasser sowie zu gewässerverunreinigenden Stoffen. Diese Vorschriften finden sich namentlich im 3. Abschnitt der GSchV zur Ableitung von verschmutztem Abwasser (Art. 6–10 GSchV).

 

1.             Einleitung von Abwasser in Gewässer (Abs. 2 Bst. a)

12. Die Formulierung von Art. 9 Abs. 2 Bst. a GSchG ermächtigt den Bund zum Erlass von Vorschriften über die Beschaffenheit von Abwasser in Form von Konzentrationsbegrenzungen und mengenmässigen Begrenzungen (Fracht). Sodann soll die Bestimmung auch bei der Einleitung von Kühlwasser Anwendung finden (Botschaft GSchG 1987, 1113).

13. Während die Bewilligung zur Einleitung von Abwasser materiell in Art. 6 GSchV i.V.m. 7 Abs. 1 GSchG geregelt wird, sind die konkreten Anforderungen an die Einleitung in Gewässer (und die öffentliche Kanalisation) in Anh. 3 GSchV enthalten (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 25 ff.).

14. Anh. 3 GSchV enthält neben den Anforderungen an die «Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer» (Anh. 3.1, s. Komm. zu Art. 7 N 34 ff) auch die Anforderungen an die «Einleitung von Industrieabwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation» (Anh. 3.2, s. Komm. zu Art. 7 N 37 ff.) sowie die «Einleitung von anderem verschmutzten Abwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation» (Anh. 3.3, s. Komm. zu Art. 7 N 40 ff.). Während der Verordnungsgeber bei kommunalem Abwasser vorwiegend mit Schadstoffgrenzwerten (Verhaltensgeboten) arbeitet, greift er für Industrieabwasser zusätzlich auf einen offenen Standard – «Stand der Technik», «technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar» – zurück, der weiterer Konkretisierung im Einzelfall bedarf und neben den allgemeinen und spezifisch für bestimmte Branchen festgelegten Schadstoffgrenzwerten zur Anwendung gelangt (zu diesen Standards etwa Art. 4 LRV und Art. 3 Bst. m VVEA; weiterführend Hettich, Risikovorsorge, N 440; Seiler, Technische Risiken, 160). Hinsichtlich des anderen verschmutzten Abwassers sind namentlich die Vorschriften für Kühlwasser zu erwähnen (Ziff. 21 und 22 Anh. 3.3 GSchV).

 

2.             Versickerung von Abwasser (Abs. 2 Bst. b)

15. Art. 9 Abs. 2 Bst. b GSchG schafft die gesetzliche Grundlage für die Regelung, «welche Abwässer man mit Rücksicht auf die Anforderungen an die Wasserqualität versickern lassen darf» (Botschaft GSchG 1987, 1113 f.; zum Begriff des «Versickernlassens» vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 19). Die materiellen Regeln zum Versickern von verschmutztem und unverschmutztem Abwasser finden sich in Art. 3 und 8 GSchV i.V.m. Art. 7 Abs. 1 und 2 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 44 f., 50 ff.). Dabei ist nach Anweisung des Gesetzgebers unverschmutztes Abwasser i.S.v. Art. 3 GSchV grundsätzlich versickern zu lassen und nur ausnahmsweise in ein oberirdirsches Gewässer einzuleiten (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Das Versickernlassen von verschmutztem Abwasser ist dagegen verboten und nur mit Ausnahmebewilligung der zuständigen Behörde zulässig (Art. 8 GSchV; vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 44 f.).

 

3.             Verunreinigende Stoffe (Abs. 2 Bst. c)

16. Der Regelungsauftrag von Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG betrifft Stoffe (zum Begriff der «Stoffe» vgl. Komm. zu Art. 6 GSchG N 15), die kumulativ mehrere Voraussetzungen erfüllen: Einerseits müssen die Stoffe «nach Art ihrer Verwendung ins Wasser gelangen können». Andererseits müssen die betreffenden Stoffe potenziell entweder «Gewässer verunreinigen» können oder sich «für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich» erweisen. Ferner muss die schädliche Wirkung von den Stoffeigenschaften (z.B. persistent, bioakkumulierbar oder toxisch gemäss Art. 6a ChemV) oder von der Verbrauchsmenge der Stoffe herrühren (zu den analog in Art. 29 USG verwendeten Begriffen Leimbacher, Kommentar USG, Art. 29 USG, N 17 ff.).

17. Die Bestimmung führt Art. 23 Abs. 2 des GSchG 1971 fort, wonach der Bundesrat nötigenfalls die Herstellung, Anwendung, Einfuhr und das Inverkehrbringen von Stoffen und Erzeugnissen, die nachteilige Wirkungen für den Betrieb von Abwasseranlagen oder für die Gewässer haben können, verbieten konnte. Nach dem Willen des Bundesrates und der Räte soll die heutige Regelungsbefugnis die Verbotskompetenz weiterhin mitumfassen (Botschaft GSchG 1987, 1113; AB S 1988, 634 [Voten Bührer, Hefti und BR Cotti]; AB N 1989, 954 [Votum BR Cotti]; gemäss Botschaft GSchG 1970, 456 f., ging es damals vor allem um synthetische Wasch‑, Spül‑ und Reinigungsmittel). Mit Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG wurde eine materielle Angleichung an Art. 29 USG angestrebt (Vorschriften des Bundesrates über umweltgefährdende Stoffe; Botschaft GSchG 1987, 1113 f.; dazu Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 29 USG, N 1 ff.). Entsprechend stützt sich das einschlägige Verordnungsrecht – die ChemRRV, die ChemV sowie die DüV – neben dem USG unter anderem auch auf Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG. So enthält die ChemRRV diverse Bestimmungen zur Anwendung bestimmter Stoffe (Dünger, Pflanzenschutzmittel, etc.) in und in der Nähe von Gewässern.

18. Gemäss Art. 10 Bst. a GSchV ist es verboten, feste und flüssige Abfälle mit dem Abwasser zu entsorgen, ausser wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist. Dabei gelten als Abfälle «bewegliche Sachen, deren sich der Inhaber entledigt oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse geboten ist» (Art. 7 Abs. 6 USG; zum Abfallbegriff etwa BGE 123 II 359 ff., 363, E. 4; Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 31 ff.; zur Abgrenzung von flüssigem Abfall und Abwasser, vgl. Komm. zu Art. 7 N 17).

19. Ferner ist es gemäss Art. 10 Bst. b GSchV verboten, Stoffe entgegen den Angaben des Herstellers auf der Etikette oder der Gebrauchsanweisung abzuleiten. Dabei ist es Sache des Inverkehrbringers, den Abnehmer über die umweltbezogenen Eigenschaften zu informieren und so anzuweisen, dass beim vorschriftsgemässen Umgang mit den Stoffen die Umwelt oder mittelbar der Mensch nicht gefährdet werden kann (Art. 27 Abs. 1 USG; s.a. Art. 7 ChemG und zur Umsetzung Art. 6 ChemV [Umweltgefährliche Eigenschaften], Art. 13 ff. ChemV [Einstufung hinsichtlich der umweltgefährlichen Eigenschaften], Art. 39 und 46 ChemV [Kennzeichnung] und Art. 75 ChemV [Werbung]; s. zu weiteren Informationspflichten auch die Anhänge ChemRRV sowie zum umweltgerechten Umgang mit Stoffen Art. 28 USG und Art. 71 ChemV i.V.m. Art. 8 ChemG).

 

Résumé

L’art. 9 LEaux, en tant que pure norme de délégation, autorise et oblige le Conseil fédéral à concrétiser les dispositions concernant la qualité des eaux par voie d’ordonnance.

Le Conseil fédéral doit en premier lieu selon l’al. 1 du présent article fixer les exigences auxquelles doit satisfaire la qualité des eaux conformément à la finalité de la loi (art. 1 LEaux) et de la Cst. (par ex. art. 73 Cst.). Les objectifs de qualité concrets se trouvent à l’annexe 2 OEaux pour les eaux superficielles (ch. 1) et les eaux souterraines (ch. 21 et 22). Les art. 6, 8, 13 et 47 OEaux se fondent sur ces exigences.

En second lieu, le Conseil fédéral doit édicter des prescriptions concernant le déversement et l’infiltration des eaux à évacuer ainsi que les substances polluantes pour les eaux en vertu des let. a à c de l’al. 2 de l’art. 9 LEaux.

La let. a autorise le Conseil fédéral à édicter des prescriptions sur la nature des eaux polluées (limites quantitatives et de concentration). L’autorisation de déversement est réglée à l’art. 6 LEaux en relation avec l’art. 7 LEaux et les exigences concrètes de déversement sont réglées à l’annexe 3 OEaux. La let. b crée, pour le Conseil fédéral, la base légale nécessaire pour déterminer les eaux à évacuer que l’on peut laisser s’infiltrer en respectant les exigences de qualité (cf. art. 3 et 8 OEaux). La let. c permet au Conseil fédéral d’édicter des prescriptions concernant les substances polluantes. Celles-ci doivent remplir cumulativement plusieurs conditions. Elles doivent ainsi, d’une part, selon leur mode d’utilisation, pouvoir parvenir dans l’eau et doivent, d’autre part, potentiellement risquer de polluer ou de nuire au fonctionnement des installations. Des dispositions figurent à l’art. 10 OEaux ou dans des ordonnances d’exécution (par ex. ORRChim) fondées sur l’art. 29 LPE mais aussi sur l’art. 9 al. 2 let. c LEaux.

 

Literatur: Hettich Peter, Kooperative Risikovorsorge – Regulierte Selbstregulierung im Recht der operationellen und technischen Risiken, Habil. St. Gallen 2014 (zit. Risikovorsorge); Seiler Hansjörg, Recht und technische Risiken – Grundzüge des technischen Sicherheitsrechts, Zürich 1997 (zit. Technische Risiken); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hartmann Daniel/Meylan Benjamin/Jordi Beat), Management des Grundwassers in der Schweiz – Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Umwelt-Wissen Nr. 0806, Bern 2008 (zit. Leitlinien Grundwassermanagement); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014, Bern 2014 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014).

2. Abschnitt: Behandlung des Abwassers und Verwertung des Hofdüngers

Stutz Hans W.

 

Öffentliche Kanalisationen und zentrale Abwasserreinigungsanlagen

1         Die Kantone sorgen für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser:

a.       aus Bauzonen;

b.       aus bestehenden Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung (Art. 13) keinen ausreichenden Schutz der Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind.

1bis         Sie sorgen für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen.

2         In abgelegenen oder in dünn besiedelten Gebieten ist das verschmutzte Abwasser durch andere Systeme als durch zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu behandeln, wenn der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet ist.

3         Kann eine private Kanalisation auch öffentlichen Zwecken dienen, so ist sie der öffentlichen Kanalisation gleichgestellt.

4         … (Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 20. Juni 1997; AS 1997 2243; BBl 1996 IV 1217).

Egouts publics et stations centrales d’épuration des eaux

1         Les cantons veillent à la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées provenant:

a.       des zones à bâtir;

b.       des groupes de bâtiments situés hors des zones à bâtir pour lesquels les méthodes spéciales de traitement (art. 13) n’assurent pas une protection suffisante des eaux ou ne sont pas économiques.

1bis         Ils veillent à l’exploitation économique de ces installations.

2         Dans les régions retirées ou dans celles qui ont une faible densité de population, on traitera les eaux polluées par d’autres systèmes que les stations centrales d’épuration, pour autant que la protection des eaux superficielles et souterraines soit assurée.

3         Les égouts privés pouvant également servir à des fins publiques sont assimilés aux égouts publics.

4         … (Abrogé par le ch. I de la LF du 20 juin 1997; RO 1997 2243; FF 1996 IV 1213).

Canalizzazioni pubbliche e stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico

1         I Cantoni provvedono alla costruzione di canalizzazioni pubbliche e di stazioni centrali di depurazione per le acque di scarico inquinate provenienti:

a.       dalle zone edificabili;

b.       da gruppi di edifici esistenti che si trovano fuori della zona edificabile e per i quali i metodi speciali per l’eliminazione delle acque di scarico (art. 13) non garantiscono una protezione sufficiente delle acque o non sono economici.

1bis      Essi provvedono a un esercizio economico di questi impianti.

2         Nelle regioni discoste o scarsamente abitate, le acque di scarico inquinate devono essere trattate con altri sistemi e non in una stazione centrale di depurazione, sempreché la protezione delle acque superficiali e sotterranee sia garantita.

3         Le canalizzazioni private che servono anche per scopi pubblici sono equiparate alle canalizzazioni pubbliche.

4         … (Abrogato dal n. I della LF del 20 giu. 1997; RU 1997 2243; FF 1996 IV 1041).

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
A. Abs. 1 und 2 1
B. Abs. 3 3
C. Abs. 1bis 4
D. Aufhebung Abs. 4 7
 II. Allgemeine Bemerkungen 10
III. Kommentierung 17
A. ​Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler
Abwasserreinigungsanlagen (Abs. 1)
17
​1. ​Auftrag an die Kantone 17
2. ​Begriffe und Abgrenzungen 20
3. ​Erstellungspflicht des Gemeinwesens 26
​4. ​Abgrenzung zum Verantwortungsbereich der Privaten 31
B. ​Wirtschaftlicher Betrieb der Abwasseranlagen (Abs. 1bis) 32
1. ​Auftrag an die Kantone 32
2. ​Begriffe und Abgrenzungen 35
C. ​Abgelegene oder dünn besiedelte Gebiete (Abs. 2) 42
D. Private Kanalisationen (Abs. 3) 45

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

A.           Abs. 1 und 2

1. Die Verpflichtung, öffentliche Kanalisationen und zentrale Abwasser­reinigungsanlagen zu erstellen, findet sich bereits in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 GSchG 1971. Adressaten der Verpflichtung waren die Kantone, die den Bau und Betrieb der Abwasseranlagen selber vornehmen konnten oder die Aufgabe den Gemeinden, anderen Korporationen des öffentlichen Rechts oder Zweckverbänden übertragen konnten (Art. 17 Abs. 2 GSchG 1971). Die Kantone sollten die Verantwortung für den Bau der öffentlichen Abwasseranlagen tragen; wenn sie die bauliche Ausführung den Gemeinden oder anderen öffentlichrechtlichen Aufgabenträgern übertrugen, mussten sie diese unter eine «dauernde Aufsicht durch die kantonalen Fachorgane» stellen (Botschaft GSchG 1970, 452).

2. Die in Art. 17 GSchG 1971 festgehaltene Pflicht der Kantone, für den Bau der öffentlichen Abwasserinfrastruktur zu sorgen, wurde ins GSchG übernommen (Art. 10 Abs. 1 GSchG). Der Bundesrat stellte dazu in seiner Botschaft fest, dass das bewährte Konzept der zentralen Abwasserreinigung beibehalten werde (Botschaft GSchG 1987, 1086). Nationalrat und Ständerat folgten dem Vorschlag des Bundesrates. In den parlamentarischen Beratungen wurde die in der Botschaft vorgeschlagene Regelung mit wenigen redaktionellen Änderungen übernommen und um einen Absatz ergänzt, wonach in abgelegenen oder in dünn besiedelten Gebieten das verschmutzte Abwasser durch andere Systeme als durch zentrale Abwasserreinigungsanlagen zu behandeln ist, wenn der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet ist (Abs. 2). Diese Ergänzung geht auf eine von der nationalrätlichen Kommission eingebrachten Antrag zurück (siehe AB 1989 N 954).

B.            Abs. 3

3.Abs. 3 wurde vom Bundesrat vorgeschlagen (Botschaft GSchG 1987, 1185, dort noch als Abs. 2). In der Botschaft fehlt indes jeder Hinweis auf die Tragweite der Vorschrift, dass private Kanalisationen, die öffentlichen Zwecken dienen können, der öffentlichen Kanalisation gleichgestellt sind. Der bundesrätliche Entwurf wurde von Nationalrat und Ständerat unverändert übernommen.

C.           Abs. 1bis

4. Die Vorschrift, wonach der Betrieb öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen wirtschaftlich sein muss, wurde im Zuge der Gesetzesrevision vom 20. Juni 1997 (AS 1997 2243) eingeführt. Mit dieser Revision wurde in erster Linie das Verursacherprinzip stärker im Gesetz verankert.

5. Gemäss der Botschaft des Bundesrates bezweckt Abs. 1bis den Schutz der Abwasserproduzenten. Mit der Gesetzesrevision sind sie nämlich verpflichtet worden, die Kosten des Baus und Betriebs der öffentlichen Abwasseranlagen (über Gebühren und andere Abgaben; Art. 60a GSchG) voll zu tragen. Dabei haben sie keine Möglichkeit, ihr Abwasser bei einer anderen, allenfalls günstigeren Abwasserreinigungsanlage behandeln zu lassen. Es besteht somit keine Konkurrenz zwischen den Anlagen und wenig Anreiz für Optimierungen (Botschaft GSchG 1996, 1229).

6. Nationalrat und Ständerat übernahmen den vom Bundesrat vorgeschlagenen Wortlaut von Abs. 1bis unverändert.

D.           Aufhebung Abs. 4

7. In der ursprünglichen Fassung des GSchG enthielt Art. 10 Abs. 4 GSchG die Verpflichtung, dass für die einzelnen zentralen Abwasserreinigungsanlagen und die zugehörigen öffentlichen Kanalisationen eine generelle Entwässerungsplanung erstellt wird. Mit der Gesetzesrevision vom 20. Juni 1997 (AS 1997 2243) wurde die Bestimmung systematisch neu platziert und inhaltlich erweitert. Art. 10 Abs. 4 GSchG wurde aufgehoben und als Art. 7 Abs. 3 GSchG neu formuliert.

8. Der Bundesrat begründete diese Änderung einerseits damit, dass die generelle Entwässerungsplanung auch die Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers nicht ausser Acht lassen darf (Botschaft GSchG 1996, 1228 f.). Im Übrigen wurde mit dem neuen Art. 7 Abs. 3 GSchG auch die Planungspflicht insoweit erweitert, als neu auch regionale Entwässerungsfragen – i.d.R. ausgerichtet auf das Einzugsgebiet eines Gewässers – mit der generellen Entwässerungsplanung zu bearbeiten sind (Botschaft GSchG 1996, 1228 f.).

9. Die eidgenössischen Räte folgten dem Bundesrat und übernahmen die von ihm vorgeschlagene Änderung.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

10. Am Anfang der modernen staatlichen Bemühungen um den Gewässerschutz stand die Abwassersanierung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde vielerorts die Beseitigung der Abwässer aus den Siedlungsräumen zu einer Aufgabe des Gemeinwesens. Zunächst stand dabei die Ableitung der ungereinigten Abwässer in einen Vorfluter, in der Regel ein oberirdisches Gewässer, im Vordergrund («Verdünnungsprinzip»; vgl. Rausch, Umweltschutzgesetzgebung, 159). Da die Selbstreinigungskraft der Gewässer oft nicht ausreichte, um die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe abzubauen, mussten Reinigungssysteme (zunächst eine mechanische Klärung, dann biologisch-chemische Verfahren) eingeführt werden. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen hierzu wurden insbesondere an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag, Ursprünge seit 1936) und die technischen Grundlagen vom Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA, gegründet 1944) erarbeitet.

11. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich in der Schweiz das Prinzip der Sammlung und zentralen Reinigung der Abwässer durchgesetzt (vgl. Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 383). Gefördert wurde der Bau öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen (ARA, «Kläranlagen») durch erhebliche Beiträge des Bundes und der Kantone. Der «Startschuss» (Bundi, Wasserwirtschaft, 431) für die systematische Abwasserreinigung erfolgte mit einer Änderung der Vollziehungsverordnung zum GSchG 1955 im Jahr 1962 (AS 1962 96): Nach Art. 7 und Art. 7bis der Vollziehungsverordnung leistete der Bund, abgestuft nach Finanzkraft der Kantone, Beiträge an die Erstellung von öffentlichen Abwasseranlagen (bis zu 35 % der anrechenbaren Kosten, unter der Voraussetzung, dass auch der Kanton eigene Beiträge ausrichtete). Mit diesen Bundes‑ und Kantonsbeiträgen wurde der Bau der öffentlichen Kanalisationen und zentralen Abwasserreinigungsanlagen stark gefördert.

12. Mit dem Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 wurde dann die systematische Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen angeordnet (Art. 17 GSchG 1971). In der Folge wurden fast flächendeckend die Gebäude und Anlagen, bei denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation angeschlossen; in der Schweiz sind heute etwa 97 % der Bauten und Anlagen, von denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation angeschlossen (BAFU, Anschluss‑ und Ausbaugrad).

13. Auch unter dem heute geltenden Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 wird am Prinzip der Sammlung und zentralen Reinigung der Abwässer festgehalten. Allerdings wird heute vermehrt auf die Wirtschaftlichkeit des Kanalisationsanschlusses geachtet. In weit abgelegenen Gebieten kommen – vorab aus Kostengründen – andere Arten der Abwasserentsorgung (Reinigung der Abwässer in Klein-Kläranlagen, oder Sammlung in abflusslosen Gruben und Abtransport in die zentrale Abwasserreinigungsanlage) zur Anwendung.

14. Dennoch stellt die Sammlung und Behandlung des aus den Siedlungen anfallenden Abwassers in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen auch heute noch das Rückgrat des qualitativen Gewässerschutzes in der Schweiz dar. Die zentralen Abwasserreinigungsanlagen sorgen dafür, dass die im verschmutzten Abwasser enthaltenen Schadstoffe von den Gewässern weitgehend ferngehalten werden. Im Allgemeinen sind die Anlagen beim Abbau leicht abbaubarer organischer Verbindungen, wie sie typischerweise in kommunalem Abwasser (vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG N 34) enthalten sind, sehr effizient: Die zentralen Abwasserreinigungsanlagen weisen einen Wirkungsgrad von 88 % bei der Elimination von leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen und einen Wirkungsgrad von 84 % mit Bezug auf den Phosphorgehalt des Abwassers auf (Eawag, Schlussbericht Abwasserentsorgung, 35). In der Schweiz fällt jährlich eine Abwassermenge von etwa 1’700 Mio. m3 an (Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 131 ff.). Die 839 ARA und etwa 3385 Klein-Kläranlagen haben im Jahr gesamthaft eine Stofffracht von 462’000 t (gemessen als Chemischer Sauerstoffbedarf, CSB), 40’000 t Stickstoff und 6’400 t Phosphor zu bewältigen (Eawag, Kennzahlen).

15. Weniger wirksam sind die zentralen Abwasserreinigungsanlagen mit herkömmlicher Behandlungstechnologie beim Abbau von persistenten (d.h. mikrobiologisch schwer abbaubaren) organischen Verbindungen. Man spricht bei diesen Verbindungen gemeinhin von «Mikroverunreinigungen». Darunter fallen z.B. Lösungs‑, Flammschutz‑, Pflanzenschutz‑, Gefrierschutz‑ und Kältemittel, Hormone und hormonähnliche Verbindungen, Treibstoffe und deren Zusatzstoffe, pharmazeutische Wirkstoffe und Weichmacher. Sie wirken bereits in sehr geringen Konzentrationen und üben nachteilige Wirkungen auf Wasserlebewesen aus (BAFU, Kommunales Abwasser, 22 ff.; Stutz, Herausforderungen, 513). Diesbezüglich sind Bestrebungen im Gange, die bedeutendsten Verschmutzungsquellen zu erfassen und den Eintrag von Mikroverunreinigungen mit geeigneten technologischen Massnahmen (Behandlung mit Aktivkohle, Ozonierung) zum Schutz der Wasserflora und ‑fauna und der Trinkwasserressourcen zu verringern. Der Bund hat im Frühjahr 2014 beschlossen, Massnahmen bei grossen zentralen Abwasserreinigungsanlagen und solchen an Fliessgewässern mit einem hohen Anteil an gereinigtem Abwasser zu unterstützen. Hierfür wird eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe pro angeschlossenem Einwohner erhoben (weiterführend die Botschaft GSchG 2013; die eidgenössischen Räte haben die entsprechende Änderung des Gewässerschutzgesetzes am 21. März 2014 beschlossen [siehe Art. 60b und 61a GSchG, die am 1. Januar 2016 in Kraft treten; AS 2014 3327]).

16. Die öffentliche Abwasserentsorgungsinfrastruktur wurde mit einem sehr bedeutenden Mitteleinsatz erstellt. Der heutige Wiederbeschaffungswert der öffentlichen Kanalisationen wird auf CHF 66 Mrd. geschätzt, derjenige der 839 grösseren zentralen Abwasserreinigungsanlagen auf CHF 14 Mrd. (Eawag, Kennzahlen). Es sind bedeutende Anstrengungen zu unternehmen, um diese wichtige Infrastruktur in ihrem Wert dauerhaft zu erhalten und weiterzuentwickeln.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Abwasserreinigungsanlagen (Abs. 1)

1.             Auftrag an die Kantone

17. Der Bundesgesetzgeber überträgt das Bereitstellen der öffentlichen Ab­wasserentsorgungsinfrastruktur, d.h. die Erstellung der öffentlichen Kanalisationen und der zentralen Abwasserreinigungsanlagen, den Kantonen. Diese haben dafür zu sorgen, dass die erforderlichen öffentlichen Abwasseranlagen erstellt werden. Die Kantone können diese Aufgabe selber wahrnehmen – was eher die Ausnahme darstellt – oder sie den Gemeinden zuweisen. Auch eine Auslagerung an öffentlichrechtliche Körperschaften und Anstalten oder an Private ist nicht ausgeschlossen, erfordert aber eine wirksame Fachaufsicht des Kantons über diese Aufgabenträger.

18. Die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt. Dieses muss die Zuständigkeiten derart festlegen, dass eine sachgerechte Umsetzung des bundesgesetzlichen Auftrags gewährleistet ist.

19. Die öffentliche Kanalisation (unter Einschluss der Sonderbauwerke) und die zentralen Abwasserreinigungsanlagen stellen Abwasseranlagen dar, die dem öffentlichen Zweck einer sicheren und umweltgerechten Abwasserentsorgung dienen. An diesen öffentlichen Werken besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, da sie dafür sorgen, dass sehr bedeutende Schadstofffrachten von den Gewässern ferngehalten werden (N 10 ff.). Daher muss sichergestellt werden, dass diese Anlagen jederzeit zuverlässig funktionieren.

 

2.             Begriffe und Abgrenzungen

20. Als öffentliche Kanalisationen werden im GSchG Kanalisationssysteme der öffentlichen Hand bezeichnet, die der Ableitung des verschmutzten Abwassers in die zentrale Abwasserreinigungsanlage dienen. Unter den Begriff der öffentlichen Kanalisation fallen im vorliegenden Zusammenhang nicht nur eigentliche Kanalisationsleitungen mit den dazu gehörenden Ausrüstungen (Regenwassersammler, Kontrollschächte, Schlammsammler, Schwerkraftabscheider usw.), sondern ebenso Sonderbauwerke wie Regenüberläufe, Regenbecken, Regenrückhaltebecken, Strassenwasser-Reinigungsbauwerke und Abwasserpumpwerke.

21. Bei der Entwässerung der Grundstücke kommen zwei Entwässerungs­systeme zur Anwendung:

  • Beim «Mischsystem» wird das verschmutzte Abwasser zusammen mit nicht verschmutztem Abwasser (Niederschlagswasser, das von den befestigten Flächen abfliesst) in einer einzigen Kanalisationsleitung (Mischwasserkanalisation) der zentralen Abwasserreinigungsanlage zugeleitet.
  • Hingegen wird beim «Trennsystem» nur das verschmutzte Abwasser mittels einer Kanalisationsleitung (Schmutzwasserkanalisation) der zentralen Abwasserreinigungsanlage zugeführt, während das nicht verschmutzte Abwasser mit einer weiteren Leitung (Regenwasserkanalisation, auch Meteorwasserkanalisation genannt) direkt in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet wird.

22. Das Mischsystem ist in der Schweiz das vorherrschende Entwässerungs­system. Etwa 70 % des Siedlungsgebiets der Schweiz werden auf diese Weise entwässert (BAFU, Kommunales Abwasser, 20), wobei dies je nach Kanton erheblich variieren kann. Obwohl das Mischsystem dem Grundsatz der Trennung von verschmutztem und nicht verschmutztem Abwasser (Art. 7 GSchG) nicht entspricht, ist es als Entwässerungssystem unter Umständen zulässig (BGer 1C_87/2012 vom 27. November 2012, E. 4.3; im zu beurteilenden Fall berücksichtigte das Gericht die Tatsache, dass bei den im Mischsystem entwässerten Flächen Massnahmen zur lokalen Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers getroffen wurden und dass künftig eine Entwässerung im Trennsystem vorgesehen war). In der Praxis werden die beiden beschriebenen Entwässerungssysteme auch in Kombinationen erstellt und betrieben (z.B. «Teiltrennsystem»). Die Wahl des Entwässerungssystems hat anhand der konkreten Verhältnisse (Eignung des Untergrunds für die lokale Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers, Vorhandensein eines Vorfluters für die Einleitung des nicht verschmutzten Abwassers, nutzungsbezogene Gefährdungssituation bei den zu entwässernden Flächen usw.) zu erfolgen.

23. Wenn in Art. 12 GSchG von der öffentlichen Kanalisation die Rede ist, so ist damit ein Kanalisationssystem gemeint, dessen Hauptfunktion die Ableitung des verschmutzten Abwassers in die zentrale Abwasserreinigungsanlage darstellt. Beim Trennsystem führt nur die Schmutzwasserkanalisation dorthin, während die Regenwasserkanalisation das nicht verschmutzte Abwasser in ein oberirdisches Gewässer leitet. Auch diese Kanalisation ist Teil der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur. Die Regenwasserkanalisation dient jedoch nicht dem Abtransport des verschmutzten, sondern des nicht verschmutzten Abwassers.

24. Die zentrale Abwasserreinigungsanlage nimmt das von der öffentlichen Kanalisation zufliessende verschmutzte Abwasser auf; sie ist eine Anlage, die der «Reinigung von verschmutztem Abwasser» (Abs. 1) dient, bevor dieses in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet wird. In der Regel ist die zentrale Abwasserreinigungsanlage für die Behandlung von «kommunalem» Abwasser ausgelegt. Gemäss Anhang 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV umfasst kommunales Abwasser:

a.      Häusliches Abwasser (Abwasser aus Haushalten und gleichartiges Abwasser);

b.     das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende und mit dem häuslichen Abwasser abgeleitete Niederschlagswasser.

25. Bis zu einem gewissen Grad ist die zentrale Abwasserreinigungsanlage auch in der Lage, Industrieabwasser (Anhang 3.2 GSchV) und anderes verschmutztes Abwasser (Anhang 3.3 GSchV) zu behandeln. Allerdings muss derartiges Abwasser unter Umständen vor der Ableitung in die öffentliche Kanalisation vorbehandelt werden (Komm. zu Art. 12 GSchG N 12).

 

3.             Erstellungspflicht des Gemeinwesens

26. Die Pflicht zur Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser umfasst nicht nur die erstmalige Erstellung dieser Abwasseranlagen, sondern zielt auf eine dauernde Erhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur ab. Abs. 1 verlangt somit auch, dass das erstellungspflichtige Gemeinwesen seine Anlagen sachgerecht unterhält und festgestellte bauliche Mängel umgehend behebt (sogenannter baulicher Unterhalt).

27. Überdies umfasst der Gesetzesauftrag auch die fortwährende Optimierung der gesamten Infrastruktur:

  • Dabei geht es einerseits um die Verbesserung des bestehenden Systems im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Das bestehende Kanalisationssystem muss so ausgelegt sein, dass es seine Funktion weitgehend störungsfrei erfüllen kann. Systembedingte Mängel – namentlich ein zu häufiges Auftreten von Hochwasserentlastungen, wodurch unnötig häufig unbehandeltes verschmutztes Abwasser aus dem Kanalisationssystem in das oberirdische Gewässer gelangt – sind mit Blick auf das Verunreinigungsverbot von Art. 6 GSchG möglichst rasch zu beheben.Auch die in der zentralen Abwasserreinigungsanlage einzusetzende Verfahrenstechnik bedarf sukzessive einer Anpassung an den Stand der Technik.
  • Andererseits umfasst die Optimierung der öffentlichen Abwas­serinfrastruktur auch die Erweiterung des Kanalisationssystems und der zentralen Abwasserreinigungsanlage. Abs. 1 gibt vor, bei welchen Gebieten das Gemeinwesen eine öffentliche Kanalisation zur Verfügung stellen muss. Neben den Gebieten, die als Bauzonen nach Art. 15 RPG ausgeschieden sind (Abs. 1 Bst. a), müssen auch weitere Gebiete mit einer öffentlichen Kanalisation erschlossen werden. Abs. 1 Bst. b verlangt, dass die öffentliche Hand eine öffentliche Kanalisation zur Verfügung stellt für Abwasser aus bestehenden Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung nach Art. 13 GSchG keinen ausreichenden Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind.Ein Ausbau der öffentlichen Kanalisation oder der zentralen Ab­wasserreinigungsanlage ist an die Hand zu nehmen, wenn absehbar wird, dass die Anlagen in den kommenden Jahren an ihre Kapazitätsgrenze stossen werden.

28. Diese Optimierungen werden in der Regel im Rahmen der generellen Entwässerungsplanung (Art. 7 Abs. 3 GSchG) aufeinander abgestimmt.

29. Schliesslich bezieht sich Abs. 1 auch auf die Erneuerung der Abwas­seranlagen. Kanalisationsleitungen weisen eine technische Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren auf, bei Sonderbauwerken geht man, je nach Anlage, von 20 bis 40 Jahren aus. Die technische Lebensdauer von zentralen Abwasserreinigungsanlagen bzw. deren Anlageteilen beträgt etwa 20 bis 25 Jahre. Sind Abwasseranlagen zu erneuern, ist als Massstab der Stand der Technik zu nehmen. Darunter ist ein fortschrittliches Technologieniveau zu verstehen («Front des technischen Fortschritts»; vgl. Komm. zu Art. 12 N 38).

30. Mit dem Umfang der Erstellungspflicht des Gemeinwesens ist implizit auch geklärt, dass die entsprechenden Kosten über die Abwasserrechnung der öffentlichen Hand und damit vollumfänglich über Abwasserabgaben zu finanzieren sind (Art. 60a GSchG).

 

4.             Abgrenzung zum Verantwortungsbereich der Privaten

31. Abs. 1 definiert den Umfang der Erstellungspflicht des Gemeinwesens und grenzt damit den Verantwortungsbereich von Kanton oder Gemeinde gegen denjenigen der Privaten ab. Letztere sind unter Umständen verpflichtet, selber für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation zu sorgen (vgl. Art. 11 Abs. 2 Bst. c GSchG). Die Erstellungspflicht des Gemeinwesens ist begrenzt auf die Bauzonen (Art. 10 Abs. 1 Bst. a GSchG; angeknüpft wird dabei an Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG) und auf bestehende Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung im Sinne von Art. 13 GSchG keinen ausreichenden Schutz der Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind (Art. 10 Abs. 1 Bst. b GSchG).

 

B.            Wirtschaftlicher Betrieb der Abwasseranlagen (Abs. 1bis)

1.             Auftrag an die Kantone

32. Abs. 1bis verlangt, dass die öffentlichen Abwasseranlagen wirtschaftlich betrieben werden. Die Vorschrift wendet sich in erster Linie an die Kantone: Sie müssen dafür sorgen, dass die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung – meist Gemeinden, Zweckverbände oder interkommunale Anstalten – die ihnen obliegenden Aufgaben bei der Abwasserentsorgung wirtschaftlich wahrnehmen. Diese Vorgabe entspricht dem Gebot der sparsamen Mittelverwendung, wie es allgemein für die Tätigkeit der öffentlichen Hand gilt.

33. Die Verpflichtung von Abs. 1bis, die öffentlichen Abwasseranlagen wirtschaftlich zu betreiben, ist im Einzelfall unmittelbar anwendbar. Die Kantone müssen im Rahmen ihrer Fachaufsicht über die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung dafür sorgen, dass Bau und Betrieb der Anlagen wirtschaftlich erfolgen. «Dies kann im Einzelfall eine Kontrolle und gegebenenfalls eine stärkere Einflussnahme auf die Investitionspolitik von Verbänden bedeuten» (Botschaft GSchG 1996, 1229).

34. Umgesetzt werden kann der Auftrag beispielsweise auch dadurch, dass bauliche Veränderungen an der öffentlichen Kanalisation oder an der zentralen Abwasserreinigungsanlage einer Bewilligungspflicht des Kantons unterworfen werden. Die Kantone können durch Gesetz oder Verordnung den Trägern der öffentlichen Abwasserentsorgung auch genauere Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit beim Bau und Betrieb der öffentlichen Abwasserinfrastruktur machen. Ansatzpunkte können etwa der Erlass organisatorischer oder personeller Standards, die kantonsweite Einführung einer einheitlichen Rechnungsführung, Vorschriften zur Höhe der Abschreibungen, Vorgaben über die Dimensionierung von Anlagen oder die Schliessung unwirtschaftlicher Betriebsteile darstellen (Tschannen, Kommentar USG, Art. 31b N 23).

 

2.             Wirtschaftlicher Betrieb

35. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist hier in einem umfassenden Sinn zu verstehen: Er bezieht sich nicht nur auf den Betrieb, verstanden als ständiges Aufrechterhalten der Funktionsfähigkeit der Abwasserentsorgungsinfrastruktur, sondern umfasst auch die Erstellung, Optimierung und Erneuerung dieser Infrastruktur.

36. In der Ökonomie wird die Wirtschaftlichkeit definiert als ein Mass für das Verhältnis von Handlungsergebnissen (Nutzen) und dem dafür er­forderlichen Mitteleinsatz, wobei sowohl der Nutzen als auch der Mittel­einsatz in Geldeinheiten gemessen werden. Im vorliegenden Zusammenhang lässt sich der Wert des Nutzens (nämlich der Wert des Betriebs der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur) nicht sinnvoll in Geldeinheiten ausdrücken. Daher muss es genügen, wenn die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der öffentlichen Abwasserentsorgungsinfrastruktur lediglich qualitativ umschrieben wird.

37. Wirtschaftlich ist der Betrieb (im oben beschriebenen Sinn), wenn zur Erreichung des Zieles einer dauernd funktionierenden öffentlichen Ab­wasserentsorgungsinfrastruktur möglichst geringe Mittel eingesetzt werden müssen. Dieses Ziel soll mit einem möglichst geringen Aufwand erreicht werden.

38. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Abwasserentsorgungsinfrastruktur darf dabei aber nicht mit einer unbedachten kurzfristigen Minimierung der Ausgaben gleichgesetzt werden, sondern es ist eine langfristige Perspektive zu wahren. So ist zum Schutz der bestehenden Infrastruktur ein hinreichender baulicher Unterhalt sicherzustellen, um die Funktionstüchtigkeit der Anlagen während ihrer gesamten vorgesehenen Lebensdauer zu erhalten. In dieser Hinsicht bestehen mancherorts noch grosse Defizite.

39. Beim Betrieb der zentralen Abwasserreinigungsanlage bedeutet ein wirt­schaftlicher Betrieb, dass die Anlage mit möglichst hohem Wirkungsgrad und damit mit einer guten Umweltleistung bei gleichzeitig niedrigen Kosten betrieben wird. Nicht mit Wirtschaftlichkeitsargumenten begründet werden kann indessen ein Betrieb, bei dem Energie‑ und Stoffverbrauch derart minimiert werden, dass die in der Gewässerschutzverordnung festgehaltenen Anforderungen an die Einleitung des in der zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelten Abwassers gerade noch erfüllt werden. Die Anlagen sind vielmehr mit Blick auf das Vorsorgeprinzip so zu betreiben, dass möglichst wenig Stoffe, die Wasser verunreinigen können, in das Gewässer eingeleitet werden (vgl. Anhang 1 Ziff. 1 Abs. 3 GSchV).

40. Auch bei Neuinvestitionen ist darauf zu achten, Anlagen mit hohem Wir­kungsgrad und guter Umweltleistung einzusetzen.

41. Abs. 1bis ist schliesslich auch Grundlage für die Bemühungen, un­wirtschaftliche kleine zentrale Abwasserreinigungsanlagen, die oft bei vergleichsweise hohen Kosten eine ungenügende Reinigungsleistung aufweisen, aufzuheben und mit anderen zentralen Abwasserreinigungsanlagen zusammenzulegen. Die Tendenz zu grösseren Einheiten und die damit einhergehende Professionalisierung der öffentlichen Abwasserreinigung ist durchaus erwünscht.

C.           Abgelegene oder dünn besiedelte Gebiete (Abs. 2)

42. Die öffentliche Abwasserreinigung setzt zwar zur Hauptsache darauf, dass das verschmutzte Abwasser in zentralen Abwasserreinigungsanlagen behandelt wird; Abs. 1 definiert den Umfang der Erstellungspflicht der öffentlichen Hand. Indes erlaubt Abs. 2 den Kantonen, in abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten angepasste Entsorgungskonzepte umzusetzen. Diese Ausnahme ist ein Gesichtspunkt des mit dem GSchG 1991 verfolgten Ansatzes des differenzierten Gewässerschutzes (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1086).

43. Das Gemeinwesen ist gehalten, das verschmutzte Abwasser in den abgelegenen oder dünn besiedelten Gebieten mit dezentralen Systemen zu behandeln (z.B. Klein-Kläranlage). Dabei wird vorausgesetzt, dass der Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gewährleistet bleibt. Massgebend sind die Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser gemäss Anh. 3.1 GSchV und die Anforderungen an die Wasserqualität gemäss Anh. 2 GSchV. Lässt sich kein hinreichender Schutz der Gewässer erreichen, ist die Entsorgung des verschmutzten Abwassers auf andere Weise zu organisieren (z.B. Sammeln in abflusslosen Gruben und periodischer Abtransport in die zentrale Abwasserreinigungsanlage; vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 224) oder es müssen Nutzungsverbote ausgesprochen werden. Das Vorgehen richtet sich nach Art. 47 GSchV.

44. Art. 10 Abs. 2 GSchG richtet sich ausschliesslich an die Kantone (bzw. die Träger der öffentlichen Abwasserentsorgung); die Privaten können aus Abs. 2 nicht eine Befreiung von ihrer Pflicht zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation ableiten (BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 3.b).

 

D.           Private Kanalisationen (Abs. 3)

45. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für öffentliche Kanalisationen beim Gemeinwesen und für private Kanalisationen bei ihren Eigentümern. Gemeinwesen und Private tragen im Regelfall je die Kosten für Erstellung, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung ihrer Kanalisation. Abs. 3 regelt nun den Ausnahmefall, bei dem eine private Kanalisation nicht nur der Abwasserentsorgung der oder des Privaten dient, sondern einem grösseren Kreis von Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung steht.

46. Eine private Kanalisation dient öffentlichen Zwecken, wenn sie der Ableitung des verschmutzten Abwassers aus mehreren Gebäuden in die zentrale Abwasserreinigungsanlage dient (BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 5.3). Es kommt somit auf die tatsächliche Verwendung einer Kanalisation an.

47. Dient eine private Kanalisation in diesem Sinn öffentlichen Zwecken, ist sie der öffentlichen Kanalisation «gleichgestellt». Dies bedeutet, dass die Wirkungen von Art. 11 Abs. 1 GSchG zum Tragen kommen, wonach das verschmutzte Abwasser aus Drittliegenschaften, die im Bereich der privaten Kanalisation liegen, in diese eingeleitet werden muss. Ebenso ist Art. 11 Abs. 3 GSchG anzuwenden; somit ist der Inhaber der privaten Kanalisation verpflichtet, den Anschluss von Drittliegenschaften an seine Kanalisation zu dulden und das von diesen Liegenschaften anfallende Abwasser abzunehmen.

48. Dabei bleibt das Verhältnis zwischen Kanalisationsinhaber und den anzuschliessenden Dritten ein privatrechtliches. Die Privaten können Entschädigung für die Mitbenutzung, Unterhalts‑ und Erneuerungspflichten frei auf privatvertraglicher Grundlage regeln. Kommt jedoch keine Einigung zustande, muss das Gemeinwesen mit Verfügung die gegenseitigen Rechte und Pflichten regeln. Ebenso erlässt es eine Verfügung, wenn der Anschluss der Drittliegenschaften nicht freiwillig vorgenommen wird oder sich der Inhaber der privaten Kanalisation weigert, den Anschluss der Drittliegenschaften zu dulden.

49. Das kantonale oder kommunale Recht kann die Voraussetzungen regeln, unter denen private Kanalisationen auch öffentlichen Zwecken dienen können. Ferner können auch öffentlichrechtliche Regeln für die Übernahme solcher Kanalisationen durch das Gemeinwesen, Entschädigung sowie Unterhalt und Erneuerung aufgestellt werden.

 

Résumé

Aux termes de l’art. 10 al. 1 LEaux, les cantons sont chargés de la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées provenant des zones à bâtir (let. a) et des groupes de bâtiments situés hors des zones à bâtir pour autant que les méthodes spéciales de traitement au sens de l’art. 13 LEaux n’assurent pas une protection suffisante des eaux ou ne sont pas économiques (let. b). Les cantons ne sont pas tenus d’exécuter eux-mêmes cette tâche mais peuvent la déléguer aux communes, à des corporations et établissements de droit public ou à des privés. Cet alinéa couvre non seulement la construction de ces installations mais vise également leur fonctionnement durable. Par conséquent, la collectivité doit entretenir correctement les installations et remédier immédiatement aux défauts de construction constatés. De plus, elle doit s’assurer de la constante optimisation de l’ensemble de ces installations par l’amélioration continuelle du système et par l’extension des réseaux d’égouts et des stations centrales d’épuration des eaux usées. L’al. 1bis LEaux impose aux cantons de veiller à l’exploitation économique de ces installations en exerçant un contrôle «et, le cas échéant, une plus grande influence sur la politique d’investissement des associations concernées».

L’al. 2 de l’art. 10 LEaux prévoit que, dans les régions retirées ou celles qui ont une faible densité de population, les eaux polluées peuvent être traitées par d’autres systèmes que les stations d’épuration, pour autant que la protection des eaux superficielles et souterraines soit assurée sur la base des exigences relatives au déversement d’eaux polluées communales dans les eaux (annexe 3.1 OEaux) et des exigences relatives à la qualité des eaux (annexe 2 OEaux).

En principe, la responsabilité ainsi que les coûts pour la construction, l’utilisation, l’entretien et le renouvellement des égouts sont à la charge des communes pour les égouts publics et des propriétaires pour les égouts privés. L’al. 3 instaure cependant une exception à ce principe lorsqu’une conduite d’eaux usées permet l’évacuation d’eaux usées d’un large cercle d’utilisateurs, en assimilant aux égouts publics les égouts privés pouvant également servir à des fins publiques. L’al. 4 a été abrogé avec la révision de la loi du 20 juin 1997 et a été remplacé par l’art. 7 al. 3 de la présente loi.

 

Literatur: Bundi Ulrich, Wasserwirtschaft als Spielfeld der Interessen, in: URP 2008, 423 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Rausch Heribert, Die Umweltschutzgesetzgebung – Aufgabe, geltendes Recht und Konzepte, Zürich 1977 (zit. Umweltschutzgesetzgebung).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU), Indikator Anschluss- und Ausbaugrad von Abwasserreinigungsanlagen, <http://www.bafu.admin.ch/umwelt/indikatoren/
08605/08610/index.html?lang=de>, 18.8.2015 (zit. Anschluss- und Ausbaugrad); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Maurer Max/Herlyn Anja), Zustand, Kosten und Investitionsbedarf der schweizerischen Abwasserentsorgung, Schlussbericht im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Dübendorf 2006 (zit. Schlussbericht Abwasserentsorgung); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag), Kennzahlen und Eckdaten – Siedlungswasserwirtschaft Schweiz, Stand 2012, <http://www.eawag.ch/forschung/sww/kennzahlen/index?print=1>, besucht am 27.8.2014 (zit. Kennzahlen).

Kehrli Jeannette | Stutz Hans W.​

Anschluss‑ und Abnahmepflicht

1         Im Bereich öffentlicher Kanalisationen muss das verschmutzte Abwasser in die Kanalisation eingeleitet werden.

2         Der Bereich öffentlicher Kanalisationen umfasst:

a.       Bauzonen;

b.       weitere Gebiete, sobald für sie eine Kanalisation erstellt worden ist (Art. 10 Abs. 1 Bst. b);

c.       weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist.

3         Der Inhaber der Kanalisation ist verpflichtet, das Abwasser abzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen.

Obligations de raccorder et de prendre en charge les eaux polluées

1         Les eaux polluées produites dans le périmètre des égouts publics doivent être déversées dans les égouts.

2         Le périmètre des égouts publics englobe:

a.       les zones à bâtir;

b.       les autres zones, dès qu’elles sont équipées d’égouts (art. 10, al. 1, let. b);

c.       les autres zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être envisagé.

3         Les détenteurs des égouts sont tenus de prendre en charge les eaux polluées et de les amener jusqu’à la station centrale d’épuration.

Obbligo di allacciamento e di accettazione

1         Nel perimetro delle canalizzazioni pubbliche, le acque di scarico inquinate devono essere immesse nelle canalizzazioni.

2         Il perimetro delle canalizzazioni pubbliche comprende:

a.       le zone edificabili;

b.       le altre zone, non appena dispongano di una canalizzazione (art. 10 cpv. 1 lett. b);

c.       le altre zone nelle quali l’allacciamento alle canalizzazioni sia opportuno e ragionevol­mente esigibile.

3         Il detentore della canalizzazione è tenuto ad accettare le acque di scarico e a convogliarle verso la stazione centrale di depurazione.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.      ​ ​Allgemeine Bemerkungen 4
III. Kommentierung 7
A. ​Bereich öffentlicher Kanalisationen (Abs. 2) 7
1. ​Umfang und Bedeutung 7
2. ​Im Besonderen: Weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist 9
B. ​Anschlusspflicht (Abs. 1) 20
1. Umfang 20
​2. ​Pflichten des Abwasserinhabers 23
3. ​Zusammenhang mit der rechtsgenügenden Erschliessung 26
4. ​Abgrenzung zur Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers 27
​C. ​Abnahmepflicht (Abs. 3) 28

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Pflicht zum Anschluss des Abwassers an die öffentliche Kanalisation und die komplementäre Pflicht des Inhabers dieser Kanalisation, das Abwasser abzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuleiten, wurden aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 GSchG 1971 übernommen – freilich mit dem wichtigen Unterschied, dass das nicht verschmutzte Abwasser möglichst nicht in die zentrale Abwasserreinigungsanlage abgeleitet werden soll (s. N 4 ff.).

2. In der bundesrätlichen Botschaft von 1987 steht zu Art. 11 GSchG lapidar ein Satz (Botschaft GSchG 1987, 1115): «Die generelle Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation hat sich bewährt und soll deshalb beibehalten werden.»

3. Der Vorschlag des Bundesrates (Botschaft GSchG 1987, 1185) wurde im parlamentarischen Prozess inhaltlich nicht verändert, sondern nur redaktionell angepasst (AB 1988 S 635).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Der Siedlungsentwässerung in der Schweiz liegt das Konzept der zentralen Reinigung des Abwassers zu Grunde. Während nach dem GSchG 1971 noch grundsätzlich alle Abwässer im Siedlungsgebiet der öffentlichen Kanalisation zuzuführen waren, zielt das heute geltende GSchG darauf ab, dass nur das verschmutzte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet wird, während das nicht verschmutzte Abwasser lokal zu versickern oder, wenn dies technisch nicht möglich ist, in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten ist.

5. Um dieses Konzept zu verwirklichen, genügt es nicht, gemäss Art. 10 Abs. 1 GSchG lediglich die erforderlichen öffentlichen Kanalisationen und zentralen Abwasserreinigungsanlagen zu erstellen. Art. 11 Abs. 1 GSchG zwingt die Inhaber von verschmutztem Abwasser auch, dieses in die öffentliche Kanalisation abzuleiten und damit der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen. Mit dieser gesetzgeberischen Konstruktion gelingt es, das verschmutzte Abwasser im Siedlungsgebiet flächendeckend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GSchG zu behandeln, bevor es in den Vorfluter eingeleitet wird.

6. Art. 11 Abs. 1 GSchG errichtet im Bereich öffentlicher Kanalisationen ein mittelbares rechtliches Monopol (hierzu Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2564) hinsichtlich der Entsorgung des verschmutzten Abwassers, vergleichbar etwa mit dem Kehrichtentsorgungsmonopol der Kantone gemäss Art. 31b Abs. 1 USG. Dieses Entsorgungsmonopol ist vorwiegend (gewässerschutz‑)polizeilich motiviert (vgl. analog BGer 1A.15/2006 vom 10. August 2006, E. 3.1.2, dort gestützt auf Art. 31b Abs. 1 USG mit Bezug auf Abfälle aus der öffentlichen Abwasserreinigung).

 

III.        Kommentierung

A.           Bereich öffentlicher Kanalisationen (Abs. 2)

1.             Umfang und Bedeutung

7. Abs. 2 umschreibt den Perimeter, innerhalb dessen das verschmutzte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden muss und damit in der zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelt wird. Dieser Perimeter wird der «Bereich öffentlicher Kanalisationen» genannt. Er umfasst zunächst die Gebiete, in denen das Gemeinwesen auf Kosten der öffentlichen Abwasserrechnung gemäss Art. 10 Abs. 1 GSchG für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen sorgen muss. Es sind dies Bauzonen im Sinne von Art. 15 RPG (Art. 11 Abs. 2 Bst. a GSchG) und weitere Gebiete, sobald für sie eine Kanalisation erstellt worden ist (Art. 11 Abs. 2 Bst. b).

8. Indes geht der Bereich öffentlicher Kanalisationen über diese Gebiete hinaus. Nach Art. 11 Abs. 2 Bst. c GSchG umfasst er auch «weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist». In diesen Gebieten sind die Inhaber der anzuschliessenden Grundstücke für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation verantwortlich. Sie werden verpflichtet, ihre Liegenschaften an die öffentliche Kanalisation anzuschliessen. Die Inhaber tragen gemäss Art. 3a GSchG auch die Kosten für Projektierung, Erstellung und Betrieb der für den Anschluss erforderlichen privaten Abwasseranlagen.

 

2.             Im Besonderen: Weitere Gebiete, in welchen der Anschluss an die Kanalisation zweckmässig und zumutbar ist

9. Was unter der Zweckmässigkeit und der Zumutbarkeit eines Anschlusses an die Kanalisation zu verstehen ist, wird im Verordnungsrecht näher ausgeführt. Gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. a GSchV ist der Anschluss zweckmässig, wenn er sich einwandfrei und mit normalem baulichem Aufwand herstellen lässt. Die Zumutbarkeit des Anschlusses ist gegeben, wenn die dafür aufzuwendenden Kosten diejenigen für vergleichbare Anschlüsse innerhalb der Bauzone nicht wesentlich überschreiten (Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV). Beim Entscheid über die Zweckmässigkeit und die Zumutbarkeit des Anschlusses handelt es sich um einen Ermessensentscheid, was von der zum Entscheid zuständigen Behörde eine pflichtgemässe Ermessensausübung erfordert, bei der sämtliche massgebenden Gesichtspunkte zu beurteilen und zu würdigen sind (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 9. Juli 2008 [VB.2008.00116], E. 11.3). Eine reiche Gerichtspraxis trägt des Weiteren zur Konkretisierung der zwei Kriterien bei.

Zweckmässigkeit

10. Nach Gerichtspraxis ist von der Zweckmässigkeit des Anschlusses auszugehen, wenn sich dieser einwandfrei und von den topografischen oder baugrundspezifischen Verhältnissen her ohne besonderen baulichen Aufwand herstellen lässt und das Fassungsvermögen der öffentlichen Kanalisationsleitung nicht übersteigt (Stutz, Abwasserrecht, 132; BGE 115 Ib 28, 30 f., E. 2b.aa; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 456, E. 4.2).

11. Der normale bauliche Aufwand wird bei der Unterquerung einer Strasse, einer Eternitleitung oder eines Bachs ebenso wenig infrage gestellt wie im Falle der Notwendigkeit einer Pumpe bzw. einer Druckleitung (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 4.2; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 456, E. 4.2). Ebenfalls bejaht wurde die Zweckmässigkeit des Anschlusses bei der Linienführung durch ein Naturschutzgebiet, da der Eingriff in dieses minimal ausfiel und gleichzeitig durch den Anschluss der Nährstoffeintrag ins Naturschutzgebiet vermindert werden konnte (BGE 115 Ib 28, 31, E. 2b.aa). Selbst das Verlegen einer Leitung, der Einbau von Sickerkies und Querriegeln aus Lehm sowie eine geologische Baubegleitung zur Verhinderung der Beeinträchtigung einer privaten Quelle waren nicht als derart ungewöhnlich zu qualifizieren, als dass dies zur Annahme eines Sonderfalls geführt hätte. Die Zweckmässigkeit des Anschlusses war deshalb auch in diesem Fall zu bejahen (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 458, E. 4.4).

12. Das Argument, eine alternative Lösung sei dem Kanalisationsanschluss ebenbürtig oder sogar überlegen, vermag die Zweckmässigkeit des Anschlusses ebenfalls nicht in Frage zu stellen (BGE 115 Ib 28, 31, E. 2b.aa; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 4. Dezember 2002, E. 2c m.w.H., in: URP 2003, 252, 254). Die Prüfung von Alternativen würde dem gesetzgeberischen Willen der generellen Anschlusspflicht widersprechen (Botschaft GSchG 1987, 1115; Kohler, Verhältnismässigkeitsprinzip, 311).

Zumutbarkeit

13. Für die Prüfung der Zumutbarkeit des Anschlusses ist auf die Summe der tatsächlich zu tragenden Kosten abzustellen (BGE 132 II 515, 517, E. 4). Aus diesem Grund sind auch die anfallenden Anschlussgebühren in die Prüfung miteinzubeziehen. Der Umstand, dass auch Grundeigentümer in der Bauzone Anschlussgebühren zu entrichten haben, vermag die Nichtberücksichtigung der Anschlussgebühren nicht zu rechtfertigen, zumal die Berechnungsweise und Höhe dieser Gebühren je nach Lage der Baute (Bauzone oder Nichtbauzone) stark variieren können (BGE 132 II 515, 517, E. 4).

14. Die Beurteilung der noch als zumutbar anzusehenden Kosten erfolgt in der Regel aufgeschlüsselt auf die anfallenden Kosten pro Einwohnergleichwert (EGW), wobei der EGW der Anzahl Schlaf‑, Wohn‑ und Arbeitsräume eines Wohnhauses (ohne Küche, Bad, WC etc.) entspricht (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 459, E. 5.2 m.w.H.; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.2; siehe auch BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 2c.bb). Möglich ist aber auch eine Beurteilung pauschal nach der Hausgrösse (VSA, Leitfaden Abwasser, B05 1; vgl. Regierungsrat AR, RRB 1996, 37, 39). Ein fester Wert, der noch als zumutbarer Betrag gilt, kann nicht festgelegt werden, da kein absoluter Referenzwert vorhanden ist, sondern vielmehr regionale Unterschiede bestehen (VSA, Leitfaden Abwasser, A02 5, B05 1). Die Gerichtspraxis hat u.a. folgende Anschlusskosten als zumutbar anerkannt, wobei die Höhe der zumutbaren Anschlusskosten im Laufe der Zeit im Rahmen der allgemeinen Preisentwicklung grundsätzlich gestiegen ist:

  • 1986: CHF 3’000 bis CHF 4’000 pro EGW für landwirtschaftliche Betriebe im Kt. BE (vgl. den Hinweis auf BGer vom 10. Februar 1986 i.S. Grau in BGE 115 Ib 28, 32, E. 2b.bb);
  • 1989: CHF 5’300 pro EGW bei einem alleinstehenden, nichtland­wirtschaftlichen Gebäude im Kt. ZH (BGE 115 Ib 28, 33, E. 2b.cc);
  • 1994/1999: CHF 7’500 pro EGW (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 19. Dezember 1994, in: BVR 1996 17, 25 f., E. 5b.bb; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 3. Mai 1999, in: BVR 1999 456, 464, E. 3d);
  • 2001: CHF 6’000 bis CHF 6’700 pro EGW für ein Ferienhaus mit drei EGW im Kt. GL (BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 2c.bb);
  • 2006: CHF 6’800 pro EGW für eine landwirtschaftliche Baute im Kt. FR (BGE 132 II 515, 518, E. 5.2 m.w.H.);
  • 2008: CHF 8’400 pro EGW, es sei denn, besondere Umstände, wie etwa ein geringer Abwasseranfall, würden diesen Betrag als zu hoch erscheinen lassen (so Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 3. Mai 1999, in: BVR 1999 456, 465, E. 3e). Umgekehrt könne ein teurerer Anschluss als zumutbar gelten, wenn alternative gewässerschutzkonforme Lösungen noch teurer wären (zum Ganzen: Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 460, E. 5.2; siehe auch Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 19. Februar 2002, E. 2d, in: URP 2002, 225, 229).

15. Auch unter Berücksichtigung der Teuerung als nicht mehr zumutbar wurden hingegen Anschlusskosten von CHF 10’000 pro EGW beurteilt (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 29. April 2004, in: BVR 2004 549, 558, E. 3.5.6).

16. Es stellt sich die Frage, ob bei Einhaltung eines bestimmten, nach der jeweiligen kantonalen Praxis noch als zumutbar einzustufenden, Betrags die Kosten einer Kleinabwasserreinigungsanlage oder einer anderen Alternativlösung zur Abwasserbeseitigung überhaupt in die Zumutbarkeitsprüfung miteinzubeziehen sind. Im Grundsatz gilt, dass die Anschlusspflicht nach Art. 11 GSchG nicht allein aus Gründen der technischen Abwasserbeseitigung, sondern auch zur Durchsetzung einer rechtsgleichen, gemeinschaftlichen und ausgewogenen Finanzierung der notwendigen Kanalisation- und Reinigungsanlagen besteht (BGE 115 Ib 28, 30, E. 2aBGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 3a; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 460, E. 5.3). Vor diesem Hintergrund kommt eine Befreiung von der Anschlusspflicht im Bereich öffentlicher Kanalisationen nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen von Art. 12 GSchG in Betracht (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 15. September 2004, E. 3.5, in: URP 2005, 373, 377).

17. Das Bundesgericht selbst hat die Frage, welche Auswirkungen alternative Formen der Abwasserbeseitigung auf die Zumutbarkeit des Anschlusses haben, nicht ausdrücklich beantwortet, hat allerdings die Zumutbarkeit des Anschlusses bei Einhalten eines bestimmten Betrags ohne weitere Prüfung bejaht (vgl. BGer 1A.1/2001 vom 7. Mai 2001, E. 2c.bb; BGE 132 II 515, 518, E. 5.2; siehe Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Juni 2008, in: BVR 2008 452, 460, E. 5.3, wonach die Kosten einer alternativen Art der Abwasserbeseitigung unter den üblichen Umständen nicht zu berücksichtigen sind; gl.M. Verwaltungsgericht TG, Urteil vom 30. Juni 2010, E. 2.1, in: TVR 2010 Nr. 16, wonach die Frage, ob allenfalls eine Kleinkläranlage günstiger wäre, für die Zumutbarkeit keine Rolle spielt). Diese Praxis ist nicht zu beanstanden. Massgebend ist einzig, ob die für den Kanalisationsanschluss aufzuwendenden Kosten diejenigen für vergleichbare Anschlüsse innerhalb der Bauzone nicht wesentlich überschreiten (vgl. Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV). Wann eine wesentliche Überschreitung der Kosten für vergleichbare Anschlüsse vorliegt, kann nicht abschliessend beantwortet werden, sondern liegt im Ermessen der zuständigen Behörde.

18. Nach der Praxis des Verwaltungsgerichts Zürich sind die Kosten alternativer Lösungen in die Zumutbarkeitsbeurteilung miteinzubeziehen, wenn die anfallenden Kosten im interkantonalen Vergleich oder im Vergleich mit den nach bisheriger Rechtsprechung als zumutbar eingestuften Kosten als hoch erscheinen (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 4. Dezember 2002, E. 4c.cc und 4d.bb, in: URP 2003, 252, 258 f.; Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.5.6). Ein Vergleich mit den Kosten für eine dezentrale gewässerschutzkonforme Abwasserreinigungsanlage könne nicht erst bei Überschreiten eines bestimmten, als zumutbar eingestuften Normwerts erfolgen. Vielmehr würden sich nur im unteren Bereich der zumutbaren Anschlusskosten Mehrkosten eines Anschlusses gegenüber alternativen gewässerschutzkonformen Lösungen von mehr als 20 % rechtfertigen (Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 5. Februar 2014 [VB.2013.00709], E. 5.5.6 und 5.5.7).

19. Diese Praxis des Verwaltungsgerichts Zürich überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat durch die Definition des Zumutbarkeitsbegriffs in Art. 12 Abs. 1 Bst. b GSchV die Kriterien der Zumutbarkeitsbeurteilung vorweggenommen. Wenn alternative Formen der Abwasserbeseitigung eine günstigere Lösung als ein Anschluss an die zentrale Abwasserreinigungsanlage darstellen, sollte dies die Zumutbarkeit nicht in Frage stellen. Das gleiche gilt – wie erwähnt – auch für die Frage der Zweckmässigkeit, welche nicht einmal dadurch beinflusst wird, dass andere Formen der Abwasserbeseitigung dem Kanalisationsanschluss überlegen sein können (s. N 12).

B.            Anschlusspflicht (Abs. 1)

1.             Umfang

20. Der Wortlaut von Abs. 1 knüpft nicht ausdrücklich an den Anschluss von Bauten und Anlagen an die öffentliche Kanalisation an – obwohl übli­cherweise genau dies unter dem in der Marginalie genannten Stichwort «Anschlusspflicht» verstanden wird. Abs. 1 regelt unmittelbar die Entsorgung des verschmutzten Abwassers und mittelbar (weil solches sinnvoll nur über einen Kanalisationsanschluss zu bewerkstelligen ist) die Pflicht zum Anschluss von Bauten und Anlagen, von denen Abwasser anfällt, an die öffentliche Kanalisation.

21. Angeschlossen werden müssen Gebäude und Anlagen, aus denen verschmutztes Abwasser anfällt, bzw. die mit den entsprechenden Ab­wasseranlagen (gebäudeinterne Kanalisation zur Aufnahme von Abwasser aus Küche, Bad, WC-Anlagen, Waschküche, Produktionsräumen usw.) ausgerüstet sind. Das GSchG verlangt allerdings nicht, dass jeder einzelne Teil einer Anlage oder jedes einzelne Grundstück eigene Anschlussleitungen aufweisen muss. So ist es etwa zulässig, das Abwasser, das bei der Reinigung eines Gartenterrassenbetriebs anfällt, mittels Kanistern in der angrenzenden Bar zu entsorgen und über den dortigen Anschluss in die Kanalisation einzuleiten (BGer 1C_534/2011 vom 29. Mai 2012, E. 3.3, in: URP 2013, 349, 355).

22. Die Anschlusspflicht umfasst die Pflicht, einen technisch einwandfreien Anschluss an die öffentliche Kanalisation vorzunehmen. Das kantonale Recht kann die Einzelheiten regeln. Typischerweise enthalten die kommunalen Erlasse zur Siedlungsentwässerung Vorschriften über die Ausgestaltung des Anschlusses und die Bau‑ und Unterhaltspflichten der Beteiligten, erfolgt doch mit dem Anschluss der privaten Hausanschlussleitung an die öffentliche Kanalisation auch eine Abgrenzung der Verantwortlichkeitssphäre des privaten Anschlusspflichtigen gegenüber derjenigen des Gemeinwesens als Träger der öffentlichen Kanalisation.

 

2.             Pflichten des Abwasserinhabers

23. Die Anschlusspflicht besteht, soweit nicht eine Ausnahme nach Art. 12 GSchG vorliegt. Der Inhaber ist insbesondere verpflichtet, das verschmutzte Abwasser in einer Beschaffenheit und Menge abzuleiten, die den Anfor­derungen der Gewässerschutzverordnung (Anhang 3 GSchV) entsprechen.

24. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung beruht die An­schlusspflicht nicht nur auf Überlegungen der technischen Abwasserent­sorgung, sondern soll auch eine ausgewogene, gemeinschaftliche und rechtsgleiche Finanzierung der für den Gewässerschutz erforderlichen Kanalisations- und Reinigungsanlagen sicherstellen (BGE 115 Ib 28, 30, E. 2a112 Ib 51, 53 f., E. 5107 Ib 116, 118, E. 2a).

25. Aus diesem Grund kann auch bei Vorliegen einer funktionsfähigen alternativen Lösung zur Abwasserbeseitigung (z.B. Kleinabwasserreinigungsanlage) der Anschluss an die öffentliche Kanalisation verlangt werden, sobald sich die betreffende Baute im Bereich der öffentlichen Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 GSchG befindet. Wurde z.B. ausserhalb des Bereichs der öffentlichen Kanalisation eine Kleinabwasserreinigungsanlage bewilligt und erschliesst die Gemeinde zu einem späteren Zeitpunkt das Gebiet kanalisationstechnisch, so befindet sich die betreffende Baute damit neu im Bereich der öffentlichen Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 Bst. b GSchG. Ein Anschluss hat zu erfolgen, auch wenn die vormals bewilligte alternative Form der Abwasserbeseitigung einwandfrei funktioniert.

 

3.             Zusammenhang mit der rechtsgenügenden Erschliessung

26. Der Anschluss an die öffentliche Kanalisation stellt eine Voraussetzung für eine hinreichende Erschliessung im Sinne von Art. 19 RPG dar. Fehlt es an der Erschliessung, ist die Erteilung einer Baubewilligung ausgeschlossen. Dies wird in Art. 17 GSchG ausdrücklich normiert.

 

4.             Abgrenzung zur Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers

27. Abs. 1 bezieht sich ausschliesslich auf verschmutztes Abwasser im Sinne von Art. 4 Bst. f GSchG. Nicht verschmutztes Abwasser soll wenn möglich von der öffentlichen Kanalisation ferngehalten werden (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Hierfür sind grundsätzlich eigene Entsorgungsanlagen vorzusehen (namentlich Versickerungsanlagen zur lokalen Versickerung des nicht verschmutzten Abwassers). Aus diesem Grund verlangt Art. 11 GSchV, dass das Niederschlagswasser und das Fremdwasser bis ausserhalb des Gebäudes getrennt vom verschmutzten Abwasser abgeleitet werden.

 

C.           Abnahmepflicht (Abs. 3)

28. Während der Inhaber des Abwassers gestützt auf Abs. 1 zum Anschluss an die öffentliche Kanalisation verpflichtet ist, hat der Inhaber der öffentlichen Kanalisation dieses Abwasser aufgrund von Abs. 3 entgegenzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen.

29. Öffentliche Kanalisation und zentrale Abwasserreinigungsanlage bilden dabei eine funktionale Einheit: Mit der Abnahmepflicht ist gleichzeitig auch eine Pflicht des Inhabers der öffentlichen Kanalisation verbunden, für eine umweltgerechte Entsorgung des Abwassers zu sorgen. Ist der Inhaber der öffentlichen Kanalisation gleichzeitig auch Inhaber der zentralen Abwasserreinigungsanlage, hat er dafür zu sorgen, dass das Abwasser in seiner zentralen Abwasserreinigungsanlage behandelt wird. Haben öffentliche Kanalisation und zentrale Abwasserreinigungsanlage hingegen verschiedene Inhaber, muss der Inhaber der öffentlichen Kanalisation das Abwasser dem Inhaber der zentralen Abwasserreinigungsanlage übergeben; Letzterer ist dann für die gewässerschutzrechtskonforme Behandlung des Abwassers verantwortlich.

 

 

Résumé

L’art. 11 LEaux fixe deux obligations complémentaires. L’art. 11 al. 1 LEaux prévoit une obligation générale de raccordement aux égouts publics, dans lesquels les eaux polluées au sens de l’art. 4 let. f LEaux doivent être déversées. Cet alinéa institue un monopole de droit sur l’élimination des eaux polluées. La seconde obligation est celle imposée aux détenteurs des égouts publics de prendre en charge les eaux polluées et de les amener jusqu’à la station centrale d’épuration (art. 11 al. 3 LEaux). Les détenteurs des eaux polluées sont, en outre, tenus de s’assurer que les eaux polluées soient évacuées conformément aux exigences de qualité et de quantité fixées à l’annexe 3 OEaux.

L’obligation de raccordement dans le périmètre des égouts (art. 11 al. 2 LEaux) englobe, en dehors des zones de constructions au sens de l’art. 15 LAT, d’autres zones telles que celles équipées d’égouts (art. 11 al. 2 let. b LEaux) ou les zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être exigé (art. 11 al. 2 let. c LEaux). Selon l’art. 12 al. 1 let. a OEaux, le raccordement est opportun lorsqu’il peut être effectué conformément aux règles de la technique et aux coûts de construction usuels. Il est raisonnablement exigible lorsque les coûts du raccordement ne sont pas sensiblement plus élevés que ceux d’un raccordement comparable dans la zone à bâtir (art. 12 al. 1 let. b OEaux). La décision sur l’opportunité et l’exigibilité du raccordement est une décision discrétionnaire. Une abondante jurisprudence concrétise ces deux principes.

Le raccordement aux égouts publics est également une condition pour l’équipement adéquat au sens de l’art. 19 LAT. Selon la jurisprudence constante du TF, l’obligation de raccordement se fonde non seulement sur des considérations techniques d’évacuation des eaux, mais vise également à assurer un financement équilibré, commun et égal pour tous des canalisations et installations d’épuration.

 

Materialien: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Hinweise für die Abwasserbeseitigung im ländlichen Raum, in: Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 107, Bern 1989 (zit. Abwasserbeseitigung); Regierungsrat AR, Regierungsratsbeschluss vom 13. August 1996, in: AR GVP 8/1996, 37 ff. (zit. RRB 1996); Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Abwasser im ländlichen Raum – Leitfaden für Planung, Evaluation, Betrieb und Unterhalt von Abwassersystemen bei Einzelliegenschaften und Kleinsiedlungen, Zürich 2005 (zit. Leitfaden Abwasser).

Kehrli Jeannette​ | Stutz Hans W.​

Sonderfälle im Bereich öffentlicher Kanalisationen

1         Wer Abwasser einleiten will, das den Anforderungen an die Einleitung in die Kanalisation nicht entspricht, muss es vorbehandeln. Die Kantone regeln die Vorbehandlung.

2         Die kantonale Behörde entscheidet über die zweckmässige Beseitigung von Abwasser, das für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist.

3         Nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt, darf weder direkt noch indirekt einer zentralen Abwasserreinigungsanlage zugeleitet werden. Die kantonale Behörde kann Ausnahmen bewilligen.

4         In einem Landwirtschaftsbetrieb mit erheblichem Rindvieh- und Schweinebestand darf das häusliche Abwasser zusammen mit der Gülle landwirtschaftlich verwertet werden (Art. 14), wenn:

a.       die Wohn‑ und Betriebsgebäude mit Umschwung in der Landwirtschaftszone liegen oder die Gemeinde Massnahmen trifft, namentlich Planungszonen bestimmt, um die Gebäude samt Umschwung der Landwirtschaftszone zuzuweisen;

b.       die Lagerkapazität auch für das häusliche Abwasser ausreicht und die Verwertung auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche sichergestellt ist.

5         Werden Wohn‑ und Betriebsgebäude mit Umschwung nach Absatz 4 nicht innert fünf Jahren nach Erlass der Massnahmen der Landwirtschaftszone zugewiesen, so muss das häusliche Abwasser in die Kanalisation geleitet werden.

Cas particuliers dans le périmètre des égouts publics

1         Celui qui détient des eaux usées ne répondant pas aux exigences fixées pour le déversement dans les égouts doit soumettre celles-ci à un prétraitement. Celui-ci est réglementé par les cantons.

2         Lorsque les eaux usées ne se prêtent pas à l’épuration dans une station centrale, l’autorité cantonale prescrit un mode d’élimination approprié.

3         Les eaux non polluées dont l’écoulement est permanent ne doivent pas être amenées, directement ou indirectement, à une station centrale d’épuration. L’autorité cantonale peut autoriser des exceptions.

4         Dans une exploitation agricole comprenant un important cheptel bovin ou porcin, les eaux usées domestiques peuvent être mélangées au lisier (art. 14) lorsque:

a.       les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes ont été classés en zone agricole ou que la commune a pris les dispositions nécessaires pour qu’ils le soient, notamment par des mesures d’aménagement du territoire;

b.       la capacité d’entreposage est suffisante pour que les eaux usées domestiques puissent également y être recueillies et que leur utilisation soit possible sur les terres en propre ou en fermage.

5         Si, dans les cinq ans, les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes au sens de l’al. 4 ne sont pas classés en zone agricole, les eaux usées domestiques seront alors déversées dans les égouts.

Casi particolari nel perimetro delle canalizzazioni pubbliche

1         Chi ha acque di scarico che non soddisfano le esigenze per l’immissione nelle canalizzazioni deve pretrattarle. I Cantoni disciplinano il pretrattamento.

2         Per le acque di scarico non idonee ad essere trattate in una stazione centrale di depurazione, l’autorità cantonale prescrive altri metodi appropriati di eliminazione.

3         Le acque di scarico non inquinate, con afflusso permanente, non devono essere introdotte né direttamente né indirettamente in una stazione centrale di depurazione. L’autorità cantonale può autorizzare eccezioni.

4         In un’azienda agricola con un notevole effettivo di bovini o suini, le acque di scarico do­mestiche possono essere sfruttate a scopi agricoli insieme al colaticcio (art. 14), se:

a.       gli edifici abitativi e aziendali e il terreno adiacente si trovano in zona agricola o il co­mune adotta le disposizioni necessarie, segnatamente delimita zone di pianificazione, per dichiararli in zona agricola;

b.       la capacità di deposito è sufficiente anche per le acque di scarico domestiche e lo sfrutta­mento su superfici utili, proprie o affittate, è assicurato.

5         Se, entro cinque anni dall’adozione delle misure, gli edifici abitativi e aziendali e il terreno adiacente secondo il capoverso 4 non sono dichiarati in zona agricola, le acque di scarico domestiche devono essere immesse nelle canalizzazioni.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
​II.​ ​Allgemeine Bemerkungen 5
A. Überblick 5
B. Abwasservorbehandlung 9
C. Abwasser, das für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist 13
D. Fremdwasserproblematik 16
E. Landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers 19
III. Kommentierung 21
​A. ​Vorbehandlung von Abwasser (Abs. 1) 21
1. Handlungspflichten 21
2. Vorbehandlungsmassnahmen 37
​3. ​Kantonale Regelung der Vorbehandlung 43
B. ​Entsorgung von für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignetem Abwasser (Abs. 2) 46
1. ​Zweckmässige Entsorgung von nicht geeignetem Abwasser 46
2. ​Entscheid der kantonalen Behörde 48
3. ​Mitwirkung des Inhabers des Abwassers 52
C. Fremdwasser 58
​1. Begriff und Abgrenzung
​2. ​Ausnahmebewilligung 60
​D. Landwirtschaftliches Privileg
(Abs. 4 und 5
62
​1. ​Voraussetzungen 62
​2. ​Besonderes 69

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Abs. 1 und 2 knüpfen inhaltlich an die Regelung von Art. 18 Abs. 1 und 2 GSchG 1971 an (AS 1972 950). Als Ausnahme zur allgemeinen Kanalisationsanschlusspflicht wurde in Abs. 1 die kantonale Behörde ermächtigt, «besondere Arten der Behandlung und Ableitung» anzuordnen, wenn es sich um Abwässer handelte, «die für die zentrale Reinigung nicht geeignet sind oder für die diese aus anderen wichtigen Gründen nicht angezeigt ist». Dabei dachte man in erster Linie an Industrieabwasser (Botschaft GSchG 1970, 452). Abs. 2 Satz 2 schränkte die Pflicht der Inhaber der Kanalisationen, die Abwässer abzunehmen und der zentralen Reinigung zuzuführen, ein: «Abwässer mit schädlichen Wirkungen für die Abwasseranlagen sind vor der Einleitung in die Kanalisationen durch den Verursacher vorbehandeln zu lassen.»

2. Eine Vorschrift über nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt (Abs. 3), war im GSchG 1971 noch nicht enthalten. Immerhin wurde auf Verordnungsebene unter dem Stichwort «Abwasserverdünnung» angeordnet, dass «wenig verschmutztes Niederschlagswasser, Sickerwasser, Quellwasser, Bachwasser und ähnliche unverschmutzte Wässer mit Rücksicht auf die unerwünschte Verdünnung in der Mischwasserkanalisation […] direkt in ein Oberflächengewässer einzuleiten oder unter Berücksichtigung der örtlichen hydrogeologischen und technischen Verhältnisse versickern zu lassen» seien (Art. 4 Abs. 3 der bundesrätlichen Verordnung über Abwassereinleitungen vom 8. Dezember 1975, AS 1975 2403).

3. Zu den Abs. 4 und 5 finden sich im GSchG 1971 keine entsprechenden Be-stimmungen. Die landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers wurde vor der Regelung in Art. 12 Abs. 4 und 5 GSchG lediglich jenen Landwirten zugestanden, deren Betriebe ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen lagen (Botschaft GSchG 1987, 1116).

4. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Art. 12 (Botschaft GSchG 1987, 1185 f.) wurde von den eidgenössischen Räten mit unbedeutenden redaktionellen Änderungen ins Gesetz übernommen. Weder im Nationalrat noch im Ständerat war Art. 12 Gegenstand von Debatten.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Überblick

5. Es geht in Art. 12 GSchG um verschiedene Tatbestände, die in einem bestimmten Zusammenhang mit der Entsorgung von verschmutztem Abwasser im Bereich der öffentlichen Kanalisationen stehen.

6. Art. 12 GSchG knüpft an die bestehende allgemeine Pflicht zum Anschluss des verschmutzten Abwassers an die öffentliche Kanalisation (Art. 11 Abs. 1 GSchG) an. In Art. 12 GSchG werden zunächst drei Sachverhalte geregelt, bei denen der Grundsatz der Einleitung des verschmutzten Abwassers in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage durchbrochen wird (Abs. 1, 2 sowie 4–5). Ferner befasst sich Abs. 3 mit der sogenannten Fremdwasserproblematik. Als Fremdwasser wird «nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt» verstanden.

7. Zu Art. 12 GSchG hat der Bundesrat mit der Gewässerschutzverordnung gesetzesvertretendes Ausführungsrecht geschaffen. Art. 6–17 GSchV und die Anh. 3.2 und 3.3 GSchV enthalten Bestimmungen, welche die Vorgaben von Art. 12 GSchG präzisieren. Insbesondere enthalten die Anh. 3.2 und 3.3 GSchV Anforderungen an die Beschaffenheit des abzuleitenden verschmutzten Abwassers.

8. In Bezug auf Abs. 4 von Art. 12 GSchG definiert Art. 12 Abs. 3 GSchV, was unter einem erheblichen Rindvieh‑ und Schweinebestand gemeint ist.

 

B.            Abwasservorbehandlung

9. Die zentrale Abwasserreinigungsanlage ist in erster Linie auf die Behandlung von kommunalem Abwasser (Anh. 3.1 GSchV) ausgerichtet. Dieses enthält neben Feststoffen gelöste organische, leicht abbaubare (Nähr‑)Stoffe. Während die Feststoffe in der mechanischen Stufe vom Abwasser abgetrennt werden, werden die gelösten Stoffe in der biologischen Stufe der zentralen Abwasserreinigungsanlage durch Mikroorganismen abgebaut.

10. Es muss sichergestellt werden, dass in der biologischen Reinigungsstufe der zentralen Abwasserreinigungsanlage dauernd Bedingungen herrschen, bei denen die Mikroorganismen ihre Funktion des Abbaus der organischen Stoffe erfüllen können. Das Rohabwasser muss in Bezug auf Temperatur und Zusammensetzung bestimmte Eigenschaften aufweisen. Insbesondere dürfen keine Stoffe in Konzentrationen im Rohabwasser auftreten, die allein oder in ihrem Zusammenwirken auf die Mikroorganismen toxisch wirken. Ferner sind oberflächenaktive Stoffe wie Detergentien in höheren Konzentrationen problematisch, weil sie in der zentralen Abwasserreinigungsanlage störend wirken (Schaumbildung usw.). Dies beeinträchtigt die Aufnahme von Sauerstoff durch die Mikroorganismen, was im Extremfall zu einem vollständigen Versagen der biologischen Stufe und damit zu gravierenden Gewässerverunreinigungen führen kann.

11. Auch die Temperaturverhältnisse haben einen Einfluss auf die Rei­nigungsleistung der biologischen Stufe der zentralen Abwasserreini­gungsanlage. Je nach Temperatur des Abwassers ist das Abbauverhalten der Mikroorganismen verschieden, was zu Unterschieden bei der Reini­gungsleistung der zentralen Abwasserreinigungsanlage führt.

12. Um das Funktionieren der zentralen Abwasserreinigungsanlage sicherzustellen, legt die Gewässerschutzverordnung in Anh. 3.2 für Industrieabwasser und in Anh. 3.3 für «anderes» verschmutztes Abwasser (als kommunales Abwasser und Industrieabwasser) Anforderungen an dessen Beschaffenheit fest. Diese Anforderungen müssen am Ort der Einleitung in die öffentliche Kanalisation eingehalten werden. Man spricht von «Vorbehandlung» des Abwassers am Anfallort (Vorbehandlung deshalb, weil das vorbehandelte Abwasser in die öffentliche Kanalisation eingeleitet wird und in der zentralen Abwasserreinigungsanlage dann soweit behandelt wird, dass es in das Gewässer eingeleitet werden kann). Ziel dieser Vorbehandlung ist mithin, das Abwasser gemäss den Anforderungen der GSchV so zu konditionieren, dass es in die öffentliche Kanalisation abgeleitet werden kann.

 

C.           Abwasser, das für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist

13. Abs. 2 bezieht sich auf verschmutztes Abwasser, das aufgrund seiner Beschaffenheit oder Menge nicht (ohne Weiteres) in die öffentliche Kanalisation und somit die zentrale Abwasserreinigungsanlage abgeleitet werden darf, weil es zu Problemen in der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen kann. So kann es zu hydraulischen Überlastungen der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage kommen, wenn Abwassermengen eingeleitet werden, welche die Kapazität der Abwasseranlagen übersteigen. Die Folge können vermehrte ungewollte Entlastungen von verschmutztem Abwasser, das noch nicht behandelt ist, in die Gewässer sein, wodurch Gewässerverunreinigungen entstehen. Ferner können Überlastungen der Reinigungsstufen der zentralen Abwasserreinigungsanlage auftreten, die dazu führen, dass ungenügend gereinigtes Abwasser in den Vorfluter fliesst oder es zum Rückstau in der Kanalisation kommt. Vor allem bei Industrieabwasser werden auch toxische und korrosive Stoffe abgeleitet, die zu Schäden an der öffentlichen Kanalisation (Korrosion von Abwasserleitungen) oder an der zentralen Abwasserreinigungsanlage (toxische Wirkungen auf die biologische Reinigungsstufe) führen können.

14. Im Einzelnen geht es um:

  • kommunales Abwasser, soweit es die Kapazität der öffentlichen Kanalisation oder der zentralen Abwasserreinigungsanlage sprengt;
  • Industrieabwasser, das in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden soll (Indirekteinleitung), aber den Anforderungen von Anh. 3.2 GSchV nicht entspricht; soweit dieses Abwasser vorbehandelt wird, ist auch Art. 12 Abs. 1 GSchG anwendbar;
  • Industrieabwasser, das direkt in ein Gewässer eingeleitet werden soll (Direkteinleitung), wenn es den Anforderungen von Anh. 3.1 und 3.2 GSchV nicht entspricht;
  • anderes verschmutztes Abwasser, soweit es gemäss den Anforderungen nach Anh. 3.3 GSchV behandelt (Direkteinleitung) oder vorbehandelt (Indirekteinleitung) werden muss.

15. Abs. 2 regelt nicht das Thema Fremdwasser, weil es sich dabei – vom Ursprungsort aus betrachtet – um nicht verschmutztes Abwasser handelt. Bei der Entsorgung des Fremdwassers sind die Vorschriften über die Entsorgung von nicht verschmutztem Abwasser anzuwenden (Art. 7 Abs. 2 GSchG). Hingegen gilt Kühlwasser gemäss Anh. 3.3 Ziff. 21 und 22 GSchV als verschmutztes Abwasser. Diese gesetzliche Vermutung kann nicht widerlegt werden, da das Kühlwasser einerseits in der Regel physikalisch verändert wurde (Temperatur!) und andererseits stets ein gewisses Risiko besteht, dass das Kühlwasser mit Stoffen, die Wasser verunreinigen können, verunreinigt wird.

D.           Fremdwasserproblematik

16. Pro Jahr wird in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen schweizweit knapp 1,7 Mrd. m3 verschmutztes Abwasser behandelt (Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 131). Im Durchschnitt beträgt dabei der Anteil des Fremdwassers etwa 40 %, wobei je nach Kanton erhebliche Abweichungen vom schweizerischen Mittel auftreten (z.B. Kanton Wallis: mehr als 60 %; Kanton Basel-Land, nach einer Kampagne zur Fremdwassersanierung: 30 %; vgl. Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 138). Das Fremdwasser stammt aus Sickerleitungen, landwirtschaftlichen Drainagen, Quellen, eingedolten oberirdischen Gewässern, Überläufen von Reservoiren der Wasserversorgung und aus Laufbrunnen. Nicht zu vernachlässigen sind auch Grundwassereinbrüche bei schadhaften Kanalisationen.

17. Hohe Fremdwasseranteile in der öffentlichen Kanalisation und in der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen zu verschiedenen unerwünschten Effekten:

  • Die hydraulische Belastung der Abwasseranlagen nimmt zu. Die Anlagen müssen als Folge grösser dimensioniert werden, was erheblich höhere Kosten für die öffentliche Abwasserentsorgung bedeuten kann. Führt man sich vor Augen, dass der Wiederbeschaffungswert der öffentlichen Abwasseranlagen rund CHF 130–160 Mrd. beträgt (Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 79), wird rasch klar, dass in der Vergangenheit durch Fremdwassereinleitungen unnötige Investitionen in grosser Höhe ausgelöst wurden.
  • Die Wirksamkeit des Gesamtsystems nimmt ab. Bei grösserer Wassermenge und gleichen Schadstoffkonzentrationen im Auslauf aus der zentralen Abwasserreinigungsanlage ergeben sich höhere Schadstofffrachten, die mit dem behandelten Abwasser in das öffentliche Gewässer entweichen.

18. Fremdwasserzuflüsse in die öffentliche Kanalisation sind zu sanieren (Komm. zu Art. 76 GSchG N 6 f.). Das Fremdwasser, welches als nicht verschmutzt gilt, ist zu versickern oder, wenn dies aus technischen Gründen (Versickerungsfähigkeit des Bodens usw.) nicht möglich ist, in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten.

E.            Landwirtschaftliche Verwertung des häuslichen Abwassers

19. Art. 12 Abs. 4 regelt eine Ausnahme von der Anschlusspflicht für landwirtschaftliche Betriebe. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, eine differenzierte Regelung der Abwasserbeseitigung zu verwirklichen und eine aus Sicht des Gewässerschutzes vorteilhafte Verwertung der Abwässer zu ermöglichen (Botschaft GSchG 1987, 1116). Da landwirtschaftliche Gülle ohnehin vor der Ausbringung mit Wasser verdünnt werden muss, damit keine Schäden an begüllten Kulturen entstehen und die Nährstoffe der Gülle besser genutzt werden, ist es sinnvoll, dafür häusliches Abwasser anstelle von Trinkwasser zu verwenden (BLW/BUWAL, Wegleitung Landwirtschaft, 52; Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 21. August 2013, B-2013-61, E. 4.5.4). Da der natürliche Boden, sofern er bepflanzt und durchwurzelt ist, bei sachgerechter Ausbringung der verdünnten Gülle als Filter für das Abwasser einen äusserst hohen Wirkungsgrad aufweist, ist eine solche Abwasserbehandlung zudem aus Sicht des Gewässerschutzes vorteilhaft (BLW/BUWAL, Wegleitung Landwirtschaft, 52).

20. Sind die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 erfüllt, entfällt die An­schlusspflicht an die öffentliche Kanalisation. Es ist insbesondere auch nicht zu prüfen, ob ein Anschluss an die Kanalisation nach Art. 11 Abs. 2 Bst. c zweckmässig und zumutbar wäre (BGer 1C_401/2008 vom 26. März 2009, E. 2.3).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Vorbehandlung von Abwasser (Abs. 1)

1.             Handlungspflichten

21. Die Verpflichtung zur Abwasservorbehandlung trifft den Inhaber des Abwassers, wie aus dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 1: «Wer Abwasser einleiten will, […] muss es vorbehandeln» geschlossen werden kann. Ein Blick auf das ausführende Verordnungsrecht zeigt indes, dass der Inhaberbegriff mehrschichtig ist. Je nach Sachzusammenhang ist der Inhaber des verschmutzten Abwassers, der Inhaber der Abwasseranlagen (wozu auch Vorbehandlungsanlagen zählen) oder auch der Inhaber des Betriebs, der Industrieabwasser ableitet, Adressat von Art. 12 GSchG. Im Übrigen ist der Inhaberbegriff im Gewässerschutzrecht gleich wie im Umweltschutzrecht zu definieren: Als Inhaber gilt, wer die tatsächliche Herrschaft über eine Sache innehat. Tatsächliche Sachherrschaft «meint das faktische Vermögen, die Sache ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht zu verwenden, zu verändern, zu zerstören, zu behalten oder weiterzugeben» (Brunner/Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30-32e, N 50, mit Verweis auf BGE 119 Ib 492, 502, E. 4b cc118 Ib 407, 411, E. 3c = URP 1993, 87; vgl. auch Lustenberger, Gefahrenabwehr, 378 ff.; ferner Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 15. März 2004, E. 4.4, in: BVR 2004 464, 472).

22. Im Einzelnen bestehen bei der Verpflichtung zur Abwasservorbehandlung folgende Handlungspflichten:

 

Pflicht zur Projektierung und Erstellung der Vorbehandlungsanlagen

23. Die Entsorgung von Industrieabwasser (d.h. Abwasser aus gewerblichen und industriellen Betrieben sowie damit vergleichbares Abwasser, wie solches aus Laboratorien und Spitälern; Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. a und b GSchV) ist Teil der betrieblichen Leistungserbringungsprozesse. Ist eine Vorbehandlung bestimmter verschmutzter Abwässer erforderlich, ist dies zwangsläufig mit Umstellungen in den betrieblichen Abläufen verbunden.

24. Diese Umstellungen müssen vom Betrieb bewusst geplant werden. Es ist zu entscheiden, welche Verfahrenstechnik bei der Abwasserbehandlung eingesetzt werden soll. Unter Umständen sind mit Blick auf die Entsorgung des Abwassers überdies Produktionsprozesse zu optimieren (z.B. Verfahrensumstellungen in der Produktion, Substitution von Stoffen durch weniger problematische). Über die Anwendung einer geeigneten Abwassertechnologie hinaus sind somit stets auch organisatorische und betriebliche Massnahmen in Betracht zu ziehen. Oft sind Kombinationen verschiedener Massnahmen zielführend; es gibt nicht nur eine Möglichkeit, um das Ziel der Abwasservorbehandlung zu erreichen, nämlich dass das in die öffentliche Kanalisation abzuleitende Abwasser in seiner Beschaffenheit den Anforderungen von Anh. 3.2 GSchV (Industrieabwasser) bzw. Anh. 3.3 GSchV (anderes verschmutztes Abwasser) dauernd entspricht.

25. Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV gibt bei Industrieabwasser vor, dass bei Produktionsprozessen und bei der Abwasserbehandlung die nach dem Stand der Technik notwendigen Massnahmen getroffen werden müssen, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Insbesondere ist dafür zu «sorgen, dass:

a.      so wenig abzuleitendes Abwasser anfällt und so wenig Stoffe, die Wasser verunreinigen können, abgeleitet werden, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist;

b.     nicht verschmutztes Abwasser und Kühlwasser getrennt von verschmutztem Abwasser anfällt;

c.      verschmutztes Abwasser weder verdünnt noch mit anderem Abwasser vermischt wird, um die Anforderungen einzuhalten; die Verdünnung ist erlaubt, wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist und dadurch nicht mehr Stoffe abgeleitet werden als bei getrennter Behandlung.»

26. Zusätzlich gibt Anh. 3.2 GSchV für Industrieabwasser allgemeine Anforderungen (z.B. Anforderungen an den pH-Wert des abzuleitenden Abwassers, Konzentrationsgrenzwerte für bestimmte Schwermetalle und andere Stoffe) und für Abwasser aus bestimmten Branchen besondere Anforderungen vor.

27. Bei anderem verschmutztem Abwasser im Sinne von Anh. 3.3 GSchV legt die Gewässerschutzbehörde die Anforderungen an die Einleitung aufgrund der Eigenschaften des Abwassers, des Standes der Technik und des Zustandes des Gewässers im Einzelfall fest (Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Auch hier sind für bestimmte Prozesse (für Anlagen mit Kühlsystemen, Baustellen, Fassaden‑ und Tunnelreinigung, Deponien, Kiesaufbereitungsanlagen oder Schwimmbecken) ergänzend besondere Anforderungen zu beachten (Anh. 3.3 Ziff. 2 GSchV).

28. Einleitungen von Industrieabwasser nach Anh. 3.2 GSchV und von anderem verschmutztem Abwasser nach Anh. 3.3 GSchV in die öffentliche Kanalisation sind bewilligungspflichtig (Art. 7 Abs. 1 GSchV). Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ist nicht nur zu prüfen, ob die Anforderungen nach Anh. 3.2 bzw. Anh. 3.3 GSchV eingehalten werden, sondern auch, ob Gründe zur Verschärfung oder Erleichterung der Anforderungen vorliegen (Art. 7 Abs. 2 und 3 GSchV).

29. Selbstverständlich sind auch Einleitungen von verschmutztem Abwasser in Gewässer und die ausnahmsweise Versickerung solchen Abwassers bewilligungspflichtig (Art. 7 Abs. 1 GSchG in Verbindung mit Art. 6 GSchV bzw. Art. 8 GSchV). Auch bei der Einleitung verschmutzten Abwassers in Gewässer bestehen Verschärfungs‑, Ergänzungs‑ und Erleichterungsgründe (Art. 6 Abs. 2–4 GSchV; vgl. dazu Komm. zu Art. 7 GSchG N 29 ff.).

30. Für die Erstellung der Vorbehandlungsanlagen ist ihr Inhaber verantwortlich (so auch ausdrücklich Art. 15 Abs. 1 GSchG). Dieser ist regelmässig gleichzeitig auch der Inhaber des Abwassers.

 

Pflicht, die Vorbehandlungsanlagen sachgemäss zu betreiben

31. Im Hinblick auf einen störungsfreien Betrieb müssen die Vorbehand­lungsanlagen sachgemäss betrieben werden. Unter einem sachgemässen Betrieb sind die fachkundige Bedienung, die permanente Wartung und der hinreichende Unterhalt der Anlagen zu verstehen. Diese Pflichten folgen bereits in allgemeiner Weise aus Art. 12 Abs. 1 GSchG und werden in Art. 15 Abs. 1 GSchG ausdrücklich als Pflichten des Inhabers der Abwasseranlagen genannt. Auf Verordnungsebene führt Art. 13 GSchV («Fachgerechter Betrieb») die Pflichten näher aus.

32. Zu einem sachgemässen Betrieb gehören auch verschiedene Nebenpflichten, so etwa das Protokollieren der wesentlichen Betriebszustände der Vorbehandlungsanlage (namentlich Aufzeichnungen einer pH-Endkontrolle, Ergebnisse von chemischen Analysen, Rapporte über Betriebsstörungen und deren Behebung, Protokolle der vorgeschriebenen regelmässigen Funktionskontrollen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GSchG). Zu den im Einzelnen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Abwasseranlagen bestehenden Pflichten s. Komm. zu Art. 15 GSchG N 28 ff.

 

Meldepflichten gegenüber der Gewässerschutzbehörde

33. Die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Ka­nalisation ableiten, und die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten (worunter Vorbe­handlungsanlagen zu verstehen sind), können verpflichtet werden, der Gewässerschutzbehörde wesentliche Daten über die Abwasserentsorgung zu melden (Art. 14 GSchV). Bezweckt wird damit einerseits, dass die Behörde erkennen kann, ob in einem industriellen oder gewerblichen Betrieb eine Abwasservorbehandlung angeordnet werden muss. Andererseits wird mit der Meldepflicht auch bezweckt, dass bei eingetretenen oder zu befürchtenden Störungen des Betriebs bestehender Vorbehandlungsanlagen die Behörde frühzeitig eingreifen kann.

34. Der Gewässerschutzbehörde gemeldet werden müssen die abgeleiteten Abwassermengen und die Mengen und Konzentrationen der Stoffe, die sie nach Art. 13 GSchV ermitteln müssen. In der gemäss Art. 7 GSchV erforderlichen Bewilligung wird diese Meldepflicht als Auflage in denjenigen Fällen angeordnet, in denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Abwassereinleitungen zu Problemen in der öffentlichen Kanalisation oder in der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen könnten.

 

Pflicht, Massnahmen im Hinblick auf ausserordentliche Ereignisse zu ergreifen

35. Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in eine Abwasserreini­gungsanlage ableiten, «müssen zur Verminderung des Risikos einer Ge­wässerverunreinigung durch ausserordentliche Ereignisse die geeigneten und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen treffen» (Art. 16 Abs. 1 GSchV). Stellt sich heraus, dass trotz dieser Massnahmen das Verunreinigungsrisiko «nicht tragbar» ist, ordnet die Gewässerschutzbehörde die erforderlichen zusätzlichen Massnahmen an (Art. 16 Abs. 2 GSchV), und zwar ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Tragbarkeit dieser zusätzlichen Massnahmen. Dieser Risikoansatz wurde dem Regelungskonzept der StFV nachgebildet (weiterführend Stutz, Abwasserrecht, 48 f.).

36. Im Zusammenhang mit diesem Risikoansatz müssen die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation ableiten, dafür sorgen, dass ausserordentliche Ereignisse unverzüglich dem Inhaber der Abwasserreinigungsanlage gemeldet werden, wenn diese Ereignisse dazu führen können, dass der ordnungsgemässe Betrieb der (öffentlichen) Abwasseranlagen erschwert oder gestört wird (Art. 17 Abs. 2 GSchV). Auch gegenüber der Bewilligungsbehörde (vgl. Art. 6–8 GSchV) besteht eine Meldepflicht (Art. 17 Abs. 1 GSchV).

 

2.             Vorbehandlungsmassnahmen

37. Soweit das abzuleitende verschmutzte Abwasser in seiner Beschaffenheit nicht den Anforderungen von Anh. 3.2 oder Anh. 3.3 GSchV entspricht, ist es vorzubehandeln. Vorbehandlung in einem weiten Sinn umfasst auch verfahrenstechnische Umstellungen in der Produktion wie namentlich die Substitution von Stoffen oder die Wahl alternativer Herstellungsverfahren. In einem engeren Sinn versteht man unter Vorbehandlung technische Behandlungsverfahren für das Abwasser, mit dem Ziel, das Abwasser in seiner Beschaffenheit so zu ändern, dass es den Vorschriften für die Ableitung in die öffentliche Kanalisation entspricht. Es kommt dabei, zugeschnitten auf die jeweils vorhandenen Stoffe im vorzubehandelnden Abwasser (eine Auswahl typischer Inhaltsstoffe findet sich in Stutz, Abwasserrecht, 153), eine Vielzahl physikalischer, biologischer und chemischer Vorbehandlungsprozesse zur Anwendung.

38. Die anzuwendende Verfahrenstechnik bei der Vorbehandlung hat sich am Stand der Technik zu orientieren (Näheres hierzu s. BUWAL, Stand der Technik, 9; Brunner, Stand der Technik, 210 f.; Stutz, Abwasserrecht, 164 ff.; in der Rechtsprechung dazu Verwaltungsgericht ZH, Urteil vom 11. Mai 2005, E. 3, in: URP 2005, 744, 746, sowie Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 12. Januar 2009, E. 4, in: URP 2009, 648, 654 ff.):

  • Der Begriff kennzeichnet einen fortschrittlichen Entwicklungsstand technologischer Verfahren («Front des technischen Fortschrittes»).
  • Diese Verfahren haben sich in der praktischen Anwendung bewährt oder sie sind in der Praxis sicher durchführbar.
  • Die wirtschaftliche Durchführbarkeit muss gewährleistet sein, wobei zu beachten ist, dass die wirtschaftliche Durchführbarkeit nicht identisch ist mit individueller betriebswirtschaftlicher Vertretbarkeit oder Zumutbarkeit; vielmehr kommt es auf die ökonomische Durchführung entsprechender Verfahren usw. in dem betreffenden industriellen Sektor an.

39. Das BAFU hat, in Zusammenarbeit mit den Kantonen, verschiedene Vollzugshilfen erarbeitet, die unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren und eine einheitliche Vollzugspraxis erreichen wollen. Teilweise wird darin auch der Stand der Technik festgehalten. Mit Bezug auf Industrieabwasser bestehen folgende Vollzugshilfen:

  • Einleitung von Abwässern der chemischen Industrie in Gewässer und in die öffentliche Kanalisation (2001)
  • Amalgamablagerungen in Abwasserleitungen von Zahnarztpraxen (1999)
  • Empfehlungen für die Entsorgung von quecksilberhaltigen Abwässern und Abfällen aus Zahnarztpraxen (1988)
  • Wegleitung für die Vorbehandlung und Entsorgung von Abwässern aus dem Auto‑ und Transportgewerbe (1987)

40. Auch hinsichtlich der Entsorgung von anderem verschmutztem Abwasser (nach Anh. 3.3 GSchV) sind verschiedene Vollzugshilfen des BAFU herausgegeben worden, so etwa:

  • Anforderungen an die Einleitung von Deponiesickerwasser (2012)
  • Strassenabwasserbehandlungsverfahren, Stand der Technik (2010)
  • Abwässer aus Kehrichtverbrennungsanlagen (2004)
  • Gewässerschutz bei der Entwässerung von Verkehrswegen (2002)
  • Entwässerungsverhalten und Schadstoffaustrag von Gleiskörpern (2002)

41. Neben dem BAFU widmen sich auch private Organisationen der Nor­mierung im Bereich der Abwasserentsorgung. Zu erwähnen sind namentlich der Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) und der Schweizerische Ingenieur‑ und Architektenverein (SIA).

42. Obwohl diese Vollzugshilfen und privaten Normen keine Rechtssätze darstellen, sondern lediglich das Gesetzes‑ und Verordnungsrecht in technischer Hinsicht konkretisieren, ist ihre Bedeutung nicht zu unterschätzen. Die Gerichte stellen regelmässig auf diese Vorgaben ab.

 

3.             Kantonale Regelung der Vorbehandlung

43. Nach Abs. 1 Satz 2 regeln die Kantone die Vorbehandlung.

44. Einerseits umfasst diese Ermächtigung die generell-abstrakte Festlegung von Vorbehandlungsmassnahmen. Die Kantone müssen sich jedoch nach den detaillierten inhaltlichen Vorgaben des Bundes richten. Die wesentlichen Vorgaben sind in der GSchV vorgegeben. Daneben steuern die Vollzugshilfen des BAFU teilweise sehr engmaschig. Inhaltlich können die Kantone nur dort kantonale Vorgaben machen, wo der Bund selber auf eine abschliessende Ordnung verzichtet hat und die Regelung des Bundes lückenhaft bleibt. Die Kantone haben somit nur einen sehr beschränkten Spielraum bei der eigenen Rechtsetzung (vgl. hierzu BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009).

45. Andererseits bezieht sich diese Ermächtigung auch auf die Festlegung der Vorbehandlungsmassnahmen im Einzelfall. Im Rahmen gewässerschutz-rechtlicher Bewilligungs‑ oder Sanierungsverfahren kann die kantonale Behörde dem Pflichtigen Vorgaben und Ziele auferlegen.

 

B.            Entsorgung von für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignetem Abwasser (Abs. 2)

1.             Zweckmässige Entsorgung von nicht geeignetem Abwasser

46. Ist Abwasser für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet, muss es – im Interesse des einwandfreien Funktionierens der zentralen Abwasserreinigungsanlage – auf andere Weise als durch Einleitung in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage entsorgt werden. Diese andere Art der Entsorgung («Beseitigung») hat zweckmässig zu sein, d.h. es ist eine Entsorgungsart zu wählen, die keine Beeinträchtigungen für die Umwelt zur Folge hat. Als zweckmässige Entsorgungsarten kommen in Betracht:

  • die Vorbehandlung des Abwassers am Anfallort und die anschliessende Ableitung in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage (Abs. 1);
  • die Behandlung des Abwassers in einer auf dessen spezifischen Inhaltsstoffe ausgerichteten (nicht zentralen) Abwasserreinigungsanlage und die Direkteinleitung in ein oberirdisches Gewässer;
  • die Entsorgung als flüssiger Sonderabfall nach den Vorschriften der Umweltschutzgesetzgebung;
  • die Verwendung in industriellen Prozessen (Kreislaufführung und Entsorgung der abgearbeiteten Flüssigkeit als flüssiger Sonderabfall; stoffliche Verwertung, z.B. Einarbeitung in Produkte).

47. Die «Nicht-Eignung» des Abwassers für die Einleitung in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage wird vermutet, wenn das Abwasser den Anforderungen von Anh. 3.2 GSchV (Indu­strieabwasser) bzw. Anh. 3.3 GSchV (anderes verschmutztes Abwasser) nicht entspricht.

 

2.             Entscheid der kantonalen Behörde

48. In der Regel wird die Nicht-Eignung von Abwasser im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens oder von periodischen Kontrollen (Art. 15 Abs. 2 GSchG) festgestellt.

49. Wenn die vorgesehene Abwasserentsorgung bei einer industriellen oder gewerblichen Nutzung bereits im Zeitpunkt der Eingabe des Baugesuchs genügend bestimmt ist, wird im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens festgestellt, ob Abwasser zu entsorgen ist, das sich für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht eignet. Die nötigen Auflagen für eine umweltrechtskonforme Entsorgung werden in einer mit der Baubewilligung koordinierten gewässerschutzrechtlichen Bewilligung (nach Art. 7 GSchV) angeordnet.

50. Wird im Rahmen von periodischen Kontrollen festgestellt, dass für die Behandlung in der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignetes Abwasser anfällt, wird der Inhaber des Abwassers (und gleichzeitig Inhaber der Anlage, die das Abwasser hervorbringt) aufgefordert, der zuständigen Behörde innert einer angemessenen Frist Vorschläge zur Sanierung der betrieblichen Abwasserverhältnisse (d.h. ein Sanierungsprojekt) zu unterbreiten.

51. Zuständig für diese Anordnungen ist die kantonale Gewässerschutzbehörde. Sie legt auch durch Verfügung fest, welche andere Art der Entsorgung für das Abwasser zu wählen ist. Dabei verfügt sie über ein erhebliches Ermessen.

 

3.             Mitwirkung des Inhabers des Abwassers

52. Freilich wird die kantonale Gewässerschutzbehörde auf die Fachkunde des Bauherrn, der gleichzeitig Inhaber des problematischen Abwassers ist, abstellen: Der Bauherr hat zusammen mit dem Baugesuch auch diejenigen Angaben über die umweltgerechte Entsorgung des Abwassers einzureichen, die eine sachgerechte Prüfung durch die kantonale Gewässerschutzfachstelle ermöglichen. Analoges gilt bei einem gewässerschutzrechtlichen Sanierungsverfahren; der Betriebsinhaber legt der Gewässerschutzbehörde ein Sanierungsprojekt vor, das alle nötigen Unterlagen für die Beurteilung des Projekts enthalten muss.

53. Die Einbindung des Inhabers entspricht nicht nur dem Verhältnismäs­sigkeitsprinzip – es sind in der Regel jeweils verschiedene Lösungen bei der Entsorgung des Abwassers möglich –, sondern unterstreicht auch die Verantwortung, die der Inhaber für die umweltgerechte Entsorgung des von seinen Anlagen stammenden Abwassers trägt.

54. Dass der Inhaber einen Vorschlag macht, ist auch deshalb sinnvoll, weil möglicherweise nicht nur in die betriebliche Abwasservorbehandlung eingegriffen werden muss, sondern unter Umständen auch in industrielle oder gewerbliche Prozesse (z.B. mittels Substitution von problematischen Stoffen durch weniger problematische; s. N 23 ff., 37 ff.). Es kommt hier entscheidend auf das fachliche Wissen des Betriebsinhabers an.

55. Der Vorschlag des Inhabers wird durch die kantonale Gewässerschutz­behörde geprüft. Soweit eine Lösung gewählt wird, bei der Abwasser zu entsorgen ist, bedarf es einer Bewilligung nach Art. 6–8 GSchV. In dieser Bewilligung wird – bei Sanierungen – eine Realisierungsfrist gesetzt (je nach Gefahrensituation und Investitionsbedarf für den Inhaber üblicherweise zwischen einem halben und einem Jahr). Die Investitions- und Betriebskosten sind gemäss dem Verursacherprinzip (Art. 3a GSchG) vom Inhaber zu tragen. Auch das Entwicklungsrisiko trägt der Inhaber: Wenn sich die Massnahmen als nicht hinreichend herausstellen – was mit Kontrollen festzustellen ist –, sind weitergehende Massnahmen anzuordnen. Der Betriebsinhaber erhält mit der gewässerschutzrechtlichen Bewilligung keine geschützte Rechtsposition, die es erlauben würde, gegen die durch Gesetz und Verordnung festgelegten Anforderungen zu verstossen.

56. Das Gesetz spricht von der «kantonalen Behörde», die den Entscheid über die zweckmässige Entsorgung des Abwassers treffen muss. Diese Zuweisung an eine kantonale Behörde ist sachgerecht, erfordert doch die Beurteilung dieser Spezialfälle erhebliche Fachkompetenz, die in der Regel nur bei den kantonalen Gewässerschutzfachstellen vorhanden ist, nicht aber bei den kommunalen Behörden. Zudem erleichtert diese Zuweisung einen kantonsweit einheitlichen Vollzug. Indes hält man es in der Praxis für nicht ausgeschlossen, dass anstelle der kantonalen Behörde die kommunalen Gewässerschutzbehörden in einfachen Fällen entscheiden. Vorauszusetzen ist hierbei jedoch, dass die Gemeinden über die nötigen Mittel für den Vollzug verfügen und dass der Kanton für eine kantonsweit einheitliche Praxis sorgt.

57. Im Übrigen ist der Miteinbezug des Inhabers der zentralen Abwasserrei­nigungsanlage zwar von Bundesrechts wegen nicht ausdrücklich vorge­schrieben, aber mit Blick auf die Behandlungspflicht des Inhabers der zentralen Abwasserreinigungsanlage durchaus angebracht. Entsprechend kann die Bewilligungsbehörde den Inhaber der zentralen Abwasserreinigungsanlage im Vorfeld der Erteilung der Bewilligung anhören.

C.           Fremdwasser (Abs. 3)

1.             Begriff und Abgrenzung

58. Was der Gesetzgeber als «nicht verschmutztes Abwasser, das stetig anfällt», umschreibt, wird gemeinhin als «Fremdwasser» bezeichnet. Darunter ist Wasser zu verstehen, das

  • an der Einleitungsstelle in die öffentliche Kanalisation als nicht verschmutztes Abwasser anfällt und mit der Vermischung mit dem in der öffentlichen Kanalisation fliessenden verschmutzten Abwasser selber verschmutzt wird;
  • stetig, d.h. auch bei Trockenwetter (Botschaft GSchG 1987, 1115), anfällt.

59. Die Vorschrift betrifft jedoch nicht Niederschlagswasser (Meteorwasser), da dieses nur bei Niederschlägen und damit nicht stetig anfällt.

2.             Ausnahmebewilligung

60. Abs. 3 Satz 2 sagt nichts darüber aus, in welchen Fällen Ausnahmebewil­ligungen erteilt werden können. Indes findet sich eine Regelung auf Ver­ordnungsebene. Für neue Fremdwassereinleitungen bestimmt Art. 12 Abs. 2 GSchV, dass neue Zuleitungen in eine zentrale Abwasserreinigungsanlage nur bewilligt werden dürfen, wenn die örtlichen Verhältnisse die Versickerung oder die Einleitung in ein Gewässer nicht erlauben.

61. Zuständig für die Erteilung der Ausnahmebewilligung ist die kantonale Gewässerschutzbehörde. Zum Auftrag des Kantons, dafür zu sorgen, dass bestehende Fremdwassereinleitungen die Wirkung der zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht mehr beeinträchtigen (s. Komm. zu Art. 76 GSchG N 6 f.).

 

D.           Landwirtschaftliches Privileg (Abs. 4 und 5)

1.             Voraussetzungen

62. Wie Abs. 4 bestimmt, darf in einem Landwirtschaftsbetrieb mit erheblichem Rindvieh- und Schweinebestand das häusliche Abwasser zusammen mit der Gülle landwirtschaftlich verwertet werden. Vorausgesetzt wird, dass sich die Wohn- und Betriebsgebäude mit Umschwung in der Landwirtschaftszone oder in einer Planungszone zwecks Zuweisung zur Landwirtschaftszone befinden (Bst. a). Weiter muss die Lagerkapazität auch für das häusliche Abwasser genügen und die Verwertung auf den eigenen oder gepachteten Nutzflächen sichergestellt sein (Bst. b).

Erheblicher Rindvieh‑ und Schweinebestand

63. Von einem erheblichen Rindvieh‑ und Schweinebestand ist auszugehen, wenn dieser mindestens 8 Düngergrossvieheinheiten (DGVE) umfasst (Art. 12 Abs. 3 GSchV), wobei eine DGVE dem jährlichen Anfall an Gülle und Mist einer 600 kg schweren Kuh entspricht (Art. 14 Abs. 8 GSchG). Es wird nicht widerlegbar gesetzlich vermutet, dass nur unter dieser Voraussetzung ein ausreichendes Mischverhältnis zwischen Gülle und häuslichem Abwasser zu erreichen ist (Botschaft GSchG 1987, 1116). Von vornherein nicht von der Privilegierung des Abs. 4 erfasst werden entsprechend Betriebe mit geringer Nutztierhaltung, viehlose Landwirtschaftsbetriebe, Hobbytierhaltungen, zweckentfremdete Landwirtschaftsbetriebe sowie solche mit angegliedertem überwiegendem Gastwirtschaftsbetrieb (Botschaft GSchG 1987, 1117). Ein Landwirtschaftsbetrieb, welcher nicht über den notwendigen Tierbestand verfügt, kann die Befreiung von der Anschlusspflicht auch nicht mittels Zuführen von Jauche von anderen Betrieben erreichen (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 7. September 2006, E. 4.5, in: BVR 2007 37, 40). Eine Befreiung von der Anschlusspflicht ist hingegen weiterhin möglich, wenn der Betriebsleiter zwar selber nicht mehr genügend Vieh hält (etwa wegen der Umstellung auf viehlosen Ackerbau), aber den Stall und die Güllengrube an einen anderen Betrieb zur Haltung von Vieh in ausreichender Anzahl verpachtet (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 19).

64. Selbst bei Betrieben, welche die Mindestanforderung von 8 DGVE erreichen, ist das Einleiten der Abwässer in die Güllengrube aber nur zulässig, wenn der Anteil unverdünnter Gülle mindestens 25 % der Gesamtmenge ausmacht und somit ein Mischverhältnis von unverdünnter Gülle zu Verdünnungswasser (Abwasser aus Stall, Laufhof, Silo, Haushalt) von 1:3 nicht übersteigt (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 16 Fn. 17; VSA, Leitfaden Abwasser, B04 2). Kein ausreichendes Mischverhältnis wird etwa bei der Tierhaltung auf Tiefstreu erreicht, da in diesem Fall keine ins Gewicht fallende Güllenmenge anfällt (Stutz, Abwasserrecht, 136). Das gleiche gilt im Falle der Haltung anderer Tierarten wie Pferde, Geflügel, Schafe, Ziegen oder Kleintiere, bei welchen ebenfalls hauptsächlich Festmist anfällt (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 7. September 2006, E. 4.2, in: BVR 2007 37, 39; VSA, Leitfaden Abwasser, B04 2). Mit der Motion von Nationalrat Aebi betreffend Anpassung des Gewässerschutzgesetzes an die heutige Nutztierhaltung (Mo. Aebi Nutztierhaltung) vom 17. April 2013 wird allerdings angestrebt, die Bestimmungen über die landwirtschaftliche Verwertung von Abwasser auf alle Fälle der Nutztierhaltung auszudehnen. Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme vom 14. August 2013 die Ablehnung der Motion unter dem Hinweis auf den bei anderen Tierarten als Rindern und Schweinen anfallenden Festmist und die damit verbundenen Schwierigkeiten der Erreichung einer genügenden Güllenmenge. Der Nationalrat nahm die Motion allerdings am 12. März 2015 an. Die Behandlung durch den Zweitrat steht noch aus.

 

Lage in Landwirtschaftszone oder Massnahmen zur Zuweisung getroffen

65. Liegen die Wohn‑ und Betriebsgebäude nicht in der Landwirtschaftszone, sondern in der Bauzone, so ist die landwirtschaftliche Abwasserverwertung nur zulässig, wenn die Gemeinde mit dem Entscheid über die Entsorgung des Abwassers Massnahmen trifft, um die Gebäude samt Umschwung der Landwirtschaftszone zuzuweisen. In Frage kommt namentlich das Ausscheiden von Planungszonen. In diesem Fall kann das häusliche Abwasser in die Güllengrube eingeleitet werden, sofern die übrigen Voraussetzungen nach Abs. 4 erfüllt sind (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 17).

66. Die Möglichkeit der landwirtschaftlichen Verwertung des Abwassers entfällt, wenn die nicht in der Landwirtschaftszone gelegenen Wohn- und Betriebsgebäude nicht innert fünf Jahren nach Erlass der planerischen Massnahmen gemäss Abs. 4 Bst. a der Landwirtschaftszone zugewiesen werden. In diesem Fall muss das häusliche Abwasser in die Kanalisation geleitet werden (Abs. 5). Die Maximalfrist für die Umzonung von fünf Jahren entspricht der maximalen Geltungsdauer für Planungszonen gemäss der Raumplanungsgesetzgebung (Botschaft GSchG 1987, 1117; Art. 27 Abs. 2 RPG).

 

Genügende Lagerkapazität und Verwertung auf Nutzfläche sichergestellt

67. Die Lagerkapazität der Jauchegrube oder anderer Lagereinrichtungen (z.B. Güllensilo) muss ausreichen, um die anfallende Gülle und das häusliche Abwasser aufzunehmen. Der Nachweis der genügenden Lagerkapazität kann über die Zumietung von Lagervolumen erfolgen, sollte ein Betrieb selbst nicht über die notwendige Lagerkapazität verfügen. Das Güllegemisch muss dabei tatsächlich im gemieteten Objekt gelagert und wieder auf den Betrieb zurückgeführt werden (Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 21. August 2013, B-2013-61, E. 4.5; BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 22). Die gemeinsame Nutzung der gemieteten Güllengrube durch den Vermieter und den zuführenden Betrieb wird dadurch nicht ausgeschlossen. Es muss nicht genau das gleiche Güllengemisch auf den Betrieb zurückgebracht werden, wie zugeführt wurde, solange das Mischverhältnis insgesamt den Voraussetzungen entspricht (Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 21. August 2013, B-2013-61, E. 4.5.5). Da im Falle der Kündigung des Mietvertrags auf die Befreiung von der Anschlusspflicht zurückzukommen ist, muss der Vertrag über die Miete des Lagervolumens über eine genügend lange Kündigungsfrist verfügen, damit der Anschluss an die öffentliche Kanalisation erfolgen kann. Keinesfalls ausreichend ist eine Kündigungsfrist von lediglich einem halben Jahr (Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 21. August 2013, B-2013-61, E. 4.6).

68. Die Verwertung auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche muss bei ausgeglichener Düngerbilanz gesichert sein (vgl. Art. 14 Abs. 1 GSchG). Die Anrechnung von Flächen, für die Hofdüngerabnahmeverträge bestanden, war für die Prüfung der Voraussetzungen nach Abs. 4 nicht zulässig (Botschaft GSchG 1987, 1117; Verwaltungsgericht AG, Urteil vom 5. September 1996, AGVE 1996 290, 295, E. 1.b). Dies muss sinngemäss für Betriebe gelten, welche Hofdünger abgeben und dazu seit dem 1. Januar 2014 im elektronischen Lieferscheinsystem HODUFLU registriert sein müssen (vgl. Art. 14 Abs. 5 GSchG; Art. 165f LwG; Art. 14 ISLV). Für die Erfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 4 Bst. b reicht es entsprechend nicht aus, wenn die Abgabe von Hofdünger nach Art. 14 Abs. 5 GSchG gesichert und erfasst wird. Vielmehr bedarf es der Verwertung des Hofdüngers auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche.

 

2.             Besonderes

69. Die Befreiung von der Anschlusspflicht und die Möglichkeit der landwirtschaftlichen Verwertung des häuslichen Abwassers gilt nur für landwirtschaftlich genutzte Gebäude. Dies gilt für die Wohnbauten des Betriebsleiters sowie der landwirtschaftlichen Angestellten (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 17). Vom Begriff des Landwirtschaftsbetriebs im Sinne von Abs. 4 werden auch Wohnbauten der abtretenden Generation (sog. Stöckli) erfasst. Die Zonenkonformität von Wohnraum in der Landwirtschaftszone bemisst sich nach Art. 34 Abs. 3 RPV, wobei diese Bestimmung den Wohnbedarf für die abtretende Generation ausdrücklich als zonenkonform erklärt. Aus diesem Grund erscheint eine Zurechnung dieses Wohnraums zum betreffenden Landwirtschaftsbetrieb auch in gewässerschutzrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt (BGer 1C_401/2008 vom 26. März 2009, E. 2.3). Ebenfalls von der Privilegierung erfasst werden einzelne Wohnungen, die zwar von nicht in der Landwirtschaft tätigen Personen bewohnt werden, die sich aber innerhalb eines ansonsten dem landwirtschaftlichen Wohnbedarf dienenden Gebäudes befinden (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 17).

70. Nicht mehr von Abs. 4 erfasst werden hingegen ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Wohnbauten, deren landwirtschaftliche Zweckbestimmung entfallen ist, etwa bei der Vermietung des Bauernhauses an Dritte. In diesem Fall gelten die gleichen Anschlusspflichten wie für andere Bauten ausserhalb der Bauzonen; die Sonderregelung entfällt (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 17).

71. Diesen Anforderungen mag ein Fall aus dem Kanton Bern aus heutiger Sicht nicht zu genügen. Zu beurteilen war ein Wohnhaus eines Landwirtschaftsbetriebs, das an zwei landwirtschaftsfremde Personen vermietet war. Der Ökonomieteil und das Land waren an einen benachbarten Landwirt als Zupacht verpachtet. Der Pächter verpflichtete sich, die anfallende Jauche und die häuslichen Abwässer zu übernehmen und auf seinem eigenen und dem gepachteten Land auszubringen. Gemäss dem Berner Verwaltungsgericht schaffe Art. 12 Abs. 4 GSchG kein persönliches Sonderrecht für einen bestimmten Berufszweig, sondern befreie bestimmte Gebäude mit Rücksicht auf sachliche Umstände von der Anschlusspflicht. Mit Blick auf den Gesetzeszweck wurde als nicht massgebend erachtet, welchen Beruf die Hausbewohner ausübten, sondern ob ein geeignetes Mischverhältnis zwischen Gülle und Abwasser erreicht werden und ob die Jauche nach Massgabe von Art. 14 GSchG landwirtschaftlich verwertet werden konnte (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 19. Februar 2002, E. 4e, in: URP 2002, 225, 237). Tatsächlich bezweckt die Regelung von Art. 12 Abs. 4 GSchG, eine aus gewässerschutzrechtlicher Sicht sinnvolle Abwasserbeseitigung zu ermöglichen, was im Grundsatz auch bei der Vermengung von Abwasser landwirtschaftsfremder Personen mit Hofdünger erreicht werden kann. Dem ist entgegenzuhalten, dass dieses Ziel auch bei der Zufuhr von Jauche auf einen viehlosen Landwirtschaftsbetrieb erreicht werden könnte. Diese Konstellation wird aber, wie ausgeführt, nicht von Abs. 4 erfasst (s. N 63). Ausserdem steht der Privilegierung von Wohnbauten, deren landwirtschaftliche Zweckbestimmung entfallen ist, der Grundsatz der generellen Anschlusspflicht entgegen.

 

Résumé

L’art. 12 LEaux règle des cas particuliers relatifs au traitement des eaux usées dans le périmètre des égouts publics. Aux termes de l’art. 12 al. 1 1ère ph. LEaux, celui qui détient des eaux usées ne répondant pas aux exigences fixées énoncées à l’art. 7 OEaux pour le déversement dans les égouts, doit soumettre celles-ci à un prétraitement à la source. Le détenteur des eaux usées, qui est celui qui possède en fait le pouvoir de disposer sur les eaux usées, est responsable de la construction, de l’utilisation adéquate et de l’entretien de l’installation de prétraitement des eaux selon l’art. 15 LEaux. Il doit également fournir à l’autorité les données essentielles sur le traitement des eaux usées (cf. art. 14 OEaux) et prendre les mesures appropriées et économiquement supportables afin de réduire le risque de pollution des eaux en cas d’événements extraordinaires (cf. art. 16 OEaux). Les procédés techniques appliqués doivent être conformes à l’état de la technique. Le prétraitement est réglementé par les cantons selon l’art. 12 al. 1 2ème phrase LEaux. Les cantons doivent néanmoins s’en tenir aux prescriptions détaillées de la Confédération qui se trouvent dans l’OEaux et dans les directives édictées par l’OFEV.

L’al. 2 de l’art. 12 LEaux règle les eaux usées qui ne se prêtent pas à l’épuration dans une centrale publique à cause de leur qualité ou de leur quantité. Le mode d’élimination doit être approprié et le choix doit donc se porter sur une élimination ne portant pas atteinte à l’environnement. En principe, l’inadéquation du traitement des eaux usées dans une station centrale d’épuration est établi lors de la procédure d’autorisation de construire (cf. art. 17 let. c LEaux) ou lors de contrôles périodiques (cf. art. 15 al. 2 LEaux). Le service cantonal de la protection des eaux, qui dispose d’un pouvoir d’appréciation considérable, est compétent pour déterminer les mesures nécessaires.

L’al. 3 de l’art. 12 LEaux précise que les eaux non polluées, dont l’écoulement est permanent, ne doivent en principe pas être amenées directement ou indirectement à une station centrale d’épuration, l’autorité cantonale pouvant toutefois autoriser des exceptions.

L’al. 4 de l’art. 12 LEaux constitue une exception à l’obligation de raccordement pour les exploitations agricoles et permet à celles-ci de mélanger les eaux usées domestiques au lisier à certaines conditions. Il faut premièrement que l’exploitation agricole possède un important cheptel bovin ou porcin, qui comprenne au minimum huit unités de gros bétail-fumure (cf. art. 12 al. 3 OEaux). Les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes doivent deuxièmement avoir été classés en zone agricole ou la commune doit avoir pris les dispositions nécessaires pour qu’ils le soient (let. a). Toutefois, si dans les cinq ans suivant la décision de l’autorité compétente en matière d’élimination des eaux usées, les bâtiments d’habitation, les bâtiments d’exploitation et les terres attenantes ne sont pas classés en zones agricoles, les eaux usées domestiques devront être déversées dans les égouts (al. 5 de l’art. 12 LEaux). Enfin, la capacité d’entreposage doit être suffisante pour que les eaux usées domestiques puissent également y être recueillies et que leur utilisation soit possible sur les terres en propre ou en fermage. Si l’exploitation ne possède pas elle-même le volume total de stockage requis, elle peut prouver qu’elle dispose d’une capacité suffisante de stockage en prenant à bail des volumes de stockage auprès d’autres exploitations. Du moment que les conditions mentionnées ci-dessus sont remplies, il n’y a plus d’obligation de raccordement aux canalisations publiques. Il n’est, en particulier, pas nécessaire de vérifier si le raccordement selon l’art. 11 al. 2 let. c LEaux serait opportun et pourrait être raisonnablement exigible.

 

Literatur: Brunner Ursula, Die Bedeutung des Standes der Technik im Umwelt- und Energienutzungsrecht, in: URP 2015, 181 ff. (zit. Stand der Technik); Lustenberger Erik, Gefahrenabwehr und Kostenpflicht am Beispiel der Sanierung privater und öffentlicher Kanalisationen, in: URP 2009, 370 ff. (zit. Gefahrenabwehr).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung für den Gewässerschutz in der Landwirtschaft – Bereich Hofdünger, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 15, Bern 1994 (zit. Wegleitung Landwirtschaft); Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Abwasser im ländlichen Raum – Leitfaden für Planung, Evaluation, Betrieb und Unterhalt von Abwassersystemen bei Einzelliegenschaften und Kleinsiedlungen, Zürich 2005 (zit. Leitfaden Abwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Baulicher Umweltschutz in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Schweiz – Stand Mai 2012, 2. Aufl., Umwelt-Vollzug Nr. 1101, Bern 2012 (zit. Baulicher Umweltschutz); Motion Aebi (13.3324) «Anpassung des Gewässerschutzgesetzes an die heutige Nutztierhaltung» vom 17. April 2013 (zit. Mo. Aebi Nutztierhaltung).

Stutz Hans W.​

Besondere Verfahren der Abwasserbeseitigung

1         Ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen ist das Abwasser entsprechend dem Stand der Technik zu beseitigen.

2         Die Kantone sorgen dafür, dass die Anforderungen an die Wasserqualität der Gewässer erfüllt werden.

Méthodes spéciales d’évacuation des eaux usées

1         Hors du périmètre des égouts publics, les eaux usées sont évacuées selon l’état de la technique.

2         Les cantons veillent à ce que la qualité des eaux réponde aux exigences fixées.

Metodi speciali d’eliminazione delle acque di scarico

1         Fuori del perimetro delle canalizzazioni pubbliche le acque di scarico devono essere eliminate secondo le tecniche più recenti.

2         I Cantoni vegliano affinché le esigenze relative alla qualità delle acque siano rispettate.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
​II.  ​ ​Allgemeine Bemerkungen 4
​III. Kommentierung 10
A. ​Abwasserbeseitigung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen (Abs. 1) 10
1. ​Räumlicher Geltungsbereich 10
2. Normadressat 12
3. ​Entsorgung nach dem Stand der Technik 15
B. Einhaltung der Anforderungen an die Wasserqualität der Gewässer (Abs. 2) 17
​1. Anforderungen an die Wasserqualität 17
​2. ​​Aufgaben der Kantone 21

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Im GSchG 1971 findet sich zwar keine ausdrückliche Vorschrift, die Art. 13 GSchG entspricht, die Abwasserverhältnisse ausserhalb der öffentlichen Kanalisationen waren jedoch durchaus auch unter altem Recht Gegenstand von Sanierungsvorschriften, die das Ziel verfolgten, verunreinigende Einleitungen in Gewässer und Versickerungen von verschmutztem Abwasser zu beheben. Die auf dieser Grundlage durchgeführten Sanierungen führten zu spürbaren Verbesserungen bei der Abwasserentsorgung ausserhalb des Siedlungsgebiets. Ende der 1980er-Jahre waren die meisten Missstände (Fehlanschlüsse usw.) behoben.

2. In der bundesrätlichen Botschaft (Botschaft GSchG 1987, 1061 ff.) wurde Art. 13 GSchG nicht ausdrücklich besprochen. Der Bundesrat erklärte jedoch, dass unter dem Begriff «differenzierter Gewässerschutz» für abgelegene untergeordnete Abwasserquellen vermehrt Möglichkeiten eröffnet werden, weniger weitgehende Massnahmen zu treffen (Botschaft GSchG 1987, 1086).

3. Nationalrat und Ständerat haben den Vorschlag des Bundesrates (Botschaft GSchG 1987, 1186) inhaltlich unverändert übernommen. Es wurden lediglich in der Marginalie und im Haupttext geringfügige redaktionelle Änderungen vorgenommen.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen entfällt die Möglichkeit, das verschmutzte Abwasser in die öffentliche Kanalisation einzuleiten und damit in der zentralen Abwasserreinigungsanlage behandeln zu lassen. Daher muss das verschmutzte Abwasser auf andere Weise entsorgt («beseitigt») werden (Stutz, Abwasserrecht, 133 f.). Nach Art. 9 Abs. 1 GSchV muss das verschmutzte Abwasser, für das weder die Einleitung in ein Gewässer, noch die Versickerung, noch die Verwertung zusammen mit dem Hofdünger zulässig ist, in einer abflusslosen Grube gesammelt und regelmässig einer zentralen Abwasserreinigungsanlage oder einer besonderen Behandlung zugeführt werden.

5. Demnach kommen als Entsorgungsarten in Frage:

  • Entsorgung über Einzelreinigungssysteme wie etwa eine private Klein-Kläranlage («KLARA») und Einleitung in ein Gewässer oder Versickerung;
  • Sammlung des verschmutzten Abwassers in geschlossenen Gruben und periodischer Abtransport mit Saugwagen in die zentrale Abwasserreinigungsanlage;
  • Sammlung des verschmutzten Abwassers in geschlossenen Gruben und periodischer Abtransport mit Saugwagen in eine besondere Behandlungsanlage gemäss Art. 10 Abs. 2 GSchG.

6. Massstab für die Entsorgung des verschmutzten Abwassers ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen ist der Stand der Technik (zum Begriff s. Komm. zu Art. 12 GSchG N 38). Dieser ist für Einzelreinigungssysteme in technischen Normen festgehalten. Insbesondere der VSA hat die technischen Grundlagen in verschiedenen Publikationen beschrieben (namentlich im 2005 herausgegebenen Leitfaden für Planung, Evaluation, Betrieb und Unterhalt von Abwassersystemen bei Einzelliegenschaften und Kleinsiedlungen). Zum Einsatz kommen je nach den vorliegenden Verhältnissen unterschiedliche Reinigungssysteme (z.B. Belebtschlammanlagen, Einbeckenanlagen, Wirbelbett‑ oder Festbettverfahren, Membranbelebungsanlagen, Tropfkörperanlagen oder Abwasserteiche).

7. Längst nicht mehr Stand der Technik ist die Beseitigung des verschmutzten Abwassers über Sicker‑ oder «Klärgruben». In diesen Gruben entweichen Stoffe in den Untergrund und das Grundwasser, was zu einer Verunreinigung der Gewässer führen kann. Solche Verhältnisse stellen Gewässerverunreinigungen dar, die gemäss Art. 6 GSchG untersagt sind (Stutz, Abwasserrecht, 134).

8. Art. 13 GSchG regelt die Abwasserentsorgung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen umfassender als Art. 10–12 GSchG. Die Bestimmung erfasst nicht nur die Entsorgung des verschmutzten Abwassers; auch die Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers ist Regelungsinhalt von Art. 13 GSchG. Für die Entsorgung des nicht verschmutzten Abwassers ist Art. 7 Abs. 2 GSchG massgebend.

9. Eine gewässerschutzrechtskonforme Entwässerung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisation stellt eine abwassertechnische Voraussetzung für die Erteilung von Baubewilligungen dar.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Abwasserbeseitigung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen (Abs. 1)

1.             Räumlicher Geltungsbereich

10. Art. 11 Abs. 2 GSchG umschreibt den Bereich öffentlicher Kanalisationen; Art. 13 GSchG knüpft an diese Umschreibung an und regelt die Abwasserentsorgung ausserhalb dieses Bereichs.

11. Anders als im Bereich öffentlicher Kanalisationen, wo die Entsorgung des verschmutzten Abwassers über die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage durch das Gemeinwesen sichergestellt wird, ist die Entsorgung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen von einer gewissen Vielfalt geprägt. Unter Berücksichtigung der vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse (Nähe zu einem Vorfluter usw.) müssen oft Einzelfalllösungen getroffen werden.

2.             Normadressat

12. Umfassend verantwortlich für die umweltgerechte Entsorgung des verschmutzten Abwassers ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen ist deren Inhaber (zum Inhaberbegriff vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG N 21). Er muss – auf eigene Kosten; es gilt das Verursacherprinzip gemäss Art. 3a GSchG (!) – die erforderlichen Abwasseranlagen erstellen und sachgerecht betreiben, so dass dauernd ein hinreichender Schutz der Gewässer gewährleistet ist.

13. Immerhin nehmen die (kommunalen) Gewässerschutzfachstellen bei der generellen Entwässerungsplanung einen gewissen Einfluss auch auf die Entsorgung des verschmutzten Abwassers ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen: Gemäss Art. 5 Abs. 2 Bst. g GSchV legt der generelle Entwässerungsplan (GEP) die Gebiete fest, in denen andere Systeme als zentrale Abwasserreinigungsanlage anzuwenden sind. Zudem legt er fest, wie das Abwasser in diesen Gebieten zu beseitigen ist.

14. Die Einzelfalllösungen erfordern eine besonders enge Überwachung, da sie oft nur Behelfe darstellen, um den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen so gut wie möglich gerecht zu werden. Manchmal ergeben sich gezwungenermassen keine optimalen Lösungen. Trotzdem müssen die Anforderungen an die Wasserqualität gemäss Anh. 2 GSchV eingehalten werden (vgl. N 17 ff.).

3.             Entsorgung nach dem Stand der Technik

15. Der Inhaber des Abwassers hat für die Abwasserentsorgung gemäss dem Stand der Technik zu sorgen. Es handelt sich dabei um ein fortschrittliches Technologieniveau, das einzuhalten ist (zum Begriff s. Komm. zu Art. 12 GSchG N 38).

16. Insbesondere entspricht es dem Stand der Technik, das nicht verschmutzte Abwasser vom verschmutzten getrennt zu entsorgen (so ausdrücklich Art. 11 GSchV). Das nicht verschmutzte Abwasser ist wenn möglich lokal versickern zu lassen oder, sofern die örtlichen Verhältnisse eine Versickerung nicht zulassen, in ein oberirdisches Gewässer einzuleiten (vgl. Art. 7 Abs. 2 GSchG). Zur Unterscheidung von verschmutztem und von nicht verschmutztem Abwasser vgl. Komm. zu Art. 7 GSchG, ferner Art. 3 GSchV.

B.            Einhaltung der Anforderungen an die Wasserqualität der Gewässer (Abs. 2)

1.             Anforderungen an die Wasserqualität

17. Wird das verschmutzte Abwasser, das ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen anfällt, in einer Einzelreinigungsanlage behandelt und das behandelte Abwasser anschliessend in ein Gewässer eingeleitet, beeinflusst dies in aller Regel die Wasserqualität des Gewässers. Gleiches gilt für die Versickerung solchen Abwassers: Steht kein oberirdisches Gewässer als Vorfluter zur Verfügung, kann das gereinigte Abwasser versickert werden. Vorauszusetzen ist dabei jedoch, dass bei dieser Art der Abwasserentsorgung das Grundwasser nicht verunreinigt wird – was mit hydrogeologischen Gutachten nachzuweisen ist. Im Übrigen sind die Vorgaben von Art. 8 GSchV zu beachten.

18. Art. 13 Abs. 2 GSchG verlangt, dass die Anforderungen an die Wasser­qualität der Gewässer erfüllt werden. Diese Anforderungen werden in Anh. 2 GSchV für oberirdische und für unterirdische Gewässer im Detail umschrieben.

19. Wird im Rahmen der Gewässerüberwachung festgestellt, dass die Was­serqualität im Gewässer den Anforderungen nicht entspricht, ist nach Art. 47 GSchV vorzugehen. Die Behörde hat

  • die Art und das Ausmass der Verunreinigung zu ermitteln und zu bewerten (Abs. 1 Bst. a);
  • die Ursachen der Verunreinigung zu ermitteln (Abs. 1 Bst. b);
  • die Wirksamkeit der möglichen Massnahmen zu beurteilen (Abs. 1 Bst. c);
  • dafür zu sorgen, dass gestützt auf die entsprechenden Vorschriften die erforderlichen Massnahmen getroffen werden (Abs. 1 Bst. d).

20. Wird die Verunreinigung des Gewässers durch mehrere Quellen hervor­gerufen, sind die bei den Verursachern erforderlichen Massnahmen auf­einander abzustimmen (Art. 47 Abs. 2 GSchV).

2.             Aufgaben der Kantone

21. Die Überwachung der Wasserqualität der Gewässer stellt eine Aufgabe der kantonalen Gewässerschutzfachstelle dar. Stellt sie bei ihrer Überwa­chungstätigkeit fest, dass die Anforderungen von Anh. 2 GSchV nicht erfüllt sind, muss sie dafür sorgen, dass die erforderlichen Massnahmen ergriffen werden. Je nach kantonaler Zuständigkeitsordnung hat die kantonale Behörde selber Anordnungen gegenüber den Abwasserinhabern zu ergreifen; sind die Gemeinden für Sanierungsmassnahmen zuständig, hat die kantonale Behörde im Rahmen ihrer Aufsicht die Gemeinden nötigenfalls zu den erforderlichen Massnahmen anzuhalten.

 

Résumé

L’art. 13 LEaux règle l’évacuation des eaux usées polluées ou non polluées hors du périmètre des égouts publics. Cette disposition s’adresse, conformément à l’art. 3a LEaux, au détenteur, qui doit construire et entretenir à ses frais l’installation d’évacuation des eaux conformément à l’état de la technique. Cette installation doit notamment séparer les eaux polluées des eaux non polluées et des eaux météoriques (art. 11 OEaux). L’al. 2 requiert que la qualité des eaux réponde aux exigences prévues à l’annexe 2 OEaux. Le service cantonal de la protection des eaux doit veiller au respect des exigences et le cas échéant prendre les mesures qui s’imposent (art. 47 OEaux).

Norer Roland​ | Tschopp Simone ​

​Betriebe mit Nutztierhaltung

1         Auf jedem Betrieb mit Nutztierhaltung ist eine ausgeglichene Düngerbilanz anzustreben.

2         Hofdünger muss umweltverträglich und entsprechend dem Stand der Technik landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden.

3         Im Betrieb müssen dafür Lagereinrichtungen mit einer Kapazität von mindestens drei Monaten vorhanden sein. Die kantonale Behörde kann jedoch für Betriebe im Berggebiet oder in ungünstigen klimatischen oder besonderen pflanzenbaulichen Verhältnissen eine grössere Lagerkapazität anordnen. Für Ställe, die nur für kurze Zeit mit Tieren belegt sind, kann sie eine kleinere Lagerkapazität bewilligen.

4         Auf 1 ha Nutzfläche darf der Dünger von höchstens drei Düngergrossvieheinheiten ausgebracht werden. Wird ein Teil des im Betrieb anfallenden Hofdüngers ausserhalb des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereichs verwertet, so dürfen nur so viele Nutztiere gehalten werden, dass mindestens die Hälfte des im Betrieb anfallenden Hofdüngers auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche verwertet werden kann.

5         Betriebe, die Dünger abgeben, müssen jede Abgabe im Informationssystem nach Artikel 165f des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 erfassen.

6         Die kantonale Behörde setzt die pro ha zulässigen Düngergrossvieheinheiten herab, soweit Bodenbelastbarkeit, Höhenlage und topographische Verhältnisse dies erfordern.

7         Der Bundesrat kann Ausnahmen von den Anforderungen an die Nutzfläche vorsehen für:

a.       die Geflügel‑ und die Pferdehaltung sowie für bereits bestehende kleinere und mittlere Betriebe mit anderer Nutztierhaltung;

b.       die Betriebe, die Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllen (Abfallverwertung, Forschung usw.).

8         Eine Düngergrossvieheinheit entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Anfall von Gülle und Mist einer 600 kg schweren Kuh.

Exploitations pratiquant la garde d’animaux de rente

1         Toute exploitation pratiquant la garde d’animaux de rente s’efforce d’équilibrer le bilan des engrais.

2         Les engrais de ferme doivent être utilisés dans l’agriculture, l’horticulture et le jardinage selon l’état de la technique et d’une manière compatible avec l’environnement.

3         L’exploitation doit disposer d’installations permettant d’entreposer ces engrais pendant trois mois au moins. L’autorité cantonale peut prescrire une capacité d’entreposage supérieure pour les exploitations situées en région de montagne ou soumises à des conditions climatiques défavorables ou à des conditions particulières quant à la production végétale. Elle peut autoriser une capacité inférieure pour les étables qui ne sont occupées que passagèrement par le bétail.

4         La quantité d’engrais par hectare de surface utile ne doit pas dépasser trois unités de gros bétail-fumure. Si une partie de l’engrais de ferme provenant de l’exploitation est épandue hors du rayon d’exploitation normal pour la localité, le nombre d’animaux de rente doit permettre l’épandage, sur la surface utile, en propre ou en fermage, de la moitié au moins de la quantité d’engrais de ferme provenant de l’exploitation.

5         Les exploitations qui cèdent des engrais de ferme doivent enregistrer toutes les livraisons dans le système d’information visé à l’art. 165f de la loi 29 avril 1998 sur l’agriculture.

6         L’autorité cantonale réduit le nombre d’unités de gros bétail-fumure par hectare en fonction de la charge du sol en polluants, de l’altitude et des conditions topographiques.

7         Le Conseil fédéral peut autoriser des exceptions aux exigences concernant la surface utile pour:

a.       l’aviculture et la garde de chevaux, ainsi que pour d’autres exploitations existantes, petites ou moyennes, qui pratiquent la garde d’animaux de rente;

b.       les entreprises qui assument des tâches d’intérêt public (recyclage des déchets, recherche, etc.).

8         Une unité de gros bétail-fumure correspond à la production annuelle moyenne d’engrais de ferme d’une vache de 600 kg.

Aziende con allevamento di bestiame da reddito

1         Ogni azienda con allevamento di bestiame da reddito deve sforzarsi di perseguire un bilancio equilibrato di concime.

2         Il concime di fattoria deve essere sfruttato a fini agricoli o orticoli in modo rispettoso dell’ambiente e secondo lo stato della tecnica.

3         L’azienda deve disporre di impianti che permettano il deposito per almeno tre mesi. L’autorità cantonale può prescrivere una capacità di deposito superiore per le aziende site in regione di montagna o esposte a condizioni climatiche sfavorevoli o a condizioni particolari per quanto concerne la copertura vegetale. Può autorizzare una capacità di deposito inferiore per le stalle dove il bestiame è presente solo temporaneamente.

4         La quantità di concime sparso per ettaro non deve superare quella di tre unità di bestiame grosso-letame. Se una parte del concime proveniente dall’esercizio dell’azienda viene valorizzata fuori del raggio d’esercizio d’uso locale, l’effettivo massimo degli animali da reddito che possono essere tenuti è fissato in modo tale che sulla superficie utile, propria o affittata, possa essere valorizzata almeno la metà del concime proveniente dall’esercizio dell’azienda.

5         Le aziende che cedono concime devono registrare ogni fornitura nel sistema d’informazione di cui all’articolo 165f della legge del 29 aprile 1998 sull’agricoltura.

6         L’autorità cantonale riduce il numero di unità di bestiame grosso-letame ammesso per ettaro, qualora la capacità del suolo di sopportare aggravi inquinanti, l’altitudine o la situazione topografica lo richiedano.

7         Il Consiglio federale può prevedere eccezioni alle esigenze relative alla superficie utile per:

a.       l’avicultura e l’allevamento equino nonché per piccole e medie aziende già esistenti che allevano altri animali da reddito;

b.       le aziende che adempiono compiti d’interesse pubblico (riciclaggio dei rifiuti, ricerca ecc.).

8         Un’unità di bestiame grosso-letame corrisponde alla quantità media annua di colaticcio e di letame prodotta da una vacca di 600 chilogrammi.


Inhaltsübersicht

 

Entstehungsgeschichte 1
 II.   ​ ​Allgemeine Bemerkungen 2
​III. Kommentierung 9
A. ​Ausgeglichene Düngerbilanz (Abs. 1) 9
B. ​Verwertung des Hofdüngers (Abs. 2) 15
  1. Hofdünger 18
2. ​Umweltverträgliche und dem Stand der Technik entsprechende Verwertung 22
C. ​Kapazität der Lagereinrichtungen (Abs. 3) 37
​1. Lagerdauer 38
2. Lagervolumen 42
3. Lagerort 45
​D. ​Anbindung an die Nutzfläche (Abs. 4 und 6–8) 47
1. ​Düngbare Nutzfläche 48
2. ​Düngergrossvieheinheiten 51
3. ​Ortsüblicher Bewirtschaftungsbereich (Abs. 4) 55
4. Herabsetzung durch Kantone (Abs. 6) 57
5. ​Ausnahmen bei Nutzfläche (Abs. 7) 60
​E. ​Erfassung der Düngerabgabe (Abs. 5)
​1. ​​Informationssystem 63
​2. ​Abnahmeverträge 66

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Bereits mit dem ersten Gewässerschutzgesetz von 1955 wurden die Grundlagen des qualitativen Gewässerschutzes gesetzlich verankert, während mit der Revision von 1971 namentlich Konkretisierungen und Anpassungen an neue technische Entwicklungen erfolgten. Dank des gesetzlichen Schutzes der Gewässerqualität konnte relativ rasch eine Trendwende bezüglich der in den Nachkriegsjahren rasant fortschreitenden Gewässerverschmutzung eingeleitet werden. Im Zentrum der durch die Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» angeschobenen Totalrevision von 1991, deren Ergebnis der heute noch geltende Erlass ist, stand in der Folge der quantitative Gewässerschutz (AB 1989 N 932 f.). Soweit es den Gewässerschutz in der Landwirtschaft betrifft, wurden die bestehenden Bestimmungen zusätzlich um Vorschriften über die Verwertung der landwirtschaftlichen Hofdünger sowie die Bodenbewirtschaftung ergänzt (Botschaft GSchG 1987, 1064). Diese Ergänzung ist als Antwort auf die damals noch virulentere Düngerproblematik anzusehen (AB 1989 N 933).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Die Art. 14–16 GSchG über die Verwendung des Hofdüngers bilden zusammen mit Art. 27 GSchG über die Bodenbewirtschaftung den Kern der landwirschaftlich relevanten Bestimmungen im Gewässerschutzgesetz. Ferner von Bedeutung sind Art. 51 GSchG (kantonale Beratungsstellen), Art. 62a GSchG (Finanzielle Unterstützung des Bundes für Massnahmen der Landwirtschaft) und Art. 77 GSchG (Übergangsbestimmungen für Lagereinrichtungen). Auf Verordnungsstufe sind insbesondere die Art. 22–28 GSchV relevant.

3. Als Teil des Umweltrechts im weiteren Sinne (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 1) stehen die landwirtschaftlichen Gewässerschutzbestimmungen in einem systematischen Zusammenhang mit dem Umweltschutzgesetz (insb. Art. 33 f. USG über Bodenbelastungen) und seinen Ausführungsverordnungen (insb. VBBo und LRV) sowie der Chemikaliengesetzgebung, welche beim Umgang mit Hofdünger ebenfalls zu beachten ist (insb. Art. 71 ChemV und Anh. 2.6 ChemRRV). Diese Regelungsgebiete haben gleichermassen zum Ziel, die Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion und der menschlichen Existenz zu erhalten und greifen ineinander über (Brunner, Bodenschutz, 524).

4. Über die Relevanz der Einhaltung der gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen für die agrarischen Direktzahlungen ergeben sich schliesslich Konnexe zur Landwirtschaftsgesetzgebung und insb. zur Beitragsordnung, wobei es die teilweise unterschiedliche Stossrichtung der beiden Regelungsgebiete zu berücksichtigen gilt. Während es bei den Direktzahlungen darum geht, mittels finanzieller Anreize eine Intensivierung der Landwirtschaft auf freiwilliger Basis zu Gunsten einer flächendeckenden und nachhaltigen Bewirtschaftung zu verhindern, zielt das Gewässerschutzrecht auf die für den Erhalt gesunder Gewässer absolut notwendigen Beschränkungen ab (BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.3.2).

5. In gewässerschutzrechtlicher Hinsicht interessieren an landwirtschaftlichen Emissionen insb. Phosphor‑ und Stickstoffverbindungen, da sie die Gewässerqualität negativ beeinflussen, wenn sie in zu hohen Konzentrationen ins Wasser gelangen. Eine Gewässergefährdung kann aber z.B. auch von Mikroorganismen wie Fäkalbakterien ausgehen. Phosphorverbindungen sind grundsätzlich schlecht wasserlöslich und v.a. in Binnengewässern und Meeren problematisch, da sie dort als unnatürliche Wachstumstreiber das ökologische Gleichgewicht gefährden. Stickstoffverbindungen, vorab das flüchtige Ammoniak und das wasserlösliche Ammonium/Nitrat, beeinträchtigen ausserdem direkt die Trinkwasserqualität und stellen so letztendlich ein Gesundheitsrisiko für Mensch und Tiere dar, ebenso wie die Fäkalbakterien. Als anthropogene Treiber in den Phosphor‑ bzw. Stickstoffkreisläufen sind nebst der Landwirtschaft insb. Verbrennungsprozesse (Verkehr, Feuerungen) sowie Haus‑ und Industrieabwässer bekannt (BAFU, Stickstoffflüsse, 8). Ein ausgewogener Gewässerschutz setzt deshalb – zumindest nach Massgabe des technisch Möglichen bzw. finanziell Tragbaren – in diesen Bereichen gleichermassen an.

6. Praktisch zeitgleich mit den Bestrebungen zur Verbesserung des Gewässerschutzes wurde der Umweltschutz mit dem sechsten Landwirtschaftsbericht auch zu einem agrarpolitischen Oberziel (Bericht BR Landwirtschaft 1992, 263). Durch die wirtschaftlichen Anreize der Agrarpolitik haben sich die ökologischen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft bis heute stark verbessert. So ist auch die im vorliegenden Zusammenhang besonders interessierende Stickstoff‑ und Phosphorbelastung durch die Landwirtschaft zurückgegangen (Bericht Umweltrisiken 2003, 4803). Insb. weil der Einsatz von Mineraldünger seit 1994 deutlich abgenommen hat, konnte das agrarökologische Etappenziel bezüglich Phosphor erreicht werden (Bericht Umweltrisiken 2003, 4805). Für eine ausgeglichene Düngerbilanz nach wie vor zu berücksichtigen sind jedoch aus früherer Überdüngung in Ackerbaugebieten und/oder Mastregionen im Boden teilweise noch vorhandene Phosphor-Vorräte. Bezüglich Stickstoff jedoch wurde das agrarökologische Etappenziel für 1998 verfehlt. Problematisch waren hier v.a. Mastbetriebe, welche noch über keine ausreichende eigene düngbare Nutzfläche i.S.v. Art. 14 Abs. 4 GSchG verfügten und so Hofdüngerüberschüsse produzierten (Bericht Umweltrisiken 2003, 4805 f.).

7. Nach den Fortschritten in den 1990er-Jahren haben sich diese in den Nullerjahren verringert, und die Situation bleibt lokal bzw. in Bezug auf gewisse Gewässer nach wie vor verbesserungsbedürftig (Botschaft Agrarpolitik 2014–2017, 2103). Insgesamt jedoch haben die Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte in weiten Teilen der Schweiz zu einem zuversichtlich stimmenden Bild geführt (BAFU, Umwelt 2013, 44; BFS, MONET Nitratgehalt; BFS, MONET, Phosphorgehalt).

8. Damit die für den Gewässerschutz zentralen umweltrechtlichen Vorgaben bezüglich Stickstoff‑ und Phosphorbelastung flächendeckend eingehalten werden, bedarf es eines konsequenten Vollzugs der bestehenden bundesrechtlichen Vorschriften v.a. in den stark belasteten, nutztierreichen Gebieten und die Ausschöpfung der Möglichkeiten, welche der per 1. Januar 1999 geschaffene Art. 62a GSchG für solche Gebiete geschaffen hat (Bericht Umweltrisiken 2003, 4806).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Ausgeglichene Düngerbilanz (Abs. 1)

9. Die Vorgabe einer ausgeglichenen Düngerbilanz gilt für jeden Betrieb mit Nutztierhaltung. Unter einem solchen Betrieb sind landwirtschaftliche Betriebe und Betriebsgemeinschaften mit Nutztierhaltung sowie übrige Betriebe mit gewerblicher Nutztierhaltung (ausgenommen Betriebe mit Zoo‑ und Zirkustieren sowie mit einzelnen Zug‑, Reit‑ oder Liebhabertieren) zu verstehen (Art. 22 GSchV). Insofern ist die Definition weiter gefasst als der ausschliesslich landwirtschaftliche Unternehmen bezeichnende Betriebsbegriff des Art. 6 Abs. 1 Bst. a LBV i.S.d. LwG.

10. Unter einer ausgeglichenen Düngerbilanz versteht man in erster Linie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Nährstoffzufuhr (insb. Stickstoff und Phosphor) über Hof‑ und Handelsdünger und dem Nährstoffbedarf der Kulturen. Da der eigene Hofdünger grundsätzlich selber zu verwenden ist, bedingt dies einen dem Standort und der Bewirtschaftung angepassten Nutztierbestand (Botschaft Agrarpolitik 2002, 209; BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.4.3). Ausserdem kann eine ausgeglichene Nährstoffbilanz nur erreicht werden, wenn der Dünger pflanzen‑ und standortgerecht eingesetzt und ohne Nährstoffverlust ausgebracht wird (Brunner, Bodenschutz, 541; BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.4.3). Der Forderung nach einer ausgeglichenen Düngerbilanz ist schliesslich inhärent, dass erst wenn der eigene Hofdünger nicht geeignet oder ausreichend ist, zusätzlich Recycling‑ und Mineraldünger beschafft werden soll (Anh. 2.6 Ziff. 3.1 Abs. 2 ChemRRV; vor 1. August 2005 Anh. 4.5 Ziff. 31 StoV).

11. Die in neuerer Zeit propagierte Verwendung von Hofdünger zur Produktion von erneuerbarer Energie bedingt als Zwischenschritt die Herstellung von Biogas durch Vergärung des Hofdüngers. Das Gas entsteht dabei im Wesentlichen aus der Umwandlung von Kohlenhydraten, Eiweissen und Fetten mittels Mikroorganismen in Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2). Daraus erhellt, dass in den Gesamtstickstoff‑ und ‑phosphorgehalt des Reststoffes, welcher nach wie vor als Dünger verwendet werden kann, grundsätzlich nicht eingegriffen wird und dass sich die Düngerbilanz somit prinzipiell nicht verändert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Reststoff technisch gesprochen um einen Recyclingdünger mit höherem pH-Wert und einer grösseren Ammoniumkonzentration handelt. Dies spielt insb. für die umweltverträgliche Verwertung des Restprodukts eine Rolle, da verglichen mit dem Ausgangsprodukt ein grösseres Potential für Ammoniakemissionen in die Atmosphäre besteht.

12. Die ausgeglichene Düngerbilanz hat neben der gewässerschutzrechtlichen Relevanz auch Wirkungen auf die Direktzahlungsberechtigung nach Art. 13 DZV (Ökologischer Leistungsnachweis) und ist bspw. auch in die umfassende Interessenabwägung nach Art. 24 Bst. b RPG für in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonforme Betriebe der bodenunabhängigen Produktion mit einzubeziehen (PVG 1995 90 ff. [Schweinemast], 93, E. 4b/aa). Weiter bildet sie ein beschränkendes Element bei der Berechnung der Standardarbeitskraft (BGer 2C.450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.1.1) und hat so wiederum Einfluss auf eine Vielzahl rechtlicher Sachverhalte im Landwirtschaftsbereich.

13. Das BGer geht im Landwirtschafts‑ und Gewässerschutzrecht von einem einheitlichen Begriff der ausgeglichenen Düngerbilanz aus. Entsprechend erachtet es zur Berechnung der ausgeglichenen Düngerbilanz i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GSchG die Methode «Suisse-Bilanz» gemäss Anh. 1 Ziff. 2.1 DZV als gleichermassen geeignet (BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.4.3). Bei den einzusetzenden Werten sind jedoch die im jeweiligen Rechtsgebiet geltenden Besonderheiten zu beachten.

14. Soweit ersichtlich hat sich bisher weder die Lehre noch die Rechtsprechung näher mit dem Verhältnis von Abs. 1 zu den Abs. 4 sowie 6 und 7 befasst. Es stellt sich hier die primär durch Auslegung zu beantwortende Frage, wie zu entscheiden ist, wenn im Einzelfall die Vorgaben der Abs. 4, 6 oder 7 eingehalten werden, trotzdem aber aus fachlicher Sicht keine ausgeglichene Düngerbilanz vorliegt bzw. vice versa.

B.            Verwertung des Hofdüngers (Abs. 2)

15. Eine ausdrückliche Regelung des Ausbringens von Stoffen wie z.B. von Dünger ausserhalb von Gewässern wurde erst mit dem GSchG 1991 eingeführt (Botschaft GSchG 1987, 1109; Stutz, Grundwasserschutz, 678 f.). Sie fusst auf der Erkenntnis, dass Hofdünger für die Gewässer potentiell schädliche Stoffe enthält, welche zu einer Gefährdung führen können, wenn sie nicht fachgerecht gehandhabt werden.

16. In diesem Sinne statuiert Art. 14 Abs. 2 GSchG einen Verwertungszwang. Die landwirtschaftliche oder gartenbauliche Verwertung des Hofdüngers, die prioritär vor der Verwendung anderer Dünger zu erfolgen hat (Anh. 2.6 Ziff. 3.1 Abs. 2 ChemRRV), hat dabei in umweltverträglicher Weise und dem Stand der Technik entsprechend zu geschehen.

17. Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht somit ein Verbot, Gülle von Nutztieren in eine Abwasserreinigungsanlage abzuleiten (Botschaft GSchG 1987, 1117 f.). In Vergärungsanlagen darf Hofdünger grundsätzlich nur dann eingesetzt werden, wenn die Vergärungsprodukte als Dünger verwendet werden (BAFU/BLW, Umweltschutz Landwirtschaft, 14).

1.             Hofdünger
18. Unter «Hofdünger» sind gemäss Art. 4 Bst. g GSchG Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung zu verstehen. Damit ist die gewässerschutzrechtliche Definition vom Wortlaut her enger gefasst als die Definition nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV. Die beiden formell etwas voneinander abweichenden Begriffsdefinitionen nach DüV sowie nach GSchG gelten nur für den jeweiligen Rechtsbereich, einerseits also «Dünger» (stofflicher Umgang) und andererseits «Gewässerschutz» (stoffliche Bodenbelastbarkeit) (BAFU, Düngung, 21).

19. Hofdünger werden gemeinhin von Recyclingdünger und Mineraldünger abgegrenzt. Sie fallen direkt bei den Nutztieren hauptsächlich in Ställen an, werden dort gesammelt, zwischengelagert und sodann direkt landwirtschaftlich oder gartenbaulich weiterverwendet. Werden Hofdünger vergoren oder verrottet, bleiben sie gemäss DüV solange Hofdünger im Rechtssinne als sie mindestens 80 % des Endprodukts der Co-Vergärung ausmachen (Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV in der seit 1. Januar 2014 gültigen Fassung; zur früheren und nach eigener Darstellung veralteten Praxis des BAFU und des BLW vgl. BAFU, Düngung, 21; zur Kritik an der Übernahme der DüV-Definition für das Gewässerschutzrecht vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 35). Da mit Hofdünger nach der Konzeption des Gewässerschutzgesetzes generell der auf dem Betrieb durch herbivore Tierhaltung anfallende Dünger gemeint ist, wäre es jedoch konsequent, gewässerschutzrechtlich auch das Endprodukt der Co-Vergärung unabhängig vom Gehalt des Ausgangsstoffes sowie weitere Nebenprodukte nach Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV und Abschlämmwasser aus Biowäschern und Abwasser aus Chemowäschern darunter zu subsumieren, soweit sie aus dem eigenen Betrieb stammen (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 36).

20. Die Gülle, ein flüssiger Hofdünger, besteht aus Harn und Kot von Nutztieren sowie aus Wasser. Der Mist, ein fester Hofdünger, enthält je nach Art der Haltung kleinere oder grössere Mengen mit Harn, Kot und Futterresten versetzter Streue. Die Silosäfte schliesslich sind extrem nährstoffreiche und saure flüssige Hofdünger, die je nach gewähltem Verfahren und Gärgut bei der Silierung oder durch die Verunreinigung von Niederschlagswasser mit Silage entstehen (vgl. BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 23 f.).

21. Der Nährstoffgehalt des Hofdüngers ist je nach Tierart und ‑haltung sehr unterschiedlich und kann sogar in derselben Kategorie je nach Betrieb stark differieren. Eine Übersicht verschaffen z.B. die Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau (GRUDAF) 2009 der Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil und Reckenholz-Tänikon.

2.             Umweltverträgliche und dem Stand der Technik entsprechende Verwertung
22. Beim Düngen sind abgesehen von den andernorts behandelten − abstrakt Geltung beanspruchenden − mengenmässigen Düngbeschränkungen (vgl. N 47 und 55 f.) und flächenbezogenen Düngverboten (vgl. N 49) im Einzelfall von Rechts wegen auch die in Anh. 2.6 Ziff. 3.1 und Ziff. 3.2.1 ChemRRV statuierten Gebote zu beachten. So ist namentlich den im Boden vorhandenen Nährstoffen und dem Nährstoffbedarf der Pflanzen sowie dem Standort (Pflanzenbestand, Topografie und Bodenverhältnisse) Rechnung zu tragen. Bei stickstoffhaltigen Düngern ist zudem zu berücksichtigen, dass sie zu Zeiten auszubringen sind, in denen die Pflanzen den Stickstoff aufnehmen können.

23. Den Vorschriften über den Düngereinsatz liegt die Überlegung zugrunde, dass Düngerbestandteile, die versickern, abgeschwemmt werden oder sich in die Atmosphäre verflüchtigen, unter Umständen die Umwelt – und im vorliegenden Zusammenhang speziell Gewässer − verunreinigen können. Beim Hofdünger – und allenfalls in geringerem Masse bei Recyclingdüngern – tritt zum allgemeinen Risiko einer Über‑ bzw. Fehlversorgung mit Nährstoffen auch das spezielle Risiko der Freisetzung von Krankheitskeimen.

24. Auf der anderen Seite ist Dünger – und in besonderem Masse der natürlich anfallende Hofdünger − für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit von grossem Nutzen. Dieselben Nährstoffe, die bei einem Eintrag ins Gewässer dort Schäden anrichten können, sind für das Pflanzenwachstum wertvoll. Aus diesem Grund war nie umstritten, dass das Ausbringen von Hofdüngern erwünscht ist und dass es nicht unter das Gewässerverunreinigungsverbot fallen soll, solange die Verwertung fachgerecht erfolgt (vgl. Botschaft GSchG 1970, 450Botschaft GSchG 1987, 1109; für einen internationalen Rechtsvergleich siehe BAFU, Gewässerschutzbestimmungen, 28 ff.).

25. Gemeinhin als kritisch angesehen werden muss das Ausbringen von Düngern, wenn der Boden schneebedeckt, gefroren, ausgetrocknet oder wassergesättigt ist, weil die Nährstoffe dann gar nicht in den Boden gelangen können. Entsprechend besteht die Gefahr einer Abschwemmung oder Verflüchtigung. Können die Nährstoffe zwar in den Boden eindringen, aber wegen der Vegetationsruhe oder starken Niederschlägen von den Pflanzen nicht direkt aufgenommen werden, besteht die Gefahr einer Auswaschung in darunterliegendes Grundwasser. In welchem Ausmass die Umwelt in einem solchen Fall gefährdet ist, hängt auch von der konkreten Bodenbeschaffenheit und der Topographie ab.

26. Die Strafkammer des Kantonsgerichts SZ hatte einen Fall zu beurteilen, in dem der Angeklagte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im November 2002 nach starken Regenfällen auf 1.5 ha Wiesland, welches zum Teil eine Hangneigung von über 50 % aufwies, ca. 30’000 l Gülle ausgetragen hatte. Das eingeholte Gutachten verneinte die Wassersättigung der Böden und kam zum Schluss, dass der Angeklagte mit Ausnahme der Gefahr bei Gülleaustrag auf steilen Flächen sämtliche empfohlenen Massnahmen zur Verhinderung einer Gefährdung getroffen habe. Abweichend von der Vorinstanz, welche dem Angeschuldigten Fahrlässigkeit bei der Risikoanalyse vorgeworfen und ihn in der Folge wegen Verusachung einer abstrakten Umweltgefahr nach Art. 60 Abs. 1 Bst. e und f USG verurteilte hatte, erachtete das Kantonsgericht allein wegen der Hangneigung nicht einmal eine generell-abstrakte Gefahr als erwiesen und sprach den Angeklagten im Weiteren mangels einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage frei (Kantonsgericht SZ, Urteil vom 1. Februar 2005 [SK 2004 29], 70 ff., in: EGV-SZ 2004, A. 4.2).

27. Die appenzell-ausserrhodischen Behörden liessen die konkreten Verhältnisse in dem BGer 6B_579/2010 zugrunde liegenden Fall nicht gutachterlich abklären, bei dem ein Landwirt Mitte Februar an einem Südosthang in der Bergzone 2, an dessen Fusse ein Bach verläuft, Gülle ausgebracht hatte. Allerdings ergab ein bei den Akten befindliches Foto Hinweise darauf, dass die Gülle bis acht Tage nach dem inkriminierten Vorfall nicht (vollständig) in den Boden eingedrungen war. Das BGer kassierte den Freispruch deshalb und wies die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Ob sich ein Schuldspruch in diesem Falle rechtfertigen liesse, kann aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils nicht bestimmt werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Problematik weniger in der Vegetationsruhe, d.h. der Nichtaufnahmefähigkeit der Pflanzen, sondern in einer allfälligen Nichtaufnahmefähigkeit des Bodens zu sehen gewesen wäre.

28. Die nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmende Ermittlung, ob die Verwertung umweltverträglich und dem Stand der Technik entsprechend erfolgt ist, muss nach dem Gesagten für den Einzelfall vorgenommen werden. Unter dem Stand der Technik werden eine ausgeglichene Nährstoffbilanz, eine Düngung entsprechend den Düngungsempfehlungen sowie Massnahmen der guten fachlichen Praxis zur Verhinderung von Nährstoffverlusten insb. durch Auswaschung, Abschwemmung und Erosion verstanden (BAFU/BLW, Umweltschutz Landwirtschaft, 14).

29. In systematischer Hinsicht stellt Art. 14 Abs. 2 GSchG eine Ergänzung zu Art. 6 und Art. 3 GSchG dar. Eine nicht den Anforderungen von Art. 14 Abs. 2 GSchG entsprechende Verwendung von Hofdünger kann den Verbotstatbestand von Art. 6 GSchG erfüllen und ist mit Strafe bedroht, wenn dadurch eine konkrete Gefahr der Verunreinigung des Wassers besteht (Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG).

30. In den letzten Jahren musste sich das BGer zwei Mal mit der Frage befassen, ob gewissermassen eine allgemeinverbindliche gewässerschutzrechtliche Pflicht besteht, tierische Exkremente ‑ und damit Hofdünger ‑ zu sammeln und fachgerecht zu verwerten, damit er keinesfalls unkontrolliert versickern kann (BGer 1C_390/2008 vom 15 Juni 2009 sowie 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015). Es hat die Frage verneint und bestätigt, dass nicht nur das fachgerechte Ausbringen von Hofdünger nicht unter das Versickerungsverbot von Art. 6 GSchG fällt, sondern dass für Hofdünger allgemein kein absolutes Versickerungsverbot besteht, wie dies in der Literatur zum Teil propagiert wird (in Bezug auf den Entscheid BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009 bei Stutz, Grundwasserschutz, 673 ff.; zu BGer 1C_62/2014 Stutz, Urteilsanmerkungen 2015, 394 ff.). Zumindest Laufhöfe sowie nicht permanent genutzte Tierunterstände müssen deshalb nur mit einem undurchlässigen Boden versehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls andernfalls die konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung bestehen würde, wofür die handelnde Behörde beweispflichtig ist. Dem diesbezüglich wegleitenden BGer 1C_390/2008 ist im Einzelnen folgendes zu entnehmen:

31. Für einen im Kanton ZH gelegenen Laufhof ausserhalb besonders gefährdeter Bereiche verlangten die kantonalen Behörden, dass er – gestützt auf eine kantonale Richtlinie – zu sanieren, d.h. sickerdicht auszugestalten sei, währenddem die einschlägigen Vollzugshilfen des Bundes nicht ohne weiteres eine Abdichtung vorsahen. Das BGer hielt denn auch vorab fest, dass die Bestimmungen zum qualitativen Gewässerschutz als umfassende Bundesregelung zu verstehen seien, womit weder in der Rechtsetzung noch im Vollzug Raum für strengeres kantonales Recht bestehe. Damit eine Sanierungspflicht auch nach Bundesrecht gegeben wäre, müsste die zuständige Behörde den Nachweis erbringen, dass selbst die im vorliegenden Fall geringfügigen Versickerungen eine Gefahr für die Reinhaltung des Grundwassers darstellen. Da der Sachverhalt in dieser Hinsicht jedoch ungenügend abgeklärt war, wies das BGer die Angelegenheit zur weiteren Instruktion an das VGer zurück.

32. Zur materiellen Frage, wie dem in Art. 3 GSchG statuierten und in Art. 14 Abs. 2 GSchG gewissermassen konkretisierten Vorsorgeprinzip (vgl. Komm. zu Art. 3 GSchG N 4 f.) beim Umgang mit Hofdüngern Rechnung zu tragen ist, äusserte sich das BGer aufgrund der Konstellation des konkreten Falles nicht direkt. Wegen der Konzeption des Gewässerschutzrechts, welche auf die Vorgabe von festen Grenzwerten verzichtet, bei deren Überschreitung eine Verunreinigung von Gewässern feststehen würde (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.1), dürfte dies denn auch häufig ein schwieriges Unterfangen sein.

33. Auszugehen ist von Art. 4 Bst. d GSchG, welcher bestimmt, dass eine verpönte Verunreinigung in einer nachteiligen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderung des Wassers besteht. In dieser Hinsicht konkretisiert BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 3.3, dass das Versickern untergeordneter Mengen an tierischen Exkrementen bzw. Hofdünger nicht ohne weiteres zu einer gewässerschutzrechtlich relevanten Verunreinigung führt, solange die Reinhaltung des Grundwassers – unabhängig von kurzfristigen Schwankungen – gewahrt wird. Das Versickern sei vielmehr insoweit zulässig, als die Natur grundsätzlich in der Lage ist, die fragliche Stoffmenge abzubauen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine solch hinreichende Abbaubarkeit der Stoffmenge gegeben ist, komme es auch auf weitere Faktoren wie etwa die Anzahl betroffener Tiere, die beanspruchte Bodenfläche, die vorgesehene Benutzungsdauer und den Grad der Durchlässigkeit des bestehenden Bodens an. Hilfreich wären dabei insb. gesicherte und möglichst generell anwendbare Aussagen darüber, wann die Reinhaltung der Gewässer im Sinne von allgemeinen Erfahrungswerten langfristig gewahrt ist bzw. welcher Eintrag im Einzelfall noch natürlich abgebaut werden kann und wann es dagegen zu einer nicht mehr tolerierbaren, länger anhaltenden Belastung kommt. Solange keine solchen Grundlagen bestehen, werden die Vollzugs- und Strafverfolgungsbehörden aufgrund der ihnen zufallenden Beweislast in Streitfällen kaum um die Einholung von Einzelfallgutachten herumkommen.

34. Die Fähigkeit der Natur zum Auffangen der potentiell gewässerschädigenden Stoffe bzw. zur Regeneration nach einem untergeordneten Eintrag gibt nach hier vertretener Ansicht den Massstab vor, welcher allgemein zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit der Verwertung des Hofdüngers anzulegen ist. Die Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten wird aus gewässerschutzrechtlicher Sicht dann nämlich kaum verlangt werden können, wenn aufgrund der absehbaren Einträge gar keine anhaltende Belastung von Gewässern zu erwarten ist. Umgekehrt fragt sich mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 3.4 f.), ob der Nachweis des Einsatzes einer zum Stand der Technik zählenden Methode zur Exkulpation verhelfen kann, wenn es trotz aller Vorsicht und unter Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorgaben doch zu einer Gewässerverschmutzung gekommen sein sollte.

35. Gerade betreffend Umweltverträglichkeit und Stand der Technik existieren eine Vielzahl von Bestimmungen in Ausführungserlassen und Vollzugshilfen. Diese vermögen die Justiz jedoch nur dann zu binden, wenn sie nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten Geltung beanspruchen können. In diesem Zusammenhang gilt es einerseits die föderalistischen Schranken zu berücksichtigen, da die Vorgaben des qualitativen Gewässerschutzes nach der Rechtsprechung grundsätzlich als umfassende Bundesregelung zu verstehen sind und damit weder in der Gesetzgebung noch im Vollzug Raum für ergänzende bzw. strengere kantonale Normen bleibt (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.3). Andererseits ergibt sich eine weitere Einschränkung aus dem Legalitätsprinzip, da Vollzugshilfen als verwaltungsinterne Führungsinstrumente zwar zu einer sachgemässen und einheitlichen Umsetzung des Rechts beitragen, ohne dass ihnen aber Gesetzeskraft zukäme. Entsprechend vermögen sie eine gesetzliche Grundlage nicht zu ersetzen und bleiben auch einer einzelfallweisen Überprüfung durch die Gerichte zugänglich. Immerhin sind sie nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen und in diesem Sinne beachtlich (BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 3.3 m.w.H.).

36. Bei gewässerschutzrechtlichen Bewirtschaftungsvorgaben handelt es sich letztlich um polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkungen, welche ohne weiteres zulässig sind, wenn sie der konkreten Gefahrenabwehr dienen und verhindern, dass der Eigentümer oder andere ernsthaft und unmittelbar gefährdet oder geschädigt werden (BGE 106 Ib 330 ff, E. 4). Gehen sie dagegen über das hinaus, was zur Abwendung der ernstaften und unmittelbaren Gefahr erforderlich ist, ist das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt und die Norm kann nicht länger als Konkretisierung des verfassungsmässig geschützten Eigentumsbegriffs verstanden werden. Vielmehr erreicht sie die Intensität eines – entschädigungspflichtigen – zulässigen Grundrechtseingriffs, mit der Konsequenz, dass sämtliche Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt sein müssen.

C.           Kapazität der Lagereinrichtungen (Abs. 3)

37. Die ratio legis von Art. 14 Abs. 3 GSchG liegt darin begründet, dass sämtliche Betriebe von Anfang an verpflichtet sein sollen über genügend Lagermöglichkeiten für den anfallenden Hofdünger zu verfügen, um ihn nicht zur Unzeit ausbringen zu müssen oder ein Überlaufen der Einrichtungen zu riskieren.

 

1.             Lagerdauer
38. Auf Bundesebene ist ausgehend von der Annahme einer gesamtschweizerisch mindestens drei Monate dauernden Vegetationsruhe eine minimale Lagerdauer von ebendieser Länge vorgegeben. Die einschlägige Vollzugshilfe des Bundes empfiehlt als Richtwert für Neuanlagen allerdings bereits eine Lagerdauer von 5 Monaten (Talgebiet) resp. 6 Monaten (Berggebiet) für Flüssigdünger und von generell 6 Monaten für Mist (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 20 f.).

39. Vorschriften zur Lagerdauer sollten sich generell am längsten Zeitraum der Vegetationsruhe orientieren, welcher in einer Beobachtungsperiode von 30 Jahren unter Einbezug von seltenen, nicht aber von extremen Verhältnissen am betroffenen Standort zu erwarten ist (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 20). Weiter sollte auch der Möglichkeit von überdurchschnittlich langen Wintern, frühen Wintereinbrüchen oder sehr nassen Frühlingen ohne Ausbringmöglichkeit vor bzw. nach der Vegetationsruhe Rechnung getragen werden.

40. Gesetzlich vorgesehen ist sodann die Möglichkeit der Kantone, abgestimmt auf die lokalen klimatischen und pflanzenbaulichen Verhältnisse eine grössere Lagerkapazität für eine entsprechend längere, potentielle Lagerdauer zu verlangen. Sie berücksichtigen dabei betriebsspezifische Verhältnisse, wie z.B. Bodeneigenschaften, Exposition des Standorts und Klima (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 20). Gleichzeitig können sie auch eine kleinere Lagerkapazität bewilligen, wenn Ställe nicht ganzjährig belegt sind.

41. Die Kantone haben von der ihnen zukommenden Kompetenz unterschiedlich Gebrauch gemacht. Teilweise existieren entsprechende Bestimmungen in der kantonalen Einführungsgesetzgebung (z.B. Art. 19 KGV BE und Art. 27 GewR FR) während andernorts lediglich Empfehlungen ohne Gesetzesrang geschaffen wurden (z.B. JU, vgl. RJJ 2007 131 ff.).

 

2.             Lagervolumen
42. Die auf einem Betrieb anfallende Hofdüngermenge ist in erster Linie von der betroffenen Nutztierart und vom Aufstallungssystem abhängig. Im Einzelfall können aber weitere Faktoren, wie schon nur unterschiedliche Gewohnheiten des Stallpersonals, zu einer signifikanten Abweichung von der Norm führen. Nicht zu vernachlässigen sind sodann weitere Abwässer, welche in die Hofdüngeranlage einzuleiten sind (z.B. Abwässer aus Stallreinigung, Tierpflege und Melkerei, Silosäfte, Molke und ‑ je nach den Umständ-en ‑ Hausabwässer) bzw. natürlich eingeleitet werden (Niederschlagswasser, welches bei ausserordentlichen Ereignissen auch in grossen Mengen anfallen kann).

43. Bei der Dimensionierung des Lagervolumens ist aber auch zu bedenken, dass der landwirtschaftlichen Nutzung dienende Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone gemäss Art. 16 RPG nur dann zonenkonform sind, wenn sie hinsichtlich Standort und Grösse einem objektiven Bedürfnis entsprechen und folglich nicht überdimensioniert sind (BGE 122 II 160, E. 3a).

44. Im Einzelfall sei auf einige ausgesuchte Entscheide hingewiesen. So hielt das Kantonsgericht des Kantons JU bei 66 Schweinen ein Volumen von 320 m3 ohne weiteres für bewilligungsfähig, wenn bei der behördlich angeordneten minimalen Lagerdauer von vier Monaten je nach Berechnungsart 249 m3 oder 270 m3 bzw. bei einer, aufgrund der jüngsten meteorologischen Erfahrungen vorzuziehenden Lagerdauer von fünf Monaten 417 m3 oder 438 m3 Lagervolumen erforderlich gewesen wären (Tribunal cantonal JU, arrêt du 11 septembre 2006, in: RJJ 2007 131 ff.). Das VGer des Kantons ZH erwog es seinerzeit als zulässig, das Bauprojekt an der gesetzlich möglichen Bewirtschaftungsintensität auszurichten, auch wenn diese mit 2.5 DGVE pro Hektare deutlich höher lag, als die im Urteilszeitpunkt praktizierte von 1.5 DGVE pro Hektare (VGer ZH, Urteil vom 13. April 2000 [VB.2000.00028], E. 3). Im Fall des Kantons FR wendete sich der Beschwerdeführer insb. gegen die vom Amt für Umwelt angewendete Volumenmessmethode, bei der anhand der Grundfläche des Güllenloches und unter Zuhilfenahme eines Stockes für die Tiefenmessung das vorhandene Lagervolumen ermittelt wurde. Das VGer des Kantons FR erachtete diese Messmethode im Gegensatz zum Beschwerdeführer nicht per se als willkürlich. Ausserdem hielt es fest, dass es selbst bei genauerer Messung im zu beurteilenden Fall absolut ausgeschlossen sei, dass das vorhandene Lagervolumen ausreiche, weshalb es die Beschwerde abwies (VGer FR, Urteil vom 14. März 2012 [602 2011-55], E. 4c).

 

3.             Lagerort
45. Der Lagerraum für mindestens drei Monate muss auf dem Betrieb selber vorhanden sein. Das über diese minimalen drei Monate Lagerdauer hinaus erforderliche Lagervolumen hingegen muss nicht zwingend auf dem Betrieb selber vorhanden sein, es kann unter gewissen Voraussetzungen auch zugemietet werden (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 20).

46. Voraussetzung, damit der Nachweis der genügenden Lagerkapazität praxisgemäss auch über die Zumietung von Lagervolumen erfolgen kann, ist u.a., dass die Miete vertraglich geregelt ist und der Hofdünger auch tatsächlich dort gelagert und wieder zurückgeführt wird, die gemieteten Objekte inkl. Entwässerung des Umschlagplatzes den Vorschriften entsprechen, der Vermieter das entsprechende Lagervolumen nachweislich nicht selber benötigt und die Einlagerung und Entnahme in einem wirtschaftlichen und ökologisch vertretbaren Verhältnis stehen, was nach Meinung des BAFU bei einer Fahrdistanz bis 6 km noch gewährleistet ist. Wird das Lager vom Vermieter und einem oder mehreren Mietern gemeinsam genutzt, hat die Nutzergemeinschaft auf Verlangen nachzuweisen, dass die erforderliche Lagerkapazität für jeden Betrieb jederzeit gewährleistet ist (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 22).

D.           Anbindung an die Nutzfläche (Abs. 4 und 6–8)

47. Art. 14 Abs. 4 GSchG enthält mit der Begrenzung der Düngerausbringungsmenge von höchstens 3 Düngergrossvieheinheiten (DGVE) auf 1 ha Nutzfläche eine Einschränkung der zulässigen Bodennutzung. Über die Beschränkung der erlaubten DGVE pro Hektare wird indirekt eine Rückbindung der Tierhaltung an den Boden bewirkt (vgl. auch Botschaft RPG 1996, 525).

 

1.             Düngbare Nutzfläche
48. Das Gewässerschutzrecht enthält keine eigene Definition der Nutzfläche i.S.v. Art. 14 Abs. 4 GSchG. Da über die Flächenbindung der DGVE aber eine Regulierung des pro Hektar anfallenden Düngers bezweckt wird, wird damit wohl die düngbare Fläche gemeint sein. Diese ist nicht identisch mit der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) in der Definition von Art. 14 LBV. Differenzen ergeben sich namentlich bei der Sömmerungsfläche, welche gemäss Art. 14 Abs. 1 LBV nicht zur landwirtschaftlichen Nutzfläche gehört, aber unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze gedüngt werden darf, und bei mit Hecken, Ufer‑ und Feldgehölzen bestockten Flächen, welche gemäss Art. 14 Abs. 1 Bst. f LBV zur landwirtschaftlichen Nutzfläche gehören können, aber nicht gedüngt werden dürfen.

49. Die düngbare Fläche wird somit negativ definiert, als diejenige Fläche für die keine Düngeverbote bestehen. Solche Düngeverbote ergeben sich aus Anh. 2.6 Ziff. 3.3.1 ChemRRV, Art. 41c Abs. 3 GSchV und Anh. 4 Ziff. 223 GSchV mit den in Anh. 2.6 Ziff. 3.3.2 ChemRRV statuierten Ausnahmen. Sie betreffen namentlich oberirdische Gewässer bzw. den Gewässerraum, Grundwasserschutzzonen S 1 und S 2 (für Flüssigdünger), Riedgebiete und Moore, Wald und mit Hecken und Feldgehölzen bestockte Flächen sowie einen gegebenenfalls daran angrenzenden Pufferstreifen. Ab der weiteren Grundwasserschutzzone S 3 bestehen keine generellen bundesrechtlichen Einschränkungen mehr. Unter gewissen Voraussetzungen bezeichnen jedoch die Kantone Grundwasserschutzzonen bzw. ‑areale und erlassen die erforderlichen Bewirtschaftungsauflagen (Art. 20 f. GSchG). Dazu können auch Düngebeschränkungen oder ‑verbote zählen, wenn z.B. aufgrund der Nährstoffvorräte im Boden mit einer Abschwemmung oder Auswaschung zu rechnen ist. Freiwillige Düngeverbote ergeben sich sodann für Biodiversitätsförderflächen, wenn solche Biodiversitätsbeiträge beansprucht werden (Art. 58 Abs. 2 DZV).

50. Die gesetzlichen Düngeverbote sind polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkungen und lösen als solche nach der vom BGer in ständiger Rechtsprechung verwendeten Formel keine Entschädigungsfolgen aus, wenn sie der konkreten Gefahrenabwehr dienen und verhindern, dass der Eigentümer oder die Umwelt ernsthaft und unmittelbar gefährdet oder geschädigt werden. Gehen sie dagegen über das hinaus, was zur Abwendung der ernsthaften und unmittelbaren Gefahr erforderlich ist, ist das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt und der Eingriff wird entschädigungspflichtig (BGE 106 Ib 330, E. 4). Soweit nichtdüngbare Flächen als Biodiversitätsförderflächen (vormals ökologische Ausgleichsflächen) ausgeschieden werden können, für welche spezielle Beiträge ausgerichtet werden (vgl. Art. 73 LwG), dürften allfällige Nachteile aufgewogen sein (Maurer, Bodennutzung, 629). Allerdings wird geprüft, die Beiträge für die wenig belasteten Bergzonen III und IV per 2018 aufzuheben (Botschaft Agrarpolitik 2014–2017, 2102 und 2202).

2.             Düngergrossvieheinheiten
51. Die DGVE stellt eine Grösse dar, anhand der ohne aufwendige Messungen und Berechnungen basierend auf Erfahrungswerten eine ungefähre Nährstoffbilanz des Betriebes erstellt werden kann. Die Grundeinheit entspricht dabei dem durchschnittlichen jährlichen Anfall von Gülle und Mist einer 600 kg schweren Kuh (Art. 14 Abs. 8 GSchG), d.h. einem Nährstoffanfall von 105 kg Stickstoff und 15 kg Phosphor (Art. 23 GSchV). Die Umrechnung auf andere Nutztierarten erfolgt ebenfalls gestützt auf die jährlich ausgeschiedene Nährstoffmenge und kann der Tab. 35 in den GRUDAF 2009 der Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon und Changins-Wädenswil entnommen werden. Nicht identisch sind dagegen die GVE gemäss Art. 27 i.V.m. Anh. LBV.

52. Liegt der Tierbestand im Verhältnis zur Nutzfläche im Grenzbereich des Zulässigen, kann sich eine fallweise Überprüfung unter Hinzuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen aufdrängen, da die DGVE bloss Orientierungscharakter haben (Brunner, Bodenschutz, 541).

53. Die Menge der ausgeschiedenen Nährstoffe kann schliesslich durch nährstoffreduziertes Futter (sogenanntes Ökofutter) signifikant beeinflusst werden, welches in der Schweine‑, Kaninchen‑, Junghennen‑, Legehennen‑, Mastpoulet‑ und Masttrutenhaltung zum Einsatz gelangen kann. Einzelheiten können der Wegleitung Suisse-Bilanz der AGRIDEA und des BLW vom Juni 2013 entnommen werden (Berechnungsbeispiel: VGer ZG, Urteil vom 10. April 1997, zit. nach Brunner, Bodenschutz, 523).

54. Auf Bundesebene gab es 1994 einen Vorstoss zur Einführung einer Lenkungsabgabe auf Hofdüngerüberschüssen. Der 2003 veröffentlichte Düngerbericht des Bundesrates kam jedoch zum Schluss, dass die geltenden gesetzlichen Grundlagen zum Schutz der Gewässer ausreichend seien, weshalb das Unterfangen in der Folge fallengelassen wurde. Im Gegensatz dazu hat der Kanton LU eine solche Lenkungsabgabe mit § 34 EGGSchG LU verwirklicht und bringt sie offenbar auch zur Anwendung (VGer LU, Urteil vom 3. November 2005 [V 04 257], in: LGVE 2005 II Nr. 3, 195 ff.). Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu einem kantonalrechtlichen Versickerungsverbot (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009) kann man sich allerdings fragen, ob diese Regelung bundesrechtskonform ist.

3.             Ortsüblicher Bewirtschaftungsbereich (Abs. 4)
55. Für den Ort der Hofdüngerverwertung normiert Art. 14 Abs. 4 Satz 2 GSchG bei Ausbringung ausserhalb des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereiches die Haltung nur so vieler Nutztiere, dass mindestens die Hälfte des im Betrieb anfallenden Hofdüngers auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche verwertet werden kann.

56. Der gewässerschutzrechtlich relevante ortsübliche Bewirtschaftungsbereich (oBB) umfasst die Nutzflächen in einer Fahrdistanz von max. 6 km um das Stallgebäude, in dem der Hofdünger anfällt (Art. 24 Abs. 1 GSchV). Die kantonale Behörde kann diese Begrenzung unter Berücksichtigung der ortsüblichen Bewirtschaftungsverhältnisse herabsetzen oder um höchstens 2 km erhöhen (Art. 24 Abs. 2 GSchV). In BGer 5A_107/2013 vom 7. Juni 2013, E. 4.2, hat das Bundesgericht festgehalten, dass im Bereich des BGBB öffentlich-rechtlich und privatrechtlich von einer einheitlichen Grösse des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereiches auszugehen ist. In Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung sei dieser bei einer Fahrdistanz von 9.5 km resp. 8.3 km Fahrdistanz überschritten (E. 4.3). Damit dient die Festlegung eines ortsüblichen Bewirtschaftungsbereiches dem Arrondierungsgedanken und bringt zum Ausdruck, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb eine räumliche und ökonomische Einheit bilden soll, um als solcher zu gelten. Für das Gewässerschutzrecht wird de lege ferenda zu prüfen sein, ob diese Konzeption aufrecht erhalten bleiben soll oder ob sie (jedenfalls in diesen engen Grenzen) nicht mehr zeitgemäss ist (vgl. Bericht Düngerbilanz 2009, 3 und Mo. Bischofberger).

4.             Herabsetzung durch Kantone (Abs. 6)
57. Gestützt auf Art. 14 Abs. 6 GSchG setzen die kantonalen Behörden die zulässigen DGVE pro Hektare herab, wenn dies aufgrund der Bodenbelastbarkeit, Höhenlage und Topografie erforderlich ist.

58. Dies kann grundsätzlich im Wege einer generell-abstrakten Norm erfolgen, wenn hinreichend klar ist, dass es in einem gewissen Gebiet ansonsten zu einer anhaltenden Belastung der Gewässer kommen könnte, sei dies aufgrund der Bodenbelastbarkeit einschliesslich einer allfälligen Vorbelastung oder aufgrund der Höhenlage bzw. dem dadurch beeinflussten Nährstoffbedarf der Pflanzen. Die Topographie dürfte dagegen für sich genommen kein zuverlässiges Kriterium darstellen (Kantonsgericht SZ, Urteil vom 1. Februar 2005 [SK 2004 29], in: EGV-SZ 2004, A. 4.2, 70 ff.). Da sowohl die mengenmässige Begrenzung des Hofdüngeranfalls pro düngbarer Nutzfläche als auch deren Herabsetzung letztendlich der Erreichung einer ausgeglichenen Nährstoffbilanz dienen, rechtfertigt jedes der in Abs. 6 genannten Kriterien eine Korrektur des Höchstwertes durch die Kantone, wenn sie für die langfristige Reinhaltung der Gewässer erforderlich ist. Manche Kantone haben denn auch einschlägige generell-abstrakte Regelungen getroffen (z.B. Art. 18 Abs. 2 KGV BE). Unter dem Gesichtswinkel, dass die Bewirtschaftungsbeschränkungen in Art. 14 GSchG als polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkungen jedoch nur bedenkenlos zugelassen werden können, wenn sie der konkreten Gefahrenabwehr dienen, scheint bei generellen Einschränkungen eine gewisse Gefahr der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips zu bestehen. Auch wenn individuell-konkrete Korrekturen unter Umständen mit erheblichem Abklärungsaufwand verbunden sind, welcher im Gewässerschutzrecht – anders als bei den Direktzahlungen – wegen der umgekehrten Beweislast schlussendlich das Gemeinwesen trifft, werden die rechtsanwendenden Behörden nicht vor einer wohlbegründeten Überprüfung des Einzelfalles zurückschrecken dürfen.

59. Die in BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, E. 3.2.4 (publ. BGE 137 II 182 ff.) vom Bundesgericht vorgebrachte Argumentation für die in der Regel unabhängig von der konkreten Bewirtschaftung erfolgende Betrachtung mag für BGBB-Verfahren zutreffen, für eine gewässerschutzrechtliche Beurteilung kann sie aber nicht ohne weiteres herangezogen werden. Hier ist vielmehr einzelfallprüfungsweise die konkrete Nährstoffbilanz heranzuziehen, welche unter Einbezug sämtlicher massgebender Fakten ausgeglichen zu sein hat.

5.             Ausnahmen bei Nutzfläche (Abs. 7)
60. Von der dem Bundesrat in Art. 14 Abs. 7 GSchG eingeräumten Kompetenz, Ausnahmen von den Anforderungen an die Nutzfläche vorzusehen für Betriebe mit Geflügel oder Pferdehaltung sowie Betriebe, die Aufgaben im öffentlichen Interesse erfüllen, hat er in Art. 25 GSchV Gebrauch gemacht. Der Bestimmung liegt eine gesetzgeberische Interessenabwägung zugrunde, da gerade in der Poulet-Mast viel Mist anfällt, der nicht direkt auf dem Betrieb als Dünger weiterverwertet werden kann. Einerseits kann er nämlich zu Verkehrsdünger verarbeitet werden, andererseits findet Geflügel‑ und Pferdemist in der Champignonproduktion Verwendung. Schliesslich gibt es Bestrebungen zur Verwendung als Brennstoff, wobei dadurch allerdings die in Art. 14 Abs. 2 GSchG statuierte Verpflichtung zur landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Verwertung des Düngers tangiert wird. Auch die übrigen Ausnahmen sind durch ein überwiegendes, nicht gewässerschutzliches Interesse – wie insb. die energetisch sinnvolle Verwertung von Abfällen – gedeckt.

61. Hingegen findet die übergangsrechtlich motivierte Ausnahmekompetenz für vorbestehende kleinere und mittlere Betriebe im geltenden Recht soweit ersichtlich keinen Niederschlag.

E.            Erfassung der Düngerabgabe (Abs. 5)

62. Bis am 31. Dezember 2013 musste für Hofdüngerüberschüsse ein schriftlicher Düngerabnahmevertrag geschlossen werden, welcher von der zuständigen Behörde zu genehmigen war (Art. 14 Abs. 5 GSchG i.d.F. vom 24. Januar 1991, in Kraft seit 1. November 1992). Dieses System zeigte insb. im kantonsübergreifenden Vollzug Schwächen, weshalb es nun durch ein gesamtschweizerisches informatikbasiertes Informationssystem zur einheitlichen Verwaltung von Hof‑ und Recyclingdüngerverschiebungen in der Landwirtschaft nach Art. 165f LwG ersetzt wurde (HODUFLU; Art. 14 Abs. 5 GSchG).

1.             Informationssystem
63. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Hofdüngerverschiebungen 2000 bis 2007 zugenommen haben, obschon der Gesamttierbestand praktisch stagniert hat (Zunahme von 0.5 %). Dies deshalb, weil einerseits die Haltung von Raufutterverzehrern zugunsten einer bodenunabhängigen Haltung von Schweinen und Geflügel aufgegeben wurde und weil andererseits insb. in den tierintensiven Gebieten eine Zunahme des Tierbesatzes pro Hektare düngbarer Fläche zu verzeichnen war. Entgegen Maurer ist der durchschnittliche Tierbesatz gesamtschweizerisch gesehen jedoch auf ausreichend tiefem Niveau, damit bei einem optimalen Nährstoffmanagement alle betrieblichen Hofdüngerüberschüsse noch effizient im Inland genutzt werden können (Bericht Düngerbilanz 2009, 2, und Maurer, Bodennutzung, 618).

64. Die zunehmende Mobilität des Hofdüngers – nicht zuletzt auch aufgrund der Nutzung zur Produktion erneuerbarer Energie – machte jedoch eine flächendeckende Erfassung und Kontrolle der Nährstoffflüsse erforderlich. Das BLW und das BAFU haben zu diesem Zweck eine Internetapplikation zur EDV-basierten Verwaltung aller inner- und interkantonalen Hofdüngerverschiebungen (HODUFLU) entwickelt. Soweit Dünger abgegeben werden, sind die Mengen seit 1. Januar 2014 zwingend darin zu erfassen. Darüber hinaus würde das Programm aber auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung in Richtung einer Nährstoffbörse bieten (Bericht Düngerbilanz 2009, 2 f.). Als solche könnte es eventuell die Antwort auf Bestrebungen sein, den gesetzlich zulässigen Maximalbesatz von Art. 14 Abs. 4 GSchG generell zu senken, wenn die Hofdüngerüberschüsse anstelle des Einsatzes von (importierten) Mineraldüngern treten könnten.

65. Sowohl das BAFU als auch die kantonalen Behörden haben gestützt auf Art. 165f Abs. 4 LwG die Kompetenz, die für ihre Vollzugsaufgaben erforderlichen Daten online abzurufen.

2.             Abnahmeverträge
66. Die Pflicht zum Abschluss von Abnahmeverträgen wurde zugunsten der zwingenden Verwendung des EDV-basierten Informationssystems bei Hofdüngerüberschuss-Abgaben aufgegeben. Es ist zu hoffen, dass gewisse, möglicherweise durch Medienbrüche bewirkte Schwierigkeiten bei der Erfassung der abgegebenen Hofdüngermengen in Zukunft wegfallen werden (vgl. BVGer B-1629/2012 vom 31. Juli 2012, E. 5; VGer SG, Urteil vom 21. August 2013 [B 2013/61], E. 4.5.5).

67. Soweit allerdings Abnahmeverträge zum Nachweis der genügenden Lagerkapazität i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GSchG bzw. eines ausreichenden Mischverhältnisses i.S.v. Art. 12 Abs. 4 GSchG erforderlich waren, werden sie auch in Zukunft ihre Berechtigung beibehalten (vgl. VGer SG, Urteil vom 21. August 2013 [B 2013/61], E. 4.5).

Résumé

Les art. 14–16 LEaux relatifs à l’utilisation des engrais de ferme constituent, avec l’art. 27 LEaux, le coeur des dispositions pertinentes relatives à l’agriculture dans la LEaux. Du point de vue de la LEaux, les émissions d’origine agricole, en particulier celles des composés de phosphore et d’azote peuvent avoir de lourdes conséquences pour la qualité des eaux lorsqu’elles sont déversées en concentrations trop élevées.

L’al. 1 de l’art. 14 LEaux, imposant un bilan des engrais équilibré, s’applique à toute exploitation pratiquant la garde d’animaux de rente. Par bilan équilibré, on entend un juste équilibre entre les apports des éléments fertilisants (en particulier ceux de l’azote et du phosphore) par le biais d’engrais de ferme et du commerce et les besoins en éléments fertilisants de la culture. Le bilan équilibré a, outre sa pertinence pour la protection des eaux, un impact sur le droit aux paiements directs selon l’art. 13 OPD et constitue un élément restrictif dans le calcul de l’unité de main d’œuvre standard.

L’art. 14 al. 2 LEaux institue un impératif de valorisation. L’utilisation agricole ou horticole des engrais de fermes doit être faite conformément à l’état de la technique et d’une manière compatible avec l’environnement. Selon la volonté du législateur, il est également interdit de déverser le fumier provenant de la garde d’animaux dans les canalisations publiques.

La ratio legis de l’art. 14 al. 3 LEaux est de garantir que toutes les installations disposent suffisamment de capacité de stockage pour les engrais de ferme, ce afide ne pas devoir épandre en temps inopportun ou de risquer un débordement des installations.

L’art. 14 al. 4 LEaux institue une limitation de l’utilisation du sol par la restriction du nombre d’unités de gros bétail-fumure par hectare de surface utile. Les surfaces fertilisables sont définies de manière négative et sont donc les surfaces où la fumure n’est pas interdite. L’interdiction de fumure prévue par la LEaux est une restriction de propriété justifiée par des motifs de police et doit, selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, être supportée sans indemnités lorsqu’elle vise à écarter un danger imminent concret et empêcher ainsi que le propriétaire soit sérieusement et directement mis en danger. La saisie obligatoire des livraisons de fumiers se fait par un système suisse d’information conformément à l’art. 14 al. 5 LEaux.

Selon l’art. 14 al. 6 LEaux, les autorités cantonales réduisent le nombre d’unités de gros bétail-fumure par hectare lorsque la charge du sol en polluants, l’altitude et les conditions topographiques le requièrent.

Le Conseil fédéral a fait usage de la compétence prévue à l’art. 14 al. 7 LEaux qui lui permettait d’autoriser des exceptions aux exigences concernant la surface utile pour l’aviculture et la garde de chevaux, ainsi que pour les entreprises qui assument des tâches d’intérêt public (recyclage des déchets, recherche, etc.) en édictant l’art. 25 OEaux.

 

Literatur: Maurer Hans, Beschränkung und Lenkung der landwirtschaftlichen Bodennutzung und Entschädigungsfragen, in: URP 2002, 616 ff. (zit. Bodennutzung); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Stutz Hans W., Redaktionelle Anmerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 1C_62/2014 vom 15. Juni 2015, in: URP 2015, 394 ff. (zit. Urteilsanmerkungen 2015).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Siebter Bericht über die Lage der schweizerischen Landwirtschaft und die Agrarpolitik des Bundes vom 27. Januar 1992, BBl 1992 II 130 ff. (zit. Bericht BR Landwirtschaft 1992); Botschaft zu einer Teilrevision des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) vom 22. Mai 1996, BBl 1996 III 513 ff. (zit. Botschaft RPG 1996); Botschaft zur Reform der Agrarpolitik – Zweite Etappe (Agrarpolitik 2002) vom 26. Juni 1996, BBl 1996 IV 1 ff. (zit. Botschaft Agrarpolitik 2002); Bericht des Bundesrates über die Reduktion der Umweltrisiken von Düngern und Pflanzenschutzmitteln vom 21. Mai 2003, BBl 2003 4802 ff. (zit. Bericht Umweltrisiken 2003); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gassner Anita), Gewässerschutzbestimmungen in der Landwirtschaft – Ein internationaler Vergleich, Umwelt-Wissen Nr. 0618, Bern 2006 (zit. Gewässerschutzbestimmungen); Bericht des Bundesrates, Ausgeglichene Düngerbilanz im Zusammenhang mit Abnahmeverträgen für Hofdünger und Hofdüngertransporten, Bericht vom 24. Juni 2009 in Erfüllung des Postulates der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 10. November 2006 (06.3637) (zit. Bericht Düngerbilanz 2009); Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Agroscope Changins-Wädenswil ACW/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.) (verfasst durch Flisch René/Sinaj Sokrat/Charles Raphaël et al.), Grundlagen für die Düngung im Acker‑ und Futterbau 2009 (GRUDAF), Posieux 2009 (zit. GRUDAF 2009); Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014–2017 (Agrarpolitik 2014–2017) vom 1. Februar 2012, BBl 2012 2075 ff. (zit. Botschaft Agrarpolitik 2014–2017); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Baulicher Umweltschutz in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Schweiz – Stand Mai 2012, 2. Aufl., Umwelt-Vollzug Nr. 1101, Bern 2012 (zit. Baulicher Umweltschutz); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Nährstoffe und Verwendung von Düngern in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft, Umwelt-Vollzug Nr. 1225, Bern 2012 (zit. Umweltschutz Landwirtschaft); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Heldstab Jürg/Leippert Fabio/Biedermann Roger et al.), Stickstoffflüsse in der Schweiz 2020 – Stoffflussanalyse und Entwicklungen, Umwelt-Wissen Nr. 1309, Bern 2013 (zit. Stickstoffflüsse); AGRIDEA/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Wegleitung Suisse-Bilanz, Aufl. 1.11, Bern/Lindau 2013 (zit. Suisse Bilanz 2013); Motion Bischofberger (14.3095) «Ortsüblicher Bewirtschaftungsbereich. Ersatzlose Aufhebung von Artikel 24 der Gewässerschutzverordnung» 13. März 2014 (zit Mo. Bischofberger); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2013, Umwelt-Zustand Nr. 1070, Bern 2013 (zit. Umwelt 2013); Bundesamt für Statistik (BFS), Nachhaltige Entwicklung – MONET – Natürliche Ressourcen – Nitratgehalt im Grundwasser, <http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/21/02/ind32.indicator.72002.321

2.html>, 24.6.2015 (zit. MONET Nitratgehalt); Bundesamt für Statistik (BFS), Nachhaltige Entwicklung – MONET – Natürliche Ressourcen – Phosphorgehalt im Seewasser, <http://www.bfs.admin.ch/
bfs/portal/de/index/themen/21/02/ind32.indicator.72003.3212.html>, 24.6.2015 (zit. MONET Phosphorgehalt).

Stutz Hans W.​

 

​Erstellung und Kontrolle von Anlagen und Einrichtungen

1         Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden. Die Funktionstüchtigkeit von Abwasser- und Düngeraufbereitungsanlagen muss regelmässig überprüft werden.

2         Die kantonale Behörde sorgt dafür, dass die Anlagen periodisch kontrolliert werden.

Construction et contrôle des installations et des équipements

1         Les détenteurs d’installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées, d’ installations d’entreposage et d’installations de traitement technique des engrais de ferme et de digestats liquides, ainsi que des silos à fourrage veillent à ce que ceux-ci soient construits, utilisés, entretenus et réparés correctement. Le fonctionnement des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées ainsi que de celles servant au traitement des engrais de ferme doit être contrôlé périodiquement.

2         L’autorité cantonale assure le contrôle.

Costruzione e controllo di impianti e installazioni

1         I detentori di impianti di evacuazione e di depurazione delle acque di scarico, di installazioni di deposito e di impianti per il trattamento tecnico di concime di fattoria e digestato liquido, come pure di sili per foraggi grezzi provvedono affinché la loro costruzione, il loro impiego, la loro manutenzione e la loro riparazione avvengano a regola d’arte. Il funzionamento degli impianti d’evacuazione e di depurazione delle acque di scarico, come pure degli impianti adibiti al trattamento di concimi, deve essere controllato periodicamente.

2         L’autorità cantonale assicura il controllo periodico degli impianti.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
A. ​Gesetzesfassung vom 24. Januar 1991 1
B. ​Gesetzesfassung vom 24. März 2006 6
C. ​Gesetzesfassung vom 22. März 2013 9
​II. ​Allgemeine Bemerkungen 12
A. ​Aufgaben der Inhaber der Anlagen 12
B. ​Aufgaben der Gewässerschutzbehörden 17
III. ​ Kommentierung 20
​A. ​Erstellung und Kontrolle von Anlagen und Einrichtung (Abs. 1) 20
1. ​Anlagen und Einrichtungen 20
2. Sachgemässe Erstellung 25
​3. ​Sachgemässer Betrieb 28
4. ​Überprüfung der Funktionsfähigkeit 39
B. ​Kantonale Kontrolle (Abs. 2) 43
1. ​Notwendigkeit, Zweck und Umfang behördlicher Kontrollen 43
2. Periodische Kontrolle 49
3. ​Auslagerung von Kontrollaufgaben 59

 

I.              Entstehungsgeschichte

A.           Gesetzesfassung vom 24. Januar 1991

1. Bei der Ausgestaltung von Art. 15 Abs. 1 GSchG lehnte sich der Bundesrat stark an eine entsprechende Formulierung im Gewässerschutzgesetz von 1971 an. Art. 17 Abs. 3 GSchG 1971 lautete wie folgt: «Die Inhaber von öffentlichen und privaten Abwasseranlagen haben diese stets sachgemäss zu betreiben, zu warten und zu unterhalten. Sie haben deren Funktionstüchtigkeit unter Aufsicht der zuständigen kantonalen Behörden periodisch untersuchen zu lassen.»

2. Diese Eigenkontrollpflichten der Inhaber von Abwasseranlagen wurden der Sache nach in den bundesrätlichen Entwurf von Art. 15 Abs. 1 GSchG übernommen. Neu wurden aber auch die Inhaber von Lagereinrichtungen für Gülle und Mist sowie die Inhaber von Raufuttersilos in die Pflicht genommen. Anlass für diese Ausweitung des Kreises der Pflichtigen waren schwerwiegende Güllebehälterbrüche, die sich zugetragen hatten; zudem hatten Kontrollen gezeigt, dass Güllebehälter in vielen Fällen undicht waren, was zu gewässerverunreinigenden Gülleverlusten führte (Botschaft GSchG 1987, 1120).

3. Neben den Pflichten der Anlageinhaber wurde in den bundesrätlichen Entwurf auch ein Abs. 2 aufgenommen, wonach die kantonale Behörde dafür zu sorgen hat, dass die erforderlichen Kontrollen in angemessenen Zeitabständen durchgeführt werden. Art. 15 Abs. 2 GSchG knüpft an die Aufsichtspflicht der «zuständigen kantonalen Behörden» in Art. 17 Abs. 3 GSchG 1971 an.

4. Die eidgenössischen Räte übernahmen den Vorschlag des Bundesrates weitgehend. Im Rahmen der parlamentarischen Bearbeitung wurde der Umfang der Eigenkontrollpflichten in der Landwirtschaft nicht – so der Entwurf des Bundesrates – auf Lagereinrichtungen für Gülle und Mist beschränkt, sondern auf technische Aufbereitungsanlagen für Hofdünger ausgeweitet; zudem wurde die Pflicht zur regelmässigen Kontrolle der Funktionsfähigkeit der Anlagen auf Düngeraufbereitungsanlagen ausgedehnt (Abs. 1). Ein entsprechender Antrag der nationalrätlichen Kommission wurde vom Nationalrat diskussionslos angenommen (AB 1989 N 1012) und in der Differenzbereinigung auch vom Ständerat gutgeheissen (AB 1989 S 720).

5. Die Verpflichtung der kantonalen Behörde, dafür zu sorgen, «dass in angemessenen Zeitabständen die erforderlichen Kontrollen durchgeführt werden» (Vorschlag des Bundesrates), wurde auf Antrag der nationalrätlichen Kommission (vgl. AB 1989 N 1012; AB 1989 S 720) an den Wortlaut des bisherigen Art. 17 Abs. 3 GSchG 1971 angeglichen («dass die Anlagen periodisch kontrolliert werden»; endgültiger Gesetzestext).

B.            Gesetzesfassung vom 24. März 2006

6. Im Zusammenhang mit einer Gesetzesrevision betreffend die Entlastung des Bundeshaushalts schlug der Bundesrat neben einer Deregulierung im Bereich der Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten auch eine Änderung von Art. 15 GSchG vor. Gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag wurden die Sachüberschrift und Abs. 1 von Art. 15 GSchG derart ergänzt, dass neu auch die sachgemässe Erstellung von Anlagen und Einrichtungen zu den Pflichten der Inhaber zählt (Botschaft GSchG 2004, 949).

7. Mit dieser Änderung sollte betont werden, dass Art. 15 GSchG eine «umfassendeeigenständige Regelung für Abwasser und Hofdünger» darstellt (Botschaft GSchG 2004, 943); damit wurde eine Abgrenzung zu den weitgehend analogen Anforderungen gemäss Art. 22 GSchG – dort geht es um den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen – vorgenommen.

8. Der bundesrätliche Vorschlag wurde von Ständerat (Erstrat; AB 2005 S 821) und Nationalrat (AB 2006 N 20) ohne Änderung übernommen.

C.           Gesetzesfassung vom 22. März 2013

9. Im Rahmen der Agrarpolitik 2014-2017 (Vorlage 12.021) wurden auch die Inhaber von Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für flüssiges Gärgut den Pflichten gemäss Art. 15 Abs. 1 GSchG unterworfen.

10. Die Ergänzung von Abs. 1 Satz 1 mit dem Zusatz «flüssiges Gärgut» bezweckt, Erleichterungen für Biogasanlagen zu gewähren, die erhebliche Anteile nicht landwirtschaftlicher biogener Abfälle wie Rüstabfälle von Gemüseverarbeitungsbetrieben oder Speisereste aus Restaurants verarbeiten. Enthält flüssiges Gärgut mehr als 20 % nicht landwirtschaftliche biogene Abfälle, handelt es sich bei diesem Gärgut nicht um Hofdünger, sondern um Recyclingdünger (Art. 5 Abs. 1 Bst. a DüV). Flüssiger Recyclingdünger unterliegt an sich als wassergefährdende Flüssigkeit den Vorschriften von Art. 22 ff. GSchG, währenddessen Hofdünger der Regelung von Art. 15 GSchG untersteht. Mit der Ergänzung von Art. 15 Abs. 1 GSchG wird flüssiges Gärgut unabhängig von seiner Herkunft den Vorschriften für die Lagerung von Hofdünger unterstellt. Im Ergebnis werden Biogasanlagen von der sonst für Anlagen zur Lagerung wassergefährdender Flüssigkeiten geltenden Pflicht befreit, entweder einwandige oberirdische oder doppelwandige erdverlegte Lagereinrichtungen bauen zu müssen (zum Ganzen: Botschaft Agrarpolitik 2014-2017, 2275).

11. Der bundesrätliche Vorschlag (BBl 2012 2327 ff.) wurde von Nationalrat und Ständerat am 22. März 2013 unverändert übernommen (AS 2013 3463 ff.). Die Gesetzesänderung ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Aufgaben der Inhaber der Anlagen

12. Aufgrund ihrer Beschaffenheit und der anfallenden Mengen sind einerseits verschmutzte Abwässer aus privaten Haushalten, Dienstleistungs­unternehmen sowie industriellen und gewerblichen Betrieben und ander­erseits Abgänge aus der Landwirtschaft zwei Hauptquellen der Gewäs­serverschmutzung (vgl. Stutz, Herausforderungen, 506 ff.). Das Gewäs­serschutzrecht regelt diese Bereiche daher besonders detailliert. Im Zu­sammenhang mit der Erstellung und dem Betrieb von Abwasseranlagen und gewässerschutzrelevanten Anlagen der Landwirtschaft auferlegt Art. 15 GSchG der öffentlichen Hand, den privaten Haushalten, Industrie und Gewerbe sowie der Landwirtschaft weitreichende verwaltungsrechtliche Verpflichtungen. Die Bestimmung legt das Schwergewicht auf die Notwendigkeit, für den Gewässerschutz besonders bedeutsame öffentliche und private Anlagen so zu erstellen und zu betreiben, dass sie keine Gefahr für die Reinheit der Gewässer darstellen. Es geht dabei einerseits um – mit Blick auf den Gewässerschutz – besonders gefährliche Anlagen, so namentlich Anlagen der Landwirtschaft, die der Lagerung und Aufbereitung von Hofdünger (namentlich Gülle; Botschaft GSchG 1987, 1120) dienen. Andererseits sind auch öffentliche und private Abwasseranlagen selber Anlagen, deren Erstellung und Betrieb besondere Vorsicht erfordern: Versagen sie, kann es zu schwerwiegenden Gewässerverunreinigungen kommen. Art. 15 Abs. 1 GSchG konkretisiert das Verunreinigungsverbot gemäss Art. 6 GSchG und das Sorgfaltsgebot gemäss Art. 3 GSchG in diesen Bereichen (vgl. Obergericht ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, E. III.B. 2.2, in: URP 2003, 769 ff.).

13. Art. 15 GSchG bezieht sich auf den gesamten «Lebenszyklus» der Anlagen – von ihrer Erstellung über die Nutzung (den Betrieb) bis hin zu ihrem Ersatz durch neue Anlagen – und ist von grosser Tragweite: Die fachgerechte Erstellung und der sachgemässe Betrieb sowie eine hinreichende Überwachung der Funktionsfähigkeit der Anlagen stellen wichtige Massnahmen des Gewässerschutzes dar. Die Befolgung von Art. 15 GSchG durch die Inhaber stellt sicher, dass die Anlagen dauernd funktionstüchtig bleiben und dass sie am Ende ihrer Lebensdauer rechtzeitig erneuert oder ersetzt werden. Mit Art. 15 GSchG sind weitreichende Handlungspflichten der öffentlichen Hand und der Privaten verbunden, zumal die Kosten der Massnahmen gemäss Art. 3a GSchG grundsätzlich von den Verursachern zu tragen sind. Zu denken ist etwa an den Sanierungsbedarf bei privaten Kanalisationen, haben doch Untersuchungen der Eawag gezeigt, dass bis zu 40 % undicht sind (Stutz, Abwasserrecht, 201). Art. 15 Abs. 1 GSchG stellt die erforderliche formellgesetzliche Grundlage für die Eingriffe in die tangierten Grundrechte (namentlich die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie) dar.

14. Pflichtig ist der Inhaber der Anlage. Je nach Sachzusammenhang können darunter etwa der Grundeigentümer, der Baurechtsberechtigte, der Mieter eines Gebäudes, der Pächter eines Betriebs, oder auch andere Personen, welche – unabhängig von einer sachen- oder obligationenrechtlichen Anknüpfung – nur die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage inne haben, verstanden werden (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG N 21; spezifisch für Abwasserleitungen siehe Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 15. März 2004, in: BVR 2004 464 sowie Hinweis in URP 2005, 74 f.; zum Inhaberbegriff spezifisch bei Abwasserleitungen: Lustenberger, Gefahrenabwehr, 378 f.).

15. Der Inhaber ist verantwortlich für die sachgemässe Erstellung, den sach­gemässen Betrieb sowie die dauernde Funktionsfähigkeit seiner Anlagen. Soweit er über die nötige Fachkunde verfügt, kann er die erforderlichen Massnahmen selber durchführen. Die Formulierung «sorgen dafür» lässt aber auch Raum für den Beizug von geeigneten Hilfspersonen (Angestellte, andere Unternehmungen). Verbreitet sind sogenannte Eigenkontrollmodelle, bei denen brancheneigene Fachorganisationen im Auftrag des Anlageinhabers definierte Kontrollaufgaben übernehmen.

16. Bedient sich der Inhaber solcher Hilfspersonen, hat er bei der Auswahl darauf zu achten, dass er Personen mit der erforderlichen Fachkunde mit den zu erfüllenden Aufgaben betraut. Es trifft ihn somit eine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl der Hilfspersonen (analog zur «Cura in eligendo» bei der Haftung des Geschäftsherrn nach Art. 55 Abs. 1 OR). Ferner muss er die Hilfspersonen sachgerecht mit den betrieblichen Gegebenheiten vertraut machen und sie adäquat in ihre Aufgaben einführen («Cura in instruendo»). Der Inhaber ist im Weiteren verpflichtet, die Tätigkeit seiner Hilfspersonen hinreichend zu überwachen («Cura in custodienda»). Schliesslich hat der Inhaber seinen Betrieb so zu organisieren, dass gewässerschutzrechtswidrige Zustände frühzeitig erkannt und unverzüglich behoben werden können («Cura in organisando»). Die Sorgfaltspflichten des Anlageinhabers sind mit denjenigen des Geschäftsherrn bei der Haftung nach Art. 55 Abs. 1 OR vergleichbar. Anders als im privaten Haftpflichtrecht und im Strafrecht (vgl. hierzu etwa Obergericht ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, E. III.B. 3, in: URP 2003, 769 ff.) ist jedoch, was die Erfüllung der gewässerschutzrechtlichen Pflichten anbelangt, trotz der Beachtung der genannten Curae keine Exzeption möglich. Die (verwaltungsrechtliche) Verantwortlichkeit des Inhabers ist mithin eine umfassende.

 

B.            Aufgaben der Gewässerschutzbehörden

17. Während Abs. 1 in erster Linie die Inhaber öffentlicher und privater Anlagen als pflichtig erklärt, kommt der kantonalen Behörde gemäss Abs. 2 eine unverzichtbare gewässerschutzpolizeiliche Aufsichts‑ und Überwachungsaufgabe zu: Im Interesse einer wirksamen Durchsetzung des Gewässerschutzes in den Bereichen Abwasseranlagen sowie Anlagen und Einrichtungen der Landwirtschaft hat die kantonale Behörde dafür zu sorgen, dass die den Anlageinhabern gemäss Abs. 1 auferlegten Pflichten auch tatsächlich dauernd befolgt werden. Insbesondere hat die Behörde dabei zu prüfen, ob die Anlagen die in den Gewässerschutzbewilligungen festgelegten Anforderungen einhalten und ob diese Anforderungen weiterhin einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten (Stutz, Abwasserrecht, 147). Neben der Gewährleistung des ordnungsgemässen Funktionierens der Anlagen ist auch sicherzustellen, dass die Beschaffenheit des abzuleitenden Abwassers jederzeit den Anforderungen der Gewässerschutzverordnung und der Einleitungsbewilligung entspricht. Stellt die Behörde Mängel fest, hat sie gemäss ihrem allgemeinen Vollzugsauftrag (Art. 45 GSchG) die erforderlichen Sanierungsmassnahmen auf Kosten der Verursacher (Art. 3a GSchG) anzuordnen.

18. Das kantonale Recht bestimmt, ob die kantonale Behörde die periodischen Kontrollen selber vornimmt oder ob die Gemeinden diese Aufgabe ausüben. Wird die Aufgabe den Gemeinden zugewiesen, muss die kantonale Behörde im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht (Art. 45 und Art. 49 Abs. 1 GSchG) dafür sorgen, dass die Gemeinden die periodischen Kontrollen im ganzen Kantonsgebiet «einheitlich und richtig» durchführen (vgl. Rechtsauskunft des BUWAL vom 8. Januar 2004, teilweise wiedergegeben bei Stutz, Abwasserrecht, 161). Vernachlässigt die Gewässerschutzbehörde die ihr zukommenden Pflichten, wird sie unter Umständen haftbar (vgl. dazu den Entscheid BGer vom 12. Oktober 1990, in: ZBl 92 [1991], 212 ff.; in diesem Bündner Fall wurde der Kanton wegen Vernachlässigung seiner Vollzugspflichten selber als Störer angesehen und musste im Rahmen eines Kostenverteilungsverfahrens nach einem Ölunfall einen Teil der Behebungskosten übernehmen).

19. Die periodischen Kontrollen gemäss Art. 15 Abs. 2 GSchG beziehen sich (nur) auf Abwasseranlagen, Anlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie Raufuttersilos. Für diese Anlagen kommen die Vorschriften von Art. 22 ff. GSchG über wassergefährdende Flüssigkeiten nicht zur Anwendung (Botschaft GSchG 2004, 941, 943).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Erstellung und Kontrolle von Anlagen und Einrichtung (Abs. 1)

1.             Anlagen und Einrichtungen

20. Abs. 1 Satz 1 zählt die Anlagen und Einrichtungen auf, die sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden müssen. Es handelt sich einerseits ganz allgemein um (öffentliche und private) Abwasseranlagen. Darunter fallen namentlich:

·       Kanalisationsleitungen zur Ableitung von verschmutzten und nicht verschmutzten Abwässern samt den dazu gehörenden Ausrüstungen wie Einlaufschächten, Schlammsammlern, Kontrollschächten oder Mineralölabscheidern (d.h. Schmutzwasser-, Mischwasser- und Meteorwasserkanlisationen; zu den Begriffen s. Komm. zu Art. 10 GSchG N 21);

·       Kanalisations-Sonderbauwerke wie Regenrückhaltebecken oder Regenüberlaufbecken;

·       zentrale Abwasserreinigungsanlagen zur Behandlung von kommunalem Abwasser gemäss Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV, einschliesslich der dazu gehörenden Hilfssysteme, soweit diese selber eine Gefahr für die Gewässer bilden können (z.B. Klärschlammentwässerungsanlagen);

·       Einzelreinigungsanlagen zur Behandlung von kommunalem Abwasser;

·       Anlagen zur Behandlung bzw. zur Vorbehandlung von Industrieabwasser gemäss Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV und von anderem verschmutztem Abwasser gemäss Anh. 3.3 GSchV, einschliesslich der dazu gehörenden Hilfssysteme wie etwa einer pH-Wert-Endkontrolle.

21. Andererseits werden in Abs. 1 Satz 1 Einrichtungen und Anlagen der Landwirtschaft genannt. Aufgezählt werden:

·       Lagereinrichtungen für Hofdünger (z.B. Mistgruben, Güllebehälter wie Güllengruben, Güllensilos oder Güllenlagunen samt den dazu gehörenden Leitungen) und flüssiges Gärgut;

·       technische Aufbereitungsanlagen für Hofdünger (z.B. Mistkom­postieranlagen, Güllevergärungsanlagen) und flüssiges Gärgut;

·       Raufuttersilos.

22. Der Anlagebegriff gemäss Art. 15 GSchG entspricht somit nicht vollständig demjenigen des Umweltschutzgesetzes, der wesentlich weiter gefasst ist (Art. 7 Abs. 7 USG: «Anlagen sind Bauten, Verkehrswege und andere ortsfeste Einrichtungen sowie Terrainveränderungen. Den Anlagen sind Geräte, Maschinen, Fahrzeuge, Schiffe und Luftfahrzeuge gleichgestellt.»). Art. 15 GSchG stellt eine Sonderordnung für ganz bestimmte Anlagen und Einrichtungen, nämlich Abwasseranlagen, Anlagen und Einrichtungen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie Raufuttersilos, dar.

23. Keine eigenständige Bedeutung kommt dem Ausdruck «Lagereinrichtun­gen» zu. Es handelt sich dabei um Anlagen zur Lagerung von Hofdünger und flüssigem Gärgut; diese werden vom Anlagebegriff mitumfasst.

24. Nicht unter Art. 15 Abs. 1 GSchG fallen Anlagen zur Lagerung von wassergefährdenden Flüssigkeiten im Sinne von Art. 22 ff. GSchG (vgl. N 9 ff.).

2.             Sachgemässe Erstellung

25. Wesentliche Voraussetzung für ein zuverlässiges Funktionieren der Anlagen ist ihre mängelfreie Erstellung. Materialwahl und Konstruktion müssen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Damit sind technische Regeln gemeint, die von einer Mehrheit der Fachleute als richtig anerkannt werden und die sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben.

26. Diese Regeln sind teilweise in Richtlinien und privaten Regelwerken kodifiziert. Mit Bezug auf die Bautechnik ist auf die anerkannten Regeln der Baukunde abzustellen. Ergänzende Anforderungen gelten im Umgang mit Hofdüngeranlagen: Die Anforderungen an den Bau der Einrichtungen zur Lagerung von Hofdüngern sind in einer Vollzugshilfe der Bundesämter für Umwelt und für Landwirtschaft festgehalten (BAFU/BLW, Baulicher Umweltschutz, 29 ff.)

27. In gewissen Bereichen ist sogar der Stand der Technik vorgeschrieben, so namentlich bei der Industrieabwasserentsorgung (Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 GSchV), bei der Entsorgung von anderem verschmutztem Abwasser gemäss Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV und bei der Entsorgung des Abwassers ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen (Art. 13 Abs. 1). Dabei handelt es sich um ein gegenüber den anerkannten Regeln der Technik fortschrittlicheres Technologieniveau (zum Begriff siehe Komm. zu Art. 12 GSchG N 38Komm zu Art. 7 GSchG N 37 ff.; für den Bereich der Industrieabwasserentsorgung Mettler, Stand der Technik, 37).

3.             Sachgemässer Betrieb

28. Gefahren für die Reinheit der Gewässer gehen von den Anlagen in erster Linie nach ihrer Inbetriebnahme aus. Während der Betriebsphase kann es wegen technischer Defekte, unsachgemässer Bedienung, mangelnder Wartung und ungenügendem Unterhalt zu Freisetzungen von verschmutztem Abwasser bzw. von Hofdünger, flüssigem Gärgut und flüssigen Abgängen aus Raufuttersilos kommen, welche die ober- und unterirdischen Gewässer gefährden. Daher hat der Inhaber einen sachgemässen Betrieb der Anlagen während ihrer gesamten Nutzungsdauer wie folgt sicherzustellen:

Sachgemässe Bedienung

29. Er hat dafür zu sorgen, dass die Anlagen sachgemäss bedient werden. Zu denken ist namentlich an die Bedienung von Anlagen zur Behandlung bzw. Vorbehandlung von verschmutztem Abwasser. Das hierfür eingesetzte Personal muss über die nötige Fachkunde verfügen, um die Anlagen richtig zu bedienen, Abweichungen vom Normalbetrieb rechtzeitig festzustellen, deren Ursache abzuklären und die nötigen Massnahmen zur Behebung von Betriebsstörungen vorzunehmen.

30. In Bezug auf Abwasseranlagen enthalten Art. 13 Abs. 1 und 2 GSchV unter der Marginalie «Fachgerechter Betrieb» detaillierte Vorgaben. Nach Abs. 1 müssen die Inhaber von Abwasseranlagen diese in funktionstüchtigem Zustand erhalten (Bst. a), Abweichungen vom Normalbetrieb feststellen, deren Ursachen abklären und diese unverzüglich beheben (Bst. b) sowie beim Betrieb alle verhältnismässigen Massnahmen ergreifen, die zur Verminderung der Mengen der abzuleitenden Stoffe beitragen (Bst. c).

31. Abs. 2 auferlegt den Inhabern besonders gefahrenträchtiger Anlagen zusätzliche Pflichten hinsichtlich Organisation und Dokumentation. Die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten, und die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in die öffentliche Kanalisation oder in ein Gewässer einleiten, müssen sicherstellen, dass:

·       die für den Betrieb verantwortlichen Personen bezeichnet sind (Bst. a);

·       das Betriebspersonal über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt (Bst. b); und

·       die Mengen und Konzentrationen der eingeleiteten Stoffe ermittelt werden, wenn die Bewilligung numerische Anforderungen enthält (Bst. c).

32. Darüber hinaus kann die Gewässerschutzbehörde von diesen Inhabern weitergehende Massnahmen (chemische Abwasseruntersuchungen, Aufbewahrung von Abwasserproben, Ermittlung der Auswirkungen der Abwassereinleitung oder -versickerung auf die Wasserqualität) verlangen (Art. 13 Abs. 3 und 4 GSchV). Ferner bestehen verschiedene spezifische Meldepflichten (Art. 14 GSchV).

Sachgemässe Wartung
33. «Wartung» bedeutet das Durchführen von Arbeiten an einer technischen Anlage, die der Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit dienen. Die Wartungsarbeiten sind während der gesamten Betriebsdauer zu leisten. Dabei müssen sie je nach Art und Beanspruchung der Anlage in kürzeren oder in längeren Zeitabständen wiederholt werden. So ist beispielsweise eine zentrale Ab­wasserreinigungsanlage laufend (täglich) zu warten, während eine Kanalisationsleitung Wartungsarbeiten lediglich in verhältnismässig langen Zeitabständen (in der Regel Monate oder Jahre) erfordert.

34. Die Pflichten der Inhaber von Abwasseranlagen sind in Art. 13 Abs. 1 Bst. a und b GSchV näher umschrieben. Selbstverständlich sind auch die Inhaber von Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos – direkt gestützt auf Art. 15 Abs. 1 GSchG – verpflichtet, ihre Anlagen sachgemäss zu warten.

Sachgemässer Unterhalt
35. Art. 15 Abs. 1 GSchG verlangt von den Inhabern auch einen sachgemässen Unterhalt ihrer Anlagen. Der Unterhalt dient – wie die Wartung – der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlagen. Die Abgrenzung zwischen «Wartung» und «Unterhalt» ist unscharf. Die beiden Begriffe werden in der Praxis häufig synonym verwendet.

36. Über eine blosse Wartung hinaus geht jedoch der bauliche Unterhalt der Anlagen. Darunter versteht man Massnahmen zur Erhaltung der Bauwerkssubstanz sowie zur Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit und der Tragsicherheit der Anlage (vgl. VSA, Richtlinie Baulicher Unterhalt, 7).

37. Im Übrigen sind die Anlageinhaber auch verpflichtet, bei Bedarf für die Erneuerung und den Ersatz veralteter Anlagen zu sorgen. Im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ist bei der Erneuerung der Anlagen grundsätzlich der Stand der Technik zu beachten. Anders als im Immissionsschutzrecht des Umweltschutzgesetzes (dazu Hunger, Sanierungspflicht, 4 ff.) wird im Gewässerschutzrecht bei der Erneuerung der Anlagen keine Unterscheidung zwischen Altanlagen und Neuanlagen gemacht. Es gelten mithin für alte wie für neue Anlagen die gleichen Gewässerschutzanforderungen.

38. In einem weiteren Sinne haben die Inhaber gewisser Anlagen auch Massnahmen im Hinblick auf ausserordentliche Ereignisse umzusetzen. Gemäss Art. 16 Abs. 1 GSchV treffen die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in ein Gewässer einleiten, und die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in eine Abwasserreinigungsanlage ableiten, die geeigneten und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen zur Verminderung des Risikos einer Gewässerverunreinigung durch ausserordentliche Ereignisse. Ist das Risiko trotz dieser Massnahmen nicht tragbar, ordnet die Behörde die erforderlichen zusätzlichen Massnahmen an (Art. 16 Abs. 2 GSchV). Diese Verpflichtungen der Anlageinhaber lehnen sich an den Risikoansatz des Störfallrechts an und stützen sich sowohl auf Art. 15 Abs. 1 GSchG als auch auf Art. 6 GSchG.

4.             Überprüfung der Funktionsfähigkeit

39. Eine regelmässige Funktionskontrolle der Anlagen ist Voraussetzung dafür, dass gefährliche Betriebszustände frühzeitig erkannt und alsdann unverzüglich behoben werden können. Die Inhaber von Abwasseranlagen und Düngeraufbereitungsanlagen müssen gemäss Art. 15 Abs. 1 Satz 2 GSchG solche regelmässigen Kontrollen durchführen oder durchführen lassen (vgl. Art. 13 Abs. 1 Bst. b GSchG, bezüglich der Inhaber von Abwasseranlagen).

40. Die regelmässige Funktionskontrolle ist nicht nur bei Abwasseranlagen, sondern auch bei Düngeraufbereitungsanlagen durchzuführen. Unter Düngeraufbereitungsanlagen fallen alle Anlagen, mit denen Hofdünger behandelt oder verändert werden, beispielsweise Anlagen zur Güllenseparierung oder Anlagen zur Co-Vergärung (BAFU, Düngung, 43).

41. Kontrolliert wird die Funktionsfähigkeit der Anlagen. Je nach Anlage kann die Kontrolle in einfachen Funktionsüberprüfungen der mechanischen Teile einer Anlage (so z.B. bei einer Absperreinrichtung in der Kanalisation) bis hin zu aufwendigen Funktionskontrollen verschiedener, sich gegenseitig beeinflussender Anlageteile bestehen (etwa Einrichtungen zur Unschädlichmachung bestimmter Schadstoffe bei der Industrieabwasserbehandlung).

42. Kontrollhäufigkeit und Kontrollintensität sind abhängig von der Art der Anlage (eingesetzte Verfahrenstechnik, Art und Menge der vorhandenen und eingesetzten Stoffe) und ihrem Gefährdungspotenzial (Empfindlichkeit der gefährdeten Schutzgüter gegenüber stofflichen Beeinträchtigungen).

 

B.            Kantonale Kontrolle (Abs. 2)

1.             Notwendigkeit, Zweck und Umfang behördlicher Kontrollen

43. Mit den Instrumenten des Verwaltungsrechts haben die Verwaltungs­behörden dafür zu sorgen, dass die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele erreicht werden und dass die Gesetze auch tatsächlich umgesetzt werden: «Die von der Umweltschutzgesetzgebung vorgesehenen Vollzugsaufgaben sind zwingender Natur […]. In der Verantwortung der Kantone liegt insbesondere der Erlass der notwendigen Rechtsetzung, die Organisation des Vollzugsapparates und die Durchführung der Vollzugsakte im weitesten Sinne […].» (BGE 117 Ia 147, E. 4b).

44. Da mit Kontrollen rasch und eindeutig Normabweichungen festgestellt werden können, werden sie insbesondere dort eingesetzt, wo es auf schnelles behördliches Eingreifen ankommt. Dazu gehört die Aufgabe der Gefahrenabwehr, die einen Kernbereich traditionell staatlicher Aufgaben darstellt (Lübbe-Wolff, Modernisierung, 26). Bei der behördlichen Kontrolle geht es darum, sicherzustellen, dass die gewässerschutzrechtlichen Verhaltenspflichten der Rechtsunterworfenen eingehalten werden; diese Pflichten sind im Anwendungsbereich des Gewässerschutzgesetzes sehr zahlreich. Ihre freiwillige Befolgung ist «nicht durchgängig die Regel»; das Fehlen von behördlichen Kontrollen kann die freiwillige Befolgung der Verhaltensvorschriften gefährden (Schmid, Selbstverantwortung, 565). Behördliche Kontrollen sind daher unverzichtbar (Stutz, Abwasserrecht, 162).

45. Die Überwachung besonders umweltrelevanter Anlagen und Tätigkeiten ist im allgemeinen Vollzugsauftrag enthalten: «Eine Rechtspflicht zu sicherheits- oder ordnungsgemässem Handeln ergibt sich für den Kanton […] aus dem Gewässerschutzrecht. Er ist Vollzugs- und Aufsichtsbehörde im Gewässerschutzrecht (vgl. Art. 45 GSchG).» (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 2. März 2004, in: BVR 2004 459). Diese Überwachung ist nur mittels gezielter Kontrollen zu erreichen. Die Vollzugsbehörden müssen die für eine wirksame Überwachung erforderlichen personellen und sachlichen Mittel bereitstellen. Dabei ist eine lückenlose und flächendeckende Überwachung nicht verlangt. Die Behörde verfügt über ein beträchtliches Ermessen, was Art und Umfang der Kontrollen anbelangt. Allgemein gilt, dass die Überwachung umso engmaschiger ausfallen muss, je risikoreicher die zu überwachende Anlage oder Tätigkeit eingeschätzt werden muss.

46. Gegenstand der Überwachung (Kontrollobjekte) können sein:

·       Bauten (z.B. konstruktive Anforderungen wie etwa die Dichtheit von Lagereinrichtungen für Hofdünger);

·       technische Anlagen, die gefahrenträchtig zu sein pflegen;

·       umweltrelevante Prozesse und Tätigkeiten (z.B. die Vorbehandlung von Industrieabwasser).

47. Geprüft wird die Erfüllung verwaltungsrechtlicher Pflichten der Rechtsunterworfenen. Es handelt sich dabei einerseits um Verhaltenspflichten, die sich direkt und unmittelbar aus Gesetz und Verordnung ergeben (z.B. Gewässerverunreinigungsverbot gemäss Art. 6 GSchG oder Meldepflichten gemäss Art. 14 GSchV). Andererseits werden die Rechtsunterworfenen auch durch individuell-konkrete Anordnungen verpflichtet, so namentlich durch Bewilligungsauflagen (z.B. die Auflage, bestimmte Abwasserproben während einer angemessenen Zeit aufzubewahren; vgl. Art. 13 Abs. 3 Bst. b GSchV).

48. Art. 15 Abs. 2 GSchG konkretisiert den aus Art. 45 GSchG fliessenden allgemeinen Überwachungsauftrag der Gewässerschutzbehörde in den Bereichen Abwasseranlagen, Anlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie Raufuttersilos. Aufgabe der behördlichen Überwachung ist es, sicherzustellen, dass die Inhaber ihre gewässerschutzrechtlichen Verpflichtungen nach Art. 15 Abs. 1 GSchG erfüllen. Dabei ist die behördliche Kontrolle nicht nur auf die baulich-apparativen Gesichtspunkte zu beschränken, sondern es sind – im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise – auch organisatorische und verfahrenstechnische Aspekte zu würdigen. Somit können die mit dem Betrieb der Anlagen verbundenen Nebenpflichten (so beim Anfall von verschmutztem Abwasser z.B. die Anforderungen von Art. 13-16 GSchV) auch Gegenstand der behördlichen Prüfung sein.

2.             Periodische Kontrolle

49. Die Kontrolle besteht regelmässig aus einem Augenschein und dient der Feststellung eines rechtlich relevanten Sachverhalts. Mit der Kontrolle wird festgestellt, ob Bauten den umweltrechtlichen Anforderungen entsprechen, technische Anlagen funktionsfähig sind und ordnungsgemäss betrieben werden, Prozesse und Tätigkeiten ohne Umweltgefährdung durchgeführt werden sowie Auflagen von Bewilligungen und weitere behördliche Anordnungen im Einzelfall eingehalten werden.

50. Die behördliche Kontrolle ist hoheitlich. Es handelt sich nicht nur um schlichtes Verwaltungshandeln, sondern der Realakt der Kontrolle ist auch mit rechtlichen Wirkungen verbunden. Die Kontrolle umfasst alle Handlungen, die erforderlich sind, um den Zweck der Kontrolle zu erreichen. Namentlich das Recht des behördlichen Kontrolleurs, Grundstücke und Gebäude zu betreten, Anlagen zu inspizieren und Funktionskontrollen durchzuführen, Fotografien anzufertigen, Proben zu nehmen und mitzunehmen, von den Verantwortlichen der Einrichtungen Auskünfte zum Kontrollgegenstand zu verlangen sowie entsprechende betriebliche Dokumente einzusehen und zu kopieren. Mit der Kontrolle verbunden sind mithin Duldungs-, Auskunfts- und Editionspflichten des Kontrollierten (vgl. in diesem Zusammenhang auch Art. 52 GSchG; Hunger, Sanierungspflicht, 229).

51. Bedeutsame Wahrnehmungen des Kontrolleurs sind zu protokollieren, und die Protokolle sind zu den Akten zu nehmen. Um den Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren, sind die Ergebnisse der Kontrolle dem Kontrollierten zu eröffnen; ebenso sind ihm die von der Behörde geplanten weiteren Schritte mitzuteilen.

52. Ob eine Kontrolle angemeldet oder unangemeldet vorgenommen wird, entscheidet sich nach den konkreten Umständen. Wenn eine Anmeldung den Kontrollzweck vereiteln könnte, ist die Kontrolle unangemeldet durchzuführen.

53. Die anlässlich der Kontrolle gemachten Feststellungen sind dem Norm­zustand (Zustand, wie er gemäss dem Bau-, Planungs- und Umweltrecht sein sollte) gegenüber zu stellen. Ergeben sich Abweichungen, müssen die erforderlichen Anpassungen an den rechtmässigen Zustand in die Wege geleitet werden. Mittels Verfügung werden Sanierungen ungenügender Bauten und Anlagen, Betriebseinschränkungen oder Ausserbetriebnahmen von Anlagen, Verbote von unzulässigen Prozessen und Tätigkeiten usw. angeordnet. Soweit bei der Kontrolle auch festgestellt wird, dass Straftatbestände erfüllt wurden, kann neben diesen verwaltungsrechtlichen Schritten auch eine Strafanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erforderlich sein (vgl. Komm. zu Art. 70 GSchG N 7, N 21 ff.).

54. Häufigkeit und Intensität der behördlichen Kontrollen nach Art. 15 Abs. 2 GSchG richten sich nach der Art der Anlagen sowie nach dem Gefähr­dungspotenzial der Anlagen und Tätigkeiten. Für zwei Bereiche enthält die Gewässerschutzverordnung indessen genauere Vorgaben für die periodische Kontrolle:

55. Gemäss Art. 15 Abs. 1 GSchV überprüft die Behörde periodisch, ob die Betriebe, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten, und die Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in die öffentliche Kanalisation oder in ein Gewässer einleiten, die in den Bewilligungen festgelegten Anforderungen einhalten (Bst. a) und ob diese Anforderungen weiterhin einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten (Bst. b).

56. Die Gewässerschutzbehörde zieht dazu auch die Ermittlungen der An­lageinhaber bei (Abs. 2); nötigenfalls passt sie die Einleitungsbewilligung an und veranlasst sie die erforderlichen Sanierungsmassnahmen (Abs. 3 Satz 1).

57. Ferner weist Art. 28 Abs. 1 GSchV die kantonale Behörde an, dafür zu sorgen, dass die Lagereinrichtungen für Hofdünger regelmässig kontrolliert werden; die Zeitabstände richten sich nach der Gewässergefährdung. Gemäss Abs. 2 wird kontrolliert, ob die vorgeschriebene Lagerkapazität vorhanden ist (Bst. a), die Lagereinrichtungen dicht sind (Bst. b), die Einrichtungen funktionstüchtig sind (Bst. c) und die Einrichtungen ordnungsgemäss betrieben werden (Bst. d).

58. Die periodischen Kontrollen finden in angemessenen Zeitabständen während der Betriebsphase der Anlagen statt. Da auch die sachgemässe Erstellung der Anlagen nach Art. 15 Abs. 1 GSchG vorgeschrieben ist, hat die kantonale Behörde – jedenfalls bei Anlagen mit hohem Gefährdungspotenzial – auch für eine (einmalige) Abnahmekontrolle vor der Inbetriebnahme der Anlagen zu sorgen. Häufig wird diese Abnahmekontrolle im Rahmen der allgemeinen Baukontrolle vorgenommen.

3.             Auslagerung von Kontrollaufgaben

59. Aufgrund knapper personeller Ressourcen ist es den Gewässerschutz­behörden oft nicht möglich, die erforderlichen periodischen Kontrollen in allen Bereichen selber durchzuführen. Um ein drohendes Vollzugsdefizit zu vermeiden, können Vollzugsaufgaben auf Dritte ausgelagert werden. Das Gewässerschutzgesetz erlaubt ausdrücklich den Beizug öffentlich‑rechtlicher Körperschaften und Privater für Vollzugsaufgaben, «insbesondere für die Kontrolle und Überwachung» (Art. 49 Abs. 3 GSchG).

60. Es haben sich verschiedene Zusammenarbeitsformen mit Dritten entwickelt, die eine grosse praktische Bedeutung erlangt haben. Neben einer schlichten Beauftragung einer Hilfsperson sind sogenannte «Auslagerungsvereinbarungen» oder «Branchenvereinbarungen» zwischen der Vollzugsbehörde und einzelnen Organisationen der Wirtschaft sehr gebräuchlich (vgl. zu letzteren auch Art. 41a USG). Diese Vereinbarungen sind geprägt von einer ausgesprochenen Vielfalt der Modelle (z.B. Gewässerschutzkontrollen bei Tankstellen durch den Auto Gewerbe Verband Schweiz, in Malereien und Spritzwerken durch die Vollzugsorganisation Umweltschutz im Malergewerbe, in Zahnarztpraxen durch bestimmte Sonderabfall-Entsorgungsunternehmen oder bei landwirtschaftlichen Anlagen durch Landwirtschaftsorganisationen im Rahmen des Ökologischen Leistungsnachweises im Sinne von Art. 70a Abs. 2 LwG und Art. 11 ff. DZV).

61. Lagert die Behörde Aufgaben an Dritte aus, muss sie bei deren Auswahl sicherstellen, dass eine zuverlässige und kontinuierliche Aufgabenerfüllung gewährleistet ist. Das Kontrollpersonal muss über die nötigen fachlichen Qualifikationen verfügen, was mit einer hinreichenden Aus- und Weiterbildung sicherzustellen ist. Mit der Auslagerung übernimmt der Dritte eine öffentliche Aufgabe, die er anstelle der Behörde wahrnimmt. Er ist deshalb, gleich wie die Behörde, an die rechtsstaatlichen Vorgaben (z.B. Gleichbehandlungsgebot, Willkürverbot, Gebot von Treu und Glauben, Verhältnismässigkeitsprinzip) gebunden. Insbesondere hat er die verwaltungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Amtsgeheimnis, Datenschutzgesetzgebung, Verfahrensgrundsätze wie Aktenführungspflicht) zu beachten. Freilich kann die Letztverantwortung für einen rechtmässigen Vollzug nicht auf den Dritten abgeschoben werden; die Gewässerschutzbehörde hat mittels einer wirksamen Aufsicht die Zügel stets in der Hand zu behalten (Stutz, Abwasserrecht, 211).

62. Nicht unproblematisch ist schliesslich auch die Tatsache, dass Auslage­rungen im oben beschriebenen Sinn teilweise mit Eigenkontrollmodellen kombiniert werden. Hier können Interessenkonflikte auftreten: Während bei der Auslagerung von Vollzugsaufgaben ein verwaltungsrechtliches Verhältnis zwischen der Vollzugsbehörde und dem mit Kontrollaufgaben betrauten Dritten entsteht, ist bei der Eigenkontrolle der kontrollierende Dritte Hilfsperson des zu Kontrollierenden und mit diesem in der Regel über ein Auftragsverhältnis (Art. 394 ff. OR) verbunden.

 

Résumé

L’art. 15 LEaux impose aux pouvoirs publics, aux ménages, à l’industrie, aux commerces ainsi qu’à l’agriculture, une série d’obligations administratives en lien avec la construction et l’entretien des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées.

Cette disposition s’applique, d’une part, aux installations publiques ou privées servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées, en particulier les conduites d’égouts, les ouvrages spéciaux, les stations centrales d’épuration, les stations d’épuration privées ainsi que les installations pour le traitement, respectivement pour le prétraitement des eaux usées industrielles, et d’autre part, aux équipements et installations liés à l’agriculture comme les installations d’entreposage et les installations de traitement technique des engrais de ferme et de digestas liquides ainsi que les silos à fourrage.

Le responsable est, aux termes de l’art. 15 LEaux, le détenteur d’une installation. Suivant les circonstances, il peut s’agir du propriétaire foncier, du titulaire d’un droit de superficie, du locataire du bâtiment ou d’autres personnes, qui ont seulement la maîtrise effective sur l’installation et qui sont en mesure de prendre les mesures nécessaires. Le détenteur peut prendre lui-même les mesures nécessaires ou faire appel à des auxiliaires qualifiés.

En vertu de l’al. 2 de l’art. 15 LEaux, l’autorité cantonale a un devoir et une obligation de surveillance. Les contrôles périodiques se font sur les installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées, les installations de traitement technique des engrais de ferme et de digestas liquides ainsi que les silos à fourrage. Pour ces installations, les exigences concernant les liquides de nature à polluer les eaux des art. 22 ss LEaux ne s’appliquent pas. Ce contrôle périodique consiste à assurer le respect des obligations administratives. Le contrôle relève de la puissance publique et peut être fait avec ou sans avertissement. Afin de respecter le droit d’être entendu, les résultats doivent être rendus publics. Les autorités peuvent également déléguer ce contrôle périodique à des privés (cf. art. 49 al. 3 LEaux).

 

Literatur: Lübbe-Wolff Gertrude, Modernisierung des Umweltordnungsrechts – Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, Bonn 1996 (zit. Modernisierung); Lustenberger Erik, Gefahrenabwehr und Kostenpflicht am Beispiel der Sanierung privater und öffentlicher Kanalisationen, in: URP 2009, 370 ff. (zit. Gefahrenabwehr); Schmid Gerhard, Selbstverantwortung und behördliche Kontrolle im Umweltrecht, in: Haller Walter/Kölz Alfred/Müller Georg et al. (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, Zürich 1989, 557 ff. (zit. Selbstverantwortung).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Baulicher Unterhalt von Entwässerungsanlagen – Richtlinie, Zürich 2009 (zit. Richtlinie Baulicher Unterhalt); Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014-2017 (Agrarpolitik 2014-2017) vom 1. Februar 2012, BBl 2012 2075 ff. (zit. Botschaft Agrarpolitik 2014-2017); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Baulicher Umweltschutz in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Schweiz – Stand Mai 2012, 2. Aufl., Umwelt-Vollzug Nr. 1101, Bern 2012 (zit. Baulicher Umweltschutz).​

Stutz Hans W.​

 

​Vorschriften des Bundesrates über die Behandlung des Abwassers und die Kontrolle von Anlagen

Der Bundesrat legt die Anforderungen fest an:

a.       die Einleitung in Kanalisationen;

b.       besondere Ableitungen aus Produktionsprozessen;

c.       die Beschaffenheit, die Verwertung und die Beseitigung der Rückstände aus Abwasserreinigungsanlagen;

d.      die Kontrolle von Anlagen und Einrichtungen;

e.       die Verwertung von Abwasser aus der Aufbereitung des Hofdüngers.

Prescriptions du Conseil fédéral relatives au traitement des eaux usées et au contrôle des installations

Le Conseil fédéral fixe les exigences auxquelles doivent satisfaire:

a.       le déversement dans les égouts;

b.       les rejets spéciaux issus des processus de production;

c.       les résidus des stations d’épuration des eaux, leur valorisation ou leur évacuation;

d.       le contrôle des installations et des équipements;

e.       l’utilisation des eaux issues du traitement des engrais de ferme.

Prescrizioni del Consiglio federale sul trattamento delle acque di scarico e sul controllo di im­pianti

Il Consiglio federale regola le esigenze relative:

a.       all’immissione nelle canalizzazioni;

b.       agli scarichi particolari provenienti da processi di produzione;

c.       ai residui delle stazioni di depurazione delle acque di scarico e allo sfruttamento o all’eliminazione di tali residui;

d.       ai controlli degli impianti e delle installazioni;

e.       all’utilizzazione delle acque di scarico provenienti dal trattamento del concime di fattoria.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
II.     ​ Allgemeine Bemerkungen 3
​III. Kommentierung 7
A. ​Einleitung in Kanalisationen (Bst. a) 7
1. ​Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz 7
2. ​Vorschriften in der GSchV 8
B. ​Besondere Ableitungen aus Produktionsprozessen (Bst. b) 13
1. ​Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz 13
​2. ​Vorschriften in der GSchV 14
C. Besondere Ableitungen aus Produktionsprozessen (Bst. b) 17
1. ​Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz 17
​2. ​Vorschriften in der GSchV 20
3. ​Vorschriften in der ChemRRV 23
4. Ausblick 25
D. ​Kontrolle von Anlagen und Einrichtungen (Bst. d) 27
1. ​Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz 27
​2. ​Vorschriften in der GSchV
​E. ​​Verwertung von Abwasser aus der Aufbereitung des Hofdüngers (Bst. e) 34
​1. ​​Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz 34
​2. ​​Vorschriften in der GSchV 36

I.              Entstehungsgeschichte

1. In der Botschaft GSchG 1987 wurde mit Art. 16 GSchG eine Norm vorgeschlagen, mit welcher der Bundesrat ermächtigt wird, die gesetzliche Ordnung im Bereich der Behandlung des Abwassers (Art. 12 ff. des bundesrätlichen Entwurfs) durch Verordnung zu konkretisieren. Unter Hinweis auf den Umfang des Ausführungsrechts zum GSchG 1971 führte der Bundesrat in der Botschaft aus, dass es undenkbar sei, sämtliche zu regelnde Sachverhalte auf Gesetzesebene zu normieren. Er wies darauf hin, dass Art. 16 GSchG keine Blanko-Delegation an den Bundesrat sei, da die Rechtsetzungsbefugnis des Bundesrates durch den Zweckartikel des Gesetzes und die delegierenden gesetzlichen Bestimmungen beschränkt werde (Botschaft GSchG 1987, 1085).

2. Nationalrat und Ständerat präzisierten den Vorschlag des Bundesrates an verschiedenen Stellen geringfügig. Insbesondere ermächtigten sie den Bundesrat zusätzlich, Anforderungen an die Verwertung von Abwasser aus der Aufbereitung des Hofdüngers festzulegen und folgten damit einem Antrag der nationalrätlichen Kommission (AB 1989 N 1012, AB 1989 S 720).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Die gesetzliche Ordnung über die Behandlung des Abwassers und die Verwertung des Hofdüngers (2. Abschnitt des 2. Titels des Gesetzes) präsentiert sich als verhältnismässig detailliert. Dennoch konnten auf Gesetzesebene längst nicht alle wichtigen Festlegungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat daher dem Bundesrat mit Art. 16 GSchG die Kompetenz eingeräumt, gesetzesvertretendes Verordnungsrecht zu schaffen. Da die gesetzliche Ordnung im Bereich der Behandlung des Abwassers (Art. 12 ff. GSchG) in verschiedener Hinsicht konkretisierungsbedürftig ist, stellt Art. 16 GSchG nicht nur eine Ermächtigungsnorm, sondern auch einen zwingenden Rechtsetzungsauftrag des Gesetzgebers an den Bundesrat dar.

4. Der Bundesrat hat das Verordnungsrecht im Wesentlichen in einem einzigen Erlass, der Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV), konzentriert. Im Bereich der Behandlung des Abwassers und der Verwertung des Hofdüngers (Art. 10–15 GSchG) enthält die GSchV umfangreiche Festlegungen über den Bau und Betrieb von Abwasseranlagen, die Entsorgung von Klärschlamm sowie Anforderungen an Betriebe mit Nutztierhaltung (Art. 11–28 sowie Anh. 3.1–3.3 GSchV). Die nach Art. 16 GSchG erforderlichen Ausführungsvorschriften des Bundesrates gehen Hand in Hand mit den bundesrätlichen Festlegungen zu Art. 9 GSchG. Diese Bestimmung ermächtigt den Bundesrat, die Anforderungen an die Wasserqualität der ober- und unterirdischen Gewässer festzulegen (Abs. 1) sowie Verordnungsrecht über die Einleitung von Abwasser in Gewässer, über die Versickerung von Abwasser und über Stoffe, die ein Gewässer verunreinigen oder für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich sein könnten, zu erlassen (Abs. 2).

5. Mit Bezug auf die Verwertung des Klärschlamms finden sich auch Vorschriften in der ChemRRV (dort siehe Anh. 2.6). Der Bund sieht indessen vor, diese Bestimmungen im Rahmen einer Änderung der GSchV im Zusammenhang mit der Elimination von organischen Spurenstoffen aufzuheben, da Klärschlamm nicht mehr landwirtschaftlich verwertet werden darf.

6. Die hohe Regelungsdichte auf Gesetzes‑ und Verordnungsebene führt dazu, dass die materiellen Vorgaben beim qualitativen Gewässerschutz in wesentlichem Umfang schweizweit vereinheitlicht sind (BGer 1C.390/2008 vom 15. Juni 2009; E. 2.3, in: URP 2009, 634 ff.).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Einleitung in Kanalisationen (Bst. a)

1.             Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz

7. Bst. a knüpft einerseits direkt an Art. 11 Abs. 1 GSchG an, wonach im Bereich öffentlicher Kanalisationen das verschmutzte Abwasser in die Kanalisation eingeleitet werden muss. Andererseits bezieht sich Bst. a auch auf die Pflicht zur Vorbehandlung von verschmutztem Abwasser im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GSchG. Auf Verordnungsebene sind diese gesetzlichen Vorgaben zu konkretisieren.

2.             Vorschriften in der GSchV

8. Die Gewässerschutzverordnung des Bundesrates regelt die Anforderungen an die Einleitung von Abwasser in Kanalisationen wie folgt:

9. Es wird davon ausgegangen, dass die Inhaber von kommunalem Abwasser (vgl. dazu Anh. 3.1 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV; zum Inhaberbegriff s. Komm. zu Art. 12 GSchG N 21keine besonderen Anforderungen bei der Einleitung dieses Abwassers in die öffentliche Kanalisation beachten müssen, da die zentrale Abwasserreinigungsanlage in der Lage sein muss, das aus den Haushalten anfallende kommunale Abwasser gewässerschutzrechts­konform zu behandeln.

10. Hingegen werden in Anh. 3.2 GSchV Anforderungen an die Einleitung von Industrieabwasser (vgl. die Definition in Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV) u.a. in die öffentliche Kanalisation festgelegt. Ferner enthält Anh. 3.3 GSchV Anforderungen an «anderes verschmutztes Abwasser» (als kommunales Abwasser und Industrieabwasser; diese negative Abgrenzung wird in Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 1 GSchV vorgenommen). Die Anforderungen verkörpern den Stand der Technik. Auf diesen wird im Sinne einer Generalklausel bei der Abwasserentsorgung und bei Produktionsprozessen verwiesen (Anh. 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 bzw. Anh. 3.3 Ziff. 1 Abs. 1 GSchV). Ergänzend dazu werden für Industrieabwasser hinsichtlich verschiedener Parameter (z.B. pH-Wert, verschiedene Schwermetalle, gesamte Kohlenwasserstoffe, leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe) nummerische «Allgemeine Anforderungen» festgelegt. Sowohl bei Industrieabwasser als auch bei anderem verschmutztem Abwasser kommen «Besondere Anforderungen» hinzu: Es handelt sich dabei um Anforderungen für bestimmte Stoffe aus bestimmten (Wirtschafts‑)Branchen (vgl. Anh. 3.2 Ziff. 3 bzw. Anh. 3.3 Ziff. 2 GSchV).

11. Mit Bezug auf Industrieabwasser gemäss Anh. 3.2 GSchV und anderes verschmutztes Abwasser gemäss Anh. 3.3 GSchV besteht eine Bewilli­gungspflicht für Einleitungen in die öffentliche Kanalisation (Art. 7 GSchV). Diese knüpft auch an die Anforderungen gemäss Anh. 3.2 bzw. Anh. 3.3 GSchV an.

12. Bei der Festlegung der Anforderungen im Einzelfall ist schrittweise vorzugehen:

·       Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung gibt Anh. 3.2 bzw. Anh. 3.3 GSchV unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips vorsorgliche Emissionsbegrenzungen vor. Diese Anforderungen sind unabhängig davon, ob eine Bewilligung nach Art. 7 GSchV vorliegt oder nicht, direkt anwendbar. Die Inhaber von Industrieabwasser gemäss Anh. 3.2 GSchV und von anderem verschmutztem Abwasser gemäss Anh. 3.3 GSchV sind somit verpflichtet, diese vorsorglichen Emissionsbegrenzungen einzuhalten, auch wenn dies nicht individuell-konkret angeordnet wurde.

·       Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens nach Art. 7 GSchV wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob mit Blick auf die konkrete Gefährdungssituation Verschärfungen oder Ergänzungen erforderlich sind oder Erleichterungen gewährt werden können. Müssen zum Schutz der öffentlichen Kanalisation, der zentralen Abwasserreinigungsanlage oder des Gewässers Verschärfungen angeordnet werden, findet dabei nur noch eine eingeschränkte Verhältnismässigkeitsprüfung statt. Weil sehr hochrangige Schutzgüter betroffen sind, hat der Bundesrat die Prüfung der Zumutbarkeit der Massnahmen bereits abstrakt in Art. 7 GSchV vorweg genommen. Somit sind im Bewilligungsverfahren Verschärfungen nur noch auf ihre generelle Eignung («Kann mit den Verschärfungen ein Beitrag zur Erreichung des angestrebten Schutzes geleistet werden?») und auf ihre Erforderlichkeit («Lässt sich der gleiche Beitrag an den Schutz mit einer milderen Massnahme nicht ebenso gut erreichen?») zu prüfen. – Dieser Regelung liegt ein zweistufiges Schutzkonzept zugrunde, wie es auch beim Immissionsschutzrecht des USG zum Tragen kommt (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 391; Stutz, Abwasserrecht, 158 f.).

B.            Besondere Ableitungen aus Produktionsprozessen (Bst. b)

1.             Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz

13. Ergänzend zu Bst. a nimmt Bst. b die Vorgaben von Art. 12 Abs. 1 GSchG auf, wonach Abwasser vorbehandelt werden muss, wenn es den An­forderungen an die Einleitung in die öffentliche Kanalisation nicht ent­spricht. Ferner weist Bst. b auch einen Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 2 GSchG auf: Die Anforderungen an besondere Ableitungen aus Produk­tionsprozessen, die in der Gewässerschutzverordnung festgelegt werden, beziehen sich auf Industrieabwasser gemäss Anh. 3.2 GSchV und auf anderes verschmutztes Abwasser gemäss Anh. 3.3 GSchV. Entspricht dieses Abwasser den Anforderungen nicht, gilt es als für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet; das Abwasser muss in diesem Fall daher entweder betriebsintern so weit vorbehandelt werden, dass die Anforderungen an die Einleitung in die öffentliche Kanalisation erfüllt sind, oder es ist als flüssiger Sonderabfall zu entsorgen.

2.             Vorschriften in der GSchV Mit Bezug auf Industrieabwasser

14. Aufgrund von Bst. b hat der Bundesrat in Anh. 3.2 Ziff. 31–37 GSchV Anforderungen festgelegt an die Entsorgung von Industrieabwasser für bestimmte Stoffe aus bestimmten (Wirtschafts‑)Branchen. Es handelt sich bei diesen Anforderungen teils um Frachtbegrenzungen, teils um Konzentrationsgrenz-werte.

15. Darüber hinaus werden in Anh. 3.2 Ziff. 3 GSchV die international vereinbarten und vom Bundesrat oder vom UVEK genehmigten Beschlüsse und Empfehlungen, die besondere Anforderungen für bestimmte Stoffe aus bestimmten Branchen festlegen, als verbindlich erklärt. Dazu ist der Bundesrat befugt, da ihm der Gesetzgeber mit Art. 16 Bst. b GSchG die Kompetenz und den Auftrag gibt, die vereinbarten staatsvertraglichen Regelungen bei der Abwasserentsorgung ins innerstaatliche Recht zu überführen.

Mit Bezug auf anderes verschmutztes Abwasser

16. Teilweise finden sich Anforderungen an Ableitungen von Produktions­prozessen auch in Anh. 3.3 GSchV. Geregelt werden (in Anh. 3.3 Ziff. 21–28) die Anforderungen an Durchlaufkühlungen, ​Kreislaufkühlungen, Baustellen, Fassaden‑ und Tunnelreinigungen, Deponien, Kiesaufbereitungen, Fischzuchtanlagen und Schwimmbecken.

C.           Rückstände aus Abwasserreinigungsanlagen (Bst. c)

1.             Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz

17. Die Anforderungen an die Beschaffenheit, Verwertung und Entsorgung («Beseitigung») der Rückstände aus Abwasserreinigungsanlagen beziehen sich auf sämtliche Fälle, bei denen die öffentliche Hand oder Private zur Behandlung oder Vorbehandlung von verschmutztem Abwasser verpflichtet sind. Zu denken ist an die Inhaber von zentralen Abwasser­reinigungsanlagen, die Inhaber von Einzelreinigungsanlagen für die Abwasserbehandlung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen und die Inhaber von Vorbehandlungsanlagen von Industrieabwasser gemäss Anh. 3.2 GSchV bzw. von anderem verschmutztem Abwasser gemäss Anh. 3.3 GSchV. Materielle Anknüpfungspunkte im Gewässerschutzgesetz sind demnach die Art. 10, 12 und 13 GSchG.

18. Darüber hinaus beschlägt die Entsorgung der Rückstände aus der Ab­wasserreinigung auch das Abfallrecht, da die Rückstände alle Merkmale eines Abfalls erfüllen (zum Abfallbegriff Brunner/Tschannen, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 30–32e N 31 ff.). Nach Art. 31b Abs. 1 USG sind (u.a.) Abfälle aus der öffentlichen Abwasserreinigung von den Kantonen zu entsorgen. Soweit es sich um Rückstände aus privaten Abwasseranlagen handelt, kommt Art. 31c Abs. 1 USG zum Zug. Gemäss deser Vorschrift ist der Inhaber der Abfälle für die Entsorgung zuständig; er trägt auch die Kosten der Entsorgung (Art. 32 Abs. 1 USG).

19. Dem Rechtsetzungsauftrag gemäss Art. 16 Bst. c GSchG ist der Bundesrat mit dem Erlass der Art. 18–21 GSchV und der Vorschriften über Klärschlamm in der ChemRRV (Anh. 2.6) nachgekommen. Die Vorschriften über Klärschlamm sind mittlerweile obsolet, da Klärschlamm nicht mehr zur Düngung verwendet werden darf. Es ist geplant, die Bestimmungen über die Abgabe von Klärschlamm (Art. 7 Abs. 2 Bst. c, Art. 17 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2 GSchV) aufzuheben.

2.             Vorschriften in der GSchV

20. Das 3. Kapitel der Gewässerschutzverordnung ist mit dem Titel «Entsorgung von Klärschlamm» überschrieben. Es enthält namentlich:

·       die Verpflichtung der Kantone, einen Klärschlamm-Entsorgungsplan zu erstellen und ihn periodisch neuen Erfordernissen anzu­passen (Art. 18 GSchV),

·       die Verpflichtung der Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, genügende Lagerkapazitäten für Klärschlamm bereitzustellen (Art. 19 GSchV),

·       die Verpflichtung der Inhaber von zentralen Abwasserreinigungs­anlagen, die Qualität des Klärschlamms periodisch untersuchen zu lassen (Art. 20 GSchV), und

·       die Verpflichtung der Inhaber von zentralen Abwasserreini­gungsanlagen, wesentliche Daten zur Abgabe von Klärschlamm zu erheben und aufzubewahren (Art. 21 GSchV).

21. Die in den Art. 18–21 GSchV zusammengefassten Vorschriften zielen in erster Linie darauf ab, eine hinreichende Entsorgungssicherheit zu ge­währleisten. Namentlich der Klärschlamm-Entsorgungsplan im Sinne von Art. 18 GSchV dient der Entsorgungssicherheit (zur Tragweite dieses Instruments siehe BGer 1A.15/2006 vom 10. August 2006, E. 3).

22. Die periodische Untersuchung des Klärschlamms (Art. 20 GSchV) erlaubt ferner Rückschlüsse auf die zivilisatorisch verursachten Schadstoffflüsse. Es handelt sich damit um einen wichtigen Indikator für die Umweltbeobachtung.

3.             Vorschriften in der ChemRRV

23. Während früher Klärschlamm behandelt (hygienisiert) und dann als Dünger eingesetzt wurde, ist seine Verwendung als Dünger heute untersagt. Anh. 2.6 Ziff. 2.1 Abs. 2 ChemRRV verbietet es generell, Klärschlamm als Dünger einzusetzen. Die den Kantonen eingeräumten Übergangsfristen gemäss Anh. 2.6 Ziff. 5 ChemRRV sind mittlerweile längst abgelaufen.

24. Grund für das Verbot sind Bedenken, dass die im Klärschlamm enthaltenen Schwermetalle, Krankheitserreger und organischen Schadstoffe aus Industrie, Gewerbe und Privathaushalten (z.B. Arzneimittelrückstände, natürliche Hormone und künstliche hormonaktive Substanzen) im Boden zu Langzeitschäden und über die Nahrungskette zu Gesundheitsrisiken führen könnten.

4.             Ausblick

25. Da Klärschlamm wertvolle Pflanzennährstoffe – namentlich Phosphor – enthält, ist die stoffliche Verwertung des Klärschlamms unter dem Blickwinkel der Ressourcenschonung sehr sinnvoll. Der in den schweizerischen zentralen Abwasserreinigungsanlagen anfallende Klärschlamm enthält nämlich etwa die gleiche Menge Phosphor wie als Mineraldünger in die Schweiz importiert wird.

26. Angesichts der grossen Mengen an Klärschlamm, die jedes Jahr zur Entsorgung anfallen (4 Mio. Kubikmeter, entsprechend 200ʹ000 Tonnen Trockensubstanz, die 5ʹ600 Tonnen Phosphor enthalten), sind Bestrebungen im Gang, Phosphor aus dem Abwasser bzw. Klärschlamm zurückzugewinnen (dazu BAFU, Rückgewinnung Phosphor). Es entspricht heute bereits dem Stand der Technik, den Klärschlamm thermisch zu behandeln. Die dabei anfallende Klärschlammasche enthält praktisch den gesamten Phosphor, der im Abwasserreinigungsprozess aus dem Abwasser entfernt wurde. Im Sinne der Schliessung von Kreisläufen ist es angezeigt, den Phosphor aus der Klärschlammasche wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Da ein vorübergehendes Ablagern (Zwischendeponie) nur zu grösseren Kosten führt, muss eine direkte Rückgewinnung angestrebt werden. Der Kanton Zürich verfolgt den Weg, aus der phosphorhaltigen Klärschlammasche Phosphorsäure herzustellen. Phosphorsäure stellt ein marktfähiges Produkt dar, das zur Düngerherstellung oder zu industriellen Zwecken genutzt werden kann.

D.           Kontrolle von Anlagen und Einrichtungen (Bst. d)

1.             Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz

27. Die Ausführungsvorschriften gemäss Bst. d haben ihre materielle Gesetzesgrundlage in Art. 15 GSchG. Einerseits geht es dabei um (Eigen‑)Überwachungspflichten der Inhaber von Abwasser bzw. Abwasseranlagen (Art. 15 Abs. 1 GSchG), andererseits um Kontrollaufgaben der Gewässerschutzbehörden (Art. 15 Abs. 2 GSchG).

2.             Vorschriften in der GSchV

28. Die Art. 13 und 14 GSchV fassen Eigenkontrollpflichten der Inhaber von Abwasseranlagen, der Inhaber von zentralen Abwasserreinigungsanlagen und der Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten, zusammen.

29. Art. 13 Abs. 1 GSchV verlangt von den Inhabern aller Abwasseranlagen (zum Begriff der Abwasseranlage s. Komm. zu Art. 15 N 20), dass sie

·       ihre Anlagen in funktionstüchtigem Zustand erhalten müssen (Bst. a),

·       Abweichungen vom Normalbetrieb feststellen, deren Ursachen abklären und diese unverzüglich beheben (Bst. b), und

·       beim Betrieb alle verhältnismässigen Massnahmen ergreifen, die zur Verminderung der Mengen der abzuleitenden Stoffe beitragen (Bst. c).

30. Diese Verpflichtungen stützen sich materiell auf die Sorgfaltspflicht gemäss Art. 3 GSchG und wirken gegenüber den Inhabern von Abwasseranlagen unmittelbar; eine individuell-konkrete Anordnung ist nicht erforderlich. Die Pflichten können nur erfüllt werden, wenn die Inhaber ihre Anlagen überwachen – wozu sie auch ausdrücklich aufgrund von Art. 15 Abs. 1 GSchG verpflichtet sind.

31. Soweit Abwasseranlagen mit besonders hohem Gefährdungspotenzial betroffen sind (d.h. im Wesentlichen Abwasserreinigungsanlagen und Abwasservorbehandlungsanlagen), werden in Art. 13 Abs. 2 und 3 GSchV weitergehende Eigenüberwachungspflichten der verantwortlichen Personen (Bezeichnung von fachkundigem Personal, Ermittlung von Mengen und Konzentrationen von Stoffen nach den Vorgaben der Gewässerschutzbehörde usw.) festgehalten. Die erhobenen Daten sind nach den Anordnungen der Gewässerschutzbehörde zu melden (Art. 14 GSchV).

32. Darüber hinaus verpflichtet Art. 16 GSchV die Inhaber von Abwasser­reinigungsanlagen, die Abwasser in ein Gewässer einleiten, und die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in eine Abwasserreinigungsanlage ableiten, geeignete und wirtschaftlich tragbare Massnahmen zu treffen, um das Risiko einer Gewässerverunreinigung durch ausserordentliche Ereignisse zu vermindern. Solche ausserordentlichen Massnahmen sind der Gewässerschutzbehörde zu melden (Art. 17 GSchV).

33. Art. 15 GSchV schliesslich macht es der Gewässerschutzbehörde zur Aufgabe, ihrerseits periodisch die Abwasserverhältnisse von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten, und von Abwasserreinigungsanlagen mit Blick auf die erteilte Gewässerschutzbewilligung zu überwachen. Stellt die Behörde fest, dass die in der Bewilligung festgelegten Anforderungen keinen sachgemässen Gewässerschutz mehr gewährleisten, hat sie die Bewilligung anzupassen.

E.            Verwertung von Abwasser aus der Aufbereitung des Hofdüngers (Bst. e)

1.             Inhaltliche Anknüpfung an das Gesetz

34. Nach Art. 14 Abs. 2 GSchG muss Hofdünger umweltverträglich und ent­sprechend dem Stand der Technik landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden. Obschon Hofdünger (namentlich Gülle) rechtlich nicht als Abwasser zu qualifizieren ist – und eine Ableitung in die Kanalisation daher ausgeschlossen ist –, kann in einem weiteren Sinn unter der Verwertung des Hofdüngers auch eine Verwertung von Abwasser aus der Aufbereitung des Hofdüngers verstanden werden. Inhaltlich knüpft Art. 16 Bst. e somit an Art. 14 Abs. 2 GSchG an.

35. Hofdünger wird in Art. 5 Abs. 2 Bst. a DüV wie folgt definiert (vgl. Komm. zu Art. 14 GSchG N 18):

«Gülle, Mist, Mistwässer, Gülleseparierungsprodukte, Silosäfte und vergleichbare Abgänge aus der landwirtschaftlichen oder gewerblichen Nutztierhaltung oder dem Pflanzenbau des eigenen oder anderer Landwirtschaftsbetriebe, zusammen mit maximal 20 Prozent Material nicht landwirtschaftlicher Herkunft, in aufbereiteter oder nicht aufbereiteter Form.»

2.             Vorschriften in der GSchV

36. Gemäss Art. 9 Abs. 2 GSchV muss Abwasser aus der Aufbereitung von Hofdüngern, der hors-sol-Produktion und ähnlichen pflanzenbaulichen Verfahren umweltverträglich und entsprechend dem Stand der Technik landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden.

37. Abwasser aus der Aufbereitung von Hofdüngern fällt namentlich bei Betrieben an, die Gülle (zur Gewinnung von Biogas) vergären. Dabei kann die in diesem Prozess entstehende Gärgülle in Gärmist und Gärdünngülle (mechanisch) separiert werden. Bei der Behandlung der Gärdünngülle mittels Ultrafiltration und Umkehrosmose fallen als Produkte ein konzentrierter Flüssigdünger (Retentat) sowie ein nährstoffarmes Abwasser (Permeat) an. Das Permeat kann beispielsweise zur Bewässerung von Kulturen verwendet werden. Eine Ableitung in die öffentliche Kanalisation oder in ein Gewässer ist nach Art. 9 Abs. 2 GSchV nicht zulässig.

38. Auch das bei der hors-sol-Produktion anfallende Abwasser muss landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden. In der Regel werden die Kulturen im Gewächshaus mit einer Nährlösung beschickt; die Pflanzen entziehen dieser Nährstoffe. Die überschüssige Lösung wird aufgefangen und kann aufbereitet (Zugabe von Nährstoffen) wiederum als Nährlösung verwendet werden (Kreislaufführung).

 

Résumé

L’art. 16 LEaux reconnaît au Conseil fédéral la compétence d’adopter les dispositions d’exécution de la LEaux relatives au traitement des eaux usées et au contrôle des installations dans une ordonnance de substitution. Cette disposition, en tant que norme de délégation, attribue un mandat législatif impératif au Conseil fédéral d’adopter les prescriptions nécessaires. A cet effet, le Conseil fédéral a adopté les art. 11–28 OEaux ainsi que les annexes 3.1–3.3 OEaux réglant, entre autre, la construction et l’exploitation d’installations d’évacuation et d’épuration des eaux, l’élimination des boues d’épuration et les exigences imposées aux exploitations pratiquant la garde d’animaux de rente et l’utilisation des engrais de ferme (art. 10–15 LEaux).

La let. a de l’art. 16 LEaux se fonde sur l’art. 11 al. 1 LEaux qui dispose que dans le périmètre des égouts publics, les eaux polluées doivent être déversées dans les égouts, ainsi que sur l’obligation de prétraitement des eaux polluées prévue à l’art. 12 al. 1 LEaux. Les dispositions légales détaillées sont réglées à l’annexe 3.1 ss OEaux. La let. b de l’art. 16 LEaux renvoie à l’art. 12 al. 1 LEaux et en particulier, à l’art. 12 al. 2 LEaux. Les exigences des rejets spéciaux issus des processus de production concernent les eaux industrielles selon l’annexe 3.2 OEaux et les autres eaux polluées selon l’annexe. 3.3 OEaux.

La let. c de l’art. 16 LEaux donne compétence au Conseil fédéral pour fixer les exigences concernant les résidus des stations d’épuration des eaux, leur valorisation ou leur évacuation portant sur tous les cas, où les pouvoirs publics ou les privés sont tenus de traiter ou de prétraiter les eaux polluées. L’art. 15 LEaux constitue la base légale matérielle de la let. d de l’art. 16 LEaux. Cet article traite des obligations de surveillance du détenteur des eaux, respectivement des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées, comme le devoir de contrôle des autorités compétentes en matière de protection des eaux. La let. e de l’art. 16 LEaux, dont le contenu de la let. e est étroitement lié à l’art. 14 al. 2 LEaux, est concrétisée à l’art. 9 al. 2 OEaux.

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hermann Ludwig), Rückgewinnung von Phosphor aus der Abwasserreinigung – Eine Bestandesaufnahme, Umwelt-Wissen Nr. 0929, Bern 2009 (zit. Rückgewinnung Phosphor).

3. Abschnitt: Abwassertechnische Voraussetzungen für die Erteilung von Baubewilligungen

Eggs Raphael | Zufferey Jean-Baptiste

 

Abwassertechnische Voraussetzungen für die Erteilung von Baubewilligungen/Section 3: Conditions liées à l’évacuation des eaux usées pour l’obtention d’un permis de construire​

 

Principe

Un permis de construire ou de transformer un bâtiment ne peut être délivré qu’aux conditions suivantes:

a.       dans le périmètre des égouts publics, le déversement des eaux polluées dans les égouts (art. 11, al. 1) ou l’utilisation de ces eaux à des fins agricoles (art. 12, al. 4) sont garantis;

b.       hors du périmètre des égouts publics, l’évacuation correcte des eaux polluées est assurée par un procédé spécial (art. 13, al. 1); le service cantonal de la protection des eaux doit avoir été consulté;

c.       l’évacuation correcte des eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station centrale d’épuration est garantie (art. 12, al. 2).

Grundsatz

Baubewilligungen für Neu‑ und Umbauten dürfen nur erteilt werden, wenn: 

a.       im Bereich öffentlicher Kanalisationen gewährleistet ist, dass das verschmutzte Abwasser in die Kanalisation eingeleitet (Art. 11 Abs. 1) oder landwirtschaftlich verwertet wird (Art. 12 Abs. 4);

b.       ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen die zweckmässige Beseitigung des verschmutzten Abwassers durch besondere Verfahren gewährleistet (Art. 13 Abs. 1); die kantonale Gewässerschutzfachstelle ist anzuhören;

c.       gewährleistet ist, dass Abwasser, das sich für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht eignet, zweckmässig beseitigt wird (Art. 12 Abs. 2).

Principio

Il permesso di costruzione o di trasformazione di un edificio può essere concesso soltanto se:

a.       nel perimetro delle canalizzazioni pubbliche è garantito che le acque di scarico inquinate sono immesse nella canalizzazione (art. 11 cpv. 1) o sono sfruttate in agricoltura (art. 12 cpv. 4);

b.       fuori del perimetro delle canalizzazioni pubbliche, procedimenti speciali assicurano l’evacuazione adeguata delle acque di scarico inquinate (art. 13 cpv. 1) e l’ufficio cantonale preposto alla protezione delle acque è stato consultato;

c.       l’evacuazione corretta delle acque di scarico non idonee ad essere trattate in una stazione centrale di depurazione è garantita (art. 12 cpv. 2).

 

 

Table des matières

Remarques préliminaires aux art. 17 et 18 LEaux 1
A. L’objet et la systématique au sein de la LEaux 1
B. L’évolution historique 2
1. Avant l’adoption de la LAT 2
2. Suite à l’adoption de la LAT 8
C. Les liens avec d’autres domaines du droit public de la construction 11
1. L’aménagement du territoire 11
2. La protection de l’environnement 27
​3. D’autres domaines juridiques encore 30
II. Le système de l’art. 17 LEaux et son champ d’application 40
A. Le système 40
​B. Le champ d’application 42
1. Les bâtiments ou installations 42
2. Les constructions ou transformations 45
III. Les conditions pour l’obtention du permis de construire 49
A. Dans le périmètre des égouts publics (let. a) 49
1. La notion de «périmètre des égouts publics» 49
​2. Les conditions
​3. ​Le régime dérogatoire de l’art. 18 LEaux 55
​B. Hors du périmètre des égouts publics (let. b) 56
​C. Les eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station centrale d’épuration (let. c) 58

 

 

I.              Remarques préliminaires aux art. 17 et 18 LEaux

A.           L’objet et la systématique au sein de la LEaux

1. Sous une section spécifique (titre 2, chapitre 1er, section 3), la LEaux traite des «conditions liées à l’évacuation des eaux usées pour l’obtention d’un permis de construire». Comme l’indique sa note marginale, l’art. 17 LEaux pose le «principe» applicable à cet égard: pour qu’un constructeur puisse obtenir l’autorisation qu’il sollicite, l’évacuation des eaux usées doit être garantie. Cette disposition distingue deux cas de figure principaux: d’une part les constructions qui se situent dans le périmètre des égouts publics (let. a) et d’autre part celles qui sont projetées hors de ce périmètre (let. b). L’art. 17 let. c LEaux prévoit en outre une hypothèse particulière: celle des eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station d’épuration. L’art. 18 LEaux aménage ensuite une dérogation par rapport à ce régime de l’art. 17 LEaux, dans le cas de «petits bâtiments et installations» qui ne peuvent pas, pour des raisons impérieuses, être immédiatement raccordés au réseau.

 

B.            L’évolution historique

1.             Avant l’adoption de la LAT

2. Selon l’art. 19 LEaux 1971, un permis de construire pouvait être délivré «dans les zones de construction» ou, à défaut, «dans le périmètre du plan directeur des égouts» lorsque le déversement des eaux usées dans les canalisations était assuré. Cette règle était ainsi en substance identique à celle de l’actuel art. 17 let. a LEaux. A l’instar de l’art. 18 LEaux, l’art. 19 LEaux 1971 prévoyait également un régime dérogatoire pour «de petits bâtiments ou installations» qui ne pouvaient pas encore être raccordés au réseau pour des raisons impérieuses.

3. Lors de son adoption, l’art. 20 LEaux 1971 prescrivait qu’un permis de construire pouvait être accordé hors du «périmètre du plan directeur des égouts» si le requérant démontrait «objectivement l’existence d’un besoin»; il convenait dans ce cas de prévoir «un système approprié d’évacuation et d’épuration des eaux» ou «un autre mode d’élimination approprié de ces eaux».

4. L’art. 20 LEaux 1971 allait ainsi au-delà de l’actuel art. 17 let. b LEaux, puisque le constructeur devait également démontrer l’existence d’un besoin. En lien avec cette condition, le TF a retenu que l’art. 20 LEaux 1971 se rapportait aux bâtiments et installations de tout genre, donc également à ceux qui ne produisent pas d’eaux usées. Cette interprétation se justifiait par le fait que les art. 19 et 20 LEaux 1971 visaient non seulement la protection des eaux, mais également «des buts d’aménagement du territoire»; sous cet angle, il importait que toutes les constructions et installations ne répondant pas à un besoin matériellement fondé soient concentrées dans les zones à bâtir (ATF 104 Ib 374, consid. 1. a)). Comme l’a relevé le TF, le législateur avait opté pour cette réglementation légale en raison des multiples intérêts en jeu, tels que l’utilisation rationnelle du sol, la conservation de l’aire agricole et la protection des sites; il avait dès lors voulu que l’utilisation générale du sol à des fins de construction soit limitée aux zones désignées à cet effet par la planification (ATF 101 Ib 189, consid. 2. a); 106 Ia 184, consid. 4. b)/aa)).

5. L’OGPEP 1972 a ensuite précisé, à son art. 27, quel besoin objectivement fondé pouvait justifier des constructions nouvelles ou des transformations hors des zones à bâtir, respectivement hors du périmètre des égouts; cette disposition retenait qu’il s’agissait en premier lieu des constructions dont l’emplacement était «imposé par leur destination» (sur cet aspect, cf. ATF 106 Ia 184, consid. 4b)/aa); 103 Ib 110, consid. 2a)). Ce dernier critère a conservé son utilité, puisqu’il est actuellement prévu à l’art. 24 let. a LAT.

6. Les art. 19 et 20 LEaux 1971 ont ainsi constitué un instrument déterminant en matière d’aménagement du territoire, qui a permis de freiner la délivrance de permis de construire en dehors des zones constructibles (Marantelli-Sonanini, Erschliessung Bauland, 15 s.); ils ont ainsi discipliné les nouvelles constructions, en particulier dans les collectivités publiques où une planification du territoire conforme à la LAT n’est intervenue que des années après l’entrée en vigueur de cette loi (au 1er janvier 1980). Le TF a d’ailleurs retenu que cette réglementation avait permis de «définir de façon uniforme pour toute la Suisse le contenu de la propriété foncière hors des zones de construction, respectivement du périmètre du plan directeur des égouts».

7. Sur la base de ce constat, les art. 19 et 20 LEaux 1971 ont également joué un rôle décisif dans l’évolution de la jurisprudence relative à l’expropriation matérielle. Le TF a en effet retenu que l’objet de ces dispositions était de concrétiser le contenu de la propriété foncière, et non de le restreindre; dès lors, une indemnité pour expropriation matérielle ne pouvait pas être réclamée lorsque la possibilité de construire en dehors des zones à bâtir ou du périmètre du plan directeur des égouts était désormais niée pour les bâtiments n’ayant pas d’usage agricole et dont l’emplacement n’était pas imposé par leur destination (ATF 105 Ia 330, consid. 3d; Dubey/Zufferey, Droit administratif, § 31 N°325 ss).

 

2.             Suite à l’adoption de la LAT

8. L’art. 20 LEaux 1971 a connu une évolution importante lors de l’adoption de la LAT, en 1980, puisque l’exigence précitée du «besoin» a été supprimée. Dans le message élaboré en vue de l’adoption de la LAT, le Conseil fédéral a exposé que cette dernière loi imposait, pour la délivrance d’une autorisation de construire, que la construction ou l’installation soit conforme à l’affectation de la zone (art. 22 al. 2 let. a LAT); l’art. 24 LAT prévoyait également les dérogations à ce principe, en s’inspirant des principes établis par la législation sur la protection des eaux. Il s’imposait dès lors de supprimer l’exigence du «besoin» contenue à l’art. 20 LEaux 1971 afin d’éviter que plusieurs dispositions ne règlent la même question (Message LAT 1978, 1037).

9. A compter de l’adoption de la LAT, les art. 19 et 20 LEaux 1971 prévoyaient des règles similaires à la législation actuelle. Dans le message élaboré en vue de l’adoption de la LEaux, le Conseil fédéral a d’ailleurs relevé que l’ensemble de ce chapitre 1er de la LEaux reprenait pour l’essentiel le droit déjà en vigueur (Message LEaux 1987, 1105).

10. Il n’y a ainsi plus lieu de considérer que l’art. 17 LEaux vise également, parallèlement à la protection des eaux, des buts généraux d’aménagement du territoire, en particulier la concentration des constructions dans les zones à bâtir; ces buts sont actuellement ceux de la LAT (Marantelli-Sonanini, Erschliessung Bauland, 17). Le message de la LEaux retenait d’ailleurs que les art. 17 et 18 LEaux pouvaient se réduire à de simples conditions liées à la technique d’évacuation des eaux usées, dans la mesure où la LAT réglait l’obtention du permis de construire à l’intérieur et à l’extérieur des zones à bâtir (Message LEaux 1987, 1143; cf. ég. Hänni, Umweltschutzrecht, 442; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 128).

 

C.           Les liens avec d’autres domaines du droit public de la construction

1.             L’aménagement du territoire Les art. 17 et 18 LEaux comme composantes de l’équipement technique

11. Le Conseil fédéral a précisé dans son message que les art. 17 et 18 LEaux «ne sont applicables que lorsque toutes les autres conditions pour l’obtention d’un permis de construire, en particulier celles des art. 22 et 24 LATsont satisfaites» (Message LEaux 1987, 1143; cf. ég. Hänni, Umweltschutzrecht, 442; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 128). Les art. 17 et 18 LEaux s’insèrent ainsi dans le régime d’autorisation de construire que connaît la LAT. Ils n’impliquent pas la délivrance d’une autorisation spécifique (même pour les dérogations de l’art. 18 LEaux), mais la vérification, par l’autorité compétente pour délivrer le permis de construire, du respect des conditions qu’ils fixent en matière de protection des eaux (Hänni, Umweltschutzrecht, 442).

12. Avant de délivrer une autorisation de construire, l’autorité s’assure en particulier que le terrain est équipé conformément à l’art. 22 al. 2 let. b LAT. Selon l’art. 19 al. 1 LAT, un terrain est réputé équipé notamment lorsqu’il est desservi par des conduites auxquelles il est possible de se raccorder sans frais disproportionnés pour l’évacuation des eaux usées. L’art. 19 al. 1 LAT, qui définit l’équipement technique, renvoie ainsi implicitement à l’art. 17 LEaux, dont la fonction est de préciser l’exigence de raccordement aux conduites d’évacuation des eaux usées (Jomini, Kommentar RPG, art. 19 LAT N 32; Hänni/Waldmann, Handkommentar RPG, art. 19 LAT No26).

Les spécificités de l’équipement en matière d’eaux usées

La «garantie» d’un déversement dans les égouts

13. Selon l’art. 19 al. 1 LAT, il doit être «possible de se raccorder sans frais disproportionnés» aux conduites d’équipement. L’art. 17 let. a LEaux prévoit pour sa part que dans le périmètre des égouts publics, le déversement des eaux polluées dans les égouts ou l’utilisation de ces eaux à des fins agricoles doivent être «garantis». Il n’y a pas lieu de tirer de ces formulations différentes des conclusions particulières. Comme déjà exposé (voir N°10), l’art. 17 LEaux précise la portée de l’art. 19 al. 1 LAT en matière d’eaux usées. Le texte de l’art. 19 LAT doit dès lors également être utilisé dans l’interprétation de l’art. 17 let. a LEaux. Ainsi, s’il s’avère possible de se raccorder aux égouts sans frais disproportionnés, l’équipement doit sur ce point être considéré comme suffisant.

14. Le raccordement individuel d’un immeuble (en allemand «Hausanschluss») à l’équipement collectif (ou «public» ou encore «communal») ne fait pas partie de l’équipement au sens de l’art. 19 al. 1 LAT (Jomini, Kommentar RPG, art. 19 N 17). C’est en ce sens que l’expression «possibilité de se raccorder sans frais disproportionnés» doit être comprise; l’exigence d’équipement est remplie lorsque seul le raccordement individuel doit encore être réalisé. Lorsque tel est le cas, il y a lieu de considérer que le déversement des eaux polluées dans les égouts est «garanti» au sens de l’art. 17 let. a LEaux. Plus précisément, l’expression «sans frais disproportionnés» se rattache à l’idée que l’opération de raccordement doit être légère (TF 1C_721/2013 du 15 juillet 2014, consid. 2.2.). Cette règle rappelle celle posée à un autre niveau par la LEaux, pour délimiter le périmètre des égouts publics: selon l’art. 11 al. 2 let. c LEaux, ce périmètre, hors des zones équipées, les zones qui peuvent «raisonnablement» être raccordées au réseau d’égouts. Lorsqu’il s’agit toutefois de délivrer un permis en vue d’un projet de construction déterminé, l’exigence posée par l’art. 17 let. a LEaux devrait être d’un niveau inférieur (opération «légère») à ce qui pourrait paraître encore «raisonnable» suiant les circonstances.

L’obligation d’équiper

15. Les art. 11 al. 1 et 17 let. a LEaux imposent de déverser dans les égouts les eaux polluées produites dans le périmètre des égouts publics. On constate que le champ d’application de cette règle ne coïncide pas entièrement avec celui de l’obligation d’équiper. L’art. 19 al. 2 LAT impose en effet à la collectivité une obligation d’équiper dans les zones à bâtir. De plus, pour les zones destinées à la construction de logements, cette même obligation découle de l’art. 5 al. 1 LCAP. Le texte français de cette dernière loi n’indique pas que cette obligation se limiterait aux zones à bâtir. Cette précision ressort cependant expressément de la version allemande («die Grob‑ und Feinerschliessung der für den Wohnungsbau bestimmten Bauzonen»); la notion de zone à bâtir utilisée à l’art. 5 al. 1 LCAP est par ailleurs identique à celle de l’art. 15 LAT (Hänni, Umweltschutzrecht, 277).

16. L’obligation d’équiper est ainsi limitée aux zones à bâtir, aussi bien sous l’angle de la LAT que de la LCAP. Elle est dès lors moins étendue que l’obligation de déverser les eaux polluées dans les égouts publics, qui s’étend à tout le «périmètre des égouts publics». Conformément à l’art. 11 al. 2 LEaux, ce périmètre englobe non seulement les zones à bâtir (let. a), mais également les «autres zones, dès qu’elles sont équipées d’égouts» (let. b), ainsi que les «autres zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être envisagé» (let. c). Au vu de cette dernière hypothèse, il est concevable de rencontrer, en dehors d’une zone à bâtir, des situations dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts s’impose, sans pour autant que la collectivité n’ait une obligation d’équiper (ni donc d’adopter un «programme d’équipement» tel que l’art. 19 al. 2 LAT le mentionne).

17. Toujours sous l’angle de l’obligation de réaliser l’équipement public (de base et de détail), l’art. 19 al. 3 LAT prévoit que si la collectivité n’y donne pas suite dans les délais prévus (par le programme d’équipement), elle doit permettre aux propriétaires fonciers d’équiper eux-mêmes leur terrain selon les plans approuvés par elle ou les autoriser à lui avancer les frais d’équipements selon les dispositions du droit cantonal. Ce régime confirme qu’il y a indépendance juridique entre l’équipement au sens de la LAT (infrastructure collective) et le raccordement aux égouts en vertu de la LEaux (obligation individuelle):

  • Le propriétaire ne peut échapper à l’art. 17 LEaux en arguant que la collectivité n’aurait pas réalisé l’équipement. L’art. 19 al. 3 LAT lui permet de le faire lui-même (en respectant les indications de la collectivité) et de satisfaire ainsi à l’exigence de la LEaux.
  • Le «périmètre des égouts publics» au sens de l’art. 17 let. a LEaux n’englobe que les cas mentionnés à l’art. 11 al. 2 LEaux et non pas déjà ceux qui sont mentionnés dans le programme d’équipement et réalisables au sens de l’art. 19 al. 3 LAT.
  • La LAT n’a pas pour effet d’étendre les exemptions à l’obligation de raccordement au-delà de ce que prévoit l’art. 18 LEaux.
  • En particulier, il n’y a pas d’exemption lorsque le propriétaire n’a pas les moyens financiers qui lui seraient nécessaires afin d’utiliser la possibilité que lui offre l’art. 19 al. 3 LAT.
  • Si la collectivité entend dézoner afin d’éviter l’obligation d’équiper le secteur considéré, c’est l’art. 19 al. 3 LAT qui permet aux propriétaires concernés de défendre leurs droits et non pas la LEaux.

Le financement

18. Le financement de l’équipement qu’exige la LAT et la LCAP est assuré par la perception de contributions, c’est-à-dire de redevances causales. Dans la mesure où ces contributions visent à compenser un avantage dont bénéficie le propriétaire, elles constituent des charges de préférence (Hänni, Umweltschutzrecht, 281). L’art. 19 al. 2 i.f. LAT prévoit que «le droit cantonal règle la participation financière des propriétaires fonciers» à l’équipement. La LCAP est à cet égard plus précise, puisqu’elle prescrit à son art. 6 al. 1 la perception de contributions équitables aux frais d’équipement général; selon l’art. 6 al. 2 LCAP, les frais de l’équipement nécessaire au raccordement doivent être reportés entièrement ou en majeure partie sur les propriétaires fonciers. L’ordonnance relative à la LCAP précise encore, à l’art. 1 OLCAP, que l’ensemble des propriétaires fonciers supportent au moins 30 % des frais des installations d’équipement général (let. a) et 70 % des frais des installations de raccordement (let. b). Selon le TF, l’art. 6 LCAP ne constitue toutefois pas une base légale suffisante pour la perception de contributions à l’équipement; il appartient aux cantons de régler cette question dans le détail (ATF 112 Ib 235, consid. 2. d)).

19. Quelques dispositions de la LEaux fixent également les principes qui régissent la construction de l’équipement destiné à assurer l’évacuation des eaux usées. Il s’agit d’abord de l’art. 10 LEaux, qui attribue cette tâche aux cantons (al. 1), tout en précisant que ceux-ci doivent veiller à l’exploitation économique de ces installations (al. 1bis). En ce qui concerne le financement, deux nouvelles dispositions légales ont été insérées dans la LEaux en 1997. Ainsi, l’art. 3a LEaux impose de respecter le principe de causalité, selon lequel «celui qui est à l’origine d’une mesure prescrite par la présente loi en supporte les frais». Ce principe est également précisé à l’art. 60a LEaux, qui prévoit notamment que le montant des taxes fixées pour le financement de ces équipements devra en particulier tenir compte du type et de la quantité d’eaux usées produites, des amortissements nécessaires pour maintenir la valeur du capital de ces installations, des intérêts ainsi que des investissements futurs planifiés (al. 1). Karlen relève que l’art. 60a LEaux doit désormais l’emporter sur les règles de la LCAP, en particulier sur la répartition rigide que prévoit l’art. 1 OLCAP (voir N°18 i.f.) et qui pose également problème sous l’angle de l’égalité de traitement (Karlen, Abwasserabgaben, 552 s; ég. Hänni, Umweltschutzrecht, 282).

20. En matière d’évacuation des eaux usées, les charges de préférence perçues lors de la réalisation de l’équipement sont en principe complétées par une taxe de raccordement; cette taxe ne vise pas à compenser la construction proprement dite de l’équipement, mais uniquement le raccordement effectif au réseau public (Karlen, Abwasserabgaben, 554 s.). Le TF a précisé que cette dernière taxe peut être prélevée dès que le raccordement a été effectué et que l’utilisation des canalisations est possible; en revanche, la charge de préférence peut déjà être prélevée lorsque le propriétaire a simplement la possibilité de raccorder son fonds aux canalisations et même s’il n’entend pas (encore) construire, car c’est la plus-value pour son bien-fonds que la charge appréhende (ATF 106 Ia 241, consid. 3. b)).

 

L’expropriation matérielle

21. Comme exposé, avant l’entrée en vigueur de la LAT, le TF a en particulier examiné si les conditions d’une expropriation matérielle étaient réunies sur la base des art. 19 et 20 LEaux 1971 et de la notion de «zone de construction» qui en découlait (voir N°7). Si cette question relève désormais de l’art. 15 LAT, qui détermine la notion de zone à bâtir, la question de l’équipement conserve son importance en matière d’expropriation matérielle, puisque la jurisprudence du TF impose à cet égard de prendre en compte l’usage futur prévisible d’un bien-fonds dans un proche avenir, ce par quoi il faut en principe entendre la possibilité de l’affecter à la construction (ATF 131 II 151, consid. 2.1; 131 II 728, consid. 2.; 125 II 431, consid. 3. a)).

22. La possibilité d’une meilleure utilisation future du bien-fonds ne peut être prise en considération que si la réalisation d’une construction dans un avenir proche apparaît hautement vraisemblable au moment de l’entrée en vigueur de la restriction à la propriété (ATF 131 II 728, consid. 2.; 123 II 481, consid. 6. a)). Cet aspect doit être apprécié notamment en fonction de facteurs juridiques et la réalisation de la construction ne doit plus dépendre que de l’initiative du propriétaire; dès lors, une expropriation matérielle ne devrait en principe pas être reconnue lorsqu’une modification de la situation juridique du bien-fonds était encore nécessaire lors de l’entrée en vigueur de la restriction, comme par exemple une révision du plan des zones, l’adoption d’un plan d’affectation spécial ou d’un plan d’équipement; les circonstances concrètes doivent cependant être prises en considération, ce facteur juridique n’étant pas décisif à lui seul (ATF 131 II 151, consid. 2.4.1; 122 II 455, consid. 5. d)).

23. L’existence d’une expropriation matérielle ne peut pas être déniée au propriétaire du seul fait que celui-ci n’a pas, subjectivement, l’intention de bâtir (ATF 113 Ib 318, consid. 3. c)). Le TF a également précisé que l’expression «avenir proche» utilisée en lien avec la possibilité d’une meilleure utilisation implique de tenir compte des délais inhérents à la planification; conformément à l’art. 15 let. b LAT, la planification des zones à bâtir se base sur une perspective de 15 ans (ATF 131 II 728, consid. 2.6). Par ailleurs, en cas de déclassement, le critère de la probabilité d’un meilleur usage futur ne doit pas être examiné de façon trop stricte. La seule circonstance que la parcelle déclassée n’est pas ou pas encore totalement équipée ne saurait conduire à exclure toute obligation d’indemniser, compte tenu de l’obligation d’équiper à charge de la collectivité publique qu’instaure l’art. 19 al. 2 LAT (ATF 131 II 72, consid. 3.6).

24. Le TF a néanmoins été amené à confirmer l’absence d’expropriation matérielle dans des situations où un bien-fonds touché par une révision d’un plan de zones était en particulier insuffisamment équipé du point de vue des canalisations qu’exige la législation sur la protection des eaux (par ex. ATF 118 Ib 38, consid. 4. d); 110 Ib 29, consid. 4. a); TF 1A.98/2000 du 8 mars 2001, consid. 2. d)).

25. Le 1er mai 2014 a vu l’entrée en vigueur de la révision partielle de la LAT, qui notamment vise à combattre le surdimensionnement des zones à bâtir. Le nouvel art. 15 al. 2 LAT impose d’examiner leur bien-fondé, ce qui est susceptible de conduire à des déclassements. Des incertitudes subsistent cependant sur l’ampleur à venir de ces dernières; pour certains auteurs, elles ne devraient pas être aussi importantes qu’annoncée par divers milieux avant la votation populaire du 3 mars 2013 (Bühlmann, Déclassement, 4). Il est en revanche probable que l’obligation d’indemniser les propriétaires de biens-fonds déclassés devra être examinée à la lumière de la jurisprudence précitée du TF relative à l’expropriation matérielle.

26. Riva constate que l’exigence d’une meilleure utilisation dans un avenir proche revêt surtout une importance en cas de déclassement, soit dans les situations où l’affectation en zone constructible d’un immeuble est modifiée pour passer en zone constructible; ce critère n’est en revanche qu’indirectement utile en cas de non-classement, c’est-à-dire lorsque l’autorité refuse d’affecter un bien-fonds à une zone constructible. Dans ces derniers cas, il n’est possible de reconnaître une expropriation matérielle que face à des circonstances particulières (Riva, Kommentar RPG, art. 5 N 134). Avec la révision précitée de la LAT, ce sont assez vraisemblablement des cas de déclassement qui se profilent, de sorte que ce critère reprendra sans doute son importance. Dans ce contexte, l’existence des installations nécessaires à l’évacuation des eaux usées, en tant que composante de l’équipement, conservera sa place dans l’appréciation des tribunaux (pour un tel pronostice: Brahier/Perritaz, LAT révisée, 75 ss).

 

2.             La protection de l’environnement

27. La question de l’équipement des zones à bâtir interagit également avec le droit de l’environnement. Tel est en particulier le cas en lien avec les exigences posées par l’art. 24 LPE pour les zones à bâtir destinées à la construction de logements ou d’autres immeubles destinés au séjour prolongé de personnes. Cette disposition légale distingue entre «nouvelles zones à bâtir» (al. 1) et «zones à bâtir existantes mais non encore équipées» (al. 2). De nouvelles zones à bâtir ne peuvent être envisagées que dans le respect des valeurs de planification. Dans le cas des zones à bâtir existantes mais non encore équipées, un dépassement des valeurs de planification entraîne l’obligation d’affecter ces zones à une utilisation moins sensible au bruit que le logement ou le séjour prolongé de personnes, à moins que des mesures puissent être prises pour respecter les valeurs de planification. L’art. 24 LPE ne mentionne pas le cas des zones à bâtir existantes et suffisamment équipées. Pour celles-ci, aucune mesure n’est prévue en cas de dépassement des valeurs de planification; des bâtiments à usage sensible au bruit peuvent y être édifiés à condition que les valeurs limites d’immissions soient respectées, conformément à l’art. 22 al. 1 LPE (Wolf, Kommentar USG, art. 24 No41).

28. L’OPB a concrétisé l’art. 24 al. 2 LPE à son art. 30 OPB, en prévoyant que les zones à bâtir destinées à des bâtiments comprenant des locaux à usage sensible au bruit ne peuvent pas être équipées en cas de non-respect des valeurs de planification (cf. ég. Wolf, Kommentar USG, art. 24 No29 et 33 ss). Cette interdiction l’emporte sur l’obligation d’équipement qui incombe à la collectivité conformément à l’art. 22 al. 2 LAT (Jomini, Kommentar RPG, art. 19 N 36). C’est sur la base de la notion d’équipement prévue à l’art. 19 LAT que l’on déterminera si une zone à bâtir est équipée ou non (ATF 117 Ib 308, consid. 4. a)). Dans l’application de l’art. 24 al. 2 LPE, il convient de prendre en compte non pas la parcelle individuelle, comme c’est le cas pour l’autorisation d’une construction, mais des secteurs plus importants (ATF 123 II 337, consid. 8. c)).

29. De ce régime, on peut retenir en tout cas deux conséquences pour ce qui est de l’équipement en matière d’eaux usées. D’une part, la question de savoir si une zone à bâtir est équipée se révèle déterminante lorsqu’il s’agit d’examiner si, dans des zones à bâtir existantes, les valeurs de planification doivent être respectées. D’autre part, l’équipement au sens de l’art. 19 LAT, et partant également l’équipement en matière d’eaux usées prévu à l’art. 17 LEaux, ne peut plus être réalisé lorsque les valeurs de planification de la protection contre le bruit sont dépassées dans des zones à bâtir existantes destinées à la construction de locaux à usage sensible au bruit.

 

3.             D’autres domaines juridiques encore En droit fédéral

La LCAP

30. Pour les zones «destinées à la construction de logements», la LCAP impose également différentes règles en matière d’équipement. Tandis que les mesures d’équipement relatives à l’aménagement du territoire visent tous les terrains destinés à la construction, y compris ceux qui serviront à l’industrie ou aux constructions et installations publiques, la LCAP n’admet l’aide à l’équipement général et au raccordement que pour la construction de logements (Message LCAP 1973, 667). Si cette loi ne pose pas de règle spécifique concernant l’équipement en matière d’eaux usées, elle constitue, en matière de construction de logements, une lex specialis par rapport aux dispositions de la LAT (Hänni, Umweltschutzrecht, 272). Ses dispositions ainsi que les règles cantonales qui les concrétisent jouent dès lors également un rôle en matière d’eaux usées. On peut se contenter de mentionner ici la distinction entre équipement général et équipement de détail ou de raccordement (art. 4 LCAP), qui détermine en particulier la possibilité de reporter sur les propriétaires l’obligation de procéder au raccordement (art. 5 al. 2 LCAP) ainsi que la perception de contributions d’équipement (art. 6 LCAP).

31. Les art. 4 et 5 LCAP ont le contenu suivant:

 

Art. 4 Définition

1       L’équipement général consiste à pourvoir une zone à bâtir des principaux éléments des installations d’équipement, en particulier des conduites d’eau et d’énergie et des canalisations d’égouts, ainsi que des routes et chemins desservant directement la zone à équiper.

2       L’équipement de raccordement relie les divers biens-fonds aux éléments principaux des installations d’équipement, y compris les routes de quartier et les canalisations publiques.

 

Art. 5 Obligation d’équiper

1       L’équipement général et l’équipement de raccordement des zones destinées à la construction de logements doivent être réalisés par étapes adéquates, compte tenu des besoins, dans un délai maximum de dix à quinze ans.

2       Le droit cantonal désigne les collectivités de droit public responsables de l’équipement. Il peut reporter sur les propriétaires l’obligation de procéder au raccordement; dans ce cas, il doit prévoir l’exécution subsidiaire par les collectivités de droit public.

32. Ces deux dispositions définissent l’obligation d’équiper en recourant à des notions juridiques indéterminées. Il appartient dès lors au droit et à la pratique des cantons d’en préciser le contenu, tout en respectant le sens et le but de la réglementation fédérale (TF 1C_390/2007 du 22 octobre 2008, consid. 3.1, in: RDAF 2009 I 323; Hänni/Waldmann, Handkommentar RPG, art. 19 N 13 et 19; Jomini, Kommentar RPG, art. 19 N 10). Pour la mise en œuvre pratique de l’obligation d’équiper, le droit cantonal impose aux communes de réaliser l’équipement des zones à bâtir. Il définit à cet égard l’équipement général et l’équipement de détail ou de raccordement. Les étapes de l’équipement sont déterminées dans un programme d’équipement, établi par les communes.

33. Le 31 décembre 2001, l’encouragement à la construction et l’accession à la propriété ont été suspendus; les aides accordées dans le cadre de la LCAP se poursuivent cependant encore pendant 25 ans et la LCAP demeure leur base légale.

Les législations spécifiques aux infrastructures

34. On trouve des références à l’équipement dans plusieurs législations spécifiques aux infrastructures, en particulier les suivantes:

  • En ce qui concerne les infrastructures aéronautiques, l’art. 3a OSIA détermine le contenu du Plan sectoriel de l’infrastructure aéronautique, qui définit aussi l’équipement pour chaque installation aéronautique servant à l’exploitation civile d’aéronefs.
  • Pour les infrastructures portuaires, l’ONI se contente de mentionner que les installations pour la navigation doivent être équipées de manière à satisfaire aux exigences de l’ONI. Elle ne fait pas particulièrement référence à l’évacuation des eaux usées.
  • Dans le domaine des centrales nucléaires, des exigences particulières s’appliquent au traitement des eaux usées. Sous certaines conditions, les eaux usées provenant des secteurs de travail doivent passer par une installation de contrôle, conformément aux art. 13 et 14 OUSR.

35. Ces exemples n’équivalent pas à un renvoi général aux art. 17 et 18 LEaux. La question de l’équipement doit donc être examinée de cas en cas, à l’aune des besoins très spécifiques de ces installations.

En droit cantonal

36. Le droit cantonal en matière de raccordement au réseau d’égouts pour l’évacuation des eaux usées appelle les deux constats suivants: premièrement, le droit cantonal repose sur la LAT et/ou sur la LEaux. Secondement, lorsque le droit fédéral fixe un régime (par exemple le droit d’équiper), le droit cantonal le reprend tel quel; il est autonome sur les points que le droit fédéral lui délègue.

37. Sous l’angle de la LAT, la législation cantonale distingue l’équipement de base, qui comprend les installations nécessaires à l’évacuation et à l’épuration des eaux (collecteurs principaux), l’équipement général, qui comprend les canalisations de concentration et leurs ouvrages annexes, et l’équipement de détail ou de raccordement, qui inclut les canalisations destinées à relier les divers bien-fonds à l’équipement général (cf. art. 94 LATeC FR; art. 110 LCAT NE). Les communes déterminent dans leur programme d’équipement les étapes de réalisation des installations nécessaires à l’équipement des zones à bâtir (art. 42 LATeC FR; art. 109 al. 2 et art. 112 s. LCAT NE; art. 49 al. 3 LATC-VD). L’exécution de l’équipement est soumise à la procédure de permis de construire, sous réserve des dispositions de la législation spéciale (art. 99 LATeC FR). Le droit de certains cantons prévoit aussi un droit à l’équipement, qui reprend le régime de l’art. 19 al. 3 LAT (art. 104 LATeC FR; art. 49a LATC VD; art. 119 LCAT NE).

38. Sous l’angle de la LEaux (art. 7 al. 3), le droit cantonal donne la compétence aux communes d’établir pour leur territoire un plan général d’évacuation des eaux (PGEE), qui définit notamment les installations d’évacuation et d’épuration des eaux à réaliser (art. 12 LCEaux FR; art. 21 LPEP VD). En vertu de l’art. 7 al. 2 LEaux, c’est également le droit cantonal qui doit régler la «mise en séparatif» progressive des réseaux d’évacuation des eaux, puisqu’en vertu du droit fédéral, les eaux non polluées doivent être évacuées par infiltration voire déversées dans des eaux superficielles (voir N 53).

39. A rappeler enfin que c’est le droit cantonal qui règle la participation financière des propriétaires fonciers à l’équipement (art. 19 al. 2 i.f. LAT); l’art. 17 LEaux ne s’en préoccupe pas (voir N 18). Les propriétaires assument en outre les frais d’équipement de leurs parcelles.

 

 

II.           Le système de l’art. 17 LEaux et son champ d’application

A.           Le système

40. Les remarques préliminaires des art. 17 et 18 LEaux exposent que ces dispositions s’insèrent dans le système d’autorisation de construire prévu par la LAT. L’art. 17 LEaux constitue ainsi la charnière entre le droit de l’aménagement du territoire et celui de la protection des eaux. Cette disposition procède par renvois à d’autres articles de la LEaux, mentionnés expressément dans le texte légal; son but est en effet d’assurer le respect de l’ensemble de la LEaux lors de la délivrance d’un permis de construire.

41. A la lecture de l’art. 17 LEaux, on constate que l’équipement en matière d’eaux usées ne se conçoit pas uniquement dans les termes décrits à l’art. 19 LAT. Cette dernière disposition définit en effet l’équipement comme le fait, pour un bien-fonds, d’être desservi de manière adaptée par des voies d’accès et des conduites. En matière d’eaux usées, l’équipement se concrétise certes en priorité par le raccordement aux égouts. L’art. 17 LEaux pose cependant des règles qui, selon les situations, vont au-delà de cette conception de l’équipement. Le but de l’art. 17 LEaux étant de garantir la protection des eaux, d’autres procédés d’évacuation sont également envisagés, tels l’utilisation des eaux polluées à des fins agricoles, leur traitement par un procédé spécial, voire le déversement ou l’infiltration. Cette évacuation des eaux usées en dehors d’un raccordement au réseau d’égouts fait néanmoins partie de l’équipement conforme à l’art. 19 LAT. L’autorité appelée à délivrer le permis de construire doit en effet vérifier dans ces situations également que les exigences de la LEaux sont respectées.

 

B.            Le champ d’application

1.             Les bâtiments ou installations

42. L’art. 17 LEaux impose de garantir l’évacuation des eaux usées pour obtenir «un permis de construire ou de transformer un bâtiment». Si les termes «construire» et «transformer» correspondent en substance à ce que prévoit l’art. 22 al. 1 LAT («ne peut être créée ou transformée»), l’objet de ces dispositions ne paraît pas parfaitement identique pour autant. Alors que l’art. 22 al. 1 LAT vise toute «construction ou installation», l’art. 17 LEaux limite sa portée aux «bâtiments». 

43. La notion de «bâtiments» utilisée à l’art. 17 LEaux apparaît trop restrictive. Il est en effet envisageable que des installations ne pouvant être qualifiées de «bâtiments» produisent des eaux usées, dont l’évacuation devra être assurée. On constate d’ailleurs que le texte de l’art. 18 LEaux, qui prévoit les «dérogations» au principe de l’art. 17 let. a LEaux, s’étend aux «bâtiments et installations». De plus, l’art. 17 LEaux ne reprend pas exactement la formulation des art. 19 et 20 LEaux 1971, qui s’appliquaient à la «construction ou la transformation de bâtiments et d’installations de quelque nature que ce soit».

44. De notre point de vue, l’art. 17 LEaux ne doit cependant pas pour autant être appliqué pour tout ouvrage nécessitant un permis de construire. Si la jurisprudence avait certes prescrit, sous l’empire de l’ancien droit, d’appliquer l’art. 20 LEaux 1971 également aux bâtiments et installations qui ne produisent pas d’eaux , cette règle paraît désormais dépourvue de sens. Dès lors que les art. 17 et 18 LEaux se limitent à de «simples conditions liées à la technique d’évacuation des eaux usées» (voir N 10), ils ne peuvent concerner que les ouvrages susceptibles d’avoir un impact sur les eaux.

 

2.             Les constructions ou transformations

45. La question de savoir si l’art. 17 LEaux doit trouver application pour tout type de travaux est plus délicate. Le TF y a partiellement répondu dans un arrêt rendu en 1997 et non publié au Recueil officiel (TF 1A.194/1997 du 12 décembre 1997, in: RDAF 1998 I 226). Les travaux en cause visaient l’ajout d’une pièce à un bâtiment existant; les recourants soutenaient d’abord que le champ d’application de l’art. 17 let. a LEaux différait de celui de l’art. 18 LEaux. Alors que la première de ces dispositions mentionne aussi bien le permis de construire que de transformer, la seconde n’évoque une possibilité de dérogation qu’en rapport avec le permis de construire. Les recourants en déduisaient que la dérogation de l’art. 18 LEaux ne concernait que les bâtiments nouveaux, à l’exclusion des transformations de bâtiments existants. Le TF a écarté cette interprétation, exposant que l’expression «permis de construire» de l’art. 18 LEaux impose de se référer au système de la LAT, qui vise aussi bien les travaux de construction que les transformations (consid. 3b).

46. Dans un second argument lié à l’interprétation de l’art. 17 LEaux, les recourants invoquaient le fait que la transformation projetée portait sur un accroissement modeste de la surface habitable et n’entraînait aucune charge supplémentaire sur l’environnement; elle devait être autorisée au regard du but que l’art. 17 let. a LEaux poursuit, sans qu’il soit nécessaire d’examiner si les conditions d’une dérogation au sens de l’art. 18 LEaux étaient remplies. Le TF a retenu que le texte clair de la loi s’oppose à cette interprétation: il n’évoque pas l’accroissement de l’atteinte à l’environnement comme une condition de refus de l’autorisation de construire; à défaut d’intention en ce sens du législateur, on ne doit pas tenir compte de ce critère pour déterminer si des travaux peuvent être autorisés dans des secteurs non raccordés au réseau public (consid. 3c).

47. Le TF semble cependant nuancer sa position, lorsqu’il affirme, dans la suite de cet arrêt: «Sans doute, l’exemple de l’ouverture d’une fenêtre supplémentaire, auquel s’opposerait l’art. 17 LEaux uniquement parce que la parcelle n’est pas raccordée au réseau d’égouts, peut paraître absurde. Le cas d’espèce n’est toutefois pas comparable à des travaux de peu d’importance. Le projet des recourants est d’ajouter une pièce au bâtiment existant. Même si cette adjonction n’est pas destinée à abriter une personne supplémentaire, il n’en demeure pas moins que les travaux projetés auront pour effet d’accroître la capacité d’accueil de cette maison, ainsi que, certes de manière indirecte, la charge sur l’environnement» (ibidem).

48. Ainsi, la question de savoir si des travaux de peu d’importance sans incidence du point de vue de l’évacuation des eaux permettent de faire abstraction de l’art. 17 let. a LEaux est implicitement laissée indécise; le TF se contente de constater que dans le cas d’espèce, cette situation n’est pas réalisée.

 

III.        Les conditions pour l’obtention du permis de construire

A.           Dans le périmètre des égouts publics (let. a)

1.             La notion de «périmètre des égouts publics»

49. Le périmètre des égouts publics est décrit à l’art. 11 al. 2 LEaux; il englobe les zones à bâtir (let. a), les autres zones, dès qu’elles sont équipées d’égouts (let. b) ainsi que les autres zones dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être envisagé (let. c). Le rapport entre ce régime et l’art. 19 LAT a été examiné dans les remarques préliminaires des art. 17 et 18 LEaux (voir N 17).

50. Pour les constructions sises en dehors des zones à bâtir, on peut se référer à l’art. 10 al. 1 let. b LEaux, qui prévoit que les cantons veillent à la construction des réseaux d’égouts publics et des stations centrales d’épuration des eaux usées provenant «des groupes de bâtiments situés hors des zones à bâtir pour lesquels les méthodes spéciales de traitement (art. 13 LEaux) n’assurent pas une protection suffisante des eaux ou ne sont pas économiques». Par ailleurs, pour déterminer les zones «dans lesquelles le raccordement au réseau d’égouts est opportun et peut raisonnablement être envisagé» (art. 11 al. 2 let. c LEaux), il convient de se référer aux précisions apportées par l’art. 12 al. 1 OEaux. Selon cette disposition, «le raccordement d’eaux polluées aux égouts publics hors de la zone à bâtir […] est considéré comme: a. opportun lorsqu’il peut être effectué conformément aux règles de la technique et aux coûts de construction usuels; b. pouvant être raisonnablement envisagé lorsque les coûts du raccordement ne sont pas sensiblement plus élevés que ceux d’un raccordement comparable dans la zone à bâtir».

 

2.             Les conditions Le déversement des eaux usées dans les égouts

51. Pour que l’autorisation de construire soit délivrée, la première des alternatives offertes par l’art. 17 let. a LEaux est que le déversement des eaux polluées dans les égouts soit garanti. Il s’agit d’une concrétisation du principe de base énoncé à l’art. 11 al. 1 LEaux, qui veut que les eaux polluées produites dans le périmètre des égouts y soient déversées.

52. Le raccordement aux égouts est considéré comme garanti lorsque la canalisation présente une capacité suffisante pour répondre aux exigences qu’imposent les règles de la protection des eaux. La jurisprudence a précisé que la canalisation ne doit pas uniquement exister ou pouvoir être installée à temps; elle doit également permettre l’évacuation des eaux produites, aussi bien d’un point de vue qualitatif que quantitatif (Tribunal administratif AG, Arrêt du 6 juin 1984, consid. 1b/aa, in: AGVE 1984 385; Arrêt du 18 octobre 1983, consid. 2a, in: AGVE 1983 159; cf. ég. Marantelli-Sonanini, Erschliessung Bauland, 48). Pour déterminer ce qu’il faut entendre par déversement «garanti» dans les égouts, il y a également lieu de se référer aux exigences posées par l’art. 19 LAT en matière d’équipement. Selon cette disposition, il doit être «possible de se raccorder sans frais disproportionnés» aux conduites qui constituent l’équipement (sur ce point, voir N 14).

53. Pour ce qui est du système séparatif, la LEaux impose le régime suivant: conformément à l’art. 22 al. 2 let. b LAT, l’autorisation de construire n’est délivrée que si le terrain est équipé (art. 19 al. 1 LAT). Il découle des art. 7 et 12 al. 3 LEaux que les eaux claires ne sont pas isées par l’art. 17 LEaux et doivent en principe être séparées des eaux polluées. Les eaux polluées doivent en effet être traitées (art. 7 al. 1 LEaux) alors que les eaux non polluées doivent en règle générale être évacuées par infiltrations, si les conditions locales le permettent (art. 7 al. 2 LEaux). Quant aux eaux non polluées dont l’écoulement est permanent, elles ne doivent en principe pas être conduites à une station centrale d’épuration (art. 12 al. 3 LEaux). Enfin, l’art. 11 OEaux exige du détenteur de bâtiments, lors de leur construction ou de transformations importantes, que les eaux météoriques ou non polluées dont l’écoulement est permanent soient amenées jusqu’à l’extérieur du bâtiment sans être mélangées aux eaux polluées (voir N 38). Le droit cantonal concrétise ces exigences et les exemptions que les autorités cantonales peuvent accorder; il soulève de nombreuses questions concrètes (techniques et/ou financières), par exemple celle de savoir dans quelle mesure les communes peuvent intégrer à leur réseau d’évacuation certains cours d’eau, en particulier lorsqu’ils sont canalisés (Bovay/Sulliger, Aménagement du territoire, 32; Freiburghaus, Gewässerschutz BE, 119 s.). Ainsi en substance, les parcelles qui ne sont pas reliées à un système séparatif ne sont pas équipées conformément aux exigences du droit fédéral; cependant, le principe de proportionnalité s’oppose (encore) à une application stricte de ce principe: l’intérêt public souvent ne justifie pas de rendre inconstructible tous les biens-fonds qui ne seraient pas reliés à un système séparatif, notamment lorsque cette situation est temporaire (en raison d’un plan d’évacuation des eaux en cours d’élaboration), si elle n’est aucunement imputable au constructeur et si l’écoulement non permanent des eaux claires dans la canalisation unitaire n’est pas susceptible de compromettre le fonctionnement de la station d’épuration (TF 1C_244/2009 et 1C_246/2009 du 1er février 2010, in: DEP 2010, 277; TF 1C_87/2012 du 27 novembre 2012, in: DEP 2013, 66, RDAF 2014 I 381).

 

L’utilisation des eaux usées à des fins agricoles

54. En retenant, comme alternative au déversement dans les égouts, la possibilité d’une utilisation des eaux polluées à des fins agricoles, l’art. 17 let. b LEaux se réfère implicitement à l’art. 12 al. 4 LEaux. Selon cette dernière disposition, il est possible, dans une exploitation agricole comprenant un important cheptel bovin, de mélanger les eaux usées domestiques au lisier à deux conditions. D’une part, les bâtiments d’habitation et d’exploitation ainsi que les terres attenantes doivent être classées en zone agricole ou la commune doit avoir pris des dispositions pour qu’ils le soient (art. 12 al. 4 let. a et al. 5 LEaux). Il s’agit là du corollaire de la règle prévue à l’art. 19 al. 2 LAT, selon laquelle l’obligation d’équiper s’étend aux zones à bâtir; ainsi, dans ces dernières zones, le problème de l’évacuation des eaux polluées doit être résolu par l’équipement, non par une utilisation à des fins agricoles. D’autre part, l’exploitation agricole considérée doit disposer d’une capacité d’entreposage suffisante pour que les eaux usées domestiques puissent également être recueillies et que leur utilisation soit possible sur les terres en propre ou en fermage (let. b). Ainsi, dans cette hypothèse, l’utilisation des eaux polluées est liée à la gestion des engrais de ferme, prévue à l’art. 14 LEaux. Cette dernière disposition est précisée par les art. 22 à 28 OEaux.

 

3.             Le régime dérogatoire de l’art. 18 LEaux

55. L’art. 18 LEaux prévoit un régime dérogatoire au principe de l’art. 17 let. a LEaux. Ainsi, lorsque des petits bâtiments et installations situés dans le périmètre des égouts publics mais ne pouvant pas, pour des raisons impérieuses, être immédiatement raccordés au réseau, le permis de construire peut être délivré si le raccordement est possible à brève échéance et si les eaux usées sont évacuées de manière satisfaisante dans l’intervalle; le service cantonal de la protection des eaux doit être consulté avant que le permis ne soit délivré.

 

B.            Hors du périmètre des égouts publics (let. b)

56. En dehors du périmètre des égouts publics, l’art. 17 let. b LEaux impose une évacuation des eaux «par un procédé spécial» et renvoie expressément à l’art. 13 al. 1 LEaux, tout en précisant que le service cantonal de la protection des eaux doit avoir été consulté. L’art. 13 al. 1 LEaux ne contient pas de règle plus détaillée sur ce point, mais prévoit uniquement que l’évacuation des eaux doit dans ce cas avoir lieu «selon l’état de la technique».

57. L’art. 17 let. b LEaux ne mentionne pas la possibilité d’utiliser à des fins agricoles les eaux polluées produites hors du périmètre des égouts publics. Cette solution existe néanmoins, tout comme d’autres méthodes d’évacuation. C’est ce que confirme l’art. 9 OEaux, qui prévoit ce qui suit: «Les eaux polluées qui sont produites hors du périmètre des égouts publics et dont le déversement, l’infiltration ou la valorisation par mélange aux engrais de ferme (art. 12 al. 4 LEaux) n’est pas admis doivent être collectées dans une fosse sans écoulement et périodiquement amenées dans une station centrale d’épuration ou dans une installation spéciale de traitement». Ainsi, avant d’envisager la collecte d’eaux polluées dans une fosse, il est possible de procéder par «déversement» voire «infiltration» ou de les utiliser à des fins agricoles (voir N 15). Le déversement d’eaux polluées «dans les eaux superficielles, les drainages, les rivières et ruisseaux souterrains» est prévu à l’art. 6 OEaux, l’annexe 3 OEaux précisant les exigences qui doivent être respectées. L’infiltration d’eaux polluées est réglée à l’art. 7 LEaux; interdit par principe (al. 1), ce procédé peut néanmoins être autorisé à certaines conditions (al. 2).

 

C.           Les eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station centrale d’épuration (let. c)

58. Dans le cas particulier des eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station d’épuration, l’art. 17 let. c LEaux prévoit uniquement que leur évacuation doit être garantie, tout en renvoyant à l’art. 12 al. 2 LEaux. Selon cette dernière disposition, l’autorité cantonale prescrit dans un tel cas un mode d’élimination approprié.

59. La LEaux ne définit pas plus précisément les «eaux qui ne se prêtent pas à un traitement dans une station centrale d’épuration». Selon l’art. 9 al. 2 let. c LEaux, il appartient au Conseil fédéral d’édicter «des prescriptions concernant les substances qui, selon leur mode d’utilisation, peuvent parvenir dans l’eau et qui, en raison de leurs propriétés ou des quantités utilisées, risquent de polluer ou de nuire au fonctionnement des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux». Ces dispositions se trouvent dans différentes ordonnances, soit en particulier: l’OTD; l’OChim; l’ORRChim.

60. En lien avec cette question, on peut encore mentionner l’OMoD. Celle-ci a notamment pour but de régir les mouvements de déchets spéciaux et d’autres déchets soumis à contrôle. Par déchets spéciaux, il faut entendre ceux qui, «pour être éliminés de manière respectueuse de l’environnement, requièrent, en raison de leur composition ou de leurs propriétés physico-chimiques ou biologiques, un ensemble de mesures techniques et organisationnelles particulières même en cas de mouvements à l’intérieur de la Suisse» (art. 2 al. 2 let. a OMoD). L’art. 1 al. 3 let. b OMoD prévoit précisément que cette ordonnance ne s’applique pas aux eaux usées dont le déversement est autorisé dans les égouts.

 

 

Zusammenfassung

Unter einem spezifischen Abschnitt (2. Titel, 1. Kapitel, 3. Abschnitt) behandelt das GSchG die «abwassertechnischen Voraussetzungen für die Erteilung von Baubewilligungen». Wie in der Marginalie angezeigt, ist folgender «Grundsatz» in Art. 17 GSchG festgehalten: Damit ein Bauherr die Baubewilligung erhält, muss die Abwasserbeseitigung gewährleistet sein.

Diese Bestimmungen fügen sich in das System für die Baubewilligung ein, wie es im RPG vorgesehen ist. Art. 17 GSchG bildet auch Scharnier zwischen Raumplanungsrecht und dem Gewässerschutzrecht. Die Art. 17 und 18 GSchG müssen folglich den Bedingungen von Art. 19, 22, und 24 RPG genügen. Art. 17 GSchG setzt jedoch Regeln, welche je nach Situation weiterreichen als die Einrichtungen nach Art. 19 RPG. Als Ziel soll Art. 17 GSchG den Gewässerschutz garantieren, andere Beseitigungsverfahren sind auch in Betracht zu ziehen, wie der Gebrauch von verschmutztem Abwasser für landwirtschaftliche Zwecke, ihre Behandlung mit einem speziellen Vorgehen wie etwa die Einleitung oder Infiltration.

Art. 17 GSchG begrenzt seine Geltung auf «Gebäude» und betrifft nur diejenigen Gebäude, welche geeignet sind, die Gewässer zu beeinträchtigen.

Diese Bestimmung unterscheidet zwei Hauptszenarien: Einerseits solche Bauten, die sich im Bereich öffentlicher Kanalisationen befinden (Bst. a) und andererseits diejenigen, die sich ausserhalb davon befinden (Bst. b).

Für die Erteilung der Baubewilligung setzt Art. 17 Bst. a GSchG als erste Möglichkeit voraus, dass die Einleitung des verschmutzten Abwassers in die Kanalisation gewährleistet sein muss. Es handelt sich um eine Konkretisierung vom Grundprinzip in Art. 11 Abs. 1 GSchG, welches vorsieht, dass das verschmutzte Abwasser, das im Bereich der öffentlichen Kanalisation produziert wird, dort eingeleitet wird. Die Rechtsprechung hat präzisiert, dass die Kanalisation nicht nur existieren oder rechtzeitig gebaut werden muss; sondern sie muss ebenfalls die Beseitigung des produzierten Abwassers in qualitativer und quantitativer Hinsicht erlauben.

Als Alternative zur Einleitung in die Kanalisation ist die Möglichkeit einer Verwertung von verschmutztem Abwasser für landwirtschaftliche Zwecke in Betracht zu ziehen, Art. 17 Bst. a GSchG nimmt implizit Bezug auf Art. 12 Abs. 4 GSchG. Gemäss letzgenannter Bestimmung ist es in einem Landwirtschaftsbetrieb mit einem gewichtigen Rindviehbestand möglich, dass dieser das häusliche Abwasser mit der Gülle mischt, wenn die Wohn‑ und Betriebsgebäude mit Umschwung in der Landwirtschaftszone liegen oder die Gemeinde Vorkehrungen trifft, damit diese in die Landwirtschaftszone aufgenommen werden (Art. 12 Abs. 4 und Abs. 5 GSchG) und wenn der betreffende Landwirtschaftsbetrieb Vorkehrungen trifft, dass die Lagerkapazität auch für das häusliche Abwasser ausreicht und die Verwertung auf der eigenen oder gepachteten Nutzfläche sichergestellt ist (Bst. b).

Ausserhalb vom Bereich der öffentlichen Kanalisation verlangt Art. 17 Bst. b. GSchG eine Beseitigung von Wasser «durch ein besonderes Verfahren» und verweist ausdrücklich auf Art. 13 Abs. 1 GSchG. Art. 17 Bst. b GSchG legt zudem fest, dass die kantonale Gewässerschutzfachstelle anzuhören ist.

Im speziellen Fall, dass das Wasser nicht in einer Abwasserreinigungsanlage behandelt werden kann, sieht Art. 17 Bst. c einzig vor, dass die Beseitigung garantiert sein muss durch den Verweis auf Art. 12 Abs. 2 GSchG. Gemäss letztgenannter Bestimmung sehen die kantonalen Behörden eine zweckmässige Beseitigung vor. Das GSchG definiert nicht genauer «Abwasser, das sich für die Behandlung in einer Abwasserreinigungsanlage nicht eignet». Gemäss Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG erlässt der Bundesrat Vorschriften über «Stoffe, die nach Art ihrer Verwendung ins Wasser gelangen können und die aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihrer Verbrauchsmenge die Gewässer verunreinigen oder für den Betrieb von Abwasseranlagen schädlich sein können». Diese Bestimmungen befinden sich in unterschiedlichen Verordnungen, im Speziellen: TVA; ChemV; ChemRRV.

 

 

Bibliographie: Bovay Benoît/Sulliger Denis, Aménagement du territoire, droit public des constructions et permis de construire – jurisprudence rendue en 2009 par la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal, in: RDAF 2010 I, 19 ss (cit. Aménagement du terriroire); Brahier Jean-Michel/Perritaz Pierrre, LAT révisée – dézonage et indemnisation des propriétaires, in: Journées suisses du droit de la construction 2015, 55 ss (cit. LAT révisée); Bühlmann Lukas, Déclassements aux multiples facettes, in: INFORAUM 2/2013, 3 ss (cit. Déclassement); Dubey Jacques/Zufferey Jean-Baptiste, Droit administratif général, Bâle 2014 (zit. Droit administratif); Freiburghaus Edi, Der Vollzug des Gewässerschutzes im Kanton Bern, Bern 2014 (zit. Gewässerschutz BE); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Umweltschutzrecht); Karlen Peter, Die Erhebung von Abwasserabgaben aus rechtlicher Sicht, in: URP 1999, 539 ff. (zit. Abwasserabgaben); Marantelli-Sonanini Vera, Erschliessung von Bauland – Vorgaben des eidgenössischen Raumplanungsgesetztes betreffend die Pflichten des Gemeinwesens und die Möglichkeiten Privater, Diss. Bern 1996 (zit. Erschliessung Bauland).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Message du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale relatif à la loi fédérale encourageant la construction et l’accession à la propriété de logements du 17 septembre 1973, FF 1973 II 663 ss (cit. Message LCAP 1973); Message concernant la loi fédérale sur l’aménagement du territoire (LAT) du 27 février 1978, FF 1978 I 1007 ss (cit. Message LAT 1978).

Eggs Raphael | Zufferey Jean-Baptiste​

 

Dérogations

1         Pour de petits bâtiments et installations situés dans le périmètre des égouts publics mais ne pouvant pas, pour des raisons impérieuses, être immédiatement raccordés au réseau, le permis de construire peut être délivré si le raccordement est possible à brève échéance et si les eaux usées sont évacuées de manière satisfaisante dans l’intervalle. L’autorité consulte le service cantonal de la protection des eaux avant de délivrer le permis.

2             Le Conseil fédéral peut préciser les conditions à remplir.

Ausnahmen

1         Für kleinere Gebäude und Anlagen, die sich im Bereich öffentlicher Kanalisationen befinden, aber aus zwingenden Gründen noch nicht an die Kanalisation angeschlossen werden können, darf die Baubewilligung erteilt werden, wenn der Anschluss kurzfristig möglich ist und das Abwasser in der Zwischenzeit auf eine andere befriedigende Weise beseitigt wird. Bevor die Behörde die Bewilligung erteilt, hört sie die kantonale Gewässerschutzfachstelle an.

2         Der Bundesrat kann die Voraussetzungen näher umschreiben.

Eccezioni

1             Per gli edifici e gli impianti minori che si trovano all’interno del perimetro delle canalizzazioni pubbliche e che, per ragioni perentorie, non possono essere ancora allacciati alla canalizzazione, il permesso di costruzione può essere concesso se l’allacciamento è possibile a breve termine e, nel frattempo, l’eliminazione delle acque di scarico sia assicurata in altro modo soddisfacente. Prima di accordare il permesso, l’autorità sente l’ufficio cantonale preposto alla protezione delle acque.

2             Il Consiglio federale può precisare le condizioni.

 

 

Table des matières

Le lien avec l’art 17 LEaux 1
A.​ L’objet 1
B. Le champ d’application et la nature de la dérogation 4
II. Les quatre conditions légales 8
A. En général 8
B. La notion de «petits bâtiments et installations» 11
C. Les autres conditions 14

 

 

I.              Le lien avec l’art 17 LEaux

A.           L’objet

1. L’art. 18 LEaux fait directement référence aux exigences que formule l’art. 17 LEaux. Plus précisément, en tant qu’il traite des «bâtiments et installations situés dans le périmètre des égouts publics», il se rapporte à l’art. 17 let. a LEaux, qu’il assouplit. Ainsi, à certaines conditions, il est possible de déroger au principe selon lequel un permis de construire ne peut être délivré que lorsque le déversement des eaux polluées dans les égouts est garanti.

2. Deux exceptions à l’obligation de raccorder un ouvrage aux égouts publics peuvent ainsi être retenues. Premièrement, en lieu et place d’un tel raccordement, l’art. 17 let. a LEaux prévoit que les eaux polluées peuvent être utilisées à des fins agricoles. Secondement, lorsque les conditions de l’art. 18 LEaux sont remplies, il est possible de différer le raccordement aux égouts publics; cet article offre ainsi une solution transitoire dans certaines situations où le raccordement au réseau public d’égouts n’est pas encore réalisé.

3. Dans la mesure où il vise à permettre de renoncer à l’obligation de raccordement, lorsque des raisons impérieuses le justifient, l’art. 18 al. 1 LEaux concrétise le principe de la proportionnalité (cf. TF 1C_419/2011 du 18 juin 2012, consid. 5.). L’art. 18 LEaux correspond à l’art. 19 LEaux 1971. Dans le message élaboré en vue de l’adoption de cette dernière, le Conseil fédéral avait exposé ce qui suit: «Etant donné que, dans de nombreuses communes, les travaux d’aménagement du réseau de canalisations souffrent de retard, il est indiqué de prévoir des exceptions en faveur de petites constructions ne déversant que des quantités très limitées d’eaux usées, à la condition que le raccordement au collecteur puisse être réalisé dans un délai relativement bref» (Message LEaux 1970, 457).

 

B.            Le champ d’application et la nature de la dérogation

4. Comme exposé, l’art. 17 LEaux doit trouver application dans les cas de constructions ou de transformations d’ouvrages susceptibles de produire des eaux usées (voir commentaire ad art. 17 LEaux N 3 ss). On doit retenir que le champ d’application de l’art. 18 LEaux est identique, puisque cette disposition est conçue comme une dérogation au principe que pose l’art. 17 let. a LEaux.

5. La terminologie utilisée à l’art. 18 LEaux pourrait laisser penser que tel n’est pas le cas. L’art. 18 LEaux utilise l’expression «permis de construire», contrairement à l’art. 17 LEaux, qui mentionne le «permis de construire ou de transformer». La jurisprudence a précisé que cette divergence de formulation ne permet pas de retenir une différence de champ d’application entre les art. 17 et 18 LEaux. Pour le TF, l’expression «permis de construire» prévue à l’art. 18 LEaux impose de se référer au système de la LAT, qui vise aussi bien les travaux de construction que les transformations. En particulier, il n’y a pas lieu de considérer que la possibilité d’une dérogation au sens de l’art. 18 LEaux ne concernerait que les bâtiments nouveaux, à l’exclusion des transformations de bâtiments existants (TF 1A.194/1997 du 12 décembre 1997, consid. 3b, in: RDAF 1998 I 226 ss; voir commentaire ad art. 17 LEaux N 6).

6. A l’instar de ce qui prévaut pour l’art. 17 LEaux, on ne saurait retenir, sur la base du texte légal, que seuls les «bâtiments» sont visés par l’art. 18 LEaux. Il est également envisageable que des «installations», au sens de l’art. 22 al. 1 LAT, produisent des eaux usées (voir commentaire ad art. 17 LEaux N 4); la possibilité d’une dérogation fondée sur l’art. 18 LEaux est également possible à leur profit.

7. Le TF a eu l’occasion de préciser que lorsque l’autorité tolère une solution transitoire, au sens de l’art. 18 LEaux, cela ne constitue pas une dérogation formelle au sens des règles du droit de la construction (cf. par ex. art. 85 s. LATC VD; art. 147 ss LATeC FR). Dès lors, une publication n’est pas nécessaire (TF 1C_165/2010 du 18 novembre 2010, consid. 3.).

 

 

II.           Les quatre conditions légales

A.           En général

8. L’art. 18 al. 1 LEaux fixe quatre conditions qui doivent être réunies pour qu’une dérogation soit envisageable: il doit s’agir de «petits bâtiments ou installations» ne pouvant pas, «pour des raisons impérieuses, être immédiatement raccordés au réseau»; un tel raccordement doit ensuite être «possible à brève échéance»; enfin, une «évacuation satisfaisante» doit être garantie dans l’intervalle.

9. A ces quatre conditions vient s’ajouter une exigence de nature formelle: l’autorité compétente pour délivrer le permis de construire doit «consulter» le service cantonal de protection des eaux avant de rendre sa décision (art. 18 al. 1 i.f. LEaux).

10. Bien que l’art. 18 al. 2 LEaux habilite le Conseil fédéral à préciser ces conditions, aucune disposition de l’OEaux ne traite de cette question.

 

B.            La notion de «petits bâtiments et installations»

11. La notion de «petits bâtiments et installations» au sens de l’art. 18 al. 1 LEaux doit s’apprécier uniquement du point de vue de la protection des eaux. Pour le TF, il s’agit là d’une conséquence de la volonté du législateur, qui a conçu les art. 17 et 18 LEaux comme des dispositions se réduisant à de «simples conditions liées à la technique d’évacuation des eaux usées» (TF 1C_165/2010 du 18 novembre 2010, consid. 5.3; cf. ég. Message LEaux 1987, 1143). Dès lors, un bâtiment présentant une surface importante peut être considéré comme un petit bâtiment au sens de l’art. 18 LEaux. L’élément déterminant est constitué par la quantité d’eaux usées qu’il produit. Le TF l’a en particulier retenu dans le cas d’un projet qui visait la construction d’un atelier, d’une menuiserie, de bureaux et d’un dépôt; il a considéré que la surface du bâtiment envisagé, de 1’775 m2, n’excluait pas a priori l’application de l’art. 18 LEaux (TF 1C_165/2010 du 18 novembre 2010, consid. 5.3). On retrouve la même approche spécifique et sectorielle en matière de protection de l’environnement: la notion d’installation (art. 7 al. 7 LPE) s’apprécie en fonction des nuisances qu’elle génère et non pas selon les critères traditionnels du droit de la construction (durabilité, lien avec le sol et impact sur le territoire).

12. fin de déterminer la quantité d’eaux usées que produit un bâtiment ou une installation, il est possible de se fonder sur une directive de l’Association suisse des professionnels de la protection des eaux, intitulée «Stations d’épuration à faible capacité» (VSA, Richtlinie Kleinkläranlagen). Cette directive fixe des valeurs de dimensionnement qui servent à mesurer la production d’eaux usées d’un bâtiment. Un «équivalent-habitant» correspond ainsi à 170 litres d’eaux usées par jour (TF 1C_165/2010 du 18 novembre 2010, consid. 5.4.1; 1C_419/2011 du 18 juin 2012, consid. 5.2). L’utilisation de cette directive ne dispense cependant pas d’apprécier la quantité d’eaux usées qui sera effectivement générée par le bâtiment ou l’installation considérée. Le TF l’a relevé spécifiquement dans l’arrêt précité relatif au projet de construction d’un atelier et d’une menuiserie. Il a ainsi retenu qu’il ne se justifiait pas d’appliquer les chiffres de cette directive destinés aux bâtiments industriels, dès lors que la réalisation d’une douche et d’une cuisine était prévue (TF 1C_165/2010 du 18 novembre 2010, consid. 5.4.2).

13. Dans un second arrêt, le TF a apporté quelques précisions sur la quantité d’eaux usées qui permet de retenir que l’on se trouve dans le cas d’un petit bâtiment ou installation. Il s’agissait de la construction d’une villa, dont une estimation par un bureau géotechnique avait retenu qu’elle produirait quelque 4’700 litres d’eaux usées par jour, compte-tenu de dix équivalents-habitants, d’une piscine et d’un spa. Le TF s’est référé à une détermination de l’Office fédéral de l’environnement, selon laquelle la limite supérieure acceptable pour qualifier de «petit» un bâtiment d’habitation se situait aux environs des quatre à cinq équivalents-habitants, soit une quantité de 680 à 850 litres d’eaux usées par jour. Sur la base de cette appréciation, il a considéré que la qualité de «petit bâtiment» au sens de l’art. 18 LEaux ne pouvait s’appliquer dans le cas d’espèce (TF 1C_419/2011 du 18 juin 2012, consid. 5.2).

 

C.           Les autres conditions

14. Comme déjà exposé (voir N 3), le TF a retenu que l’art. 18 LEaux constitue un cas d’application du principe de la proportionnalité, dès lors que cette norme a pour but de renoncer à l’obligation de raccordement lorsque des raisons impérieuses le justifient (TF 1C_426/2011 et 1C_419/2011 du 18 juin 2012, consid. 6., resp. consid. 5.). Ainsi, dans chaque cas, il y aura lieu d’examiner la nature de ces raisons et de mettre en balance l’intérêt privé du propriétaire avec l’intérêt public à une évacuation des eaux qui soit conforme à l’art. 17 let. a LEaux.

15. Pour ce qui est de la perspective d’un raccordement «possible à brève échéance», le Tribunal cantonal vaudois a en particulier considéré que cette condition n’était pas remplie dans un cas où la réalisation d’un collecteur communal d’eaux usées, nécessaire au raccordement du bien-fonds en cause, avait été repoussée sine die. Dans cette affaire, le service cantonal des eaux avait dans un premier temps autorisé une épuration individuelle provisoire, au motif que la commune s’était engagée à réaliser ce collecteur dans un délai de trois ans. Le Tribunal cantonal ne s’est donc pas prononcé sur la question de savoir si un tel délai de trois ans pouvait être considéré comme un raccordement «à brève échéance» au sens de l’art. 18 LEaux (Tribunal cantonal VD, Arrêt du 30 août 2011 (AC.2010.0087 et AC.2010.0106), consid. 6c/bb).

16. En ce qui concerne la garantie d’une évacuation satisfaisante dans l’attente d’un raccordement, différentes solutions sont envisageables. En particulier, il est possible de collecter les eaux usées dans une fosse et de les évacuer périodiquement vers une station d’épuration; un traitement sur place des eaux usées, avant une infiltration ou un déversement, est également envisageable. On peut se référer à cet égard à ce qui a été exposé au sujet de l’art. 17 let. b LEaux (voir commentaire ad art. 17 LEaux N 18).

 

 

Zusammenfassung

Art. 18 GSchG nimmt direkt Bezug auf die Anforderungen, welche in Art. 17 GSchG formuliert sind und stellt in Bezug auf Art. 17 Bst. a GSchG eine Auflockerung dar, indem er für «kleinere Gebäude und Anlagen, die sich im Bereich öffentlicher Kanalisationen befinden» eine Ausnahme von der Anschlusspflicht vorsieht.

Art. 18 Abs. 1 GSchG konkretisiert das Verhälnismässigkeitsprinzip, indem er erlaubt, auf die Anschlusspflicht zu verzichten, wenn zwingende Gründe dies rechtfertigen. Im Einzelfall sind diese Gründe zu untersuchen und die Interessen des Eigentümers gegen das öffentliche Interesse an einer Beseitigung des Abwassers gemäss Art. 17 Bst. a GSchG abzuwägen.

Art. 18 Abs. 1 GSchG legt vier Bedingungen fest, die kumulativ erfüllt werden müssen, damit eine Ausnahme möglich ist und die Baubewilligung erteilt werden darf. Es muss sich dabei um «kleinere Gebäude und Anlagen» handeln, die «aus zwingenden Gründen noch nicht an die Kanalisation angeschlossen werden können». Der Anschluss «kurzfristig möglich» sein und in der Zwischenzeit muss die Abwasserbeseitigung «auf andere befriedigende Weise» sichergestellt sein.

Zu diesen vier Voraussetzungen tritt eine formelle Bedingung hinzu. Bevor die Behörde die Bewilligung erteilen kann, muss sie die kantonale Gewässerschutzfachstelle anhören (Art. 18 Abs. 1 a.E.). Obwohl Art. 18 Abs. 2 GSchG den Bundesrat ermächtigt, diese Voraussetzungen näher zu umschreiben, wird diese Frage an keiner Stelle in der GSchV näher behandelt.

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Verband Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute (VSA) (Hrsg.), Kleinkläranlagen, Richtlinie für den Einsatz, die Auswahl und die Bemessung von Kleinkläranlagen (VSA 1995) (zit. Richtlinie Kleinkläranlagen).

4. Abschnitt: Planerischer Schutz

Brunner Arnold

 

4. Abschnitt: Planerischer Schutz/Section 4: Mesures d’organisation du territoire

Gewässerschutzbereiche

1         Die Kantone teilen ihr Gebiet nach der Gefährdung der ober‑ und der unterirdischen Gewässer in Gewässerschutzbereiche ein. Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Vorschriften.

2         In den besonders gefährdeten Bereichen bedürfen die Erstellung und die Änderung von Bauten und Anlagen sowie Grabungen, Erdbewegungen und ähnliche Arbeiten einer kantonalen Bewilligung, wenn sie die Gewässer gefährden können.

Secteurs de protection des eaux

1         Les cantons subdivisent leur territoire en secteurs de protection en fonction des risques auxquels sont exposées les eaux superficielles et les eaux souterraines. Le Conseil fédéral édicte les prescriptions nécessaires.

2         La construction et la transformation de bâtiments et d’installations, ainsi que les fouilles, les terrassements et autres travaux analogues dans les secteurs particulièrement menacés sont soumis à autorisation cantonale s’ils peuvent mettre en danger les eaux.

Settori di protezione delle acque

1         I Cantoni suddividono il loro territorio in settori di protezione delle acque a seconda dei pericoli che minacciano le acque superficiali e sotterranee. Il Consiglio federale emana le necessarie prescrizioni.

2         La costruzione e la modificazione di edifici e impianti come pure l’esecuzione di lavori di scavo, di sterro e simili nei settori particolarmente minacciati necessitano di un’autorizzazione cantonale qualora costituiscano un potenziale pericolo per le acque.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
A. GSchG 1955 1
B. GSchG 1971 2
C. GSchG 1991 4
​II. ​Kommentierung 6
A. Gewässerschutzbereiche (Abs. 1) 6
1. Schutzziel und Schutzobjekt 6
2. ​Arten und Ausdehnung der Schutzbereiche 8
​3. Rechtsnatur und Verfahren zur Ausscheidung der Gewässerschutzbereiche 16
B. ​Bewilligungspflicht in besonders gefährdeten Bereichen (Abs. 2) 17
1. ​Kantonale Bewilligungspflicht 17
​2. Schutzmassnahmen 19

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

A.           GSchG 1955

1. Das am 16. März 1955 verabschiedete Gewässerschutzgesetz (GSchG 1955) war kein Polizei‑, sondern vielmehr ein Sanierungsgesetz. Es kannte das Institut der Gewässerschutzbereiche noch nicht. Die Technischen Tankvorschriften von 1967 (TTV 1967) erwähnten erstmals die Zonen A, B und C. Dabei wurden für jede Zone unterschiedlich strenge Schutzmassnahmen für Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten angeordnet. In der Zone A galten die schärfsten, in der Zone C die schwächsten Vorschriften.

 

B.            GSchG 1971

2. Am 1. Juli 1972 konnte das revidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG 1971) in Kraft treten. Das GSchG 1971 schützte u.a. die Grundwasservorkommen in ihrer Menge und Qualität besser gegen Verunreinigungen aller Art (BBl 1970 II 461).

3. Mit dem GSchG 1971 tauchte auf eidgenössischer Gesetzesebene erstmals der Begriff der «Gewässerschutzbereiche» auf. Art. 29 GSchG 1971 enthielt den Auftrag an die Kantone, zum Schutz ihrer Trinkwasservorkommen ihr gesamtes Gebiet nach Massgabe der Gefährdung den drei Bereichen zuzuordnen. Um die Zahl der Bereiche und der Zonen auf ein Minimum zu beschränken, wurden die in der TTV erstmals erwähnten Zonen A, B und C den Gewässerschutzbereichen gleichgestellt (Brunner, Grundwasserschutzzonen, 23 f.).

 

C.           GSchG 1991

4. Die Vorschriften zu den Gewässerschutzbereichen aus dem GSchG 1971 bedurften bei der Revision des Gewässerschutzgesetzes am 24. Januar 1991 (GSchG) keiner materiellen Änderungen. Der ursprüngliche Gesetzestext ist lediglich in redaktioneller Hinsicht an eine moderne Gesetzessprache, insbesondere an die Vorgaben des Umweltschutzgesetzes, angepasst und teilweise gestrafft worden (BBl 1987 II 1121).

5. Das Gebiet der Schweiz wurde gemäss GSchV vom 28. Oktober 1998 entsprechend der Gefährdung der ober‑ und unterirdischen Gewässer in besonders gefährdete Bereiche sowie in übrige Bereiche aufgeteilt. Mit der Teilrevision des GSchG vom 24. März 2006 wurde gemäss Art. 19 Abs. 2 GSchG die Bewilligungspflicht von Tankanlagen neu auf die besonders gefährdeten Bereiche beschränkt. Damit sollten die kantonalen Behörden ihre knappen Ressourcen von der generellen Bewilligungspflicht auf die durch Tankanlagen gefährdeten Gewässer konzentrieren können. In der Folge fiel die Bewilligungspflicht für die meisten Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten dahin. Die VWF wurde aufgehoben und die GSchV (Art. 32 GSchV) geändert.

 

 

II.           Kommentierung

A.           Gewässerschutzbereiche (Abs. 1)

1.             Schutzziel und Schutzobjekt

6. Gewässerschutzbereiche wurden früher auch Gewässerschutzzonen genannt (Bose, Schutz Grundwasser, 16). Da der Ausdruck «Gewässerschutzzonen» mit dem Begriff der «Grundwasserschutzzonen» verwechselt werden konnte, sollte er angesichts der wesentlichen Unterschiede, insbesondere bei der Rechtswirkung beider Institute (Bundesamt für Umweltschutz, Wegleitung Ausscheidung 1977/1982, 5 ff.), nicht mehr verwendet werden (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 227).

7. Gewässerschutzbereiche dienen sowohl dem quantitativen als auch dem qualitativen Schutz von ober‑ und unterirdischen Gewässern. Die hydrogeologischen Verhältnisse sämtlicher Gewässerschutzbereiche sind dabei flächendeckend zu beurteilen. Gewässerschutzbereiche zielen also nicht nur auf den Trink‑ und Brauchwasserschutz. Sie gehen viel weiter und dienen auch den übrigen in Art. 1 GSchG aufgeführten Schutzzielen (Bose, Schutz Grundwasser, 19).

 

2.             Arten und Ausdehnung der Schutzbereiche

8. Gemäss Art. 19 Abs. 1 GSchG müssen die Kantone ihr gesamtes Gebiet gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. a–d GSchV in besonders gefährdete Bereiche, namentlich in Gewässerschutzbereiche Au und Ao sowie die Zuströmbereiche Zu und Zo, und in übrige Bereiche einteilen.

 

Au

9. Der Gewässerschutzbereich Au dient gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Anh. 4 Ziff. 111 GSchV sowohl dem qualitativen als auch dem quantitativen Schutz nutzbarer unterirdischer Grundwasservorkommen sowie der zu ihrem Schutz notwendigen Randgebiete. Ein unterirdisches Gewässer gilt dabei als nutzbar bzw. als für die Wassergewinnung geeignet, wenn das Wasser im natürlichen und angereicherten Zustand kumulativ die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt. Es muss:

  • ohne Berücksichtigung des Bedarfs in einer solchen Mengen vorhanden sein, dass eine Nutzung in Betracht fällt; und
  • die Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung an Trinkwasser nötigenfalls nach Anwendung einfacher Aufbereitungsverfahren einhalten können.

10. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Errichtung eines Gewässerschutzbereichs Au erforderlich (BGer 1A.250/1999 vom 18. Mai 2000, in: URP 2000, 643 ff.).

 

Ao

11. Der Gewässerschutzbereich Ao schützt gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Anh. 4 Ziff. 112 GSchV oberirdische Gewässer und deren Uferbereiche – jedoch nur dann, wenn dies zur Gewährleistung einer besonderen Nutzung, namentlich für die Trinkwasserversorgung (z.B. Seewasserwerk) erforderlich ist.

 

Zu

12. Der Zuströmbereich Zu dient gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. c GSchV dem Schutz der Wasserqualität bei bestehenden und geplanten, im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen unter folgenden Voraussetzungen:

  • Das Grundwasser ist durch Stoffe verunreinigt, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden können; oder
  • es besteht die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe.

13. Dabei ist in erster Linie an Pflanzenbehandlungsmittel oder Dünger zu denken. Der Zuströmbereich muss gemäss Anh. 4 Ziff. 113 GSchV das Gebiet umfassen, aus dem bei niedrigem Wasserstand rund 90 % des entnommenen Grundwassers stammt. Ist dieses Gebiet nur schwer bestimmbar, soll sich der Zuströmbereich Zu auf das gesamte Einzugsgebiet der Grundwasserfassung erstrecken.

 

Zo

14. Der Zuströmbereich Zo zielt gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. d GSchV auf den Schutz der Wasserqualität oberirdischer Gewässer, falls sie durch abgeschwemmte Pflanzenbehandlungsmittel oder Dünger bereits verunreinigt sind. Der Zuströmbereich Zo umfasst jenes Einzugsgebiet, aus dem der grösste Teil der Verunreinigung des oberirdischen Gewässers stammt (Anh. 4 Ziff. 114 GSchV).

 

Exkurs: Verhältnis der Gewässerschutzbereiche Au/Zu zu den Grundwasserschutzzonen und ‑arealen

15. Während die Gewässerschutzbereiche den generellen flächendeckenden Schutz des nutzbaren Grundwassers bezwecken, sichern die Grundwasserschutzzonen und ‑areale gezielt einzelne im öffnetlichen Interesse liegende Fassungen. Grundwasserschutzzonen und ‑areale überlagern die Gewässerschutzbereiche Au und Zu und statuieren weitergehende Schutzmassnahmen. Dabei geht der spezielle Schutz der Grundwasserschutzzonen und ‑areale dem allgemeinen Schutz der Gewässerschutzbereiche Au und Zu vor. Die Zuströmbereiche sind eine Ergänzung der Grundwasserschutzzonen, da sie im Einzugsgebiet einer Fassung auf die Verhinderung der Versickerung von schädlichen Stoffen abzielen (Jäger, Planerischer Schutz, 12 f.)

 

3.             Rechtsnatur und Verfahren zur Ausscheidung der Gewässerschutzbereiche

16. Die kantonale Behörde muss die Gewässerschutzbereiche (Au, Ao, Zu, Zo) in die gemäss Art. 30 GSchV geforderte Gewässerschutzkarte eintragen. Diese Karte ist öffentlich zugänglich und bildet eine behördenverbindliche Planungsgrundlage für den kantonalen Richtplan (Jäger, Planerischer Schutz, 7; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 98) und dient als Beurteilungsgrundlage, ob eine kantonale Bewilligun​g gemäss Art. 19 Abs. 2 GSchG erforderlich ist. Sie dient der Information und kommt einer Weisung an die Behörde gleich. Die kantonalen und kommunalen Planungsbehörden beachten die Gewässerschutzbereiche bei der Erstellung ihrer Richt- und Nutzungsplanung (Art. 46 GSchV). Die Kantone sind nicht verpflichtet, ein Verfahren zur Anfechtung der Karte oder der Gewässerschutzbereiche vorzusehen (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 98). Spätestens im Anwendungsfall, namentlich im Baubewilligungsverfahren, können Verfügungsadressaten überprüfen lassen, ob die Abgrenzung der Gewässerschutzbereiche korrekt erfolgt ist.

 

B.            Bewilligungspflicht in besonders gefährdeten Bereichen (Abs. 2)

1.             Kantonale Bewilligungspflicht

17. Zu den besonders gefährdeten Bereichen zählen die Gewässerschutzbereiche Au, Ao, Zu und Zo, welche die Grundwasserschutzzonen sowie die -areale überlagern. Damit steht fest, dass die kantonale Bewilligungspflicht auch in Grundwasserschutzzonen und -arealen besteht, was sich weder aus Art. 19 Abs. 2 GSchG noch aus Art. 32 GSchV eindeutig ergibt. Sollen in diesen besonders gefährdeten Bereichen Erdbewegungen durchgeführt, Bauten, Anlagen, Grabungen und dergleichen erstellt oder geändert werden, bedürfen diese Tätigkeiten einer kantonalen Bewilligung, sofern sie die Gewässer gefährden können (Art. 9 Abs. 2 GSchG; Verwaltungsgericht ZH, 1. Abteilung/
1. Kammer, Urteil vom 12. Januar 2011 [VB.2010.00352], in: URP 2011, 455 ff.: Danach ist das Gefährdungspotential eines Betriebs, der Reinigungsprodukte und Desinfektionsmittel herstellt und wassergefährdende Chemikalien verarbeitet, im Gewässerschutzbereich Au als hoch einzustufen; 33. Verwalt-ungsgericht BE, Urteil vom 30. Juni 2003 [VGE 21640-21642/21646-21650], in: URP 2003, 763 ff.: Tätigkeiten und Anlagen in den Gewässerschutzbereichen Au und Ao – allenfalls mit zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen zum Schutz der Gewässer – sind zulässig, sofern sie nicht durch spezialgesetzliche Regelungen eingeschränkt sind; BGer 1A.200/2006 vom 16. August 2007, in: URP 2008, 27 ff.: Es ist nicht ausgeschlossen, im Gewässerschutzbereich Au eine Kehrichtverbrennungsanlagen zu erstellen).

18. Dies betrifft namentlich baubewilligungspflichtige Bauten und Anlagen, die künstlich geschaffen und auf Dauer angelegt sind, den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen können. Einrichtungen sind namentlich auf Dauer angelegt, wenn sie über einen nicht unerheblichen Zeitraum ortsfest verwendet werden (BGE 139 II 134, E. 5.2). Die kantonale Bewilligungspflicht gemäss Art. 19 Abs. 2 GSchG knüpft aber nicht zwingend an den Begriff der baubewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen nach RPG an. Es können auch Arbeiten, Veranstaltungen oder dergleichen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 GSchG bewilligungspflichtig sein, die nicht auf Dauer ausgelegt sind.

 

2.             Schutzmassnahmen

19. Wer in den besonders gefährdeten Bereichen sowie in den Grundwasserschutzzonen und ‑arealen Bauten und Anlagen erstellen oder ändern will sowie wer dort Tätigkeiten, die eine Gefahr für die Gewässer im Sinne von Art. 32 Abs. 2 GSchV ausüben will, muss gemäss Art. 31 Abs. 1 GSchV die notwendigen Massnahmen, namentlich jene gemäss Anh. 4 Ziff. 2 GSchV zum Schutz der Gewässer, treffen und die erforderlichen Überwachungs‑, Alarm‑ und Bereitschaftsdispositive erstellen.

Gewässerschutzbereiche Au/Ao

20. In den Gewässerschutzbereichen ist für Grundwassernutzungen, einschliesslich Bohrung sowie Nutzung zu Heiz und Kühlzwecken eine kantonale Bewilligung gemäss Art. 19 Abs. 2 GSchG notwendig. Die Gesuchsteller müssen die notwendigen Unterlagen beibringen und aufzeigen, dass die Anforderungen zum Schutz der Gewässer erfüllt sind (Art. 32 Abs. 3 GSchV). Das Bundesgericht (BGer 1C_14/2007 vom 9. Oktober 2007, in: ZBl 2008, 434 ff.) wies mehrere Beschwerden gegen die Erteilung einer Bewilligung zur Erstellung und zum Betrieb einer Grundwasserwärmepumpe zu Kühlzwecken mit Rückversickerung des gepumpten Grundwasser ab. Es begründete seinen Entscheid damit, dass durch den Wärmeentzug die von Anh. 2 Ziff. 21 Abs. 3 GSchV vorgeschriebene maximale Temperaturveränderung des Grundwassers von 3°C eingehalten werde. Die Verweigerung der Bewilligung für das Verlegen von Erdsonden für den Betrieb einer Wärmepumpenanlage in einem Gewässerschutzbereich Au stellt ausserdem keine unzulässige Beschränkung des Eigentums dar und zieht keine Entschädigungspflicht der Öffentlichkeit nach sich (Standeskommission AI, Beschluss Nr. 67 vom 5. Januar 2010).

21. In den Gewässerschutzbereichen Au/Zu sind namentlich Tankanlagen mit Flüssigkeiten, die in geringen Mengen Wasser verunreinigen können, bewilligungspflichtig bzw. ab einem gewissen Volumen – mit Ausnahmen – verboten (Art. 32 Abs. 2 Bst. h und Anh. 4 Ziff. 211 Abs. 1 GSchV). Innerhalb der Gewässerschutzbereiche Au sind Bauten und Anlagen generell untersagt, die unter dem mittleren Grundwasserspiegel liegen. Ausnahmen sind nur zulässig, sofern die Durchflusskapazität des Grundwassers gegenüber dem unbeeinflussten Zustand nicht mehr als 10 % vermindert wird (Anh. 4 Ziff. 211 Abs. 2 GSchV). Die Ausbeutung von Kies, Sand und anderen Materialien ist im Au mit einschränkenden Auflagen zulässig (Art. 44 Abs. 3 GSchG i.V.m. Anh. 4 Ziff. 211 Abs. 3 GSchV). Eine schützende Deckschicht von mindestens zwei Metern ist über dem natürlichen zehnjährigen Grundwasserhöchstspiegel zu belassen. Dabei muss zusätzlich die natürliche Grundwasserbildung gewährleistet bleiben und die Rekultivierung ist so vorzunehmen, dass die Deckschicht die ursprüngliche Schutzfunktion wieder erfüllen kann.

 

Zuströmbereiche Zu/Zo

22. Bei den Zuströmbereichen steht die Bodenbewirtschaftung im Zentrum. Bei der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung kommen oft Pflanzenbehandlungsmittel, Dünger und dergleichen zur Anwendung, welche ausgewaschen oder abgeschwemmt werden können. Um dieses Auswaschen oder Abschwemmen in den Zuströmbereichen zu verhindern, können die Kantone die zum Schutz des Wassers erforderlichen Massnahmen festlegen. Anh. 4 Ziff. 212 Bst. a–g GSchV zählt diese Massnahmen beispielhaft, jedoch nicht abschliessend, auf. Damit steht den Kantonen ein grosser Ermessensspielraum zu, bei dem sie auch eine Kombination verschiedener Massnahmen anordnen können.

23. Für die Anordnung von Nutzungsbeschränkungen stellte Art. 19 Abs. 2 GSchG früher keine genügende gesetzliche Grundlage dar (Bose, Ausgewählte Probleme, 194). Die Wegleitung bezeichnet deshalb Art. 6 und Art. 27 GSchG als gesetzliche Grundlage für entsprechende Nutzungsbeschränkungen bei der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 89). Die Kantone können nun Nutzungsbeschränkungen im Zuströmbereich auf den Massnahmenkatalog gemäss Anh. 4 Ziff. 212 Bst. a–g GSchV stützen. Weil dieser Katalog aber sehr offen formuliert ist und den Kantonen dadurch ein grosser Ermessensspielraum eröffnet, empfiehlt es sich, zusätzlich im kantonalen Recht für konkrete weitergehende Gewässerschutzmassnahmen eine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen (Dünge‑ und Nutzungsbeschränkungen, Hofdüngerverträge, Beschränkung von Tierbeständen, vgl. § 64 ff. GewG Kt. ZG). Gestützt auf die GSchV sowie auf das kantonale Recht können die zuständigen Behörden zum Schutz des Wassers die erforderlichen Nutzungsbeschränkungen im Einzelfall verfügen. In diesem Verfahren können die Verfügungsadressaten prüfen lassen, ob die Abgrenzung des Zuströmbereichs korrekt erfolgt ist (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 98).​

 

 

Résumé

Aux termes de l’art. 19 LEaux, les cantons sont chargés de subdiviser leur territoire en secteurs de protection en fonction des risques encourus par les eaux superficielles et souterraines. Ces secteurs de protection servent de protection tant quantitative que qualitative aux eaux superficielles et souterraines. L’article ne vise pas que la protection des eaux domestiques et de l’eau potable mais couvre aussi les buts particuliers de l’art. 1 LEaux.

Les cantons doivent subdiviser leur territoire en secteurs de protection conformément à l’art. 29 al. 1 OEaux. Ils doivent déterminer les secteurs particulièrement menacés selon l’annexe 4 ch. 11 OEaux et les autres secteurs. Après avoir défini ces secteurs et les avoir classés, les cantons établissent des cartes de protection des eaux qui lient les autorités cantonales pour l’établissement du plan directeur cantonal (art. 30 OEaux). L’al. 2 de l’art. 19 LEaux prévoit un régime d’autorisation pour la construction et la transformation de bâtiments et d’installations, ainsi que les fouilles, les terrassements et autres travaux analogues lorsqu’ils peuvent mettre en danger les eaux selon l’art. 19 al. 2 LEaux. Cette disposition ne concerne que les installations permanentes ou de durée. Selon l’art. 31 al. 1 OEaux, quiconque souhaite construire ou transformer les installations mentionnées ci-dessus doit installer des dispositifs de surveillance, d’alarme et de piquet et prendre les mesures exigées dans l’annexe 4 ch. 2 OEaux.

 

 

Literatur: Bose Jaya Rita, Ausgewählte Probleme zum Schutz des Grundwassers, in: URP 1996, 194 ff. (zit. Ausgewählte Probleme); Brunner Arnold, Grundwasserschutzzonen nach eidgenössischem und zugerischem Recht unter Einschluss der Entschädigungsfrage, Diss., Zürich 1997 (zit. Grundwasserschutzzonen); Jäger Christoph, Der planerische Schutz der Gewässer unter Berücksichtigung der Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998, Lizentiatsarbeit, Bern 1999 (zit. Planerischer Schutz).

Brunner Arnold

 

​​Grundwasserschutzzonen

1         Die Kantone scheiden Schutzzonen für die im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen und ‑anreicherungsanlagen aus; sie legen die notwendigen Eigentumsbeschränkungen fest.

2         Die Inhaber von Grundwasserfassungen müssen:

a.       die notwendigen Erhebungen für die Abgrenzung der Schutzzonen durchführen;

b.       die erforderlichen dinglichen Rechte erwerben;

c.       für allfällige Entschädigungen von Eigentumsbeschränkungen aufkommen.

Zones de protection des eaux souterraines

1         Les cantons délimitent des zones de protection autour des captages et des installations d’alimentation artificielle des eaux souterraines qui sont d’intérêt public; ils fixent les restrictions nécessaires du droit de propriété.

2         Les détenteurs de captages d’eaux souterraines sont tenus:

a.       de faire les relevés nécessaires pour délimiter les zones de protection;

b.       d’acquérir les droits réels nécessaires;

c.       de prendre à leur charge les indemnités à verser en cas de restriction du droit de propriété.

Zone di protezione delle acque sotterranee

1         I Cantoni delimitano zone di protezione attorno alle captazioni di interesse pubblico d’acqua sotterranea e agli impianti d’interesse pubblico e d’alimentazione delle falde e stabiliscono le necessarie limitazioni del diritto di proprietà.

2         Il proprietario di una captazione d’acqua sotterranea deve:

a.       eseguire i rilevamenti necessari per delimitare le zone di protezione;

b.       acquistare i necessari diritti reali;

c.       sopperire agli indennizzi per le limitazioni del diritto di proprietà.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
 A. ​ GSchG 1955 1
B. GSchG 1971 2
C. GSchG 1991 5
​II. Kommentierung 8
A. ​Schutzzonen für Grundwasserfassungen und ‑anreicherungsanlagen (Abs. 1) 8
1. ​Aufgaben der Kantone 8
2. ​Grundwasserfassungen und Grundwasseranreicherungsanlagen 11
​3. ​Öffentliches Interesse 14
4. ​Grundwasserschutzzonen 16
B. ​Pflichten der Inhaber von Grundwasserfassungen (Abs. 2) 22
​1. ​Inhaber von Grundwasserfassungen 22
2. ​Beschaffung der sachdienlichen Unterlagen 23
3. ​Erwerb der dinglichen Rechte 24
4. ​Bezahlung allfälliger Entschädigungsleistungen 25
C. ​Duldungspflicht der Belasteten 26
D. ​Folgen der Schutzzonenausscheidung 27
​1. ​Nutzungsbeschränkungen
​2. ​​Konsequenzen bei der Verletzung von Schutzzonenbestimmungen 28
​E. ​​Exkurs: Entschädigungslose und entschädigungspflichtige Eigentums-
beschränkungen
29

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

A.           GSchG 1955

1. Um einen hinreichenden Schutz der Gewässer gegen Verunreinigungen zu gewährleisten, durften Abwasser und Abgänge jeglicher Art gemäss Art. 3 GSchG 1955 nur noch mit einer kantonalen Bewilligung mittelbar oder unmittelbar in Gewässer eingebracht werden. Die mittelbare und unmittelbare Abwassereinleitung in ober‑ und unterirdische Gewässer unterlag nicht zuletzt deshalb der Bewilligungspflicht, weil sich Krankheiten wie Typhus und Kinderlähmung über Abwasser übertragen können. Mit welchen Mitteln die entsprechenden Ziele des GSchG 1955 erreicht werden sollten, liess das Gesetz weitgehend offen (Art. 2 GSchG 1955). Einer kantonalen Bewilligung bedurften jedoch nicht nur eigentliche Einleitungen in oberirdische bzw. Versickerungen in unterirdische Gewässer, sondern auch der Bau abflussloser Gruben zur Aufnahme von häuslichem Abwasser. Eine Jauchegrube musste selbst dann mit einem Doppelwandsystem erstellt werden, wenn es um den Schutz zurzeit nicht genutzter Grundwasservorkommen ging (BGer vom 26. November 1971, in: ZBl 73 (1972), 401 ff.). Art. 4 Abs. 2 und 3 GSchG 1955 untersagte ausserdem das Ablagern fester Stoffe ausserhalb der Gewässer sowie das Anlegen von Kiesgruben in der Nähe von Grundwasserfassungen, sofern diese Vorkehren eine Gewässerverschmutzung verursachen konnten. Das GSchG 1955 war kein Polizei‑, sondern vielmehr ein Sanierungsgesetz. Die rasante Entwicklung von Zivilisation und Industrie in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts stellte immer neue Anforderung an den Gewässerschutz. Parlamentarische Vorstösse forderten wirkungsvollere und beschleunigte Massnahmen gegen die Verschmutzung. Der Ruf nach einer Revision des GSchG 1955 wurde immer lauter (Botschaft GSchG 1970, 432 ff.).

 

B.            GSchG 1971

2. Mit der Verabschiedung des revidierten Gewässerschutzgesetzes am 6. Oktober 1971 durch die eidgenössischen Räte zog das Komitee sein Volksbegehren betreffend Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung zurück, so dass das revidierte Gewässerschutzgesetz am 1. Juli 1972 in Kraft treten konnte (GSchG 1971). Das GSchG 1971 schützte u.a. die Grundwasservorkommen in ihrer Menge und Qualität besser gegen Verunreinigungen aller Art (Botschaft GSchG 1970, 461). Zur Erreichung dieses Ziels sah das GSchG 1971 u.a. die Grundwasserschutzzonen vor.

3. Die im GSchG 1971 erstmals genannten Grundwasserschutzzonen sollten mit umfassenden Bodennutzungsbeschränkungen den Schutz von genutzten Trinkwasserfassungen vor Beeinträchtigungen gewährleisten. Angepasst an die örtlichen Verhältnisse waren rund um den Fassungsbereich, um die engere und die weitere Schutzzone Nutzungsbeschränkungen zu erlassen. Diese Beschränkungen gingen von einem faktischen Nutzungsverbot im Fassungsbereich bis zu Düngevorschriften in der weiteren Schutzzone (vgl. hierzu auch Art. 9 und Art. 16 VWF 1972). Die Kosten für diese Schutzmassnahmen waren gemäss Art. 30 Abs. 2 GSchG 1971 von den Fassungseigentümern zu tragen (Botschaft GSchG 1970, 461 f.; BUS, Wegleitung Ausscheidung 1977/1982, 2, 15 ff.). Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ging hervor, dass das GSchG 1971 keine Entschädigungspflicht für Grundwasserschutzzonen anordnen wollte. Die Vorschrift legte lediglich fest, wer eine allfällige Entschädigung zu entrichten hatte, sofern eine geschuldet war (AB 1971 N 715 f.).

4. Bezüglich des Trinkwasserschutzes stellte das GSchG 1971 mit den Grundwasserschutzzonen zusammen mit der VWF 1972, vornehmlich in Bezug auf den Schutz vor wassergefährdenden Flüssigkeiten, Instrumente bereit. Bei der Umsetzung bestand jedoch ein Vollzugsdefizit, das im Wesentlichen darauf zurückzuführen war, weil die gesetzlichen Vorgaben – mit wenigen Ausnahmen – rudimentär blieben. Konkrete Massnahmen ergaben sich lediglich aus der Wegleitung des Bundesamts für Umweltschutz vom Oktober 1977, teilrevidiert im Jahr 1982. Bis im Jahr 1990, d.h. 19 Jahre nach der Einführung der Pflicht zur Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen waren erst die Hälfte der wichtigsten Trinkwasserfassungen geschützt (BUWAL, Umweltbericht 1990, 88; BUWAL, Umweltbericht 1993, 192).

 

C.           GSchG 1991

5. Die am 9. Oktober 1984 eingereichte Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» läutete die Revision des GSchG 1971 ein (Botschaft GSchG 1987, 1062 ff.). In der Folge wurde das GschG revidiert und vom Parlament am 24. Januar 1991 verabschiedet. Das GSchG kam zusammen mit der Volksinitiative am 17. Mai 1992 vor das Volk. Während die Initiative keine Chance hatte, fand das GSchG vor dem Volk eine Mehrheit.

6. Die Vorschriften zu den Grundwasserschutzzonen aus dem GSchG 1971 erfuhren bei der Revision des Gewässerschutzgesetzes im Jahre 1991 keine materiellen Änderungen. Der ursprüngliche Gesetzestext ist lediglich in redaktioneller Hinsicht an eine moderne Gesetzessprache, insbesondere an die Vorgaben des Umweltschutzgesetzes, angepasst und teilweise gestrafft worden (Botschaft GSchG 1987, 1121).

7. Die GSchV erfuhr im Jahr 1998 eine Revision. Diverse Nutzungsbeschränkungen flossen damit sowie mit der weiteren Revision von 2006 und der Wegleitung Grundwasserschutz des BUWAL von 2004 in den Erlass ein.

 

 

II.           Kommentierung

A.           Schutzzonen für Grundwasserfassungen und ‑anreicherungsanlagen (Abs. 1)

1.             Aufgaben der Kantone

8. Es ist Sache der Kantone, die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für die Ausscheidung der Grundwasserschutzzonen zu erlassen. Dafür müssen die Kantone die notwendigen Verfahrensvorschriften erlassen, namentlich die Zuständigkeiten für die Ausscheidung der Schutzzonen festlegen und Vorgaben für die öffentliche Auflage der Gesuchsunterlagen zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, für die Einsprachelegitimation sowie für die Rechtsmittelverfahren machen.

Ausscheidung der Schutzzonen

9. Obschon die Pflicht, die für die Schutzzonen erforderlichen dinglichen Rechte zu erwerben, dem Fassungsinhaber obliegt, wäre es kaum zweckdienlich, die zuständigen Gemeinwesen in dieser Phase auszuschalten. Allfällige Auseinandersetzungen um die Rechtsverhältnisse zwischen dem Fassungsinhaber und den von Eigentumsbeschränkungen betroffenen Grundeigentümerschaften sollen mit der Genehmigung der Schutzzonenpläne und Reglemente durch die zuständige Behörde koordiniert werden. Damit wird erreicht, dass das privatrechtliche, jedoch vom öffentlichen Recht geforderte Verhältnis zwischen dem Fassungsinhaber und den betroffenen Grundeigentümerschaften mit dem Ergebnis der Prüfung von Schutzzonenplan und Reglement übereinstimmt. Den Schutzzonenreglementen kam früher grössere Bedeutung zu, weil die Nutzungsbeschränkungen teilweise keine gesetzliche Grundlage aufwiesen. Heute wiederholen die Reglemente im Wesentlichen die gesetzlichen Grundlagen und stellen eine auf die konkrete Situation angepasste Regelung dar. Den betroffenen Grundeigentümerschaften, aber auch weiteren Kreisen wird die Möglichkeit geboten, während der Planauflage der Schutzzonen namentlich gegen die Festlegung der Eigentumsbeschränkungen oder gegen den Bestand des öffentlichen Interesses an einer Fassung im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs Einsprache zu erheben. Die zuständige Behörde entscheidet über die Einsprachen gleichzeitig mit der Genehmigung der Schutzzonenunterlagen. Werden die Einsprachen rechtskräftig abgewiesen und bleibt die dingliche Sicherung der Eigentumsbeschränkungen oder die Entschädigung ungelöst, kann das Enteignungsrecht beansprucht werden. Es soll also erst zur Enteignung geschritten werden, wenn über die Gestaltung der Schutzzonen rechtskräftig entschieden worden ist. Mit der Rechtskraft ist die Voraussetzung für eine Aufnahme der Schutzzonenvorschriften in den Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB) gegeben.

Festlegen der Eigentumsbeschränkungen

10. Es ist Aufgabe der zuständigen Behörde, die Schutzzonen für die im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen und ‑anrei­cherungsanlagen auszuscheiden und die notwendigen Eigentumsbeschränkungen festzulegen (Art. 20 Abs. 1 GSchG). Die zuständige Behörde prüft diese anlässlich der Genehmigung der Schutzzonenpläne und Reglemente, gestützt auf die gesetzlichen Grundlagen und die Richtlinien des Bundes, auf ihre Zweckmässigkeit und Angemessenheit. Mit der Genehmigung dieser Unterlagen legt die zuständige Behörde die notwendigen Eigentumsbeschränkungen fest (Art. 20 Abs. 1 Teilsatz 2 GSchG). Mit der Genehmigung der Schutzzonen und des entsprechenden Reglements durch die zuständige Behörde werden die für das jeweilige Grundstück im Reglement vorgeschlagenen Eigentumsbeschränkungen zu öffentlich-rechtlichen Beschränkungen.

 

2.             Grundwasserfassungen und Grundwasseranreicherungsanlagen Schutz der Grundwasser‑ und Quellwasserfassungen

11. Im GSchG umfasst der Begriff des unterirdischen Gewässers insbesondere das Grundwasser, welches mit dem Quellwasser gleichgesetzt wird (Art. 4 Bst. b GSchG). Quellwasser stellt ausserdem im Sinne des ZGB Grundwasser dar (Art. 704 ZGB). Quellen sind demnach als natürliche Überläufe eines hydrologischen Gleichgewichtssystems zu betrachten, indem sie in der Regel jene Menge Wasser aus den Grundwasserträgern wegführen, die andernorts als Meteor‑ oder Sickerwasser zufliesst (Daetwyler, Grundwasser, 47).

12. Wenn das GSchG festlegt, für die im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen hätten die Kantone Schutzzonen auszuscheiden (Art. 20 Abs. 1 GSchG), beschränkt sich die Pflicht – weil sich Grund‑ und Quellwasser rechtlich betrachtet nicht unterscheidet – nicht nur auf Grundwasseraustritte. Daraus folgt, dass mit Grundwasserschutzzonen nicht nur Grundwasser‑, sondern auch Quellwasserfassungen geschützt werden müssen.

 

Grundwasseranreichungsanlagen

13. Reicht die natürliche Grundwassermenge nicht aus, um den Wasserbedarf zu decken, werden Grundwasseranreichungsanlagen errichtet. Dem Grundwasser wird dabei über Versickerungsbrunnen, ‑schächte, -becken, -mulden, -gräben und dergleichen Oberflächenwasser zugeführt. Dabei wird das Oberflächenwasser gereinigt und das Grundwasser schliesslich angereichert. Grundwasserschutzzonen müssen auch um diese Anlagen ausgeschieden werden.

 

3.             Öffentliches Interesse

14. Alle Wasserfassungen sind mit Schutzzonen zu sichern, sofern sie im öffentlichen Interesse liegen. Gemäss BAFU liegen alle Fassungen im öffentlichen Interesse, deren Wasser den Qualitätsanforderungen der Lebensmittelgesetzgebung unterstehen (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 39). Dieser Auslegung folgend wäre alles Trinkwasser umfasst, das nicht ausschliesslich dem Eigengebrauch dient (Art. 2 Abs. 4 Bst. a LMG) sowie Brauchwasser, das im weitesten Sinne der Produktion von Lebensmitteln dient und welches an Dritte abgegeben wird (Art. 2 TQMV).

15. Unbestrittenermassen unterstehen der öffentlichen Wasserversorgung dienende Fassungen dem LMG. Bei diesen Fassungen ist das öffentliche Interesse gegeben (vgl. Tribunal administratif VD, arrêt du 9 août 2002 [AC 99/0056], in: URP 2003, 262 ff.; BGer 1C.414/2008 vom 24. April 2009, in: URP 2009, 519 ff.). Hinsichtlich privater Fassungen gibt die sehr weitgehende Definition des öffentlichen Interesses gemäss BUWAL (Wegleitung Grundwasserschutz, 39) immer wieder Anlass zu Diskussionen. Dagegen wird zu Recht argumentiert, dass nicht um jede Fassung eines Milchbauern Schutzzonen ausgeschieden werden können. Neben dem Verwendungszweck des Trinkwassers müssen auch Art und Grösse des Benutzerkreises berücksichtigt werden. Private Fassungen sollen nur geschützt werden, wenn sie die gleichen Aufgaben wie öffentliche Wasserversorgungen erfüllen, namentlich die Versorgung eines Gastwirtschaftsbetriebs, eines Heims oder eines Sanatoriums. Sie müssen also mehrere Haushaltungen oder einen grösseren Benutzerkreis bedienen (Brunner, Grundwasserschutzzonen, 49 ff.; Brunner, Vollzug Kt. ZG, 560 ff.; Jäger, Planerischer Schutz, 10; Verwaltungsgericht ZH, Entscheid vom 7. Februar 2002 [VB.2001.00194], in: URP 2002, 458 ff.; Verwaltungsgericht ZH, 3. Abteilung/3. Kammer, Urteil vom 19. November 2009 [VB.2009.00406], in: URP 2010, 521 ff.). Der Kanton Solothurn macht in seinem Leitfaden «Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen», zu Recht darauf aufmerksam, dass die Abgeber von Trinkwasser mit oder ohne Schutzzonen um ihre Fassungen für dessen Qualität verantwortlich sind (Amt für Umwelt SO, Musterreglement, 6; siehe auch Wille, Grundwasserschutz, 6). Andere vertreten demgegenüber die Meinung, dass alle Fassungen im Interesse eines flächendeckenden Grundwasserschutzes und des Erhalts einer dezentralen Wasser‑ und Notwasserversorgung zu schützen seien, sofern sie mehr als eine einzige Haushaltung versorgten (Bose, Schutz Grundwasser, 23). Diese Auslegung geht wohl zu weit (vgl. Brunner, Grundwasserschutzzonen, 47 ff.).

 

4.             Grundwasserschutzzonen

16. Grundwasserschutzzonen sichern und schützen Trinkwasserfassungen vor schleichenden oder unfallbedingten Verunreinigungen (Bose, Schutz Grundwasser, 23 f.) unter der Voraussetzung, dass die Fassungen nach den Regeln der Technik erstellt worden sind. Neue Fassungen sollten deshalb nur noch dort erstellt werden, wo Bauverbote und Nutzungsbeschänkungen eingehalten werden können.

Fassungsbereich (Zone S1)

17. Die Zone S1 umfasst die unmittelbare Umgebung einer Trinkwasserfassung. Diese Zone soll verhindern, dass Verunreinigungen direkt in die Fassung gelangen und dass die Fassungsanlage durch Eingriffe beschädigt oder gar zerstört wird. Es ist anzustreben, dass sich die gesamte Fläche der Zone S1 im Eigentum der Fassungsinhaber befindet. Die Zone S1 soll eingezäunt werden (vgl. Anhang 4 Ziff. 122 Abs. 2 GSchV; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 40).

Engere Schutzzone (Zone S2)

18. Die engere Schutzzone orientiert sich an der Verweildauer und der Fliessgeschwindigkeit des Grundwassers. Dabei muss die Fliessdauer des Grundwassers vom äusseren Rand der Zone S2 bis zur Grundwasserfassung oder ‑anreicherungsanlage mindestens zehn Tage betragen und der Abstand von der Zone S1 bis zum äusseren Rand der Zone S2 muss in Zuströmrichtung mindestens 100 m messen (Anhang 4 Ziff. 123 GSchV). Ein kleinerer Abstand ist gemäss Anhang 4 Ziff. 123 Abs. 2 Bst. b GSchV bei Grundwasservorkommen im Lockergestein unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. BGer 1C_413/2008 vom 24. April 2009, in: URP 2009, 519 ff.). Die Zone S2 soll verhindern, dass Keime und Viren sowie abbaubare Stoffe in die Fassung oder Anreicherungsanlage gelangen, dass das Grundwasser durch Grabungen und unterirdische Anlagen verunreinigt oder die natürliche Filterwirkung des Bodens verringert wird, dass Schadstoffe in die Fassung gelangen können und dass der Grundwasserzufluss durch unterirdische Anlagen behindert wird (Anhang 4 Ziff. 123 Abs. 1 GschV; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 41).

Weitere Schutzone (Zone S3)

19. Die Zone S3 bildet eine Pufferzone um die Zone S2. Der Abstand vom äusseren Rand der Zone S2 bis zum äusseren Rand der Zone S3 muss bei Grundwasservorkommen im Lockergestein mindestens so gross wie der Abstand von der Zone S1 bis zum äusseren Rand der Zone S2 sein (Anhang 4 Ziff. 124 Abs. 2 GSchV). Die Pufferzone sichert den Schutz vor Anlagen und Tätigkeiten, die ein besonderes Risiko für das Grundwasser bedeuten. Des Weiteren soll sie ermöglichen, dass bei unmittelbar drohender Gefahr für die erforderlichen Interventions‑ oder Sanierungsmassnahmen genügend Zeit und Raum zur Verfügung stehen (Anhang 4 Ziff. 124 Abs. 1 GSchV; BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 41).

20. Insbesondere bei bestehenden Fassungen sind Schutzzonen mit den obgenannten Abmessungen aber auch dort zu errichten, wo bereits potentielle Gefahrenherde bestehen. Bei bestehenden Anlagen in Schutzzonen, von denen eine konkrete Gefahr einer Gewässerverschmutzung ausgeht, sorgt die zuständige Behörde gemäss Art. 31 Abs. 2 GSchV für Abhilfe. Dabei ist es aber unzulässig, auf die Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen mit dem Hinweis zu verzichten, dass das Trinkwasser mit einer Entkeimungsanlage aufbereitet werden könne (Bundesrat, Entscheid Gewässerschutz, 96). Zudem hat die Behörde bei bestehenden Anlagen dafür zu sorgen, dass die nach den Umständen gebotenen Massnahmen zum Schutz der Gewässer getroffen werden (Art. 31 Abs. 2 GSchV). Können bei potentiellen Gefahren‑ und Verunreinigungsherden bei bestehenden Fassungen in der engeren Schutzzone S2 nicht mindestens die Anforderungen der weiteren Schutzzone S3 erfüllt werden, sind die Fassungen aufzugeben (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 95 ff.).

Rechtscharakter

21. Der planerische Grundwasserschutz ist offensichtlich raumwirksam. Grundwasserschutzzonen bestimmen die Bodennutzung mit und schränken sie teilweise ein. Sie stellen für das vom Schutzzonenplan erfasste Gebiet eine besondere Nutzungsordnung auf und bilden eine Vorgabe für die kommunale Zonenplanung. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der Zuordnung der Lärmempfindlichkeitsstufen (BGE 120 Ib 292 E. 3) lässt auch die Festlegung der Grundwasserschutzzonen den Behörden keinen besonders grossen Spielraum. Der Rechtscharakter eines Grundwasserschutzzonenplans ist deshalb nicht als Planungsmassnahme gemäss RPG, sondern als Verfügung in Anwendung des GschG zu betrachten (Brunner, Grundwasserschutzzonen, 60; a.M. nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 12. Januar 1988 i.S. SBB gegen die Stadt Lugano, zit. nach Spühler, Rechtsschutz, 113; Art. 17 Abs. 1 RPG umfasst Grundwasserschutzgebiete nicht, weil dafür Sondergesetze hinreichenden und abschliessenden Schutz vorsehen, vgl. hierzu: EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N 12 zu Art. 17).

 

B.            Pflichten der Inhaber von Grundwasserfassungen (Abs. 2)

1.             Inhaber von Grundwasserfassungen

22. Die Inhaber von Grundwasserfassungen haben die Grundlagen für die sachdienliche Abgrenzung von Schutzzonen zu beschaffen, die dinglichen Rechte zu erwerben und – falls notwendig – Entschädigungen zu leisten. Der Begriff des Inhabers ist aus der Umweltschutzgesetzgebung übernommen worden. Namentlich bei der Sanierungspflicht (Art. 16 Abs. 3, Art. 31b Abs. 1 und 3, Art. 31c Abs. 1, Art. 32 USG) sowie bei den Abfällen wird von Eigentum und Besitz abstrahiert. Der Inhaberbegriff des USG stellt nicht auf die sachenrechtlichen Kategorien ab. Bei der «Umwandlung» einer Sache zu Abfall wird bewusst auf sachenrechtliche Ansprüche verzichtet. Aus diesem Grund wurde der Inhaberbegriff geschaffen. Dem Inhaberbegriff liegt vielmehr eine spezifisch wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde. Inhaber sind jene natürlichen oder juristischen Personen, welche die Betriebsverhältnisse innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit faktisch bestimmen und verantworten sowie die Verantwortlichkeit und die tatsächliche Herrschaftsmacht darüber ausüben. Während Eigentümer und Besitzer ihre sachenrechtlichen Ansprüche aufgeben können, bleiben sie über den Inhaberbegriff weiterhin mit dem derelinquierten Objekt verbunden (Trösch, Kommentar USG, Art. 30 N 10). Das geltende GSchG hat diesen Begriff übernommen und verzichtet damit bewusst auf einen Konnex zum zivilrechtlichen Eigentum oder Besitz. Inhaber einer Fassung kann insbesondere sowohl der Eigentümer der Fassung (Art. 704 Abs. 1 ZGB) als auch der Dienstbarkeitsberechtigte (Art. 780 ZGB), der Wasserkonzessionsnehmende, der Nutzungsbewilligungsadressat bzw. sogar die ohne jegliche dingliche Sicherung das Grundwasser nutzende Person sein.

 

2.             Beschaffung der sachdienlichen Unterlagen

23. Der Fassungsinhaber muss die notwendigen Erhebungen für die Abgrenzung der Schutzzonen liefern (Art. 20 Abs. 2 Bst. a GSchG). Das bedeutet, dass er mit hydrogeologischen Gutachten und allfälligen Färbversuchen die Fliessrichtung und die Fliessgeschwindigkeit des Grundwassers aufzeigen muss (BGer 1C_413/2008 vom 24. April 2009, in: URP 2009, 519 ff.; BGE 134 II 137). Aufgrund dieser Angaben lässt sich die Ausdehnung der Schutzzonen ermitteln. In der Folge muss der Inhaber die parzellenscharfe Abgrenzung der Schutzzonen in einem Plan festhalten und diesen zusammen mit dem auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnittenen Schutzzonenreglement der Vollzugsbehörde zur Festsetzung vorlegen.

 

3.             Erwerb der dinglichen Rechte

24. Der Fassungsinhaber muss die durch die Ausscheidung der Schutzzonen sich ergebenden Nutzungs‑ und Baubeschränkungen der betroffenen Grundeigentümerschaften dinglich sichern (Art. 20 Abs. 2 Bst. b GSchG). Ob der Erwerb der dinglichen Rechte vor oder nach der Ausscheidung der Schutzzonen erfolgen muss, lässt das Bundesrecht offen. Den Zeitpunkt kann das kantonale Recht bestimmen.

 

4.             Bezahlung allfälliger Entschädigungsleistungen

25. Mit dem Erwerb der dinglichen Rechte gehen jeweils die Leistung allfälliger Entschädigungen von Eigentumsbeschränkungen einher. Sofern die Entschädigungspflicht gegeben ist, muss dafür der Fassungsinhaber aufkommen. Die Pflicht zur Leistung von Entschädigungszahlungen ist jedoch erst gegeben, wenn enteignungsähnliche Tatbestände vorliegen. Diese Bestimmung legt lediglich die Schuldnerpflicht fest. Sie lässt jedoch offen unter welchen Voraussetzungen die Entschädigungspflicht gegeben ist (BGE 110 Ib 59 bzw. Pra 73/1984 Nr. 182). In der Regel einigen sich Fassungsinhaber und Grundeigentümerschaften bezüglich allfälliger Entschädigungsleistungen gütlich und freihändig. Dabei wird auch oft eine Entschädigung vereinbart, selbst wenn – streng rechtlich betrachtet – keine Pflicht bestehen würde. Freiwillige Entschädigungsleistungen können allerdings wesentlich dazu beitragen, die Partnerschaft zwischen Landwirt und Wasserversorgung zu stärken.

 

C.           Duldungspflicht der Belasteten

26. Die Behörden des Bundes und der Kantone können Erhebungen an privaten und öffentlichen Gewässern durchführen (Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GSchG). Die Fassungsinhaber sind gemäss Art. 20 Abs. 2 GSchG damit betraut, die notwendigen Erhebungen für die Schutzzonenabgrenzung vorzunehmen. Sie erfüllen eine gesetzliche Pflicht und sind dabei den Vollzugsorganen des Bundes und der Kantone gleichgestellt (Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 23 ff.). Die betroffenen Grundeigentümerschaften müssen ihnen deshalb ungehinderten Zutritt zu ihren Liegenschaften gewähren, die Untersuchungen durchführen lassen und den Fassungsinhabern die notwendigen Auskünfte erteilen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 GSchG). Inkonvenienzen und Landschäden sind selbstverständlich entsprechend zu entschädigen.

 

D.           Folgen der Schutzzonenausscheidung

1.             Nutzungsbeschränkungen

27. Mit der Ausscheidung der Grundwasserschutzzonen gehen Nutzungseinschränkungen einher. Direkt gestützt auf das GSchG ergibt sich nur eine einzige Nutzungsbeschränkung. Gemäss Art. 44 Abs. 2 Bst. a GSchG dürfen Grundwasserschutzzonen keine Bewilligung für die Ausbeutung von Kies, Sand oder andere Materialien erteilt werden. Für weitere Nutzungsbeschränkungen massgebend sind neben dem GSchG insbesondere auch die GSchV, die TVA, die WaV und die ChemRRV. Danach ist u.a. das Erstellen von Bauten und Anlagen in den Zonen S1 und S2 generell untersagt (Anhang 4 Ziff. 22 GSchV). Ist dies nicht möglich, hat die zuständige Behörde eine Frist zur Verlegung oder zur Aufgabe der Fassung festzusetzen (BGer 1C.522/2014 vom 18. März 2015). Bestehende Bauten und Anlagen in den Zonen S1 und S2 müssen innert angemessener Frist beseitigt werden, sofern sie die Grundwasserfassung oder ‑anreicherungsanlage gefährden (Art. 31 Abs. 2 Bst. b GSchVBGer 1A.150/2000 vom 23. Januar 2001; BGer 1A.224/2006 vom 25. Juni 2007, in: URP 2008, 23 ff.).

 

2.             Konsequenzen bei der Verletzung von Schutzzonenbestimmungen

28. Mit der Genehmigung lasten auf den von Grundwasserschutzzonen betroffenen Parzellen bestimmte öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen. Stellt der Fassungsinhaber oder die Vollzugsbehörde fest, dass sich die betroffenen Grundeigentümerschaften nicht an die Schutzzonenvorschriften halten, liegt einerseits eine Vertragsverletzung vor, sofern entsprechende Dienstbarkeiten vereinbart worden sind, andererseits kann die Widerhandlung für die Grundeigentümerschaften strafrechtliche Konsequenzen im Sinne von Art. 70 ff. GSchG bzw. Art. 234 StGB haben.

 

E.            Exkurs: Entschädigungslose und entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkungen

29. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt die auf eine Planung zurückzuführende Eigentumsbeschränkung nur dann einer Enteignung gleich (Art. 22ter Abs. 2 und 3 BV 1874; Art. 26 Abs. 2 BV; Art. 5 Abs. 2 RPG), wenn einer Grundeigentümerschaft der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch ihres Grundeigentums untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird, weil ihr eine aus dem Eigentumsinhalt fliessende wesentliche Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so kann trotzdem ausnahmsweise eine Eigentumsbeschränkung einer Enteignung gleichkommen, falls einzelne Grundeigentümerschaften so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unverhältnismässig erscheint und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar ist, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde (BGE 91 I 329 [Fall Barret], in: ZBl 68 (1967), 69 ff.; Huber-Wälchli, Kostentragung, 790). Trotz Entzug wesentlicher Eigentumsbefugnisse oder trotz Vorliegen eines Sonderopfers sind Nutzungsbeschränkungen unter gewissen Bedingungen entschädigungslos zu dulden. Im Gewässerschutzrecht erfüllen namentlich polizeiliche Eingriffe in das Eigentum des Betroffenen diese Bedingungen häufig. Unter anderem sind folgende Eingriffe entschädigungslos zu dulden (Brunner, Grundwasserschutzzonen, 111 f.; Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 25. November 2008 [B 2008/81], in: URP 2009, 198):

  • polizeilich motivierte Eingriffe (hier Schutz eines Grundwasseranreicherungsgebiets) sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen (BGer 1A.147/1989 vom 20. Juni 1990, in: ZBl 1991, 558);
  • die nötige Eingriffsintensität für eine Entschädigung in der Schutzzone S3 dürfte vielfach nicht erreicht werden: Die weitere Schutzzone S3 verträgt sich grundsätzlich mit einer Landwirtschaftszone und einer Bauzone. Die Nutzungseinschränkungen sind nicht sehr einschneidend;
  • die Ausscheidung einer engeren Schutzzone S2 in der Landwirtschaftszone führt zwar zu Beschränkungen beim Ausbringen von flüssigem Hofdünger sowie beim Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln. Daneben bleibt aber grundsätzlich die Festdüngung erlaubt. Solche landwirtschaftlichen Nutzungsbeschränkungen sind entschädigungslos zu dulden, da eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung möglich bleibt (Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kt. SG vom 10. Mai 2005). In der Bauzone führt die Zone S2 zu einem Bauverbot. Eine Entschädigung ist nur dann geschuldet, wenn dabei baureifes Land mit einem Bauverbot belegt und faktisch ausgezont wird. Eine Ausnahme von dieser Entschädigungspflicht bildet das Prinzip der zeitlichen Priorität: Das Prinzip stammt aus dem Privatrecht (vgl. dazu Art. 707 Abs. 1 ZGB), ist aber nach Bundesgericht im öffentlichen Recht anwendbar. Das Prinzip besagt, dass der Eigentümer einer Liegenschaft einen Entschädigungsanspruch für Eigentumsbeschränkungen nur dann geltend machen kann, wenn die Quelle später gefasst wurde und die nun schädigende Grundstücksnutzung früher einsetzte;
  • der Fassungsbereich S1 statuiert ein fast vollständiges Nutzungsverbot. Dies würde zu einer materiellen Enteignung führen. Da der Fassungsbereich meistens vom Fassungsinhaber erworben wird, entfällt die Entschädigungspflicht jeweils.

 

Résumé

L’art. 20 al. 1 LEaux oblige les cantons à délimiter des zones de protection autour des captages et des installations d’alimentation artificielle des eaux souterraines qui sont d’intérêt public et à fixer les restrictions nécessaires du droit de propriété. Dans ce cadre, les cantons doivent adopter les bases légales nécessaires pour la détermination des zones de protection des eaux souterraines. Toutes les eaux souterraines sont à protéger par des zones de protection du moment pour autant qu’elles soient d’intérêt public. Selon l’OFEV, cela comprend les captages dont l’eau a la qualité requise selon la législation sur les denrées alimentaires, soit l’eau potable qui n’est pas exclusivement destinée à l’usage personnel (art. 2 al. 2 LDAI). Il faut également tenir compte du genre et de l’étendue du cercle des utilisateurs pour déterminer si un captage est d’intérêt public. Ainsi, il existe généralement un intérêt public uniquement pour les captages qui assurent l’alimentation en eau potable de plusieurs ménages ou si ces captages remplissent les mêmes fonctions que les captages publics, plus particulièrement l’approvisionnement de services de restauration, de foyers ou de sanatorium.

La subdivision des zones de protection des eaux souterraines est réglée à l’annexe 4 ch. 12 OEaux et comprend trois zones: la zone de captage (zone S1), la zone de protection rapprochée (zone S2) et la zone de protection éloignée (zone S3). Le plan des zones de protection est une décision prise en application de la LEaux et non une mesure de planification du territoire selon la LAT.

Selon l’art. 20 al. 2 LEaux, les détenteurs de captages d’eaux souterraines sont tenus de faire les relevés nécessaires pour délimiter les zones de protection, d’acquérir les droits réels nécessaires et de prendre à leur charge les indemnités à verser en cas de restriction du droit de propriété.

 

 

Literatur: Brunner Arnold, Grundwasserschutzzonen nach eidgenössischem und zugerischem Recht unter Einschluss der Entschädigungsfrage, Diss., Zürich 1997 (zit. Grundwasserschutzzonen); Brunner Arnold, Grundwasserschutz – zum Vollzug im Kanton Zug, in: URP 1998, 560 ff. (zit. Vollzug Kt. ZG); Daetwyler Max Arthur, Ausgewählte Fragen zur rechtlichen Behandlung des Grundwassers in der Schweiz, Diss., Zürich 1965 (zit. Grundwasser); Huber-Wälchli Veronika, Kostentragung für Massnahmen bei bestehenden Anlagen in neuen Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 790 ff. (zit. Kostentragung); Jäger Christoph, Der planerische Schutz der Gewässer unter Berücksichtigung der Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998, Lizentiatsarbeit, Bern 1999 (zit. Planerischer Schutz); Spühler Karl, Der Rechtsschutz von Privaten und Gemeinden im Raumplanungsrecht, in: ZBl 90 (1989), 97 ff. (zit. Rechtsschutz); Wille Barbara, Grundwasserschutz und Trinkwasserversorgung unter Berücksichtigung der Kantone Zürich, Zug und Bern, in: Griffel Alain/Rausch Heribert/Damohorský Milan et al. (Hrsg.), Wasser und Recht – Sammelband aus einem internationalen Studierendenseminar, Prag/Zürich 2010, 183 ff. (zit. Grundwasserschutz).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesrat, Gewässerschutz – Umfang der Grundwasserschutzzone – Beschwerde an Bundesrat – Verhältnismässigkeit, Entscheid des Bundesrats vom 22. September 1975, in: VPB 1976 Nr. 21, 89 ff. (zit. Entscheid Gewässerschutz); Eidgenössische Justiz‑ und Polizei Department (EJPD)/Bundesamt für Raumplanung (BRP) (Hrsg.) (verfasst durch Tschannen Pierre), Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981 (zit. Erläuterungen RPG); Bundesamt für Umweltschutz (BUS) (Hrsg.), Wegleitung zur Ausscheidung von Gewässerschutzbereichen, Grundwasserschutzzonen und Grundwasserschutzarealen, Bern 1977/1982 (zit. Wegleitung Ausscheidung 1977/1982); Bundesamt für Umweltschutz, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Zur Lage der Umwelt in der Schweiz, Umweltbericht 1990, Bern 1991 (zit. Umweltbericht 1990); Bundesamt für Umweltschutz, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Zur Lage der Umwelt in der Schweiz, Umweltbericht 1993, Bern 1994 (zit. Umweltbericht 1993); Amt für Umwelt Solothurn (Hrsg.), Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen, Musterreglement und Leitfaden, 2007/2014 (zit. Musterreglement).​

Brunner Arnold

 

Grundwasserschutzareale

1         Die Kantone scheiden Areale aus, die für die künftige Nutzung und Anreicherung von Grundwasservorkommen von Bedeutung sind. In diesen Arealen dürfen keine Bauten und Anlagen erstellt oder Arbeiten ausgeführt werden, die künftige Nutzungs‑ und Anreicherungsanlagen beeinträchtigen könnten.

2         Die Kantone können Entschädigungen von Eigentumsbeschränkungen auf die späteren Inhaber von Grundwasserfassungen und Anreicherungsanlagen überwälzen.

Périmètres de protection des eaux souterraines

1         Les cantons délimitent les périmètres importants pour l’exploitation et l’alimentation artificielle futures des nappes souterraines. Dans ces périmètres, il est interdit de construire des bâtiments, d’aménager des installations ou d’exécuter des travaux qui pourraient compromettre l’établissement futur d’installations servant à l’exploitation ou à l’alimentation artificielle des eaux souterraines.

2         Les cantons peuvent mettre à la charge des futurs détenteurs de captages d’eaux souterraines et d’installations d’alimentation artificielle des eaux souterraines les indemnités à verser en cas de restriction du droit de propriété.

Aree di protezione delle acque sotterranee

1         I Cantoni delimitano le aree che rivestono importanza per il futuro sfruttamento e alimentazione della falda freatica. In tali aree non possono essere costruiti edifici o impianti né essere eseguiti lavori che possano pregiudicare i futuri impianti di sfruttamento o alimentazione.

2         I Cantoni possono accollare gli indennizzi per le limitazioni del diritto di proprietà ai futuri detentori delle captazioni o degli impianti d’alimentazione della falda freatica.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
A. GSchG 1955 1
B. GSchG 1971 2
C. ​GSchG 1991 3
II. Kommentierung 5
A. ​Ausscheidung von Grundwasserschutzarealen (Abs. 1) 5
1. Areale 5
2. Nutzungsbeschränkungen 10
​B. ​Überwälzung der Entschädigung von Eigentumsbeschränkungen (Abs. 2) 12
C. Rechtsnatur 13

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

A.           GSchG 1955

1. Das GschG 1955 kannte das Institut der Grundwasserschutzareale noch nicht.

 

B.            GSchG 1971

2. Gemäss Botschaft zum GSchG 1971 war es eines der wichtigsten Ziele des Gewässerschutzes, künftige Fassungen und deren Schutzzonen vor Beeinträchtigungen zu bewahren. Der Bedarf an Trink‑ und Brauchwasser stieg namentlich durch das Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung stetig. Zugleich nahm der Druck auf unbebaute Flächen zu. Davon blieben auch die Grundwasserschutzgebiete nicht verschont. Insbesondere die künftigen Grundwasserschutzzonen S1 und S2 sollten deshalb mit Grundwasserschutzarealen von jeglicher Beeinträchtigung und baulichen Entwicklung freigehalten werden (Botschaft GSchG 1970, 461).

 

C.           GSchG 1991

3. Die am 9. Oktober 1984 eingereichte Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» läutete die Revision des GSchG 1971 ein (Botschaft GSchG 1987). In der Folge wurde das GSchG revidiert und vom Parlament am 24. Januar 1991 verabschiedet.

4. Die Vorschriften des GSchG 1971 bedurften in Bezug auf die Grundwasserschutzareale bei der Revision des GSchG vom 24. Januar 1991 keiner materiellen Änderung (Botschaft GSchG 1987, 1121).

 

II.           Kommentierung

A.           Ausscheidung von Grundwasserschutzarealen (Abs. 1)

1.             Areale

Begriff, Schutzziel, Bemessung und Schutzobjekt

5. Die Grundwasserschutzareale dienen dem Schutz desjenigen Grundwassers, das derzeit zwar noch nicht genutzt wird, welches jedoch für die künftige Nutzung oder Anreicherung von Bedeutung und zur künftigen Trinkwassernutzung vorgesehen ist. Die Areale müssen so ausgeschieden werden, dass die Standorte der Grundwasserfassungen und ‑anreicherungsanlagen in hydrogeologischer und raumplanerischer Hinsicht zweckmässig festgelegt werden können (Anh. 4 Ziff. 13 GSchV).

6. Sie sind ausserdem so zu bemessen, dass Schutzzonen S1 und S2 für künftige Grundwasserfassungen oder ‑anreicherungsanlagen ordnungsgemäss ausgeschieden werden können. Die Festlegung der Grundwasserschutzareale bedarf einer vorgängigen Abklärung der hydrogeologischen Verhältnisse. Sinngemäss gelten die Bemessungskriterien für die Dimensionierung von Grundwasserschutzzonen. Den Kantonen steht es frei, Lage und Ausdehnung der künftigen Grundwasserschutzzonen innerhalb des Schutzareals schon vor dem Bau der Fassung festzulegen (BUWAL, Wegleitung Grundwasserschutz, 54).

7. Damit erfüllen die Areale das gleiche Ziel wie die Grundwasserschutzzonen. Sie sollen die Trinkwasserversorgung erhalten und sichern (Bose, Schutz Grundwasser, 23). Der Unterschied liegt im zeitlichen Moment: Die Grundwasserschutzareale halten Flächen für die künftige Trinkwassernutzung frei und bewahren damit den Behörden den notwendigen Handlungsspielraum.

Verfahren 

 

8. Das Bundesrecht verpflichtet die Kantone mit Art. 21 Abs. 1 GSchG, die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für die Ausscheidung der Areale zu schaffen. Sie haben die notwendigen Verfahrensvorschriften zu erlassen, namentlich müssen sie die Zuständigkeiten und die Vorgaben für die öffentliche Auflage der notwendigen Unterlagen zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, für die Einsprachelegitimation sowie für die Rechtsmittelverfahren festlegen. Bisweilen wird bezüglich des Verfahrens auf die Vorschriften des Baubewilligungsverfahrens verwiesen (so z.B. § 2 Abs. 1 V GewG ZG). Diese Verfahrensvorschriften zum Erlass der Grundwasserschutzareale gelangen auch bei deren Aufhebung zur Anwendung. Dies kann der Fall sein, wenn Grundwasserschutzzonen anstelle von Arealen treten oder das das Grundwasservorkommen nicht genutzt werden kann, weil es ungeeignet ist oder weil eine andere Nutzung schliesslich Vorrang geniesst.

9. Die Areale werden in den Grundwasserkarten dargestellt (Art. 30 Abs. 1 Bst. c GSchV). Sie werden in den entsprechenden Richt‑ und Nutzungsplanungen der Kantone und Gemeinden berücksichtigt (Art. 46 GSchV).

 

2.             Nutzungsbeschränkungen

10. Anh. 4 Ziff. 13 GSchV verdeutlicht, dass Grundwasserschutzareale genügend gross sein müssen, damit die Grundwasserschutzzonen entsprechend ausgeschieden werden können. Gemäss Anh. 4 Ziff. 23 Abs. 1 GSchV gelten in den Grundwasserschutzarealen die Nutzungsbeschränkungen der künftigen Schutzzonen S1 und S2. Damit soll gewährleistet werden, dass die strengen Anforderungen an die Schutzzonen S2 bei einer künftigen Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen noch eingehalten werden können. Aus diesem Grund wird bezüglich der baulichen Eingriffe und anderweitiger Tätigkeiten in Grundwasserschutzarealen auf die Vorgaben der engeren Grundwasserschutzzone S2 gemäss Anh. 4 Ziff. 222 GSchV verwiesen.

 

11. Sind derweil Lage und Ausscheidung der künftigen weiteren Schutzzone S3 bei der Ausscheidung der Grundwasserschutzareale bereits bekannt, gelten für diese Flächen die Nutzungsbeschränkungen der weiteren Grundwasserschutzzone S3 gemäss Anh. 4 Ziff. 221 GSchV.

 

B.            Überwälzung der Entschädigung von Eigentumsbeschränkungen (Abs. 2)

12. Bei Grundwasserschutzarealen gelten sinngemäss die Vorgaben für die Entschädigungen für die Grundwasserschutzzonen. Die Kantone können dabei anfallende Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen auf die Inhaber der künftigen Fassungen überwälzen. Selbstverständlich kommt dabei das Prinzip der Priorität zum Tragen. Danach hat die Eigentümerschaft einer betroffenen Liegenschaft eine Eigentumsbeschränkung hinzunehmen, wenn eine Quelle früher gefasst wurde und die schädigende Grundstücksnutzung erst später einsetzte. Diesem Prinzip folgend ist es gerechtfertigt, der Grundeigentümerschaft entsprechende neue und bisher nicht voraussehbare Verpflichtungen aufgrund eines geplanten Neubaus einer Grundwasserfassung zu entschädigen. Werden Grundwasserschutzareale im Hinblick auf eine noch folgende Detailplanung lediglich provisorisch, d.h. befristet und relativ ungenau ausgeschieden, kommen gemäss herrschender Rechtsprechung vorübergehende Nutzungsbeschränkungen infolge mangelnder Eingriffsintensität und Eigentumsbeschränkung von temporärer Dauer (BGer 2C.461/2011 vom 9. November 2011, in: ZBl 2012 617; BGE 123 II 481, E. 6b121 II 417, E. 4a119 Ib 124, E. 2b125 II 431, E. 3a) keiner entschädigungspflichtigen materiellen Enteignung gleich.

 

C.           Rechtsnatur

13. In der Literatur ist über die Rechtsnatur der Grundwasserschutzareale wenig zu finden. Sie ist jedoch vergleichbar mit der Rechtsnatur der Grundwasserschutzzonen. Ein Unterschied im Vergleich zu den Grundwasserschutzzonen besteht aber darin, dass die Ausscheidung und Dimensionierung von Grundwasserschutzarealen weniger zwingend durch die hydrogeologischen Verhältnisse vorgegeben sind. Unbedingt zu beachten sind dabei jedoch die konkreten Rahmenbedingungen, namentlich bereits bestehende Bauten, die Grösse und Qualität des Grundwasservorkommens, die Mächtigkeit der Deckschichten etc. Den zuständigen Behörden steht bezüglich der konkreten Auswahl des zu schützenden Grundwasservorkommens ein erhebliches planerisches Ermessen bei der Festsetzung der flächenmässigen Ausdehnung des Areals zu.

 

 

Résumé

Selon l’art. 21 LEaux, les cantons doivent délimiter les périmètres importants pour l’exploitation et l’alimentation artificielle futures des nappes souterraines. Les périmètres et les zones de protection des eaux souterraines ont tous deux pour but de protéger et de garantir l’approvisionnement en eau potable. Toutefois, les périmètres de protection des eaux souterraines protègent les surfaces futures nécessaires pour la consommation d’eau potable et ce afin de laisser à l’autorité une marge de manœuvre indispensable pour l’établissement de zones de protection des eaux souterraines. Il est également de la responsabilité des cantons d’adopter les bases légales nécessaires afin de pouvoir délimiter les périmètres.

Les périmètres de protection des eaux doivent être inscrits dans les cartes de protection des eaux (art. 30 al. 1 let. c OEaux). Selon le paragraphe 23 de l’annexe 4 OEaux, le périmètre des eaux souterraines se limite aux futures zones de protection S1 et S2. En conséquence, les travaux de construction et les autres activités exécutés dans les périmètres de protection des eaux souterraines doivent satisfaire aux exigences fixées au ch. 222 al. 1 de l’annexe 4 OEaux.

En matière d’indemnisation pour les restrictions du droit de propriété s’appliquent les prescriptions pour les indemnisations des zones de pro-tection des eaux souterraines S2. Selon la jurisprudence, lorsque les périmètres de protection des eaux souterraines sont définis de manière provisoire au sens de l’art. 27 LAT, les restrictions du droit de propriété ne sont pas indemnisées lorsqu’elles durent de cinq à sept ans.

5. Abschnitt: Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten

5. Abschnitt: Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten Section 5: Exigences concernant les liquides de nature à polluer les eaux

 

Exigences générales

1         Les détenteurs d’installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux doivent veiller à l’installation, au contrôle périodique, à l’exploitation et à l’entretien corrects des constructions et des appareils nécessaires à la protection des eaux. Les installations d’entreposage soumises à autorisation (art. 19, al. 2) doivent être contrôlées tous les 10 ans au moins; selon le danger qu’elles représentent pour les eaux, le Conseil fédéral fixe des intervalles de contrôle pour d’autres installations.

2         Dans les installations d’entreposage et sur les places de transvasement, la prévention, la détection facile et la rétention des fuites doivent être garanties.

3         Les installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux ne peuvent être construites, transformées, contrôlées, remplies, entretenues, vidées et mises hors service que par des personnes qui garantissent, de par leur formation, leur équipement et leur expérience, le respect de l’état de la technique.

4         Quiconque fabrique des éléments d’installation doit contrôler qu’ils correspondent à l’état de la technique et doit produire des documents attestant les résultats de ces contrôles.

5         Si des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux sont construites, transformées ou mises hors service, leurs détenteurs doivent le notifier au canton, selon les directives de ce dernier.

6         Les détenteurs des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux ainsi que les personnes chargées d’en assurer l’exploitation ou l’entretien signalent immédiatement à la police de la protection des eaux toute fuite constatée. Ils prennent de leur propre chef toutes les mesures qui peuvent raisonnablement être exigées d’eux pour éviter de polluer les eaux.

7         Les al. 2 à 5 ne s’appliquent pas aux installations qui ne peuvent pas mettre en danger les eaux ou qui le peuvent seulement dans une faible mesure.

Allgemeine Anforderungen

1         Die Inhaber von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten müssen dafür sorgen, dass die zum Schutz der Gewässer erforderlichen baulichen und apparativen Vorrichtungen erstellt, regelmässig kontrolliert und einwandfrei betrieben und gewartet werden. Bewilligungspflichtige Lageranlagen (Art. 19 Abs. 2) müssen mindestens alle zehn Jahre kontrolliert werden; je nach Gefährdung der Gewässer legt der Bundesrat Kontrollintervalle für weitere Anlagen fest.

2         Bei Lageranlagen und Umschlagplätzen müssen Flüssigkeitsverluste verhindert, sowie auslaufende Flüssigkeiten leicht erkannt und zurückgehalten werden.

3         Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten dürfen nur von Personen erstellt, geändert, kontrolliert, befüllt, gewartet, entleert und ausser Betrieb gesetzt werden, die auf Grund ihrer Ausbildung, Ausrüstung und Erfahrung gewährleisten, dass der Stand der Technik eingehalten wird.

4         Wer Anlageteile herstellt, muss prüfen, ob diese dem Stand der Technik entsprechen und die Prüfergebnisse dokumentieren.

5         Werden Lageranlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten erstellt, geändert oder ausser Betrieb gesetzt, so müssen die Anlageinhaber dies dem Kanton nach dessen Anordnungen melden.

6         Stellen der Inhaber einer Anlage mit wassergefährdenden Flüssigkeiten oder die mit dem Betrieb oder der Wartung betrauten Personen einen Flüssigkeitsverlust fest, so melden sie dies unverzüglich der Gewässerschutzpolizei. Sie treffen von sich aus alle Massnahmen, die ihnen zugemutet werden können, um drohende Gewässerverunreinigungen zu verhindern.

7         Die Absätze 2–5 gelten nicht für Anlagen, welche die Gewässer nicht oder nur in geringem Masse gefährden können.

Esigenze generali

1         I detentori di impianti contenenti liquidi che costituiscono un pericolo per le acque devono provvedere affinché le opere e le apparecchiature necessarie alla protezione delle acque vengano realizzate e regolarmente controllate e che il loro esercizio e la loro manutenzione siano ineccepibili. Gli impianti di deposito che necessitano di un’autorizzazione (art. 19 cpv. 2) devono essere controllati almeno ogni dieci anni; a seconda del pericolo che costituiscono per le acque, il Consiglio federale stabilisce a quali intervalli altri impianti devono essere controllati.

2         Negli impianti di deposito e sulle piazzole di travaso vanno evitate le fughe di liquidi, nonché garantite la loro facile individuazione e ritenuta.

3         La costruzione, la modifica, il controllo, il riempimento, la manutenzione, lo svuotamento e la messa fuori servizio degli impianti contenenti liquidi che costituiscono un pericolo per le acque possono essere effettuati solo da persone che, in virtù della loro formazione, del loro equipaggiamento e della loro esperienza, sono in grado di garantirne la conformità allo stato della tecnica.

4         Chi fabbrica componenti di impianti deve verificarne la conformità allo stato della tecnica e documentare i risultati di tale verifica.

5         Se vengono costruiti, modificati o messi fuori servizio impianti di deposito contenenti liquidi che costituiscono un pericolo per le acque, i detentori devono segnalarlo al Cantone secondo le prescrizioni di quest’ultimo.

6         I detentori di un impianto contenente liquidi che costituiscono un pericolo per le acque o le persone incaricate del suo esercizio o della sua manutenzione segnalano immediatamente alla polizia di protezione delle acque ogni fuoriuscita di liquidi. Inoltre, mettono spontaneamente in atto tutte le misure che si possono ragionevolmente pretendere per combattere i rischi d’inquinamento delle acque.

7         I capoversi 2–5 non si applicano agli impianti non pericolosi per le acque o con un esiguo potenziale di pericolo.

 

Table des matières

Historique 1
II.​  ​ ​Remarques générales 4
A. ​Champ d’application 4
​B. ​Principes ​7
​1. ​​Principe de prévention ​8
​2. ​​Principe de rétention 11
​3. ​​Principe de détection facile 12
4. Obligations du détenteur 13
III. Commentaire 16
A. ​Exigences générales relatives aux installations (al. 1) 16
B. ​Exigences relatives aux fuites (al. 2) 21
C. ​Exigences relatives aux personnes (al. 3) 23
​D. Exigences relatives à la fabrication (al. 4) 25
E. Notification à l’autorité cantonale (al. 5)​ 26
F. ​Exigences relatives à la police des eaux (al. 6) 29
​G. ​Exceptions (al. 7) 30

 

 

I.              Historique

1. La LEaux 1955 entrée en vigueur en 1957 (Message LEaux 1954, 305 ss) bien qu’ayant permis des progrès considérables, s’est avérée peu contraignante en la matière et le besoin de fixer une règlementation plus précise et plus rigoureuse s’est fait ressentir. C’est ainsi que des prescriptions techniques sur la protection des eaux contre leur pollution par des combustibles et carburants et autres produits liquides entreposés susceptibles d’altérer les eaux (prescriptions techniques applicables à l’entreposage des liquides) furent édictées par le Département de l’intérieur à la fin des années soixante. Le 27 décembre 1967, des prescriptions détaillées touchant l’aménagement des installations d’entreposage et des places de transvasement des liquides pouvant altérer les eaux furent introduites. Enfin, la LEaux 1971, dans sa version du 8 octobre 1971, posait dans son art. 24 al. 1, la base légale sur laquelle le Conseil fédéral allait pouvoir s’appuyer pour fixer dans une ordonnance spéciale les obligations de droit administratif permettant d’assurer une application sans lacune desdites prescriptions techniques. Il s’agissait alors d’établir un recueil complet de normes obligatoires concernant la construction, la mise en place et l’entretien des réservoirs et des autres installations d’entreposage. La législation suisse a rapidement été complétée en 1981 et 1990 dans ce domaine jusqu’à compter trois ordonnances comprenant au total 143 articles et 10 annexes (OPEL 1981; PEL ; OPEL 1998). La révision du 24 janvier 1991 de la LEaux n’apporta aux articles consacrés aux réservoirs et aux places de transvasement (art. 23 à 25 LEaux) que quelques modifications de styles, sans toucher au fond.

2. Depuis l’adoption de la LEaux du 24 janvier 1991, les dispositions existantes sur les installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux ont été en grande partie supprimées par le changement législatif du 24 mars 2006 et remplacées par des dispositions plus générales. Ainsi, l’obligation de détenir une autorisation cantonale délivrée aux entreprises qui disposent d’un personnel qualifié et de l’équippement nécessaire pour procéder à la révision des installations (art. 23 LEaux) a été supprimée, de même que le devoir du Conseil fédéral d’adopter des prescriptions relatives à la manipulation de substances de nature à polluer les eaux (art. 26 LEaux). Enfin, l’obligation de l’art. 22 al. 2 LEaux de demander une autorisation cantonale pour construire, transformer ou agrandire des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux a été supprimée, l’art. 19 LEaux comprenant déjà des dispositions relatives au permis de construire ou de transformation d’installations. L’art. 22 LEaux prescrit désormais les exigences générales relatives plus spécifiquement aux installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux.

3. Les progrès techniques relatifs aux réservoirs ont en outre fait l’objet de nombreuses directives. L’ensemble de ces prescriptions strictes a largement contribué à diminuer le nombre d’accidents, au point que ceux que l’on déplore ne sont presque jamais dus à des réservoirs non étanches, mais plutôt à des erreurs humaines (remplissage excessif, erreurs de manipulation etc.). Aussi, mais également par mesures d’économie, le Conseil fédéral a proposé, dans le cadre de la modification de la loi fédérale sur les eaux du 22 décembre 2004, de simplifier les prescriptions concernant les installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux. L’OPEL 1998, qui dictait des prescriptions strictes et détaillées en la matière, a été abrogée lors de la modification du 18 octobre 2006 de l’OEaux.

 

 

II.           Remarques générales

A.           Champ d’application

4. Le champ d’application des art. 22 à 26 LEaux se déduit de la systématique de la LEaux. Figurant au Chapitre 1 «Sauvegarde de la qualité des eaux», sous le Titre 2, consacré à la prévention et réparation des atteintes nuisibles aux eaux, les art. 22 à 26 LEaux de la Section 5 relative aux exigences concernant les liquides de nature à polluer les eaux, s’appliquent aux installations d’entreposage, aux places de transvasement et aux installations d’exploitation, ainsi qu’aux circuits qui prélèvent ou rejettent de la chaleur dans les eaux, le sol ou le sous-sol, contenant des liquides de nature à polluer les eaux. Ils ne s’appliquent pas aux installations destinées aux eaux usées, ni aux installations d’entreposage d’engrais de ferme liquides. Ces installations sont régies par la Section 2 (art. 10 à 16 LEaux).

5. Les installations (réservoirs ou citernes) pour entreposer et transvaser des liquides de nature à polluer les eaux nécessitent des mesures de protection, de surveillance étroites et des prescriptions strictes de manutention, tout particulièrement si elles sont construites à proximité des eaux de surface ou de captages d’eau dans la nappe souterraine. Relevant jadis de la compétence exclusive de la Confédération, le devoir de conseil, de surveillance et surtout la procédure d’autorisation pour la construction et la transformation de réservoirs ont été confiés aux cantons depuis le 1er janvier 2007. A cette délégation de compétence s’ajoute une responsabilisation accrue des détenteurs des installations, et de l’industrie, soit des fabricants d’éléments d’installations. Détenteurs et fabricants d’installations sont tenus de prévenir tout accident. Ils doivent garantir que leur matériel est construit, respectivement exploité et entretenu conformément à la technique (prévention, détection facile et rétention des fuites) et qu’il ne porte pas atteinte à l’environnement (Message LEaux 2004, 869 ss).

6. Cet article concerne les liquides pouvant polluer les eaux, soit, ceux qui sont susceptibles de nuire aux propriétés physiques et chimiques des eaux ou aux biocénoses aquatiques. Ils sont généralement répartis en deux classes : la première classe comprenant des liquides qui, en petite quantité, constituent un danger pour les eaux; la seconde se rapportant aux liquides qui, en grande quantité, consituent un danger pour les eaux. Une directive interne de l’OFEV du 9 mars 2009, portant sur les liquides de nature à polluer les eaux propose une classification des liquides pouvant polluer les eaux, selon ces deux classes (OFEV, Klassierung).

 

B.            Principes

7. Dès 1972, la législation fédérale relative à la protection des eaux s’appuie sur trois principes, le principe de prévention, de détection facile ainsi que de rétention des fuites, trouvant en particulier leurs applications dans les installations de réservoir à carburant (TF 1A.92/2005 du 22 novembre 2005, consid. 6.6, in: DEP 2006, 127 ss). Ces trois principes sont applicables de manière générale dans la législation fédérale relative à la protection des eaux suite à la récente modification de l’art. 22 LEaux (Message LEaux 2004, 881 s.), qui a contribué à initier quelques changements. Les changements de l’art. 22 LEaux ont accru la responsabilité des détenteurs d’installations et de l’industrie. Ces derniers doivent veiller à ce que leurs installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux soient correctement construites, mises en place, périodiquement contrôlées, exploitées et entretenues de manière à parer tout danger de pollution des eaux.

 

1.             Principe de prévention

8. Le principe de prévention a été mis en œuvre dans le droit suisse de l’environnement lors de la révision de la LPE du 7 octobre 1983. L’introduction de ce principe dans la LPE s’appuie sur l’art. 74 al. 2 Cst. (art. 24septies Cst. 1874) aux termes duquel la Confédération veille à prévenir les atteintes nuisibles ou incommodantes à l’environnement. L’existence de ce principe et sa présence au sein de la Constitution fédérale sont généralement justifiées par trois raisons: une raison écologique dans la mesure où des dommages causés à l’environnement sont difficilement réversibles; économique dans la mesure où les coûts de la prévention sont bien inférieurs aux coûts de la réparation d’un dommage; enfin, une raison fondée sur les risques faisant qu’une mesure paraissant inoffensive peut causer des dommages irréversibles importants (Griffel, Grundprinzipien, 60; Koechlin, Vorsorgeprinzip, 18 ss; Zürcher, Emissionsbegrenzung, 10 ss).

9. Le principe de prévention a été concrétisé et s’appuie sur divers articles de la LPE : en particulier l’art. 1 al. 2 LPE consacrant la réduction à titre préventif et assez tôt des atteintes qui pourraient devenir nuisibles et incommodantes et l’art. 11 al. 2 LPE contenant le principe de la limitation préventive des émissions. Défini comme le principe obligeant à utiliser tous les outils techniques à disposition et les mesures économiques possibles pour éviter qu’un dommage soit causé à l’environnement, le principe de prévention s’est peu à peu imposé dans la jurisprudence (ATF 124 II 272, consid. 3, in: DEP 1998, 197 ss; ATF 124 II 517, consid. 4a = JdT 1999 I 661). Le législateur ainsi que les autorités fédérales sont liées par ce principe que les autorités d’exécution doivent aussi prendre en considération. Ainsi, le principe de prévention peut restreindre le pouvoir de discrétion et d’appréciation des autorités d’exécution et influencer la pesée des intérêts (ATF 123 II 325, consid. 4caa, in: DEP 1997, 484 ss).

10. Le principe de prévention directement ancré dans la LPE s’est vu appliquer au travers de l’art. 3 LEaux. En vertu de l’art. 3 LEaux, chacun doit s’employer à empêcher toute atteinte nuisible aux eaux en y mettant la diligence qu’exigent les circonstances. Par exemple, un arrêt du Tribunal administratif de Zürich du 18 mars 1998 confirme qu’une décision prise par les autorités se fondant sur le principe de prévention afin de faire couvrir une installation de triage de déblais encombrants provenant de la construction en vue de protéger les eaux ne constitue pas une mesure disproportionnée et doit être confirmée (Verwaltungsgericht ZH, Arrêt du 18 mars 1998, consid. 5/6, in: DEP 1998, 23 ss; voir commentaire ad art. 3 LEaux).

 

2.             Principe de rétention

11. Le principe de rétention des fuites pose comme devoir la nécessité de prendre toutes les mesures nécessaires et utiles pour empêcher les fuites. Il présuppose la mise en oeuvre d’exigences techniques particulières, dont par exemple l’aménagement d’un bac de rétention permettant d’empêcher les fuites de liquides pouvant polluer les eaux. Ainsi, une installation d’entreposage qui ne dispose pas d’un bac de rétention, viole l’obligation du devoir de respecter les standards de sécurité, que comprend le principe de la rétention des fuites (TF 1A.92/2005 du 22 novembre 2005, consid. 7.2, in: DEP 2006, 127 ss).

 

3.             Principe de détection facile

12. Le principe de la détection facile exige notamment un accès au local de l’installation contenant des liquides de nature à polluer les eaux ainsi que la possibilié d’identifier facilement des fuites. Ainsi, une distance latérale trop faible entre l’ouvrage de protection (soit le local à citerne lui-même) et le réservoir peut empêcher l’accès au local à réservoir et ainsi ne pas respecter le principe de détection facile des fuites (TF 1A.92/2005 du 22 novembre 2005, in: DEP 2006, 127 ss). En particulier, une distance de 23–24 cm au lieu des 50 cm requis est insuffisante et de ce fait rend le réservoir inacessible. L’obligation de respecter le principe de détection facile est ainsi violé dans la mesure où la distance entre l’ouvrage de protection et le réservoir ne permet pas facilement l’identification d’une fuite de liquides de nature à polluer les eaux (TF 1A.92/2005 du 22 novembre 2005, consid. 7.4, in: DEP 2006, 127 ss; voir commentaire ad art. 13 LEaux).

 

4.             Obligations du détenteur

13. Celui qui détient des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux a des obligations particulières de contrôle et d’entretien de ces installations. Il doit respecter les exigences générales fixées à l’art. 22 LEaux, soit les principes mentionnés ci-dessus ainsi que les obligations précises détaillées aux aliénas de l’art. 22 LEaux. Deux obligations en particulier méritent un développement plus important : la responsabilité des détenteurs d’une installation et l’obligation de collaborer à une procédure administrative (voir commentaire ad art. 20 LEaux).

Responsabilité:

14. L’art. 22 LEaux prescrit clairement que les détenteurs d’une installation contenant des liquides de nature à polluer les eaux sont responsables de la construction, de l’utilisation ainsi que de l’entretien des installations. Ils doivent en particulier exercer des contrôles périodiques et entretenir correctement les installations ainsi que l’ensemble des appareils nécessaires à la protection des eaux. Ils doivent notifier immédiatement à la police de protection des eaux toute fuite constatée et doivent prendre toutes les mesures qui peuvent être raisonnablement exigées d’eux afin d’éviter une pollution des eaux (voir commentaires ad art. 70 s. LEaux).

Obligation de collaborer:

15. Selon le droit administratif, l’obligation de collaborer incombe généralement au détenteur d’une installation. Cela signifie que les personnes doivent collaborer à l’établissement des faits que dans les procédures qui les concernent, c’est-à-dire dans lesquelles elles ont qualité de parties. L’art. 22 LEaux contient une obligation de collaborer spécifique. Cette obligation est une obligation spontanée de communiquer ou de dénoncer afin d’éviter une pollution des eaux. Il s’agit d’une forme d’obligation de collaborer qui se manifeste en dehors de toute procédure déjà ouverte (Grisel, Obligation de collaborer, 94). Dans le cas précis de la LEaux, la loi a imposé un devoir de communication précis à des personnes déterminées, soit les détenteurs d’installations ou ceux chargés de leur surveillance. Cette obligation de collaborer représente une exception au système de la collaboration entre l’Etat et les administrés dans la mesure où il n’existe pas de devoir général de renseigner ou de collaborer avec les autorités en dehors de toute procédure (Grisel, Obligation de collaborer, 94).

 

 

III.        Commentaire

A.           Exigences générales relatives aux installations (al. 1)

16. L’art. 22 al. 1 LEaux pose le principe de la responsabilisation des détenteurs d’installations contenant des substances potentiellement dangereuses pour les eaux et fixe de nombreuses obligations à charge des détenteurs.

17. Une construction défectueuse de l’installation ainsi que le manque d’entretien de cuves et une absence de compétences clairement définies pour l’entretien entraînent la violation des obligations du détenteur contenues à l’art. 22 al. 1 LEaux (Obergericht ZH, Arrêt du 13 janvier 2003, in: DEP 2003, 769 ss). La violation des obligations contenues à l’art. 22 al. 1 LEaux peut conduire à une violation du devoir de diligence des détenteurs d’installations. Dans un cas impliquant un écoulement d’eaux usées contenant de l’huile, le responsable de l’entreprise à l’origine de cet écoulement n’avait pas entrepris le drainage de la zone touchée. De plus, il avait négligé de donner des instructions claires quant à l’entretien et à la surveillance de l’installation à l’origine de l’écoulement. La violation des diverses obligations de surveillance de l’installation, de contrôle périodique, d’exploitation et d’entretien correct a permis au Tribunal cantonal de Zurich de retenir une violation du devoir de diligence du responsable de l’entreprise à l’origine de l’écoulement (Obergericht ZH, Arrêt du 13 janvier 2003, in: DEP 2003, 769 ss).

18. L’intérêt public à éviter l’écoulement de substances potentiellement dangereuses permet aux autorités d’exiger des détenteurs de prendre certaines mesures de prévention. L’intérêt public qualifié à éviter une pollution des eaux peut ainsi justifier de la part du détenteur de l’installation qu’il doive déposer un concept concernant la manière de stocker les substances potentiellement dangereuses. Ce concept doit également contenir des renseignements détaillés sur les dangers potentiels et les manières de les éliminer. Il peut s’avérer raisonnable et conforme au droit, d’obliger le détenteur de l’installation à construire un bac de rétention pour accueillir les eaux d’extinction, pour autant que le coût de cet équipement supplémentaire ne paraisse pas disproportionné (Verwaltungsgericht ZH, Arrêt du 12 janvier 2011, in: DEP 2011, 455 ss). De même, il est conforme au droit d’exiger que l’installation, son utilisation, ainsi que son entretien, comprennent un système excluant tout déversement d’eaux usées directement dans les cours d’eau. Il est également conforme au droit de requérir des directives claires quant à la maintenance et à l’entretien d’un système de drainage (Obergericht ZH, Arrêt du 13 janvier 2003, in: DEP 2003, 769 ss). Ainsi, l’art. 22 al. 1 LEaux constitue une base légale suffisante pour l’établissement de directives concernant les réservoirs à carburant. Enfin, cette base légale suffit pour imposer, dans une zone avec un danger d’inondation modéré, des mesures de sécurité nécessaires, telle que la construction à une certaine hauteur et fermement ancrés dans le sol, de bacs de récupération pour des réservoirs de carburant et de stockage de produits chimiques (Verwaltungsgerichts BE, Arrêt du 30 juin 2003, in: DEP 2003, 763 ss).

19. L’art. 22 al. 1 LEaux dans sa seconde phrase insiste sur le devoir de contrôles périodiques des installations d’entreposage soumises à autorisation (art. 19 al. 2 LEaux), du fait de leur situation dans des secteurs particulièrement menacés, soit les secteurs Au et Ao de protection des eaux. L’art. 32 de l’OEaux dresse une liste d’exemples d’installations d’entreposage qui sont soumises à autorisation. Les propriétaires d’installations d’entreposage soumises à autorisation doivent veiller, conformément à l’art. 32a al. 1 OEaux, à ce que ses installations soient soumises tous les 10 ans à un contrôle visuel des défauts depuis l’extérieur. Selon l’art. 32a al. 2 OEaux, ils doivent assurer le même contrôle depuis l’intérieur pour des réservoirs d’entreposage dont le volume utile dépasse 250’000 l sans ouvrage de protection ou sans double fond et des réservoirs d’entreposage enterrés à simple paroi. Ainsi le détenteur mandate une entreprise de révision pour contrôler le fonctionnement et l’étanchéité de ces dernières. Si l’installation d’entreposage présente un danger particulier pour les eaux, spécialement du fait de son emplacement, de sa conception technique ou de son état, l’autorité compétente fixe des intervalles plus courts pour la révision ou ordonne des mesures de contrôle particulières.

20. Les autres installations, qui ne nécessitent pas d’autorisation, sont également soumises à des contrôles dont le Conseil fédéral fixe les intervalles, selon le danger. Le Conseil fédéral s’est limité à fixer des intervalles de 2 ans pour les installations et les conduites à double paroi et une fois par an pour les réservoirs et les conduites à simple paroi, afin de faire contrôler le fonctionnement des systèmes de détection des fuites des installations d’entreposage de liquides de nature à polluer les eaux (art. 32a al. 3 OEaux). Chaque propriétaire veille à ce que son installation ne souffre d’aucun défaut, en particulier de fuite. Toute défectuosité détectée doit être réparée et l’installation doit, cas échéant, être assainie et remise aux normes, conformément à l’état de la technique. A défaut, l’autorité chargée de l’exécution de la LEaux peut agir par substitution, aux frais du propriétaire de l’installation non conforme.

 

B.            Exigences relatives aux fuites (al. 2)

21. Afin de permettre une interprétation et une application uniforme de l’art. 22 al. 2 LEaux, la Conférence des chefs des services et offices de protection de l’environnement de Suisse (KVU, CCE, CCA) a adopté une directive qui concrétise la marge d’appréciation et d’interprétation laissée par la LEaux aux autorités chargées de son exécution. En raison de la prévention des fuites dans les installations d’entreposage et sur les places de transvasement, les installations doivent être dimensionnées, construites, transformées et exploitées dans les règles de l’art et protégées contre toute intervention abusive de tiers non autorisés. Des mesures préventives de construction, tels un doublement des parois de la citerne ou la création d’un bac de rétention, sont propres à diminuer les risques de fuite (Hunger, Sanierungspflicht, 217; TF 1A.92/2005 du 22 novembre 2005, consid. 6, in: DEP 2006, 127 ss).

22. Les réservoirs avec conduite de remplissage doivent être équipés de dispositifs de jaugeage et de dispositifs contre le sur-remplissage. Les éléments d’installation enterrés doivent être protégés contre la corrosion extérieure. Aux termes de la directive contenant des mesures de protection pour les installations d’entreposage et places de transvasement concernant le remplissage des réservoirs de la CCE de novembre 2011, les conduites doivent être équipées d’un dispositif permettant d’empêcher, en cas de fuite, le siphonage des liquides entreposés (CCE, Directive CCE, 4–5). La Directive offre également quelques consignes techniques, telles que l’obligation pour la personne chargée d’une opération de remplissage d’une citerne, de vérifier au préalable la quantité maximale qu’elle peut transvaser, ou de veiller au débit de remplissage (CCE, Directive CCE, 7).

 

C.           Exigences relatives aux personnes (al. 3)

23. L’art. 22 al. 3 LEaux pose des exigences quant aux qualifications professionnelles des entreprises spécialisées chargées de la construction, de l’entretien, de la transformation, du remplissage, du vidage et de la mise hors service des installations. Tous types de travaux entrepris sur des citernes ou des réservoirs destinés à contenir des liquides de nature à polluer les eaux doivent répondre à l’état de la technique, qui est définie par l’industrie dans des normes qui lui sont propres (Griffel, Entwicklungen 2006, 13). La formation, l’équipement et l’expérience requis doivent garantir le respect de l’état de la technique (Message LEaux 2004, 876). En matière de construction d’installations, l’entrepreneur est tenu de respecter rigoureusement les normes SIA, en particulier les normes SIA Nos 262 (construction en béton, afin d’éviter les fissures) et 262/1 (construction en béton – spécifications complémentaires), ainsi que la SN EN 206-1 (Béton- Partie 1: spécification, performances, production et conformité). Les détenteurs d’installations doivent donc s’assurer que les travaux sont réalisés par des personnes et des entreprises compétentes. S’ils respectent toutes les normes existantes, les cantons et les détenteurs peuvent donc considérer que le travail est réalisé comme il se doit (Message LEaux 2004, 876).

24. Les professionnels, qui souhaitent devenir experts en protection des eaux dans le domaine des installations de stockage et de fonctionnement contenant des liquides potentiellement dangereux pour l’eau, peuvent obtenir un brevet fédéral de «spécialiste pour la sécurité des citernes». L’association suisse pour la protection des eaux et la sécurité des citernes, CITEC Suisse, est l’organe responsable de la formation et de la procédure d’examen du personnel qualifié de la branche citerne. Elle définit les règles de la techinique concernant les travaux sur les installations pouvant polluer les eaux. CITEC Suisse gère le registre des entreprises spécialisées avec le personnel qualifié. Elle est l’organe responsable pour l’assurance qualité AQ CITEC Suisse.

 

D.           Exigences relatives à la fabrication (al. 4)

25. Les citernes, les réservoirs, ainsi que toutes les installations fabriquées pour contenir ou transvaser des liquides susceptibles de polluer les eaux, doivent remplir tous les critères de qualité conformément à l’état de la technique. Des entreprises accréditées par la Confédération (Service d’accréditation suisse SAS du Département fédéral de l’économie) homologuent les installations techniques, les appareils et les produits, garantissant ainsi la sécurité lors de planifications, de constructions, d’exploitations et de contrôles. La qualité et la conformité des éléments d’installation sont attestées par des pièces justificatives.

 

E.            Notification à l’autorité cantonale (al. 5)

26. Cette disposition prévoit que la construction, la transformation et la mise hors service des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux qui ne sont pas soumises à autorisation doivent aussi être notifiées au canton. Cela concerne également les installations qui ne sont pas situées dans des secteurs particulièrement menacés. Cela ne signifie pourtant pas que toutes les installations qui ne sont pas soumises à autorisation, doivent faire l’objet d’une notification. En effet, selon l’al. 7 de l’art. 22 LEaux, celles qui ne peuvent pas mettre en danger les eaux ou qui le peuvent seulement que dans une faible mesure, ne sont pas soumises à cette obligation de notification. En particulier les installations non soumises à autorisation dans les secteurs Au, Ao, ne peuvent pas mettre en danger les eaux, il n’existe donc pour ces installations aucune obligation de notification. En dehors des secteurs Au et Ao, l’obligation de notifier n’existe que si les eaux sont mises en danger au-delà d’une faible mesure. Les cantons peuvent exempter les petits réservoirs de la notification obligatoire.

27. La notification obligatoire, sous forme de communication écrite auprès de l’autorité cantonale compétente, certifie que les activités prévues sont conformes aux prescriptions et permet aux cantons de tenir un registre des installations d’entreposage.

28. Si dans les secteurs de protection des eaux particulièrement menacés, les installations nécessitent l’octroi d’une autorisation, en dehors des zones et des périmètres de protection des eaux, dans les secteurs moins sensibles, tous les réservoirs de stockage sont soumis à l’obligation de notification. De même, dans ce cas les installations qui ne peuvent pas mettre en danger les eaux, ou qui le peuvent seulement dans une faible mesure, ne sont pas soumises à cette obligation.

 

F.             Exigences relatives à la police des eaux (al. 6)

29. Cet al. 6 institue l’obligation de communiquer spontanément ou de dénoncer à la police de protection des eaux toute fuite constatée. Il s’agit d’une forme d’obligation de collaborer, qui se manifeste en dehors de toute procédure déjà ouverte. Cette obligation est légitimée par l’intérêt public qualifié à éviter une pollution des eaux (Griffel, Entwicklungen 2006, 3). Ce devoir ressort de LPE (Hänni, Umweltschutzrecht, 445).

 

G.           Exceptions (al. 7)

30. Avant le 1er janvier 2007, date de l’entrée en vigueur de la modification de la LEaux, le Conseil fédéral excluait certaines installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux (p. ex. réservoirs dont le volume utile ne dépasse pas 20 litres, installations destinées aux gaz liquéfiés et installations destinées aux denrées alimentaires liquides). La nouvelle disposition garantit la poursuite de l’ancienne pratique en excluant les installations qui ne peuvent pas mettre en danger les eaux, ou qui le peuvent seulement dans une faible mesure. A l’extérieur des zones et des périmètres de protection, la rétention des fuites n’est pas obligatoire, notamment pour les récipients, les stations de remplissage de récipients, les conduites non enterrées qui sont soumises à une surveillance visuelle quotidienne et les places de transvasement peu utilisées (Message LEaux 2004, 876).

31. Les détenteurs d’installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux qui ne respectent pas les exigences légales de la LEaux, commettent un délit au sens de l’art. 70 al. 1 let a et b LEaux. Sur le plan objectif, les infractions réprimées par ces dispositions supposent d’abord que l’auteur ait adopté l’un des comportements qui y sont énumérés. Il faut en outre que, par l’un de ses comportements, il ait créé un risque de pollution des eaux. Une pollution effective des eaux n’est donc pas nécessaire; il suffit que l’auteur ait créé le risque d’une pollution. Un risque abstrait, même élevé, ne suffit cependant pas. Il doit s’agir d’un risque concret. Un tel risque existe lorsque, d’après le cours ordinaire des choses, il apparaît vraisemblable ou très possible que le bien juridique protégé sera lésé (TF 6S.520/2001 du 27 septembre 2002, in: DEP 2003, 279 ss; ATF 124 IV 114, consid. 1 = JdT 1998 I 772; ATF 123 IV 128, consid. 2a = JdT 1998 IV 136). Du point de vue subjectif, les infractions réprimées par l’art. 70 LEaux peuvent être commises intentionnellement, auquel cas le dol éventuel suffit, ou par négligence, la peine privative de liberté éventuellement prononcée ne pouvant alors excéder 6 mois d’emprisonnement (TF 6P.87/2005 du 5 septembre 2005, consid. 7.1).

 

Zusammenfassung

Lageranlagen und Umschlagplätze, welche wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten, erfordern besonderen Schutzmassnahmen, Überwachung und strengen Vorschriften zum Betrieb, insbesondere wenn sich diese nahe von Oberflächengewässer oder Grundwasserfassungen befinden. Die Hersteller garantieren, dass das von ihm verwendete Material dem Stand der Technik entspricht und die Anlagen die Umwelt nicht schädigen (Abs. 4). Anlageninhaber sind verpflichtet, die Anlagen zu kontrollieren und zu unterhalten. Dabei kommt den drei Prinzipien Verhindern, leichtes Erkennen und Zurückhalten, welche sich durch das gesamte Gewässerschutzrecht des Bundes ziehen, besondere Bedeutung zu. Verstösse gegen die in dieser Bestimmung statuierten Pflichten können eine Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellen. Gestützt auf das öffentliche Interesse können die Behörden die Anlageninhaber durch den Erlass von Bestimmungen zu verschiedenen Massnahmen, wie beispielsweise dem Einbau einer Auffangwanne, anhalten. Bewilligungspflichtige Lageranlagen müssen mindestens alle zehn Jahre durch ein Revisionsunternehmen kontrolliert werden (Abs. 1). Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten dürfen nur von Personen erstellt, geändert, kontrolliert, befüllt, gewartet, entleert und ausser Betrieb gesetzt werden, welche aufgrund ihrer Ausbildung, Ausgrüstung und Erfahrung gewährleisten, dass der Stand der Technik eingehalten wird (Abs. 3). Die Kantone können festlegen, dass die Erstellung, Änderung oder Ausserbetriebnahme von nicht bewilligungspflichtigen Anlagen gemeldet werden müssen. Die Bestimmungen in Abs. 2 bis 5 gelten jedoch nicht für für Anlagen, welche die Gewässer nicht oder nur in geringem Masse gefährden können. In jedem Fall aber müssen Flüssigkeitsverluste sofort der Gewässerschutzpolizei gemeldet werden.

 

 

Bibliographie: Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2006, Bern 2007 (cit. Entwicklungen 2006); Grisel Clémence, L’obligation de collaborer des parties en procédure administrative, Zurich/Bâle 2008 (cit. Obligation de collaborer); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5ème éd., Berne 2008 (cit. Umweltschutzrecht); Koechlin Dominik, Das Vorsorgeprinzip im Umweltschutzgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Emissions‑ und Immissionsgrenzwerte, th. Berne 1989 (cit. Vorsorgeprinzip); Marti Ursula, Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht – Am Beispiel der internationalen, europäischen und schweizerischen Rechtsordnung, th. Genève 2009 (cit. Vorsorgeprinzip); Zürcher Alexander, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzgesetz, th. Bâle 1995 (cit. Emissionsbegrenzung).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement (OFEV), Klassierung wassergefährdender Flüssigkeiten – Stand 9. März 2009 (I061-0918), Berne 2009 (cit. Klassierung); Conférence des chefs de services et offices de protection de l’environnement (CCE), Mesures de protection pour installations d’entreposage et places de transvasement – Remplissage des réservoirs, Directive de novembre 2011, Berne 2011 (cit. Directive CCE).​

Eggenschwiler Ursina

 

Aufgehoben

Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 24. März 2006, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007; AS 2006 4287; BBl 2005 937.

Abrogé

Abrogé par le ch. I de la LF du 24 mars 2006, avec effet au 1er janv. 2007; RO 2006 4287; FF 2005 869.

Abrogato

Abrogato dal n. I della LF del 24 mar. 2006, con effetto dal 1° gen. 2007; RU 2006 4287; FF 2005 835.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.    ​ Aufhebung 3
III. Allgemeine Bemerkungen 7
​IV. Kommentierung 8
A. Kantonale Bewilligung für Revisionsarbeiten 8
B. Bewilligungsvoraussetzungen 12

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Nach Art. 23 GSchG (gültig bis 31. Dezember 2006) durften Revisionen von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten nur von Unternehmen ausgeführt werden, welche in Besitz einer kantonalen Bewilligung waren (Abs. 1). Eine solche Bewilligung wurde erteilt, wenn das Unternehmen über Fachpersonal und die notwendige Ausrüstung verfügte. Die Bewilligung galt für die ganze Schweiz (Abs. 2).

2. Diese Bestimmung ist aus dem GSchG 1971 ohne materielle Änderung übernommen worden (Botschaft GSchG 1987, 1121). Begründet wurde die Bewilligungspflicht mit der grossen Bedeutung der Tankrevision für den Gewässerschutz (Botschaft GSchG 1970, 458 f.). Der Ursprung der Regelung lag in den 1950er und 1960er Jahren, in einem Zeitraum, in dem in der Schweiz hunderttausende Anlagen für die Lagerung und den Umschlag von wassergefährdenden Flüssigkeiten gebaut worden sind. Aufgrund der damals noch kaum vorhandenen Sensibilisierung sowie fehlenden technischen und planerischerischen Schutzmassnahmen kam es immer wieder zu Unfällen. In der Folge wurden 1967 eine erste Tankverordnung, 1971 das GSchG sowie 1972 die Verordnung über den Schutz der Gewässer vor wassergefährdenden Flüssigkeiten (VWF) erlassen.

 

II.           Aufhebung

3. Das BUWAL (heute BAFU) musste im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 für den Bundeshaushalt Kürzungen im Personalbereich gewärtigen, wobei diese Einsparungen auch durch eine Aufgabenminimierung des Bundes im Bereich der Tankanlagen und die Vereinfachung der Vorschriften über die Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten erreicht werden sollten (Botschaft GSchG 2004, 939).

4. Über die Jahre wurde durch die Verschärfung der gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen und den Fortschritt in der Technik ein hohes Schutzniveau erreicht. Als Folge davon sank die Zahl der Unfälle kontinuierlich. Schliesslich waren die wenigen Unfälle kaum mehr auf lecke Tanks, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen (Botschaft GSchG 2004, 940; vgl. auch Brunner, Regulierung, 320 ff.), weshalb der Bundesrat eine Deregulierung im Bereich Tankanlagen und die Aufhebung von Bestimmungen für verantwortbar hielt.

5. Für die in Art. 23 GSchG statuierte Bewilligungspflicht war der Erlass spezieller Ausführungsvorschriften auf Bundesebene nötig. Da die besondere Delegationsnorm Art. 26 Abs. 1 GSchG, welche den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften über «Standorte, Konstruktionsmaterialien, technische Ausgestaltungen und Revision der Anlagen» verpflichtete, sowie die darauf basierende VWF vom 1. Juli 1998 auf 1. Januar 2007 aufgehoben wurden, fehlte die Grundlage für den Erlass solcher Vorschriften. Wäre man übereingekommen, die Bewilligungspflicht beizubehalten, hätten die Bewilligungsvoraussetzungen auf Gesetzesebene verankert oder aber eine Delegationsnorm im Gesetz belassen und die Einzelheiten von der VWF in die GSchV verschoben werden müssen.

6. Der Bundesrat betonte in der Botschaft, dass für keine andere Arbeit im Umweltbereich eine kantonale Bewilligungspflicht bestehe und eine solche nicht mehr zeitgemäss sei (Botschaft GSchG 2004, 945 f.). Die Beschränkung der Bewilligungs‑, Abnahme‑ und Kontrollpflicht würde zudem die kantonalen Fachstellen entlasten, aber auch zu einer Verringerung von Gebühreneinnahmen führen (Botschaft GSchG 2004, 946), In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass der Zweck dieser Bewilligung aufgrund der Ausgestaltung als klassische Polizeibewilligung nicht im Erzielen von Einnahmen liegen konnte, sondern vielmehr der präventiven Gefahrenabwehr gedient hat (vgl. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, § 11 N 35).

 

 

III.        Allgemeine Bemerkungen

7. Art. 23 GSchG statuierte die Bewilligungspflicht für Unternehmen, welche Revisionen von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten vornahmen (Abs. 1), sowie die Bedingungen für die Erteilung der kantonalen Bewilligung (Abs. 2).

 

 

IV.        Kommentierung

A.           Kantonale Bewilligung für Revisionsarbeiten

8. Revisionen von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten durften bis zur Aufhebung des Artikels nur von Unternehmen ausgeführt werden, die über eine Bewilligung der kantonalen Behörden verfügten. Der Vollzug dieser Norm, resp. die Erteilung der Bewilligung, erfolgte durch die einzelnen Kantone, galt jedoch für die ganze Schweiz (Art. 23 Abs. 2 GSchG). Grundsätzlich hatten auch ausländische Tankrevisionsunternehmen Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung, wenn sie die Voraussetzungen erfüllten (Sekretariat der Wettbewerbskommission, Schlussbericht VTR, 595).

9. Die kantonale Bewilligung für Revisionsarbeiten ist dogmatisch als klassische Polizeibewilligung (Polizeibewilligung mit «subjektiven Voraussetzungen» einzuordnen und als Berufsausübungsbewilligung zu qualifizieren (vgl. Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, § 11 N 26–28 und N 35). Damit handelt es sich um eine Verfügung, welche auf Gesuch hin eine aus polizeilichen Gründen unter einer Bewilligungspflicht stehende Tätigkeit zulässt, wenn die zum Schutz der Polizeigüter aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit erfüllt sind (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2523). Zwar ist die «(intakte) Umwelt» nach der allgemeinen Auffassung kein klassisches Schutzgut des Polizeirechts, ein Unfall kann aber durchaus eine Gefährdung von klassischen Schutzgütern wie beispielsweise der Gesundheit nach sich ziehen (Kaufmann/Walti, Polizeiliche Generalklausel, 73 f.).

10. Die Kantone verfügten über Listen mit den im jeweiligen Kanton zugelassenen Revisionsunternehmen (Sekretariat der Wettbewerbskommission, Schlussbericht VTR, 592). Die Anlageinhaber waren gezwungen, ein Revisionsunternehmen zu beauftragen, das über eine Bewilligung verfügte, blieben aber ansonsten in ihrer Wahl frei (Sekretariat der Wettbewerbskommission, Schlussbericht VTR, 598).

Die Kantone überwachten die Revisionsarbeiten aller auf ihrem Gebiet tätigen Unternehmen. Mängel bei Unternehmen, welche über eine Bewilligung eines anderen Kantons verfügten, musste der überwachende Kanton der Bewilligungsbehörde des anderen Kantons melden (Art. 17 Abs. 2 VWF). Die Erteilung der Bewilligung sowie die Überwachung waren aufwändig (Botschaft GSchG 2004, 945). Die Aufhebung der Bestimmung führte daher zu einer Entlastung der Kantone in diesem Bereich, wobei einige Kantone schon zuvor die staatliche Kontrolle der Tankrevisionen durch ein einfaches, selbstregulierendes Vollzugssystem ersetzt hatten (Botschaft GSchG 2004, 945).

 

B.            Bewilligungsvoraussetzungen

11. Die Bewilligung wurde Unternehmen erteilt, welche über ausgewiesenes Fachpersonal und die notwendige Ausrüstung verfügten (Art. 23 Abs. 2 GSchG). Diese subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen wurden in Art. 17 VWF präzisiert. So musste das Unternehmen gewährleisten, dass die Arbeiten unter der Leitung einer Person ausgeführt wurden, welche über den eidgenössischen Fachausweis für Equipenchefs des Tankrevisiongewerbes verfügte (Art. 17 Abs. 1 Bst. a VWF). Des Weiteren mussten die Arbeiten nach dem Stand der Technik ausgeführt und die Meldepflichten erfüllt werden (Abs. 1 Bst. b) sowie eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden sein (Abs. 1 Bst. c).

Erfüllte der Gesuchsteller die Voraussetzungen, hatte er aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der kantonalen Bewilligung für Revisionsunternehmen um eine klassische Polizeibewilligung handelte, Anspruch auf die Erteilung der Bewilligung (Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, § 11 N 28). Waren die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, war es Aufgabe der Bewilligungsbehörde, die Bewilligung zu entziehen oder zu beschränken (Art. 17 Abs. 3 VWF).

 

 

Résumé

L’art. 23 LEaux instituait une obligation d’autorisation cantonale pour les entreprises qui procédaient à la révision des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux (al. 1). Cette disposition prévoyait également les conditions à la délivrance de l’autorisation cantonale (al. 2). Jusqu’à l’abrogation de l’art. 23 LEaux en 2007, les révisions des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux ne pouvaient être exécutées que par des entreprises titulaires d’une autorisation cantonale. L’exécution de cette disposition, respectivement la délivrance de l’autorisation, était du ressort des cantons. L’autorisation valait toutefois pour toute la Suisse (art. 23 al. 2 LEaux). L’abrogation de cette disposition a libéré les cantons de leurs obligations dans ce domaine. Certains cantons avaient déjà remplacé le contrôle étatique des révisions par un système d’exécution simple et indépendant.

 

 

Literatur: Brunner Ursula, Regulierung, Deregulierung und Selbstregulierung im Umweltrecht, in: ZSR 2004 II, 307 ff. (zit. Regulierung); Kaufmann Mathias/Walti Stephanie, Die polizeiliche Generalklausel – eine schillernde Rechtsfigur, in: Abo Youssef Omar/Töndury Andrea (Hrsg.), Der Schutz polizeilicher Güter – Entwicklungen und Spannungsfelder, Zürich/St.Gallen 2011, 59 ff. (zit. Polizeiliche Generalklausel); Vallender Klaus A./Hettich Peter/Lehne Jens, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung – Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs‑ und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 4. Aufl., Bern 2006 (zit. Wirtschaftsfreiheit).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Sekretariat der Wettbewerbskommission, Schlussbericht vom 27. September 2006 in Sachen Vorabklärung gemäss Artikel 26 KG betreffend Tarif des Verbandes Schweizerischer Unternehmungen für Bau und Unterhalt von Tankanlagen (VTR) wegen allenfalls unzulässiger Wettbewerbsabrede gemäss Artikel 5 KG, in: RPW 2006/4, 591 ff. (zit. Schlussbericht VTR).

Briguet Julien | Grandjean Gilda​

 

Cavernes-réservoirs

Les liquides de nature à polluer les eaux ne doivent pas être entreposés dans des cavernes-réservoirs s’ils risquent d’entrer en contact direct avec les eaux souterraines.

Kavernenspeicher

Wassergefährdende Flüssigkeiten dürfen nicht in unterirdischen Kavernenspeichern gelagert werden, wenn sie dabei mit Grundwasser in Berührung kommen.

Caverne-serbatoio

I liquidi inquinanti non devono essere depositati in caverne-serbatoio, se rischiano di entrare in contatto diretto con l’acqua di falda.

 

 

Table des matières

Historique​ 1
​​II. Remarques générales 2
​III. Commentaire 3
A. ​Notion de cavernes-réservoirs 5
B. Mise en danger 6
1. ​Menace pour les eaux 7
2. ​Limites de l’interdiction 9
3. ​Nouvelles technologies 10

 

I.              Historique

1. Cette disposition date de l’entrée en vigueur de la LEaux, et n’a pas été modifiée depuis lors. A l’époque, des études avaient été effectuées en Suisse dans le but de découvrir s’il était possible d’entreposer des carburants et des combustibles liquides dans des cavernes-réservoirs artificielles, sans que celles-ci ne soient aménagées comme un ouvrage traditionnel de protection. En 1986, le Département fédéral de l’intérieur avait fait une enquête auprès des cantons et des organisations intéressées pour savoir si une réglementation particulière pour les cavernes-réservoirs était souhaitée. L’enquête a clairement démontré que la majorité des cantons et des organisations intéressées n’étaient pas favorables à l’entreposage de liquides de nature à polluer les eaux dans des cavernes-réservoirs qui ne seraient pas aménagées en ouvrage de protection. Cette opinion repose sur le fait que les conditions géologiques en Suisse ne conviennent pas à ce type d’entreposage; en effet, on ne pourrait pas, cas échéant, éviter la pollution des eaux, ce qui ne saurait se concilier avec les objectifs de la protection des eaux.

 

II.           Remarques générales

. Ce type d’entreposage exige que les cavernes se trouvent à un niveau aussi profond que possible sous le point le plus bas de la nappe d’eau souterraine, afin qu’en tout temps la pression hydrostatique de la roche extérieure soit plus élevée que la pression à l’intérieur de la caverne.

 

 

III.        Commentaire

3. L’entreposage de liquides de nature à polluer les eaux n’est pas autorisé dans les cavernes-réservoirs s’ils risquent d’entrer en contact directement avec les eaux souterraines. La disposition n’exclut cependant pas l’entreposage dans des cavernes construites de manière habituelle et répondant aux prescriptions en vigueur sur l’entreposage des liquides de nature à polluer les eaux. Lesdites installations souterraines présentent certains avantages, comme, par exemple, de ne pas déparer le paysage ou d’être plus facilement protégeables contre les déprédations, les sabotages ou toutes sortes d’attaques. L’interdiction vise la protection des eaux souterraines et non des eaux superficielles. Lorsque le stockage des liquides de nature à polluer les eaux est effectué de manière suffisante et correspond aux principes énoncés à l’art. 22 LEaux, les liquides de nature à polluer les eaux ne présentent en effet pas de dangers pour les eaux superficielles.

4. L’art. 24 LEaux est indirectement lié à l’art. 10 LPE visant à prévenir les catastrophes dans la mesure où l’art. 10 al. 4 LPE prévoyait déjà la possibilité pour le Conseil fédéral d’interdire par voie d’ordonnance certains entreposages ou procédés de fabrication s’il n’existait pas d’autres moyens propres à assurer une protection efficace de la population et de l’environnement. L’interdiction de cavernes-réservoirs ne s’appuie toutefois pas sur la délégation au Conseil fédéral de l’art. 10 al. 4 LPE dans la mesure où le législateur a souhaité l’intégrer directement au texte de la LEaux en étendant sa portée et ne la limitant pas seulement à la protection contre les catastrophes. Les mesures de protection spéciales dérivées de l’art. 10 LPE, tels le choix d’un lieu approprié, le respect des distances de sécurité ainsi que la prise de mesures de protection techniques (Kölz, Jurisprudence LPE, 273; ATF 127 II 18, consid. 5) afin de prévenir les catastrophes, restent toutefois applicables aux cavernes-réservoirs.

 

A.           Notion de cavernes-réservoirs

5. Les cavernes-réservoirs sont des réceptacles souterrains creusés profondément dans une roche sèche et solide, destinés à contenir des substances liquides, sans risque de fuite.

 

B.            Mise en danger

6. Afin de respecter les objectifs de la protection des eaux, il y a lieu de tout mettre en œuvre pour offrir une sécurité maximale et éviter tous risques de pollution. Toutes mises en danger, notamment lors de transvasements (entreposage, vidange, etc.), doivent être écartées. La règlementation en vigueur permet déjà l’entreposage souterrain (avec étanchéité et surveillance), si bien que le stockage dans des cavernes-réservoirs de liquides de nature à polluer les eaux à proximité de nappes souterraines, est interdit.

 

1.             Menace pour les eaux

7. Contrairement à d’autres ouvrages souterrains tels les tunnels ou les galeries à écoulement libre, les cavernes-réservoirs sont explicitement interdites par la LEaux si les eaux souterraines sont mises en danger. L’étendue de protection s’étend à l’ensemble des zones concernées couvertes par l’art. 20 LEaux soit les zones de captage, les zones de protection rapprochée ainsi que les zones de protection. A ce titre, selon l’art. 29 de l’OEaux, les cantons sont chargés de délimiter les zones de protection des eaux souterraines au sens de l’art. 20 LEaux afin de protéger les eaux du sous-sol qui alimentent des captages et des installations d’alimentation artificielle d’intérêt public.

8. Les liquides de nature à polluer les eaux ne doivent pas être entreposés dans des cavernes-réservoirs situées à proximité d’eaux souterraines. Cette disposition instaure un principe de prévention des risques que posent les cavernes-réservoirs aux eaux souterraines. Elle prévoit ainsi une mesure d’interdiction, si un contact pouvait être avéré. Dans pareilles circonstances, un risque abstrait de contamination suffit pour interdire l’entreposage. Il suffit que, selon les cours ordinaire des choses, un risque puisse se réaliser. Selon l’expérience courante, il doit être vraisemblable que l’ordre public, en l’occurrence la protection des eaux souterraines, puisse être mis en danger (Moor/Flückiger/Martenet, Droit administratif Vol. I, 419; ATF 119 Ia 197, consid. 5e). Premièrement, l’admission du risque abstrait se justifie du fait de l’imprévisibilité inhérente à l’entreposage de tels liquides dans des cavernes-réservoirs à proximité d’eaux souterraines ne permettant pas d’identifier un risque concret. Le critère de la vraisemblance établissant le risque abstrait doit ainsi être pris en compte. Deuxièmement, l’existence du principe de prévention justifie la prise en compte d’un risque abstrait. L’art. 1 al. 2 LPE consacre le principe de prévention en soulignant que les atteintes qui pourraient devenir nuisibles ou incommodantes seront réduites à titre préventif et assez tôt. Les principes déduits de l’art. 1 al. 2 LPE impliquent de prendre en compte un risque pouvant n’être qu’abstrait et incertain (Jungo, Précaution, 142). Cela se traduit, dans le droit de la protection de l’eau, par le principe de prévention reconnu par l’art. 3 LEaux qui oblige l’utilisation de l’ensemble des outils techniques à disposition afin d’éviter qu’un dommage soit causé à l’environnement. L’art. 22 al. 2 LEaux étend ce principe aux installations d’entreposage et aux places de transvasement, justifiant la prise en compte d’un risque abstrait pour interdire les cavernes-réservoirs.

 

2.             Limites de l’interdiction

9. La protection des eaux souterraines justifie l’interdiction de cavernes-réservoirs en cas de risque abstrait. Cette interdiction n’est toutefois pas absolue. Inhérent à toute activité administrative, le principe de proportionnalité doit être respecté pour justifier l’interdiction de ce type d’installation dans les zones concernées mentionnées ci-dessus. Dans ce cadre, l’évaluation du risque joue un rôle déterminant. La vraisemblance d’une possible atteinte aux eaux souterraines doit être établie afin de pouvoir, par la présence d’un risque abstrait, justifier l’aptitude et la nécessité de l’interdiction.

 

3.             Nouvelles technologies

10. L’intensification et la diversification de l’utilisation du sous-sol engendrent entre autres incidences légales, de nouvelles prises de risque pour l’environnement et plus particulièrement pour les eaux souterraines. L’énergie géothermique, par exemple, est en plein essort. Les installations et les équipements qu’elle nécessite ainsi que leur exploitation peuvent représenter un certain danger. Il faut donc accorder une attention spéciale aux impératifs de la protection des eaux souterraines, comme le précise l’aide à l’exécution destinée aux autorités d’exécution et aux spécialistes de géothermie «Exploitation de la chaleur tirée du sol et du sous-sol» publiée par l’OFEV, en 2009 (OFEV, Exploitation de la chaleur). En effet, les sondes géothermiques peuvent créer un risque concret pour les eaux souterraines. Elles seront dès lors interdites en principe près des ressources en eau servant ou pouvant servir à l’alimentation en eau potable, dans les zones et périmètres de protection des eaux souterraines, dans les périmètres présentant une perméabilité très élevée (p. ex. cavités karstiques ou fissures fréquentes) et dans les zones de glissement. L’art. 24 LEaux et les principes de limitation de l’interdiction mentionnées ci-dessus peuvent, en l’espèce, servir de référence analogique.

 

Zusammenfassung

Kavernenspeicher sind unterirdische Behälter, welche tief in den Fels gehauen wurden, um Flüssigkeiten aufzunehmen. Die Lagerung von wassergefährdenden Flüssigkeiten in unterirdischen Kavernenspeicher ist verboten, wenn auch nur ein abstraktes Risiko besteht, dass diese mit einer genügend hohen Wahrscheinlichkeit mit Grundwasser in Kontakt kommen könnten. Die Bestimmung schliesst aber die Lagerung von solchen Flüssigkeiten nicht vollständig aus, bietet die unterirdische Lagerung doch auch gewisse Vorteile. Ausserdem ist auch bei diesem Verbot das Gebot der Notwendigkeit, der Tauglichkeit und der Verhältnismässigkeit im engeren Sinn zu beachten.

 

 

Bibliographie: Jungo Fabia, Le principe de précaution en droit de l’environnement suisse – avec des perspectives de droit international et de droit européen, th. Lausanne 2011/2012 (cit. Précaution); Kölz Monika, La loi fédérale sur la protection de l’environnement: Jurisprudence de 2000 à 2005, in: DEP 2007, 247 ss (cit. Jurisprudence LPE); Moor Pierre/Flückiger Alexandre/Martenet Vincent, Droit administratif, Vol. I, Les fondements, 3ème éd., Berne 2012 (cit. Droit administratif Vol. I).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement (OFEV) (rédigé par Eugster Walter J.), Exploitation de la chaleur tirée du sol et du sous-sol, Aide à l’exécution destinée aux autorités d’éxecution et aux spécialistes de géothermie, L’environnement pratique no 0910, Berne 2009 (cit. Exploitation de la chaleur).

Briguet Julien | Grandjean Gilda​

 

Substances de nature à polluer les eaux

Les art. 22 et 24 s’appliquent par analogie aux substances qui, au contact de liquides, peuvent former des liquides de nature à polluer les eaux.

Stoffe, die zu wassergefährdenden Flüssigkeiten werden können

Die Artikel 22 und 24 gelten sinngemäss für Stoffe, die vermischt mit Flüssigkeiten zu wassergefährdenden Flüssigkeiten werden.

Sostanze che possono diventare liquidi inquinanti

Gli articoli 22 e 24 si applicano per analogia alle sostanze che, in contatto con liquidi, possono diventare liquidi inquinanti.

 

 

Table des matières

Historique 1
II.   ​ ​Remarques générales 2
III. Commentaire 3
A. ​Notion de substances 3
B. ​Application par analogie des art. 22 et 24 LEaux 4
1. ​Principe de précaution 5
2. Responsabilité du détenteur 6
3. ​Responsabilité du fabricant 8

 

 

I.              Historique

1. Lors de la catastrophe chimique de Schweizerhalle près de Bâle, survenue le premier novembre 1986, suite à l’incendie dans un entrepôt de la firme pharmaceutique Sandoz, les pompiers avaient déversé 15’000 m³ d’eau afin de juguler le sinistre. Or, ce volume dépassait largement la capacité du bassin de rétention si bien que l’excédent, composé d’un mélange rougeâtre d’eau, de pesticides, de dérivés du mercure ainsi que d’esters phosphoriques, se déversa dans le Rhin. Une catastrophe écologique s’ensuivit qui toucha l’Allemagne, la France et les Pays‑Bas. La pêche fut interdite pendant six mois dans les zones contaminées. La catastrophe écologique provoquée par l’incendie de l’entrepôt pharmaceutique de Schweizerhalle a mis en évidence l’urgence d’instaurer des prescriptions pour parer aux risques liés aux fuites de substances qui, au contact de l’eau ou d’autres liquides, peuvent se transformer en liquides polluants.

 

 

II.           Remarques générales

2. Du fait de la multitude des substances concernées et vu le nombre de risques d’accidents et de menaces pour l’eau, le législateur n’a pas souhaité établir des prescriptions aussi nuancées que celles existant pour les carburants et les combustibles liquides. Il s’est ainsi limité à une application par analogie des principes contenus aux art. 22 et 24 LEaux.

 

 

III.        Commentaire

A.           Notion de substances

3. La notion de substances doit être ici comprise dans un sens large en fonction de l’art. 6 LEaux et de l’art. 7 al. 5 LPE. Ainsi, les substances sont définies comme des éléments chimiques et leurs combinaisons, naturelles ou générées par un processus de production et dont la définition s’étend aux préparations (compositions, mélanges et solutions ou objets qui contiennent de telles substances). La LEaux considère ainsi l’ensemble de ces éléments, qui, même a priori non polluants, peuvent le devenir quand ils sont mélangés à l’eau. Sont pris en considération les liquides qui sont susceptibles de nuire aux propriétés physiques et chimiques des eaux ou aux biocénoses aquatiques. Depuis l’abrogation de l’OPEL, au 1er janvier 2007, l’OFEV ne dispose plus d’une classification officielle de ces substances (OFEV, Klassifizierung). La classification en classes de danger pour les eaux (WGK) adoptée en Allemagne (Voir Umweltbundesamt, Wassergefährdende Stoffe, en allemand) est également une source d’information.

 

B.            Application par analogie des art. 22 et 24 LEaux

 

4. Les substances qui, au contact de liquides, peuvent former des liquides de nature à polluer les eaux doivent être conservées et manipulées avec les mêmes précautions que celles requises pour des liquides de nature à polluer les eaux. Toutes les exigences légales inscrites aux art. 22 et 24 LEaux s’appliquent par analogie et nous invitons les lecteurs à se référer au commentaire de ces articles. Trois principes, le principe de précaution, la responsabilité du détenteur et celle du fabricant, méritent toutefois un commentaire supplémentaire quant à leur application aux substances.

 

1.             Principe de précaution

5. Conformément aux art. 26 à 29 de la LPE, l’utilisation de substances dangereuses pour l’environnement ou susceptibles de le devenir au contact d’un liquide, ne doit pas constituer une menace pour l’environnement ou indirectement pour l’homme (Jungo, Précaution, 203). Le principe de précaution consiste à considérer comme légitime l’adoption par anticipation de mesures touchant une source potentielle de dommage sans attendre de disposer d’assurances scientifiques quant aux liens de causalité exacts existants (ou non) entre l’activité en question et le dommage dont on craint la survenance (Knoepfel/Nahrath/Savary, Politiques de l’environnement, 107). Cela se traduit, dans le droit de la protection de l’eau, par le devoir de diligence posé à l’art. 3 LEaux.

 

2.             Responsabilité du détenteur

6. Celui qui détient des substances qui, au contact de liquides, peuvent former des liquides de nature à polluer les eaux engage sa responsabilité dès qu’il détient lesdites substances, qu’il les conserve et les manipule. Afin de prévenir tout risque, il doit respecter toutes les exigences générales des art. 22 et 24 LEaux. Le détenteur a notamment un devoir de contrôle (art. 22 al. 1 LEaux), qui est une forme d’application du principe de précaution. Il doit veiller que ses activités ne mettent pas en péril la qualité des eaux. Le détenteur de substances de nature à polluer les eaux doit observer le même devoir de diligence que le propriétaire d’installations. Il doit veiller à ce que les installations qui contiennent lesdites substances soient régulièrement contrôlées afin que les défauts, en particuliers les fuites, soient détectés et corrigés. Le détenteur d’une installation qui présente un danger particulier pour l’environnement, notamment, pouvant altérer les eaux, répond des dommages résultant des atteintes que la réalisation de ce danger entraîne.

7. L’art. 22 LEaux, appliqué par analogie, établit clairement des obligations à charge du détenteur et représente le fondement d’une responsabilité fondée sur le principe de prévention. Aussi, le détenteur des substances qui, au contact de liquides, peuvent former des liquides de nature à polluer les eaux, supporte les frais et les coûts en lien avec toutes les mesures propres à prévenir une pollution.

 

3.             Responsabilité du fabricant

8. Le détenteur se distingue de celui qui est à l’origine de la substance causant la pollution, dans ce cas le fabricant dont la responsabilité fait l’objet d’un traitement propre. Depuis l’entrée en vigueur de la LEaux, la protection de l’eau relève du champ d’application de cette loi. Toutefois, la LEaux se combine avec les dispositions de protection pertinentes de la LPE dont notamment l’art. 27. Dans ce cadre, la LPE instaure plusieurs obligations à charge du fabricant identifié comme étant celui qui extrait des matières premières, tire des substances de matières premières, les fabrique au moyen de procédés chimiques ou biologiques, les mélange ou en modifie de toute autre façon la composition, ainsi que celui qui fabrique des objets (Petitpierre-Sauvain, Droit de l’environnement, 113 ss).

9. En particulier, l’art. 27 LPE établit une obligation d’information à la charge de celui qui met les substances dans le commerce. De plus, aux termes de l’art. 26 LPE, il est interdit de mettre dans le commerce des substances lorsqu’elles-mêmes, leurs dérivés ou leurs déchets, peuvent même s’ils sont utilisés conformément aux prescriptions, constituer une menace pour l’environnement ou, indirectement, pour l’homme. A ce titre, le fabricant ou l’importateur exerce un contrôle autonome, soit un devoir de diligence particulier. La violation de ce devoir de diligence entraîne une responsabilité pour fait illicite fondée sur l’art. 41 CO (Petitpierre‑Sauvain, Droit de l’environnement, 114).

 

 

Zusammenfassung

Art. 25 GSchG hält fest, dass für Stoffe, die zu wassergefährdenden Flüssigkeiten werden können Art. 22 und 24 GSchG sinngemäss gelten. Der Begriff «Stoffe, die zu wassergefährdenden Flüssigkeiten werden können» ist weit und im Sinne von Art. 7 Abs. 5 GSchG zu verstehen. Aufgrund der Vielzahl von betroffenen Substanzen hat der Gesetzgeber auf den Erlass von besonderen Vorschriften verzichtet und sich für eine analoge Anwendung der Prinzipien von Art. 22 und 24 GSchG entschieden. Stoffe, welche vermischt mit Flüssigkeiten zu wassergefährdenden Flüssigkeiten werden können, müssen mit derselben Vorsicht gelagert und umgeschlagen werden. Das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip sind Teil der Verantwortung des Inhabers, wobei sich die Bestimmungen Art. 2 USG und Art. 3a GSchG ausschliesslich auf das Verursacherprinzip und Art. 22 GSchG auf die Verpflichtungen des Inhabers aus dem Vorsorgeprinzip beziehen. Von den Pflichten des Inhabers sind diejenigen des Herstellers zu unterscheiden, welche insbesondere in Art. 26 und 27 USG verankert sind. Der Hersteller oder Importeur führt Selbstkontrollen durch und hat besondere Sorgfaltspflichten zu beachten.

 

 

Bibliographie: Jungo Fabia, Le principe de précaution en droit de l’environnement suisse – avec des perspectives de droit international et de droit européen, th. Lausanne 2011/2012 (cit. Précaution); Knoepfel Peter/Nahrath Stéphan/Savary Jérôme, Analyse des politiques de l’environnement, Matériel de cours de l’IDHEAP n° 8/2007, Chavannes-près-Renens 2007 (cit. Politiques de l’environnement); Petitpierre-Sauvain Anne, Droit de l’environnement – Vers un droit économique au service de l’environnement, in: Chappuis Christine/Mahon Pascal/Piotet Denis et. al. (Hrsg.), quid iuris? 7, Zürich 2012 (cit. Droit de l’environnement); Zufferey Jean‑Baptiste, Pollueur-payeur, perturbateur, détenteur et responsable: concepts liés au principe de causalité et tentative de systématique, in: BR/DC 1999, 123 ss (cit. Pollueur‑payeur).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement (OFEV), Klassierung wassergefährdender Flüssigkeiten – Stand 9. März 2009 (I061-0918), Berne 2009 (cit. Klassierung); Umweltbundesamt, Wassergefährdende Stoffe, <http://www.umweltbundes
amt.de/themen/chemikalien/wassergefaehrdende-stoffe>, 09.01.2015 (cit. Wassergefährdende Stoffe).

Eggenschwiler Ursina

 

Aufgehoben

Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 24. März 2006, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007; AS 2006 4287; BBl 2005 937.

Abrogé

Abrogé par le ch. I de la LF du 24 mars 2006, avec effet au 1er janv. 2007; RO 2006 4287; FF 2005 869.

Abrogato

Abrogato dal n. I della LF del 24 mar. 2006, con effetto dal 1° gen. 2007; RU 2006 4287; FF 2005 835.

 

 

Inhaltsübersicht

​I. ​Entstehungsgeschichte ​1
​II. ​Aufhebung 3
III. ​Allgemeine Bemerkungen 6
IV. ​Kommentierung 9
A. Erlass von Vorschriften durch den Bundesrat 9
B. ​Ausnahmen von der Bewilligungspflicht nach Art. 22 Abs. 2 GschG (in der bis 31. Dezember 2006 gültigen Fassung) 15
V Heutige Akteure 17

 

I.              Entstehungsgeschichte

01. Art. 26 GSchG in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung hielt fest, dass der Bundesrat Vorschriften über Standorte, Konstruktionsmaterial, technische Ausgestaltung und Revisionen der Anlagen, die wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten, erlässt (Abs. 1). Für kleine Anlagen konnte er Ausnahmen von der Bewilligungspflicht gemäss dem damals geltenden Art. 22 Abs. 2 GSchG vorsehen.

02. Art. 26 Abs. 1 GSchG entsprach materiell Art. 25 Abs. 1 GSchG 1971 (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1121). Hintergrund dieser Norm war der Wunsch und die Notwendigkeit «in einer besonderen Verordnung des Bundesrates die für die lückenlose Anwendung und Durchsetzung der technischen Vortschriften notwendigen verwaltungsrechtlichen Verpflichtungen aufzustellen» (Botschaft GSchG 1970, 458). Bis zu diesem Zeitpunkt musste sich das Departement auf rein technische Vorgaben beschränken. Mit Art. 25 Abs. 1 GSchG 1971 sollte für die geplanten Ausführungserlasse des Bundesrates eine eindeutige gesetzliche Grundlage geschaffen werden (Botschaft GSchG 1970, 458).

 

 

II.           Aufhebung

03. Die Aufhebung des Art. 26 GSchG erfolgte im Rahmen der am 26. März 2006 beschlossenen Änderung des GSchG. Ziel war die Vereinfachung der Vorschriften über die wassergefährdenden Flüssigkeiten sowie die Umsetzung von Sparvorgaben für das BUWAL (heute BAFU) (vgl. Komm. zu Art. 23 GSchG). In der Botschaft war von einer «Ausgabenminimierung» im Bereich der Tankanlagen die Rede (Botschaft GSchG 2004, 939).

04. Über die Jahre wurde durch die Verschärfung der gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen und den Fortschritt in der Technik ein hohes Schutzniveau erreicht. Als Folge davon sank die Zahl der Unfälle kontinuierlich. Schliesslich waren die wenigen Unfälle kaum mehr auf lecke Tanks, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen (Botschaft GSchG 2004, 940; vgl. auch Brunner, Regulierung, 320 ff.), weshalb der Bundesrat eine Deregulierung im Bereich Tankanlagen und die Aufhebung von Bestimmungen für verantwortbar hielt.

05. Die Anforderungen, die an den Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten gestellt werden, sollten sich mit der Revision grundsätzlich nicht ändern, doch wurde die Dichte der Vorschriften auf die blosse Statuierung von wenigen Grundsätzen reduziert (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 232). Das Schutzniveau bei den wassergefährdenden Flüssigkeiten ist im Bereich der technischen Tankanlagen nun weitgehend auf die Sorgfaltspflicht der Inhaber der Anlagen ausgerichtet (Wild, Gesetzesdelegation, 884). Ausser der Bestimmung von Art. 12 SDR bestehen praktisch keine konkreten gesetzlichen Vorschriften mehr, welche den Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten regeln. Da die geltenden Vorschriften sehr allgemein sind, verabschiedete die Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz (KVU) bereits nach kurzer Zeit verschiedene (umfangreiche) Vollzugshilfen (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 232).

 

III.        Allgemeine Bemerkungen

06. Art. 26 Abs. 1 GSchG war eine Delegationsnorm (vgl. Botschaft GSchG 2004, 947), welche den Bundesrat verpflichtete, Vorschriften über Standorte, Konstruktionsmaterial, technische Ausgestaltung und die Revision der Anlagen, welche wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten, zu erlassen.

07. Art. 26 Abs. 2 GSchG gab dem Bundesrat die Möglichkeit, im Rahmen der Ausführungsbestimmungen Ausnahmen von der allgemeinen Bewilligungspflicht für Tankanlagen zu statuieren.

08. Die Streichung der Delegationsnorm in Art. 26 Abs. 1 GSchG und die weiteren gleichzeitig erfolgten Gesetzesänderungen bewirkten die Aufhebung der VWF und die Anpassung der GSchV. Wichtige Grundsätzte aus der VWF (Verhindern, leichtes Erkennen und Zurückhalten von Flüssigkeitsverlusten) sowie Vorschriften über die Bewilligungspflicht, Meldepflicht, Kontrollpflicht und Schutzmassnahmen sind mit der gleichzeitig erfolgten Änderung des GSchG auf Gesetzesebene verankert worden (UVEK, Erläuterungen VWF/GSchV, 1).

 

IV.        Kommentierung

A.           Erlass von Vorschriften durch den Bundesra

09. Der Bundesrat erliess auf Grundlage von Art. 26 Abs. 1 GSchG Ausführungsbestimmungen. So wurde gestützt auf Art. 26, Art. 47 Abs. 1 GSchG und Art. 59b USG die VWF vom 1. Juli 1998 erlassen. Sie ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten und auf den 1. Januar 2007 aufgehoben worden. Der VWF 1998 vorangegangen waren die VWF vom 19. Juni 1972 und die VWF vom 28. September 1981.

10. Die VWF vom 1. Juli 1998 enthielt Bestimmungen zu Schutzmassnahmen, der Bewilligungs‑ und Meldepflicht, dem Betrieb und der Revision von Anlagen sowie Normen über die Prüfung von Anlageteilen und Spezialarbeiten. Es handelte sich dabei um eine gesetzesvertretende Verordnung, welche die materielle Regelung in diesem Bereich vervollständigte (vgl. Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1857).

11. Durch die Streichung des ersten Absatzes von Art. 26 GSchG wurde der Bundesrat von der Pflicht befreit, über Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten Spezialvorschriften zu erlassen (Botschaft GSchG 2004, 945). Mit Art. 47 Abs. 1 GSchG verblieb die allgemeine Delegationsnorm, welche den Bundesrat mit dem Erlass von Ausführungsvorschriften beauftragte (vgl. Komm. zu Art. 47 GSchG).

12. Die Anlagen zur Lagerung und zum Umschlag von wassergefährdenden Flüssigkeiten fallen nun grundsätzlich unter dieselben Bestimmungen der GSchV wie alle anderen Anlagen (Botschaft GSchG 2004, 945). Das heisst, dass Bewilligungen für Anlagen und Tätigkeiten nur in besonders gefährdeten Gewässerschutzbereichen notwendig sind (vgl. Art. 19 Abs. 2 GSchG i.V.m. Art. 32 GSchV). Anlagen für wassergefährdende Flüssigkeiten in den übrigen Bereichen benötigen keine kantonale Bewilligung mehr (UVEK, Erläuterungen VWF/GSchV, 2), unter Umständen gilt aber eine Meldepflicht (Art. 22 Abs. 5 und Abs. 7 GSchG, vgl. Komm. zu Art. 22 GSchG). Anlagen in besonders gefährdeten Gewässerschutzbereichen müssen mindestens alle zehn Jahre kontrolliert werden (Art. 22 Abs. 1 GSchGArt. 32a Abs. 1 und 2 GSchV). Bei Lageranlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten muss die Funktionstüchtigkeit der Leckanzeigesysteme je nach Beschaffenheit des Behälters jährlich oder alle zwei Jahre kontrolliert werden (Art. 32a Abs. 3 GSchV).

13. Das Konstruktionsmaterial und die technische Ausgestaltung der Anlagen werden seit der Aufhebung von Art. 26 GSchG und der Ausführungsbestimmungen nicht mehr durch bundesrechtliche Bestimmungen, sondern durch die Entwicklung in der Branche (Stand der Technik) bestimmt (Botschaft GSchG 2004, 945). Seit der Gesetzesänderung ist es grundsätzlich Aufgabe der kantonalen Fachstellen, die Gewässerschutztauglichkeit von neu auf dem Markt angebotenen Anlageteilen zu beurteilen (Botschaft GSchG 2004, 946).

14. Art. 26 Abs. 1 GSchG verpflichtete den Bundesrat über die Revision von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten Vorschriften zu erlassen, was mit dem Erlass von Art. 16–19 VWF erfolgte (vgl. Komm. zu Art. 23 GSchG). Gleichzeitig mit Art. 26 GSchG wurden auch Art. 23 GSchG und die VWF mit ebendiesen Ausführungsbestimmungen aufgehoben. Das bedeutet, dass nicht nur die Delegationsnorm resp. die Kompetenz des Bundesrates, über die Revision von Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten Bestimmungen zu erlassen, nicht mehr existierten, sondern gleichzeitig auch die Bewilligungspflicht für Revisionsunternehmen weggefallen ist (vgl. Komm. zu Art. 23 GSchG). Art. 22 Abs. 3 GSchG hält seither fest, dass Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten nur von Personen erstellt, geändert, kontrolliert, befüllt, gewartet, entleert und ausser Betrieb gesetzt werden dürfen, die auf Grund ihrer Ausbildung, Ausrüstung und Erfahrung gewährleisten, dass der Stand der Technik eingehalten wird (vgl. Komm. zu Art. 22 GSchG).

B.            Ausnahmen von der Bewilligungspflicht nach Art. 22 Abs. 2 GSchG (in der bis 31. Dezember 2006 gültigen Fassung)

15. Nach Art. 26 Abs. 2 GSchG konnte der Bundesrat in seiner Ausführungsgesetzgebung für kleine Anlagen Ausnahmen von der Bewilligungspflicht gemäss dem damaligen Art. 22 Abs. 2 GSchG vorsehen. Art. 22 Abs. 2 GSchG forderte für die Errichtung, Änderung und Erweiterung einer Anlage mit wassergefährdenden Flüssigkeiten eine kantonale Bewilligung (vgl. Komm. zu Art. 22 GSchG). Die Ausnahmen mussten in der Ausführungsgesetzgebung verankert werden. Der Bundesrat machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und nahm verschiedene Anlagen, unter anderem Lageranlagen mit freistehenden Behältern und einem gesamten Nutzvolumen über 450 l bis 4000 l, von der Bewilligungs‑ und Revisionspflicht aus (Art. 10 Abs. 2 VWF).

16. Mit der gleichzeitigen Aufhebung des Art. 26 Abs. 1 GSchG, der VWF sowie des grundsätzlichen Bewilligungserfordernisses für Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten fiel sowohl die Kompetenz zum Erlass als auch die Bewilligungspflicht, von welcher eine Ausnahme hätte gemacht werden können, weg. Die Bestimmung Art. 26 Abs. 2 wurde daher bedeutungslos und folglich ersatzlos gestrichen (vgl. Botschaft GSchG 2004, 945).

 

V.           Heutige Akteure

17. Die Deregulierung im Bereich der Tankanlagen durch die Aufhebung verschiedener bundesrechtlicher Vorschriften hat zu einer regulierten Selbstregulierung geführt (zum Begriff Hettich, Risikovorsorge, N 515). Die Kantone als staatliche Organe erfüllen gemeinsam mit dem Branchenverband und einem privaten Unternehmen die Aufgaben im Bereich Tankanlagen. Die wichtigsten Akteure sind die KVU, deren Arbeitsgruppe «Tank Schweiz», der Branchenverband CITEC Suisse sowie der SVTI, Abteilung Kesselinspektorat.

18. Die KVU erarbeitet und publiziert Richtlinien, Merkblätter, Schemenblätter, Tabellen, Orientierungshilfen und weitere Materialien, abrufbar im Internet (vgl. http://www.kvu.ch/de/themen/tankanlagen). Der Branchenverband CITEC Suisse ist unter anderem zuständig für die Aus‑ und Weiterbildung sowie Prüfung des Fachpersonals der Tankbranche, definiert die Regeln der Technik betreffend Arbeiten an Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten und betreibt ein Qualitätssicherungssystem, mit welchem der Verband die Arbeit der im Tankbereich tätigen Unternehmen stichprobrenartig kontrolliert. Die Arbeitsgruppe «Tank Schweiz» wacht darüber, dass CITEC Suisse seine Rolle als unabhängiger Experte gegenüber den Unternehmen wahrnimmt. Der SVTI überprüft im Auftrag der Kantone, ob die Anlageteile den technischen Richtlinien entsprechen und stellt nach der Durchführung des Bescheinigungsverfahrens das «Zertifikat der Produkte-Prüfung nach KVU» für die einzelnen Produkte aus.

 

Résumé

L’art. 26 al. 1 LEaux correspondait matériellement à l’art. 25 al. 1 LEaux 1971. Cette disposition était une norme de délégation qui obligeait le Conseil fédéral à édicter des prescriptions sur les emplacements, les matériaux de construction, l’aménagement technique et la révision des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux, ce qu’il a fait en adoptant l’OPEL. En vertu de l’art. 26 al. 2 LEaux, il pouvait exempter de petites installations de l’autorisation prévue à l’art. 22 al. 2 LEaux lors de la construction, la transformation et l’agrandissement de celles-ci. Cette disposition fut abrogée par le ch. I de la LF du 24 mars 2006 lors de la révision de la LEaux dans le but de simplifier les dispositions sur les liquides de nature à polluer les eaux, ainsi que de mettre en œuvre des mesures économiques pour l’OFEFP. Depuis l’abrogation de la disposition, les services cantonaux sont, en principe, chargés d’évaluer la comptabilité des nouveaux éléments d’installation commercialisés avec les prescriptions de la protection des eaux.

 

Literatur: Brunner Ursula, Regulierung, Deregulierung und Selbstregulierung im Umweltrecht, in: ZSR 2004 II, 307 ff. (zit. Regulierung); Hettich Peter, Kooperative Risikovorsorge – Regulierte Selbstregulierung im Recht der operationellen und technischen Risiken, Habil. St. Gallen 2014 (zit. Risikovorsorge); Müller Georg/Uhlmann Felix, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 (zit. Rechtssetzungslehre); Wild Florian, Entwicklungen und Erfahrungen mit der Gesetzesdelegation in der Umweltgesetzgebung, in: URP 2011, 871 ff. (zit. Gesetzesdelegation).

Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Erläuterungen – Aufhebung der Verordnung vom 1. Juli 1998 über den Schutz der Gewässer vor wassergefährdenden Flüssigkeiten (VWF) sowie Änderungen der Gewässerschutzverordnung (GSchV), <http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attac
hments/4639.pdf>, 1.11.2006 (zit. Erläuterungen VWF/GSchV).

6. Abschnitt: Bodenbewirtschaftung und Massnahmen am Gewässer

Norer Roland​ | Tschopp Simone ​​

 

6. Abschnitt: Bodenbewirtschaftung und Massnahmen am
GewässerSection 6: Exploitation des sols et mesures appliquées aux eaux

Bodenbewirtschaftung

1         Böden sind entsprechend dem Stand der Technik so zu bewirtschaften, dass die Gewässer nicht beeinträchtigt werden, namentlich nicht durch Abschwemmung und Auswaschung von Düngern und Pflanzenbehandlungsmitteln.

2         Der Bundesrat kann die notwendigen Vorschriften erlassen.

Exploitation des sols

1         Les sols seront exploités selon l’état de la technique, de manière à ne pas porter préjudice aux eaux, en évitant notamment que les engrais ou les produits pour le traitement des plantes ne soient emportés par ruissellement ou lessivage.

2         Le Conseil fédéral peut édicter les prescriptions nécessaires.

Sfruttamento del suolo

1         I suoli vanno sfruttati secondo lo stato della tecnica, evitando ogni effetto pregiudizievole per le acque, in particolare quelli causati dal convogliamento e dal dilavamento dei fertilizzanti e dei prodotti per il trattamento delle piante.

2         Il Consiglio federale può emanare le prescrizioni necessarie.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
II. ​Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 7
A ​Anforderungen an die Bodenbewirtschaftung (Abs. 1) 7
1. ​Technische Aspekte 8
2. Bodenschutz 12
B. ​Kompetenz des Bundesrats (Abs. 2) 13

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Zusammen mit Art. 14 GSchG über die Verwendung des Hofdüngers bildet Art. 27 GSchG über die Bodenbewirtschaftung den Kern der mit der Totalrevision von 1991 neu ins Gewässerschutzgesetz aufgenommenen Bestimmungen über den Gewässerschutz in der Landwirtschaft (Botschaft GSchG 1987, 1064). Sie sind als Antwort auf die damals noch virulentere Düngerproblematik anzusehen (AB 1989 N 933).

2. Während Abs. 1 bereits im bundesrätlichen Entwurf enthalten war, wurde Abs. 2 erst auf Vorschlag der vorberatenden nationalrätlichen Kommission aufgenommen.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Art. 27 GSchG liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Gewässerverschmutzungen nicht nur infolge unsorgfältig oder im Übermass ausgebrachtem Dünger entstehen, sondern dass sich unsachgemässe Bodenbearbeitungen und Anbautechniken ebenso nachteilig auf die Gewässer auswirken können. Anders als Art. 14 GSchG handelt Art. 27 GSchG nicht nur von der Gewässerverschmutzung durch Dünger, sondern es geht auch um durch Chemikalien oder Bodenerosion verursachte Verunreinigungen (Botschaft GSchG 1987, 1123 ff.). Deshalb beschränkt sich der Adressatenkreis von Art. 27 GSchG nicht auf Landwirte; stattdessen richtet sich die Norm vielmehr an all jene, welche gewerblich oder nichtgewerblich Boden bewirtschaften, so namentlich auch an Gärtner und Sportplatzbetreiber (Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 401 f.).

4. Zur Erreichung seiner gewässerschutzrechtlichen Zielsetzung verlangt Art. 27 GSchG die Beachtung des in der Grundsatznorm von Art. 33 USG statuierten qualitativen Bodenschutzes. Für den landwirtschaftlichen Bereich wird er ergänzt durch Art. 70a Abs. 2 lit. f LwG i.V.m. Art. 17 DZV (geeigneter Bodenschutz als Bestandteil des ÖLN und damit Voraussetzung für die Direktzahlungsberechtigung) sowie Art. 158 ff. LwG (Umgang mit landwirtschaftlichen Produktionsmitteln).

5. Bei richtiger Bewirtschaftung des Bodens wird die Abschwemmung und Auswaschung von Düngern und Pflanzenbehandlungsmitteln soweit eingedämmt, dass die Verwendung dieser Stoffe nicht mehr unter das Versickerungsverbot von Art. 6 Abs. 1 GSchG fällt, da der Boden dann in der Lage ist, diese Stoffe soweit zurückzuhalten, bis sie von den Pflanzenwurzeln aufgenommen, von Bodenteilchen gebunden oder von tierischen Organismen aufgenommen werden (Botschaft GSchG 1987, 1109).

6. Inwieweit Art. 27 GSchG eigenständige Bedeutung als Gebotsnorm zu­kommt, wurde – soweit ersichtlich – bisher nicht thematisiert. Nach hier vertretener Ansicht besteht jedoch eine Analogie zu Art. 14 GSchG betreffenden BGer 2C_450/2009 vom 10. Februar 2011, wonach gewässerschutzrechtlich nur diejenigen Bewirtschaftungsbeschränkungen verbindlich gefordert werden können, welche für den Erhalt gesunder Gewässer absolut notwendig sind. Als polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkungen sind aus Art. 27 Abs. 1 GSchG bzw. den Ausführungsverordnungen folgende Bewirtschaftungsvorgaben nur dann ohne weiteres zulässig, wenn sie der konkreten Gefahrenabwehr dienen und verhindern, dass der Eigentümer oder die Umwelt ernsthaft und unmittelbar gefährdet oder geschädigt werden (BGE 106 Ib 330, E. 4). Gehen sie dagegen über das hinaus, was zur Abwendung der ernsthaften und unmittelbaren Gefahr erforderlich ist, ist das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt, und es handelt sich nicht länger um eine Konkretisierung des verfassungsmässig geschützten Eigentumsbegriffs sondern um einen – nur gegen Entschädigung – zulässigen Grundrechtseingriff, mit der Konsequenz, dass sämtliche Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt sein müssen.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Anforderungen an die Bodenbewirtschaftung (Abs. 1)

7. Die gesetzliche Formulierung ist sehr allgemein gehalten und bedarf der Konkretisierung durch Rechtsetzung und Praxis (so auch Rausch/Marti/GriffelUmweltrecht, 130).

 

1.             Technische Aspekte

8. Das Gebot, die Bodenbewirtschaftung anzupassen, um die Gewässer zu schützen, fusst vorab auf der Erkenntnis, dass der Stickstoffverlust unbewachsener Böden eine wichtige Ursache der Nitratanreicherung im Grundwasser ist (Botschaft GSchG 1987, 1123). Mit geeigneten Anbautechniken, insb. mit der richtigen Fruchtfolge, kann die Zeit ohne Pflanzenbesatz, während der ein erhöhtes Auswaschungs‑ und Erosionsrisiko besteht, minimiert werden. Fruchtfolgen wirken sich ausserdem positiv auf die Bodenfruchtbarkeit, das massgebliche Ziel von Art. 33 USG, und auf die Unkrautbekämpfung aus. Letzteres hat wiederum zur Folge, dass weniger potentiell gewässerschädigende Herbizide eingesetzt werden müssen.

9. Verschiedene Forschungsergebnisse zeigen sodann, dass das Risiko von Stickstoffauswaschungen verringert werden kann, indem im Herbst/Winter auf das Pflügen verzichtet wird und stattdessen eine Mulch‑ oder Direktsaat ausgebracht wird. Das Pflügen hat für die direkt nachfolgende Zeit einen erhöhten Restnitratgehalt zur Folge, welcher über die Wintermonate bei vollständig wassergesättigten Böden und fehlendem Pflanzenbewuchs ins Grundwasser abgeführt wird. Im Frühjahr weisen im Herbst/Winter gepflügte Böden eine gesteigerte Bodentemperatur und ‑erwärmung, eine stärkere Bodendurchlüftung und an der Oberfläche einen höheren pH-Werte auf, was wiederum eine stärkere Mineralisierung des Stickstoffs und damit ein höheres Auswaschungsrisiko mit sich bringt. Nicht mit dem Pflug bewirtschaftete Böden erhalten hingegen eine veränderte Struktur, die das rasche Abfliessen des Niederschlagswassers über Makroporen begünstigt. Im Normalfall verhindert dies das Auswaschen von Stickstoff. Anders kann es sich einzig dann verhalten, wenn ausgebrachter Dünger vor dem Niederschlagsereignis noch nicht vollständig im Bodenwasser gelöst werden konnte und deshalb zusammen mit dem Niederschlagswasser direkt abfliesst (vgl. auch Brunner, Bodenschutz, 529).

10. Nebst Stickstoffverbindungen können auch gewisse Pestizidgruppen, insb. Unkrautvertilgungsmittel, deren Wirkstoffe vom Boden bloss ungenügend zurückgehalten oder nicht rasch genug abgebaut werden, durch Auswaschung ins Grundwasser gelangen (Botschaft GSchG 1987, 1124). Dies ist mittels geeigneter Massnahmen so weit als möglich zu verhindern.

11. Schliesslich wurde beobachtet, dass eine, in Folge der Bodenverdichtung durch die Bewirtschaftung mit schweren Landmaschinen oder wegen Brachen von Ackerböden auftretende Erosion zu Gewässerbelastungen mit Pestizidresten und Düngerphosphaten führen kann, wenn damit belastete Erde in die Gewässer abgeschwemmt wird (Botschaft GSchG 1987, 1123). Es entspricht deshalb dem Zweck von Art. 27 Abs. 1 GSchG genau so wie von Art. 33 Abs. 2 USG, dass Massnahmen gegen die Verdichtung des Bodens im engeren Sinne und gegen die Erosion im weiteren Sinne getroffen werden.

 

2.             Bodenschutz

12. Ein wichtiger Parameter einer dem Stand der Technik entsprechenden Bodenbewirtschaftung wird in der langfristigen Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit i.S.v. Art. 33 Abs. 1 USG (mit Verweis auf das GSchG) zu sehen sein. Mit dem Element der Langfristigkeit wird zugleich auch der Grundsatz der Nachhaltigkeit angesprochen. Unter Nachhaltigkeit wird hier ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen Verfügbarkeit und Erneuerungsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen andererseits verstanden. Weil sich der Boden von Belastungen – wenn überhaupt – nur sehr langsam erholt und echte Bodensanierungen aus verschiedenen Gründen kaum realistisch sind (Tschannen, Kommentar USG, Art. 34 N 41 f.), läuft die Vorgabe der Langfristigkeit darauf hinaus, Bodenbelastungen nach Möglichkeit überhaupt zu vermeiden.

 

B.            Kompetenz des Bundesrats (Abs. 2)

13. Von der hier eingeräumten Verordnungskompetenz hat der Bundesrat mit Erlass von Anh. 4 Ziff. 212 GSchV Gebrauch gemacht und die Kantone verpflichtet, zum Schutz des Wassers erforderliche Massnahmen zu ergreifen, wenn bei der Bodenbewirtschaftung wegen der Abschwemmung oder Auswaschung von Stoffen, Pflanzenbehandlungsmitteln oder Dünger und diesen gleichgestellten Erzeugnissen in den Zuströmbereichen Zu und Zo Gewässer verunreinigt werden. Die Kantone können dann namentlich die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger sowie die acker‑ und gemüsebaulichen Produktionsflächen einschränken, einen Verzicht auf einen Wiesenumbruch im Herbst sowie auf eine Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland verlangen oder eine Verpflichtung zur Verwendung besonders geeigneter technischer Hilfsmittel, Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsmethoden statuieren.

14. Ebenfalls gestützt auf die vorliegende Kompetenznorm hat der Bundesrat sodann die Bestimmungen zum Umgang mit Düngern und Pflanzenschutzmittel bei der Bodenbewirtschaftung in der ChemRRV erlassen.

 

Résumé

L’art. 27 LEaux repose sur le principe selon lequel la pollution des eaux ne résulte pas seulement d’un épandage d’engrais négligent ou excessif mais également d’un traitement du sol et de techniques de culture appliqués incorrectement. Cette disposition est libellée dans des termes très généraux et nécessite d’être concrétisée par la jurisprudence et la pratique. L’obligation d’adapter l’exploitation des sols de manière à ne pas porter préjudice aux eaux repose sur la reconnaissance du fait que les pertes d’azote des sols non cultivés sont une cause importante de l’enrichissement des eaux souterraines en nitrate. Divers résultats de recherche mettent en évidence que le risque d’azote peut être réduit en renonçant à labourer en automne et en hiver et en appliquant un semis sous litière ou direct. Outre les composés d’azote, certains groupes de pesticides, notamment les herbicides, peuvent aussi, par lessivage, atteindre les eaux souterraines. Il a également été observé que l’érosion, consécutivement au compactage des sols, dû à l’utilisation de lourdes machines agricoles ou à l’abandon de terres arables, pouvait aboutir à une pollution des eaux par les résidus de pesticides et les phosphates des engrais lorsque la terre contaminée est entrainée par ruissellement dans l’eau.

Le Conseil fédéral a fait usage de la compétence de légiférer par voie d’ordonnance prévue à l’al. 2 en adoptant l’annexe 4 chif. 212 OEaux. Cette disposition requière des cantons de définir les mesures nécessaires pour assurer la protection des eaux lorsque les eaux sont polluées par l’exploitation des sols dans les aires d’alimentation Zu et Zo, du fait de l’entraînement par le ruissellement et par le lessivage de substances telles que des produits phytosanitaires ou des engrais.

 

Literatur: Widmer Dreifuss Thomas, Planung und Realisierung von Sportanlagen – Raumplanerische, baurechtliche und umweltrechtliche Aspekte beim Bau und der Sanierung von Sportanlagen, Zürich 2002 (zit. Sportanlagen).

Briguet Julien | Grandjean Gilda​

 

 

Mesures appliquées aux eaux

Si, pour une eau, les mesures prévues aux art. 7 à 27 ne suffisent pas à remplir les exigences de qualité des eaux (art. 9, al. 1), les cantons veillent à ce que des mesures complémentaires soient appliquées directement à cette eau.

Massnahmen am Gewässer

Reichen bei einem Gewässer die Massnahmen nach den Artikeln 7–27 nicht aus, um die Anforderungen an die Wasserqualität (Art. 9 Abs. 1) zu erfüllen, so sorgt der Kanton dafür, dass zusätzlich Massnahmen am Gewässer selbst getroffen werden.

Provvedimenti concernenti le acque

Se i provvedimenti secondo gli articoli 7 a 27 non permettono di soddisfare le esigenze di qualità delle acque (art. 9 cpv. 1), il Cantone provvede affinché siano applicati provvedimenti supplementari alle acque medesime.

 

 

Table des matières

Historique 1
II. Remarques générales 2
III.​ Commentaire 3
A. Subsidiarité 4
B. ​Mesures complémentaires pour répondre aux exigences de qualité 5

 

 

I.              Historique

1. A la fin des années quatre-vingt, il a été constaté que les mesures prises en vue de réduire l’apport de phosphates dans les eaux ont permis une certaine amélioration de la qualité des eaux sans que cette dernière s’avère toutefois complètement suffisante. En effet, malgré l’épuration des eaux, les mesures adoptées dans l’agriculture et l’interdiction des phosphates dans les lessives, il n’était pas possible de restaurer la qualité souhaitée des eaux, notamment de certains lacs. A l’époque, par exemple, il a été relevé que les lacs de Baldegg (LU), de Sempach (LU), de Lugano (TI) ou de Morat (FR et VD) posaient problème (Message LEaux 1987, 1147).

 

 

II.           Remarques générales

2. Dans certains cas, les exigences légales en matière de protection des eaux ne sont pas suffisantes pour atteindre la qualité souhaitée. Aussi, l’art. 28 LEaux rétrocède aux cantons la compétence de prendre des mesures complémentaires pour qu’une eau qui ne correspond pas aux exigences de l’art. 9 LEaux dispose enfin de la qualité requise. Dans ce cas, les cantons doivent prendre les mesures nécessaires directes et plus appropriées aux circonstances, afin de remédier aux problèmes concrets posés par cette eau. Comme l’assainissement des eaux usées est dans la plupart des cas l’affaire des communes, c’est à celles-ci qu’il incombe finalement de réaliser ces tâches sous la surveillance du canton.

III.        Commentaire

3. Tant que les mesures de protection et d’assainissement des eaux (par exemple, en ce qui concerne l’agriculture, et la gestion du sol) ne sont pas suffisantes, d’autres mesures doivent être automatiquement entreprises pour atteindre les exigences requises en matière de qualité des eaux. La procédure de l’art. 47 de l’OEaux est applicable (Stutz, Abwasserrecht, 131).

 

A.           Subsidiarité

4. L’intervention des cantons reste subsidiaire. Ils ne sont appelés à apporter des mesures complémentaires que si, dans un cas concret, ces dernières ont un impact plus efficace sur la qualité des eaux que celles prescrites aux art. 7 à 27 LEaux.

B.            Mesures complémentaires pour répondre aux exigences de qualité

5. L’art. 28 LEaux mentionne des mesures appliquées aux eaux. Ces mesures complémentaires devront être prises, quand, malgré l’épuration des eaux usées ainsi que l’interdiction de substances polluantes ou pouvant le devenir, la qualité des eaux des cours d’eau, spécialement celle des lacs, ne pourra pas être améliorée dans un délai convenable. Ces mesures complémentaires visent tant les eaux superficielles, soit les eaux de surface, les lits, les fonds et les berges que les eaux souterraines comprenant eaux du sous-sol, formations aquifères ainsi que le substratum imperméable et les couches de couverture. Dans le cas particulier des lacs, les mesures complémentaires des cantons et des communes peuvent notamment consister à insuffler de l’air à l’intérieur de ces derniers, ou opérer des brassages artificiels de leurs eaux (OFEFP, Zustand Seen, 17; Knoepfel/Zimmermann, Gewässerschutz, 71). Il existe encore d’autres mesures à prendre comme procéder à l’augmentation du débit ou entreprendre la dérivation des eaux profondes fortement polluées. Il ne faut toutefois pas perdre de vue que ces actions permettent seulement de lutter contre les symptômes sans enrayer les causes. En effet, aussi longtemps que les cours d’eau qui se déversent dans les lacs seront pollués, les eaux de ces derniers le seront également (Hunger, Sanierungspflicht, 221). Il faut de plus considérer les risques de pollution des eaux causés par l’exploitation des sols, notamment par le ruissellement d’engrais ou de produits pour le traitement des plantes pouvant nécessiter la prise de mesures complémentaires.

6. Dans l’exercice de cette compétence, les cantons peuvent adopter des plans de mesures. Ces derniers visent à prendre les mesures nécessaires et les coordonner, afin de les appliquer de manière pertinente pour qu’elles soient le plus efficace possibles. Cette planification vise à identifier les déficits existants, à fixer des buts de développement ainsi qu’à lister les mesures nécessaires. Il s’agit donc essentiellement d’un instrument de planification qui vise à proposer un catalogue de mesures à court et moyen terme permettant de résoudre les manquements identifiés. Il ne s’agit pas d’une simple cartographie des manquements mais bien plus d’une présentation concrète et complète en terme géographique, temporel et financier d’un problème particulier.

7. Les coûts de ce type de mesures sont supportés de manière variable. En effet, les mesures spécifiques sont financées par les instances chargées de les mettre en œuvre. Il peut s’agir des autorités cantonales, de communes voire même de privés en fonction du cas d’espèce.

8. Le développement d’un tel plan n’est toutefois pas obligatoire. En effet, l’art. 28 LEaux, contrairement à l’art. 44a LPE réglant les plans de mesures relatifs aux pollutions atmosphériques, n’établit pas une obligation à la charge de l’autorité compétente, en ce cas les cantons, d’établir dans un délai déterminé un plan de mesures à prendre pour réduire les atteintes identifiées.

 

 

Zusammenfassung

Wenn die Schutzmassnahmen sowie die Abwasserreinigung nicht ausreichen, um die Anforderungen an die Wasserqualität zu erfüllen, müssen die Kantone dafür sorgen, dass zusätzliche Massnahmen am Gewässer selbst getroffen werden. Dabei dürfen die Kantone nur bei Vorliegen eines konkreten Falles ergänzend tätig werden und wenn durch die gesetzlich vorgesehene Massnahmen die Wasserqualität der Gewässer, insbesondere die der Seen, nicht innert angemessener Frist verbessert werden kann. Ein Beispiel für eine solche Massnahme ist die Belüftung von Seen.

 

Bibliographie: Knoepfel Peter/Zimmermann Willi, Gewässerschutz in der Landwirtschaft: Evaluation und Analyse des föderalen Vollzugs, Bâle 1993 (cit. Gewässerschutz); Passardi Marco, Kommunale Rechnungslegung und Finanzmanagement, th. Zurich 2003 (cit. Kommunale Rechnungslegung).

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement, des forêts et du paysage (OFEFP) (édit.) (Rédigé par Liechti Paul), Der Zustand der Seen in der Schweiz, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 237, Berne 1994 (cit. Zustand Seen).

2. Kapitel: Sicherung angemessener Restwassermengen

Huber-Wälchli Veronika​

 

Kapitel: Sicherung angemessener Restwassermengen/ Chapitre 2: Maintien de débits résiduels convenables

 

Inhaltsübersicht

Bedeutung der Restwasservorschriften 1
​II.  ​ Entwicklung des Rechts zu Restwassermengen 5
A. Frühere Vorschriften zum quantitativen Gewässerschutz 5
​B. ​Verfassungsgrundlage ​9
​C. ​Expertenkommissionen und Entwurf November 1984 17
​D. ​Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» 22
​E. ​Botschaft und Entwurf 1987 26
​F. Parlamentarische Beratungen und Volksabstimmung 28
​G. ​Teilrevision vom 11. Dezember 2009 41
​H. ​Ausblick: Energiestrategie 2050 47
III.   ​ ​Konzept zur Sicherung angemessener Restwassermengen 53
​A. ​Bewilligungspflicht für Wasserentnahmen kombiniert mit Kontrollen 53
​B. ​Die Systematik von Art. 31–35 GSchG 56
1. Grundstruktur für den Regelfall: Zweistufiges Verfahren 56
2. Besondere Konstellationen 63
C. Zwei Sonderfälle 64
D. Adressaten der Gesetzesbestimmungen 65
IV. Verhältnis zu anderem Recht 67
​A. ​Bundesrecht 67
​B. ​Kantonales Ausführungsrecht 71
​C. ​Internationales und europäisches Recht 73
​V. ​Würdigung 77

 

 

I.              Bedeutung der Restwasservorschriften

1. Der 2. Titel des GSchG von 1991 enthält Vorschriften zur Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen. Während es beim 1. Kapitel des 2. Titels um die Reinhaltung der Gewässer (qualitativer oder gütemässiger Gewässerschutz) geht, bezweckt das 2. Kapitel des 2. Titels die Sicherung angemessener Restwassermengen und damit den sog. quantitativen oder mengenmässigen Gewässerschutz (Botschaft GSchG 1987, 1084; zu diesem Begriff Eckert, Restwassermengen, 3 ff., m.H.; Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 47, 50). Das 3. Kapitel betreffend Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Auswirkungen auf Gewässer hat sowohl quantitative als auch qualitative Zielsetzungen (Botschaft GSchG 1987, 1084Vor Art. 36a GSchG N 10 f., 19).

2. In den Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 über die Revision des Gewässerschutzgesetzes begründete der Bundesrat die Notwendigkeit eines revidierten GSchG wie folgt: Weil viel Wasser zur Nutzung abgeleitet werde oder Ufer verbaut worden seien, könnten viele unserer Bäche und Flüsse ihre natürliche Funktion als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als Erholungsgebiet für Menschen nicht mehr erfüllen (Bundesrat, Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992, 15). Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Wasserkraftnutzung in der Schweiz durch den Bau und Ausbau zahlreicher grosser Speicheranlagen in den Alpen und durch den Bau weiterer Laufkraftwerken stark ausgebaut (Einzelheiten bei Jagmetti, Energierecht, N 4102). Zwischen 1950 und 1970 erhöhte sich die maximal mögliche Leistung ab Generator der grossen Wasserkraftanlagen auf mehr als das Dreifache (von 2’955 auf 9’628 MW), die mittlere Produktionserwartung pro Jahr auf mehr als das Doppelte (von 13’052 auf 30’337 GWh) (vgl. BFE, Wasserkraftanlagen der Schweiz 1916–2014, 1 ff.). Diese intensive Nutzung stiess mit der Zeit mehr und mehr auf Widerstand (Einzelheiten bei Jagmetti, Energierecht, N 4104), führte sie doch in vielen Fällen zu einer mindestens zeitweisen Trockenlegung von Bächen und Flüssen, denen alles oder fast alles Wasser zur Herstellung von Energie entzogen wurde. Wie der damalige Direktor des Eidg. Amtes für Wasserwirtschaft 1973 feststellte, wurde der Nutzbarmachung der Wasserkräfte vorgeworfen, «Naturschönheiten zerstört, den natürlichen Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht gebracht, Gewässerstrecken trocken gelegt, die Fischerei geschädigt und die Verunreinigung ober‑ und unterirdischer Gewässer nachteilig beeinflusst zu haben» (Zurbrügg, Wasserwirtschaft, 60).

3. Anfang der 1990er-Jahre waren direkt unterhalb von rund 1’500 Fassungen zur Wasserkraftnutzung rund 80 % der Fliessgewässer während eines Teils des Jahres oder ganzjährig trockengelegt (Botschaft Lebendiges Wasser 2007, 5515 f.). Die Restwasserbestimmungen des GSchG sollten die Trockenlegung von Fliessgewässern in Zukunft verhindern – nicht als Selbstzweck, sondern im Interesse der Tiere und Pflanzen, die auf wasserabhängige Lebensräume angewiesen sind, zur Erhaltung der einheimischen Fischpopulationen, zur Wahrung der landschaftlichen Schönheiten sowie zur Sicherstellung weiterer Funktionen, die ein Gewässer, das wenig und zeitweise kein Wasser führt, nicht erfüllen kann.

4. Wasserentnahmen und die damit verbundene Reduktion der Abflüsse haben vielfältige nachteilige Auswirkungen auf die Fliessgewässer und die von ihnen abhängigen Lebensräume und ‑gemeinschaften. Die Reduktion der Abflussmenge führt i.d.R. zu einer Abnahme der vom Wasser benetzten Breite sowie zu einer Abnahme der Wassertiefe und damit zu einer Verkleinerung der vom Gewässer abhängigen Lebensräume. Weiter nehmen die Fliessgeschwindigkeiten ab und es resultiert eine Wasserführung ohne die natürlicherweise vorhandenen Schwankungen (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 45). Die sog. Variabilität der Abflüsse wird herabgesetzt und das Abflussgeschehen monoton. Die reduzierte Schleppkraft des Wassers und das Fehlen von Hochwassern tragen zu vermehrter Ablagerung von Feinmaterial in der Flusssohle (Kolmatierung) bei. Dadurch nimmt die Strukturvielfalt der Gewässersohle ab. Reduzierte Abflussmengen verursachen weiter Änderungen des Temperaturregimes des Gewässers sowie der Wasserqualität. Die Monotonisierung des Abflussgeschehens bei stark reduzierten Abflussmengen führt zu deutlichen Veränderungen der Gewässermorphologie, zu grundlegenden Veränderungen der von Fliessgewässern abhängigen Lebensräume und dadurch auch zu einer Umgestaltung der Lebensgemeinschaften (zum Ganzen Bundi/Eichenberger, Restwasseranforderungen, 23; BUWAL, Gewässerökologische Anforderungen, 1 ff.; BUWAL, Auswirkungen auf die Pflanzenwelt, 1 ff, 33 ff., 79 ff.; VAW, Gebirgsbäche, 11 f.; Schlussbericht Akeret, 118 ff.).

 

 

II.           Entwicklung des Rechts zu Restwassermengen

A.           Frühere Vorschriften zum quantitativen Gewässerschutz

5. Nach Art. 22 WRG, in Kraft seit dem 1. Januar 1918, sind Wasserkraftwerke so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild nicht oder möglichst wenig stören (Abs. 1). Naturschönheiten sind zu schonen und da, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert zu erhalten (Abs. 2). Es ist offensichtlich, dass das landschaftliche Bild eines Gewässers wesentlich von dessen Wasserführung abhängt. In der Praxis der Konzessionserteilung hat Art. 22 WRG jedoch nur eine geringe Wirkung entfaltet (Rausch, Umweltschutzgesetzgebung, 42 f.; zu den möglichen Gründen vgl. Zurbrügg, Wasserwirtschaft, 61 f.).

6. Das NHG regelte in seiner ersten Fassung, die am 1. Januar 1967 in Kraft trat, den Schutz von flussnahen Biotopen, wie z.B. Ufervegetation und Auen in Art. 18 Abs. 1 gemeinsam mit dem Artenschutz. Es zeigte sich aber bald, dass sich mit dieser programmatischen Rechtsgrundlage ein Schutz der Biotope nicht verwirklichen liess (Fahrländer, Kommentar NHG, Art. 18 N 1).

7. Art. 23 WRG verpflichtet die Werkbesitzer, zum Schutze der Fischerei die geeigneten Einrichtungen zu erstellen, sie notfalls zu verbessern, sowie überhaupt alle zweckmässigen Massnahmen zu treffen. Diese Bestimmung ist zu unbestimmt formuliert, um einen wirksamen Schutz der Fische zu erreichen. Die Revision des Fischereigesetzes im Jahr 1973 war eine der ersten Reaktionen auf die übermässigen Wasserentnahmen für die Wasserkraftnutzung während langer Jahre (Botschaft BGF 1973, 679, 688–690 zu Art. 23 f. E-BGF 1973, die Art. 24 f. BGF 1973 entsprechen). Art. 24 BGF 1973 (inhaltlich nahezu identisch mit dem heutigen Art. 8 BGF) unterstellte u.a. Wasserentnahmen der Bewilligungspflicht. Die zuständigen Behörden wurden durch Art. 25 Abs. 1 BGF 1973 (inhaltlich nahezu identisch mit Art. 9 BGF) u.a. verpflichtet, bei neuen Anlagen und solchen, die erweitert oder instand gestellt werden, alle Massnahmen vorzuschreiben, die geeignet sind, günstige Lebensbedingungen für die Wassertiere zu schaffen. Geeignet sind hierfür z.B. Massnahmen hinsichtlich der Mindestabflussmenge bei Wasserentnahmen und der Fliessgeschwindigkeit. Weiter war die freie Fischwanderung sicherzustellen, die natürliche Fortpflanzung zu ermöglichen, und zu verhindern, dass Fische und Krebse durch bauliche Anlagen oder Maschinen geschädigt werden. Diese Bestimmungen erwiesen sich in Bezug auf die Sicherstellung angemessener Restwassermengen als beschränkt wirksam. Die zuständigen Behörden gaben im Rahmen der Gesamtinteressenabwägung (Art. 25 Abs. 2 BGF 1973) häufig «anderen Interessen» den Vorzug, sodass weiterhin Wasserentnahmen bewilligt und Konzessionen erteilt wurden, ohne dass ausreichende Mindestabflussmengen angeordnet worden wären.

8. Bereits vor dem Inkrafttreten des GSchG mit den neuen Bestimmungen zum quantitativen Gewässerschutz waren jedoch gestützt auf das BGF 1973 und/oder auf das NHG und aufgrund von Fachgutachten in verschiedenen Fällen nach einer Gesamtinteressenabwägung unterhalb von Wasserfassungen Restwassermengen bzw. Mindestabflussmengen bei der Fassung (Art. 25 Abs. 1 Bst. a BGF 1973) oder Dotierwassermengen festgelegt worden (Eckert, Restwassermengen, 57, 108 f.; Jagmetti, Energierecht, N 4232; vgl. auch BGE 117 Ib 178 [Nesslau], E. 4; 112 Ib 424, 429, 437 f. [Val Müstair], E 4a, 6d, 7, 8b; 107 Ib 140 [Ilanz I], Sachverhalt).

 

B.            Verfassungsgrundlage

9. Die Gewässerschutzgesetze von 1955 und 1971 beruhten auf Art. 24quater BV 1874 aus dem Jahr 1953. Danach war der Bund befugt, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der ober‑ und unterirdischen Gewässer gegen Verunreinigung zu erlassen. Das erste GSchG erwies sich als wenig wirksam (Rausch, Umweltschutzgesetzgebung, 69 ff.). Im Jahr 1967 wurde die Volksinitiative «Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung» eingereicht, mit welcher der bisherige Art. 24quater BV 1874 durch eine umfassendere Bestimmung ersetzt werden sollte. Der Bund sollte verpflichtet werden, u.a. gesetzliche Vorschriften erlassen, um die ober‑ und unterirdischen Gewässer «wirksam und dauernd vor jedem schädigenden Einfluss mengen‑ und gütemässig zu schützen». Das GSchG 1971 (zu dessen Zielsetzung s. Rausch, Umweltschutzgesetzgebung, 71 ff.) stellte einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative dar, die 1972 zurückgezogen wurde. Für den Erlass von Restwasserbestimmungen genügte Art. 24quater BV 1874 in der Fassung von 1953 nicht als Verfassungsgrundlage (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 47).

10. Die Entstehung der Restwasserbestimmungen des GSchG ist eng mit der Neufassung des Wasserwirtschaftsartikels Art. 24bis BV 1874 (heute Art. 76 BV) verknüpft, die durch eine Motion von Ständerat Rohner vom 23. Juni 1965 eingeleitet wurde, und welchem Volk und Stände im Jahr 1975 zustimmten (Darstellung der Entstehungsgeschichte bei Eckert, Restwassermengen, 18 ff.). Mit der Neufassung sollten die früher verstreuten Bundesbefugnisse, die das Wasser betreffen (darunter der frühere Art. 24quater BV 1874), zusammengefasst und wo nötig erweitert werden.

11. Art. 24bis Abs. 1 BV 1874 sah vor, dass der Bund zur haushälterischen Nutzung und zum Schutz der Wasservorkommen sowie zur Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers unter Berücksichtigung der gesamten Wasserwirtschaft auf dem Weg der Gesetzgebung im Gesamtinteresse liegende Grundsätze aufstellt über die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen, die Benutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke, die Regulierung von Wasserständen und Abflüssen sowie weitere Eingriffe in den Wasserkreislauf.

12. Abs. 2 verpflichtete den Bund, zum gleichen Zweck in verschiedenen Bereichen Bestimmungen zu erlassen, u.a. über die Sicherung angemessener Restwassermengen (Bst. a). Damit wurde dem Bund in diesem Bereich eine umfassende Gesetzgebungskompetenz eingeräumt.

13. Die Notwendigkeit minimaler Restwassermengen war bei der Revision des Wasserwirtschaftsartikels grundsätzlich anerkannt. So hielt es der Bundesrat für unerlässlich, dem Bund «die Gesetzgebungsbefugnis auch über den rein mengenmässigen Schutz der Gewässer einzuräumen» (Botschaft Wasserwirtschaft 1972, 1171). Als verfassungsmässige Grundlage hielt er jedoch eine Bestimmung für ausreichend, die lediglich vorsah, dass der Bundesrat zur Gewährleistung einer umfassenden Bewirtschaftung der Wasservorkommen, insbesondere der haushälterischen Nutzung und des mengen‑ und gütemässigen Schutzes der Gewässer, gesetzliche Bestimmungen über die Erhaltung der Wasservorkommen und deren Schutz vor Verunreinigung sowie die Sanierung der Gewässer aufstellt (Entwurf des Bundesrats für Art. 24bis Abs. 1 Bst. c, in: Botschaft Wasserwirtschaft 1972, 1162 f.). Die ausdrückliche Verpflichtung zum Erlass von Bestimmungen zur Sicherung angemessener (auf Französisch «convenable» und nicht etwa «suffisant») Restwassermengen wurde erst im Verlauf der parlamentarischen Beratungen in den Verfassungstext aufgenommen (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 50, insb. Fn 236).

14. Nach Art. 24bis Abs. 5 BV 1874 oblag der Vollzug der Bundesvorschriften den Kantonen, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.

15. Abs. 6 beauftragte den Bund, bei der Ausübung seiner Kompetenzen die Bedürfnisse der Wasserherkunftsgebiete und der betreffenden Kantone zu beachten und deren Entwicklungsmöglichkeiten zu wahren.

16. Am 7. Dezember 1975 stimmten Volk und Stände dem revidierten Art. 24bis BV mit grossen Mehr zu (BBl 1976 I 374). Mit der Totalrevision der BV 1874 vom 18. April 1999 wurde Art. 24bis BV 1874 in Art. 76 BV mit der Überschrift «Wasser» neu formuliert. Die Bestimmung blieb inhaltlich weitgehend unverändert, wurde jedoch redaktionell gestrafft (zu den Unterschieden:
Eckert, Restwassermengen, 20; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 376; Wyer, Rechtsfragen Wasserkraftnutzung, 16 f.).

 

C.           Expertenkommissionen und Entwurf November 1984

17. Eineinhalb Jahre nach der Annahme von Art. 24bis BV 1874 wurde mit den ersten Expertenarbeiten im Hinblick auf die Gesetzgebung begonnen: 1977 setzte der Bundesrat die interdepartementale Arbeitsgruppe Restwasser unter dem Vorsitz von Nationalrat Erwin Akeret, ZH, ein. Diese erhielt den Auftrag «Thesen zu erarbeiten, die eine oder mehrere Möglichkeiten aufzeigen, wie das Problem der Restwassermengen und seine Teilaspekte in der Gesetzgebung und in Einzelfällen einer Lösung entgegengeführt werden können» (Schlussbericht Akeret, 2). Die Arbeitsgruppe lieferte im August 1982 ihren Schlussbericht ab, in welchem verschiedene Teilaspekte der Restwasserproblematik (Fischerei, Landschaftsökologie und ‑ästhetik aus Sicht Natur- und Heimatschutz, Abwasserbelastung und Gewässerzustand, Erhaltung der Grundwasservorkommen, Landwirtschaft, Flussbau und Hochwasserschutz, Wasserkraftnutzung sowie Raumplanung) aus fachlicher Sicht untersucht und Kriterien für die Bestimmung von Restwassermengen erarbeitet wurden (Schlussbericht Akeret, 21 ff., 29 ff.). Der Bericht enthielt zudem mögliche Lösungsansätze aus der Sicht des damaligen Bundesamtes für Umweltschutz (Schlussbericht Akeret, 367 ff., Eckert, Restwassermengen, 21, Fn. 83).

18. Das EDI und das EVED hatten 1978 eine Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» unter Leitung von Regierungsrat Willi Geiger, SG, eingesetzt. Diese befürwortete in ihrem Schlussbericht vom April 1980 eine gesetzliche Regelung der Restwasserfrage im Rahmen bestehender Gesetze (GSchG, BGF, allenfalls WRG; Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, IX f., 66 ff.; Eckert, Restwassermengen, 21 f.).

19. Im Dezember 1982 setzte das EDI zur Vorbereitung einer Revision des GSchG 1971 eine ausserparlamentarische Kommission unter Leitung von Ständerat Jean-Francois Aubert, NE, ein. Die Kommission wurde u.a. damit beauftragt, das GSchG mit Bestimmungen über den quantitativen Gewässerschutz und über die Beschaffung hydrologischer Unterlagen zu ergänzen (Botschaft GSchG 1987, 1081; Eckert, Restwassermengen, 24 f.). Knapp zwei Jahre später lag der Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer vom November 1984 vor. Dessen 2. Kapitel, Sicherung von Restwasser in Fliessgewässern (Art. 26–35 E-GSchG 1984), enthält inhaltlich weitgehend die heute geltenden Bestimmungen zur Sicherung angemessener Restwassermengen, ist aber anders strukturiert. Unterschiede bestehen auch hinsichtlich der Bewilligungspflicht (Art. 28 E-GSchG 1984), wobei deren Umfang ähnlich war wie heute. Vorgesehen war zudem, für bewilligungspflichtige Wasserentnahmen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (Art. 29 i.V.m Art. 28 und 26 Abs. 1 E-GSchG 1984; zum Vernehmlassungsverfahren und dessen Ergebnissen s. Botschaft GSchG 1987, 1081 ff.).

20. Zur Erfüllung des Verfassungsauftrags waren im Hinblick auf den Entwurf 1984 vier Lösungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen worden (Botschaft GSchG 1987, 1087 ff.; EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 6 ff.):

(1)Einteilung der Fliessgewässer je nach ihrer Schutzwürdigkeit in drei Klassen, entsprechend der abnehmenden Schutzwürdigkeit ist keine Wasserentnahme oder die Entnahme von höchstens 50 % oder bis zu 90 % der Wasserführung zulässig;

(2) Festlegung von Restwasservorschriften, die generell für alle Fliessgewässer gelten, durch den Bund;

(3) Festlegung angemessener Restwassermengen aufgrund einer Interessenabwägung durch die Kantone, wobei sich der Bund darauf beschränkt, die Kantone anzuweisen, wie sie dabei vorgehen müssen;

(4) Kombination der Lösungen (2) und (3): Festlegung konkreter Mindestrestwassermengen für alle Gewässer durch den Bund; Erhöhung durch die Vollzugsbehörden im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung.

21. Lösung (1) wurde als zu pauschal und wegen der notwendigen ökologischen Bewertung von 42’000 km Fliessgewässer als zu aufwendig beurteilt. Lösung (2) wird dem Einzelfall nicht gerecht. Lösung (3) entsprach weitgehend der geltenden Praxis: Deshalb war absehbar, dass mit einer Regelung, welche einzig auf das kantonale Ermessen abstellt, der Verfassungsauftrag, auf dem Weg der Gesetzgebung für die Sicherung angemessener Restwassermengen zu sorgen, nicht erfüllt würde. Deshalb wurde Lösung (4) weiter verfolgt (Art. 26–35 E-GSchG 1984).

 

D.           Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer»

22. Am 9. Oktober 1984 war die eidgenössische Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» eingereicht worden. Das Initiativkomitee bestand aus dem Fischereiverband, acht Umweltorganisationen und verschiedenen, auch bürgerlichen Politikern (Linder/Bolliger/Rielle, Volksabstimmungen, 487). Der ausgearbeitete Entwurf für einen neuen Art. 24octies BV 1874 verlangte einen umfassenden Schutz natürlicher, noch weitgehend ursprünglicher Gewässer und Gewässerabschnitte (Abs. 1). Eingriffe in bereits belastete, aber noch naturnahe Gewässerabschnitte sollten beschränkt und belastete Gewässer saniert werden, sofern dies aus ökologischer oder landschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist (Abs. 2–3). Eingriffe in Gewässer sollten schonend durchgeführt und auf das unerlässlich Nötige beschränkt werden (Abs. 4–5). Bei neuen und bestehenden Stauhaltungen und Wasserentnahmen sollte dauernd und auf der ganzen Länge der Fliessstrecke eine ausreichende Wasserführung gewährleistet sein (Abs. 6).

23. Der vorgeschlagene Art. 24octies BV 1874 sah weiter vor, dass die Schmälerung wohlerworbener Rechte nach Massgabe von Art. 22ter BV entschädigt werden und der Bund für die Abgeltung entschädigungspflichtiger Eigentumsbe-schränkungen einen Fonds einrichten sollte, den die Besitzer von Wasserkraftwerken zu speisen haben (Abs. 7).

24. Als Sofortmassnahme schlug der Bundesrat mit Botschaft vom 25. Februar 1987 den unverzüglichen Schutz der noch unverbauten Bergbäche vor. Die Bundesversammlung verzichtete jedoch Ende 1987 darauf, noch vor dem Erlass des GSchG später festzulegende Restwassermengen in einem Bundesbeschluss vorzubehalten (Jagmetti, Energierecht, N 4232, Fn 323).

25. Mit Botschaft vom 29. April 1987 hatte der Bundesrat die Ablehnung der Volksinitiative beantragt und eine Totalrevision des GSchG vorgelegt. Am 6. Oktober 1989 empfahlen der Ständerat (mit 37 zu 6 Stimmen) und der Nationalrat (mit 79 zu 69 Stimmen) Volk und Ständen, die Initiative abzulehnen (AB 1989 S 622; AB 1989 N 1804).

 

E.            Botschaft und Entwurf 1987

26. Mit Art. 24bis Abs. 2 Bst. a BV 1874 (heute Art. 76 Abs. 3 BV) wurde der Bundesgesetzgeber verpflichtet, Bestimmungen zur Sicherung angemessener Restwassermengen zu erlassen. Dabei musste er alle im Ingress von Art. 24bis Abs. 1 BV 1874 erwähnten Zielsetzungen berücksichtigen (vgl. N 11), d.h. die haushälterische Nutzung der Wasservorkommen, deren Schutz und die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers. Wo diese Zielsetzungen ein-ander zuwiderlaufen, hatte bereits der Gesetzgeber eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Restwasservorschriften durften also nicht ausschliesslich auf den Schutz der Wasservorkommen abgestimmt sein; die Nutzungsinteressen waren gleichermassen zu berücksichtigen. Die Regelung musste zudem im Gesamtinteresse liegen, durfte also auch weitere wichtige Interessen, etwa solche des Natur‑ und Heimatschutzes oder volkswirtschaftliche Interessen nicht ausser Acht lassen. Der zentrale Gedanke des Verfassungsgebers war mithin, bei der Festlegung der Restwasserbestimmungen weder den Schutz‑ noch den Nutzinteressen eine absolute Priorität einzuräumen; auch durfte kein relevantes Interesse gänzlich übergangen werden (Griffel, Grundprinzipen, N 390; Botschaft GSchG 1987, 1078). Daraus ergibt sich der Auftrag zur Abwägung der – zum Teil gegenläufigen – Anliegen bei der Gesetzgebung und über diese hinaus bei der Rechtsanwendung (Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis N 2). Beim Erlass von Vorschriften über die Sicherung angemessener Restwassermengen mussten weiter die Vielfalt der Verhältnisse bei den Gewässern, der in der Verfassung umschriebene Auftrag zu einer im Gesamtinteresse liegenden Lösung und die Tatsache, dass zahlreiche Wasserentnahmen bereits bestanden und durch Wassernutzungsrechte geschützt sind, berücksichtigt werden (Botschaft GSchG 1987, 1087).

27. Zur Erfüllung des Verfassungsauftrags waren bereits für den Entwurf 1984 vier Varianten für eine Lösung betrachtet worden (vgl. N 20 f.) Die vom Bundesrat vorgeschlagenen und vom Parlament fast unverändert angenommenen Restwasserbestimmungen (vgl. N 56 ff.) entsprechen der kombinierten Lösung (4): Festlegung konkreter Mindestrestwassermengen für alle Gewässer durch den Bund; Erhöhung durch die Vollzugsbehörden im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung. Damit sollte der Einfluss des Bundes bei der Bestimmung der Restwassermengen gesichert und den Kantonen dennoch ein erheblicher Handlungsspielraum einräumt werden.

 

F.             Parlamentarische Beratungen und Volksabstimmung

28. Das GSchG, wie es in der Schlussabstimmung am 24. Januar 1991 – nach mehreren Differenzbereinigungen – schliesslich angenommen wurde (vgl. Pestalozzi, Restwassermengen, 712) entspricht mit wenigen Abweichungen zugunsten von Nutzungsinteressen (Komm. zu Art. 32 GSchG N 7Komm. zu Art. 33 GSchG N 3Komm. zu Art. 36 GSchG N 3, 6) dem Entwurf des Bundesrats für das Kapitel Sicherung angemessener Restwassermengen (Art. 29–36 E-GSchG 1987).

29. Die mehr als zwei Jahre dauernde Behandlung der Vorlage ist einerseits auf die Diskussionen im Zusammenhang mit der Einführung einer gesetzlichen Grundlage für Ausgleichsbeiträge beim Verzicht auf die Wasserkraftnutzung zurückzuführen (Jagmetti, Energierecht, N 4326 ff., 9410; Eckert, Restwassermengen, 28, Fn 109). Dieses Anliegen wurde schliesslich durch eine Ergänzung von Art. 22 WRG mit den Abs. 3–5 (Art. 75 Ziff. 6 GSchG) und die gestützt darauf erlassene VAEW erfüllt.

30. Andererseits war der Umfang der Wasserentnahme umstritten. Es bestanden ungewöhnlich tief greifende Meinungsverschiedenheiten zwischen Stände‑ und Nationalrat betreffend die Vorschriften zur Sicherung angemessener Restwassermengen, wobei der Ständerat die Vorschriften zugunsten der Nutzung wesentlich lockern (Eckert, Restwassermengen, 28 f.) und der Nationalrat den Schutz verstärken wollte. Umstritten waren insbesondere Art. 31 Abs. 1 und Art. 32 GSchG. Gemäss dem Entwurf des Bundesrats sollte eine Wasserentnahme bewilligt werden dürfen, wenn die Anforderungen nach den Art. 31–35 GSchG erfüllt sind (Art. 30 Bst. a E-GSchG 1987). Art. 31 Abs. 1 E-GSchG 1987 legte eine fixe, zahlenmässige Mindestrestwassermenge in l/s fest, und zwar in Abhängigkeit der Grösse des Gewässers am Ort der Entnahme (Komm. zu Art. 31 GSchG N 25 ff.). Als Mass dafür wurde die Abflussmenge Q347 verwendet (Komm. zu Art. 4 GSchG N 48 ff.).

31. Im Ständerat, der die Vorlage im Oktober 1988 als Erstrat behandelte, beantragte eine Minderheit von drei Vertretern von Bergkantonen die Änderung von Art. 30–35 E-GSchG 1987. Art. 30 (Grundsatz) sollte wie folgt lauten (AB 1988 S 645 f.): «Bei Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung ist eine Restwassermenge zu belassen. Dieser Grundsatz ist sinngemäss zu berücksichtigen bei Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen, welche ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung beeinflussen […].» Damit sollten die als zu schematisch beurteilten, zahlenmässig festgelegten Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 E-GSchG 1987 verhindert werden. Da der Ständerat diesem Antrag nicht folgte, fielen auch die weiteren Minderheitsanträge zu Art. 31 ff. GSchG dahin (AB 1988 S 654).

32.Nachdem der Ständerat zwar an Art. 31 Abs. 1 E-GSchG 1987 festgehalten hatte, erweiterte er die in Art. 32 E-GSchG 1987 vorgesehenen Ausnahmen (AB 1988 S 655 ff., vgl. Komm zu Art. 32 GSchG N 4 ff.): Im Resultat wären bei praktisch jedem Gewässer im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit Ausnahmen von Art. 31 Abs. 1 GSchG möglich gewesen, wenn auch nur mit Zustimmung des Bundesrats. Der Nationalrat lehnte diese Vorschläge im Juni 1989 ab (vgl. AB 1989 N 1027 ff.).

33. Im Nationalrat wurden die vom Bundesrat vorgeschlagenen Restwassermengen als ungenügend beurteilt. Die Räte folgten deshalb einer Minderheit ihrer Kommission, die beantragte, die Bewilligungspflicht nach Art. 29 Abs. 1 E-GSchG 1987 auf Wasserentnahmen aus allen Gewässern – nicht nur aus jenen mit ständiger Wasserführung – auszudehnen (AB 1989 N 1018 ff.; Eckert, Restwassermengen, 49). Bei Art. 31 GSchG beantragte anschliessend eine Minderheit I der Kommission, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Mindestmenge von Abs. 1 bei allen Fliessgewässern – nicht nur jenen mit ständiger Wasserführung – eingehalten werden müsse (AB 1989 N 1022). Eine Minderheit II beantragte, die Mindestmengen seien nicht in Abhängigkeit der Abflussmenge Q347, sondern der Abflussmenge Q300 festzulegen (AB 1989 N 1022). Bis 60 l/s Abflussmenge Q300 sollte die Restwassermenge 50 l/s und für je weitere 10 l/s Abflussmenge Q300 8 l/s mehr betragen, usw. Diese Änderung hätte gemäss Votum von Bundesrat Cotti (AB N 1989 1023) etwa 5 % Energie-Minderproduktion zusätzlich verursacht (vgl. N 38). Während der Antrag der Minderheit I vorerst angenommen wurde (AB 1989 N 1023), wurde jener der Minderheit II sofort abgelehnt (AB 1989 N 1027).

34. Im Dezember 1989 hielt der Ständerat daran fest, dass die Restwasserbestimmungen nur für Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung gelten sollten (AB 1989 S 722 f.); der Nationalrat stimmte im September 1990 zu (AB 1990 N 1668 ff.). Bei Art. 32 GSchG schwächte der Ständerat die Ausnahmen leicht ab (AB 1989 S 723 ff.), der Nationalrat lehnte auch diesen Vorschlag ab (AB 1990 N 591 ff.).

35. Am 29. November 1990 nahm der Ständerat schliesslich Art. 32 in einer Fassung an, die inhaltlich mit einer Ausnahme (1’000 m unterhalb einer Wasserentnahmen gemäss Art. 32 Bst. a anstatt 500 m bei Art. 32 Abs. 1 Bst. b E-GSchG 1987) weitgehend jener des Bundesrats entspricht (AB 1990 S 933 ff.).

36. Neben den Hauptstreitpunkten ergaben sich weitere Diskussionspunkte. Während der parlamentarischen Beratungen über die Restwasserbestimmungen wurde eine Fülle von weiteren Mehrheits‑ und Minderheitsanträgen gestellt. Kein Erfolg beschieden war einem Minderheitsantrag der nationalrätlichen Kommission für einen umfassenden Schutz von natürlichen und naturnahen Gewässern (AB 1989 N 1015 ff., AB 1989 S 720 ff., AB 1990 N 587 ff.). Ebenfalls erfolglos waren Anträge für weitere Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen, u.a. «für die Elektrifizierung von Liegenschaften und Siedlungen, deren Anschluss an ein öffentliches Netz unverhältnismässigen Aufwand erfordern oder das Landschaftsbild belasten würden» und für Kleinwasserkraftwerke bis 0,3 MW zur Sicherstellung eines zweckmässigen und ökologischen Betriebs (AB 1990 N 591). Weitere Anträge werden bei der Erläuterung der einzelnen Artikel behandelt. Der Ständerat nahm das GSchG in der Schlussabstimmung einstimmig (AB 1991 S 50), der Nationalrat mit 140 gegen 3 Stimmen (AB 1991 N 192) an.

37. Das revidierte GSchG stellte den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative «zur Rettung unserer Gewässer» dar. Der Standpunkt des Initiativkomitees gegenüber dem revidierten Gesetz war ablehnend. Die Initiative wurde deshalb nicht zurückgezogen mit der weitgehend zutreffenden Begründung, die zentralen Forderungen der Initiative (vgl. N 22 f.) seien durch das revidierte GSchG nicht erfüllt, insbesondere die Restwasserregelung sei völlig unbefriedigend (NZZ vom 30. Januar 1991, 21). Das Initiativkomitee verzichtete jedoch auf das Referendum gegen das Gesetz, da dieses bei der Bekämpfung der Gewässerverschmutzung Fortschritte bringe.

38. Hingegen ergriff der Interessenverband Schweizerischer Kleinkraftwerk-Besitzer unter Mitwirkung des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes das Referendum gegen das totalrevidierte GSchG. Vor der Volksabstimmung über Initiative und Gesetz tobte ein langer, ungewöhnlich heftig geführter Abstimmungskampf (s. Linder/Bolliger/ Rielle, Volksabstimmungen, 486, 488). Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (damals UR, SZ, OW, GL, GR, TI, VS) lehnte Initiative und Gesetz ab, auf besonderen Widerstand stiessen die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG mit dem Argument, sie seien zu schematisch. Besonders heftig wurde über das Ausmass der zu erwartenden Produktionseinbussen gestritten (Bundesrat, Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992, 18, 22; statt vieler Masüger, Zahlen, 1; Riva, Wohlerworbene Rechte, 180 ff.).

39. Über beide Vorlagen wurde am 17. Mai 1992 abgestimmt. Das GSchG wurde mit 66 % Ja-Stimmen angenommen (BRB Volksabstimmung 17.5.1992, 455), ablehnend waren lediglich die Kantone UR, SZ, OW, GL und VS (mit 37 %, 46 %, 41 %, 47 % und knapp 23 % Ja-Stimmen). In den Kantonen GR und TI wurde das Gesetz mit 61 % und 67 % Ja-Stimmen angenommen. Die Initiative erhielt 37 % Ja-Stimmen und keine einzige Standesstimme (BRB Volksabstimmung 17.5.1992, 459).

40. In einer Untersuchung zur Wirksamkeit von Volksinitiativen im Bund wurden die Wirkungen bzw. der Erfolg der Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» mit Stufe 2 (von sechs Stufen 0 bis 5) als klein beurteilt (Rohner, Volksinitiativen, 205 f., 374). Eine Gewichtung des Erfolgs sei äusserst schwierig. Der Umstand, dass die Gegner der Initiative gegen den indirekten Gegenvorschlag das Referendum ergriffen hätten (vgl. N 38), weil er ihnen zu weit ging, spreche jedoch – gleich wie das Hin und Her im Parlament – eher für eine zu tiefe Einstufung. Dem ist zuzustimmen. Ohne die Initiative «über uns allen» (Votum Cotti [Bundesrat], AB 1989 S 727, vgl. auch AB 1990 N 598), die hinsichtlich Restwasseranforderungen weit über den Vorschlag des Bundesrats hinausging (vgl. N 22), wären diese Bestimmungen wohl deutlich abgeschwächt worden. Entweder wäre Art. 31 Abs. 1 GSchG fallen gelassen worden oder die Ausnahmen in Art. 32 GSchG wären derart erweitert worden, dass Art. 31 Abs. 1 GSchG tatsächlich nur noch den Charakter einer Richtlinie gehabt hätte, wie Ständerat Jagmetti befürchtet hatte (AB 1988 S 649 f., 657). Dann hätten die Restwasser­bestimmungen des revidierten GSchG ebenso wenig Wirkung gezeigt wie die bereits geltenden Bestimmungen, insbesondere Art. 24 f. BGF 1973.

 

G.           Teilrevision vom 11. Dezember 2009

41. Ab 2003 wurden mehrere parlamentarische Vorstösse zur Lockerung der Restwasserbestimmungen eingereicht. Am 20. März 2003 ersuchte Nationalrat Christian Speck, AG, den Bundesrat, mit einer Revision des GSchG die Restwassermengen im Lichte des Klimaschutzes neu zu prüfen und deutlich tiefer anzusetzen (Motion Speck, zur Begründung der Motion und zur Antwort des Bundesrats vom 16. Juni 2003 vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 242). Gleichentags reichte Ständerat Simon Epiney, VS, mit demselben Ziel eine parlamentarische Initiative mit ausformulierten Vorschlägen zur Änderung des GSchG ein, die zu einer wesentlichen Lockerung der Restwasserbestimmungen geführt hätten (Pa. Iv. Epiney CO2-Reduktion): So sollte sich die Angemessenheit der von den Kantonen festzulegenden Restwassermengen nach den Anforderungen des Gewässerschutzes und der Förderung der Wasserkraft als erneuerbare Energie richten. Fixe Restwassermengen (entsprechend Art. 31 Abs. 1 GSchG) sollten nur eingehalten werden müssen, wenn gewisse Anforderungen (entsprechend Art. 31 Abs. 2 GSchG) nicht erfüllt sind. Bei allen Nichtfischgewässern sollten Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen zulässig sein. Die Erhöhung aufgrund einer Interessenabwägung sollte abgeschafft und der Bund nur noch bei Wasserkraftanlagen über 10 MW angehört werden. Am 17. Februar 2004 zog Ständerat
Epiney seine Initiative zurück zugunsten der parlamentarischen Initiative «Restwassermengen» der UREK-S, die am 25. Mai 2004 eingereicht wurde. Diese bezweckte u.a. eine «Flexibilisierung der Ausnahmen für Restwassermengen im Gewässerschutzgesetz (Art. 32 GSchG)» und «Massnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Nutzung der Wasserkraft» (Pa. Iv. UREK-S Restwassermengen). Unter dem Eindruck dieser parlamentarischen Bestrebungen, die «Restwasserbestimmungen […] zu verwässern» beschloss der Schweizerische Fischerei-Verband im Mai 2004 die Lancierung einer Initiative, um Gegensteuer zu geben.

42. Am 3. Juli 2006 wurde die Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)» eingereicht (zu deren Inhalt Hunger, Sanierungspflicht, 242 f.). Daraufhin verschob die UREK-S die Konkretisierung ihrer parlamentarischen Initiative. Der Bundesrat empfahl die Volksinitiative am 27. Juni 2007 zur Ablehnung und verzichtete auf einen Gegenvorschlag mit der Begründung, der vorgeschlagene Verfassungsartikel sei einseitig ökologisch ausgerichtet, die Initiative würde zu hohen Folgekosten für Bund, Kantone und Betreiber von Wasserkraftwerken führen und Art. 76 BV sei eine genügende verfassungsmässige Grundlage für die Anordnung von Renaturierungsmassnahmen (Botschaft Lebendiges Wasser 2007, 5527).

43. Beim Verzicht auf einen Gegenvorschlag bestand durchaus die Chance bzw. das Risiko, dass die Volksinitiative angenommen würde. Zudem stand das Anliegen, die Restwasservorschriften zu lockern, weiterhin im Raum. Deshalb nahmen Stände‑ und Nationalrat Ende 2007 die von Ständerat Epiney am 6. Juni 2007 eingereichte Motion «Renaturierung von Fliessgewässern. Gegenentwurf zur Volksinitiative ‹Lebendiges Wasser›» an. Diese verlangte, auf die Übertragung der Hochspannungsnetze sei ein Zuschlag zu erheben, der zur Finanzierung von Renaturierungsprojekten eingesetzt werden sollte. Am 23. November 2007 reichte die UREK-S schliesslich die parlamentarische Initiative «Schutz und Nutzung der Gewässer» ein. Damit beantragte sie – als indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» – die Ausarbeitung von Gesetzesbestimmungen betreffend die Revitalisierung öffentlicher Gewässer, die Verminderung der negativen Auswirkungen von Schwall und Sunk, neue Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen bei Gewässerabschnitten mit geringem ökologischem Potential unter Berücksichtigung des natürlichen Wasserkreislaufs sowie die besondere Berücksichtigung schützenswerter Kleinwasserkraftwerke bei Restwassersanierungen, die Reaktivierung des Geschiebehaushalts sowie die Finanzierung der Massnahmen (Pa. Iv. UREK-S Schutz).

44. Am 21. Februar 2008 wurde der Aktionsplan «Erneuerbare Energien» des Bundesamtes für Energie (BFE) vorgestellt, der als Massnahme 4a die «Optimierung» des Gewässerschutzgesetzes vorsieht, mit dem Ziel, die noch vorhandenen Potentiale der Wasserkraft nachhaltig zu nutzen, indem «differenzierte Regelungen bei den Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen […] massgeschneiderte Lösungen für das einzelne Wasserkraftwerk garantieren» sollen. Einfacher ausgedrückt sollen zusätzliche Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen zugelassen werden (s. BFE, Strategie Wasserkraftnutzung, 10).

45. Am 12. März 2008 lehnte der Ständerat die am 7. Oktober 2004 vom Nationalrat angenommene Motion Speck ab. Am 12. August 2008 legte die UREK-S einen Entwurf für eine Teilrevision des GSchG im Bereich Renaturierung vor, der auch Änderungen der Restwasserbestimmungen vorsah (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8054, 8058 f.):

·       Eine Erhöhung der Restwassermenge zur Gewährleistung der erforderlichen Wassertiefe sollte nur noch vorgesehen werden, wo die freie Fischwanderung «natürlicherweise» erfolgt (Art. 31 Abs. 1 Bst. d
E-GSchG 2008).

·       Die Ausnahme von den Mindestrestwassermengen bei Fliessgewässern mit Abflussmenge Q347 kleiner als 50 l/s oberhalb 1ʹ700 m ü.M. (Art. 32 Bst. a GSchG 1991) sollte auf Fliessgewässer oberhalb 1ʹ500 m ausgedehnt werden (Art. 32 Bst. a E-GSchG 2008).

·       Ein zusätzlicher Ausnahmetatbestand sollte erlauben, die Mindestrest­wassermengen in Gewässerabschnitten mit geringem ökologischen Potential unabhängig von Lage und Grösse des Gewässers auf einer Länge von 1’000 m unterhalb der Wasserentnahme tiefer anzusetzen (Art. 32 Bst. bbis E-GSchG 2008).

·       Die Pflicht zur Genehmigung von Schutz‑ und Nutzungsplanungen durch den Bundesrat sollte wegfallen (Art. 32 Bst. c E-GSchG 2008).

46. Die Vorschläge betreffend Art. 31 Abs. 1 Bst. d und Art. 32 Bst. c GSchG waren im Parlament erfolglos. Art. 32 Bst. a E-GSchG 2008 wurde abgeschwächt, indem die Ausnahme nur bei Nichtfischgewässern ausgedehnt wurde (Komm. zu Art. 32 GSchG N 32 f., 37) und der neue Art. 32 Bst. bbis GSchG wurde weitgehend unverändert angenommen. Ebenfalls erfolglos war der Antrag einer Minderheit der nationalrätlichen Kommission, in Art. 31 Abs. 2 GSchG im Ingress «Die Restwassermenge […] muss erhöht werden» durch «kann erhöht werden» zu ersetzen (AB 2009 N 646 ff.).

 

H.           Ausblick: Energiestrategie 2050

47. Im Jahr 2011 beschlossen Bundesrat und Parlament den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie. Aus klimapolitischer Sicht ist in der Schweiz auch der Verbrauch fossiler Energien zu hoch. Der Umbau der Schweizer Energieversorgung bis 2050 soll deshalb gemäss dem ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie durch eine Senkung des Energieverbrauchs und eine Erhöhung der Stromproduktion aus Wasserkraft und aus den neuen erneuerbaren Energien (Sonne, Biomasse, Wind usw.) erfolgen (Botschaft Energierecht 2013, 7593 ff., 7623 ff.).

48. Dazu schlägt der Bundesrat die Totalrevision des EnG sowie Anpassungen in weiteren neun Bundesgesetzen vor (zum RPG vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 16). GSchG und NHG sollen nicht geändert werden. Verschiedene Be-stimmungen des E-EnG 2013 hätten wohl Auswirkungen auf die Anwendung der Restwasserbestimmungen, falls sie beschlossen werden.

49. Mit Art. 14 Abs. 1 E-EnG 2013 soll das allgemeine Aufgabeninteresse (vgl. Tschannen/Mösching, Nationale Bedeutung, 23 f., 35) an der Nutzung erneuerbarer Energien wie Wasserkraft nach E-EnG 2013 und ihrem Ausbau als «von nationalem Interesse» qualifiziert werden. Art. 14 Abs. 2 E-EnG 2013 sieht vor, einzelnen Anlagen zur Nutzung erneuerbaren Energien sowie Pumpspeicherkraftwerken ab einer bestimmten Grösse und Bedeutung ein nationales Interesse zuzuerkennen («Eingriffsinteresse» gemäss Tschannen/Mösching, Nationale Bedeutung, 22 f.). Unter Anwendung von Kriterien wie Leistung oder Produktion sowie der Fähigkeit, zeitlich flexibel und marktgerecht zu produzieren, soll der Bundesrat die erforderliche Grösse und Bedeutung festlegen (Art. 14 Abs. 4 und 5 E-EnG 2013). Für Wasserkraftanlagen ist eine Schwelle zwischen 3 und 10 MW vorgesehen. Im Einzelfall soll der Bundesrat sogar Anlagen, welche die Anforderungen an Grösse und Bedeutung nicht erfüllen, ein nationales Interesse zu erkennen können, wenn die Anlage eine zentralen Beitrag an Ausbauziele leistet und der Standortkanton einen Antrag stellt (Art. 15 E-EnG 2013). Zum Ganzen vgl. Botschaft Energierecht 2013, 7628, 7662 ff.

50. Sollten diese Bestimmungen angenommen werden, würde das Interesse «Energieversorgung» im Sinn von Art. 33 Abs. 2 Bst. d GSchG gegenüber den Schutzinteressen deutlich gestärkt. Die Bedeutung von Art. 14 f. E-EnG läge darin, dass die Realisierung von grösseren (und kleineren) Wasserkraftanlagen und Pumpspeicherwerken in BLN-Gebieten und anderen Schutzgebieten von nationaler Bedeutung wesentlich erleichtert würde. Gemäss geltendem Recht können solche Anlagen in den erwähnten Gebieten nur bewilligt werden, wenn die ungeschmälerte Erhaltung des Schutzobjekts gesichert ist oder wenn ausnahmsweise ein überwiegendes nationales Interesse an der Anlage nachgewiesen werden kann. Neu müsste bei allen Wasserkraftanlagen ab einer bestimmten Grösse und Bedeutung in solchen Schutzgebieten eine Interessenabwägung stattfinden zwischen den grundsätzlich gleichrangigen Eingriffsinteressen von nationaler Bedeutung an der Nutzung der Wasserkraft und an der Erhaltung des Schutzobjektes (vgl. Botschaft Energierecht 2013, 7665). Es wäre damit rechnen, dass in Zukunft auch in Gebieten Wasserkraftanlagen gebaut werden, in denen dies bisher nicht zulässig war.

51. Offen ist, wie die Kantone in solchen Fällen ihren Spielraum bei der Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 33 Abs. 2 Bst. a GSchG nutzen würden. Da BLN-Gebiete i.d.R. landschaftlich besonders attraktiv sind und Gewässer zur deren Attraktivität beitragen, wäre zu hoffen, dass bei Wasserkraftanlagen in solchen Gebieten die Mindestrestwassermenge erhöht würde.

52. In den parlamentarischen Beratungen wurde der Schutzgedanke wieder aufgenommen, indem Art. 14 Abs. 2 E-EnG 2013 dahingehend geändert wurde, dass in Biotopen von nationaler Bedeutung nach Art. 18NHG und in Wasser- und Zugvogelreservaten neue Anlagen zu Nutzung erneuerbarer Energien ausgeschlossen sein sollten (AB 2014 N 2059 ff., AB 2015 S 944 f.). Bei einem Objekt in einem Inventar nach Art. 5 NHG (i.d.R. BLN-Objekt) soll ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung nur in Erwägung gezogen werden dürfen (Art. 14 Abs. 3 E-EnG 2013), sofern das Objekt nicht im Kern seines Schutzwertes verletzt wird (AB 2015 S 944 f.). Die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen.

 

 

III.        Konzept zur Sicherung angemessener Restwassermengen

A.           Bewilligungspflicht für Wasserentnahmen kombiniert mit Kontrollen

53. Bewilligungspflichtig sind gemäss Art. 29 GSchG Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus aus einem Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung sowie aus Seen und Grundwasservorkommen, wenn dadurch die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird (für Einzelheiten s. Komm. zu Art. 29 GSchG). Bewilligungspflichtig sind somit Wasserentnahmen, die gesteigerten Gemeingebrauch oder Sondernutzung darstellen. Die Bewilligungspflicht dient primär der Sicherstellung angemessener Restwassermengen auf der Gewässerstrecke unterhalb der Wasserentnahme (BGE 120 Ib 233, E. 5a).

54. Die alternativen Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung ergeben sich aus Art. 30 GSchG. Die Wasserentnahme kann gemäss Bst. a bewilligt werden, wenn die Anforderungen nach Art. 31–35 erfüllt sind (Regelfall, s. N 56 ff.) oder wenn die Voraussetzungen für einen der Sonderfälle nach Bst. b oder c erfüllt sind (vgl. N 64).

55. Die Bewilligungspflicht ist mit Kontrollen verbunden. Wer eine Bewilligung erhält und Wasser entnimmt, muss der Behörde nachweisen, dass er die Dotierwassermenge (Art. 4 Bst. l GSchG) einhält (Art. 36 GSchG).

 

B.            Die Systematik von Art. 31–35 GSchG

1.             Grundstruktur für den Regelfall: Zweistufiges Verfahren

56. Das allgemeine Schutzziel der Bestimmungen besteht im Schutz der Fliessgewässer gegen die nachteiligen Auswirkungen von Wasserentnahmen (vgl. N 4). Wird einem Gewässer Wasser entnommen, müssen unterhalb der Wasserentnahme angemessene Restwassermengen fliessen (vgl. Komm. zu Art. 31–33 GSchG).

57. Konkrete Schutzziele sind die Sicherstellung von minimalen Niedrigwasserabflüssen durch zahlenmässig festgelegte Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG und die Aufrechterhaltung der wichtigsten ökologischen Funktionen der Fliessgewässer durch andere Massnahmen oder durch Erhöhung der zahlenmässig festgelegten Mindestrestwassermengen gemäss Art. 31 Abs. 2 GSchG. Im Rahmen der Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG aufgrund einer Interessenabwägung gemäss Art. 33 GSchG berücksichtigen die Kantone weitergehende Schutzinteressen. Häufig sind zeitlich unterschiedliche Erhöhungen notwendig. Für den Vollzug der Vorschriften sind i.d.R. die Kantone zuständig. Sie sind somit für die Erhaltung der Variabilität der Abflüsse (vgl. N 4) verantwortlich.

58. Die gesetzliche Regelung zur Festlegung angemessener Restwassermengen beruht auf einem zweistufigen Verfahren (Botschaft GSchG 1987, 1063, 1089; Zusammenfassung in BGE 120 Ia 233 [Geisslibach], E. 6a; zum Vorgehen s. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 5.2–9.2, in: URP 2014, 351; Eckert, Rest-wassermengen, 56 ff.; Pestalozzi, Restwassermengen, 716 ff.; schematische Darstellungen in BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 34, Abb. 6, und BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 63, Abb. 4.15).

59. In einer ersten Stufe legt Art. 31 GSchG Mindestrestwassermengen fest, die nicht unterschritten werden dürfen. Die Mindestrestwassermenge setzt sich zusammen aus der zahlenmässig festgelegten Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG und der Erhöhung nach Abs. 2. Sie wird in zwei Schritten ermittelt:

·       Art. 31 Abs. 1 GSchG legt minimale Restwassermengen aufgrund der Grösse des Gewässers am Ort der Wasserentnahme in l/s zahlenmässig fest. Als Mass für die Grösse des Gewässers und als Ausgangspunkt für die Berechnung wird die Abflussmenge Q347 (vgl. Art. 4 Bst. h und Art. 59 GSchG) verwendet. Dieses «quantitative Existenzminimum» reicht häufig nicht aus, um die wichtigsten Funktionen eines Fliessgewässers sicherzustellen.

·       Zur Sicherstellung der wichtigsten Funktionen eines Fliessgewässers, die sich aus Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG ergeben, kommen zwei Kategorien von Massnahmen in Frage. Entweder werden die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG durch «andere Massnahmen» (z.B. bauliche oder betriebliche) erfüllt, oder die nach Art. 31 Abs. 1 GSchG ermittelte minimale Restwassermenge ist zwingend soweit erhöhen, bis die Anforderungen erfüllt sind. Mit der Erhöhung soll ein «qualitatives Existenzminimum» für das Gewässer erreicht werden. Die in Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG formulierten Ziele verlangen, dass die vorgeschriebene Wasserqualität weiterhin eingehalten und Grundwasser­vorkommen weiterhin gespiesen werden. Vom Wasser abhängige seltene Lebensräume und ‑gesellschaften müssen möglichst erhalten oder durch gleichwertige ersetzt werden. Die freie Fischwanderung muss gewährleistet sein und kleine Fliessgewässer in tiefen Lagen müssen weiterhin als Laichstätten und Aufzuchtgebiete für Fische dienen können.

60. Die Kantone können Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG vorsehen, wenn einer der fünf Ausnahmetatbestände von Art. 32 Bst. a–d GSchG erfüllt ist. Sie können die Mindestrestwassermengen tiefer ansetzen in ökologisch weniger wertvollen Gewässerabschnitten (Bst. a–bbis), wenn die zusätzliche Nutzung durch zusätzliche Schutzmassnahmen kompensiert wird (Bst. c) sowie in Notsituationen (Bst. d). Mit den Ausnahmen nach Bst. a–c kann den Nutzungsinteressen, insbesondere an der Wasserkraftnutzung, Rechnung getragen werden.

61. In einer zweiten Stufe erfolgt die Erhöhung der Mindestrestwassermenge durch die Kantone bzw. die rechtsanwendenden Behörden. Die nach Art. 31 und 32 GSchG ermittelten Mindestrestwassermengen werden gemäss Art. 33 GSchG soweit erhöht, als sich dies nach Abwägung der Interessen für und gegen die Wasserentnahme ergibt. Art. 33 Abs. 2 GSchG führt vier Interessen für und Abs. 3 fünf Interessen gegen die Wasserentnahme auf. Das den Aufzählungen vorangestellte «namentlich» weist darauf hin, dass diese nicht abschliessend sind. Weitere Interessen für oder gegen eine Wasserentnahme müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Erst mit der definitiven Festlegung der Restwassermenge aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung sind angemessene Restwassermengen festgelegt.

62. Als Massnahmen zur Sicherstellung angemessener Restwassermengen im Gewässer unterhalb der Entnahmestelle (Restwasserstrecke, vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 12 f.) bestimmt die Behörde im Rahmen der Erteilung der Wasserentnahmebewilligung im Einzelfall die Dotierwassermenge (Art. 4 Bst. l GSchG) und andere Massnahmen zum Schutz des Gewässers (Art. 35 GSchG). Die Dotierwassermenge kann zeitlich unterschiedlich festgelegt werden; in gewissen Fällen muss sie zeitlich unterschiedlich festgelegt werden (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 8). Die Wassermenge nach Art. 31 und 32 GSchG darf jedoch nicht unterschritten werden.

 

2.             Besondere Konstellationen

63. Art. 31–33 GSchG gelten bei Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen sinngemäss (Art. 34 GSchG).

Dem Wortlaut von Art. 29 i.V.m. Art. 30 Bst. a GSchG ist nicht zu entnehmen, ob die Bewilligungspflicht für Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus und die Einhaltung der Anforderungen nach den Art. 31–35 GSchG für alle oder nur für neue Wasserentnahmen gelten. Erst aus den Übergangsbestimmungen (Art. 80 ff. GSchG) zu Art. 29 ff. GSchG ergibt sich, dass Art. 31–33 GSchG nicht gelten für bestehende Wasserentnahmen, die gestützt auf bestehende Wassernutzungsrechte erfolgen (dazu Vor Art. 80–83 GSchG N 3 ff.).

 

C.           Zwei Sonderfälle

64. In zwei Sonderfällen, nämlich bei geringfügigen Wasserentnahmen aus Fliessgewässern (Art. 30 Bst. b GSchG) sowie bei Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung aus Grundwasser (inkl. Quellen) (Art. 30 Bst. c GSchG), sind Art. 31–35 nicht anwendbar. In diesen Fällen wird in der Bewilligung nach Art. 29 GSchG die maximal zulässige Entnahmemenge und der Zweck der Entnahme festgelegt (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 40).

 

D.           Adressaten der Gesetzesbestimmungen

65. Adressaten von Art. 29–36 GSchG sind einerseits Personen, die einem Fliessgewässer, einem See oder einem Grundwasservorkommen Wasser entnehmen oder Wasser entnehmen wollen (Gesuchsteller) und andererseits die Behörden sowie die beteiligten Fachstellen (vgl. Art. 35 Abs. 3 GSchG), welche die Bestimmungen anwenden müssen (zu den Aufgaben der Akteure BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 25 ff., Abb. 4.1–4.4). Zuständig ist i.d.R. eine kantonale Behörde (Art. 45 GSchG).

66. Für den Vollzug von Art. 29 ff. GSchG hat das Gewässerschutzfachstelle des Bundes mehrere Vollzugshilfen herausgegeben (umfassend BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, mit vielen Beispielen und anschaulichen Abbildungen; zur Rechtsnatur und Verbindlichkeit von Vollzugshilfen s. Brunner, Kommentar USG, Art. 38 N 7c, Art. 39 N 14a a.E.; Griffel/ Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 36 N 4).

 

 

IV.        Verhältnis zu anderem Recht

A.           Bundesrecht

67. Knapp sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des GSchG erliess der Bundesrat in der GSchV im 6. Kapitel Ausführungsvorschriften zur Sicherung angemessener Restwasservorschriften:

·       Art. 33 Abs. 1 GSchV regelt die Bewilligungspflicht für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern, die Abschnitte mit ständiger und solche ohne ständige Wasserführung aufweisen (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 41 ff.).

·       Art. 33a GSchV legt fest, welche Aspekte bei der Festlegung des ökologischen Potentials eines Gewässers zu berücksichtigen sind (vgl. Komm. zu Art. 32 GSchG N 43).

·       Art. 34 GSchV regelt einzelne Aspekte der Schutz‑ und Nutzungsplanung (vgl. Komm. zu Art. 32 GSchG N 48 ff.).

·       Art. 35 GSchV regelt das Verhältnis zwischen Restwasserbericht und UVB und die Modalitäten der Anhörung des Bundes (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 40).

68. Soweit es um die Festlegung und Sicherung angemessener Restwasser­mengen geht, stellen Art. 31–35 GSchG eine abschliessende Regelung dar. Bei der Anwendung dieser Bestimmungen, insb. von Art. 31 Abs. 2, Art. 32 und Art. 33 GSchG sind zu deren Auslegung ergänzend weitere restwasserrelevante Bestimmungen des GSchG sowie weiterer Gesetze heranzuziehen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 32 f.) wie z.B.:

·       Weitere Bestimmungen der Gewässerschutzgesetzgebung wie z.B. Anh. 2 GSchV (Anforderungen an die Wasserqualität), Art. 43 Abs. 2 GSchG (Massnahmen bei verringerter Speisung von Grundwasservorkommen), Art. 43a GSchG (Vermeidung von wesentlichen Beeinträchtigungen der einheimischen Tiere und Pflanzen und deren Lebensräume [vgl. Art. 42a GSchV] sowie des Grundwasserhaushalts infolge Änderungen des Geschiebehaushalts).

·       Verschiedene Bestimmungen der Natur‑ und Heimat­schutzgesetzgesetzgebung betreffend Landschaftsschutz (Art. 3, 5 f., 23a ff. NHG) und Biotopschutz (Art. 18, 18a, 18b und 21 f. NHG, verschiedene Verordnungen des Bundes, die sich auf das NHG abstützen; s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 48), Art. 9 BGF (dazu auch Pestalozzi, Restwassermengen, 713), Art. 22 und 23 WRG (Wahrung der Schönheit der Landschaft, Wahrung der Fischerei) sowie die Energiegesetzgebung.

69. Wird eine Wasserentnahmebewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. b oder c GSchG erteilt, sodass die Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG nicht erfüllt sein müssen, ist das Recht zum Schutz der Umwelt (in erster Linie NHG und BGF) direkt anzuwenden (s. Komm. zu Art. 30 GSchG N 35 f.).

70. Es versteht sich von selbst, dass alle übrigen Vorschriften des Bundesrechts, auch jene zum Schutz der Umwelt ohne Zusammenhang mit Restwasser, ebenfalls angewendet werden müssen. So sind bei allen Eingriffen in Gewässer auch die Vorschriften zur Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer zu beachten, insbesondere Art. 36a, 37, 38, 39a, 42, 43 Abs. 5 und 43a GSchG und die entsprechenden Bestimmungen der GSchV. Für die Beseitigung von Ufervegetation bedarf es einer separaten Bewilligung nach Art. 22 Abs. 2 NHG. Zum Verhältnis von Art. 8 f. BGF zu Art. 29 ff. GSchG vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 25.

 

B.            Kantonales Ausführungsrecht

71. Gestützt auf Art. 45 GSchG sind die Kantone verpflichtet, die für den Vollzug des Gesetzes erforderlichen Vorschriften zu erlassen. In erster Linie sind die für den Vollzug zuständigen kantonalen Behörden zu bezeichnen, z.B. für die Erteilung der gewässerschutzrechtlichen Bewilligungen (s. Komm. zu Art. 45 GSchG N 4). Dazu gehören auch die Regelung der Verfahren und die Sicherstellung der Koordination bei der Bewilligung von Anlagen, die auch einer Wasserentnahmebewilligung bedürfen. Der Kanton SG hat mit 39bis–39quinquies GSchVG SG Bestimmungen betreffend die Schutz‑ und Nutzungsplanung ins kantonale Recht aufgenommen (s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 54, 78).

72. Kein Raum besteht für den Erlass eigener materieller Bestimmungen betreffend die Sicherung angemessener Restwassermengen, hat doch der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz umfassend Gebrauch gemacht
(Eckert, Restwassermengen, 16). Bundesrechtswidrig ist deshalb wohl – soweit es den Übungsfall betrifft – § 38 WnG AG, wonach Feuerwehr und Zivilschutz im Not‑ und Übungsfall ohne Bewilligung und gebührenfrei Wasser entnehmen können, wobei im Übungsfall eine angemessene Restwassermenge gewährleistet bleiben muss. Offen ist, wie ohne Bewilligungspflicht eine angemessene Restwassermenge gesichert werden soll. Demgegenüber ist die faktische Verschärfung der Vorschriften des GSchG für Wasserentnahmen aus kleinen öffentlichen Gewässern in den Kantonen ZH und AG aufgrund der Gewässerhoheit der Kantone wohl zulässig (vgl. dazu Komm. zu Art. 30 GSchG N 23).

 

C.           Internationales und europäisches Recht

73. Das Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention; SR 0.700.1), bestehend aus einer Rahmenkonvention und Ausführungsprotokollen, ist der wichtigste Staatsvertrag, bei dem es auch um den quantitativen Gewässerschutz geht (vgl. Eckert, Restwassermengen, 7 ff.). So verpflichten sich die Vertragsparteien gemäss Art. 2 Abs. 2 Bst. e der Alpenkonvention, Massnahmen im Bereich Wasserhaushalt zu ergreifen, «mit dem Ziel, gesunde Wassersysteme zu erhalten und wiederherzustellen, insbesondere durch die Reinhaltung der Gewässer, durch naturnahen Wasserbau und durch eine Nutzung der Wasserkraft, die die Interessen der ansässigen Bevölkerung und das Interesse an der Erhaltung der Umwelt gleichermassen berücksichtigt». Zum Ganzen auch Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 8.

74. Daneben bestehen sieben Staatverträge im Zusammenhang mit der Nutzung der Wasserkraft von Grenzgewässern, der jüngste aus dem Jahr 2003 über die Nutzbarmachung des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet (vgl. Inhaltsverzeichnis der SR unter dem Titel «Wasserkraftwerke» [SR 0.721.8]) und einer betreffend Wasserentnahmen aus Seen (SR 0.721.423).

75. Obwohl alle Staaten der europäischen Union bereits eigene wasserpolitische Rechtsgrundlagen hatten, begann die Europäische Kommission im Februar 1996 mit Beratungen über eine koordinierte Wasserpolitik in der EU. Am 22. Dezember 2000 trat die «EU-Wasserrahmenrichtlinie», Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Massnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, in Kraft. Die EG-WRRL bezweckt auch den quantitativen Schutz der Gewässer (vgl. z.B. Erwägungen 3 und 20 des gemeinsamen Entwurfs sowie dessen Art. 1 Bst. b). Art. 11 Bst. e EG-WRRL sieht zur Erreichung des Ziels, die vorhandenen Ressourcen langfristig zu schützen, Massnahmen wie z.B. eine Begrenzung der Entnahme von Oberflächengewässern und Grundwasser sowie eine Bewilligungspflicht vor (Überblick über den Inhalt bei Rey/Müller, EG-WRRL, Anh. 3). Die Umsetzung erfordert eine Anpassung der nationalen Gesetzgebungen. Der Stand der Umsetzung ergibt sich aus den Berichten («Implementation Reports») der EU-Kommission zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die 2007, 2009, 2012 und im März 2015 erschienen sind (<http://ec.europa.eu/environment
/water/water-framework/impl_reports.htm>).

76. Die EG-WRRL ist für die Schweiz nicht verbindlich. Bei der Konzessionserteilung für grenzüberschreitende Kraftwerke kann es jedoch vorkommen, dass schweizerische Behörden Auflagen und Bedingungen anordnen, die Inhalte der EG-WRRL übernehmen (Giovannini, Auswirkungen WRRL, 291, 293).

 

V.           Würdigung

77. Vorab zeigt die Entstehungsgeschichte der Restwasserbestimmungen exemplarisch, dass sich für den Schutz der Gewässer in der Schweiz ohne das Instrument der Volksinitiative wenig bewegen würde und dass der Erlass von Bestimmungen zum Schutz der Umwelt viel Zeit braucht. Von der Annahme des revidierten Verfassungsartikels Art. 24bis BV 1874 (vgl. N 16) bis zur Botschaft GSchG 1987 dauerte es mehr als elf und bis zum Inkrafttreten des GSchG gut weitere fünf Jahre.

78. Mit dem GSchG wurde ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Nutzung angestrebt (Votum Cotti [Bundesrat], AB 1989 N 1019 f.) und mit den geltenden, sorgfältig austarierten Bestimmungen wohl auch zu einem grossen Teil erreicht. Das Gleichgewicht zwischen Schutz und Nutzung wurde durch eine System von Vorschriften erreicht, das im Regelfall (Art. 30 Bst. a GSchG) minimale Restwassermengen (Art. 31 GSchG) sichert, davon jedoch zahlreiche Ausnahmen v.a. im Interesse der Wasserkraftnutzung zulässt (Art. 32 GSchG) und die Kantone verpflichtet, eine Interessenabwägung vorzunehmen und je nach deren Ausgang die minimalen auf angemessene Restwassermengen zu erhöhen.

79. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. N 9 ff.) hat der Gesetzgeber mit Art. 29–36 GSchG «ein normatives System geschaffen, welches einerseits durch Festlegung wesentlicher Wertentscheidungen die gebotene ganzheitliche Betrachtungsweise gewährleistet, andererseits aber Raum lässt für eine konkretisierende Weiterführung der Interessenabwägungen durch die rechtsanwendenden Organe» (Griffel, Grundprinzipien, N 391).

80. Den Vollzug durch die Kantone zuverlässig zu beurteilen, ist sehr schwierig. Der Bundesrat ist gestützt auf Angaben des BAFU der Auffassung, die Restwasserbestimmungen würden «recht einheitlich vollzogen» (Botschaft Lebendiges Wasser 2007, 5519), wobei offen ist, ob mit dieser Formulierung auf subtile Weise Zweifel am gesetzeskonformen Vollzug ausgedrückt wird.

81. Vor mehr als einem Jahrzehnt wurden mehrere Untersuchungen zur Wirksamkeit der Vorschriften durchgeführt:

82. Im Rahmen einer Untersuchung der Minderproduktion infolge der Restwasservorschriften wurden bei allen Wasserkraftwerken mit Ausleitung, die in den ersten zehn Jahren nach Inkrafttreten des GSchG eine neue Konzession erhalten hatten und von denen das BUWAL Kenntnis hatte, die Produktionseinbusse (in %) aufgrund der Restwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG mit jener aufgrund der konzessionierten Restwassermenge nach Art. 31–33 GSchG verglichen (Kummer, Energieminderproduktion, 318 f., Bild 4). Bei 22 (von 40) Ausleitkraftwerken waren diese Produktionseinbussen genau gleich hoch. Dies deutet darauf hin, dass die Mindestrestwassermengen gemäss Art. 31 Abs. 1 weder nach Art. 31 Abs. 2 noch nach Art. 33 GSchG erhöht worden waren. In 12 Fällen war die Produktionseinbusse aufgrund der Restwassermenge nach Art. 31–33 GSchG kleiner als aufgrund von Art. 31 Abs. 1 GSchG. Dies weist auf die Anwendung einer Ausnahme gemäss Art. 32 GSchG hin. Nur in den übrigen sechs Fällen wurde die gemäss Art. 31 Abs. 1 GSchG ermittelte Mindestrestwassermenge erhöht, wobei in der Untersuchung nicht unterschieden wurde, ob die Erhöhung gestützt auf Art. 31 Abs. 2 und/oder Art. 33 Abs. 1 GSchG erfolgte. Die Untersuchungen wurden in erster Linie zur Kontrolle der im Abstimmungsbüchlein (Bundesrat, Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992, 18) vorausgesagten Produktionseinbusse (je knapp 6 % aufgrund von Art. 31 und von Art. 33 GSchG) durchgeführt, Es zeigte sich, dass diese Einbusse geringer ausfiel als vorausgesagt; die gefundenen Werte sind allerdings nicht repräsentativ (Kummer, Energieminderproduktion, 320).

83. Im Sinne einer Wirkungskontrolle liess das BUWAL 2001/2002 acht repräsentative Restwasserstrecken daraufhin untersuchen, ob die Restwassermengen für die Erfüllung der ökologischen Funktionen der Fliessgewässer notwendig und zweckmässig seien. Untersucht bzw. mit Referenzstrecken verglichen wurden Restwasserstrecken, die seit mindestens zwei Jahren dotiert wurden (BUWAL, Restwassermengen, 9 ff.). Die Wasserentnahmen waren entweder gestützt auf Art. 31 Abs. 1 GSchG, auf Art. 31 GSchG, auf Art. 32 GSchG oder auf Art. 31 und 33 GSchG bewilligt worden. Es zeigte sich, dass vier der untersuchten Restwasserstrecken insgesamt eine funktionierende ökologische Struktur aufweisen, die mit den Referenzabschnitten vergleichbar ist, und keine starken Beeinträchtigungen zeigen (BUWAL, Restwassermengen, 16 ff., insb. Abb. B). In den übrigen vier wurden bei einem oder mehreren Indikatoren starke Abweichungen registriert. Von allen untersuchten Parametern – unter Berücksichtigung aller Restwasserstrecken und ohne Gewichtung – wiesen rund 90 % keine oder höchstens eine mässige Abweichung zur Referenz oder zum Sollwert auf. Der beste ökologische Zustand wurde in einer Restwasserstrecke festgestellt, bei der die Dotierung ganzjährig über dem Minimum von Art. 31 GSchG lag. Aus den wenigen, jedoch sorgfältigen und detaillierten Untersuchungen lässt sich der Schluss ziehen, dass die Restwasserbestimmungen bei richtiger Anwendung ihre Schutzfunktion weitgehend erfüllen. In einzelnen Fälle, in welchen die Wasserentnahme zu starken Beeinträchtigungen führte bzw. die ökologische Funktion des Gewässers mit der Restwassermenge nur teilweise oder nicht gewährleistet war, bestanden entweder Mängel bei der Anwendung der Vorschriften oder es waren andere Gründe hauptverantwortlich (vgl. BUWAL, Restwassermengen, 40 f., 44 f., 46 f.).

84. In einer vor gut zehn Jahren durchgeführten Studie zur Wasserkraftnutzung und Restwasser der Eawag lagen zu neuen Konzessionierungen Daten aus 11 Kantonen für knapp 60 Wasserfassungen (keine repräsentative Auswahl) vor (Eawag, Wasserkraftnutzung, 35 ff., 54 ff.). Die Auswertung von 53 Fassungen ergab, dass bei 43 % die Dotierwassermenge der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG entspricht, bei 24 % ist sie geringer und bei 33 % höher (Uhlmann/Wehrli, Vollzug Restwasservorschriften, 308 ff.). Auch hier wurde nicht unterschieden zwischen der zwingenden Erhöhung nach Art. 31 Abs. 2 GSchG und der Erhöhung nach Art. 33 GSchG aufgrund einer Interessenabwägung.

85. Diese Untersuchungen und eigene Eindrücke und Erfahrungen erlauben kein Fazit, nur Vermutungen zum Vollzug der Restwasservorschriften durch die Kantone.

86. Der Vollzug von Art. 31 Abs. 1 GSchG erfolgt weitgehend wie vorgesehen. Die Einführung der Abflussmenge Q347 in das GSchG und die aufgrund dieser Abflussmenge errechnete Mindestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG waren im Hinblick auf die Festlegung angemessener Restwasser­mengen sehr wichtige Schritte. Damit können die Niedrigwasserabflüsse ganzjährig weitgehend gesichert werden, auch wenn die Ausnahmen nach Art. 32 GSchG regelmässig in Anspruch genommen werden, wenn sie in Frage kommen (vgl. Antwort des Bundesrates auf Frage 9 der Interpellation Teuscher). Für die Monate Dezember bis März schreiben die zuständigen Behörden kaum je eine Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG vor, da für alpine Gewässer diese Überlebenswassermenge im Winter in den meisten Fällen genügt (VAW, Gebirgsbäche, 87).

87. Es ist nicht bekannt, wie häufig Erhöhungen nach Art. 31 Abs. 2 oder nach Art. 33 GSchG vorgenommen werden. Untersuchungen dazu fehlen (vgl. N 82, 84). Vermuten lässt sich, dass Erhöhungen der rechnerisch ermittelten Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der freien Fischwanderung und zur Erhaltung von seltenen Lebensräumen und ‑gemeinschaften deutlich häufiger sind als Erhöhungen gemäss Art. 33 GSchG, die in erster Linie aus landschaftlichen Gründen erfolgen (vgl. Kummer, Energieminderproduktion, 320).

88. Es ist auch nicht bekannt, wie häufig oder wie selten zeitlich abgestufte Dotierwassermengen angeordnet werden. Die vorhandene Untersuchung (Uhlmann/Wehrli, Vollzug Restwasservorschriften, 309, saisonale Abstufung der Dotierwassermenge in 6 von 33 untersuchten neuen Konzessionen) ist wenig aussagekräftig; systematische Untersuchungen fehlen. Explizit verlangt das GSchG keine zeitlich abgestuften Dotierwassermengen (Art. 35 Abs. 2 GSchG). Diese Notwendigkeit kann sich aus den Anforderungen von Art. 31 Abs. 2 und 33 Abs. 3 GSchG an die Höhe der Restwassermengen ergeben (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 53).

89. Einem Fliessgewässer wäre im Idealfall am meisten gedient mit zeitlich unterschiedlichen Dotierwassermengen, die aus einer konstanten Sockelmenge zur weitgehenden Gewährleistung der Niedrigabflüsse und zusätzlich einem zuflussabhängigen Anteil bestehen (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 55). Auf diese Weise könnten sich viele Restwasserstrecken mit der Zeit zu natürlichen, jedoch kleineren Fliessgewässer als vor der Wasserentnahme entwickeln. Solche Lösungen sind bereits mit den geltenden Restwasserbestimmungen möglich.

90. Soweit es sich überhaupt beurteilen lässt, ist zusammenfassend festzustellen, dass beim Vollzug der Restwasservorschriften wohl in vielen Kantonen die Nutzungsaspekte eine grössere Rolle spielen als die Schutzinteressen. Das war nicht anders zu erwarten. Dennoch ist der Vollzug der Restwasserbestimmungen insgesamt wohl nicht schlechter, sondern eher besser als der Vollzug anderer Bestimmungen des GSchG (vgl. Rieder, Vollzug, 587 ff., Abb. 3). Dazu hat das Verbandsbeschwerderecht massgeblich beigetragen, insbesondere durch seine präventive Wirkung.

 

 

Résumé

Durant les années 1950 à 1970, la production d’électricité par les centrales hydro-électriques avait eu pour conséquence d’assécher partiellement ou totalement un certain nombre de rivières et de cours d’eau. Avec l’introduction des dispositions sur les débits résiduels, le législateur a voulu éviter cette asséchement afin de préserver les diverses fonctions des cours d’eau pour la faune et la flore.

Les lois sur la protection des eaux de 1955 et 1971 se fondaient sur l’art. 24quater Cst. 1984. Le nouvel art. 24bis al. 2 let. a Cst. 1874 (aujourd’hui art. 76 al. 3 Cst.) obligea le législateur fédéral à édicter des dispositions garantissant un débit minimum suffisant des cours d’eau. De plus, il devait tenir compte des objectifs mentionnés à l’art. 24bis al. 1 Cst. 1874 (respectivement art. 76 al. 1 Cst.), soit l’utilisation rationnelle des ressources en eau, leur protection et la lutte contre l’action dommageable. Les dispositions relatives aux débits résiduels devaient donc prendre en compte tant les intérêts de la protection que ceux de l’utilisation des ressources.

En vertu de l’art. 29 LEaux, une autorisation est nécessaire pour tout prélèvement sortant des limites de l’usage commun qui soit opéré dans un cours d’eau à débit permanent ou dans des lacs ou nappes souterraines pour autant que ce prélèvement influence sensiblement le débit d’un cours d’eau à débit permanent. Les articles suivants (art. 30 à 36 LEaux) précisent cette disposition. Le régime légal pour la détermination des débits résiduels convenables que l’on trouve aux art. 29–36 LEaux repose sur une procédure en deux étapes. Lors de la première étape, la loi fixe les débits résiduels en-dessous desquels on ne peut en principe pas descendre (art. 31 LEaux). Les cantons peuvent toutefois autoriser des débits résiduels inférieurs en vertu des exceptions prévues à l’art. 32 LEaux. Lors de la deuxième étape, les cantons, respectivement les autorités d’application du droit fixent des débits minimaux plus élevés (art. 33 LEaux) lorsque suite à la pesée des intérêts, des intérêts en faveur (al. 1) ou qui s’opposent à un prélèvement d’eau (al. 2) l’exigent. Les conditions des art. 31–35 LEaux ne s’appliquent pas aux prélèvements existants et aux prélèvements non réalisés dans le cadre d’une concession délivrée avant l’entrée en vigueur de la LEaux. Dans ce cas, les dispositions transitoires des art. 80 LEaux sont applicables.

Les destinataires des art. 29 à 36 LEaux sont d’une part les personnes opérant un prélèvement d’eau ou désirant en opérer un et d’autre part les autorités compétentes qui doivent assurer l’application de ces dispositions. En principe, une autorité cantonale est compétente sous réserve de l’art. 45 LEaux.

 

 

Literatur: Bundi Ulrich/Eichenberger Elie, Restwasseranforderungen aus gewässerökologischer Sicht, in: NZZ 29.3.1989, 23 (zit. Restwasseranforderungen); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Giovannini Michelangelo, Auswirkungen der WRRL auf die Schweiz, in: Wasser, Energie, Luft 2009, 291 (zit: Auswirkungen WRRL); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Kummer Manfred, Energieminderproduktion bei Wasserkraftwerken aufgrund der Restwasserbestimmungen im Gewässerschutzgesetz/GSchG, in: Wasser Energie Luft 2002, 317 ff. (zit. Energieminderproduktion); Linder Wolf/Bolliger Christian/Rielle Yvan (Hrsg.), Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848 bis 2007 – unter Mitarbeit von Roswitha Dubach, Manuel Graf, Brigitte Menzi, Bern/Stuttgart/Wien 2010 (zit. Volksabstimmungen); Masüger Andrea, Neuer Streit um Gewässerschutz: Welche Zahlen sind die richtigen?, in: Bündner Zeitung 7.5.1992, 1 (zit. Zahlen); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Rausch Heribert, Die Umweltschutzgesetzgebung – Aufgabe, geltendes Recht und Konzepte, Zürich 1977 (zit. Umweltschutzgesetzgebung); Rey Peter/Müller Edwin, EG-Wasserrahmenrichtlinie und Schweizer Wasser‑ und Gewässerschutzgesetzgebung – eine Gegenüberstellung, im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern 2007 (zit. EG-WRRL); Rieder Stefan, Umsetzung des Umweltrechts: Stärken und Schwächen des föderalen Vollzugs, in URP 2015, 581 ff. (zit. Vollzug); Rohner Gabriela, Die Wirksamkeit von Volksinitiativen im Bund 1848–2010, Diss. Zürich 2011 (zit. Volksinitiativen); Tschannen Pierre/Mösching Fabian, Nationale Bedeutung von Aufgaben‑ und Eingriffsinteresse im Sinn von Art. 6 Abs. 2 NHG, Bern 2012 (zit. Nationale Bedeutung); Uhlmann Viviane/Wehrli Bernhard, Die Sicherung angemessener Restwassermengen – wie wird das Gesetz vollzogen?, in: Wasser Energie Luft 2007, 307 ff. (zit. Vollzug Restwasservorschriften); Wyer Hans, Rechtsfragen der Wasserkraftnutzung – Unterhalt und Modernisierung, Heimfall und Selbstnutzung von Wasserkraftanlagen – unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Kanton Wallis, Diss. Bern 2000 (zit. Rechtsfragen Wasserkraftnutzung); Zurbrügg Henri, Umfassende Wasserwirtschaft, in: Müller-Stahel Hans-Ulrich (Hrsg.), Schweizerisches Umweltrecht, Zürich 1973, 44 ff. (zit. Wasserwirtschaft).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Bundesgesetz über die Fischerei vom 24. Januar 1973, BBl 1973 32 ff. (zit. Botschaft BGF 1973); Schlussbericht der eidgenössischen Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» vom 16. April 1980, Bern 1980 (zit. Schlussbericht Aufgabenteilung 1980); Schlussbericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Restwasser, Vorsitz Nationalrat Dr. E. Akeret, August 1982 (zit. Schlussbericht Akeret); Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, Bern 1984 (zit. Bericht Revision GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Hainard Pierre/Bressoud Benoit/Giugni G./Moret Jean-Louis), Wasserentnahme aus Fliessgewässern, Auswirkungen verminderter Abflussmengen auf die Pflanzenwelt, in: Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 72, Bern 1987 (zit. Auswirkungen auf Pflanzenwelt); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Bundi Ueli/Eichenberger Elie), Wasserentnahme aus Fliessgewässern: Gewässerökologische Anforderungen an die Restwasserführung, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 110, Bern 1989 (zit. Gewässerökologische Anforderungen); Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (VAW) (Hrsg.) (verfasst durch Schälchli Ueli), Morphologie und Strömungsverhältnisse in Gebirgsbächen: ein Verfahren zur Festlegung von Restwasserabflüssen, in: Mitteilungen 113, Zürich 1991 (zit. Gebirgsbäche); Bundesrat, Abstimmungsbüchlein – Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 – Erläuterungen des Bundesrates, Bern 1992 (zit. Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992); Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 (Beitritt zu den Institutionen von Bretton Woods; Gesetz zu den Bretton-Woods-Institutionen; Gewässerschutzgesetz; Fortpflanzungs‑ und Gentechnologie, Zivildienst; Sexualstrafrecht; Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer»), BBl 1992 V 451 ff. (zit. BRB Volksabstimmung 17.5.1992); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Motion Speck (03.3096) «Gewässerschutzgesetz Revision» vom 20. März 2003 (zit. Motion Speck); Parlamentarische Initiative Epiney (03.407) «CO2-Reduktion durch Änderung des Gewässerschutzgesetzes» vom 20. März 2003 (zit. Pa. Iv. Epiney CO2-Reduktion); Interpellation Teuscher (03.3158) «Erfüllen die Restwasservorschriften ihren Zweck» vom 21. März 2003 (zit. Interpellation Teuscher); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Vogel Urs/Kirchhofer Arthur/Breitenstein Martina), Restwassermengen – Was nützen sie dem Fliessgewässer? – Débits résiduels – quel bénéfice pour les cours d’eau?, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 358, Bern 2004 (zit. Restwassermengen); Parlamentarische Initiative Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie S (UREK-S) (04.435) «Restwassermengen» vom 25. Mai 2005 (zit. Pa. Iv. UREK-S Restwassermengen); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Uhlmann Viviane/Wehrli Bernhard), Wasserkraftnutzung und Restwasser – Standortbestimmung zum Vollzug der Restwasservorschriften, Kastanienbaum 2006 (zit. Wasserkraftnutzung); Botschaft zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)» vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5511 ff. (zit. Botschaft Lebendiges Wasser 2007); Parlamentarische Initiative Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie S (UREK-S) (07.492) «Schutz und Nutzung der Gewässer» vom 23. November 2007 (zit. Pa. Iv. UREK-S Schutz); Bundesamt für Energie (BFE), Aktionsplan «Erneuerbare Energien», Faktenblatt 6, Bern 2008 (zit. Aktionsplan «Erneuerbare Energien»); Bundesamt für Energie (BFE), Strategie Wasserkraftnutzung Schweiz – Stand März 2008, Bern 2008 (zit. Strategie Wasserkraftnutzung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Bolliger Roman/Zysset Andreas/Winiker Michèle), Schutz‑ und Nutzungsplanung nach Gewässerschutzgesetz – Erfahrungen, Beurteilungskriterien und Erfolgsfaktoren, Umwelt-Wissen Nr. 0931, Bern 2009 (zit. Schutz‑ und Nutzungsplanung); Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 (Revision des Energierechts) und zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomenergieinitiative)» vom 4. September 2013, BBl 2013 7561 ff. (zit. Botschaft Energierecht 2013); Bundesamt für Energie (BFE), Wasserkraftanlagen der Schweiz, Entwicklung der Leistung und der mittleren Produktionserwartung 1916–2014, Bern 2015 (zit. Wasserkraftanlagen der Schweiz 1916–2014).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Bewilligung

Eine Bewilligung braucht, wer über den Gemeingebrauch hinaus:

a.       einem Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung Wasser entnimmt;

b.       aus Seen und Grundwasservorkommen, welche die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflussen, Wasser entnimmt.

Autorisation

Doit être titulaire d’une autorisation celui qui, sortant des limites de l’usage commun:

a.       opère un prélèvement dans un cours d’eau à débit permanent;

b.       opère, dans les lacs ou des nappes d’eaux souterraines, un prélèvement qui influence sensiblement le débit d’un cours d’eau à débit permanent.

Autorizzazione

Deve essere titolare di un’autorizzazione chi, eccedendo l’uso commune:

a.       preleva acqua da corsi d’acqua a deflusso permanente;

b.       preleva acqua da laghi o falde freatiche che influenzano sensibilmente il deflusso di un corso d’acqua a deflusso permanente. 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte​ 1
II.   ​ ​Allgemeine Bemerkungen 3
A. ​Zur Bewilligungspflicht 3
B. ​Einschränkung des Anspruchs auf eine Bewilligung durch die Gewässerhoheit der Kantone 8
III. Die einzelnen Elemente der Bestimmung 15
A. Bewilligungspflicht 15
B. Wasserentnahme 26
C. ​«Über den Gemeingebrauch hinaus» 32
​D. ​Aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung 38
E. ​Aus Seen und Grundwasservorkommen, wenn ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird 47
​IV. Art. 29 ff. GSchG und Übergangsrecht 52
​A. ​Notwendigkeit von Übergangsrecht 52
B. ​Art. 29 ff. oder 80 ff. GSchG? 55
1. ​Allgemeines 55
2. ​Bestehende Wasserentnahmen ohne bestehende Wassernutzungsrechte 58
3. ​Konzessionserneuerung nach Ablauf ihrer Dauer 59
4. ​Änderung laufender Konzessionen 60

 

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der E-GSchG 1984 sah vor, dass Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung sowie aus Seen und Grundwasservorkommen, welche die Wasserführung eines Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung beeinflussen, eine Konzession oder eine Bewilligung der kantonalen Behörde benötigen (Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 E-GSchG 1984).

2. Art. 29 E-GSchG 1987 bestand aus zwei Absätzen: Der nicht umstrittene Abs. 1 entspricht wörtlich dem heutigen Art. 29 GSchG. In Abs. 2 war vorgesehen, dass Wasserentnahmen, über welche nach dem WRG entschieden wird, nicht der Bewilligungspflicht unterstehen sollten, die Art. 30–36 E-GSchG 1987 aber anzuwenden seien. Diese Regelung hätte gemäss dem damals geltenden Recht zu einer Gabelung des Rechtswegs geführt, sodass für die gerichtliche Überprüfung von Restwasserfragen im Zusammenhang mit Wasserrechtskonzessionen der Bundesrat zuständig gewesen wäre und bei anderen Wasserentnahmen das Bundesgericht (Eckert, Restwassermengen, 33, m.H.). Um dies zu vermeiden, wurde Art 29 Abs. 2 E-GSchG 1987 gegen Ende der parlamentarischen Beratung auf ein «Petitum» des Fischereiverbands hin gestrichen (AB 1990 N 2220 ff; AB 1990 S 1053 f.; Einzelheiten und Kritik bei Jagmetti, Energierecht, N 4241; Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis, N 11 Fn 43).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Zur Bewilligungspflicht

3. Die Bewilligung nach Art. 29 GSchG ist als Polizeibewilligung (Eckert, Restwassermengen, 32, m.w.H.) ausgestaltet. Auch wenn gemäss Art. 30 GSchG die Bewilligung erteilt werden «kann», sofern eine der Voraussetzungen erfüllt ist, handelt es sich nicht um eine Kann-Bewilligung (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 6).

4. Mit dem Begriff Polizeibewilligung oder Polizeierlaubnis wird eine Verfügung bezeichnet, welche auf Gesuch hin eine aus polizeilichen Gründen unter Bewilligungspflicht stehende Tätigkeit zulässt, nachdem die Kontrolle ergeben hat, dass die beabsichtigte Tätigkeit voraussichtlich mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang steht (vgl. dazu Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2523 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 44 N 24 ff.).

5. Die mit der Erteilung einer Polizeibewilligung verbundene präventive Kontrolle diente ursprünglich dem Schutz von Polizeigütern. Bewilligungspflichten zu Kontrollzwecken können aber auch aus anderen Gründen wie Schutz der Umwelt bzw. der Gewässer eingeführt werden (Tschannen/Zim­merli/Müller, Verwaltungsrecht, § 44 N 26). Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf die Erteilung von Polizeibewilligungen, sofern die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. aber N 8 ff.).

6. Während Art. 29 GSchG die bewilligungspflichtigen Tatbestände umschreibt (N 15), ergeben sich die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung aus Art. 30 GSchG (vgl. BUWAL,Wegleitung Restwassermengen, 10 ff., 19 f.):

·         Haupt‑ oder Regelfall ist Art. 30 Bst. a GSchG, wonach die Bewilligung nach Art. 29 GSchG erteilt werden kann, wenn die Anforderungen nach den Art. 31–35 erfüllt sind (Komm. zu Art. 30 GSchG N 11 ff.). Art. 30 Bst. a GSchG gilt unabhängig vom Zweck der Entnahme für alle bewilligungspflichtigen Wasserentnahmen (vgl. N 15), sofern es sich nicht um eine Wasserentnahme handelt, welche eine der Voraussetzungen nach Art. 30 Bst. b oder c GSchG erfüllt.

·         Art. 30 Bst. b und c GSchG umschreiben die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung für zwei besondere Arten von Wasserentnahmen. Bst. b betrifft einen Sonderfall von Art. 29 Bst. a GSchG, nämlich die Entnahme einer relativ geringen Wassermenge direkt aus einem Fliessgewässer (s. Komm. zu Art. 30 GSchG N 14 ff.). Bst. c regelt die Voraussetzungen für einen Sonderfall von Art. 29 Bst. b GSchG, die Wasserentnahme aus Quellen oder Grundwasser für einen speziellen Zweck, nämlich die Trinkwasserversorgung (s. Komm. zu Art. 30 GSchG 26 ff.). In beiden Fällen müssen die Anforderungen nach den Art. 31–35 GSchG nicht eingehalten werden (s. Komm. zu Art. 30 GSchG N 9).

7. Die Bewilligungspflicht nach Art. 29 GSchG dient der präventiven Kontrolle, dass eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 30 Bst. a–c GSchG voraussichtlich erfüllt ist. Mit Art. 36 GSchG ist auch eine nachträgliche Kontrolle vorgesehen.

B.            Einschränkung des Anspruchs auf eine Bewilligung durch die Gewässerhoheit der Kantone

8. Der Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG (vgl. N 5) wird faktisch eingeschränkt durch die kantonale Gewässerhoheit. In der Schweiz sind praktisch alle Fliessgewässer, fast alle Seen, die meisten Grundwasservorkommen, die «dem der Kultur nicht fähigen Landes» entspringenden Quellen (Art. 664 Abs. 2 ZGB) sowie die sog. Bachquellen (vgl. BGE 122 III 49, E. 2) öffentliche Gewässer, über welche die Kantone verfügen (Art. 76 Abs. 4 Satz 1 BV).

9. Die meisten Kantone haben sich das Verfügungsrecht über die Wasservorkommen selbst vorbehalten, einige haben eine andere Lösung getroffen (Übersicht über die wichtigsten Gesetze betreffend Wassernutzung bei Ernst Basler und Partner, Wasserwirtschaft, 17 ff., 21; Jagmetti, Energierecht, N 4111–4113, mit Hinweisen zu den gesetzlichen Grundlagen in den Kantonen UR, SZ, GR und VS). Im Kanton VS ist das Verfügungsrecht je nach Gewässer aufgeteilt zwischen Kanton und Gemeinden (vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 4.2, in: URP 2014, 351) und in UR zwischen dem Kanton und den beiden Korporationen Uri und Urseren (öffentlich-rechtliche Körperschaften) (dazu BGer 1C_718/2013 vom 20. März 2014, E. 3, in: URP 2014, 289). Im Kanton GR liegt die Gewässerhoheit bei den Gemeinden, im Kanton SZ liegt die Hoheit über fliessende öffentliche Gewässer bei den Bezirken, jene über die übrigen Gewässer beim Kanton. Speziell ausgestaltet ist das Wasserrecht des Kantons GL. Dort stehen die Wasserrechte an Flüssen und Bächen den Grund‑ bzw. Ufereigentümern zu (s. BGer 2C_812/2011 vom 18. Januar 2012, E. 2, und 2E_3/20092E_4/2009 vom 11. Juli 2011, E. 3).

10. Die Nutzung öffentlicher Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus (vgl. N 32 ff.) bedarf entweder einer Bewilligung zum gesteigerten Gemeingebrauch (Nutzungsbewilligung) oder einer Sondernutzungskonzession (s. N 35).

11. Mit einer Bewilligung zum gesteigerten Gemeingebrauch soll die nicht mehr gemeinverträgliche Nutzung einer öffentlichen Sache durch mehrere Nutzer koordiniert werden. (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2403 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 51 N 12 f.). Grundsätzlich besteht ein bedingter Anspruch auf die Erteilung einer solchen Bewilligung: Ist nicht genügend Wasser für alle Interessierten vorhanden, ist eine mengenmässige Beschränkung zulässig.

12. Eine Sondernutzungskonzession räumt dem Berechtigten eine ausschliessliche Verfügung über einen Teil einer öffentlichen Sache ein, sodass andere Benutzer vom Gebrauch der Sache ausgeschlossen sind; deshalb besteht kein Anspruch auf eine solche Konzession (Jagmetti, Energierecht, N 2407, Fn. 524; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2421; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 51 N 18 f.). In einzelnen Kantonen besteht jedoch ein Anspruch auf Erneuerung von Gebrauchswasserkonzessionen (Keller, Umwelt‑ und Energierecht, Bernisches Verwaltungsrecht, N 61). Gemäss Art. 60 Abs. 3bis und Art. 62 Abs. 2bis WRG können Wasserrechtskonzessionen ohne Ausschreibung verliehen werden. Die Verleihung hat in einem diskriminierungsfrei und transparenten Verfahren zu erfolgen (zur Auswahl zwischen zwei Bewerberinnen s. VGer BE, Urteil vom 22. April 2013, E. 2.3, 4, 5; in: BVR 2013 443 und in: URP 2013, 763).

13. Ein Anspruch auf eine Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG besteht nur, sofern eine der drei Voraussetzungen nach Art. 30 GSchG erfüllt ist, und nur insoweit, als dem Gesuchsteller auch eine Bewilligung oder eine Konzession zur Nutzung der öffentlichen Sache Wasser erteilt wird. Soweit kein Anspruch auf eine solche Bewilligung oder Konzession besteht, besteht auch kein Anspruch auf eine Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG (vgl. dazu die Voten der Ständeräte Hefti [Berichterstatter], Jagmetti und Zimmerli [AB 1988 S 645]). Würde eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG – unter Missachtung des Koordinationsgebots (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 17 ff.) – dennoch erteilt, wäre sie für den Gesuchsteller wertlos, da ihm das Recht fehlt, das öffentliche Gewässer zu nutzen.

14. Ein Anspruch auf eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG besteht grundsätzlich – sofern eine der Voraussetzungen nach Art. 30 GSchG erfüllt ist – wenn die Wasserentnahme aus einem eigenen Gewässer erfolgt, sei es durch eine Privatperson aus ihrer eigenen Quelle oder ihrem eigenen Oberflächengewässer, sei es durch ein Gemeinwesen aus einem Gewässer, das in seiner Hoheit steht (s. N 21, 36). Dies gilt selbstverständlich nur, wenn auch die Anlage, in welcher das Wasser gefasst, transportiert oder genutzt wird, das relevante Recht einhält.

 

 

III.        Die einzelnen Elemente der Bestimmung

A.           Bewilligungspflicht

15. Die Restwasservorschriften zielen auf den Schutz der Fliessgewässer ab. Deshalb hängt die Notwendigkeit einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG davon ab, ob durch die Wasserentnahme über den Gemeingebrauch hinaus ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung betroffen ist (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 13 f.; zu den Gründen, weshalb Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit nicht ständiger Wasserführung von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind vgl. Botschaft GSchG 1987, 1126 f.).

·         Eine Bewilligung ist für alle Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus (N 32 ff.) direkt aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung (N 38 ff.) erforderlich (Bst. a), selbst dann, wenn mit der Wasserentnahme keine wesentliche Beeinflussung des Fliessgewässer verbunden ist (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 14).

·         Demgegenüber brauchen Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus aus Seen und Grundwasservorkommen (N 47 f.) nur dann eine Bewilligung, wenn sie ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung (N 38 ff.) wesentlich beeinflussen (Bst. b; N 49).

Entgegen dem Wortlaut von Art. 29 Bst. b GSchG («welche» bezieht sich auf «Seen und Grundwasservorkommen») muss die Wasserentnahme – und nicht die Seen und Grundwasservorkommen – die Wasserführung eines Fliessgewässers wesentlich beeinflussen. Das ergibt sich aus Art. 34 GSchG, aus der französischen Fassung von Art. 29 Bst. b GSchG («opère, […], un prélèvement qui influence […]») und aus dem Umstand, dass die Bewilligungspflicht den Schutz der Fliessgewässer bezweckt. Art. 29 Bst. b GSchG hätte deshalb in Anlehnung an Art. 34 GSchG korrekterweise wie folgt formuliert werden müssen: «Eine Bewilligung braucht, wer […] aus Seen oder Grundwasservorkommen Wasser entnimmt, wenn dadurch die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird.»

16. Die Bewilligungspflicht erfüllt mehrere Funktionen:

·         Der sachliche Geltungsbereich der Restwasservorschriften erstreckt sich auf alle Arten von Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus, unabhängig vom Zweck. Festgelegt wurden sie aber v.a. zu Verhinderung der Austrocknung der Gewässer durch die Wasserkraftnutzung (Jagmetti, Energierecht, N 4234). Bei Bewilligungen, die gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG erteilt werden (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 11 f.), dient die Bewilligungspflicht in erster Linie der Sicherung angemessener Restwassermengen. Sie bietet den verfahrensmässigen Rahmen für die umfassende Berücksichtigung aller massgebenden Interessen, welche für oder gegen die (direkte oder indirekte) Wasserentnahme aus Fliessgewässern sprechen (BGE 120 Ib 233, 240 f. [Geisslibach], E. 5a; Griffel, Grundprinzipien, N 391).

·         Werden Bewilligungen gestützt auf eine der besonderen Voraussetzungen nach Art. 30 Bst. b oder c GSchG erteilt (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 14 ff., 26 ff.), dient die Bewilligungspflicht dazu, sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für eine erleichterte Bewilligung, die mengenmässige Beschränkung der Entnahmemenge (bei Bst. b und c) und der Zweck der Entnahme (bei Bst. c), jederzeit eingehalten sind.

17. Die Bewilligungspflicht gilt für Wasserentnahmen aus öffentlichen und aus privaten Gewässern (Art. 2 i.V.m Art. 29 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 2 GSchG N 19; Eckert, Restwassermengen, 37; vgl. Jagmetti, Energierecht, N 4105, 4207; Jagmetti, Kommentar BV 1874, Art. 24bis, N 12, Fn. 48).

18. Sie gilt für neue Wasserentnahmen und ausnahmsweise auch für bereits bestehende (vgl. N 58).

19. Die Bewilligungspflicht erstreckt sich auf alle Nutzungen des Wassers, unabhängig vom Zweck der Wasserentnahme, auch auf solche, die einer Konzession nach WRG bedürfen (dazu Eckert, Restwassermengen, 32 f.; nicht zutreffend deshalb Hänni, Planungsrecht, 445 f. und Vallender/Morell, Umweltrecht, § 13 N 25). Auch Wasserentnahmen zur Trinkwasserversorgung bedürfen einer Bewilligung, sie sind nicht von der Bewilligungspflicht ausgenommen, sofern sie ein vertretbares Mass nicht übersteigen, sondern von der Erfüllung der Anforderungen nach Art. 31–35 (a.M. Eckert, Restwassermengen, 41; vgl. Botschaft GSchG 1987, 1128).

20. Erst bei der Erteilung der Bewilligung spielt der Zweck der Wasserentnahme eine Rolle. Gewisse Verwendungen sind insofern privilegiert, als geringere Anforderungen an der Erteilung der Bewilligung (Art. 30 Bst. c GSchG) bzw. an die Einhaltung von Mindestrestwassermengen gestellt werden. Dies gilt namentlich für die Verwendung als Trinkwasser (Art. 30 Bst. c GSchG), teilweise für die Wasserkraftnutzung (vgl. Art. 32 Bst. a–c GSchG) sowie für Wasserentnahmen in Notsituationen (Art. 32 Bst. d GSchG).

21. Die Bewilligungspflicht gilt für alle Personen und Gemeinwesen, die Wasser entnehmen. Bewilligungen für Wasserentnahmen sind entgegen den Ausführungen in der Botschaft GSchG 1987 (1127 f.), die sich auf Art. 29 Abs. 2
E-GSchG 1987 (vgl. N 2) beziehen, auch dann erforderlich, wenn ein Kanton bzw. ein anderes Gemeinwesen, welches über die Gewässerhoheit verfügt, das Wasser selber nutzt. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass einerseits die Restwasservorschriften unterschiedslos Anwendung finden und andererseits einheitliche Verfahren und einheitlicher Rechtschutz bei allen Wasserentnahmen gewährleistet sein müssen.

22. Keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG wäre notwendig, wenn der Bundesrat gestützt auf Art. 5 GSchG durch Verordnung Ausnahmen von der Bewilligungspflicht vorsehen würde, soweit die Gesamtverteidigung oder Notlagen dies erfordern. Bisher wurde diese mögliche Ausnahme gemäss Art. 5 GSchG nicht in Anspruch genommen.

23. E contrario ergibt sich schliesslich, dass in folgenden Fällen keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich ist, nämlich für:

·         Wasserentnahmen im Gemeingebrauch (vgl. N 32);

·         Wasserentnahmen aus Fliessgewässern ohne ständige Wasserführung (vgl. N 38 ff.);

·         Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasser, wenn dadurch kein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird (vgl. N 49 ff.).

24. Eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG ist auch dann nicht erforderlich, wenn einem Gewässer Wasser für Zwecke wie z.B. den Betrieb von Wärmepumpen oder zur Nutzung als Kühlwasser (Durchlaufkühlung) entnommen und nach der Nutzung nahe am Ort der Entnahme wieder in das Gewässer eingeleitet wird (vgl. N 29).

25. Beim Verhältnis der Bewilligung nach Art. 29 GSchG zur fischereirechtlichen Bewilligung (Art. 8 f. BGF) sind folgende Situationen zu unterscheiden (BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laubeggfall], E. 4.2):

·         Eine Wasserentnahme, die der Bewilligungspflicht nach Art. 29 GSchG unterliegt, benötigt keine Bewilligung nach Art. 8 BGF, da diese in der umfassenderen Bewilligung nach Art. 29 GSchG bereits enthalten ist (Art. 8 Abs. 4 BGF; BGE 125 II 18, 21 f. [Wynau], E. 4a bb; in: URP 1999, 146).

·         Wasserentnahmen aus Gewässern, für die keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich ist (vgl. N 23), bedürfen einer Bewilligung nach Art. 8 BGF, sofern Interessen der Fischerei betroffen sind (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 14, Abb. 2.1, und Pestalozzi, Restwassermengen, 715, mit Schema; vgl. auch Art. 33 Abs. 2 GSchV).

·         Technische Eingriffe in Gewässer, die keine Wasserentnahmen darstellen, bedürfen ebenfalls einer fischereirechtlichen Bewilligung, sofern Interessen der Fischerei betroffen sind (BGer 1A.123/1999 vom 1. Mai 2000 [Laufkraftwerk Verbois], E. 3a cc; vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 66).

 

B.            Wasserentnahme

26. Der Begriff Wasserentnahme ist wörtlich zu verstehen: Damit eine Wasserentnahme vorliegt, muss Wasser aus einem Gewässer entnommen und an einen anderen Ort geleitet werden; auch die Stauung eines Gewässers in einem Stausee ist eine Wasserentnahme (Botschaft GSchG 1987, 1127), ebenso die Fassung einer Quelle. Wird einem Fliessgewässer Wasser entnommen, fehlt dieses Wasser unterhalb der Entnahmestelle in der sog. Restwasserstrecke (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 12). Es entsteht eine Restwassersituation. Wird einem See oder einem Grundwasservorkommen Wasser entnommen, kann dies ebenfalls dazu führen, dass in einem Fliessgewässer eine Restwassersituation entsteht.

27. Keine Wasserentnahme ist die Stauung eines Gewässers für den Betrieb reiner Durchlaufanlagen, d.h. für Laufkraftwerke, bei welchen die Zentrale zur Produktion von Bandenergie in der Stauwehr selber eingebaut ist (BGer 1A.123/1999 vom 1. Mai 2000 [Verbois], E. 3a cc). Dies gilt nur dann, wenn die Zentrale das Wasser verzögerungsfrei verarbeitet und der Abfluss unterhalb der Anlage gegenüber dem natürlichen Zustand nicht verändert wird. (Auch Flusskraftwerke mit Stauanlagen können in beschränktem Umfang intermittierend betrieben werden.) Wenn keine Restwassersituation entsteht, ist keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich, sondern eine Bewilligung nach Art. 8 BGF.

28. Ob Wasserentnahmen für Laufkraftwerke, bei denen sich die Zentrale nicht direkt im Stauwehr befindet, sondern in dessen unmittelbarer Nähe, als Wasserentnahmen i.S.v. Art. 29 GSchG gelten, hängt davon ab, ob unterhalb der Staustelle nie (bzw. nur selten) oder regelmässig eine Restwassersituation entsteht. Wenn der Gewässerabschnitt zwischen Wehr und Wasserrückgabe normalerweise unter Wasser steht wie bei einem Laufkraftwerk ohne Ausleitung, ist keine Wasserentnahmebewilligung erforderlich (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 15). Wenn hingegen bei einer Anlage die Wasserrückgabe 21 m nach dem Wehr erfolgt und der Betrieb dazu führt, dass das Flussbett zwischen Wehr und Wasserrückgabe an durchschnittlich 220 Tagen pro Jahr trockengelegt wird, entsteht eine Restwassersituation und es ist eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG einzuholen (VGer BE, Urteil vom 4. Dezember 1995 [Wannenfluh], E. 5, in: BVR 1996 551 und in: URP 1996, 843).

29. Wasserentnahmen aus Fliessgewässern, Seen oder Grundwasser z.B. für den Betrieb von Wärmepumpen oder zur Durchlaufkühlung, bei denen die Wasserrückgabe nahe beim Entnahmeort erfolgt, gelten i.d.R. nicht als Wasserentnahmen i.S.v. Art. 29 GSchG, da i.d.R. unterhalb der Wasserentnahme keine Restwassersituation entsteht. In solchen Fällen wird nur bei der Aufnahme des Betriebs der Anlage so viel Wasser entnommen wie im Kreislauf Platz hat. Eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG ist deshalb i.d.R. nicht erforderlich, aber allenfalls eine Bewilligung nach Art. 8 BGF (vgl. N 25). Die Einleitung des genutzten Wasser zurück in das Gewässer bedarf einer Bewilligung nach Art. 7 Abs. 1 GSchG, da es sich beim eingeleiteten Wasser um verschmutztes Abwasser i.S.v. Art. 4 Bst. f GSchG handelt (s. Komm. zu Art. 4 GSchG N 31).

30. Bei Wasserentnahmen für die Wasserkraftnutzung bedarf die Rückgabe des turbinierten Wassers in ein Gewässer keiner Bewilligung, da es sich bei diesem Wasser nicht um Abwasser i.S.v. von Art. 4 Bst. e GSchG handelt. Das Wasser ist durch den Gebrauch nicht verändert. Wird jedoch Wasser zu anderen Zwecken entnommen und ist das Wasser bei der Rückgabe in ein Gewässer als Abwasser zu qualifizieren, ist eine Einleitbewilligung nach Art. 7 Abs. 1 oder 2 GSchG erforderlich.

31. Ein Sonderfall liegt vor bei sog. Gewässerteilungen. Manche künstliche Fliessgewässer, die von einem Gewässer abzweigen und flussabwärts wieder einmünden, z.B. alte Kanäle für den Betrieb von Mühlrädern, Sägewerken und Kleinkraftwerken, haben sich zu naturnahen, ökologisch wertvollen Gewässern entwickelt. Solche Gewässer sind oberirdische Gewässer i.S.v. Art. 4 Bst. a GSchG, und zwar Fliessgewässer (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 3). Gleichzeitig stellen sie Wasserentnahmen aus einem als Hauptgewässer bezeichneten natürlichen Fliessgewässer dar (VGer BE, Urteil vom 11. August 1997 [Biglenbach], Sachverhalt A., E. 5, in: BVR 1998 111 und in: URP 1998, 172; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 16). Bei einer Konzessionserneuerung oder einem Ausbauprojekt kann sich das Problem stellendass u.U. die Einhaltung der Restwasserbestimmungen im Hauptgewässer dazu führen würde, dass das Nebengewässer nicht erhalten und das Kleinkraftwerk nicht weiter betrieben werden könnte (betr. Sanierung von Kleinkraftwerken vgl. Art. 80 Abs. 3 GSchG). Diese Lösung erscheint in gewissen Fällen unter Berücksichtigung der Ziele von Art. 29 ff. GSchG – Sicherstellung einer ausreichenden Wasserführung in Fliessgewässern zur Erhaltung ihres ökologischen Wertes – nicht sachgerecht (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 3). Die Fachstelle des Bundes schlägt zwei Möglichkeiten für die Beurteilung solcher Fälle vor (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 16 f.):

·         Soweit möglich soll das künstliche Nebengewässer als Wasserentnahme aus dem Hauptgewässer betrachtet werden. Damit sind im Hauptgewässer die Restwasservorschriften einzuhalten, wobei der ökologische Wert des Nebengewässers als Interesse gegen die Erhöhung der Mindestrestwassermenge im Hauptgewässer berücksichtigt werden kann (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 29).

·         Führt diese Betrachtung nicht zu einem sachgerechten Resultat, z.B. bei einem ökologisch wertvollen Nebengewässer und einem stark verbauten Hauptgewässer oder wenn wegen zu geringer Niederwasserführung die Erhaltung des wertvollen Nebengewässers verunmöglicht würde, können Nebengewässer und Hauptgewässer zusammen als ein – korrigiertes bzw. geteiltes – Gewässer betrachtet werden. Bauliche Änderungen am Gewässer sind in diesem Fall nur zulässig, wenn dadurch dessen Zustand im Sinne des GSchG verbessert wird (Art. 37 Abs. 1 Bst. c GSchG) und es naturnah gestaltet wird (Art. 37 Abs. 2 GSchG). Die Fischwanderung muss jedoch nur in einem der beiden Gewässerarme gewährleistet werden und die Wasserführung wird eher zugunsten des ökologischeren Arms vorgenommen, wobei sie insgesamt so aufzuteilen ist, dass sie beiden Gewässerarmen gerecht wird (vgl. VGer BE, Urteil vom 11. August 1997 [Biglenbach], E. 8, in: BVR 1998 111 und in: URP 1998, 172).

 

C.           «Über den Gemeingebrauch hinaus»

32. Gemeingebrauch (auch als schlichter Gemeingebrauch bezeichnet) ist die Benutzung einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch, die bestimmungsgemäss und gemeinverträglich ist, und grundsätzlich jedermann, d.h. einer unbestimmten Zahl von Benutzern gleichzeitig, ohne Erteilung einer Erlaubnis und in der Regel unentgeltlich offen steht (Häfelin/Müller//Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2372 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 51, N 3 ff.).

33. In der Schweiz sind fast alle Gewässer öffentliche Gewässer, über welche die Kantone verfügen (N 8 f.). Die Nutzung von öffentlichen Sachen richtet sich gemäss Art. 664 Abs. 3 ZGB nach dem kantonalen Recht. Kantonale Umschreibungen des Gemeingebrauchs an öffentlichem Wasser bzw. öffentlichen Gewässern erfolgen entweder direkt oder durch eine Umschreibung des gesteigerten Gemeingebrauchs. Einige Beispiele:

·         Im Kanton LU gilt namentlich das Schöpfen von Wasser ohne besondere Einrichtungen und das Tränken von Tieren als Gemeingebrauch (§ 6 Abs. 2 WNVG LU).

·         Im Kanton SG darf das oberirdische öffentliche Gewässer zur Schifffahrt, zum Wasserschöpfen, Tränken, Baden, Waschen, Schwemmen und dergleichen von jedermann frei genutzt werden (Art. 6 Abs. 1 GNG SG). Ferner ist der Wasserbezug für den häuslichen, landwirtschaftlichen oder gewerblichen Eigengebrauch bis zu 50 Minutenlitern frei (Art. 6 Abs. 2 GNG SG). Dies gilt auch für den Grundeigentümer hinsichtlich Wasserbezug aus einem öffentlichen Grundwasservorkommen, sofern dadurch das Grundwasser weder geschädigt noch gefährdet wird (Art. 7 GNG SG).

·         Im Kanton BE gilt als Gemeingebrauch die Wassernutzung in geringem Umfang, die nicht gesteigerter Gemeingebrauch oder Sondernutzung ist (Art. 7 Abs. 2 WNG BE). Als gesteigerter Gemeingebrauch gelten zeitweise Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern ohne feste Einrichtungen (Art. 8 Abs. 1 WNG BE).

·         Im Kanton SO ist die Nutzung der oberirdischen öffentlichen Gewässern im Rahmen des Gemeingebrauchs frei (§ 52 GWBA SO), eine vorübergehende erhebliche Wasserentnahme aus Oberflächengewässern gilt als gesteigerter Gemeingebrauch (§ 53 Abs. 1 Bst. a GWBA SO).

·         Im Kanton AG steht die Nutzung der öffentlichen Gewässer und die Inanspruchnahme der Oberflächengewässer jedermann ohne Nutzungsrecht in dem Ausmass zu, wie sie die Nutzung durch eine andere nutzungswillige Person nicht einschränken oder ausschliessen (§ 4 WnG AG).

34. Ob eine Wasserentnahme noch im Gemeingebrauch liegt, hängt auch ab von der Grösse des Gewässers, welchem Wasser entnommen wird. Einem Gewässer mit grosser Wasserführung können grössere Mengen und durch mehr Personen gleichzeitig Wasser entnommen werden als einem mit geringer Wasserführung, bis die Gemeinverträglichkeit nicht mehr gegeben ist.

35. Bewilligungspflichtig nach Art. 29 GSchG sind nur Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus, die als gesteigerten Gemeingebrauch oder Sondernutzung zu qualifizieren sind:

·         Gesteigerter Gemeingebrauch ist diejenige Benutzung einer öffentlichen Sache, die nicht mehr bestimmungsgemäss oder gemeinverträglich ist und andere Benutzer wesentlich einschränkt, aber nicht ausschliesst; sie ist normalerweise bewilligungspflichtig (vgl. N 11).

·         Sondernutzung ist derjenige Gebrauch einer öffentlichen Sache im Gemeingebrauch, der nicht bestimmungsgemäss ist, bei welchem die Berechtigten eine ausschliessliche Verfügung über einen Teil der Sache erhalten und der die Erteilung einer Konzession voraussetzt (vgl. N 12).

36. Wasserentnahmen aus privaten Gewässern können weder im Gemeingebrauch stehen noch gesteigerten Gemeingebrauch oder Sondernutzung darstellen. Das GSchG und damit auch Art. 29 ff. GSchG gelten jedoch auch für solche Entnahmen (vgl. N 17). Die Wendung «Entnahme über den Gemeingebrauch hinaus» hat hier den Charakter einer Mengenangabe. Auf Wasserentnahmen aus privaten Gewässern muss Art. 29 ff. GSchG analog angewendet werden.

37. In der Praxis gibt es im Zusammenhang mit der Erteilung von Wasserentnahmebewilligungen nach Art. 29 GSchG kaum Probleme mit der Abgrenzung zwischen Wasserentnahmen im Gemeingebrauch und gesteigertem Gemeingebrauch (vgl. Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 27 f.).

 

D.           Aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung

38. In der Praxis ist kaum umstritten, welche Gewässer mit Fliessgewässern gemeint sind (zum Begriff «Gewässer» vgl. Komm. zu Art. 2 GSchG N 5 ff.; Eckert, Restwassermengen, 35 ff; zum Begriff «oberirdisches Gewässer» vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 3 ff.). So handelt es sich bei der Emme «zweifellos um ein Fliessgewässer» (VGer BE, Urteil vom 4. Dezember 1995 [Wannenfluh], E. 4, in: BVR 1996 551 und in: URP 1996, 843) und es kann «nicht ernsthaft bezweifelt werden», dass der Wasserlauf des Biglenbachs ein Fliessgewässer ist (VGer BE, Urteil vom 11. August 1997 [Biglenbach], E. 6a, in: BVR 1998 111 und in: URP 1998, 172). Es ist denkbar, dass bei einzelnen Gewässern bzw. Gewässerabschnitten nicht ohne weiteres klar ist, ob es sich um ein breites Fliessgewässer oder um einen schmalen See handelt. Erwähnt sei der Wohlensee bei Bern, der durch Aufstauung der Aare bei Mühleberg zur Stromproduktion entstanden ist. In der Praxis könnte dies im Zusammenhang mit Wasserentnahmen eine Rolle spielen, weil sich die Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern und Seen unterscheiden (vgl. N 15). Bei einer wesentlichen Beeinflussung eines Fliessgewässers unterstünde die Wasserentnahme jedoch so oder so der Bewilligungspflicht nach Art. 29 GSchG.

39. Das GSchG gilt auch für künstliche Gewässer (s. Komm. zu Art. 2 GSchG N 18). Nach Art. 1 Abs. 2 WRG gelten Kanäle als Gewässer. Dem GSchG ist alles Wasser unterstellt, das Teil des natürlichen Wasserkreislaufs ist (vgl. Komm. zu Art. 2 GSchG N 7, 12 ff.). Dennoch kann sich die Frage stellen, wieweit Wasserläufe mit einem künstlichen Wasserbett, die der Wasserzuleitung oder ‑ableitung dienen — z.B. Werkkanäle und Ausgleichsbecken für den Betrieb von Wasserkraftanlagen, zur Kühlung oder zur Bewässerung — als Fliessgewässer gelten und Wasserentnahmen daraus der Bewilligungspflicht unterliegen.

40. Dies ist von Fall zu Fall zu entscheiden unter Berücksichtigung der Funktion von Art. 29 GSchG (vgl. N 5, 16). Wasserentnahmen aus Werkkanälen, Mühlbächen und dergleichen, die eine Entwässerungsfunktion übernommen haben, oder die typische Merkmale eines natürlichen Fliessgewässers aufweisen, bedürfen selbstverständlich einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG. Wasserentnahmen aus Werkkanälen ohne derartige Merkmale bedürfen dann einer Bewilligung, wenn sich die Entnahme auf ein Fliessgewässer mit Merkmalen eines natürlichen Fliessgewässers auswirkt. Künstliche Wasserläufe sind vielfach auch insofern künstlich, als sie vollständig von Wasser abhängig sind, das aus einem natürlichen Gewässer abgeleitet wird. Aus unterschiedlichen Gründen (z.B. gestützt auf eine Vereinbarung oder wegen Reinigung des Kanals bzw. des Bachbetts) kann es vorkommen, dass sie während längerer Zeit von der Wasserzufuhr abgeschnitten werden. In diesem Fall würde es an der ständigen Wasserführung fehlen und die Bewilligungspflicht aus diesem Grund entfallen.

41. Die Bewilligungspflicht gilt nur für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1126; vgl. BGE 126 II 283, 292 [Lungerersee], E. 3a, in: URP 2000, 679). Ständige Wasserführung bedeutet eine Abflussmenge Q347 grösser als Null (Art. 4 Bst. i GSchG).

42. Dem GSchG lässt sich nicht entnehmen, welches der massgebliche Ort für die ständige Wasserführung ist, d.h. an welchem Ort bzw. in welchen Abschnitten ein Fliessgewässer eine Abflussmenge Q347 von grösser als Null aufweisen muss, damit es als ständig wasserführend gilt. Es fragt sich insbesondere, ob ein Gewässer zu den Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung zählt, wenn es am Ort der Wasserentnahme ständig Wasser führt oder ob zusätzlich auf der ganzen (zukünftigen) Restwasserstrecke (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 12 f.) die Abflussmenge Q347 grösser als Null sein muss.

·         Eindeutig ist die Situation bei einem Fliessgewässer, dessen Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme Null ist, unabhängig davon, ob es auf der Strecke unterhalb der Entnahme ständig oder nicht ständig wasserführend ist. Ist die Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme Null, ist keine Bewilligung erforderlich, Art. 31 Abs. 1 GSchG könnte gar nicht angewendet werden (vgl. N 46).

·         Eindeutig ist die Situation auch bei Fliessgewässern, deren Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme und auf der gesamten Restwasserstrecke entweder grösser als Null (ständig wasserführend) oder Null (nicht ständig wasserführend) ist (Eckert, Restwassermengen, 46; Pestalozzi, Restwassermengen, 723).

·         Wie es sich verhält, wenn ein Fliessgewässer zwar am Ort der Wasserentnahme ständig Wasser führt, aber unterhalb der Fassungsstelle Abschnitte ohne ständige Wasserführung aufweist, wie es bei Gewässern mit Versickerungsabschnitten vorkommen kann (s. Komm. zu Art. 4 GSchG N 67), regelte der Bundesrat erst fast sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des GSchG in der GSchV.

43. Nach Art. 33 Abs. 1 GSchV ist für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern, die Abschnitte mit ständiger und solche ohne ständige Wasserführung aufweisen, eine Bewilligung erforderlich, wenn das Fliessgewässer am Ort der Wasserentnahme eine ständige Wasserführung aufweist. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung, d.h. die Einhaltung der Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG (Art. 30 Bst. a GSchG), müssen nur in den Abschnitten mit ständiger Wasserführung erfüllt sein (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 31 f. und Komm. zu Art. 33 GSchG N 15). Damit hatte der Bundesrat eine heftig umstrittene Frage entschieden (vgl. zur Auslegung des Begriffs «Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung» und zu Art. 33 GSchV: Eckert, Restwassermengen, 46 ff.; Pestalozzi, Restwassermengen, 723 ff.).

44. Das Bundesgericht sah sich veranlasst, Art. 33 Abs. 1 GSchV vorfrageweise auf seine Gesetz‑ und Verfassungsmässigkeit zu prüfen (BGE 126 II 283, 289 ff. [Lungerersee], E. 3a–c, in: URP 2000, 679). Es gelangte zum Schluss, die Bestimmung sei sachgerecht sowie verfassungs‑ und gesetzeskonform und beruhe insgesamt auf einer überzeugenden Auslegung des GSchG (Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Argumentation bei Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 66 f.). Gemäss Jagmetti, der als Ständerat an den Beratungen über das GSchG teilgenommen hatte, kann sich diese Auslegung nur sehr bedingt auf den Willen des Gesetzgebers abstützen (Jagmetti, Energierecht, N 4235, Fn. 331).

45. Jagmetti macht geltend, die vom Bundesgericht zitierten Voten seien aus der Sicht jener, die an den Beratungen teilgenommen hätten, einseitig ausgewählt. Auch trage die Analyse des Bundesgerichts dem Umstand zu wenig Rechnung, dass der Nationalrat ursprünglich beschloss, die Worte «mit ständiger Wasserführung» zu streichen (s. Vor Art. 29–36 GSchG N 33) und sich erst bei der dritten Beratung dem Willen des Ständerates fügte (s. Vor Art. 29–36 GSchG N 34). Das erste Argument ist zu pauschal, als dass es sich nachvollziehen liesse. Das zweite könnte ebensogut als Argument für die gewählte Lösung betrachtet werden.

46. Erfolgt die Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer an einer Stelle ohne ständige Wasserführung, ist gemäss Art. 33 Abs. 1 GSchV keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich (vgl. BGE 126 II 293, nicht publ. E. 8b). Die Behörde hat jedoch gemäss Art. 33 Abs. 2 GSchV dafür zu sorgen, dass die nach dem NHG und dem BGF erforderlichen Massnahmen getroffen werden (vgl. N 25). Diese Bestimmung hat deklaratorischen Charakter. Es ist selbstverständlich, dass das NHG und das BGF angewendet werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn Wasserentnahmen gestützt auf Art. 30 Bst. b oder c GSchG bewilligt werden (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 35 f.).

 

E.            Aus Seen und Grundwasservorkommen, wenn ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird

47. Im GSchG wird der Begriff «See» verwendet, aber nicht erläutert. Seen werden zu den oberirdischen und zwar zu den stehenden Gewässern gezählt (vgl. BGer 1C_821/20131C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.2, in: URP 2015, 301). Das GSchG gilt auch für künstliche Gewässer (vgl. N 39). Deshalb ist Art. 29 ff. GSchG auch bei Wasserentnahmen aus künstlichen Seen anwendbar, sofern die Entnahme ein Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst (vgl. N 49).

48. Zu den Grundwasservorkommen zählt auch das Quellwasser. Bei der Fassung von Quellen wird Grundwasser gefasst (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG).

49. Wasserentnahmen über den Gemeingebrauch hinaus aus Seen und Grundwasservorkommen bedürfen nur dann einer Bewilligung, wenn sie die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflussen (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 66). Im GSchG ist nicht definiert oder umschrieben, was unter einer wesentlichen Beeinflussung eines Fliessgewässers zu verstehen ist (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 55 ff.). Ob durch eine Wasserentnahme aus einem See oder einem Grundwasservorkommen eine wesentliche Beeinflussung eines Fliessgewässer zu erwarten ist, muss im Einzelfall durch eine Fachperson abgeklärt werden (zur Praxis s. Komm. zu Art. 34 GSchG N 7). Keine wesentliche Beeinflussung liegt vor, wenn die Wasserentnahme aus einem See oder einem Grundwasservorkommen (zusammen mit anderen Entnahmen) dazu führt, dass dem betroffenen Fliessgewässer nicht mehr als 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1000 l/s fehlt (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 14).

50. Bei Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen ist vorab abzuklären, in welchem Abschnitt ein Fliessgewässer wesentlich beeinflusst werden kann. Für die Entnahme von Wasser aus einem bestehenden Stau-becken eines Kraftwerks war nach Auffassung des Bundesgerichts keine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erforderlich. Die Wasserentnahme erfolgt im Rahmen der gewässerschutzrechtlichen Bewilligung, die für das Kraftwerk gilt, und die dort genannten Mindestrestwassermengen auf der Restwasserstrecke werden bis zur Wasserrückgabe eingehalten (BGer 1A.234/1999 vom 1. Mai 2000, E. 5b, in: ZBl 2001, 530). Das für die Beschneiung entnommene Wasser fehlt jedoch dem Gewässer unterhalb der Wasserrückgabe. Ob die Wasserentnahme aus dem Staubecken einer Bewilligung bedurfte, wäre deshalb anhand ihrer Auswirkungen auf die Gewässerstrecke unterhalb der Wasserrückgabe zu prüfen gewesen (vgl. Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung vor 2003, 30).

51. Quellen sind die Stellen, an denen Grundwasser an die Erdoberfläche tritt. Sobald Quellwasser an die Erdoberfläche gelangt, wird es Teil eines oberirdischen Gewässers im Sinn von Art. 4 Bst. a GSchG oder Teil eines vernässten Gebietes (vgl. Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 374 f., 384 f., m.H.). Wasserentnahmen aus Quellen bzw. die Fassung von Quellen führen in vielen Fällen nicht zu einer wesentlichen Beeinflussung eines Fliessgewässers. Bei vielen Quellen (z.B. bei abflusslosen Quellen, deren Wasser wieder versickert) bildet sich gar kein Quellbach. Bei anderen Quellen, insb. den sog. Bachquellen (BGE 122 III, 49, E. 2), bildet die Quelle zwar den Beginn eines Fliessgewässers, welches durch die Fassung der Quelle ganz oder teilweise trockengelegt werden könnte. Die Quellbäche kleiner Quellen, z.B. in den Karstgebieten des Jura, führen jedoch nicht ständig Wasser (vgl. Zollhöfer, Quellen, 20). Deshalb bedürfen Wasserentnahmen aus Quellen bzw. die Fassung von Quellen in vielen Fällen keiner Bewilligung nach Art. 29 Bst. b GSchG, Art. 29–36 GSchG sind somit nicht anwendbar (Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 385).

 

 

IV.        Art. 29 ff. GSchG und Übergangsrecht

A.           Notwendigkeit von Übergangsrecht

52. Sind die Voraussetzungen gemäss Art. 29 GSchG für die Bewilligungspflicht von Wasserentnahmen erfüllt, braucht jede Wasserentnahme eine Bewilligung. Art. 29 ff. GSchG trifft keine Unterscheidung zwischen neuen und bestehenden Wasserentnahmen.

53 Die Situation unterhalb von bestehenden Entnahmen, die heute einer Bewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG bedürfen würden, präsentierte sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GSchG so, dass in aller Regel keine Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG und schon gar keine angemessenen Restwassermengen flossen (Vor Art. 29–36 GSchG N 3). Viele der bestehenden Wasserentnahmen beruhen auf einer Konzession für die Sondernutzung eines öffentlichen Gewässers. Solche Konzessionen verleihen wohlerworbene Rechte, die unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehen und nur gegen volle Entschädigung aufgehoben oder sonst wie in ihrer Substanz beeinträchtigt werden können (z.B. BGE 107 Ib 140, 145 [Ilanz I], E. 3b, in: ZBl 1981 537; Riva, Wohlerworbene Rechte, 15 ff., 55 ff.). Mit Rücksicht auf die finanziellen Konsequenzen, welche die Durchsetzung der Restwasservorschriften bei bestehenden Wassernutzungsrechten gehabt hätte, wurden die Vorschriften mit Hilfe der Übergangsbestimmungen so ausgestaltet, dass sie in erster Linie für neue Werke sowie für die Erneuerung bestehender Konzessionen gelten (Botschaft GSchG 1987, 1090). Mit den Übergangsbestimmungen sollte weiter sichergestellt werden, dass auch bereits bestehende Wasserentnahmen dem Schutz des GSchG unterstellt werden, wobei Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte ihre Grenzen an den wohlerworbenen Rechten finden (Caviezel, Sanierung, N 14). Zum Hintergrund der Regelung s. Vor Art. 80–83 GSchG N 3 ff.

54. Aus diesem Grund enthält das GSchG mit Art. 80 ff. Übergangsbestimmungen zu Art. 29 ff. GSchG. Danach müssen durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusste Fliessgewässer nur soweit saniert werden, als dies ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist (Art. 80 Abs. 1 GSchG). Sanierungsziel ist grundsätzlich, dass der ökologische Zustand der durch Wasserentnahmen beeinträchtigen Gewässer den Verhältnissen bei ausreichender Mindestrestwassermenge gemäss Art. 31–33 GSchG möglichst nahe kommt (BGE 139 II 28 [Misoxer Kraftwerke], E. 2.7.3, in: URP 2012, 854). Weitergehende Sanierungen müssen entschädigt werden (Art. 80 Abs. 2 GSchG). Einzelheiten s. Komm. zu Art. 80 GSchG (zum Umfang der Sanierung, N 24 ff.).

 

B.            Art. 29 ff. oder 80 ff. GSchG?

 

1.             Allgemeines

55. Die Frage, in welchen Fällen Art. 29 ff. GSchG und in welchen Art. 80 ff. GSchG anzuwenden sind, ist von grosser Bedeutung für den Schutz der Gewässer wie für die Wasserwirtschaft. Die Restwassermengen nach einer Sanierung gemäss Art. 80 ff. GSchG sind nämlich i.d.R. geringer als angemessene Restwassermengen nach Art. 29 ff. GSchG (vgl. EAWAG, Wasserkraftnutzung, 21 ff.).

56. Der Unterschied könnte geringer sein als man erwarten würde. Untersuchungen des BAFU ergaben, dass die Minderproduktion von Ausleitkraftwerken wegen der Restwassermengen nach Art. 31–33 GSchG etwa 7.3 % beträgt (Kummer, Energieminderproduktion, 1, 4; vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 82). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommen im Rahmen der Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 GSchG bereits bei durchschnittlichen betrieblichen Verhältnissen Produktions‑ bzw. Erlöseinbussen von bis zu 5 % in Betracht, ohne eine Entschädigungspflicht auszulösen, bei guter bis sehr guter Ertragslage und entsprechend abgeschriebenen Anlagen rechtfertigen sich noch weitergehende Sanierungsmassnahmen (BGE 139 II 28 [Misoxer Kraftwerke], E. 2.7.4, in: URP 2012, 854; zur wirtschaftlichen Tragbarkeit und deren Beurteilung, s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 40 f.).

57. Für widerrechtliche Wasserentnahmen kommt eine Sanierung nach Art. 80 GSchG nicht in Frage. Soll eine solche Entnahme weitergeführt werden, muss eine Konzession oder Nutzungsbewilligung eingeholt werden. Im Rahmen dieses Verfahrens wird eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erteilt (s. Vor Art. 80–83 GSchG N 14).

 

2.             Bestehende Wasserentnahmen ohne bestehende Wasser­nutzungsrechte

58. Als bestehende Wassernutzungsrechte gelten einerseits durch Konzessionen verliehene (s. N 53) und andererseits sog. ehehafte Wasserechte (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 10). Bestehende Wasserentnahmen, die nicht gestützt auf ein bestehendes Wassernutzungsrecht, sondern lediglich gestützt auf eine Bewilligung für gesteigerten Gemeingebrauch (vgl. N 11) erfolgen, müssen umfassend saniert werden (s. Komm zu Art. 80 GSchG N 11). Nach der Sanierung muss die Wasserentnahme die Anforderungen von Art. 31–33 GSchG erfüllen. Die Bestimmungen von Art. 29 ff. GSchG sind auch dann anzuwenden, wenn seit mehr als 50 Jahren ohne Konzession oder Bewilligung einem Fliessgewässer Wasser entnommen wurde, der Kanton von der rechtswidrigen Wasserentnahme Kenntnis hatte und sie nie beanstandet hat (BGer 1C_718/2013 vom 20. März 2014 [Oberalpreuss], E. 5, in: URP 2014, 289; s. N 57).

 

3.             Konzessionserneuerung nach Ablauf ihrer Dauer

59. Da die Erneuerung einer Konzession nach Ablauf ihrer Dauer der Erteilung einer neuen Konzession entspricht, bedürfen nicht nur neue, sondern auch bestehende Wasserentnahmen, die neu konzessioniert werden, einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG (BGE 120 Ib 233 [Geisslibach], E. 3b m.H.; Botschaft GSchG 1987, 1099, 1139; Jagmetti, Energierecht, N 4215; vgl. auch Caviezel, Wasserrechtskonzessionen, 84 f.). Die neuen Restwasservorschriften müssen spätestens fünf Jahre nach dem Ablauf einer Konzession ohne Einschränkung angewendet werden (Art. 58a Abs. 3 WRG; zu den erforderlichen Abklärungen vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 16).

 

4.             Änderung laufender Konzessionen

60. Erfolgt eine Konzessionserneuerung während der Laufzeit der Konzession auf deren Ablauf, liegt eine neue Konzession vor. Es gelten dieselben Vorschriften wie bei einer Konzessionserneuerung nach Ablauf ihrer Dauer (Caviezel, Wasserrechtskonzessionen, 91 f.).

61. Auch bei einer Konzessionsverlängerung während noch laufender Konzession über die Höchstdauer von 80 Jahren hinaus (in casu um mehr als 40 Jahre) verlangen die öffentlichen Interessen die Anwendung der Grundsätze – damit sind auch die Restwasservorschriften des GSchG gemeint – die für die Erteilung einer neuen Konzession gelten. Bei einer Konzessionsverlängerung wird nämlich die vom Gesetzgeber in Art. 58 Abs. 1 WRG angeordnete zeitliche Begrenzung der Konzession «als die zentrale Vorschrift des Gesetzes überhaupt» geändert (BGE 119 Ib 254, 289 ff. [Curciusa], E. 10c–e, 10g, 10h, in: URP 1993, 403; Einzelheiten bei Caviezel, Wasserrechtkonzessionen, 91 f.).

62. Konzessionsanpassungen sind inhaltliche, wesentliche oder nicht wesentliche Änderungen einer Konzession während der Konzessionsdauer (Caviezel, Wasserrechtskonzessionen, 92 f.).

63. Ist eine als «Konzessionsanpassung» oder «Nachtrag» bezeichnete Änderung einer bestehenden Konzession so wesentlich, dass sie materiell der Erteilung einer neuen Konzession gleichkommt, muss sie den Erfordernissen einer neuen Konzession entsprechen. Damit steht fest, dass grundsätzlich die geltenden Gesetze, auch Art. 29 ff. GSchG, einzuhalten sind (BGE 119 Ib 254, 269 f., E. 5b). Eine wesentliche Konzessionsänderung wird dann angenommen, wenn hinsichtlich Art und Umfang der verliehenen Nutzungsrechte (Art. 54 Bst. b WRG) substantielle Anpassungen vorgenommen werden, da solche Änderungen regelmässig Auswirkungen auf die Umwelt haben (Caviezel, Wasserrechtskonzessionen, 92 f.). Bei UVP-pflichtigen Speicher‑ und Laufkraftwerken ist die Wesentlichkeit einer Anlagenänderung daran zu messen, ob mit ihr eine Konzessionsänderung verbunden ist, die einer Neukonzessionierung gleichkommt. Argumente für die UVP-Pflicht sind damit gleichzeitig Argumente für die Wesentlichkeit einer Konzessionsanpassung. Für die UVP-Pflicht und damit für eine wesentliche Konzessionsänderung sprechen z.B. die Erhöhung der Nutzwassermenge, Änderungen der Nutzungsart (wie Bau eines neuen Kraftwerks, Bau einer neuen oder Erhöhung einer bestehenden Staumauer, Bau eines neuen Druckstollens, Steigerung des Winteranteils an der Stromproduktion) sowie Anlagenänderungen, die zu einer Veränderung des Wasserregimes führen (BAFU, UVP-Pflicht bei Änderung, 34 f. m.w.H). Ein Hinweis auf eine wesentliche Konzessionsänderung ist auch darin zu sehen, dass die neuen Anlagen mit den bereits bestehenden Anlagen eine Gesamtanlage bilden (BGE 119 Ib, 254, 300 [Curciusa], E. 10m, in: URP 1993, 403).

64. Das kantonale Recht einzelner Kantone enthält konkrete Regelungen, welche Änderungen als wesentliche Änderung einer Konzession zu betrachten sind. Gemäss Art. 12 Abs. 2 WNG BE gelten z.B. die Nutzung von Wasser aus einem anderen Gewässer, die Erhöhung der Wassermenge aus dem bereits genutzten Gewässer um mehr als 10 %, die Erhöhung der konzedierten Bruttofallhöhe um mehr als 5 % oder die Änderung der Art der Nutzung als wesentliche Änderung (Einzelheiten bei Keller, Umwelt‑ und Energierecht, Bernisches Verwaltungsrecht, N 61; vgl. auch § 17 KonzV WWG ZH).

65. Im Einzelfall kann die Beurteilung, ob eine wesentliche oder eine nicht wesentliche Konzessionsänderung vorliegt, schwierig sein. Dabei ist die Auslegung der bestehenden Konzessionen von entscheidender Bedeutung (VGer BE, Urteil vom 3. April 2008 [Grimsel], E. 4.7, in: BVR 2009 341). In der Praxis bejahte das Bundesgericht in zwei Fällen das Vorliegen einer wesentlichen Änderung und verneinte dies in einem Fall:

·         Im Fall Curciusa sahen die umstrittenen Nachträge von 1990 zu den Konzessionen aus den Jahren 1953/1956 den Betrieb eines Saison-Speicherwerks gegenüber dem ursprünglich geplanten Gravitationswerk im oberen Misox vor. Damit verbunden war u.a. die Speicherung des Wassers in einem Stausee mit mehr als doppeltem Inhalt (60 Mio. m3 statt 27.6 Mio. m3), die überwiegende Nutzung des Wassers im Winter statt im Sommer, die Erhöhung des nutzbaren Gefälles um 7 % und der Verzicht auf eine oberirdische Zentrale; an deren Stelle war eine unterirdische Zentrale an einem anderen Ort vorgesehen. Vorgesehen war weiter die Neufestlegung der wirtschaftlichen Leistungen der Beliehenen, einschliesslich der Anpassung der Heimfallregelung. All dies veranlasste das Bundesgericht, von einer so weitgehenden Änderung des Nutzungskonzepts gemäss den Konzessionen von 1953/1956 zu sprechen, dass die Anpassung materiell einer Neukonzessionierung gleichkommt. Damit sind die geltenden Gesetze, einschliesslich Art. 29 ff. GSchG, sowohl bezüglich des Verfahrens als auch der materiellen Anforderungen zu beachten (BGE 119 Ib 254, E. 5b, 9g, 10k–m).

·         In den Entscheiden Grimsel (BGer 1C_207/2008 vom 20. Februar 2009 und VGer BE, Urteil vom 3. April 2008, in: BVR 2009 341; s. dazu Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 236 f.) ergab die Auslegung der massgebenden Konzession, dass das Nutzungsrecht der KWO Kraftwerke Oberhasli AG aus dem Jahr 1962 zur Ausnützung der Aare im Oberlauf nicht umfassend ist. Mit der Erhöhung der Staumauern des Grimselsees werde in zwei wesentlichen Punkten von der bestehenden Konzession abgewichen. Das Projekt ermögliche nicht nur eine Steigerung der nutzbaren Fallhöhe einer der Maschinengruppen um 23 m bzw. 16.1 %, sondern auch die Art der Nutzung werde wesentlich geändert. Der Nutzinhalt des Speichersees, d.h. das Speichervolumen werde um nahezu 80 % vergrössert und der Winteranteil der Stromproduktion von 43 % auf rund 55 % erhöht.

·         Im Entscheid Rheinfelden (BGer 1A.170/2003 vom 27. August 2004, in: URP 2004, 592, und in: ZBl 2005, 311) verneinte das Bundesgericht die Notwendigkeit einer neuen Konzession (E. 4.2, 4.3). Die Konzessionsänderung betraf die Verlängerung der Fristen für den Baubeginn und für die Inbetriebnahme, die Etappierung der Bauausführung sowie die Erhöhung der Dotierwassermenge für voraussichtlich nur wenige Jahre. Das Bundesgericht erwog, die Fristen für die Inbetriebnahme der Anlage seien ein wichtiger Bestandteil der Konzession. Jedoch sei nicht jede so geringfügige Fristverlängerung einer Wasserrechtskonzession als Neukonzessionierung zu qualifizieren, vielmehr hänge dies von der Dauer der Fristverlängerung ab (E. 4.2.4). Diese sei zur Gesamtkonzessionsdauer in Beziehung zu setzen. Im vorliegenden Fall sei eine einmalige Verlängerung der Frist für die Inbetriebnahme um 15 Jahre vertretbar, da bis zum Ablauf der Konzession noch 50 Jahre verblieben. Wegen der von der Konzessionärin unverschuldeten Verzögerung des Konzessionsverfahrens betrage die effektive Fristverlängerung nur elfeinhalb Jahre (E. 4.2.5).

 

 

Résumé

L’art. 29 LEaux impose une autorisation pour tous les prélèvements d’eau allant au-delà de l’usage commun et qui sont opérés dans un cours d’eau à débit permanent (let. a) ou dans des lacs ou nappes souterraines qui influencent sensiblement le débit d’un tel cours d’eau (let. b), ce dans le but de maintenir des débits résiduels convenables. L’autorisation de prélèvement est une autorisation de police. Le droit à une autorisation est limité par la souveraineté des cantons sur les eaux. En effet, l’utilisation des biens du domaine public est régie par le droit cantonal, qui doit prévoir selon l’art. 664 al. 3 CC des dispositions sur l’exploitation et le commun usage des biens du domaine public.

L’utilisation des eaux publiques sortant des limites de l’usage commun nécessite, soit une autorisation pour l’usage accru du domaine public, soit une concession d’usage privatif. L’art. 29 LEaux s’applique par analogie également aux prélèvements opérés dans des eaux privées. Lorsqu’une des trois conditions de l’art. 30 LEaux est remplie, il existe un droit à une autorisation de prélèvement d’eau selon l’art. 29 LEaux pour autant qu’une autorisation ou une concession pour l’utilisation du domaine public soit accordée au requérant. Un droit sans réserve à une autorisation selon l’art. 29 LEaux existe pour celui qui opère un prélèvement dans sa propre eau et qui remplit une condition de l’art. 30 LEaux. Selon le message du Conseil fédéral, il y a prélèvement lorsqu’une certaine quantité d’eau est prélevée dans un cours d’eau, puis transférée à un autre endroit occasionnant une situation de débit résiduel à l’emplacement du prélèvement. Le but du prélèvement n’est en principe pas décisif pour l’obligation d’autorisation. Cependant, les prélèvements pour certains usages, par exemple ceux destinés à l’approvisionnement en eau potable (art. 30 let. c LEaux), sont privilégiés.

Celui qui opère un prélèvement dans un cours d’eau à débit permanent, soit dans un cours d’eau dont le débit Q347 est supérieur à zéro (art. 4 let. i LEaux), doit être titulaire d’une autorisation. Pour les cours d’eau présentant des tronçons avec et sans débit permanent , seuls sont soumis à autorisation les prélèvements opérés à un endroit présentant un débit permanent (art. 33 OEaux). Selon le libellé de l’art. 29 let. b LEaux, pratiquement tous les prélèvements sortant des limites de l’usage commun devraient être soumis à autorisation. Toutefois, ce n’était clairement pas l’intention voulue. En effet, l’objectif de cette disposition était la protection des cours d’eau contre des débits résiduels trop faibles. En conséquence, l’art. 29 let. b LEaux doit être lu en parallèle avec l’art. 34 LEaux.

Les art. 29 et 30 let. a LEaux ne font pas de distinction entre les nouvelles concessions et les concessions déjà existantes au moment de l’entrée en vigueur de la LEaux. Ces dernières bénéficient des droits acquis en raison de la garantie de la propriété et ne peuvent être supprimés ou restreints dans leur substance que par la voie de l’expropriation formelle et contre pleine indemnisation. Le chapitre 2 (art. 80 ss LEaux) contient les dispositions transitoires relatives auxart. 29 LEaux. Les prélèvements existants qui ne s’appuient pas sur une concession de droit d’eau, sont soumis à autorisation selon l’art. 29 LEaux. Il en va de même pour les renouvellements des concessions ainsi que leurs prolongations. Les modifications des concessions pendant la durée de la concession sont soumises à l’autorisation de l’art. 29 LEaux lorsque les modifications sont essentielles et que cela équivaut matériellement à une nouvelle concession.

 

 

Literatur: Caviezel Gieri, Wasserrechtskonzessionen und Umweltrecht, in: ZBl 105 (2004), 69 ff. (zit. Wasserrechtskonzessionen); Caviezel Gieri, Zur Bedeutung der «Sanierung» im Sinne von Art. 80 Abs. 1 GSchG, Rechtsgutachten zuhanden des Bau‑, Verkehrs‑ und Forstdepartements Graubünden vom 10. Mai 2000, <http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/bvfd/aev/dokumentation/
Wasserkraft1/Gutachten_Dr_Caviezel.pdf>, 10.5.2000 (zit. Sanierung); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Planungsrecht); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Kummer Manfred, Energieminderproduktion bei Wasserkraftwerken aufgrund der Restwasserbestimmungen im Gewässerschutzgesetz/GSchG, in: Wasser Energie Luft 2002, 317 ff. (zit. Energieminderproduktion); Müller Markus/Feller Reto (Hrsg.), Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2013 (zit. Bearbeiter, Thema X, Bernisches Verwaltungsrecht); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Vallender Klaus A./Morell Reto, Umweltrecht, Bern 1997 (zit. Umweltrecht); Vonlanthen-Heuck Jennifer, Der Schutz von Quelllebensräumen, in: URP 2015, 373 ff. (zit. Quelllebensräume); Zollhöfer Jens Martin, Quellen – die unbekannten Biotope im Schweizer Jura und im Mittelland – erfassen, bewerten, schützen, Zürich 1997 (zit. Quellen).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Uhlmann Viviane/Wehrli Bernhard), Wasserkraftnutzung und Restwasser – Standortbestimmung zum Vollzug der Restwasservorschriften, Kastanienbaum 2006 (zit. Wasserkraftnutzung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Keller Peter M.), UVP-Pflicht bei Änderung bestehender UVP-pflichtiger Anlagen, Umwelt-Wissen Nr. 0737, Bern 2007 (zit. UVP-Pflicht bei Änderung); Ernst Basler und Partner (verfasst durch Zysset Andreas/Pfammatter Roger/Hugi Christoph/Zichel Bertram), Systemanalyse Wasserwirtschaft Schweiz, Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, Zollikon 2007 (zit. Wasserwirtschaft).

Huber-Wälchli Veronika

 

 

Voraussetzungen für die Bewilligung

Die Entnahme kann bewilligt werden, wenn:

a.       die Anforderungen nach den Artikeln 31–35 erfüllt sind;

b.       zusammen mit andern Entnahmen einem Fliessgewässer höchstens 20 Prozent der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1000 l/s entnommen werden oder

c.       für die Trinkwasserversorgung im Jahresmittel einer Quelle höchstens 80 l/s, dem Grundwasser höchstens 100 l/s entnommen werden.

Conditions à remplir

Le prélèvement peut être autorisé si:

a.       les exigences énoncées aux art. 31 à 35 sont respectées;

b.       associé à d’autres prélèvements, il réduit de 20 % au plus le débit Q347 d’un cours d’eau et ne dépasse pas 1000 l/s; ou si

c.       destiné à l’approvisionnement en eau potable, il ne dépasse pas 80 l/s en moyenne par année lorsqu’il est opéré dans une source et 100 l/s lorsqu’il est opéré dans des eaux souterraines.

Condizioni per l’ottenimento dell’autorizzazione

Il prelievo può essere autorizzato se:

a.       le esigenze di cui agli articoli 31 a 35 sono soddisfatte;

b.       insieme agli altri prelievi, dal corso d’acqua vengono tolti al massimo il 20 per cento della portata Q347 e non più di 1000 l/s, o

c.       destinato all’approvvigionamento in acqua potabile, non supera 80 l/s in media all’anno per l’acqua di sorgente o 100 l/s per l’acqua di falda.

 

 

Inhaltsübersicht

​I.   ​Entstehungsgeschichte ​1
​II.  ​Allgemeine Bemerkungen 4
III.  ​Voaussetzungen für die Erteilung der Bewilligung 11
​A. ​ Regelfall: Art. 31–35 GSchG erfüllt (Bst. a) 11
​B.  Sonderfälle 14
​1.  Geringfügige Wasserentnahmen aus Fliessgewässern (Bst. b) 14
2.​ Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung (Bst. c) 26
​3. ​Zum anwendbaren Recht 35

I.              Entstehungsgeschichte

01. Im E-GSchG 1984 fehlte eine Bestimmung wie Art. 30 GSchG mit drei unterschiedlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung. Vorgesehen war, dass alle bewilligungspflichtigen Wasserentnahmen (Art. 26 E-GSchG 1984) die Anforderungen an den bestmöglichen Schutz (Art. 30 f. E-GSchG 1984) einhalten sollten. Für geringfügige Wasserentnahmen sowie für Entnahmen für die Trinkwasserversorgung war keine Bewilligungspflicht vorgesehen (Art. 26 Abs. 2 Bst. b und d i.V.m. Art. 28 E-GSchG 1984).

02. Der Entwurf des Bundesrats sah in Art. 30 Bst. a E-GSchG 1987 vor, dass die Wasserentnahme bewilligt werden «darf», wenn die Anforderungen nach Art. 31–35 (Restwasservorschriften) erfüllt sind. Für geringfügige Wasserentnahmen und für gewisse Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung, die ebenfalls der Bewilligungspflicht unterstellt werden sollten, war vorgesehen, dass die Bewilligungen erteilt werden dürfen, ohne dass die Restwasservorschriften eingehalten werden müssen (Art. 30 Bst. b und c E-GSchG 1987).

03. Art. 30 Bst. a und b E-GSchG 1987 überstanden die parlamentarischen Beratungen unverändert. Hingegen wurde bei Art. 30 Bst. c E-GSchG 1987 auf Antrag der Kommission des Nationalrats diskussionslos beschlossen, die Wassermenge, die einer Quelle im Jahresmittel für die Trinkwasserversorgung entnommen werden darf, ohne die Restwasserbestimmungen einzuhalten, von 50 l/s auf 80 l/s zu erhöhen (AB 1989 N 1022; 1989 S 722). Die praktische Bedeutung dieser Änderung ist gering, da Quellen dieser Grösse in der Schweiz sehr selten vorkommen (vgl. N 32). Im Ingress wurde «darf» ersetzt durch «kann». Es lässt sich nicht nachvollziehen, wann dies geschah.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

04. Art. 30 GSchG enthält die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG. Vor der Prüfung der Voraussetzungen ist abzuklären, ob eine Bewilligung erforderlich ist (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 15, 23 f.). Nur wenn diese Frage bejaht wird, muss geprüft werden, ob eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung erfüllt ist.

05. Die Bewilligungsvoraussetzungen sind alternativ, nicht kumulativ, zu erfüllen (Eckert, Restwassermengen, 33).

06. Trotz der Kann-Formulierung handelt es sich bei Art. 30 GSchG nicht um eine echte Kann-Vorschrift. Vielmehr ist die Bewilligung als Polizeibewilligung ausgestaltet, auf deren Erteilung grundsätzlich ein Anspruch besteht, der allerdings durch die Gewässerhoheit der Kantone erheblich eingeschränkt ist (s. Komm. zu Art. 29 GSchG N 8 ff.). Dies sollte möglicherweise mit dem «kann» – anstelle des «darf» im E-GSchG 1987 (s. N 2) – zum Ausdruck gebracht werden.

07. Das Verhältnis von Bst. a zu Bst. b und c entspricht dem Verhältnis Regelfall zu Sonderfällen:

08. Im Regelfall (Bst. a) wird eine Wasserentnahme bewilligt, wenn die Anforderungen nach den Art. 31–35 GSchG erfüllt sind (vgl. N 11 f.). Der Gesuchsteller hat der Behörde als Grundlage für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG einen Restwasserbericht i.S.v. Art. 33 Abs. 4 GSchG zu unterbreiten. Nach Art. 35 GSchG bestimmt die Behörde in der Bewilligung die Dotierwassermenge und andere Massnahmen zum Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle.

09. Wenn eine Bewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. b (vgl. N 14 ff.) oder c (vgl. N 26 ff.) erteilt werden kann, müssen diese Anforderungen nicht erfüllt werden: Die Restwassermengen nach Art. 31–33 GSchG müssen nicht eingehalten werden, es muss kein Restwasserbericht erstellt werden (s. aber N 38 f.) und die Behörde legt in der Bewilligung keine Dotierwassermengen fest (vgl. aber N 36, 39). Für die Erteilung von Bewilligungen für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern gemäss Bst. b, in erster Linie für die landwirtschaftliche Bewässerung, und für Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung aus Quellen und Grundwasser gemäss Bst. c gelten somit deutlich geringere Anforderungen.

10. Bei Wasserentnahmen aus mehreren Fliessgewässern und mehreren Entnahmen aus einem Fliessgewässer muss bei jeder einzelnen Entnahme geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die gewässerschutzrechtliche Bewilligung erteilt werden kann und ob die Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 120 Ib 233, 240 ff. [Geisslibach], E. 5a).

 

III.        Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung

A.           Regelfall: Art. 31–35 GSchG erfüllt (Bst. a)

11. Im Regelfall kann die Bewilligung nach Art. 29 GSchG erteilt werden, wenn die Anforderungen nach den Art. 31–35 GSchG erfüllt sind (s. N 8, vgl. Komm.zu Art. 29 GSchG N 5).

12. Bei bewilligungspflichtigen Wasserentnahmen aus Fliessgewässern müssen die Restwassermengen gemäss Art. 31–33 GSchG eingehalten werden. Bei bewilligungspflichtigen Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen ist das durch die Wasserentnahme wesentlich beeinflusste Fliessgewässer sinngemäss nach Art. 31–33 GSchG zu schützen (Art. 34 GSchG).

13. Art. 30 Bst. a GSchG gilt für jede bewilligungspflichtige Wasserentnahme, welche weder die besondere Voraussetzung nach Bst. b (s. N 14 ff.) noch jene nach Bst. c (s. N 26 ff.) erfüllt. Der Geltungsbereich von Art. 30 Bst. a i.V.m. Art. 34 GSchG erstreckt sich somit auf bewilligungspflichtige Wasserentnahmen:

·       aus Fliessgewässern, wenn die Entnahme zusammen mit anderen Entnahmen mehr als 20 % der Abflussmenge Q347 oder mehr als 1’000 l/s beträgt;

·       aus Seen;

·       aus Grundwasservorkommen (inkl. Quellen), wenn die Entnahme nicht der Trinkwasserversorgung dient;

·       aus Grundwasservorkommen (inkl. Quellen), wenn die Entnahme der Trinkwasserversorgung dient und wenn einer Quelle im Jahresmittel mehr als 80 l/s und dem Grundwasser mehr als 100 l/s entnommen wird.

 

B.            Sonderfälle

1.             Geringfügige Wasserentnahmen aus Fliessgewässern (Bst. b)

14. Soll einem Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 38 ff.) zusammen mit anderen Entnahmen höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1’000 l/s entnommen werden, kann die Bewilligung nach Art. 29 GSchG erteilt werden, ohne dass geprüft werden muss, ob Art. 31–33 GSchG eingehalten sind (s. N 9; Botschaft GSchG 1987, 1128). Es wird davon ausgegangen, dass eine solche Wasserentnahme keine nachteiligen Auswirkungen auf das Fliessgewässer hat, weil sie sich im Rahmen der durchschnittlichen natürlichen Schwankungen der Wasserführung hält (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 136 f.). Solche Wasserentnahmen überschreiten zwar i.d.R. den Gemeingebrauch, stellen aber keine wesentliche Beeinflussung eines Fliessgewässers dar (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 59).

15. Diese Begrenzung der Entnahme ist keinesfalls so zu verstehen, dass so viel Wasser entnommen werden darf, dass immer 80 % der Abflussmenge Q347 im Gewässer verbleibt, wie es auf der Homepage einer kantonalen Gewässerschutzfachstelle angegeben ist. Vielmehr muss im Gewässer jederzeit und an jeder Stelle die gesamte Abflussmenge abzüglich maximal 20 % der Abflussmenge Q347 verbleiben (vgl. dazu BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 21, Abb. 2.5).

16. Art. 30 Bst. b GSchG verlangt, dass dem Fliessgewässer insgesamt – «zusammen mit anderen Entnahmen» – höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1ʹ000 l/s entnommen wird. Das bedeutet, dass mehreren Personen Bewilligungen für Wasserentnahmen aus ein‑ und demselben Fliessgewässer (z.B. zur landwirtschaftlichen Bewässerung) erteilt werden können, dass aber mit allen Bewilligungen zusammen insgesamt die Entnahme von höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1ʹ000 l/s bewilligt werden darf. Diese Anforderung muss an jedem Punkt des Gewässers erfüllt sein.

17. Nach Ansicht der Gewässerschutzfachstelle des Bundes gilt die Beschränkung auf «nicht mehr als 1ʹ000 l/s» pro Entnahme (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 23). Demgegenüber vertreten kantonale Fachstellen (z.B. GR) die Auffassung, die 1ʹ000 l/s seien als Beschränkung für alle Entnahmen zusammen zu verstehen. Gemäss dem Wortlaut der Bestimmung könnte beides gemeint sein. Den parlamentarischen Beratungen lässt sich dazu nichts entnehmen. Von praktischer Bedeutung ist die Frage nur bei Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit einer Abflussmenge Q347 grösser als 5ʹ000 l/s. Erst dann ist 20 % dieser Abflussmenge grösser als 1ʹ000 l/s. Bei kleineren Fliessgewässern sind 20 % des Q347 weniger als 1ʹ000 l/s.

18. Art. 30 Bst. b GSchG erlaubt somit die Entnahme von erheblichen Wassermengen aus grösseren Bächen und Flüssen. Geringfügig sind solche Wasserentnahmen im Vergleich zu Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung, die gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG bewilligt werden (zum Unterschied s. N 20).

19. Die Begrenzung der Entnahmemenge auf 20 % der Abflussmenge Q347 stellt keinen mittleren täglichen oder saisonalen Wert dar, sondern muss jederzeit eingehalten werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 23).

20. Die Praxis erachtet es als zulässig, auch für Wasserentnahmen aus Gewässern mit einer Abflussmenge Q347 kleiner als 50 l/s eine Bewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG zu erteilen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 20 f., zum Unterschied zwischen geringfügigen [Art. 30 Bst. b GSchG] und grösseren Entnahmen [Art. 30 Bst. a GSchG] Abb. 2.5). Würde in solchen Fällen eine Bewilligung gestützt auf Bst. a erteilt (die eine insgesamt weit höhere Wasserentnahme zulassen würde), müsste die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG mindestens 50 l/s betragen bzw. so viel Wasser wie zufliesst (Art. 36 Abs. 2 GSchG).

21. Geringfügige Wasserentnahmen i.S.v. Art. 30 Bst. b GSchG aus grösseren Gewässern sowie aus mittleren und kleinen Gewässern ausserhalb von Zeiten mit Niedrigwasserabflüssen haben keine wesentlichen Auswirkungen auf das Gewässer, umso weniger als trotz der Entnahme die Abflussdynamik erhalten bleibt. Wasserentnahmen gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG aus kleinen Fliessgewässern können jedoch zu einer Verschlechterung der Restwassersituation unterhalb der Entnahme führen.

22. Wenn kleinen Fliessgewässern (Abflussmenge Q347 am Ort der Entnahme kleiner 62,5 l/s) in Zeiten mit Niedrigwasserabflüssen (Trockenzeiten) gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG 20 % der Abflussmenge Q347 entnommen wird, führt dies dazu, dass diese Gewässer während längerer Zeit weniger Wasser führen und schneller trocken fallen als es der Fall wäre, wenn die Entnahme gemäss Art. 30 Bst. a GSchG bewilligt worden wäre (mit Mindestrestwassermenge 50 l/s bzw. so viel wie zufliesst). Da der Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Bewässerung ausgerechnet dann besonders hoch ist, wenn im Mittelland die Gewässer wegen Trockenheit besonders wenig Wasser führen, besteht die erhöhte Gefahr, dass sich das wenige Wasser stark aufwärmt; dies ist für gewisse Fischarten lebensbedrohend (BUWAL/BWG/MeteoSchweiz, Hitzesommer 2003, 8 f., 71 ff.; vgl auch Komm. zu Art. 32 GSchG N 86 f.).

23. Um dieser Gefahr für kleine Gewässer zu begegnen, sieht § 24 Abs. 1 KonzV WWG ZH vor, dass Gesuche für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit einer Abflussmenge Q347 bis 60 l/s nach Art. 30 Bst. a GSchG beurteilt werden, wenn das entnommene Wasser nicht wieder in das Gewässer zurückgegeben wird. Somit muss unterhalb der Entnahme die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG (50 l/s bzw. soviel Wasser wie zufliesst) betragen. Wird das Wasser in das Gewässer zurückgegeben, werden die Gesuche gemäss § 24 Abs. 2 der erwähnten Verordnung nach Art. 30 Bst. b GSchG beurteilt, wobei eine angemessene Restwassermenge festzusetzen ist (vgl. SGS, Restwassernutzung, 23 ff.). Eine ähnliche Regelung gilt im Kanton AG. Dort erteilt die Behörde nach § 37 Abs. 1 WnG AG Nutzungsrechte für Wasserentnahmen nur bei Fliessgewässern, deren Abflussmenge Q347 grösser ist als 50 l/s. Nur ausnahmsweise werden gemäss § 6 WnV AG auch Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit Q347 kleiner als 50 l/s bewilligt. Zur Zulässigkeit dieser Bestimmungen s. Vor Art. 29–36 GSchG N 72.

24. Wasserentnahmen aus Restwasserstrecken (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 12 f.) können nicht gestützt auf Art. 30 Bst. b GSchG bewilligt werden. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass in der Restwasserstrecke bereits mehr als 20 % der Abflussmenge Q347 fehlt. Ob eine Bewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG erteilt werden kann, muss im Einzelfall abgeklärt werden.

25. Die Anforderungen an die Erteilung der Bewilligung für eine geringfügige Wasserentnahme sind dann hoch, wenn zur Entnahme von höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 mehrere Bewilligungen an verschiedene Personen erteilt werden. In jeder Bewilligung muss die maximal zulässige Entnahmemenge unbedingt zahlenmässig in l/s oder m3/s festgelegt werden und es muss durch geeignete Auflagen (Beschränkung der Entnahmemengen z.B. durch Beschränkung der Leistung der verwendeten Pumpen oder der Rohdurchmesser, zeitliche Einschränkungen) sichergestellt werden, dass die Beschränkung der Entnahmemenge auf höchstens 20 % der Abflussmenge Q347 und nicht mehr als 1’000 l/s jederzeit eingehalten wird (vgl. N 19). Dies stellt hohe Anforderungen an die Koordination bei der Erteilung der Bewilligungen und an die Kontrolle (vgl. N 40).

 

2.             Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung (Bst. c)

Zweckbindung

26. Art. 30 Bst. c GSchG erleichtert die Wasserentnahme für die Trinkwasserversorgung, da zu diesem Zweck im Jahresmittel einer Quelle maximal 80 l/s, dem Grundwasser maximal 100 l/s entnommen werden darf, ohne dass die Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG erfüllt sein müssen und ohne dass ein Restwasserbericht erstellt werden muss (s. N 38 f.). Trinkwasser ist Wasser, das bestimmt ist zum Trinken, zum Zubereiten von Speisen sowie zur Reinigung von Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Es muss den Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung entsprechen. Zur Sicherstellung der Qualität des Trinkwassers im Rahmen der Gewässerschutzgesetzgebung s. Art. 19–21 GSchG; zu den vielfältigen Nutzungsbeschränkungen zum Schutz der Grundwasser‑ und der Trinkwasserqualität Art. 29 ff. und Anh. 4 GSchV; zum Begriff Trinkwasser vgl. Komm. zu Art. 20 GSchG N 14 f.

27. Die im GSchG fehlenden Restwasseranforderungen bei Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung stellen eine erhebliche Privilegierung dieser Nutzung dar. Dies ist Ausdruck des erheblichen öffentlichen Interesses an Trinkwasser. Eine Wasserentnahme von 80 l/s im Jahresmittel (25’229 m3/Jahr) reicht bei einem Trinkwasserbedarf von 400 l pro Einwohner und Tag (inkl. Industrie, Verluste usw.) theoretisch für die Trinkwasserversorgung von 17’280 Einwohnern. Angesichts der Lebensnotwendigkeit von Trinkwasser ist diese Privilegierung gegenüber anderen Nutzungen wie z.B. Wasserkraftnutzung und Bewässerung berechtigt, sofern das gefasste Wasser tatsächlich als Trinkwasser genutzt wird (sowie für allgemein übliche Nutzungen wie Toilettenspülung, Reinigen von Vorplätzen, gewisse gewerbliche Zwecke, Bewässerung von Gärten, für welche i.d.R. das von den Trinkwasserversorgungen gelieferte Wasser verwendet wird, obschon dafür keine Trinkwasserqualität notwendig wäre).

28. Es kommt vor, dass eine Quelle neu gefasst oder ein neues Grundwasserpumpwerk erstellt werden soll, weil aus der bestehenden Trinkwasserversorgung Wasser in grossen Mengen für trinkwasserfremde Zwecke verwendet wird (z.B. zum Waschen von Kies, als Kühlwasser, für die Beschneiung von Skipisten). In solchen Fällen darf die Wasserentnahmebewilligung nicht gestützt auf Art. 30 Bst. c GSchG erteilt werden. Da die Wasserentnahme dazu dient, die Weiternutzung von Trinkwasser zu gewerblichen Zwecken zu ermöglichen, ist die Voraussetzung, die Fassung der Quelle bzw. die Grundwasserentnahme von den Restwasservorschriften auszunehmen, nicht erfüllt.

29. Schwierige Fragen stellen sich im Zusammenhang mit Trinkwasserkraftwerken. Solche Kraftwerke nutzen das Wasser zwischen Fassung und Reservoir oder zwischen zwei Reservoiren zur Produktion von elektrischer Energie. Trinkwasserkraftwerke sind wegen der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV (s. Komm. zu Art. 33 GSchG N 26) in den letzten Jahren wirtschaftlich sehr attraktiv geworden. Soll bei einer bestehenden Trinkwasserversorgung ein Kraftwerk eingerichtet werden, wird aus wirtschaftlichen Überlegungen darauf geachtet, dass das gesamte bei der Fassung anfallende Wasser gefasst und turbiniert werden kann. Demgegenüber wurden bisher i.d.R. die Trinkwasserleitungen aus Kostengründen so dimensioniert, dass sie möglichst nur den Trinkwasserbedarf der nächsten Jahrzehnte ableiteten. Auf diese Weise fällt das übrige Wasser bei der Fassung als Überlauf an und speist i.d.R. Oberflächengewässer und davon abhängige Biotope. Besonders heikel ist es, wenn neue Trinkwasserversorgungen von Anfang an mit Kraftwerk geplant werden. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass unter dem Deckmantel Trinkwasserversorgung mehr Wasser gefasst wird als für die Trinkwasserversorgung in absehbarer Zeit tatsächlich benötigt wird und ein Kleinwasserkraftwerk unter teilweiser Umgehung der Restwasserbestimmungen erstellt wird (Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 389).

30. Bei Wasserentnahmen mit kombinierten Zwecken wird die Bewilligung für den Trinkwasserbedarf gestützt auf Art. 30 Bst. c GSchG erteilt. Für die darüber hinausgehende Wassermenge müssen die Anforderungen nach Art. 34 GSchG und damit nach Art. 31–33 GSchG erfüllt sein (vgl. auch Regierung SG, Grundwasserbewirtschaftung SG, 50). Dies führt i.d.R. dazu, dass nur die für die Trinkwasserversorgung notwendige Menge bewilligt werden kann.

Wasserentnahmen aus Quellen oder Grundwasser

31. Vorab ist festzuhalten, dass Wasserentnahmen (Komm. zu Art. 29 GSchG N 26) aus Quellen bzw. die Fassung von Quellen unabhängig vom Zweck der Entnahme in vielen Fällen keiner Bewilligung nach Art. 29 Bst. b GSchG bedürfen (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 51).

32. Art. 30 Bst. c GSchG erlaubt für die Trinkwasserversorgung die Entnahme von höchstens 80 l/s im Jahresmittel aus Quellen, ohne dass die Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG erfüllt sein müssen. Die zur Trinkwasserversorgung gefassten Quellen weisen häufig kleinere und mittlere Schüttungsmengen von weniger als 300 Minutenlitern (5 l/s) auf; bereits Quellen mit einer Schüttung von mehr als 600 Minutenlitern gelten als grosse Quellen; i.d.R. handelt es sich um Bachquellen. Die Fassung einer Quelle, die den Beginn eines Fliessgewässers darstellt, hat i.d.R. zur Folge, dass nicht nur die Quelle selbst, sondern auch der entstehende Quellbach und davon abhängige Biotope ganz oder teilweise trockengelegt werden. Quellen mit einer Schüttung von mehr als 80 l/s (4’800 Minutenliter) kommen in der Schweiz sehr selten vor (vgl. Regierung SG, Grundwasserbewirtschaftung, Anh. 12/21), häufig handelt es sich um Karstquellen. Nur gerade bei diesen wenigen Quellen befände sich nach Fassung der maximal zulässigen Entnahmemenge von 80 l/s im Jahresmittel noch etwas Wasser im Bachbett unterhalb der Quellfassung.

33. Das GSchG lässt somit die vollständige Fassung der meisten Quellen zu und damit die ganzjährige Trockenlegung der Quellbäche sowie weiterer Lebensräume, die von Quellwasser abhängig sind (vgl. aber N 35 f.).

34. Art. 30 Bst. c GSchG erlaubt für die Trinkwasserversorgung die Entnahme von höchstens 100 l/s im Jahresmittel aus Grundwasser, ohne dass die Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG erfüllt sein müssen.

 

3.             Zum anwendbaren Recht

Materielles Recht

35. Sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 30 Bst. b oder c GSchG erfüllt, kann die Bewilligung nach Art. 29 GSchG erteilt werden, ohne dass die Auswirkungen der Wasserentnahme auf die Umwelt gestützt auf Art. 31 Abs. 2 GSchG geprüft werden müssen, auch eine Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG entfällt. Das heisst nicht, dass gestützt auf Art. 30 Bst. b oder c GSchG Bewilligungen für Wasserentnahmen erteilt werden dürfen, ohne deren Auswirkungen auf die Umwelt zu prüfen. Allerdings erfolgt diese Prüfung gestützt auf anderes relevantes Recht, insbesondere der Vorschriften der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung und des BGF sowie allenfalls weiterer Vorschriften von Bund und Kantonen. Ein Vorhaben darf nur bewilligt und eine Wasserentnahmebewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. b oder c GSchG nur erteilt werden, wenn alles geltende Recht eingehalten ist.

36. Bei der Bewilligung von Quellfassungen setzen v.a. die Vorschriften des NHG der übermässigen Nutzung von Quellen zur Trinkwasserversorgung gewisse Grenzen (vgl. N 32 f.). Sie stellen wichtige rechtliche Anforderungen bei Wasserentnahmen aus Quellen für die Trinkwasserversorgung dar. Quellen und Quellbäche und weitere von Quellwasser abhängige Biotope (Quellfluren, Quellsümpfe, Flachmoore) sind sehr wertvolle und selten gewordene Biotope (vgl. Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 375 f. m.H.). Flachmoore kommen häufig unterhalb von Quellaustritten vor und werden durch Quellwasser gespeist. Gemäss einer vor kurzem im Auftrag des BAFU durchgeführten Untersuchung ist eine der grössten Belastung der Flachmoore von nationaler Bedeutung in der Schweiz die Austrocknung, die in Zukunft noch zunehmen werde (Martin/Jöhl/Bonnard et al., Biotope, 7). Das gilt noch vermehrt für weniger gut geschützte Flachmoore. Die Fassung zusätzlicher Quellen, von denen wertvolle Biotope abhängen, die auf Wasser angewiesen sind, sollte gestützt auf das NHG (insb. Art. 18, 18a und 18b), allenfalls die Flachmoorverordnung (insb. Art. 4 sowie Art. 5 Abs. 2 Bst. b und g FMV) und allfällige kantonale Vorschriften so zurückhaltend wie möglich bewilligt werden – trotz des grosszügigen Art. 30 Bst. c GSchG (vgl. dazu Vonlanthen-Heuck, Quelllebensräume, 377 ff., 392). Bei Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung muss die Behörde deshalb in vielen Fällen trotz Art. 30 Bst. c GSchG Dotierwassermengen festlegen oder die Wasserentnahme auf eine andere Weise einschränken, allerdings nicht gestützt auf Art. 31–35 GSchG, sondern gestützt auf die Natur- und Heimatschutzgesetzgebung.

Verfahrensaspekte

37. Bei Gesuchen für geringfügige Entnahmen und für Entnahmen für die Trinkwasserversorgung dürfen von den Gesuchstellern keine Restwasserberichte i.S.v. Art. 33 Abs. 4 GSchG verlangt werden (s. N 8 f.). Die zuständige Behörde bestimmt die Anforderungen an die Gesuche. Sie hat jene Angaben zu verlangen, die für die Beurteilung der Gesuche erforderlich sind, gestützt auf die Mitwirkungspflicht der Gesuchsteller nach kantonalen Verwaltungsverfahrensgesetzen (im Allgemeinen und für den Kanton BE vgl. Keller, Vollzug, 404 ff.). Zudem ist beim Vollzug des GSchG Art. 46 Abs. 1 USG anwendbar, wonach jedermann verpflichtet ist, die Behörden die für den Vollzug erforderlichen Auskünfte zu erteilen und nötigenfalls Abklärungen durchzuführen (BGE 134 II 142 [KKL Luzern], nicht publ. E 4.2 m.H., in: URP 2008 576).

39. Notwendige Unterlagen im Hinblick auf die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG:

·       Gesuch um Erteilung einer Bewilligung für eine geringfügige Wasserentnahme (Art. 30 Bst. b GSchG): Beschreibung des Projekts (inkl. Entnahmemenge und Art der Fassung), Angaben zur Abflussmenge Q347, Angaben zu anderen Entnahmen am selben Fliessgewässer sowie eine Beschreibung der Massnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Entnahme zusammen mit anderen 20 % des Abflusses Q347 nicht überschreitet (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 23).

·       Gesuch für eine Entnahme für die Trinkwasserversorgung aus Quellen und Grundwasser (Art. 30 Bst. c GSchG): Beschreibung des Projekts, Angaben zu anderen Entnahmen sowie gegebenenfalls Angaben über eine andere Nutzung des gefassten Wassers, welche mit der Trinkwassernutzung kombiniert ist (z.B. für die Energieproduktion oder den Betrieb einer Beschneiungsanlage), Nachweis des Bedarf für die Trinkwasserversorgung und Beschränkung auf die für die Trinkwasserversorgung notwendige Menge (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 73).

39. Daneben müssen weitere Unterlagen beigebracht werden, welche die direkten und indirekten Auswirkungen des Vorhabens bzw. der Wasserentnahme auf vom Gewässer abhängigen Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenarten darlegen. Zudem müssen Massnahmen vorgeschlagen werden, mit welchen schutzwürdige Lebensräumen bestmöglich geschützt und allenfalls wiederhergestellt oder ersetzt werden können (vgl. N 36). Es muss im Einzelfall abgeklärt werden, in welcher Bewilligung Massnahmen wie z.B. auf das NHG abgestützte Dotierwassermengen angeordnet werden können. In Betracht kommt in erster Linie die Baubewilligung, auch wenn die Bewilligung nach Art. 29 GSchG dafür besser geeignet wäre.

40. Bei der Erteilung der Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG muss die Behörde durch geeignete Auflagen sicherstellen, dass die Voraussetzungen nach Art. 30 Bst. b oder c GSchG jederzeit eingehalten werden, einerseits die mengenmässige Beschränkungen für die Wasserentnahmen und andererseits – bei Entnahmen für die Trinkwasserversorgung – die Verwendung des entnommenen Wassers. Die Wasserfassung muss so ausgestaltet werden, dass die Mengenbeschränkungen in der Praxis auch eingehalten werden. Allenfalls sind Messeinrichtungen anzuordnen, sofern diese nicht bereits Bestandteil des Vorhabens sind. Zudem sind Kontrollen vorzusehen. Art. 36 GSchG gilt aufgrund seiner systematischen Stellung auch für Wasserentnahmen, die gestützt auf Art. 30 Bst. b und c GSchG erteilt wurden, kann aber nur sinngemäss angewendet werden (s. Komm zu Art. 36 GSchG N 8). Auch wenn Art. 36 GSchG jederzeit geltend gemacht werden kann, wird empfohlen, die Art und Weise der Kontrolle der limitierten Entnahmemenge in der Wasserentnahmebewilligung ausdrücklich zu regeln (vgl. Komm. zu Art. 36 GSchG N 10 f. i.V.m. 8).

 

 

Résumé

Un prélèvement qui nécessite une autorisation selon l’art. 29 LEaux peut être autorisé si une des trois conditions (let. a à c) de l’art. 30 LEaux est remplie. Malgré l’utilisation de la forme potestative, l’autorisation est qualifiée d’autorisation de police dont il existe en principe un droit à la délivrance.

L’art. 30 let. a LEaux s’applique aux prélèvements soumis à autorisation, lorsque ceux-ci ne remplissent pas les conditions des let. b ou c de l’art. 30 LEaux. Ces prélèvements peuvent être autorisés lorsque le requérant prouve que les débits résiduels à chaque point du tronçon à débit résiduel remplissent les exigences énoncées aux art. 31 à 33 LEaux. Pour l’octroi d’autorisation pour les prélèvements peu importants des cours d’eau, c’est-à-dire les prélèvements ne dépassant pas 20 % du débit Q347 et qui sont inférieurs à 1000 l/s par prélèvement (let. b), ainsi pour les prélèvements destinés à l’approvisionnement en eau potable opérés dans une source ou dans des eaux souterraines (let. c), des exigences plus faibles sont imposées et les débits résiduels des art. 31 à 35 LEaux ne s’appliquent pas à ces prélèvements. La restriction du prélèvement à 20 % du débit Q347 ne représente pas une valeur moyenne quotidienne ou saisonnière, mais doit être respectée en tout temps. Il n’apparait pas clairement si la limitation de 1000 l/s s’applique par prélèvement ou à tous les prélèvements. Les prélèvements sur les tronçons à débit résiduel, pour lesquels ont été fixés des débits résiduels selon les art. 31 à 33 LEaux ou pour lesquels aucun débit résiduel n’a été déterminé, ne peuvent pas être autorisés sur la base de l’art. 30 let. b LEaux. Des prélèvements destinés à l’approvisionnement en eau potable, peuvent être autorisés selon l’art. 30 let. c LEaux s’ils ne dépassent pas 80 l/s en moyenne par année, lorsqu’ils sont opérés dans une source, et 100 l/s lorsqu’ils sont effectués dans des eaux souterraines.

Une autorisation de prélèvement selon l’art. 31 let. b et c LEaux ne peut être accordée que si les dispositions déterminantes de la LPN et de la LFSP ainsi que le cas échéant d’autres dispositions légales cantonales ou fédérales sont respectées. Pour les prélèvements de peu d’importance ainsi que pour les prélèvements destinés à l’approvisionnement en eau potable, le requérant ne doit pas soumettre de rapport sur les débits résiduels aux sens de l’art. 33 al. 4 LEaux. Néanmoins, l’autorité peut requérir ces renseignements en vertu de l’obligation de collaborer des parties en procédure administrative selon l’art. 13 al. 1 let. a LPA ainsi que selon les lois cantonales de procédure administrative.

Literatur: Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Keller Peter M., Elemente eines wirksamen Vollzugs des Umweltrechts, in: URP 2011, 397 ff. (zit. Vollzug); Martin Monika/Jöhl Regina/Bonnard Leslie et al., Biotope von nationaler Bedeutung – Konzept zur Aufwertung der Biotope von nationaler Bedeutung, Expertenbericht zu Handen von Bund und Kantonen, erstellt im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern 2012 (zit. Biotope); Schweizerische Greinastiftung (SGS), Restwassernutzung und Restwasser, Rechtsfragen, Vollzug und Entschädigungslösungen im Interesse unserer Fliessgewässer, <https://www.loretznet.com/kunden/greina-stiftung.ch/dokumente//energie/G-07-07-03%20WKW-RW%20AbschlussBericht-Titelblatt%20Phase%20I-def.pdf>, 2007 (zit. Restwassernutzung); Vonlanthen-Heuck Jennifer, Der Schutz von Quelllebensräumen, in: URP 2015, 373 ff. (zit. Quelllebensräume).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) (Hrsg.), Auswirkungen des Hitzesommers 2003 auf die Gewässer, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 369, Bern 2004 (zit. Hitzesommer 2003); Regierung des Kantons St. Gallen, Grundwasserbewirtschaftung im Kanton St. Gallen, Bericht vom 6. März 2012 (zit. Grundwasserbewirtschaftung).

Mindestrestwassermenge

1         Bei Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung muss die Restwassermenge mindestens betragen:

bis 60 l/s Abflussmenge Q347                                                                             50 l/s

und für je weitere 10 l/s Abflussmenge Q347                        8 l/s

für 160 l/s Abflussmenge Q347                                                                      130 l/s

und für je weitere 10 l/s Abflussmenge Q347                   4,4 l/s             mehr,

für 500 l/s Abflussmenge Q347                                                                      280 l/s

und für je weitere 100 l/s Abflussmenge Q347                 31 l/s             mehr,

für 2500 l/s Abflussmenge Q347                                                                   900 l/s

und für je weitere 100 l/s Abflussmenge Q347            21,3 l/s             mehr,

für 10 000 l/s Abflussmenge Q347                                                         2 500 l/s

und für je weitere 1000 l/s Abflussmenge Q347          150 l/s             mehr,

ab 60 000 l/s Abflussmenge Q347                                                       10 000 l/s

2         Die nach Absatz 1 berechnete Restwassermenge muss erhöht werden, wenn folgende Anforderungen nicht erfüllt sind und nicht durch andere Massnahmen erfüllt werden können:

a.       Die vorgeschriebene Wasserqualität der Oberflächengewässer muss trotz der Wasserentnahme und bestehender Abwassereinleitungen eingehalten werden.

b.       Grundwasservorkommen müssen weiterhin so gespiesen werden, dass die davon abhängige Trinkwassergewinnung im erforderlichen Ausmass möglich ist und der Wasserhaushalt landwirtschaftlich genutzter Böden nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

c.       Seltene Lebensräume und ‑gemeinschaften, die direkt oder indirekt von der Art und Grösse des Gewässers abhängen, müssen erhalten oder, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen, nach Möglichkeit durch gleichwertige ersetzt werden.

d.      Die für die freie Fischwanderung erforderliche Wassertiefe muss gewährleistet sein.

e.       Bei Fliessgewässern bis 40 l/s Abflussmenge Q347 unterhalb von 800 m ü. M., die als Laichstätten oder als Aufzuchtgebiete von Fischen dienen, müssen diese Funktionen weiterhin gewährleistet sein.

Débit résiduel minimal

1             Lorsque des prélèvements sont opérés dans des cours d’eau à débit permanent, le débit résiduel doit atteindre au moins:

Pour un débit Q347 inférieur ou égal à 60 l/s                                    50 l/s

plus, par tranche de 10 l/s                                                        8 l/s

Pour un débit Q347 de 160 l/s                                                         130 l/s

plus, par tranche de 10 l/s                                                    4,4 1/s

Pour un débit Q347 de 500 l/s                                                         280 l/s

plus, par tranche de 100 l/s                                                    31 l/s

Pour un débit Q347 de 2500 l/s                                                       900 l/s

plus, par tranche de 100 l/s                                                21,3 1/s

Pour un débit Q347 de 10 000 l/s                                                 2 500 l/s

plus, par tranche de 1000 l/s                                                150 l/s

Pour un débit Q347 égal ou supérieur à 60 000 l/s                    10 000 l/s

2         Le débit résiduel calculé selon l’al. 1 doit être augmenté lorsque les exigences suivantes ne sont pas satisfaites et qu’elles ne peuvent l’être par d’autres mesures:

a.       la qualité des eaux superficielles est conforme aux prescriptions en dépit du prélèvement et des déversements d’eaux à évacuer;

b.       l’alimentation des nappes d’eaux souterraines est assurée de manière à ce que les prélèvements nécessaires à l’approvisionnement en eau potable puissent se faire normalement et à ce que la teneur en eau des sols agricoles n’en soit pas sensiblement affectée;

c.       les biotopes et les biocénoses rares dont l’existence est liée directement ou indirectement à la nature et à la taille du cours d’eau doivent être conservés; si des raisons impératives rendent cette conservation impossible, ils seront remplacés, dans la mesure du possible, par d’autres de même valeur;

d.       la profondeur d’eau nécessaire à la libre migration des poissons doit être garantie;

e.       les eaux piscicoles dont le débit Q347 est inférieur ou égal à 40 l/s sont maintenues comme telles lorsqu’elles se trouvent à une altitude de moins de 800 m et qu’elles servent de frayère aux poissons ou d’habitat à leur progéniture.

Deflusso minimo

1         In caso di prelievi da corsi d’acqua con deflusso permanente il deflusso residuale deve essere almeno di:

per una portata Q347 fino a 60 l/s                                                     50 l/s

per ogni 10 l/s in più di portata                                         più 8 l/s

per una portata Q347 di 160 l/s                                                       130 l/s

per ogni 10 l/s in più di portata                                      più 4,4 l/s

per una portata Q347 di 500 l/s                                                       280 l/s

per ogni 100 l/s in più di portata                                     più 31 l/s

per una portata Q347 di 2500 l/s                                                     900 l/s

per ogni 100 l/s in più di portata                                 più 21,3 1/s

per una portata Q347 di 10 000 l/s                                               2 500 l/s

per ogni 1000 l/s in più di portata                                 più 150 l/s

per una portata Q347 pari o superiore a 60 000 l/s                   10 000 l/s

2         Se non possono essere presi altri provvedimenti, i deflussi residuali calcolati secondo il capoverso 1 devono essere aumentati in modo che risultino adempiute le seguenti esigenze:

a.       la qualità prescritta delle acque superficiali deve essere mantenuta nonostante i prelievi d’acqua e le immissioni esistenti di acque di scarico;

b.       l’alimentazione delle falde freatiche deve essere assicurata in modo tale da garantire i prelievi necessari per l’approvvigionamento in acqua potabile e da non pregiudicare sensibilmente il bilancio idrico dei suoli sfruttati a fini agricoli;

c.       i biotopi e le biocenosi rari che dipendono direttamente o indirettamente dal tipo e dalle dimensioni del corso d’acqua devono essere conservati o, se ragioni perentorie non lo permettono, sostituiti, secondo le possibilità, con altri di uguale valore;

d.       la profondità d’acqua necessaria alla libera migrazione dei pesci deve essere assicurata;

e.       per i corsi d’acqua con una portata Q347 pari o inferiore a 40 l/s, siti a meno di 800 metri di altitudine e che servono come luogo di fregola o come regione d’allevamento di pesci, dev’essere garantito che detta funzione sia salvaguardata.

 

 

Inhaltsübersicht

​I. ​Entstehungsgeschichte ​1
​II. ​Allgemeine Bemerkungen 7
A. Funktion der Bestimmung im Konzept der Restwasserbestimmung 7
​B.​ Restwasserstrecke und massgebende Zustände 12
C. Spezialfall Versickerungen 17
III. Quantitative Mindestrestwassermenge (Abs. 1) 20
A. Ausgangspunkt: Formel Matthey 20
B. ​Lösung des GSchG 25
IV. ​Qualitative Mindestrestwassermenge (Abs. 2) 33
A.​ ​Zwingende Gründe für die Erhöhung der quantitativen Mindestrestwassermenge 33
​B. ​Die Erhöhungstatbestände nach Bst. a–e 37
​1. ​Wasserqualität der Oberflächengewässer (Bst. a) 37
​2. ​Speisung von Grundwasservorkommen (Bst. b) 42
​3. ​Erhaltung seltener Lebensräume und ‑gemeinschaften (Bst. c) 47
​4. ​Gewährleistung der freien Fischwanderung (Bst. d) 59
​5. ​Schutz von Laichstätten und Aufzuchtgebieten von Fischen (Bst. e) 67
​C. ​Andere Massnahmen 69
​D. Zur Ermittlung der notwendigen Erhöhung 77

 

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

01.0Art. 30 E-GSchG 1984 (Abs. 1 abgedruckt bei Eckert, Restwassermengen, 26, Fn. 98) umfasste die Regelungen der heutigen Art. 31 und 32 GSchG inhaltlich ähnlich, aber anders gegliedert. Der Hauptunterschied zu den heute geltenden Bestimmungen liegt darin, dass die fixen Restwassermengen in Abhängigkeit der Grösse des Gewässers (heute Art. 31 Abs. 1 GSchG) nur für Fischgewässer gelten sollten.

02. Art. 30 Abs. 1 E-GSchG 1984 verlangte für alle Gewässer eine Restwasserführung von mindestens 50 l/s (Bst. a), bei Gewässern mit einem Q347 von weniger als 1000 l/s mindestens 35 % des Q347 (Bst. b). Diese Mindestanforderungen sollten bei Wasserentnahmen oberhalb von 1’700 m ü.M. aus Nichtfischgewässern mit einem Q347 von weniger als 50 l/s erst ab einer Entfernung von 500 m unterhalb der Wasserentnahme gelten (Art. 30 Abs. 3 E-GSchG 1984). Als weitere Mindestanforderungen waren die Einhaltung der qualitativen Anforderungen an Oberflächengewässer trotz bestehender und in der Richtplanung vorgesehener Abwassereinleitung (Bst. c), Anforderungen betreffend die Speisung von Grundwasservorkommen zur Gewährleistung der bestehenden und zukünftigen Trinkwassernutzung (Bst. d) und betreffend die Erhaltung seltener Lebensräume und ‑gesellschaften sowie besonders wertvoller Erholungsräume (Bst. e) vorgesehen.

03. Art. 30 Abs. 2 E-GSchG 1984 verlangte für Fischgewässer zusätzliche Mindestanforderungen, einerseits zahlenmässige Mindestrestwassermengen (Bst. a), die mengenmässig exakt jenen des heutigen Art. 31 Abs. 1 GSchG entsprechen, andererseits bei einer Wasserführung Q347 grösser als 50 l/s eine in Fliessrichtung durchgehende Wasserrinne von mindestens 20 cm Tiefe zur Gewährleistung der Fischwanderung (Bst. b).

04. Die Struktur von Art. 31 E-GSchG 1987 ist gleich wie jene des heutigen Art. 31 GSchG und der Wortlaut entspricht mit wenigen Ausnahmen jenem der heutigen Bestimmung.

05. Die im Verlauf der parlamentarischen Beratung zahlreich gestellten Vorschläge zur Änderung oder Aufhebung von Art. 31 Abs. 1 E-GSchG 1987 waren erfolglos (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 31 ff.). Bei Art. 31 Abs. 2 E-GSchG 1987 wurden im Verlauf der Beratungen Bst. b, d und e nicht oder nur redaktionell und Bst. a unbedeutend geändert. Geändert wurde Bst. c (dazu N 47 ff., insb. 53).

06. Zur vorgeschlagenen Änderung von Art. 31 GSchG anlässlich der Revision des GSchG 2009 vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 45 f.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Funktion der Bestimmung im Konzept der Restwasserbestimmung

07. Art. 31 GSchG legt fest, welche Restwassermengen unterhalb von Wasserentnahmen mindestens im Gewässer verbleiben müssen. Dabei handelt es sich um die erste Stufe im zweistufigen Verfahren zur Festlegung angemessener Restwassermengen (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 58 ff.). Die Mindestrestwassermenge setzt sich zusammen aus einem rechnerisch bestimmbaren Anteil nach Art. 31 Abs. 1 GSchG und einer Erhöhung nach Abs. 2. Die Ansätze sind vom Bundesgesetzgeber selber festgesetzt worden (zu den Gründen Jagmetti, Energierecht, N 4236). (Die zweite Stufe zur Festlegung angemessener Restwassermengen ist die Erhöhung nach Art. 33 GSchG.)

08. Zuerst wird die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG bestimmt, die direkt von der Grösse des Gewässers am Ort der Wasserentnahme – beschrieben durch den Abflusswert Q347 (vgl. Art. 4 Bst. h GSchG) – abhängig ist (Botschaft GSchG 1987, 1130 ff.). Dabei haben die Vollzugsbehörden keinen Ermessensspielraum (Pestalozzi, Restwassermengen, 717). Die fixen Wassermengen nach Abs. 1 «stellen gewissermassen das Existenzminimum für die wichtigsten vom Gewässer abhängigen Lebensgemeinschaften dar» (Botschaft GSchG 1987, 1129). Die nach Abs. 1 festgelegte Restwassermenge wird auch als «quantitatives» (Pestalozzi, Restwassermengen, 717) oder »provisorisches» Existenzminimum (Eckert, Restwassermengen, 56) bezeichnet. Diese Menge reicht i.d.R. noch nicht aus, «um den minimalen Schutz der wichtigsten Funktionen eines Gewässers zu gewährleisten» (Botschaft GSchG 1987, 1132).

09. Anschliessend muss geprüft werden, ob die nach Art. 31 Abs. 1 GSchG rechnerisch bestimmte Restwassermenge genügt, um die in Abs. 2 Bst. a–e aufgezählten Anforderungen, die sich aus dem Zweckartikel des GSchG ergeben, zu erfüllen oder ob diese Anforderungen durch andere Massnahmen (vgl. N 69 ff.) erfüllt werden können. Können einzelne der Anforderungen weder durch die Restwassermenge nach Abs. 1 noch durch andere Massnahmen erfüllt werden, verlangt Abs. 2 die Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Abs. 1, bis alle Anforderungen erfüllt sind. Erst damit ist das «qualitative» (Pestalozzi, Restwassermengen, 718) bzw. das «definitive» Existenzminimum (Eckert, Restwassermengen, 61) des Gewässers sichergestellt.

10. Die Erreichung der qualitativen Ziele ist zwingend erforderlich. Es muss zwingend geprüft werden, ob eine Erhöhung notwendig ist (BGE 120 Ib 233, 245 [Geisslibach], E. 7b). Ist dies der Fall, muss die Erhöhung zwingend vorgenommen werden. Bezüglich der Frage, ob die Anforderungen nach Abs. 2 zu erfüllen sind, steht den Behörden somit kein Entscheidungsermessen zu, wohl aber ein Auswahlermessen bezüglich der Wahl der Mittel, also der Frage, wie sie erfüllt werden sollen – durch andere Massnahmen oder durch Erhöhung der Restwassermenge nach Abs. 2 (Botschaft GSchG 1987, 1128 f.; Pestalozzi, Restwassermengen, 718). In der Praxis belässt Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG den Vollzugsbehörden erhebliche Entscheidungsspielräume (dazu BFE/BAFU, Bewertung, 189 ff.), da sie als sog. offene Normen ausgestaltet sind, die den Vollzugsbehörden Ermessen einräumen (Bst. c: «nach Möglichkeit») und mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe (z.B. Bst. b: «im erforderlichen Ausmass», «nicht wesentlich beeinträchtigt»; Bst. c: «zwingende Gründe») enthalten (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 428 ff.).

11. Die Anforderungen nach Art. 31 GSchG müssen auch erfüllt werden, wenn durch neue Wasserentnahmen Gewässerstrecken beeinflusst werden, die bereits durch andere Wasserentnahmen und ‑rückgaben bzw. durch bereits bestehende Wasserkraftanlagen beeinflusst sind. Bei grösseren Wasserkraftprojekten ist dies häufig der Fall.

 

 

B.            Restwasserstrecke und massgebende Zustände

12. Werden Wasserentnahmen gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG bewilligt, müssen unterhalb der Wasserfassung, in der sog. Restwasserstrecke, angemessene Restwassermengen fliessen, die gemäss Art. 31‑33 GSchG festgelegt werden. Als Restwasserstrecken werden jene Abschnitte von Fliessgewässern unterhalb von Wasserentnahmen bezeichnet, welche durch eine oder mehrere Wasserentnahmen wesentlich beeinflusst (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 59) sind. Die Restwasserstrecke «definiert den räumlichen Umfang, in welchem ein Gewässer bei einer Wasserentnahme […] in die sachliche und rechtliche Überprüfung einbezogen werden muss» (Pestalozzi, Restwassermengen, 723).

13. Die Abgrenzung der Restwasserstrecke erfolgt je nach Situation unterschiedlich:

  • Als Restwasserstrecke wird die Strecke zwischen Wasserentnahme (Fassung oder Sperrstelle) und Wasserrückgabe (Turbine) verstanden (Botschaft GSchG 1987, 1108). Bei einem Laufkraftwerk mit Wasserentnahme bildet die Flussstrecke zwischen Wehr und Wasserrückgabe die Restwasserstrecke (VGer BE, Urteil vom 4. Dezember 1995 [Wannenfluh], E 5, in: BVR 1996 551 und in: URP 1996, 843).
  • Als Restwasserstrecke in einem weiteren Sinn wird auch die unterhalb der Wasserrückgabestelle liegende Gewässerstrecke betrachtet, soweit diese noch durch die Wasserentnahme bzw. die Wasserrückgabe wesentlich be­einflusst wird (Pestalozzi, Restwassermengen, 723, m.H. auf BGE 119 Ib 254, 296 [Curciusa], E. 10hc, in: URP 1993, 403). Bei Speicher‑ und Pumpspeicherkraftwerken, die mindestens einen Teil des gefassten Wassers zeitverschoben nutzen und infolge bedarfsgerechter Stromproduktion bei der Rückgabe des turbinierten Wassers kurzfristige Änderungen des Wasserabflusses verursachen (Schwall und Sunk), erstrecken sich die Restwasserstrecken gewässerabwärts über die Wasserrückgabe hinaus, bis die Gewässer, z.B. dank Zuflüssen, durch die Wasserentnahme nicht mehr wesentlich beeinflusst (vgl. dazu Komm. zu Art. 4 GSchG N 59) werden (Botschaft GSchG 1987, 1133, wo als bauliche Massnahme i.S.v. Art. 31 Abs. 2 GSchG die Erstellung von Dosierbecken und Rückhalteräumen zur Vermeidung ungünstiger Auswirkungen von Schwall und Sunk vorgeschlagen wird, eine Massnahme, die unterhalb der Wasserrückgabe zum Einsatz kommt; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 35, Bsp. 2 mit Lösungsvorschlägen; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 39). Es herrschte in der Praxis eine gewisse Unsicherheit, ob unterhalb der Wasserrückgabe liegende Gewässerstrecken tatsächlich als Restwasserstrecken zu betrachten seien. Diese Frage hat an Bedeutung verloren. Seit der Revision des GSchG vom 11. Dezember 2009 sind Massnahmen zur Vermeidung von Schwall-Sunk-Ereignissen mit nachteiligen Auswirkungen unterhalb der Wasserrückgabe gestützt auf Art. 39a GSchG anzuordnen.
  • Manche Wasserentnahmen erfolgen mit diffuser oder ohne Rückgabe des entnommenen Wassers in das Fliessgewässer, welchem es entnommen wurde. Dies gilt z.B. für Wasserentnahmen für die Bewässerung oder die Herstellung von Kunstschnee oder zur Wasserkraftnutzung, wenn Wasser aus einem Einzugsgebiet in ein anderes übergeleitet wird (vgl. BGE 119 Ib 254, 257 f. [Curciusa], Sachverhalt, in: URP 1993, 403). In solchen Fällen gelten als Restwasserstrecken jene Gewässerstrecken unterhalb der Wasserentnahme, die durch die Entnahme wesentlich beeinflusst sind (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 36 f., Bsp. 3). Die Restwasserstrecke endet, wo das Gewässer durch die Wasserentnahme nicht mehr wesentlich beeinflusst wird (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 59). Ab dort müssen die Auswirkungen der Wasserentnahme nicht weiter untersucht werden.

14. Bei der Festlegung der Restwassermengen gemäss Art. 31 Abs. 2 und auch Art. 33 GSchG können für die zu untersuchenden Aspekte unterschiedliche Zustände massgebend sein (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 36 ff.). Es wird unterschieden zwischen natürlichem oder naturnahem Zustand (nicht oder schwach anthropogen beeinflusster Zustand), Ist-Zustand (Zustand zum Zeitpunkt der Untersuchungen), Ausgangszustand (Zustand zum Zeitpunkt der Bewilligung der Wasserentnahme) und zukünftigem Zustand (Zustand, wie er sich langfristig einstellen wird, wenn Wasser entnommen wird). Der Ausgangszustand entspricht in der Regel dem Ist-Zustand.

15. Bei den Aspekten Fischerei und Naturschutz (vgl. N 47 ff., 59 ff., 67 f.) sind der naturnahe Zustand, der Ausgangszustand und der zukünftige Zustand zu berücksichtigen (dazu BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 38). Ist der Ausgangszustand im Vergleich zum naturnahen Zustand infolge höherer Gewalt oder durch menschliche Eingriffe belastet, muss mit ausreichenden Mindestrestwassermengen und anderen Massnahmen mindestens erreicht werden, dass die Wasserentnahme nicht zu einer Verschlechterung des Ausgangszustandes führt (vgl. Komm. zu Art. 32 GSchG N 27). Verbesserungen des Ausgangszustands, deren Eintritt bereits feststeht, sowie geplante Verbesserungen des Ausgangszustandes sind zu berücksichtigen.

16. Bei Konzessionserneuerungen, Konzessionsverlängerungen während der Konzessionsdauer und wesentlichen Änderungen bestehender Konzessionen, die einer neuen Konzession gleichkommen (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 59 ff.), ist für die Festlegung der Restwassermengen vom natürlichen bzw. ursprünglichen Zustand des Fliessgewässers auszugehen. Es ist von einem Zustand auszugehen, wie wenn auf die weitere Wasserkraftnutzung verzichtet und der natürliche Zustand wiederhergestellt würde bzw. wie wenn noch nie eine Konzession erteilt worden wäre und noch kein Kraftwerk bestünde (BGer 1A.59/1995 vom 28. Juni 2000 [Lungern II], E. 3c, in: URP 2000, 691; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 39; Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 79).

 

 

C.           Spezialfall Versickerungen

17. Bei einem Fliessgewässer ohne Versickerung nehmen die Abflussmengen gewässerabwärts mit dem zunehmenden Einzugsgebiet allmählich, bei seitlichen Zuflüssen sprunghaft zu. Dies gilt auch für die Abflussmenge Q347 (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 48 ff.).

18. Bei einem Fliessgewässer mit Versickerung nimmt die natürliche Abflussmenge und auch die Abflussmenge Q347 (Art. 4 Bst. h GSchG) des Gewässers unterhalb der Wasserentnahme gewässerabwärts infolge Versickerung des Wassers ab (vereinfachte Beispiele mit konstanter Versickerung in BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 68 ff., Abb. 4.16 und 4.17). Zunächst weist das Gewässer trotz Versickerung eine ständige Wasserführung auf (Art. 4 Bst. l GSchG). Nimmt anschliessend die Wasserführung wieder zu, weist die gesamte Restwasserstrecke eine ständige Wasserführung auf (vgl. Abb. 4.16, «teilweise Versickerung»). Versickert jedoch weiterhin Wasser, können Gewässerabschnitte mit nicht ständiger Wasserführung (Abflussmenge Q347 Null, vgl. Abb. 4.17 «vollständige Versickerung») entstehen.

19. In solchen Fällen sind die Ermittlung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG, die Erhöhungen nach Art. 31 Abs. 2 und Art. 33 GSchG sowie die Festlegung der erforderlichen Dotierwassermenge anspruchsvoll (zum Vorgehen in der Praxis s. N 31 f.; Komm. zu Art. 33 GSchG N 15, 34Komm. zu Art. 35 GSchG N 49 ff.).

 

III.        Quantitative Mindestrestwassermenge (Abs. 1)

A.           Ausgangspunkt: Formel Matthey

20. Ausgangspunkt für die Ermittlung der Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG ist die sog. Formel Matthey. Sie lautet: R = 15E/(ln E)2.

R = Restwassermenge in l/s

E = Niederwassermenge in l/s

21. Für E sollte Qhäufigst (häufigste Niederwassermenge) eingesetzt werden. Zur Vereinfachung kann stattdessen die Niederwassermenge Q300 verwendet werden, die oft mit Qhäufigst zusammenfällt (Schlussbericht Akeret, 42 f.).

22. Bei dieser Formel handelt es sich um eine gestützt auf mehrere konkrete Fälle vom ehemaligen Fischereiinspektor G. Matthey des Kantons VD ausgearbeitete empirische Formel. Sie wurde Ende der 1970er-Jahre in die Fischereigesetzgebung der Kantone VD, NE, GE und VS verbindlich aufgenommen (Botschaft GSchG 1987, 1129; Eckert, Restwassermengen, 58 f.). Die Formel sollte als Resultat eine minimale Abflussmenge R (Restwassermenge) ergeben, bei der ein Fischgewässer gerade noch als solches erhalten werden kann (Schlussbericht Akeret, 32, 41).

23. Die Formel Matthey basiert auf der Beobachtung, dass kleine Gewässer verhältnismässig mehr Restwasser brauchen als grosse (Botschaft GSchG 1987, 1129). Je kleiner die Niederwassermenge E ist, desto grösser wird die nach der Formel ermittelte Restwassermenge R im Verhältnis zur Niederwassermenge. Mit der Formel Matthey werden bei Gewässern mit Abflussmengen Q347 zwischen 60 l/s und 60’000 l/s befriedigende Resultate erreicht, nicht aber für kleine (Q347 kleiner 60 l/s) und grosse (Q347 grösser 60’000 l/s) Gewässer (Botschaft GSchG 1987, 1129 ff.). Für kleine Gewässer sind die nach der Formel Matthey ermittelten Mindestmengen zu tief. Dieser Nachteil wurde bei der Lösung des GSchG korrigiert (s. N 27, erster Punkt).

24. Für die Festlegung der Mindestrestwassermengen wurde auch eine einfachere lineare Formel in Erwägung gezogen (Eckert, Restwassermengen, 59). Diese wurde verworfen.

 

 

B.            Lösung des GSchG

25. Als Bezugsgrösse für die rechnerische Ermittlung der Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG wird nicht die Abflussmenge Q300 verwendet, sondern die in den hydrografischen Jahrbüchern angegebene und bereits früher verwendete Abflussmenge Q347 (Botschaft GSchG 1987, 1130; EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 41; vgl. Anh. zur AbwV 1975, Spalte I, Qualitätsziele für Fliessgewässer und Flussstaue; zur Ermittlung der Abflussmenge Q347, s. Komm. zu Art. 59 GSchG N 13 ff.). Die gemäss Formel Matthey erforderlichen fixen Mindestrestwassermengen wurden entsprechend umgerechnet (Pestalozzi, Restwassermengen, 717, Fn. 30). Dadurch ergaben sich kleinere Abweichungen von der ursprünglichen Formel, da das Verhältnis der Wasserführungen Q300 zu Q347 für jedes Gewässer ein wenig anders ist (EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 41).

26. Die Wassermenge Q347 beträgt im Mittel etwa 60 % der Wassermenge Q300, mit Unterschieden je nach der Hydrologie des Einzugsgebietes (Botschaft GSchG 1987, 1130, Streuung zwischen 57 % und 72 %; Schlussbericht Akeret, 46, Tab. 1, Streuung zwischen 46 % und 81 %).

27. Zudem übernahm der Gesetzgeber die Formel Matthey, teilweise in modifizierter Form, nur für Gewässer mit Abflussmengen Q347 zwischen 60 und 60ʹ000 l/s, in jenem Bereich, in welchem sie befriedigende Resultate liefert. Damit ergeben sich nach Art. 31 Abs. 1 GSchG je nach Gewässergrösse am Ort der Wasserentnahme sieben Kategorien von Gewässern mit vier unterschiedlichen Lösungen für die rechnerisch zu ermittelnden Mindestrestwassermengen (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1131, Abb. 5):

  • Bei kleinen Gewässern (Q347 bis 60 l/s) muss mindestens 50 l/s im Gewässer belassen werden. Der Grund liegt darin, dass das ökologische Gleichgewicht kleiner Gewässer sehr empfindlich und damit anfällig auf jegliche Eingriffe ist (Botschaft GSchG 1987, 1130 f.). Fischereibiologisch sind solche Gewässer als Lebensraum für Jungfische und andere Wassertiere von besonderem Wert.
  • Bei Gewässern mit einer Abflussmenge Q347 zwischen 60 und 160 l/s liegt die Mindestrestwassermenge nach Abs. 1 im Interesse der Wasserkraftnutzung bis zu 20 % tiefer als sie der Formel Matthey entsprechen würde (Botschaft GSchG 1987, 1131 f.). Das ist vertretbar, da Matthey keine saisonalen Restwassermengen kannte und seine Werte während des ganzen Jahres galten. In alpinen Einzugsgebieten genügen im Winter i.d.R. die tieferen Werte.
  • Bei vier Kategorien von Gewässern mit einem Abfluss Q347 zwischen 160 und 60’000 l/s ist die Mindestrestwassermenge nach Abs. 1 weitgehend den Formelwerten von Matthey angeglichen. Da Formeln in Gesetzen verpönt sind und die Ermittlung der Mindestrestwassermenge für die Praxis möglichst einfach gestaltet werden sollte, enthält Art. 31 Abs. 1 GSchG vier einfache Berechnungsmethoden für Gewässer mit unterschiedlich hohen Abflussmengen Q347 (160–500 l/s, 500–2ʹ500 l/s, 2ʹ500–10ʹ000 l/s und 10ʹ000–60ʹ000 l/s). Es handelt sich dabei nicht um eine «linear ansteigende Festlegung» (vgl. Eckert, Restwassermengen, 60). Dieser Eindruck wird durch die logarithmische Darstellung der Beziehung zwischen Abflussmenge Q347 (zwischen 160 und 60ʹ000 l/s) und Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1131, Abb. 5) hervorgerufen.
  • ·       Bei grossen Gewässern (Q347 grösser als 60’000 l/s) wird die Mindestrestwassermenge generell auf 10’000 l/s festgelegt. Diese Bestimmung betrifft nur den Hochrhein, Teile des Alpenrheins, der Aare und der Rhone. Solche Gewässer werden in der Regel nur mit Laufkraftwerken genutzt (Botschaft GSchG 1987, 1132; Eckert, Restwassermengen, 61).

28. Je grösser Q347, desto grösser ist die erforderliche Mindestrestwassermenge in l/s. In Prozent der Abflussmenge Q347 nimmt die Mindestrestwassermenge jedoch mit zunehmendem Q347 ab (vgl. Uhlmann Brögli/Wehrli, Vollzugsdilemma, 478, Tab. 1).

29. Die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG müssen grundsätzlich jederzeit auf der gesamten Restwasserstrecke eingehalten werden. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn eine der Voraussetzungen nach Art. 32 GSchG erfüllt ist, in Gewässerabschnitten mit nicht ständiger Wasserführung (s. N 31) oder wenn weniger Wasser zufliesst (vgl. Art. 36 Abs. 2 GSchG).

30. Da die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG ausschliesslich von der Abflussmenge Q347 am Ort der Wasserentnahme bzw. der Staustelle abhängen, ist deren Bestimmung im Regelfall, bei einer Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer ohne Versickerung, nicht schwierig, sofern der Wert für Q347 am Ort der Wasserentnahme bekannt ist. Wird in diesem Fall aufgrund der rechnerisch ermittelten Mindestrestwassermenge die erforderliche Dotierwassermenge (s. Komm. zu Art. 4 GSchG N 74 ff.) festgelegt, sind die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG auf der gesamten Restwasserstrecke eingehalten (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 39 f., Abb. 4.9).

31. Schwierig ist die Festlegung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG bei Fliessgewässern mit Versickerung (N 18 f.). Nach Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV müssen die Restwasservorschriften (Art. 31–35 GSchG) nur in den Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung erfüllt sein (vgl. N 32), nicht aber in Gewässerabschnitten mit nicht ständiger Wasserführung. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 126 II 283, 295 f. [Lungerersee], E. 4, in: URP 2000, 679) kann jedoch in Gewässerabschnitten mit nicht ständiger Wasserführung zwar auf die Anwendung von Art. 31 GSchG verzichtet werden, entgegen Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV jedoch nicht auf die Anwendung von Art. 33 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 15). Dass in einem Gewässerabschnitt die Abflussmenge Q347 gleich Null sei, habe zwingend «bloss zur Folge, dass diesem Abschnitt die quantitativen Vorgaben von Art. 31 GSchG» nicht erfüllt sein müssten (E. 4b). Quantitative Vorgaben enthält jedoch nur Art. 31 Abs. 1 GSchG. Art. 31 Abs. 2 GSchG enthält qualitative Vorgaben. Es wäre deshalb sachgerecht, bei nicht ständig wasserführenden Restwasserabschnitten nicht erst im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG, sondern bereits im Rahmen der Erhöhung nach Art. 31 Abs. 2 GSchG zu prüfen, ob in den Restwasserstrecken mit nicht ständiger Wasserführung eine höhere Restwassermenge erforderlich wäre (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechungsbericht, 38 f.; vgl. Pestalozzi, Restwassermengen, 726 ff.). Dies gilt umso mehr, wenn sich die Restwasserstrecke mit nicht ständiger Wasserführung in einer Aue von nationaler Bedeutung befindet, die gemäss Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG grundsätzlich erhalten werden muss (vgl. N 48). Zudem wird entgegen den damaligen Ausführungen des Bundesgerichts (E. 5b) auch das zufliessende Wasser des Zwischeneinzugsgebiets bereits bei der Erhöhung der nach Art. 31 Abs. 1 GSchG festgelegten Mindesrestwassermengen und nicht erst bei der Erhöhung nach Art. 33 GSchG berücksichtigt (Komm. zu Art. 33 GSchG N 60).

32. Damit auch in Gewässerabschnitten mit Versickerung die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG in allen Abschnitten mit ständiger Wasserführung eingehalten werden, ist bei der Fassung mehr Dotierwasser abzugeben als notwendig wäre, wenn keine Versickerung stattfinden würde (zu möglichen Vorgehensweisen, s. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 68 ff., Beispiele s. Abb. 4.16, 4.17; vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 49 ff.). Dabei wird auch berücksichtigt, dass die kleineren Q347 in Gewässerabschnitten mit Versickerung zur Folge haben, dass dort geringere Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG erforderlich sind. Anschliessend sind die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2, Art. 32 und Art. 33 GSchG zu berücksichtigen. Da in der Realität Versickerungen kaum je konstant sind, sondern u.a. abhängig von der aktuellen Abflussmenge, dem Grundwasserspiegel und dem Sättigungsgrad des Untergrundes zwischen Gewässersohle und Grundwasser sind, müssen die Abflussverhältnisse in Restwasserstrecken mit wesentlichen Versickerungen im Einzelfall detailliert untersucht und im Restwasserbericht (s. Komm. zu Art. 33 GSchG N 73 f.) dokumentiert werden. Dabei müssen die Abflussverhältnisse an den relevanten Punkten der Versickerungsstrecke ebenso detailliert wie bei der Fassung ermittelt werden (vgl. N 78 f.).

 

IV.        Qualitative Mindestrestwassermenge (Abs. 2)

A.           Zwingende Gründe für die Erhöhung der quantitativen Mindestrestwassermenge

33. Die Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG ist in vielen Fällen zur Gewährleistung der wichtigsten ökologischen Funktionen des Gewässers zwingend erforderlich (dazu N 9 f.).

34. Art. 31 Abs. 2 GSchG enthält kumulative Anforderungen. Wenn nur einer der Tatbestände gemäss Bst. a–e nicht erfüllt ist, muss die nach Abs. 1 ermittelte Restwassermenge erhöht werden, wenn keine anderen Massnahmen (vgl. N 69) ergriffen werden können.

35. Im Hinblick auf die Erhaltung der Fischbestände sind die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 Bst. c, e und d GSchG zu prüfen (zum Vorgehen vgl. Baudepartement und Finanzdepartement SG, Erhöhung Restwassermenge, 3 ff.). Bst. c betrifft die Erhaltung seltener Lebensräume für gefährdete Fischarten (s. N 48). Bst. d (s. N 59 ff.) und e (s. N 67 f.) gelten für alle Fischarten. Sie regeln unterschiedliche Anforderungen an Fliessgewässer, die erfüllt sein müssen, damit sich die Fische fortpflanzen können.

36. Die Erhöhungstatbestände zur Sicherung der freien Fischwanderung (Bst. d) und zur Gewährleistung gewisser Gewässer als Laichstätten oder Aufzuchtgebiete für Fische (Bst. e) nehmen Bezug auf Art. 9 BGF (bzw. den inhaltlich fast gleichen Art. 25 BGF 1973). Während jedoch das BGF die Anordnung von Massnahmen zugunsten der Fische von einer Gesamtinteressenabwägung abhängig macht (Art. 9 Abs. 2 BGF), sind die Anforderungen gemäss Art. 31 Abs. 2 Bst. d und e GSchG zwingend zu erfüllen (dazu und zu den Absichten des Ständerats, Bst. d abzuschwächen, s. Eckert, Restwassermengen, 73 f.; siehe auch Vor Art. 29–36 GSchG N 45 f.).

 

 

 

B.            Die Erhöhungstatbestände nach Bst. a–e

1.             Wasserqualität der Oberflächengewässer (Bst. a)

Schutzziel ist die Wasserqualität gemäss GSchV. Die Anforderungen an die Wasserqualität oberirdischer Gewässer ergeben sich aus Anh. 2 Ziff. 1 GSchV mit allgemeinen Anforderungen sowie zusätzlichen Anforderungen an Fliessgewässer und stehende Gewässer, die verbindlich und während des ganzen Jahres einzuhalten sind (vgl. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 477; betreffend Beurteilungsspielraum vgl. BFE/BAFU, Aufwertung, 189). Lediglich bei den numerischen Anforderungen bleiben besondere natürliche Verhältnisse wie z.B. «seltene Niederwasserereignisse» (Anh. 2, Ziff. 12 Abs. 5 GSchV) vorbehalten.

38. Die Anforderungen an die Wasserqualität müssen auf der ganzen Restwasserstrecke eingehalten werden (Botschaft GSchG 1987, 1133).

39. Die Anforderungen an die Wasserqualität muss trotz der Wasserentnahme und trotz bestehender Abwassereinleitungen (z.B. von gereinigten Abwässern aus Abwasserreinigungsanlagen) eingehalten werden. Die Einhaltung dieser Anforderung ist in Tourismusgebieten in den Alpen häufig schwierig, da der höchste Abwasseranfall während der Wintersaison zeitlich mit den tiefsten Abflüssen in den Gewässern zusammenfällt (und die Abwasserreinigung bei tiefen Temperaturen nicht optimal funktioniert).

40. Als Faustregel gilt, dass die Restwassermenge mindestens die zehnfache Menge an gereinigtem kommunalen Abwasser, die in das Gewässer eingeleitet wird, betragen muss. Dieser Wert geht zurück auf die Thesen zur Restwasserbestimmung im Teilaspekt Abwasserbehandlung und Gewässerzustand der Arbeitsgruppe Restwasser (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 17; Schlussbericht Akeret, 204 ff., Thesen abgedruckt in Eckert, Restwassermengen, 62, Fn. 300). Ist die Restwasserstrecke durch die Einleitung von nicht oder ungenügend gereinigtem Abwasser vorbelastet, ist entsprechend mehr Restwasser erforderlich, wenn nicht andere Massnahmen getroffen werden (dazu N 75, erster Punkt). Bei der Berechnung der erforderlichen Verdünnung muss auch eine allfällige Vorbelastung der Restwasserstrecke durch diffuse Einleitungen berücksichtigt werden (Schlussbericht Akeret, 205, These 4). Es muss z.B. abgeklärt werden, ob die Beeinträchtigung der Wasserqualität durch Ausschwemmung von Düngemitteln eine Erhöhung der Restwassermenge verlangt (BGE 120 Ib 233, 245 [Geisslibach], E. 7b).

41. Massgebend für die Festlegung der Restwassermengen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG ist der Ist-Zustand (s. N 14). Ebenfalls berücksichtigt werden müssen Umstände, die in absehbarer Zeit zu einer absehbaren Mehrbelastung einer Restwasserstrecke führen, z.B. der Bau einer neuen oder die Erweiterung einer bestehenden Abwasserreinigungsanlage. Noch nicht im Einzelnen bekannte Entwicklungen sind hingegen erst im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG zu berücksichtigen (s. Komm. zu Art. 33 GSchG N 37 f.).

2.             Speisung von Grundwasservorkommen (Bst. b)

42. Schutzziel ist die mengenmässige Erhaltung der Grundwasservorkommen. (vgl. dazu Komm. zu Art. 43 GSchG N 3). Grundwasser in Lockergesteins-Grundwasserleitern wird gebildet durch Versickerung von Niederschlag, Hangwasserzuflüsse und durch Infiltration von Flusswasser, wenn der Wasserspiegel des Vorfluters über dem Grundwasserspiegel liegt. In der Schweiz sind die Grundwasservorkommen in hohem Mass auf die natürliche Speisung durch Flusswasserinfiltration angewiesen. Auch viele Quellen werden von Fliessgewässern gespeist (Schlussbericht Akeret, 234).

43. Die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 Bst. b GSchG an die Speisung der Grundwasservorkommen sind als Teilziele formuliert, die den Vollzugsbehörden einen grossen Spielraum lassen. So muss beim Teilziel Grundwasservorkommen für Trinkwasserversorgung die vom betroffenen Grundwasservorkommen abhängige Trinkwasserversorgung «im erforderlichen Ausmass» weiterhin möglich sein. Dabei ist auf das Bedürfnis der Bevölkerung abzustellen (Eckert, Restwassermengen, 63 f.). So sind beispielsweise Quellen entlang von Fliessgewässern nicht immer die qualitativ besten Quellen, in manchen Gebieten spielen sie jedoch eine wichtige Rolle für die Trinkwasserversorgung.

44. Beim Teilziel Grundwasservorkommen für die landwirtschaftliche Nutzung darf der Wasserhaushalt landwirtschaftlich genutzter Böden «nicht wesentlich beeinträchtigt» werden. Die Wasserentnahme darf weder zu irreversiblen ökologischen Schäden noch zu untragbaren wirtschaftlichen Einbussen für die Bewirtschafter führen (Eckert, Restwassermengen, 64).

45. Die natürliche Speisung von Grundwasservorkommen durch Flusswasserinfiltration ist u.a. abhängig von der benetzten Fläche der Gewässersohle, die von der Wassermenge abhängt, sowie von der Beschaffenheit der Gewässersohle bzw. deren Durchlässigkeit. Das Fehlen von Hochwassern verhindert eine periodische Umlagerung der Gewässersohle, die allmählich mit Feinmaterial verfüllt wird und kolmatiert (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 4). Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an die Erhöhung der Mindeststwassermenge im Hinblick auf die mengenmässige Erhaltung der Grundwasservorkommen: Die mittleren Abflussgeschwindigkeiten müssen genügend hoch sein, um die Kolmatierung zu begrenzen. Neben der Festsetzung eines minimalen Abflusses sollen von Zeit zu Zeit Hochwasser simuliert werden; damit sollen die Entkolmatierung der Gewässersohle und die Speisung der Grundwasserleiter gesichert werden (Schlussbericht Akeret, 238 f., Eckert, Restwassermengen, 63).

46. In der Praxis schloss das Bundesgericht bei einem Flurabstand des Grundwassers von bis zu 60 m und einer Reduktion des Grundwasserspiegels um maximal 6 m infolge einer Wasserentnahme einen (nachteiligen) Einfluss auf die Vegetation von vorneherein aus (BGE 126 II 283, 297 [Lungerersee], E. 4c, in: URP 2000, 679). Weiter schloss es, gestützt auf überzeugende Feststellungen von Experten, nachteilige Auswirkungen auch aus in einem Gebiet, in welchem das Grundwasser in Fliessgewässer exfiltriert, der Grundwasserspiegel durch die Wasserentnahme aber kaum verändert wird. Dabei spielte u.a. auch eine Rolle, dass für die lokale Trinkwasserversorgung ein anderes, qualitativ geeigneteres Grundwasser im Vordergrund stand.

3.             Erhaltung seltener Lebensräume und ‑gemeinschaften (Bst. c)

47. Schutzziel ist die Erhaltung seltener Lebensräume und ‑gemeinschaften, die direkt oder indirekt von der Abflusscharakteristik und Abflussmenge des Gewässers (z.B. Bergbach, Wiesenbach, Fluss) abhängen (zum Unterschied zu Art. 33 Abs. 3 Bst. b GSchG s. Komm. zu Art. 33 GSchG N 33 ff.). Unter Lebensgemeinschaften werden die Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen verstanden, die einen bestimmten Lebensraum (dazu Fahrländer, Kommentar NHG, Art. 18 N 13 ff.) besiedeln.

48. Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG «zielt auf die Erhaltung inventarisierter Schutzgebiete» ab (Botschaft GSchG 1987, 1133; zum Ganzen auch Eckert, Restwassermengen, 64 ff.). Damit sind Gebiete gemeint, in welchen sich seltene Lebensräume und ‑gemeinschaften befinden, zu deren Schutz die Gebiete als Schutzgebiete inventarisiert wurden.

  • Als seltene Lebensräume gelten somit inventarisierte Schutzgebiete bzw. Inventare wie inventarisierte Auengebiete, Flachmoore und Amphibienlaichgebiete von nationaler (Art. 18a NHG) sowie von regionaler und lokaler Bedeutung (Art. 18b NHG). Die Schutzziele ergeben sich aus den entsprechenden Verordnungen des Bundes (Auenverordnung, Flachmoorverordnung, AlgV) und der Kantone (z.B. Schutzverordnungen) oder aus der Beschreibung der inventarisierten Schutzobjekte. Weitere Inventare sind z.B. das Bundesinventar der Wasser‑ und Zugvogelreservate (geschützt gemäss WZVV) sowie die Gewässerstrecken von nationaler Bedeutung zum Schutz von Fischen, die als Lebensräume für die vom Aussterben bedrohte Nase, die in Europa gefährdete Äsche und die stark gefährdeten Krebse dienen. Als inventarisierte Lebensräume gelten weiter gewässerabhängige Lebensräume und ‑lebensgemeinschaften (wie Quellbiotope, Flachmoore), die sich in einer Moorlandschaft von nationaler Bedeutung (Art. 23a NHG, Moorlandschaftsverordnung) oder in einer Landschaft oder einem Naturdenkmal von nationaler (Art. 5 f. NHG, VBLN) oder von regionaler und lokaler Bedeutung (gemäss kantonaler Gesetzgebung) befinden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 42). Weitere inventarisierte Lebensräume sind die Smaragdgebiete zum Schutz europaweit seltener und gefährdeter Lebensräume und Arten gemäss den Resolutionen 4 und 6 der Berner Konvention sowie die international bedeutenden Feuchtgebiete gemäss der Ramsar-Konvention.
  • Aus dem Wortlaut von Bst. c ergibt sich keine Beschränkung auf inventarisierte Lebensräume; er gilt auch für seltene Lebensräume und ‑ge-meinschaften, die nicht inventarisiert sind (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 6.3, in: URP 2014, 351; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 42 ff.; vgl. Eckert, Restwassermengen, 65 f.). Als seltene Lebensräume sind auch bedrohte Lebensraumtypen zu betrachten. Bedroht sind etwa zwei Drittel der Lebensraumtypen im Grosslebensraum Feuchtgebiete und die Hälfte der Lebensraumtypen im Grosslebensraum Gewässer (BAFU, Gefährdete Arten, 81 f. i.V.m. 31, Abb. 12). Insbesondere die Landflächen der Auengebiete der Schweizer Flüsse, die zwischen 1850 und etwa 2000 um fast 90 % abgenommen haben, sind so selten geworden, dass heute Regenerationen angestrebt werden (BUWAL, Fliessgewässer-Auen, 5, 9 f., 28 ff., 48 f.). Von der Seltenheit ist auszugehen bei Ufervegetation, die gemäss Art. 21 NHG einen erhöhten Schutz geniesst (Jenni, Kommentar NHG, Art. 21 N 1, 11 f.). Wenn in einem Lebensraum gefährdete oder seltene Arten vorkommen, ist i.d.R. davon auszugehen, dass es sich dabei um einen selten gewordenen Lebensraum handelt (zu den Roten Listen der gefährdeten Arten der Schweiz vgl. BAFU, Gefährdete Arten, 8 ff., Gefährdungskategorien, 33, Tab. 5). Im Zusammenhang mit Wasserentnahmen relevant sind z.B. die Roten Listen der Fische und Rundmäuler, der Amphibien, der Brutvögel, der Köcherfliegen, Steinfliegen und Eintagsfliegen, der Weichtiere (Schnecken, Muscheln), der Moose sowie der Armleuchteralgen. Bei den Fischen und Krebsen gelten jene mit Gefährdungsstatus 1–4 als gefährdet (Art. 5 und Anh. 1 VBGF). Von seltenen Lebensräumen ist auch auszugehen, wenn darin Arten mit nationaler Priorität für die Erhaltung und Förderung vorkommen (vgl. BAFU, Gefährdete Arten, 46) oder wenn darin nach den Anh. 2–4 NHV geschützte Pflanzen und Tiere vorkommen (Eckert, Restwassermengen, 66).

49. Schutzobjekte gemäss Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG sind seltene Lebensräume und ‑gemeinschaften, die direkt oder indirekt von der Art und Grösse des Gewässers abhängen. Dazu gehören in erster Linie die Gewässerlebensräume selbst, aber auch Ufergebiete, Auen, Quelllebensräume, Moore und Riedgebiete.

50. Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG verlangt die Erhaltung solcher Lebensräume und ‑gemeinschaften. Alle Funktionen, die ein Fliessgewässer ohne die geplante Wasserentnahme als Lebensraum z.B. für Fische (Nahrungsangebot, Jagd‑ und Rückzugsräume, Fortpflanzung) erfüllt, müssen auch in der Restwasserstrecke gewährleistet sein. Dabei ist jedoch in Kauf zu nehmen, dass der Lebensraum kleiner wird und nur einer kleineren Population dienen kann (vgl. BGE 112 Ib, 424, 440 [Val Müstair], E. 7c). Eine quantitative Einschränkung des Lebensraums kann akzeptiert werden, eine qualitative Einschränkung ist theoretisch nicht zulässig. Dabei ist schwierig zu beurteilen, ab welchem Punkt die Verkleinerung eines Lebensraums dessen Erhaltung nicht mehr erlaubt. Zudem wird der Grundsatz «Erhalten» sehr stark relativiert durch die Möglichkeit «gleichwertiger Ersatz statt Erhalten» (s. N 51), wobei der Ersatz nur «nach Möglichkeit» gleichwertig sein muss (vgl. N 53 f.).

51. Als Ausnahme zur Erhaltung seltener Lebensräume und ‑lebensgemein­schaften sieht Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG einen Ersatz durch gleichwertige Lebenräume vor mit der verunglückten Formulierung «Seltene Lebensräume […] müssen erhalten oder, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen, nach Möglichkeit durch gleichwertige ersetzt werden». Von Gewässern abhängige Lebensräume und ‑gemeinschaften (s. N 49) lassen sich nur schwer durch gleichwertige ersetzen, wäre dazu doch ein Gewässer erforderlich, das in Art und Grösse dem Gewässer entspricht, welchem Wasser entnommen wird.

52. Die Wendung «wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen» bedeutet, dass seltene Lebensräume nicht erhalten werden müssen, wenn der Erhaltung zwingende Gründe entgegenstehen (gl.M. Eckert, Restwassermengen, 66 f.; zweifelnd BFE/BAFU, Bewertung, 190, Fn. 208; vgl. aber den klaren und eindeutigen Wortlaut der französischen und der italienischen Fassung von Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG). Der vom Bundesrat vorgeschlagene Art. 31 Abs. 2 Bst. c E-GSchG 1987 lautete: «Seltene Lebensräume […] müssen erhalten oder, sofern zwingende Gründe dies nicht erlauben, durch gleichwertige ersetzt werden.» Dazu führte er aus, wenn zur Erhaltung «unverhältnismässig hohe Dotierwassermengen erforderlich» seien, könne «nebst anderen Massnahmen im Extremfall die Schaffung von gleichwertigem Ersatz in Betracht gezogen werden» (Botschaft GSchG 1987, 1133). Mit «zwingenden Gründen» sind also unverhältnismässig hohe Dotierwassermengen gemeint. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass der Schutz eines Gewässers als seltener Lebensraum dazu führt, dass die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers nicht mehr möglich ist (vgl. Eckert, Restwassermengen, 67 f.). Bereits der Vorschlag des Bundesrats für Bst. c steht damit im Widerspruch zum Ingress von Art. 31 Abs. 2 GSchG, der zwingend eine Erhöhung verlangt, wenn eine der Anforderungen nicht eingehalten werden kann. Im Parlament war klar, was gemeint war und dieser Punkt war erstaunlicherweise nicht umstritten (vgl. Votum Onken [AB 1988 S 654]: «In Buchstabe c geht es darum, dass seltene Lebensräume und Gemeinschaften erhalten werden müssen oder – sofern zwingende Gründe dies nicht erlauben – durch gleichwertige ersetzt werden sollen.»).

53. Als Ausnahme zur Erhaltung verlangt Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG nach Möglichkeit den Ersatz durch gleichwertige Lebensräume oder ‑gemeinschaften. Diese Ergänzung wurde von der vorberatenden Kommission des Ständerats beantragt, weil ein gleichwertiger Ersatz in vielen Fällen nicht möglich ist (Protokoll der Sitzung vom 25. April 1988, 10 ff.; vgl. N 49 f.). Gegen diese Ergänzung setzte sich Ständerat Onken erfolglos zur Wehr mit dem Argument, «nach Möglichkeit» stehe im Widerspruch zum Ingress von Art. 31 Abs. 2 GSchG (AB 1988 S 654 f.). Wenn ein gleichwertiger Ersatz nicht möglich sei, müsse der Ingress greifen und die Restwassermenge erhöht werden. Der Ständerat ergänzte den Entwurf des Bundesrates jedoch wie von der Kommission beantragt (AB 1988 S 654 f.) und der Nationalrat stimmte der Änderung zu (AB 1989 N 1022, 1027): «Seltene Lebensräume […], müssen erhalten oder, sofern zwingende Gründe dies nicht erlauben, nach Möglichkeit durch gleichwertige ersetzt werden.»

54. Die Bestimmung erhielt schliesslich – offenbar nach einer redaktionellen Überarbeitung nach Abschluss der Beratungen (Eckert, Restwassermengen, 66) – den heute geltenden Wortlaut. Massgebend für die Auslegung von Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG ist die vom Parlament beschlossene Fassung (Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG wäre klarer wie folgt formuliert worden: «Seltene Lebensräume […] müssen erhalten oder, wenn zwingende Gründe der Erhaltung entgegenstehen, nach Möglichkeit durch gleichwertige ersetzt werden.»)

55. Somit ergibt sich folgendes Vorgehen für die Praxis bei der Anwendung von Art. 31 Abs. 2 Bst. c GSchG:

  • Seltene Lebensräume und ‑Lebensgemeinschaften (abgekürzt: seltene Lebensräume) müssen erhalten werden, entweder mit genügenden Restwassermengen und/oder durch andere Massnahmen.
  • Ist die Erhaltung der seltenen Lebensräume aus zwingenden Gründen – es wären dazu unverhältnismässig hohe Dotierwassermengen erforderlich – nicht möglich, kann «im Extremfall» in Betracht gezogen werden, sie durch gleichwertige Lebensräume zu ersetzen (vgl. N 51 f.).
  • Liegt ein solcher Fall vor und besteht keine Möglichkeit, die seltenen Lebensräume durch gleichwertige zu ersetzen, entfällt der gleichwertige Ersatz. In diesem Fall kommt Art. 18 Abs. 1ter NHG zum Zug, wonach der Verursacher bei einer nicht vermeidbaren Beeinträchtigung schutzwürdiger Lebensräume für bestmöglichen Schutz, für die Wiederherstellung oder für angemessenen Ersatz zu sorgen hat. «Angemessener Ersatz» (vgl. dazu Fahrländer, Kommentar NHG, Art. 18 N 37 f.) bleibt hinter «Ersatz durch gleichwertige Lebensräume» zurück.

56. Bei der Annahme, es lägen zwingende Gründe vor, ist Zurückhaltung geboten, da der Erhöhungstatbestand nach Abs. 2 Bst. c im Widerspruch zum Ingress von Abs. 2 steht (s. N 51 ff.; vgl. auch Eckert, Restwassermengen, 68). Zurückhaltung ist umso mehr geboten, wenn die Bedeutung von Gewässerlebensräumen für die Erhaltung der Biodiversität berücksichtigt wird. So kommen z.B. in Auen etwa ein Drittel aller in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten vor, von denen viele gefährdet sind (BAFU, Merkblatt 2, 1).

57. Die Anforderungen an die Erhöhung der Mindestrestwassermenge ergeben sich aus den ökologischen Ansprüchen seltener Lebensräume und ‑gemein­schaften. Diese müssen unter Einbezug der relevanten gesetzlichenVorschriften (z.B. Art. 18, 21 f. NHG, Art. 14 NHV, Art. 4 f., 8 Auenverordnung, Art. 7, 9 BGF, Art. 16 WaG) im Einzelnen abgeklärt werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 42 ff. mit Beispiel betreffend Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG zur Erhaltung eines Auenwaldes in der Restwasserstrecke; vgl. BUWAL, Gewässerökologische Anforderungen, 42 ff.). Notwendig ist vielfach nicht eine ganzjährig erhöhte Mindestrestwassermenge, sondern saisonal abgestufte Erhöhungen oder ein Abfluss, der dem natürlichen Abflussregime (auf einer tieferen Stufe) entspricht. Dies lässt sich durch teilweise zuflussabhängige Dotierwassermengen erreichen (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 54 f.).

58. Bestehen in der Praxis konkrete Anzeichen dafür, dass mit den vorgesehenen Restwassermengen bestehende seltene Lebensräume und ‑gemeinschaften nicht erhalten werden können, hat der Gesuchsteller genauere Abklärungen vorzunehmen (BGE 140 II, 262 [Obergoms], E 6.3, in: URP 2014, 351, konkrete Anzeichen verneint).

4.             Gewährleistung der freien Fischwanderung (Bst. d)

59. Schutzziel ist die Gewährleistung der Fischwanderung (vgl. Art. 9 Abs. 1 Bst. b BGF). Zahlreiche Fischarten führen im Laufe ihres Entwicklungszyklus spektakuläre Wanderungen über lange Strecken vom Meer ins Süsswasser oder von Seen in Flüsse durch. Davon abgesehen unternehmen alle Fische im Laufe ihres Entwicklungszyklus zahlreiche Wanderungen entlang des Flusslaufes. Diese Bewegungen kommen in mehreren Entwicklungsphasen vor und sind für den Ablauf des Lebenszyklus eines Fisches unerlässlich. Besonders wichtig ist die Fortpflanzungswanderung (Bewegung zu den Laichplätzen) (dazu BAFU, Fischwanderung, 10 f.). Viele Fischarten würden ohne die Möglichkeit zur Wanderung aussterben. Zum Begriff «Fischgewässer», s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 22 ff.

60. Ob die für die freie Fischwanderung erforderliche Wassertiefe vorhanden sein muss, hängt von der Funktion des von der Wasserentnahme betroffenenen Gewässerabschnitts für die Fischwanderung ab. Die erforderliche Wassertiefe muss nur dort gewährleistet sein, wo im naturnahen Zustand die freie Fischwanderung überhaupt möglich ist (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 7.2 m.H., in: URP 2014, 351).

61. Die Wassertiefe und ‑breite, die für die freie Fischwanderung gewährleistet sein müssen, hängen ab von den ökologischen Ansprüchen der betroffenen Fischpopulationen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 46). Früher galt i.d.R. bezüglich der notwendigen Tiefe, dass eine mindestens 20 cm tiefe Rinne mit der nötigen Breite (Botschaft GSchG 1987, 1133 f.; dazu Eckert, Restwassermengen, 71 f., m.H.) offengehalten werden muss (vgl. Art. 30 Abs. 2 Bst. b E-GSchG 1984). Für grössere Seeforellen und Barben reicht eine 20 cm tiefe Wasserrinne nicht aus (EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 42), erforderlich sind mindestens 30 cm (Baudepartement und Finanzdepartement SG, Erhöhung Restwassermenge, 6 f.; gemäss Fischereiinspektorat BE 40–50 cm für Seeforelle, vgl. BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laub-eggfall], E. 3.3).

62. Nachdem in den letzten Jahren an mehreren Orten Fischhindernisse entfernt worden sind, gelangen immer grössere Fische, v.a. Seeforellen, in höher gelegene Fliessgewässer. Gestützt auf eine Literaturstudie sowie auf Expertenbefragungen wird deshalb vom BAFU geprüft, ob es zweckmässig wäre, die Mindestwassertiefe nicht als absoluten Wert, sondern anhand der Körperhöhe der grössten in der Restwasserstrecke vorkommenden Bach‑ oder Seeforellen festzulegen. Die generelle Mindestwassertiefe im grössten Teil der Restwasserstrecke könnte in Abhängigkeit der Körperhöhe festgelegt werden. Gewisse Unterschreitungen könnten abhängig von der Körperhöhe auf begrenzten Strecken festgelegt werden.

63. Im Hinblick auf die zeitlichen Aspekte ist die Anforderung gemäss Botschaft verhältnismässig starr, wird doch die für die Fischwanderung genügende Wassertiefe i.d.R. ganzjährig verlangt; jedoch ist auch in unbeeinflussten Fliessgewässern nicht jederzeit eine genügende Wassertiefe vorhanden ist, sodass die Fische u.U. das nächste Regenereignis abwarten müssen, um ein Hindernis zu überwinden (Botschaft GSchG 1987, 1133).

64. Die Anforderungen an die Erhöhung der Mindestrestwassermenge hängen von den ökologischen Ansprüchen der betroffenen Fischarten ab. Wesentlich ist, dass das Gewässer seine Funktion zur Sicherstellung der Fischwanderung wie bisher erfüllen kann (s. N 59). Sollten zu gewissen Jahreszeiten keine Fische wandern oder ist den Fischen zuzumuten, während kurzer Zeit (wenige Stunden) eine höhere Wasserführung abzuwarten, kann u.U. auf die Erhöhung verzichtet werden, wenn die freie Fischwanderung trotzdem weiterhin gewährleistet ist. Manche Fischarten wandern zu Zeiten tiefer Abfüsse in den Gewässern, sodass eine saisonal unterschiedliche Erhöhung erforderlich ist. Dabei sind die mehrmonatigen, in verschiedenen Fliessgewässern unterschiedlich langen Wanderperioden der vorkommenden Fischarten beim Fischauf‑ und beim Fischabstieg, die besonderen Bedürfnisse der Fische während der Laichzeit, beim Auf‑ und Abstieg sowie deren Gewohnheiten bei der Wanderung bezüglich Tageszeit zu berücksichtigen. Ist im Rahmen von Art. 31 Abs. 2 Bst. d GSchG keine Erhöhung der Mindestrestwassermengen erforderlich, sind die Auswirkungen der Wasserentnahme auf die Fische im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG und Art. 39 WRG zu berücksichtigen (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 7.2, in: URP 2014, 351).

65. In der Praxis beurteilte das Bundesgericht eine Wassertiefe von 27–54 cm in der Borgne als für die Fischwanderung der Bachforelle wie der Seeforelle als ausreichend, dabei hoffte es, das neue Dotierregime werde das Bachbett so verändern, dass die Rinne für die Fische noch etwas tiefer würde, andernfalls könnten lokal gewisse bauliche Massnahmen (vgl. N 75, vierter Punkt) angeordnet werden (BGer 1C_76/2011 vom 19. April 2012, E. 6.2 und 6.3).

 

66. Ein Spezialfall stellt die freie Fischwanderung beim Fassungsbauwerk dar. Diese wird nicht im Rahmen der Erteilung der Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG sichergestellt, sondern im Rahmen einer Bewilligung für technische Eingriffe in die Gewässer nach Art. 8 BGF und zwar gestützt auf Art. 9 Abs. 1 Bst. b BGF (BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laubeggfall], E. 4.2; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 13). Zur Sicherstellung der Fischwanderung flussaufwärts (Fischaufstieg) werden i.d.R. «Fischtreppen» erstellt, entweder technische Aufstiegshilfen wie ein Beckenpass oder ein Fischlift oder naturnahe Werke wie Rampen oder Umgehungsgewässer (BAFU, Fischwanderung, 12 ff., m.H. zu den Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit). Bei der Sicherstellung der Fischwanderung flussabwärts (Fischabstieg), bis vor kurzem vollständig vernachlässigt, geht es darum, den Fischen die Überwindung des Hindernisses Wasserfassung oder Turbine zu ermöglichen, und zwar so, dass sie nicht verletzt oder getötet werden (BAFU, Fischwanderung, 24 ff.).

5.             Schutz von Laichstätten und Aufzuchtgebieten von Fischen (Bst. e)

67. Schutzziel ist die Gewährleistung der Fortpflanzung der Fischpopulationen (vgl. Art. 7, 9 Abs. 1 Bst. c BGF). Bei Fischgewässern (dazu Komm. zu Art. 32 GSchG N 23 ff.) mit einer Abflussmenge Q347 kleiner als 40 l/s müssen die Restwassermengen unterhalb von 800 m ü.M. soweit über die Mindestrestwassermenge von 50 l/s hinaus erhöht werden, dass die Bäche weiterhin als Laichstätten oder als Aufzuchtgebiete von Fischen dienen können (vgl. BGE 120 Ib 233, 24 [Geisslibach], E. 5b m.H.). Dies gilt auch dann, wenn sich der Ort der Wasserentnahme oberhalb von 800 m ü.M. befindet (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 46).

68. Der Geltungsbereich dieser Bestimmung ist beschränkt. Die Beschränkung auf Gewässerstrecken unterhalb von 800 m ü.M. wird damit begründet, dass die fischereibiologische Bedeutung solcher Gewässer aus klimatischen und topografischen Gründen in höheren Lagen i.d.R. abnehme und dass der Nutzen dieser Gewässer unterhalb 800 m ü.M. für die Energieerzeugung gering sei (Botschaft GSchG 1987, 1134). Bei der Beschränkung des Geltungsbereichs auf Gewässerstrecken mit einer Abflussmenge Q347 kleiner als 40 l/s geht es in erster Linie darum, zu verhindern, dass die Wassertemperatur in solchen Gewässern, die einen unentbehrlichen Lebensraum für Jungfische bilden, bei warmem und trockenem Wetter so stark zunimmt, dass Fische und andere Wassertiere dadurch geschädigt werden (Botschaft GSchG 1987, 1134). Bei Fliessgewässern besteht überdies die Gefahr, dass ihnen in Trockenperioden Wasser für die landwirtschaftliche Bewässerung (Art. 32 Bst. d GSchG) entnommen wird und sich das verbleibende Wasser noch schneller erwärmt. Zu Wasserentnahmen aus kleinen Fliessgewässern vgl. auch Komm. zu Art. 30 GSchG N 22.

 

C.           Andere Massnahmen

69. Eine Erhöhung der minimalen Wassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG kann nur dann ganz oder teilweise unterbleiben, wenn die qualitativen Anforderungen an das Gewässer unterhalb der Wasserentnahme gemäss Abs. 2 Bst. a–e durch andere Massnahmen, seien es bauliche, betriebliche und/oder sonstige Massnahmen erfüllt werden können (Botschaft GSchG 1987, 1132 f.; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 46 ff.). Die Rolle anderer Massnahmen im Verfahren zur Festlegung angemessener Restwassermengen besteht darin, ein von einer Wasserentnahme betroffenes Gewässer so zu verändern, dass es die Anforderungen nach Abs. 2 erfüllt, wie wenn die nach Abs. 1 ermittelte Mindestrestwassermenge erhöht würde; die blosse Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen kommt damit nicht in Frage (dazu Eckert, Restwassermengen, 74). Selbstverständlich ist es nicht zulässig, Massnahmen zu treffen und als Kompensation die rechnerisch ermittelte Restwassermenge gemäss Abs. 1 tiefer anzusetzen.

70. Notwendig ist zudem eine ganzheitliche Betrachtungsweise: Eine Massnahme, mit deren Hilfe in einem Teilbereich die Anforderungen erfüllt werden, muss dem Gewässer‑ und Umweltschutz insgesamt dienen und darf nicht in einem anderen Bereich schädlich sein (Pestalozzi, Restwassermengen, 718 f.).

71. Zwar ist gemäss dem Wortlaut des Ingresses von Abs. 2 zuerst zu prüfen, ob andere Massnahmen zur Erfüllung der Anforderungen von Bst. a–e getroffen werden können, andere Massnahmen und zusätzliches Restwasser stellen jedoch gleichwertige Alternativen dar.

72. Exkurs: Als Projektbestandteile vorgesehene Massnahmen können ebenfalls zur Erfüllung der Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG beitragen, insb. wenn dadurch in der Restwasserstrecke eine gewisse Abflussdynamik (inklusive gelegentlicher Hochwasser) erhalten bleibt. Solche Massnahmen sind z.B. eine Begrenzung der Fassungskapazität, sodass die Fassung häufig Überlauf hat, die vollständige Fassung des Gewässers mit entsprechender Steuerung (z.B. periodisch erhöhte Abflüsse durch Schliessen der Fassung, Schliessen der Fassung bei Hochwasser) oder eine teilweise zuflussabhängige Steuerung der Fassung (vgl. dazu Komm. zu Art. 35 GSchG N 55). Als Projektbestandteile werden solche Massnahmen in erster Linie aus betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Gründen vorgesehen, sie reduzieren jedoch auch die nachteiligen Auswirkungen der Wasserentnahme auf das Gewässer (vgl. Mürle/Ortlepp/Molinari, Win-Win-Situation, 20 ff.). Sobald Anlagen subventioniert werden, fallen solche wirtschaftliche Anreize zur Begrenzung der Nutzwassermenge weg.

73. Bei den anderen Massnahmen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG wird unterschieden zwischen baulichen, betrieblichen und weiteren Massnahmen (Botschaft GSchG 1987, 1133; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 46 ff.). Einzelne der vorgeschlagenen Massnahmen (wie z.B. Begrenzung der Fassungskapazität, periodisch erhöhte Abflüsse durch periodisches Schliessen der Fassung) führen zu einer zeitweisen Erhöhung der Restwassermenge.

74. In vielen Fällen erweist sich die Kombination von Massnahmen als besonders zweckmässig (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 48; vgl. Beispiel bei Eckert, Restwassermengen, 63, genügend Restwasser mit gelegentlichen Hochwassern zur Dekolmatierung im Hinblick auf die Speisung von Grundwasservorkommen).

75. Einige der nachfolgend angeführten Beispiele für andere Massnahmen (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1133; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 46 ff.; Eckert, Restwassermengen, 74 ff.) tragen zur Erfüllung mehrerer Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG bei:

  • ·       Bst. a: Die Anforderungen an die Wasserqualität lassen sich durch die Verbesserung der Abwasserreinigung durch Erstellung, Erweiterung oder Optimierung von Kläranlagen oder durch die Verlegung der Einleitung von behandeltem Abwasser an eine geeignetere Stelle erfüllen.So wurde die ARA Bergün, die in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre im Zusammenhang mit dem Bau der Kraftwerksstufe Bergün-Filisur der Albula-Landwasser-Kraftwerke AG erstellt wurde, gestützt auf eine Bestimmung in der Konzession zum grössten Teil durch die Kraftwerksgesellschaft finanziert.

    Seit der Konzessionserneuerung der Kraftwerke im Prättigau wird das gereinigte Abwasser aus der ARA Gulfia bei Klosters nicht mehr in den Schlappinbach (Restwasserstrecke) geleitet, sondern zum Druckstollen Klosters–Küblis hochgepumpt und mit dem Wasser aus der Landquart und dem Schlappinbach nach der Verarbeitung im Kraftwerk Küblis in die Landquart zurückgegeben. Beim KW Aare Interlaken wird das Abwasser aus der ARA Interlaken von November bis Februar nicht in die Restwasserstrecke, sondern in den Schifffahrtskanal mit höherer Wasserführung eingeleitet (BUWAL, Restwassermengen, 42 f., 75 ff.).

    Liegen besondere Umstände vor, kann die Betreiberin einer Kläranlage dazu verpflichtet werden, die Einleitstelle des gereinigten Abwasser aus ihrer Anlage aus einer Restwasserstrecke heraus an eine Stelle unterhalb der Wasserrückgabe zu verlegen (BGer 1A.256/2003 vom 14. Juni 2004 [ARA Worblental], E. 5.3.2–5.5, in: URP 2004, 476).

  • ·       Bst. b: Als Massnahmen zur erforderlichen Speisung der Grundwasservorkommen kommen z.B. bauliche Massnahmen am Gewässerbett zur Förderung der Grundwasseranreicherung, periodische Spülungen oder periodisch erhöhte Abflüsse zur Dekolmatierung (auch im Interesse der Anforderung nach Bst. c), künstliche Anreicherung von Grundwasser und landwirtschaftliche Bewässerung in Betracht (vgl. Schlussbericht Akeret, 238 f.).
  • ·       Bst. c: Zur Erhaltung und Neuschaffung seltener Lebensräume und ‑gemeinschaften ist die Verlegung der Fassung an einen ökologisch günstigeren Standort (z.B. unterhalb eines seltenen Lebensraums, oberhalb einer ökologisch unbedeutenden Gewässerstrecke) und die naturnahe Gestaltung der Restwasserstrecken und anderer Fliessgewässer in Betracht zu ziehen.
  • ·       Bst. d: Die für die Fischwanderung erforderliche Wassertiefe kann mit baulichen Massnahmen zur Gestaltung der Gewässersohle wie der Schaffung von Niedrigwasserrinnen (BGer 1C_67/2011 vom 19. April 2012 [Borgne], E. 6.2 und 6.3, in: URP 2013, 72) bzw. zusätzlicher Vertiefungen oder sog. Gumpen erreicht werden (BGE 119 Ib 254, 283 f. [Curciusa], E. 9g, in: URP 1993, 403). Die Fischwanderung kann auch durch fischfreundliche Gestaltung der Einmündung von Seitengewässern (z.B. Entfernung von Barrieren) gefördert werden.Gumpen sind beckenartige Strudeltöpfe im felsigen Untergrund von Gebirgsbächen, entstanden durch Erosion.
  • ·       Bst. e: Die Bepflanzung der Ufer mit standortgerechten Gehölzen verhindert durch Schattenwurf das Ansteigen der Wassertemperatur im Sommer.

76. Massnahmen gemäss anderen GSchG-Bestimmungen, die seit dem Inkrafttreten der Teilrevision des GSchG vom 11. Dezember 2009 getroffen werden müssen, z.B. zur Aufrechterhaltung des Geschiebehaushalts nach Art. 43a GSchG und zur Vermeidung von Schwall und Sunk nach Art. 39a GSchG tragen ebenfalls zur Einhaltung der Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG bei.

D.           Zur Ermittlung der notwendigen Erhöhung

77. Das Ausmass der Erhöhung richtet sich nach der Anforderung mit dem grössten Restwasserbedarf (s. N 9; Pestalozzi, Restwassermengen, 719). Es muss für jeden Erhöhungsgrund die erforderliche Erhöhung ermittelt werden. Je nach den Anforderungen im Einzelfall muss die Mindestrestwassermenge während des ganzen Jahres oder nur zeitweise erhöht werden
(s. N 45, 57, 64; vgl. auch Komm. zu Art. 35 GSchG N 53 f.). Das Mass der Erhöhung hängt selbstverständlich auch von der natürlicherweise im Gewässer vorhandenen Restwassermenge ab (dazu Komm. zu Art. 33 GSchG N 60).

78. Die wichtigste Voraussetzung für die Ermittlung der notwendigen Erhöhung sind möglichst genaue Daten zur Restwasserstrecke wie z.B. natürliche und beeinflusste Abflussmengen, Wassertiefe, benetzte Breite sowie Abflussgeschwindigkeiten bei unterschiedlichen Abflussmengen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 41). Es genügt i.d.R. nicht, nur die Periode mit den tiefsten Abflüssen – in alpinen Einzugsgebieten die Winterperiode – zu betrachten. Notwendig sind Angaben zu den ganzjährigen Abflussverhältnissen, ebenso Angaben zu allfälligen Versickerungsstrecken (vgl. N 17 f., 31 f.; vgl. BGE 126 II 283, 295 [Lungerersee], E. 4b, in: URP 2000, 679).

79. Die Anforderungen an die Abklärungen hängen von der Komplexität des Vorhabens ab. Die Abklärungen sind vom Gesuchsteller bzw. in dessen Auftrag von spezialisierten Fachpersonen durchzuführen und in einem Restwasserbericht zu dokumentieren (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 67 ff.). Der Ausgangszustand ohne Wasserentnahme (Ist-Zustand) und die Auswirkungen der geplanten Wasserentnahmen auf die einzelnen Umweltbereiche im Betriebszustand müssen sorgfältig ermittelt und beurteilt werden. Anschliessend muss der Gesuchsteller festhalten, welche Restwassermengen zur Erfüllung der Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG seines Erachtens erforderlich sind.

80. Für diese Abklärungen werden zahlreiche unterschiedliche Methoden angewendet (vgl. z.B. Schweizer/Meyer/Heuberger et al., Gewässerökologische Untersuchungen, 290 ff.), so beispielsweise:

  • Seit 1998 stellt das BAFU mit dem Modul-Stufen-Konzept, welches es mit der Eawag und kantonalen Fachstellen entwickelt hat, den Vollzugsbehörden und den Gesuchstellern standardisierte Anleitungen für die Untersuchung und Beurteilung der Gewässer in der Schweiz zur Verfügung (BAFU, Modul-Stufen-Konzept, 7 ff.). Gegenwärtig bestehen folgende «Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer» (http://www.bafu.admin.ch/publikationen): «Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend)», 2011; «Makrozoobenthos Stufe F», 2010; «Chemisch-physikalische Erhebungen, Nährstoffe», 2010; «Kieselalgen Stufe F», 2007; «Äusserer Aspekt», 2007; «Fische Stufe F», 2004; «Ökomorphologie Stufe F», 1998.Als Makrozoobenthos (Makroinvertebraten) bezeichnet man die Lebensgemeinschaft, die alle wirbellosen tierischen Bewohner des Ufers und des Grundes von Gewässern umfasst (z.B. Schnecken, Muscheln, Egel, Strudelwürmer, Krebse, Wasserkäfer, Larvenstadien verschiedener Insektengruppen [Eintags-, Köcher und Steinfliegen]).
  • Die Module «Chemisch-physikalische Erhebungen, Nährstoffe» sowie «Äusserer Aspekt» können zur Beurteilung der Wasserqualität (Abs. 2 Bst. a) herangezogen werden.
  • Im Hinblick auf die Sicherstellung der Speisung der Grundwasservorkommen (Abs. 2 Bst. b) soll längs der betroffenen Flüsse eine detaillierte hydrologische Untersuchung durchgeführt werden, um Wasserhaushalt und Grundwasserqualität zu bestimmen, die Beziehung zwischen Grundwasser und Oberflächenwasser abzuklären und bereits vorhandene künstliche Einflüsse z.B. durch bestehende Wasserkraftwerke zu erfassen (Schlussbericht Akeret, 238 f., Eckert, Restwassermengen, 63).
  • In der Schweiz übliche Verfahren zur Ermittlung der Restwassermengen, die zur Gewährleistung der für die freie Fischwanderung erforderlichen Wassertiefe (Bst. d) und zur Erhaltung seltener Lebensräume (Bst. c) notwendig sind: Dotierversuche (s. auch Baudepartement und Finanzdepartement SG, Erhöhung Restwassermenge, 16 f.), Verwendung eines hydraulischen 2d-Modells und Erhebungen bei Niederwasserabflüssen.
  • Eine weitere Methode besteht darin, mit Hilfe von Flugaufnahmen ein dreidimensionales Geländemodell des von der Wasserentnahmen betroffenen Gewässersystems zu erstellen und damit die Auswirkungen unterschiedlicher Restwassermengen z.B. auf die Fliessgeschwindigkeit, die Wassertiefe und die benetzte Fläche am Computer zu simulieren. Auf Modellrechnungen gestützten Aussagen darf nur vertraut werden, wenn der Fehler der Resultate angegeben wird, da zahlreiche Fehlerquellen vorhanden sind. Um zuverlässige Aussagen zu erhalten, müssen die Resultate von Modellrechnungen (z.B. zur Wassertiefe und zur benetzten Fläche bei bestimmten Abflüssen) mit Felddaten bei diesen Abflüssen kombiniert werden.

 

Résumé

Si les prélèvements sont autorisés en vertu de l’art. 30 let. a LEaux, des débits résiduels convenables doivent couler sous la prise d’eau dans les dits tronçons à débit résiduel. Par tronçon à débit résiduel, on entend chaque section de cours d’eau qui est sensiblement influencée par un ou plusieurs prélèvements. Dans ce cadre, les altérations substantielles des cours d’eau et l’état des eaux en vue de la fixation des débits résiduels convenables sont déterminants pour délimiter les tronçons à débit résiduel. La notion d’«influence sensible» n’est pas inscrite dans la loi. Par ailleurs, le service spécialisé de la Confédération a jugé qu’une réglementation unique concernant la notion d’influence sensible était difficilement réalisable et non souhaitable. Selon le message du Conseil fédéral, il n’y a pas d’influence sensible tant que cette influence reste dans la fluctuation moyenne du débit naturel Q347. Plus la fluctuation annuelle moyenne du débit naturel Q347 est haute, plus grande sera la quantité d’eau pouvant être prélevée, sans que le cours d’eau ne soit sensiblement influencé. Une autre possibilité pour évaluer l’influence du prélèvement est la méthode du service spécialisé de la Confédération pour l’évaluation de la qualité d’écoulement des cours d’eau tiré du système modulaire gradué (voir commentaire ad Art. 4 LEaux N 40 ss). L’évaluation du régime d’écoulement se fait sur la base de neuf indicateurs et débouche sur une évaluation d’ensemble du caractère naturel du régime d’écoulement.

Pour la fixation des débits résiduels selon l’art. 31 al. 2 LEaux et l’art. 33 LEaux, plusieurs «états» peuvent être déterminants. Ainsi, en ce qui concerne la qualité de l’eau et l’alimentation des nappes souterraines, l’état initial est déterminant pour fixer le débit résiduel minimal et les autres mesures (art. 31 let. a et b LEaux). Pour les aspects de protection de la nature et des poissons, il faut prendre en considération l’état proche de l’état naturel, l’état initial et l’état futur. Quant aux renouvellements de concessions, il faudra en principe appliquer l’état naturel comme si les concessions antérieures n’avaient pas été accordées. Lorsque l’eau est infiltrée partiellement ou totalement en aval du prélèvement, le calcul des débits résiduels et la fixation des débits de dotation sont très difficiles.

Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, on peut renoncer à l’application de l’art. 31 al. 1 LEaux aux tronçons soumis à infiltrations qui présentent un débit Q347 égal à zéro (tronçons sans débit permanent), contrairement à ce que prescrit l’art. 33 al. 1 OEaux. L’art. 33 LEaux s’applique toutefois.

L’art. 31 LEaux fixe les débits résiduels minimaux que doivent atteindre les cours d’eau après prélèvement. Le débit résiduel se compose d’une part calculable (al. 1) et le cas échéant d’une augmentation (al. 2). Dans un premier temps, le débit résiduel est déterminé selon l’al. 1 de la présente disposition. A cet égard, les autorités chargées de l’exécution ne disposent d’aucun pouvoir d’appréciation. Le point de départ pour les débits résiduels de l’al. 1 est la formule de Matthey basée sur des observations constatant que les cours d’eau de faible importance ont proportionnellement besoin de plus de débit résiduel que les cours d’eau importants. Cependant, les débits minimaux se basent sur le débit Q347 et non le débit Q300. Par ailleurs, le législateur a adopté la formule Matthey, en partie en la forme modifiée, seulement pour les cours d’eau de moyenne importance (Q347 entre 60 et 60’000 l/s).

Lorsqu’une des exigences de l’al. 2 let. a à e LEaux ne peut pas être remplie par les débits résiduels selon l’al. 1 ou d’autres mesures, les débits résiduels doivent dans un deuxième temps être augmentés jusqu’à ce que toutes les exigences soient remplies. Sur la question de savoir si les exigences sont remplies selon l’al. 2, l’autorité d’exécution n’a aucun pouvoir discrétionnaire. Elle peut toutefois choisir la manière de réaliser les exigences. Dans la pratique, l’art. 31 al. 2 let. a à e LEaux laisse aux autorités d’exécution une marge d’appréciation considérable. En vertu de l’art. 31 al. 2 let. a LEaux, la qualité des eaux superficielles doit être conforme aux prescriptions en dépit du prélèvement et des déversements d’eaux à évacuer. Les exigences concernant la qualité des eaux se trouvent d’une part au chiffre 1 de l’annexe 1 OEaux et d’autre part aux chiffres 11, 12 et 13 de l’annexe 2 OEaux.

Les exigences selon l’art. 31 al. 2 let. b LEaux concernant l’alimentation des nappes souterraines sont formulées sous forme d’objectifs. Cette lettre laisse aux autorités d’exécution une marge de manoeuvre importante: les prélèvements nécessaires à l’approvisionnement en eau potable doivent premièrement pouvoir se faire normalement et la teneur en eau des sols agricoles ne doit deuxièmement pas être sensiblement affectée.

L’art. 31 al. 2 let. c LEaux vise selon le message du Conseil fédéral la préservation des zones de protection inventoriées. Toutefois, la loi ne limite pas la protection aux seuls biotopes inventoriés. Pour les habitats et les biocénoses, qui ne sont pas inventoriés et qui sont seulement protégés par l’art. 18 LPN, le critère de rareté doit être analysé au cas par cas et les biotopes rares doivent également être préservés par la fixation de débits résiduels convenables et/ou la prise des autres mesures. Lorsque la conservation est impossible pour des raisons impératives, comme par exemple la nécessité de débits de dotation excessivement élevés, les biotopes et les biocénoses seront remplacés, dans la mesure du possible, par d’autres de même valeur. Quand bien même il n’existe pas de possibilité de remplacement, l’art. 18 al. 1ter LPN s’applique, en vertu duquel l’auteur de l’atteinte doit veiller à prendre des mesures particulières pour en assurer la meilleure protection possible, la reconstitution ou, à défaut, le remplacement adéquat.

Du fait que de nombreuses espèces de poissons mourraient s’ils n’avaient pas la possibilité de migrer, l’art. 31 al. 2 let. d LEaux prescrit une profondeur suffisante afin de garantir une libre migration des poissons. Selon le message du Conseil fédéral, en règle générale, cette profondeur doit être dans le chenal de 20 cm au moins durant toute l’année. Les profondeurs suffisantes exigées peuvent aussi être assurées par d’autres mesures appropriées dans l’aménagement du lit du cours d’eau, comme par exemple, des excavations. La profondeur ne doit être assurée que lorsque l’état naturel rend possible la migration avant le prélèvement. La libre migration des poissons par les ouvrages de captage n’est pas garantie par l’octroi d’une autorisation de prélèvement selon l’art. 29 LEaux mais par l’autorisation pour les interventions techniques de l’art. 8 LFSP, respectivement l’art. 9 al. 1 let. b LFSP. Pour les petits cours d’eau dont le débit Q347 est inférieur ou égal à 40 l/s, les débits résiduels doivent être maintenus comme tels lorsqu’ils se trouvent à une altitude de moins de 800 m et qu’ils servent de frayère aux poissons ou d’habitat à leur progéniture (art. 31 al. 2 let. e LEaux). Une augmentation des débits résiduels minimaux peut ne pas avoir lieu, lorsque les exigences de l’art. 31 al. 2 LEaux sont remplies par des mesures constructives, des mesures relatives à l’exploitation et/ou des autres mesures. L’importance de l’augmentation dépend des exigences des plus grands besoins en débits résiduels. Les procédures pour déterminer les débits résiduels usuels en Suisse sont les essais de dotation, l’application d’un modèle hydraulique 2D ainsi que les enquêtes au débit d’étiage.

 

 

Literatur: Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Mürle Uta/Ortlepp Johannes/Molinari Peter, Die Dynamisierung des Restwassers im Spöl – eine Win-Win-Situation für Natur und Kraftwerkbetreiber, in: Wasser Energie Luft 2005, 20 ff. (zit. Win-Win-Situation); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Schweizer Steffen/Meyer Matthias/Heuberger Nick et. al., Zahlreiche gewässerökologische Untersuchungen im Oberhasli, in: Wasser Energie Luft 2010, 298 ff. (zit. Gewässerökologische Untersuchungen); Uhlmann Brögli Viviane/Wehrli Bernhard, Sichere Restwassermengen gegen uneingeschränkte Wasserkraftnutzung – ein Vollzugsdilemma?, in: URP 2008, 469 ff. (zit. Vollzugsdilemma).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Schlussbericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Restwasser, Vorsitz Nationalrat Dr. E. Akeret, August 1982 (zit. Schlussbericht Akeret); Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, Bern 1984 (zit. Bericht Revision GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), (verfasst durch Bundi Ueli/Eichenberger Elie), Wasserentnahme aus Fliessgewässern: Gewässerökologische Anforderungen an die Restwasserführung, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 110, Bern 1989 (zit. Gewässerökologische Anforderungen); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Werth Silke/Alp Maria/Karpati Theresa et. al.), Biodiversität in Fliessgewässern, Merkblatt 2, in: Merkblatt-Sammlung Wasserbau und Ökologie – Erkenntnisse aus dem Projekt Integrales Flussgebietsmanagement, Bern 2000 (zit. Merkblatt 2); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Baudepartement und Finanzdepartement SG (Hrsg.), Beurteilungshilfe für die Erhöhung der Restwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG aufgrund fischereirechtlicher Aspekte nach Art. 31 Abs. 2 GSchG, St. Gallen 2000 (zit. Erhöhung Restwassermenge); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Müller-Wenk R./Huber F./Kuhn N. et al.), Landnutzung in potentiellen Fliessgewässer-Auen – Artengefährdung und Ökobilanzen, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 361, Bern 2003; Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Vogel Urs/Kirchhofer Arthur/Breitenstein Martina), Restwassermengen – Was nützen sie dem Fliessgewässer? – Débits résiduels – quel bénéfice pour les cours d’eau?, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 358, Bern 2004 (zit. Restwassermengen); Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Ott Walter/Bade Stephanie/Hürlimann Joachim/Leimbacher Jörg), Bewertung von Schutz‑, Wiederherstellungs‑ und Ersatzmassnahmen bei Wasserkraftanlagen, Bern 2008 (zit. Bewertung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Cordillot Francis/Klaus Gregor), Gefährdete Arten in der Schweiz,Synthese Rote Listen, Stand 2010, Bern 2011 (zit. Gefährdete Arten); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Pfaundler Martin/Dübendorfer Christina/Zysset Andreas), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer – Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend), Umwelt-Vollzug Nr. 1107, Bern 2011 (zit. Abflussregime Stufe F); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hefti Daniel), Wiederherstellung der Fischauf- und ‑abwanderung bei Wasserkraftwerken – Checkliste Best practice, Umwelt-Wissen Nr. 1210, Bern 2012 (zit. Fischwanderung).

 

Literatur: Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Mürle Uta/Ortlepp Johannes/Molinari Peter, Die Dynamisierung des Restwassers im Spöl – eine Win-Win-Situation für Natur und Kraftwerkbetreiber, in: Wasser Energie Luft 2005, 20 ff. (zit. Win-Win-Situation); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Schweizer Steffen/Meyer Matthias/Heuberger Nick et. al., Zahlreiche gewässerökologische Untersuchungen im Oberhasli, in: Wasser Energie Luft 2010, 298 ff. (zit. Gewässerökologische Untersuchungen); Uhlmann Brögli Viviane/Wehrli Bernhard, Sichere Restwassermengen gegen uneingeschränkte Wasserkraftnutzung – ein Vollzugsdilemma?, in: URP 2008, 469 ff. (zit. Vollzugsdilemma).

Materialien und amtliche Publikationen: Schlussbericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Restwasser, Vorsitz Nationalrat Dr. E. Akeret, August 1982 (zit. Schlussbericht Akeret); Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, Bern 1984 (zit. Bericht Revision GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), (verfasst durch Bundi Ueli/Eichenberger Elie), Wasserentnahme aus Fliessgewässern: Gewässerökologische Anforderungen an die Restwasserführung, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 110, Bern 1989 (zit. Gewässerökologische Anforderungen); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Werth Silke/Alp Maria/Karpati Theresa et. al.), Biodiversität in Fliessgewässern, Merkblatt 2, in: Merkblatt-Sammlung Wasserbau und Ökologie – Erkenntnisse aus dem Projekt Integrales Flussgebietsmanagement, Bern 2000 (zit. Merkblatt 2); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Baudepartement und Finanzdepartement SG (Hrsg.), Beurteilungshilfe für die Erhöhung der Restwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 GSchG aufgrund fischereirechtlicher Aspekte nach Art. 31 Abs. 2 GSchG, St. Gallen 2000 (zit. Erhöhung Restwassermenge); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Müller-Wenk R./Huber F./Kuhn N. et al.), Landnutzung in potentiellen Fliessgewässer-Auen – Artengefährdung und Ökobilanzen, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 361, Bern 2003; Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Vogel Urs/Kirchhofer Arthur/Breitenstein Martina), Restwassermengen – Was nützen sie dem Fliessgewässer? – Débits résiduels – quel bénéfice pour les cours d’eau?, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 358, Bern 2004 (zit. Restwassermengen); Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Ott Walter/Bade Stephanie/Hürlimann Joachim/Leimbacher Jörg), Bewertung von Schutz‑, Wiederherstellungs‑ und Ersatzmassnahmen bei Wasserkraftanlagen, Bern 2008 (zit. Bewertung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Cordillot Francis/Klaus Gregor), Gefährdete Arten in der Schweiz,Synthese Rote Listen, Stand 2010, Bern 2011 (zit. Gefährdete Arten); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Pfaundler Martin/Dübendorfer Christina/Zysset Andreas), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer – Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend), Umwelt-Vollzug Nr. 1107, Bern 2011 (zit. Abflussregime Stufe F); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hefti Daniel), Wiederherstellung der Fischauf- und ‑abwanderung bei Wasserkraftwerken – Checkliste Best practice, Umwelt-Wissen Nr. 1210, Bern 2012 (zit. Fischwanderung).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Ausnahmen

Die Kantone können in folgenden Fällen die Mindestrestwassermengen tiefer ansetzen:

a.       wenn die Abflussmenge Q347 des Gewässers kleiner als 50 l/s ist: auf einer Strecke von 1000 m unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Gewässer, das höher als 1700 m ü. M. liegt, oder aus einem Nichtfischgewässer, das zwischen 1500 und 1700 m ü. M. liegt;

b.       bei Wasserentnahmen aus Nichtfischgewässern bis zu einer Restwasserführung von 35 Prozent der Abflussmenge Q347;

bbis.    auf einer Strecke von 1000 m unterhalb einer Wasserentnahme in Gewässerabschnitten mit geringem ökologischem Potenzial, soweit die natürlichen Funktionen des Gewässers nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

c.       im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung für ein begrenztes, topographisch zusammenhängendes Gebiet, sofern ein entsprechender Ausgleich durch geeignete Massnahmen, wie Verzicht auf andere Wasserentnahmen, im gleichen Gebiet stattfindet; die Schutz‑ und Nutzungsplanung bedarf der Genehmigung des Bundesrates;

d.      in Notsituationen für befristete Entnahmen, insbesondere zur Trinkwasserversorgung, für Löschzwecke oder zur landwirtschaftlichen Bewässerung.

Dérogations

Les cantons peuvent autoriser des débits résiduels inférieurs:

a.       sur un tronçon de 1000 m en aval du point de prélèvement, lorsque le débit Q347 est inférieur à 50 l/s, si le cours d’eau se situe à une altitude supérieure à 1700 m ou qu’il est non piscicole et se situe entre 1500 et 1700 m d’altitude;

b.       lorsque les prélèvements sont opérés dans des eaux non piscicoles et à condition que le débit restant représente au moins 35 % du débit Q347;

bbis     sur un tronçon de 1000 m en aval du point de prélèvement, pour autant que son potentiel écologique soit faible et que les fonctions naturelles du cours d’eau ne soient pas sensiblement affectées;

c.       lorsque les cours d’eau se trouvent dans une zone limitée, de faible étendue, et présentant une unité topographique, que des plans de protection et d’utilisation des eaux ont été établis et que la réduction du débit est compensée dans la même zone, par exemple en renonçant à d’autres prélèvements; les plans susmentionnés seront soumis à l’approbation du Conseil fédéral;

d.       en cas de nécessité, lorsqu’il s’agit de procéder à des prélèvements d’eau temporaires destinés notamment à assurer l’approvisionnement en eau potable, à lutter contre les incendies ou à assurer l’irrigation de terres agricoles.

Deroghe

I Cantoni possono autorizzare deflussi minimi inferiori:

a.       se la portata Q347 del corso d’acqua è inferiore a 50 l/s, su un tratto di 1000 m a valle del punto di prelievo di un corso d’acqua che si trovi a un’altitudine superiore a 1700 m o di un corso d’acqua non piscicolo che si trovi a un’altitudine compresa tra 1500 e 1700 m;

b.       nel caso di prelievi da acque non piscicole, fino ad un deflusso residuale corrispondente al 35 per cento della portata Q347;

bbis.    in tratti di corsi d’acqua con un esiguo potenziale ecologico, su un tratto di 1000 m a valle del punto di prelievo, purché le funzioni naturali del corso d’acqua non siano sensibilmente pregiudicate

c.       nell’ambito di una pianificazione per la protezione e l’utilizzazione del territorio di una regione limitata e topograficamente coerente, a condizione di una corrispettiva compensazione con provvedimenti adeguati, come la rinuncia ad un altro prelievo d’acqua nella stessa regione. La pianificazione surriferita dev’essere sottoposta al Consiglio federale per approvazione;

d.       in casi di emergenza, per prelievi limitati nel tempo e destinati in particolare all’approvvigionamento con acqua potabile, allo spegnimento di incendi o all’irrigazione agricola.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.    ​ ​Allgemeine Bemerkungen 9
A. Funktionen der Bestimmung 9
B. ​Konzept der Ausnahmeregelungen 13
C. ​Unterscheidung von Fischgewässern und Nichtfischgewässern 22
​III. ​Die einzelnen Ausnahmetatbestände 31
A. ​Kleine, hochgelegene Gewässer (Bst. a) 31
B. ​Nichtfischgewässer (Bst. b) 40
​C. ​Gewässerabschnitte mit geringem ökologischem Potenzial (Bst. bbis) 43
D. ​Schutz‑ und Nutzungsplanung (Bst. c) 48
1. ​Begriff, Verfahren und Funktion 48
​2. ​Räumlicher Zusammenhang 60
3. ​Ausgleichsmassnahmen 62
4. Geeignete Ausgleichsmassnahmen 68
5. ​Gleichwertigkeit von zusätzlicher Nutzung und Ausgleichsmassnahmen 71
6. Sicherstellung der Ausgleichsmassnahmen 74
7. ​​Praxis, Ausblick 80
​E. ​​Befristete Entnahmen in Notsituationen (Bst. d)

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 30 Abs. 1 Bst. a und b i.V.m. Abs. 3 E‑GSchG 1984 sah Ausnahmen von der Einhaltung der Mindestanforderungen vor (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 1 ff.). Eine Ausnahme betraf Wasserentnahmen oberhalb von 1ʹ700 m ü.M. aus Nichtfischgewässern mit einer Wasserführung Q347 von weniger als 50 l/s auf einer Strecke von 500 m unterhalb der Wasserentnahme. Bestimmungen betreffend Schutz‑ und Nutzungsplanung (heute Art. 32 Bst. c GSchG) und zu Notsituationen (heute Art. 32 Bst. d GSchG) fehlten.

2. Art. 32 GSchG 1991 (AS 1992 1860) entsprach inhaltlich (mit Ausnahme von Bst. a) im Wesentlichen dem Entwurf des Bundesrates (Art. 32 E‑GSchG 1987), war aber anders strukturiert.

3. Im Parlament wurde diese Bestimmung aussergewöhnlich kontrovers diskutiert. Der Ständerat versuchte aufgrund von Anträgen v.a. von Vertretern der Bergkantone mehrmals, den Katalog der Ausnahmetatbestände zahlenmässig und inhaltlich auszuweiten (dazu Eckert, Restwassermengen, 84 und Fn. 396–398).

4. So nahm er bei seiner ersten Beratung eine Neustrukturierung von Art. 32 E‑GSchG 1987 vor, indem er die vom Bundesrat vorgeschlagenen Ausnahmen in einem Abs. 1 zusammenfasste und dabei die Ausnahme für Wasserentnahmen aus einem kleinen Gewässer oberhalb von 1’700 m ü.M. von 500 m auf eine Strecke von 1’000 m ausdehnte (AB 1988 S 655 ff.). Gleichzeitig beschloss er zwei zusätzliche Ausnahmebestimmungen, nämlich (als Abs. 2) die Möglichkeit, aufgrund einer Interessenabwägung die Mindestmenge nach Art. 31 Abs. 1 E-GSchG 1987 tiefer anzusetzen, und (als Abs. 3) die Sicherung einer gewissen Produktion im Winterhalbjahr bei der Erneuerung von Konzessionen; in beiden Fällen mit Genehmigung des Bundesrates. Der Nationalrat stimmte dem neuen Abs. 1 zu, lehnte die zusätzlichen Ausnahmebestimmungen wegen Systemwidrigkeit sowie wegen zu grosser Privilegierung der Nutzung jedoch ab (AB 1989 N 1027 ff.).

5. Daraufhin verzichtete der Ständerat auf die Interessenabwägung bei der Mindestmenge, erweiterte Abs. 1 mit einem Zusatz zu Bst. b (Erweiterung des Perimeters für die Schutz‑ und Nutzungsplanung: «Ausgleich in geeignetem Gebiet in der Umgebung des Werkes») und hielt an der Ausnahme für eine gewisse Produktionsgarantie für Winterenergie grundsätzlich fest (AB 1989 S 723 ff.). Der Nationalrat lehnte auch diese Beschlüsse ab (AB 1990 N 591 ff.).

6. Dann präzisierte der Ständerat bei der Schutz‑ und Nutzungsplanung die Art des Ausgleichs (Verzicht auf andere Wasserentnahmen oder höhere Wasserabgaben in bestimmten Jahreszeiten) und schwächte die Produktionsgarantie für Winterenergie etwas ab (AB 1990 S 329 ff.). Auch damit hatte er beim Nationalrat keinen Erfolg (AB 1990 N 1672 ff.).

7. Als wesentlichste Änderung konnte der Ständerat schliesslich lediglich durchsetzen, dass bei höher als 1’700 m ü.M. liegenden kleinen Gewässern die Strecke, auf welcher die Mindestrestwassermenge tiefer angesetzt werden darf, von 500 auf 1’000 m ausgedehnt wurde (Art. 32 Bst. a GSchG 1991). Die Schutz‑ und Nutzungsplanung wurde flexibler ausgestaltet, indem «für ein kleinräumiges zusammenhängendes Gebiet» und «Ausgleich durch Verzicht auf andere Wasserentnahmen» (Art. 32 Abs. 2 E‑GSchG 1987) ersetzt wurde durch «für ein begrenztes, topographisch zusammenhängendes Gebiet» und «Ausgleich durch geeignete Massnahmen, wie Verzicht auf andere Wasserentnahmen» (Art. 32 Bst. c GSchG).

8. Der Katalog der Ausnahmetatbestände erfuhr anlässlich der Teilrevision des GSchG von 2009 zwei Änderungen, indem die Ausnahme gemäss Bst. a für Nichtfischgewässer ausgedehnt (s. N 32 f.) und mit Bst. bbis ein zusätzlicher Ausnahmetatbestand aufgenommen wurde (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 45 f.).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Funktionen der Bestimmung

9. Art. 32 GSchG ermächtigt die Kantone zur Herabsetzung der Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG in fünf Fällen. Dabei handelt es sich um Ausnahmeregelungen für den Einzelfall. Die Herabsetzung der Mindestrestwassermengen kann deshalb nicht durch eine generell-abstrakte Regelung in einem kantonalen Erlass vorgenommen werden. Auch weitere Abweichungen in Einzelfällen aufgrund einer Interessenabwägung sind nicht zulässig (Jagmetti, Energierecht, N 4237).

10. Die Formulierung, «die Kantone» bzw. eine kantonale Behörde (Komm. zu Art. 35 GSchG N 24 f.) könnten die Mindestrestwassermenge tiefer ansetzen, geht auf einen Vorschlag der ständerätlichen Kommission zurück (AB 1988 S 655). Dabei wurde übersehen, dass für die Festlegung von Mindestrestwassermengen in manchen Fällen eine Bundesbehörde zuständig ist. So entscheidet das UVEK über die Erteilung von Wasserrechtskonzessionen und damit auch über die Restwassermengen an Gewässern auf dem Gebiet mehrerer Kantone (sofern sich diese nicht einigen können, vgl. Art. 6 WRG) sowie an internationalen Gewässern (bei Grenzkraftwerken; vgl. Art. 7 WRG). Weiter sind Bundesbehörden, die ein anderes Bundesgesetz (z.B. das Nationalstrassen‑ oder das Eisenbahngesetz) oder einen Staatsvertrag vollziehen, bei der Erfüllung dieser Aufgabe auch für den Vollzug des GSchG zuständig (Art. 48 Abs. 1 GSchG). Denkbar sind auch Ausnahmen für Gesamtverteidigung und Notlagen gemäss Art. 5 GSchG. Sachlich besteht kein Grund, weshalb Art. 32 GSchG nicht gelten soll, wenn eine Bundesbehörde zuständig ist.

11. Beweggründe für Art. 32 GSchG waren in erster Linie die Bedürfnisse der Alpenkantone nach einer intensiveren und effizienteren Nutzung der Wasserkraft und daneben der Bedarf nach Wasser für die landwirtschaftliche Bewässerung und nach Trinkwasser in Notsituationen (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1134 f.). Vier der Ausnahmetatbestände (Bst. a, b, bbis und c) kommen nicht nur, aber in erster Linie der Wasserkraftnutzung bzw. den Betreibern von Wasserkraftwerken und den daran beteiligten Bergkantonen und ‑gemeinden entgegen. Im Vordergrund steht die Steigerung der Stromproduktion in den Wintermonaten. Mit Art. 32 GSchG wollte der Bundesrat dem Verfassungsauftrag entsprechend auch die Interessen der Energienutzung berücksichtigen (Votum Cotti [Bundesrat], AB 1990 N 1675). Die Mindestrestwassermengen können tiefer angesetzt werden bei Wasserentnahmen aus ökologisch weniger wertvollen Gewässern (Bst. a, b und bbis). Viele dieser Gewässer befinden sich in steilem Gelände. Bei ihrer Nutzung ist das Verhältnis zwischen Energieproduktion und Gewässerbeeinträchtigung wegen des hohen Gefälles verhältnismässig günstig. Eine Schutz‑ und Nutzungsplanung (Bst. d) erlaubt Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen (s. N 55), wenn keine andere Ausnahme in Frage kommt.

12. Es bestehen fünf Ausnahmetatbestände. Drei betreffen ökologisch weniger wertvolle Gewässer oder Gewässerabschnitte, nämlich kleine, hochgelegene Gewässer (Bst. a), Nichtfischgewässer (Bst. b) sowie Gewässerabschnitte mit geringem ökologischem Potential (Bst. bbis). Bei der Schutz‑ und Nutzungsplanung (Bst. c) muss die Mehrnutzung durch Mehrschutz kompensiert werden. Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen sind schliesslich auch in Notsituationen (Bst. d) zulässig.

B.            Konzept der Ausnahmeregelungen

13. Gestützt auf Art. 32 Bst. a–d GSchG können die Kantone die Mindestrestwassermengen tiefer ansetzen als es nach Art. 31 Abs. 1 und 2 GSchG erforderlich wäre (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 7 ff.). Art. 32 GSchG erlaubt «eine Unterschreitung des quantitativen und/oder des qualitativen Existenzminimums der Gewässer und damit eine Abweichung von der verfassungsmässig vorgeschriebenen Sicherung angemessener Restwassermengen» (Griffel, Grundprinzipien, N 391; Pestalozzi, Restwassermengen, 719 f.). Solche Ausnahmen bedürfen deshalb einer besonders sorgfältigen Abklärung und Begründung (Pestalozzi, Restwassermengen, 720), insbesondere bei Unterschreitung des quantitativen Existenzminimums (Eckert, Restwassermengen, 84 f.).

14. Die Formulierung des Ingresses von Art. 32 GSchG («die Mindestrestwassermengen tiefer ansetzen») setzt grundsätzlich die Ermittlung der Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG vor der Anwendung von Art. 32 GSchG voraus (Pestalozzi, Restwassermengen, 719). Zum Vorgehen bei Ausnahmen im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung (Bst. c) und in gewissen Notsituationen (Bst. d) vgl. 71 ff. und 84.

15. Die Ausnahmen gemäss Art. 32 Bst. a, b und bbis GSchG werden anhand unterschiedlicher Kriterien wie Abflussmenge Q347 des Gewässers, Fisch‑ oder Nichtfischgewässer, ökologisches Potenzial der Restwasserstrecke umschrieben. Auf unterschiedlichen Abschnitten eines einzelnen Gewässers können deshalb die Voraussetzungen für unterschiedliche Ausnahmen erfüllt sein. Die Praxis erachtet es als zulässig, für die Festlegung der Mindestrestwassermenge bei einer Wasserentnahme mehrere Ausnahmebestimmungen nacheinander anzuwenden, sofern jeweils die Voraussetzungen für eine der Ausnahmen erfüllt sind.

16. Die Ausnahmen sind auf mehrfache Weise begrenzt. So sieht Bst. a nur für Gewässer mit einer Abflussmenge Q347 kleiner als 50 l/s eine Ausnahme vor. Weiter bestehen örtliche Begrenzungen: Bei Bst. a gilt die Ausnahme für Gewässer oberhalb einer bestimmten Höhe. Bei Bst. a und bbis darf die Mindestrestwassermenge nur auf einer Strecke von maximal 1’000 m unterhalb der Wasserentnahme tiefer angesetzt werden. In zwei Fällen gilt die Ausnahme nur soweit, als die Strecke unterhalb der Wasserentnahme (Restwasserstrecke) eine bestimmte Qualität aufweist: Bei Bst. b muss es sich um ein Nichtfischgewässer, bei Bst. bbis um einen Gewässerabschnitt mit geringem ökologischem Potential handeln. Bei Bst. b ist zusätzlich eine mengenmässige untere Grenze («bis zu einer Restwasserführung von 35 Prozent der Abflussmenge Q347») festgelegt. Für die Ausnahme nach Bst. d muss eine Notsituation vorliegen und es besteht eine zeitliche Grenze («befristete» Entnahmen). Ein Sonderfall stellt die Schutz‑ und Nutzungsplanung dar (Bst. c). Dort ist die Unterschreitung der Mindestrestwassermenge begrenzt durch die Ausgleichsmassnahmen (s. N 71 f.).

17. Eine Ausnahmebestimmung nach Art. 32 Bst. a–bbis und d GSchG kann nur angewendet werden, wenn jeweils alle Voraussetzungen für die Ausnahme erfüllt sind. Ist auch nur eine von mehreren Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, müssen die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG eingehalten werden.

18. Art. 32 GSchG ist eine Kann-Vorschrift. Sie eröffnet der zuständigen Behörde einen nach unten erweiterten Ermessensspielraum (vgl. Eckert, Restwassermengen, 84 f., Pestalozzi, Restwassermengen, 719). Der Spielraum der Behörde umfasst den Bereich zwischen den Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG und den minimal zulässigen Mengen nach Art. 32 Bst. a, b, bbis und d GSchG. Bei Bst. c ist der Spielraum grösser, aber unbestimmter. Hinsichtlich der Frage, ob eine Ausnahme gemäss Art. 32 GSchG in Frage kommt, wird der zuständigen Behörde ein Entschliessungsermessen
(Brunner/Looser, Schutzintensität, Tabellarische Übersicht II, 20) und hinsichtlich der Ausgestaltung der Ausnahme (z.B. Ausmass der Reduktion der Mindestrestwassermenge) ein Auswahlermessen eingeräumt (dazu Häfelin/ Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 431 ff.; Tschannen/ Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 6 ff.).

19. Sofern die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach Art. 32 GSchG von den Mindestrestwassermengen erfüllt sind, ist der Handlungsspielraum der rechtsanwendenden Behörden nur wenig eingeschränkt (vgl. aber N 56 ff.), es handelt sich deshalb um eine echte Kann-Vorschrift (vgl. Schindler, Verwaltungsermessen, 172 f.), die den Behörden einen umfassenden Spielraum gewährt. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, die Kantone seien nicht verpflichtet, die Mindestrestwassermenge tiefer anzusetzen
(Eckert, Restwassermengen, 84; Pestalozzi, Restwassermengen, 719). So absolut formuliert trifft das nicht zu, sind sie doch verpflichtet, ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben. Jedoch ist eine strenge Praxis bezüglich der Gewährung von Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen gerechtfertigt (Begründung dafür vgl. VGer BE, Urteil vom 31. Oktober 1996 [Wagisbach], E. 3c, in: BVR 1997 281 und in: URP 1997, 530). Es besteht deshalb kein Anspruch auf eine Ausnahme. Bei der Ausübung ihres Ermessens sind die Kantone an die Verfassung gebunden und müssen insbesondere das Rechtgleichheitsgebot, das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung des öffentlichen Interesses beachten, zudem muss der Entscheid nicht nur rechtmässig, sondern auch angemessen (zweckmässig) sein (Häfelin/ Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 441 f.). Beim Entscheid ist besonderes Augenmerk auf Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung und die dort angelegten öffentlichen Interessen zu richten
(Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 11). Bei der Anwendung von Art. 32 GSchG ist somit in erster Linie zu berücksichtigen, dass das GSchG den Schutz der Gewässer bezweckt (Art. 1 GSchG) und insbesondere der Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimische Tier‑ und Pflanzenwelt, der Erhaltung von Fischgewässern, von Gewässern als Landschaftselemente und der Sicherung der natürlichen Funktion des Wasserkreislaufs dient. Beim Vollzug der Restwasservorschriften ist jedoch auch anderen Interessen Rechnung zu tragen (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 26).

20. Um zu entscheiden, ob und in welchem Ausmass die Mindestrestwassermenge tiefer angesetzt werden soll, ist eine Interessenabwägung im Einzelfall (s. N 9) vorzunehmen; dabei sind alle relevanten Interessen zu berücksichtigen und der Entscheid ist zu begründen (Brunner/Looser, Schutzintensität, Tabellarische Übersicht II, 20; zur Interessenabwägung und Begründungspflicht allgemein vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 9 ff.). Relevant sind im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Mindestrestwassermengen in erster Linie die Interessen im Sinn von Art. 31 Abs. 2 Bst. a–e GSchG. Eine nur geringfügige Herabsetzung oder ein Verzicht auf eine Herabsetzung ist dann angebracht, wenn damit besonders nachteilige ökologische Auswirkungen vermieden werden können (vgl. Eckert, Restwassermengen, 84). Der Herabsetzung der Mindestrestwassermengen sind überdies weitere Grenzen gesetzt (vgl. N 56 ff.). So ist beispielsweise die Trockenlegung von Fischgewässern nicht zulässig.

21. Angesichts des grossen Spielraums der Behörden wäre zu erwarten, dass der Vollzug in den Kantonen unterschiedlich ausfällt. Wieweit dies der Fall ist, lässt sich nicht beurteilen, entsprechende Untersuchungen fehlen. Es bestehen jedoch Hinweise, dass in der Vollzugspraxis soweit möglich Ausnahmen gewährt werden (s. Vor Art. 29–36 GSchG N 82, 86) Leider fehlen Untersuchungen zu den Auswirkungen von Art. 32 GSchG auf die ökologischen Funktionen der von einer Ausnahme betroffenen Gewässer.

 

C.           Unterscheidung von Fischgewässern und Nichtfischgewässern

22. Diese Unterscheidung spielt bereits für die Anwendung von Art. 31 Abs. 2 Bst. d und e GSchG eine Rolle (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 59 ff., 67 f.). Sie ist von besonderer Bedeutung für Ausnahmen gemäss Art. 32 GSchG. So können z.B. die Ausnahmebestimmungen für Nichtfischgewässer (Bst. a a.E. und Bst. b) nur beansprucht bzw. angewendet werden, wenn feststeht, dass ein Fliessgewässer kein Fischgewässer ist (vgl. VGer BE, Urteil vom 31. Oktober 1996, E. 4c/bb, in: BVR 1997 281 und in: URP 1997, 530).

23. Weder das GSchG noch das BGF umschreiben die Begriffe «Fischgewässer» oder «Nichtfischgewässer» (dazu Eckert, Restwassermengen, 68 ff.). Gemäss der Botschaft GSchG 1987 gelten als Nichtfischgewässer (im Sinn von Art. 32 Abs. 1 Bst. c E-GSchG 1987 bzw. Art. 32 Bst. b GSchG) diejenigen Fliessgewässer (mit ständiger Wasserführung), die sich für das Gedeihen von Fischen nicht eignen und sich auch bei natürlichen Verhältnissen nicht dazu eignen würden (Botschaft GSchG 1987, 1135). E contrario gelten demnach als Fischgewässer diejenigen Fliessgewässer (mit ständiger Wasserführung), die sich für das Gedeihen von Fischen eignen oder sich bei natürlichen Verhältnissen dazu eignen würden. Diese Umschreibung entspricht der Umschreibung von Fischgewässern gemäss Art. 4 E-GSchG 1984.

24. Die Umschreibung in der Botschaft geht u.a. zurück auf eine im Auftrag des BUWAL durchgeführte Studie zur Abgrenzung zwischen Fisch‑ und Nichtfischgewässern (BUS, Fisch‑ und Nichtfischgewässer, 44 f.). Demnach gilt ein Gewässer als Fischgewässer, wenn Fische darin gedeihen, d.h. abwachsen können (auch temporär) und/oder sich darin natürlich fortpflanzen können oder einen Bach als Migrationsgewässer benutzen (z.B. als Verbindungsstrecke zwischen Laich‑ und Fressplatz). In der Studie wird vorgeschlagen, Fliessgewässer, die eine indirekte Auswirkung auf Fischgewässer oder deren Wasserhaushalt zur Folge haben, den Fischgewässern gleichzustellen
(s. N 29 f.).

25. Als Fischgewässer gelten somit auch (hochgelegene) Gewässer mit eingesetzten Fischen (sog. Fischbesatzgewässer), die sich zwar für das Gedeihen der Fische eignen, aber wegen natürlicher Hindernisse wie Steilheit und Abstürze natürlicherweise nicht besiedelt würden, sofern sich das Gewässer mindestens während eines Jahreszyklus für das Gedeihen des natürlichen oder durch Besatz entstandenen Fischbestands eignet (vgl. Baudepartement und Finanzdepartement SG, Klassierung Nichtfischgewässer, 2, 5). Nicht als Fischgewässer gelten jedoch Fliessgewässer mit indirekten Auswirkungen auf Fischgewässer oder deren Wasserhaushalt (dazu Eckert, Restwassermengen 70 f; s. aber N 29 f.).

26. Als Nichtfischgewässer gelten alle Gewässer (mit ständiger Wasserführung), welche nicht als Fischgewässer qualifiziert werden. Das BUWAL definiert Nichtfischgewässer folgendermassen: «Nichtfischgewässer im Sinne des GSchG sind Gewässer, welche sich weder für das Wachstum (auch temporär) sowie die Fortpflanzung der Fische noch als Migrationswege eignen und sich auch im natürlichen Zustand nicht dafür eignen würden.» (s. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 135).

27. In der kantonalen Praxis wird vielfach der Entscheidungsbaum Fisch‑/Nichtfischgewässer in der Beurteilungshilfe zu Klassierung von Fliessgewässern als Nichtfischgewässer verwendet (Baudepartement und Finanzdepartement SG, Klassierung Nichtfischgewässer, 6 ff., insb. 10). Damit lässt sich aufgrund einer Beurteilung des Ausgangszustandes anhand mehrerer Kriterien u.a. ermitteln, ob sich ein Gewässer, das keinen naturnahen Zustand aufweist und in welchem zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Fische vorhanden sind, in einem naturnahen Zustand für das Gedeihen von Fischen eignen würde (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 15).

28. Gemäss Gerichtspraxis sind Fliessgewässer, in denen sich mindestens zeitweise Fische, auch eingesetzte, aufhalten und in denen sie gedeihen können, Fischgewässer im Sinne des GSchG (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 7.2 m.H.).

29. Zur Frage, ob auch Fliessgewässer mit indirekten Auswirkungen auf Fischgewässer, z.B. als Wasser‑ oder als Nährtierlieferant, als Fischgewässer zu qualifizieren sind, hat sich das Bundesgericht nicht ausdrücklich geäussert, es räumt jedoch gestützt auf das BGF 1973 und die Botschaft dazu (BBl 1973 677, 680) dem Schutz von Gewässern, die als Nährstofflieferanten in Frage kommen, erhebliche Bedeutung ein (BGE 112 Ib 424, 438, E. 6e117 Ib 178, E. 4b; vgl. auch Kantonsgericht VS, Urteil vom 10. September 1998, E. 6b, in: RVJ 1999 42 und in: URP 1999, 429).

30. Gestützt auf die Rechtssprechung des Bundesgerichts kann es sich in besonderen Fällen aufdrängen, Fliessgewässer, die als Lieferant von Fischnährtieren oder von Wasser eine wesentliche indirekte Auswirkung auf ein Fischgewässer oder dessen Wasserhaushalt haben, einem Fischgewässer gleichzustellen. Zu denken ist etwa an den Fall, dass ein mengenmässig sehr bedeutender seitlicher Zufluss (in welchem zu keiner Jahreszeit Fische leben) eines Talhauptflusses (Fischgewässer) gefasst werden soll. In diesem Fall sollte auch der seitliche Zufluss als Fischgewässer betrachtet werden, sodass Art. 32 Bst. b GSchG nicht angewendet werden darf. Theoretisch könnte dasselbe Resultat erreicht werden, wenn das Gewässer als Nichtfischgewässer qualifiziert, eine Ausnahmebestimmung anwendet und gestützt auf Art. 33 Abs. 3 Bst. b GSchG die Mindestrestwassermenge wieder soweit erhöht würde, wie es für den Talfluss notwendig ist. Da in diesem Fall die Erhöhung jedoch aufgrund einer Interessenabwägung erfolgen müsste, besteht die Gefahr, dass sie unterbliebe.

 

III.        Die einzelnen Ausnahmetatbestände

A.           Kleine, hochgelegene Gewässer (Bst. a)

31. Die Mindestrestwassermenge kann tiefer angesetzt werden, wenn die Abflussmenge Q347 des Gewässers kleiner als 50 l/s ist: Auf einer Strecke von 1’000 m unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Gewässer, das höher als 1’700 m ü.M. liegt, oder aus einem Nichtfischgewässer, das zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. liegt. Art. 32 Bst. a GSchG enthält keine untere Mengengrenze, d.h. die Restwassermenge kann unter Umständen (vgl. N 20) bis auf Null herabgesetzt werden (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 50).

32. Der geltende Art. 32 Bst. a GSchG, revidiert 2009, enthält eine unterschiedliche Ausnahmeregelung für Fisch‑ und Nichtfischgewässer. In Art. 32 Bst. a GSchG 1991 fehlte diese Unterscheidung: «Die Mindestrestwassermenge kann tiefer angesetzt werden auf einer Strecke von 1’000 m unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Gewässer oberhalb von 1’700 m mit einer Abflussmenge Q347 von weniger als 50 l/s.» Im Interesse der Wasserkraftnutzung sollte diese Grenze für alle Gewässer (Fisch‑ und Nichtfischgewässer) auf 1’500 m ü.M. herabgesetzt werden (Art. 32 Bst. a E-GSchG 2008; Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8051). Die Unterscheidung zwischen Fisch‑ und Nichtfischgewässern wurde mit dem Antrag Landolt eingeführt (AB 2009 N 648). Dieser zielte auf einen erhöhten Schutz von Fischgewässern ab. Er sah vor, dass tiefere Mindestrestwassermengen angesetzt werden können «auf einer Strecke von 1000 m unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Nichtfischgewässer, das höher als 1500 m liegt und dessen Abflussmenge Q347 kleiner als 50 l/s ist.» Damit wären tiefere Mindestrestwassermengen auch bei Gewässern oberhalb 1’700 m ü.M. nur noch bei Nichtfischgewässern in Betracht gekommen. Dies hätte zu einer Verschärfung von Art. 32 Bst. a GSchG 1991, d.h. zu einer unerwünschten Verminderung der Stromproduktion, geführt. Die Kommission des Ständerates beantragte deshalb den heute geltenden Art. 32 Bst. a GSchG (AB 2009 S 875). Bei Gewässerabschnitten zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. können nur bei Nichtfischgewässern die Mindestrestwassermengen tiefer angesetzt werden, bei Gewässerabschnitten höher als 1’700 m ü.M. ist dies weiterhin bei Fischgewässern und Nichtfischgewässern zulässig (sofern auch die übrigen Voraussetzungen für eine Ausnahme erfüllt sind). Damit dürfen gemäss dem Votum von Kommissionssprecher Lombardi (AB 2009 S 1113) «auch Gewässer, die zwischen 1’500 und 1’700 m über Meer liegen, von den Kantonen ausnahmsweise für die Nutzung freigegeben werden […], wenn es sich nicht um Fischgewässer handelt. Solche Ausnahmen dürfen die Kantone für alle Gewässer vorsehen, die höher als 1’700 m über Meer liegen. Zur Präzisierung ist festzustellen: Was zählt, ist die Höhe der Gewässer, nicht der Wasserfassungen; dies zuhanden der Materialien für die spätere Interpretation.»

33. Mit dem heute geltenden Art. 32 Bst. a GSchG sollte erreicht werden, dass bei Fischgewässern zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. die Mindestrestwassermengen nicht tiefer angesetzt werden dürfen. Daraus ergibt sich, dass sich bei Fischgewässern die gesamte Gewässerstrecke, für die eine Ausnahme von der Mindestrestwassermenge nach Art. 30 Bst. a GSchG beansprucht wird, oberhalb von 1’700 m ü.M. befinden muss. Bei Nichtfischgewässern muss entsprechend die gesamte Gewässerstrecke, für die eine Ausnahme beansprucht wird, oberhalb von 1’500 m ü.M. liegen.

34. Die Mindestrestwassermenge kann auf einer Strecke von 1’000 m unterhalb einer Wasserentnahme tiefer angesetzt werden. Massgebend ist nicht die Luftlinie, sondern die Strecke entlang des Gewässers (Protokoll der Sitzung vom 25. April 1988 der Kommission des Ständerates). Dabei muss sich die gesamte Strecke, für welche eine Ausnahme beansprucht wird, oberhalb von 1’500 bzw. 1’700 m ü.M. befinden. Dies ergibt sich einerseits aus den Überlegungen zur unterschiedlichen Regelung für Fisch‑ und Nichtfischgewässer (N 32 f.) und andererseits aus dem Wortlaut der Bestimmung. Unter Hinweis auf zwei parlamentarische Voten wurde die Auffassung vertreten – entgegen dem Wortlaut von Art. 32 Bst. a GSchG 1991 (der diesbezüglich mit Art. 32 Bst. a GSchG 2008 übereinstimmt) – dass nach dem Willen der Räte nur die Wasserfassung oberhalb von 1’700 m ü.M. liegen müsse und nicht die gesamte Gewässerstrecke. Die Mindestrestwassermenge auf der gesamten Gewässerstrecke könne tiefer angesetzt werden (s. Eckert, Restwassermengen, 85, insb. Fn. 403). In den erwähnten Voten wird jedoch lediglich festgehalten, dass Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen nur möglich wären, wenn die Fassung auf 1’700 m ü.M. und darüber liege. Dies trifft selbstverständlich zu. Den Voten lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob darüber hinaus auch die Gewässerstrecke, für welche die Ausnahme beansprucht wird, oberhalb 1’700 m ü.M liegen müsse. Bei der parlamentarischen Beratung von Art. 32 Bst. a E-GSchG 2008 zeigte sich, dass mehrheitlich davon ausgegangen wurde, die Gewässerstrecke, für welche die Ausnahme beansprucht wird, müsse oberhalb der Grenze von 1’700 m liegen (z.B. Votum Diener [AB 2008 S 786]: «In den Höhenlagen zwischen 1’500 und 1’700 m gibt es eben doch auch einige wertvolle Gewässer.»; Votum Teuscher [AB 2009 N 649]: «… für die Kommissionsminderheit [ist es] nicht zulässig, dass neu nun auch Gewässer zwischen 1’500 und 1’700 m trockengelegt werden können.»). Wäre der Standort der Fassung massgebend, hätten in Gewässerabschnitten zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. bereits gestützt auf Art. 32 Bst. a GSchG 1991 die Mindestrestwassermengen tiefer angesetzt bzw. diese Gewässerabschnitte trockengelegt werden können.

35. Die Mindestrestwassermengen können dann tiefer angesetzt werden, «wenn die Abflussmenge Q347 des Gewässers kleiner als 50 l/s ist». Aus Art. 32 Bst. a GSchG geht nicht hervor, ob die Abflussmenge Q347 nur am Ort der Wasserentnahme oder auf der gesamten Strecke von maximal 1’000 m, für welche eine Ausnahme beansprucht werden darf, kleiner als 50 l/s sein muss. Dazu besteht noch keine Rechtsprechung. Diese Frage war auch nicht Thema der parlamentarischen Beratungen.

36. Folgende Gründe sprechen eher dafür, dass Art. 32 Bst. a GSchG nur auf Gewässerabschnitte angewendet werden darf, in welchen die Abflussmenge Q347 weniger als 50 l/s beträgt:

·       Art. 32 Abs. 1 Bst. b E-GSchG 1987, der (bis auf die Länge der Strecke, für welche die Ausnahme beansprucht werden kann) Art. 32 Bst. a GSchG 1991 entspricht, sah vor, dass die Mindestrestwassermengen tiefer angesetzt werden können «auf einer Strecke von 500 m unterhalb einer Wasserentnahme aus einem Gewässer oberhalb von 1’700 m ü.M mit einer Abflussmenge Q347 von weniger als 50 l/s». Dazu führte der Bundesrat aus, diese Ausnahme entspreche «einem Anliegen der Alpenkantone. Ihre Wirkung dürfte in der Regel auf Gebirgsbäche beschränkt bleiben, bei denen die erforderliche Restwasserführung im beeinflussten Gewässer infolge vieler seitlicher Zuflüsse unterhalb der Wasserentnahme nach relativ geringer Distanz wiederum gewährleistet» sei (Botschaft GSchG 1987, 1135). Als Gebirgsbäche bezeichnete Bäche liegen i.d.R. deutlich höher als 1’700 m ü.M.

·       In den Erläuterungen zur Revision 2009 von Art. 32 Bst. a GSchG 1991, welche die bestehende Ausnahme auf 1’500 m ausdehnen wollte (N 32), wurde ausgeführt (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8058): «Damit nur Gewässerabschnitte mit geringem ökologischem Potenzial unter diese Ausnahme fallen, bleiben die Ausnahmen wie bisher auf kleine Gewässer bis maximal 50 l/s Niederwasserabflussmenge (Q347) beschränkt. Kleine Gewässer in dieser Höhenlage beherbergen weniger Arten, insbesondere Fischfauna, als grössere Gewässer und haben damit auch ein geringeres ökologische Potenzial». Ausnahmen von der Mindestrestwassermenge sollten somit weiterhin auf Gewässerabschnitte mit Abflussmengen Q347 von weniger als 50 l/s beschränkt sein.

·       Das BAFU (früher BUWAL) geht davon aus, dass die Abflussmenge Q347 auf der gesamten Strecke, für welche eine Ausnahme beansprucht wird, eingehalten werden muss. Nimmt die Abflussmenge eines Gewässers, für welches eine Ausnahme zulässig ist z.B. durch seitliche Zuflüsse zu, sodass sie gewässerabwärts 50 l/s oder mehr beträgt, ist ab dort die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG einzuhalten (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 48 f., insb. Beispiel in Abb. 4.11, das sich auf Art. 32 Bst. a GSchG 1991 bezieht).

37. Zusammenfassend lässt sich festhalten (s. aber N 35):

·       Bei Fischgewässern kann die Mindestrestwassermenge tiefer angesetzt werden, wenn die gesamte Gewässerstrecke, für welche die Ausnahme beansprucht wird (maximal 1’000 m), oberhalb von 1’700 m ü.M liegt und eine Abflussmenge Q347 von weniger als 50 l/s aufweist.

·       Bei Nichtfischgewässern kann die Mindestrestwassermenge tiefer angesetzt werden, wenn die gesamte Gewässerstrecke, für welche die Ausnahme beansprucht wird (maximal 1’000 m), oberhalb von 1’500 m ü.M liegt und eine Abflussmenge Q347 von weniger 50 l/s aufweist.

Tiefere Mindestrestwassermengen kommen somit in Betracht bei allen Gewässern (Fisch- und Nichtfischgewässern) oberhalb von 1’700 m ü.M. und bei Nichtfischgewässern zusätzlich zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. (sofern auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind).

38. Sobald eine der Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht mehr erfüllt ist, müssen wieder die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG (mindestens 50 l/s bzw. soviel wie zufliesst [vgl. Art. 36 Abs. 2 GSchG]) eingehalten werden, es sei denn, die Voraussetzungen für eine andere Ausnahme seien erfüllt (vgl. N 15). Bei einem Gewässer, dessen Abflussmenge Q347 am Ort der Entnahme deutlich weniger als 50 l/s beträgt, und das gewässerabwärts keine grösseren Zuflüsse aufweist, ist die mögliche Unterschreitung der Mindestrestwassermenge gestützt auf Bst. a deshalb beschränkt. Dasselbe gilt, wenn die Abflussmenge Q347 eines Gewässers kurz unterhalb der Wasserfassung z.B. durch seitliche Zuflüsse oder durch Vergrösserung des Einzugsgebietes auf über 50 l/s zunimmt.

39. Der Abklärungsbedarf für die Anwendung von Art. 32 Bst a GSchG kann gross sein. So muss die Abflussmenge Q347 nicht nur am Fassungsstandort, sondern u.U. auch an weiteren relevanten Orten ermittelt werden (z.B. bei Fischgewässern auf 1’700 m ü.M., bei Nichtfischgewässern auf 1’500 m ü.M., 1’000 m unterhalb der Fassung, nach seitlichen Zuflüssen). Weiter muss abgeklärt werden, ob es sich bei der Gewässerstrecke zwischen 1’500 und 1’700 m ü.M. um ein Fisch‑ oder ein Nichtfischgewässer handelt.

B.            Nichtfischgewässer (Bst. b)

40. Bei Wasserentnahmen aus Nichtfischgewässern (vgl. N 22 ff.) besteht die Möglichkeit, unabhängig von der Grösse und der Höhenlage des Gewässers die Mindestrestwassermenge tiefer anzusetzen als es nach Art. 31 GSchG erforderlich wäre. Ab der Stelle, ab welcher ein Gewässer als Fischgewässer zu qualifizieren ist, muss wieder die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG eingehalten werden. In der Praxis wird dies gelegentlich übersehen. So wurde bei einem Wasserkraftwerk in UR die Mindestrestwassermenge gestützt auf Art. 32 Bst. b GSchG auf einen Drittel der Abflussmenge Q347 heruntergesetzt, obwohl der unterste Teil der Restwasserstrecke ein Fischgewässer ist und dort die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG eingehalten werden müsste (vgl. BUWAL, Restwassermengen, 19 f., 44 f., 84 ff., insb. 89).

41. Die Herabsetzung der Mindestrestwassermenge ist bei Nichtfischgewässern zulässig bis zu einer Restwasserführung von 35 % der Abflussmenge Q347. Auch Nichtfischgewässer erfüllen vielfältige ökologische und landschaftliche Funktionen, die durch eine Wasserentnahme beeinträchtigt werden. Diese Mindestmenge soll gewährleisten, dass die Restwasserstecke ganzjährig wenigstens den Charakter eines Gewässers aufweist (Botschaft GSchG 1987, 1135). Dieses Ziel dürfte allerdings nicht überall erreicht werden, gehört doch zum Charakter eines Fliessgewässers auch eine gewisse Dynamik. Ein alpines Gewässer mit einen Q347 von z.B. 60 l/s, dessen Wasserführung jahraus, jahrein 21 l/s beträgt, verliert seinen Charakter. Hingegen dürfte in Berggebieten auch mit einer reduzierten Restwassermenge erreicht werden, dass weiterhin Fischnährtiere in den Unterlauf abwandern («driften»); im Talgebiet muss demgegenüber aus mehreren Gründen mit Beeinträchtigungen von Produktivität und Artenvielfalt gerechnet werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 50).

42. Für die Anwendung von Bst. b genügt u.U. die ungefähre Kenntnis der Abflussmenge Q347, sofern die Mindestrestwassermenge bei deutlich mehr als 35 % der Abflussmenge Q347 angesetzt wird. Damit ist man wohl auf der sicheren Seite, auch wenn die Abflussmenge Q347 tatsächlich etwas grösser als geschätzt sein sollte.

 

C.           Gewässerabschnitte mit geringem ökologischem Potenzial (Bst. bbis)

43. Art. 32 GSchG wurde anlässlich der parlamentarischen Initiative «Schutz und Nutzung der Gewässer» (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 43, 45) mit Bst. bbis ergänzt und zwar mit der Begründung, als Beitrag zur Zielerreichung von zusätzlich mindestens 2’000 GWh aus Wasserkraft gemäss Art. 1 Abs. 4 EnG solle mit neuen bzw. ausgedehnten Ausnahmen von Art. 31 GSchG mehr Flexibilität erreicht werden (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8054). Um den Verlust für das Ökosystem Gewässer möglichst gering zu halten, dürfen die Mindestrestwassermengen nur in Gewässerabschnitten mit geringem ökologischem Potential tiefer angesetzt werden. Darunter sind insbesondere Abschnitte zu verstehen, die sich entweder in steilem Gelände befinden oder stark verbaut sind und nur mit unverhältnismässigem Aufwand revitalisiert werden können (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059). Bei einem naturnahen Gewässer entspricht das ökologische Potenzial seiner ökologischen Bedeutung im heutigen Zustand (vgl. Art. 33a Bst. a GSchV), bei einem nicht naturnahen Gewässer der ökologischen Bedeutung in einem gedachten Bezugs‑ oder Referenzzustand, in dem die vom Menschen verursachten Beeinträchtigungen soweit beseitigt sind, als dies mit verhältnismässigen Kosten machbar ist (vgl. Art. 33a Bst. b GSchV; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 9 f.). Die Anwendung von Art. 32 Bst. bbis GSchG bei Fischgewässern ist nicht ausgeschlossen. Wirtschaftlich interessant für die Wasserkraftnutzung sind steile Gewässerstrecken, wie sie in Berggebieten vorhanden sind. Manche dieser Bäche sind noch naturnah oder wenig beeinträchtigt. Sehr steile Abschnitte, in denen keine Fische leben können, sind jedoch ökologisch insgesamt weniger bedeutend als flachere Abschnitte (BAFU, Strukturen Fliessgewässer, 59).

44. Die Mindestrestwassermengen dürfen auf einer Strecke von 1ʹ000 m unterhalb einer Wasserentnahme tiefer angesetzt werden. Massgebend ist die Strecke entlang des Gewässers. Wenn bereits 600 m unterhalb der Wasserentnahme ein Gewässerabschnitt mit hohem ökologischem Potential beginnt, ist ab dort die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG einzuhalten.

45. Die Mindestrestwassermenge darf selbst in Gewässerabschnitten mit geringem ökologischem Potential nur soweit tiefer angesetzt werden, als keine wesentliche Beeinträchtigungen der natürlichen Funktionen des Gewässers zu erwarten sind. Die Restwassermenge muss ausreichend sein, um beispielsweise eine ausreichende Population von Makroinvertebraten (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 80) zu gewährleisten, welche den flussabwärtslebenden Fischen als Nahrung dienen, oder um die Besiedelung der flussabwärts gelegenen Abschnitte zu gewährleisten, wenn oberhalb der Wasserentnahme Laichplätze vorhanden sind (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059). Natürlich dürfen auch die weiteren Funktionen des Gewässers (z.B. genügende Wasserführung zur Sicherstellung der Wasserqualität, Fischwanderung aufwärts) nicht wesentlich beeinträchtigt sein.

46. Die Bedeutung von Bst. bbis für die Praxis lässt sich nicht voraussagen. Bisher wurde erst selten von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht. Da Bst. bbis bei Nichtfischgewässern und Fischgewässern und unabhängig von Grösse und Höhenlage des Gewässers angewendet werden kann, geht sie an sich deutlich über Bst. a hinaus. Zudem ist die Restwasserführung gegen unten, anders als bei Bst. b, mengenmässig nicht beschränkt. Die Bestimmung wird denn auch als Verschlechterung des Gewässerschutzes beurteilt (Griffel, Entwicklungen 2009, 16 f.). Allerdings ist die Ausnahme auf Gewässerabschnitte mit geringem ökologischem Potenzial beschränkt. Sobald diese
Voraussetzung entfällt, sind die Mindestrestwassermengen nach Art. 31 GSchG einzuhalten. Dies schränkt die Möglichkeit, die Mindestrestwassermengen tiefer anzusetzen, wesentlich ein.

47. Noch nicht absehbar ist das Verhältnis zu Art. 32 Bst. c GSchG (s. N 48 ff.). Nach Bst. bbis dürfen auch bei Fischgewässern (sofern auch die übrigen Vor-aussetzungen erfüllt sind) tiefere Mindestrestwassermengen angesetzt werden. Dies war zuvor nur ausnahmsweise im Rahmen einer Schutz‑ und
Nutzungsplanung zulässig. Art. 32 Bst. bbis GSchG könnte deshalb dazu führen, dass die Schutz‑ und Nutzungsplanung gemäss Bst. c ihre bisherige Bedeutung teilweise verliert. Allerdings bestehen wesentliche Unterschiede zwischen Art. 32 Bst. c und Bst. bbis GSchG. So erlaubt eine Schutz‑ und
Nutzungsplanung eine zusätzliche Nutzung auch in Gewässerabschnitten mit höherem als nur geringem ökologischem Potential, und es ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung gewisse natürliche Funktionen eines Gewässers wesentlich beeinträchtigt werden dürfen (vgl. aber N 56 ff.).

D.           Schutz‑ und Nutzungsplanung (Bst. c)

1.             Begriff, Verfahren und Funktion

48. Die Schutz‑ und Nutzungsplanung ist ein Instrument des GSchG, welches erlaubt, unter gewissen Voraussetzungen die Mindestrestwassermengen tiefer anzusetzen, wenn keine der Ausnahmen gemäss Art. 32 Bst. a, b oder bbis GSchG in Betracht kommt. Damit können die nachteiligen Auswirkungen auf ein Gewässer infolge Unterschreitung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG («Mehrnutzung» bzw. «ökologischer Verlust») durch Massnahmen («ökologischer Mehrschutz») kompensiert werden, sodass eine ausgeglichene ökologische Gesamtbilanz resultiert (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 52; Eckert, Restwassermengen, 86 f.). Zur Rechtsnatur der Schutz‑ und Nutzungsplanung enthalten die Materialien kaum Anhaltspunkte (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1135 f.). Es geht dabei nicht um eine
Nutzungsplanung im Sinne von Art. 14 ff. RPG, auch wenn zur Sicherung von Schutzmassnahmen (z.B. gemäss NHG) raumplanerische Instrumente eingesetzt werden können (s. N 77). Vielmehr ist das Resultat einer Schutz‑ und Nutzungsplanung ein Plan, der verbindlich festhält, mit welchen Schutzmassnahmen der ökologische Verlust infolge der Unterschreitung der Mindestrestwassermengen kompensiert wird (vgl. dazu als Beispiel BAFU, Medienmitteilung Grimsel, Anh.: Schutz‑ und Nutzungsplanung Vergrösserung Grimselsee, SNP-Plan mit Mehrnutzung und Mehrschutz).

49. In Art. 34 GSchV (s. N 51) hat die Schutz‑ und Nutzungsplanung eine gewisse Konkretisierung erfahren, die den immer noch erheblichen Beurteilungsspielraum der Behörde etwas begrenzt (BFE/BAFU, Bewertung, 194).

50. Die Schutz‑ und Nutzungsplanung ist Teil des Verfahrens für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG. Sie bedarf der Genehmigung durch den Bundesrat. Nur auf diese Weise kann die verfassungsmässige Verpflichtung des Bundes, angemessene Restwassermengen zu sichern, erfüllt werden (Botschaft GSchG 1987, 1136; im Ergebnis zustimmend Eckert, Restwassermengen, 99).

51. Das Gesuch um Genehmigung ist von der Behörde, welche für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG zuständig ist, beim BAFU einzureichen (Art. 34 Abs. 1 GSchV). Das Gesuch enthält die beschlossene Schutz‑ und Nutzungsplanung, die Begründung, weshalb die vorgesehenen Massnahmen einen genügenden Ausgleich für die tieferen Mindestrestwassermengen darstellen sowie Angaben, wie die vorgesehenen Massnahmen während der Dauer der Konzession für alle verbindlich festgelegt werden sollen (Art. 34 Abs. 2 GSchV; vgl. N 74 ff.).

52. Für die Genehmigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 50 f.): Der Perimeter der Schutz‑ und Nutzungsplanung muss Art. 32 Bst. c GSchG entsprechen (s. N 60). Die verminderten Abflussmengen müssen durch geeignete Massnahmen (s. N 68 ff.) im gleichen Gebiet (s. N 60 f.) ausgeglichen werden (s. N 71). Es muss angegeben werden, wie die Ausgleichsmassnahmen verbindlich festgelegt werden sollen (s. N 74 ff.). Daraus ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs – und zum Zeitpunkt der Genehmigung – die vorgesehenen Massnahmen noch nicht rechtskräftig sein müssen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 55 f.). Die Resultate der Abklärungen müssen im Restwasserbericht dokumentiert sein (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 74).

53. Das Genehmigungsverfahren stellt im Rahmen der Erteilung einer Wassernutzungskonzession und der Bewilligung nach Art. 29 GSchG gewissermassen eine Zusatzschlaufe dar (Beispiel für einen Verfahrensablauf in der Praxis: BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 58, Abb. 16). Die Genehmigung der Schutz‑ und Nutzungsplanung durch den Bundesrat ist an sich eine Voraussetzung für die Erteilung von Konzession und Wasserentnahmebewilligung. Dennoch können der Konzessionsentscheid und die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG auch vor dem Genehmigungsentscheid des Bundesrates erfolgen, sofern dieser vorbehalten wird (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 62, Tab. 8; vgl. Eckert, Restwassermengen, 92 f.).

54. Der Kanton SG hat mit Art. 39bis–39quinquies GSchVG SG Bestimmungen betreffend die Schutz‑ und Nutzungsplanung (Instrumentarium und Grundlagen, Erlass und Verfahren, Wirkung, Rechtsschutz) in das kantonale Recht aufgenommen, welche nicht nur den Ablauf einer Schutz‑ und Nutzungsplanung erleichtern, sondern insbesondere gesetzlich sicherstellen, dass der Schutz während der Laufzeit der Konzession oder Nutzungsbewilligung gewährleistet ist (dazu N 78).

55. Die Funktion der Schutz‑ und Nutzungsplanung besteht in der Ermöglichung einer zusätzlichen Nutzung von Fliessgewässern. Damit wird den Kantonen ein Instrument zur Verfügung gestellt für Fälle, in denen durch kleine Abweichungen von den Mindestrestwassermengen bedeutende Mengen zusätzlicher Energie wirtschaftlich günstig gewonnen werden können (Botschaft GSchG 1987, 1135). Die Schutz‑ und Nutzungsplanung wird auch als Instrument zur Abfederung von Härtefällen gesehen, wenn wegen der starren Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG die Interessen der Konzessiongeber und ‑nehmer nicht berücksichtigt werden können
(Eckert, Restwassermengen, 86). Bevor ein Fliessgewässer zusätzlich genutzt wird, muss ermittelt werden, welche Restwassermengen nach
Art. 31–33 GSchG ohne Schutz‑ und Nutzungsplanung eingehalten werden müssten (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 30 ff., Abb. 5 und 6).

56. Es bestehen Grenzen der zusätzlichen Nutzung bzw. der Festlegung tieferer Mindestrestwassermengen. Generell sollen in erster Linie ökologisch wenig wertvolle Gewässer zusätzlich genutzt werden.

57. Insbesondere die Trockenlegung von Fischgewässern ist nicht zulässig (BGE 117 Ib 178, 188 f., E. 4a112 Ib 424, 440 [Val Müstair], E. 7c; Botschaft GSchG 1987, 1136), da dies Art. 1 Bst. a, Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 Bst. a BGF, wonach Lebensräume für Fische und Fischnährtiere erhalten werden müssen, widerspricht. Eine zeitweise Trockenlegung ist allenfalls denkbar bei einem Gewässer, das nicht ganzjährig ein Fischgewässer ist, sofern die Funktionen des Gewässers als Fischgewässer trotzdem erhalten bleiben (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 35).

58. Besonders geschützte Lebensräume sowie gefährdete und seltene Tier‑ und Pflanzenarten dürfen nicht beeinträchtigt werden (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 48; vgl. auch BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 36).

59. Objekte von nationaler Bedeutung gemäss Art. 5 NHG (z.B. BLN-Objekte) müssen ungeschmälert erhalten werden, ausser wenn gleich‑ oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 NHG; vgl. dazu auch BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 36; BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], E. 4, in: URP 2003, 235).

 

2.             Räumlicher Zusammenhang

60. Art. 32 Bst. c GSchG beschränkt die Schutz‑ und Nutzungsplanung auf ein «begrenztes, topographisch zusammenhängendes Gebiet», den sog. Schutz‑ und Nutzungsplan-Perimeter (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 51 f.; Eckert, Restwassermengen, 90). Daraus ergibt sich, dass sich die Gewässerstrecke, in welcher die Mindestrestwassermenge nicht eingehalten wird, und der Ort der Ausgleichsmassnahmen zwar im gleichen Gebiet befinden müssen, die Schutz‑ und Nutzungsplanung jedoch nicht auf kleine Projekte beschränkt ist (Eckert, Restwassermengen, 90 f.). Ein Gebiet ist als «zusammenhängend» zu betrachten, wenn es eine landschaftliche Einheit bildet und auch in hydrologischer Hinsicht einheitlich (gleiches Einzugsgebiet) ist (Beispiele: Botschaft GSchG 1987, 1135 f.; Eckert, Restwassermengen, 91). In der Regel wird ein Tal als zusammenhängendes Gebiet betrachtet. Vorstösse, welche Ausgleichsmassnahmen auch in der weiteren Umgebung eines Projekts bzw. in einem Nachbartal zulassen wollten, sind im Parlament gescheitert (Eckert, Restwassermengen, 91).

61. Da ein Einzugsgebiet häufig zu wenig Möglichkeiten für Augleichsmassnahmen bietet, besteht in der Praxis keine Einschränkung auf ein Einzugsgebiet (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 24). Es drängt sich auch auf, bei grösseren Vorhaben, die sich über mehrere Täler erstrecken, Ersatzmassnahmen im gesamten Projektperimeter zuzulassen (vgl. dazu Schutz‑ und Nutzungsplanung für die Aare und ihre Zuflüsse im Rahmen des Projektes zur Vergrösserung des Grimselstausees [BAFU, Medienmitteilung Grimsel, Anh.: SNP-Plan mit Mehrnutzung und Mehrschutz]).

 

3.             Ausgleichsmassnahmen

62. Ausgleichsmassnahmen zur ausnahmsweisen tieferen Ansetzung der Mindestrestwassermengen im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung müssen in mehrfacher Hinsicht geeignet sein: Sie müssen dem Schutz der Gewässer oder der von ihnen abhängigen Lebensräumen dienen (Art. 34 Abs. 3 Satz 1 GSchV), sie dürfen nicht «ohnehin erforderlich» sein (Art. 34 Abs. 3 Satz 2 GSchV) und sie müssen realisierbar sein (s. N 68).

63. Als Ausgleichsmassnahmen kommen nur Massnahmen zum Schutz der Gewässer bzw. der von ihnen abhängigen Lebensräume in Betracht. Im Vordergrund steht der vollständige oder teilweise Verzicht auf Wasserentnahmen (s. N 70). Der im Entwurf des Bundesrats als einzige Ausgleichsmassnahme vorgesehene Verzicht auf andere Wasserentnahmen ist im geltenden Art. 32 Bst. c GSchG nur noch als Beispiel erwähnt. Somit sind auch andere Massnahmen zulässig, z.B. zur Aufwertung und Vernetzung von gewässerabhängigen Lebensräumen (vgl. N 70). Solche Massnahmen sind jedoch i.d.R. ohne genügend Wasser nicht wirksam und müssen deshalb mit einer genügenden Abflussmenge kombiniert werden (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 44; BUWAL; Wegleitung Restwassermengen, 54; Eckert, Restwassermengen, 90).

64. Zur Kompensation der zusätzlichen Beeinträchtigung eines Gewässers infolge der zusätzlichen Nutzung, welche die Unterschreitung der Mindestrestwassermenge erlaubt, müssen zusätzliche Massnahmen (Mehrschutz‑ oder Ausgleichsmassnahmen) getroffen werden (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 53; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 52). Es können nur Massnahmen berücksichtigt werden, die nach den Vorschriften des Bundes über den Schutz der Umwelt nicht ohnehin erforderlich sind (Art. 34 Abs. 3 Satz 2 GSchV). Damit beurteilt werden kann, ob eine im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung vorgesehene Ausgleichsmassnahme als zusätzliche Massnahme akzeptiert werden kann, muss bekannt sein, welche Massnahmen auch ohne Schutz‑ und Nutzungsplanung getroffen werden müssen, damit die Wasserentnahmen bzw. das damit verbundene Vorhaben den umweltrechtlichen Vorschriften des Bundes entsprechen (vgl. BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 53). Daraus ergibt sich, dass vorgängig die erforderlichen Restwassermengen nach Art. 31–33 GSchG bestimmt werden müssen (s. N 14). Auch Massnahmen, die nach kantonalem Recht ohnehin erforderlich sind, können nicht als zusätzliche Massnahmen akzeptiert werden.

65. Beispiele fehlender Zusätzlichkeit (vgl. BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 52 f.; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 52 f.):

·       Massnahmen, die vom Gesuchsteller bei der Erstellung seiner Anlage ohnehin selber getroffen werden müssen, z.B.:

  • Massnahmen zur Erfüllung der Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG und/oder Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 33 GSchG bei einer anderen Wasserfassung;
  • Massnahmen zur Vermeidung von Schwall und Sunk (Art. 39a GSchG);
  • Massnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Geschiebehaushalts im Gewässer (Art. 43a GSchG);
  • Massnahmen aufgrund des NHG wie Schutz‑, Wiederherstellungs‑ und Ersatzmassnahmen nach Art. 18 Abs. 1ter NHG sowie Massnahmen aufgrund von Ausführungsvorschriften, die gestützt auf Art. 18a NHG (v.a. AuenV, FMV und AlgV) und 18b NHG (kantonale oder kommunale Vorschriften) erlassen wurden;
  • Massnahmen gestützt auf das BGF (z.B. Erstellung einer Fischaufstiegshilfe bei der Fassung, besondere Wasserfassung zur Sicherstellung der Fischwanderung abwärts).

·       «Verzicht» auf unzulässige Umweltbelastungen, z.B. auf die Nutzung eines Gewässers, das sich in einem Gebiet befindet, das in einem Inventar von nationaler, regionaler oder lokaler Bedeutung aufgeführt ist, wenn das durch das Inventar bezweckte Schutzziel jegliche Nutzung untersagt; «Verzicht» auf unzulässige Verbauungen (Art. 37 GSchG) und Eindolungen (Art. 38 GSchG).

·       Massnahmen, die im Rahmen eines anderen Projektes von Dritten (oder von Gesuchsteller anlässlich eines früheren Projekts) hätten getroffen werden müssen, aber von den Verpflichteten noch nicht durchgeführt worden sind.

·       Massnahmen, die unabhängig von der Schutz‑ und Nutzungsplanung aus einem anderen Grund bereits durchgeführt worden sind.

·       Massnahmen, welche ein Gemeinwesen durchführen muss, z.B. Schutz und Unterhalt von Biotopen gemäss Art. 18b NHG oder die Revitalisierung von Gewässern gemäss Art. 38a GSchG (vgl. N 66).

·       Massnahmen, die einer allgemeinen Pflicht entsprechen oder die von einem Gemeinwesen und Dritten gemeinsam durchgeführt werden müssen wie z.B. die Sanierung einer Fischtreppe (vgl. N 66).

66. Nach der Revision des GSchG vom 11. Dezember 2009 ist die Schwierigkeit, geeignete Massnahmen zu finden, deutlich gestiegen. Mehrere Massnahmen, die früher als zusätzliche Massnahmen in Frage kamen, müssen heute von Gesetzes wegen durchgeführt werden. So ist die Revitalisierung von Gewässern (vgl. BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 21, Tab. 2), die früher gestützt auf das BGF angeordnet werden konnte (Botschaft Lebendiges Wasser 2007, 5517), heute eine Aufgabe der Kantone (Art. 38a GSchG). Die Revitalisierung umfasst z.B. die Entfernung von künstlichen Abstürzen (Schwellen) zur Wiederherstellung der Fischwanderung (vgl. Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8051 f.). Die extensive Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen entlang eines Gewässers ist heute überall Pflicht (Art. 36a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GSchG) und kommt als zusätzliche Massnahme ebenfalls nicht mehr in Frage (vgl. aber SNP Grosses Melchtal: Eckert, Restwassermengen, 101 f.). Eine früher in der Praxis oft gewählte zusätzliche Massnahme war die Sanierung einer Fischtreppe (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 21, Tab. 2). Dies erstaunt, da doch anzunehmen wäre, dass diejenigen, welche gestützt auf Art. 9 BGF bzw. auf Art. 25 BGF 1973 (in Kraft seit 1. Januar 1976) eine Fischtreppe erstellen mussten, auch für deren Funktionieren verantwortlich sind. Seit dem 1. Januar 2011 sind die Kantone verpflichtet, die Wiederherstellung der Fischgängigkeit flächendeckend zu planen und die Kraftwerksbetreiber müssen bis 2030 die Massnahmen treffen und werden dafür entschädigt (gesetzliche Grundlagen dazu vgl. BAFU, Wiederherstellung Fischwanderung, 10 f.). Schon vor 2011 war fraglich, ob die Beseitigung von nicht natürlichen Fischhindernissen, die z.B. durch ein anderes Kraftwerk vor 1976 verursacht worden waren, als zusätzliche Massnahme akzeptiert werden könne (vgl. BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 24).

67. Ob eine bestimmte Massnahme als zusätzliche Massnahme in Frage kommt, ist durch Abklärung im Einzelfall zu ermitteln.

 

4.             Geeignete Ausgleichsmassnahmen

68. Geeignete Massnahmen müssen über die Zusätzlichkeit hinaus weitere Anforderungen erfüllen. Sie müssen nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus technischer und wirtschaftlicher Sicht durchgeführt werden können; so müssen beispielsweise die für die Massnahmen erforderlichen Flächen verfügbar sein (BAFU, Wegleitung Restwassermengen, 54). Die betroffenen Grundeigentümer müssen somit mit den Massnahmen einverstanden sein; Enteignungen dürften kaum in Frage kommen.

69. Im Nachhinein kann sich herausstellen, dass sich nicht alle vorgesehenen Ausgleichs- bzw. Mehrschutzmassnahmen realisieren lassen. Es empfiehlt sich deshalb, mehr Massnahmen vorzusehen (Reserveprojekte) als voraussichtlich notwendig sind.

70. Beispiele geeigneter Massnahmen, deren Zusätzlichkeit erwiesen ist (vgl. auch BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 43 ff., insb. 49 ff.; BFE/BAFU, Aufwertung, 247 f.; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 53 f.; Eckert, Restwassermengen, 88 ff., 100 ff.; alle erschienen vor der Revision des GSchG vom 11. Dezember 2009):

·       Verzicht auf andere Wasserentnahmen durch den Gesuchsteller und durch Dritte (vgl. N 76), und zwar unabhängig von der Nutzungswahrscheinlichkeit (dazu Eckert, Restwassermengen, 89 f.).

·       Erhöhung der Restwassermengen über die nach Art. 31–33 GSchG notwendige Menge hinaus (durch zusätzliche Dotierung) im gleichen oder in anderen genutzten Fliessgewässern:

  • für die ganze Restwasserstrecke,
  • nur für eine Teilstrecke,
  • ganzjährig oder nur während einer bestimmten Jahres‑ oder Tageszeit,
  • in Form von mittleren Hochwassern.

·       Besonders umweltfreundliche Durchführung von Projektmassnahmen, die ohnehin durchgeführt werden müssen, die aber mehr oder weniger ökologisch bzw. mehr oder weniger landschaftsverträglich durchgeführt werden können (z.B. Erstellung eines naturnahen Umgehungsgewässers anstelle einer Fischtreppe).

·       Renaturierung von Fliessgewässern (umfassende Wiederherstellung des natürlichen Gewässerzustandes).

·       Revitalisierung von Fliessgewässern (vgl. Art. 4 Bst. m GSchG), die in der kantonalen Planung nicht enthalten sind und deshalb nicht vom Kanton durchgeführt werden müssen.

·       Rückbau von Quellfassungen, Revitalisierung von Quellen.

·       Massnahmen zur Aufwertung und Vernetzung von anderen Biotopen (z.B. Auen, Flachmooren und Amphibienlaichgebieten).

 

5.             Gleichwertigkeit von zusätzlicher Nutzung und Ausgleichsmassnahmen

71. Es müssen jene Beeinträchtigungen ausgeglichen werden, die sich aufgrund der Unterschreitung der Mindestrestwassermenge nach Art. 31 GSchG ergeben. Diese zusätzliche Nutzung, die zu gebietsweise erhöhten Beeinträchtigungen des Gewässers und der von ihm abhängigen Lebensräume führt, muss durch zusätzlichen Schutz bzw. eine ökologische Aufwertung an anderer Stelle ausgeglichen werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 52). Es muss ein «entsprechender» Ausgleich erfolgen, d.h. die ökologischen Beeinträchtigungen infolge der zusätzlichen Nutzung und die ökologischen Vorteile durch den zusätzlichen Schutz müssen etwa gleichwertig sein. Nicht relevant ist somit die Gleichwertigkeit von Kosten, Energieproduktion oder Wassermenge. Der Gesuchsteller muss im Restwasserbericht (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 67 ff.) begründen, weshalb die vorgesehene Massnahmen einen genügenden Ausgleich für die tieferen Mindestrestwassermengen darstellen (Art. 34 Abs. 2 Bst. b GSchV; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 55 f.).

72. Auch bei einer Ausnahme von den Mindestrestwassermengen im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung nach Art. 32 Bst. c GSchG ist eine Interessenabwägung im Sinn von Art. 33 GSchG durchzuführen. Die Fachstelle des Bundes schlägt vor, einen Vergleich zwischen der Lösung mit und der Lösung ohne Schutz‑ und Nutzungsplanung vorzunehmen (BAFU, Wegleitung Restwassermengen, 54 f.). Zu diesem Zweck sind als Basis für die Erarbeitung einer Schutz‑ und Nutzungsplanung gestützt auf Restwasserberichte für alle Fassungen die nach Art. 31–33 GSchG erforderlichen Restwassermengen festzulegen (BAFU, Schutz- und Nutzungsplanung, 30 ff., Abb. 6; BFE/BAFU, Bewertung, 84; Marti, Neukonzessionierung Linth-Limmern, 296). Anschliessend wird der Mehrnutzen ermittelt, welcher durch Mehrschutzmassnahmen ausgeglichen werden muss. Die Interessen für und gegen die Wasserentnahmen im Sinn von Art. 33 GSchG sind bei der Erarbeitung der Schutz‑ und Nutzungsplanung zu berücksichtigen.

73. Die Bewertung der zusätzlichen Nutzung bzw. des zusätzlichen Schutzes kann qualitativ (durch Beschreibung) oder quantitativ erfolgen (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 25, 55). Als Hilfsmittel für den Nachweis einer ausgeglichenen ökologischen Bilanz für die Bewertung von gewässerökologischen Fragen hat das BAFU eine quantitative Methode entwickeln lassen (Ernst Basler + Partner AG, Mindestrestwassermengen, 1 ff.; zu den methodischen Problemen und den Schwierigkeiten der Bewertung vgl. BFE/BAFU, Bewertung, 194 ff.; Marti, Neukonzessionierung Linth-Limmern, 296 f.; Schweizer/Meyer/Heuberger et al., Gewässerökologische Untersuchungen, 296).

 

6.             Sicherstellung der Ausgleichsmassnahmen

74. Art. 34 Abs. 2 Bst. c GSchV verlangt die rechtlich verbindliche Festlegung der zusätzlichen Schutzmassnahmen in einer Schutz‑ und Nutzungsplanung. Sie müssen solange Bestand haben, als die Mindestrestwassermengen unterschritten werden, bei der Wasserkraftnutzung somit für die gesamte Dauer der Konzession, maximal 80 Jahre. Zudem müssen sie gegenüber jedermann, also auch gegen Dritte, verbindlich sein. Je nach Art der zusätzlichen Schutzmassnahmen sind unterschiedliche Vorkehren erforderlich, um den Schutz langfristig zu sichern. Es bestehen keine gesetzlichen Vorgaben, wie dieses Ziel erreicht werden soll.

75. Es bestehen mehrere Umsetzungsvarianten. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der verbindlichen Festlegung von Ausgleichsmassnahmen in der Konzession bzw. im Beschluss, mit welchem die Konzession genehmigt wird oder in einem separaten Verfahren auf andere Weise (BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 61 f.; Eckert, Restwassermengen, 93 ff.).

76. Die Festlegung in der Konzession ist am einfachsten, eignet sich aber nicht für alle Massnahmen. In der Konzession bzw. im Genehmigungsbeschluss
(s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 28) lassen sich z.B. bauliche Massnahmen sowie Unterhaltsmassnahmen, die vom Gesuchsteller durchgeführt werden müssen, einfach anordnen, ebenso der Verzicht auf Wasserentnahmen aus Gewässern, für deren Nutzung eine Konzession erteilt wird (Eckert, Restwassermengen, 93). Betrifft der Verzicht jedoch ein Gewässer, das vom Konzessionsvertrag nicht erfasst ist, müssen zusätzliche Vorkehren getroffen werden, um insbesondere zu verhindern, dass während der Konzessionsdauer Dritte dem Gewässer für irgendwelche andere Zwecke Wasser entnehmen.

77. Als weitere bzw. zusätzliche Vorkehren kommen raumplanerische Massnahmen wie Schutzzonen nach Art. 17 Abs. 1 RPG oder andere geeignete Massnahmen gemäss kantonalem Recht (Art. 17 Abs. 2 RPG) wie kantonale Nutzungspläne, Schutzverordnungen oder Schutzverfügungen in Frage (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 54 f.; Eckert, Restwassermengen, 94 ff.). Dabei muss sichergestellt werden, dass sie für die gesamte Konzessionsdauer gültig bleiben.

78. Das Recht des Kantons SG sieht vor, dass die Schutz‑ und Nutzungsplanung umgesetzt wird durch Schutz‑ und Nutzungspläne (bestehend aus Plan und Reglement), Schutzverfügungen oder andere Massnahmen, einschliesslich Leistungsvereinbarungen, die einen angemessenen Schutz gewährleisten (Art. 39bis Abs. 1 und 2 GSchVG SG). Diese Pläne, Verfügungen und Vereinbarungen gelten während der Laufzeit der mit der Bewilligung für die Wasserentnahme zusammenhängenden Wasserrechtskonzession oder Nutzungsbewilligung, für welche die Schutzmassnahmen vereinbart oder verfügt worden sind (Art. 39quater GSchVG SG; vgl. N 54).

79. Die Schutz‑ und Nutzungsplanung bedarf der Genehmigung durch den Bundesrat (zum Zweck der Genehmigung s. N 50, zum Inhalt des Gesuchs s. N 51 f. und zum Ablauf s. N 52 f.).

7.             Praxis, Ausblick

80. In gewissen Fällen bietet eine Schutz‑ und Nutzungsplanung die einzige Möglichkeit, ein Gewässer zu nutzen. Wird ein Gewässer gefasst, nicht aber dessen Nebenbäche, und wird erst nach der Mündung der Nebenbäche Restwasser im Gewässer belassen, sodass das Hauptgewässer zwischen Entnahmestelle und Einmündung der Nebenbäche auf einer Strecke von ca. 300 m an ca. 200 Tagen pro Jahr kein Wasser führt, ist dies nur im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung zulässig (BGE 126 II 283, E. 5b).

81. Bis Ende Oktober 2015 hat der Bundesrat 23 Schutz‑ und Nutzungsplanungen genehmigt (für die elf ab 1997 bis und mit 2006 genehmigten Schutz‑ und Nutzungsplanungen vgl. BAFU, Schutz‑ und Nutzungsplanung, 20 ff.; Beispiele bei Eckert, Restwassermengen, 100 ff.: Chauffat-Rondchâtel, Grosses Melchtal und Val Müstair; BAFU, Medienmitteilung Grimsel, betreffend die Schutz‑ und Nutzungsplanung für die Aare und ihre Zuflüsse im Rahmen des Projekts zur Vergrösserung des Grimselstausees). Soweit ersichtlich wurde bisher keine gesamtschweizerische Wirkungskontrolle durchgeführt. Weder wurde untersucht, ob die Ausgleichsmassnahmen tatsächlich realisiert wurden noch ob sie wirksam sind.

82. Seit der Revision des GSchG 2009 ist das Finden geeigneter Ausgleichs-massnahmen noch schwieriger geworden (vgl. N 63 f., 66). Es könnte deshalb in Erwägung gezogen werden, die Revitalisierung von Gewässern (bzw. eine Beteiligung an der Finanzierung) in einem engen Rahmen als Ausgleichsmassnahme zuzulassen, auch dort, wo es sich um eine Aufgabe der Kantone bzw. der Gemeinden handelt. Noch offen ist, ob die Schutz‑ und Nutzungsplanung wegen des neuen Ausnahmetatbestands Bst. bbis allenfalls ihre Bedeutung verlieren wird (vgl. N 47).

E.            Befristete Entnahmen in Notsituationen (Bst. d)

83. Unter dem Begriff Notsituation ist in Bst. d eine Notsituation zu verstehen, die erfahrungsgemäss hin und wieder auftritt, ohne dass der genaue Zeitpunkt vorher bekannt wäre, z.B. Trockenperioden, welche eine Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen notwendig machen. Bst. d geht implizit davon aus, dass die Wasserentnahme auch in Notsituationen gestützt auf eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erfolgt. Bei extremer Trockenheit soll die Behörde insbesondere für landwirtschaftliche Bewässerungen und zur Trinkwasserversorgung befristete Ausnahmebewilligungen für die Unterschreitung der Mindestrestwassermengen erteilen können (Botschaft GSchG 1987, 1134). Die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung in Notlagen infolge von Naturereignissen, Störfällen, Sabotage oder kriegerischen Handlungen richtet sich nach der VTN.

84. In Gebieten, in welchen alle paar Jahre mit extremen Trockenperioden zu rechnen ist, erscheint es im Sinne einer Übergangsregelung (vgl. N 86) zweckmässig, bereits in den Bewilligungen zur Wasserentnahme für landwirtschaftliche Bewässerungen die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Notsituation sowie Verfahren und Zuständigkeit für die Bewilligung der kurzzeitigen Unterschreitung festzulegen.

85. Bst. d ist nicht auf anders geartete Notsituationen zugeschnitten, z.B. solche, die plötzlich und überraschend irgendwo auftreten wie Brandfälle und die ein sofortiges Handeln verlangen. In solchen Fällen fehlt die Zeit zur Erteilung einer regulären Wasserentnahmebewilligung. In der Praxis wird deshalb die Wasserentnahme zum Löschen i.d.R. wohl ohne Bewilligung nach Art. 29 GSchG bzw. allenfalls gestützt auf eine mündliche «Bewilligung» einer an sich nicht zuständigen Person (z.B. Mitarbeiter des kantonalen Schadendienstes, Fischereiaufseher) vorgenommen.

86. Eine Situation, die sich mit einer gewissen Regelmässigkeit in relativ kurzen Abständen wiederholt, ist keine Notsituation (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 135 f.). Einem regelmässig wiederkehrenden Mangel an Wasser für die landwirtschaftliche Bewässerung oder die Trinkwasserversorgung muss auf andere Weise begegnet werden als durch übermässige Nutzung von Fliessgewässern, nämlich durch Wassersparen (z.B. unnötige Nutzungen einschränken, effiziente Bewässerungsmethoden anwenden), Anpassung an die klimatischen Veränderungen (z.B. Anbau von besser an die Trockenheit angepassten landwirtschaftlichen Kulturen und entsprechende Bewirtschaftung) und Verbesserung des Wasserangebots (z.B. Zusammenschlüsse von Wasserversorgungen, Tieferlegen von Grundwasserfassungen).

87. In der Praxis haben der den Kantonen zur Verfügung stehende Spielraum sowie die unterschiedlichen Verhältnisse in den Kantonen im Hitzesommer 2003 (und auch wieder im Sommer 2015) zu vielfältigen kantonalen Lösungen geführt (BUWAL/BWG/MeteoSchweiz, Hitzesommer 2003, 126 ff.). Viele Kantone haben Wasserentnahmen für die Bewässerung aus kleineren und mittleren Fliessgewässern zeitweise eingeschränkt oder generell verboten. Der Kanton BE hat ein besonderes Konzept zur Sicherung von Restwassermengen in Trockenzeiten entwickelt, das sich auch im Sommer 2003 bewährt hat (BUWAL/BWG/MeteoSchweiz, Hitzesommer 2003, 129; vgl. Komm. zu Art. 36 GSchG N 13).

 

 

Résumé

L’art. 32 LEaux permet aux cantons de déroger aux débits résiduels selon les art. 31 al. 1 et/ou art. 31 al. 2 LEaux. Pour déterminer si et dans quelle mesure des débits résiduels inférieurs doivent être fixés, l’autorité compétente doit effectuer une pesée des intérêts. Dans certains cas, les débits résiduels sont fixés par une autorité fédérale (cf. art. 6 LFH). Les dérogations de l’art. 32 let. a, b et bbis LEaux se fondent sur différents critères. Ainsi, les conditions pour plusieurs dérogations peuvent être remplies sur différents tronçons d’un seul cours d’eau. Il est permis, lors d’un prélèvement d’eau, d’appliquer successivement plusieurs dérogations.

En vertu de l’art. 32 let. a LEaux, les débits résiduels peuvent être inférieurs pour les petits cours d’eau (Q347 inférieur à 50 l/s) sur un tronçon de 1000 m en aval du point de prélèvement, si le cours d’eau se situe à une altitude supérieure à 1700 m, ou qu’il est non piscicole et se situe entre 1500 et 1700 m d’altitude. Seul l’emplacement du captage d’eau et non pas la distance à vol d’oiseau est déterminant. Pour les prélèvements opérés dans les eaux non piscicoles, il est possible de fixer des débits résiduels inférieurs à ceux prévus par l’art. 31 LEaux et ce jusqu’à un débit restant représentant au moins 35 % du débit Q347.

L’art. 32 let. bbis LEaux s’applique pour les eaux piscicoles ou non, indépendamment de la grandeur du cours d’eau et de l’emplacement du débit. Les débits résiduels inférieurs en vertu de cette lettre ne peuvent être autorisés que dans des portions de cours d’eau dont le potentiel écologique est faible et pour autant que les fonctions naturelles du cours d’eau ne soient pas sensiblement affectés. Avec les plans de protection et d’utilisation, les cantons disposent d’un instrument à disposition pour les cas où de petits écarts aux débits résiduels permettraient la production d’une quantité importante d’énergie supplémentaire.

L’art. 32 let. c LEaux limite toutefois les plans de protection et d’utilisation aux zones limitées, de faible étendue et présentant une unité topographique. Une zone doit être considérée comme de faible étendue lorsqu’elle forme une unité paysagère, que ce soit sur le plan hydrologique ou topographique. Les mesures de compensation prises dans le cadre d’un plan de protection et d’utilisation doivent se conformer à deux principes: elles doivent d’une part respecter la protection des eaux ou les biotopes qui en dépendent et d’autre part ne pas être requises de toute façon (art. 34 al. 3 OEaux). Savoir si une mesure de compensation est une mesure complémentaire appropriée au sens de l’art. 34 al. 3 OEaux repose sur une appréciation au cas par cas. La fixation de débits résiduels inférieurs doit tenir compte de certaines limites. Ainsi, l’assèchement d’eau piscicole n’est pas autorisé, vu que cela s’opposerait aux art. 1 let. a, 7 al. 2 et 9 al. 1 let. a LFSP. Les art. de la LPN (cf. art. 5 s., art. 18a, 18, 21 et 23a LPN) posent également des limites pour la fixation de débits résiduels inférieurs. La compensation prévue à la let. c de l’art. 32 LEaux doit être équivalente, c’est à dire que les préjudices écologiques par suite de l’utilisation supplémentaire et les avantages écologiques de la protection supplémentaire devraient être équivalents.

L’art. 34 al. 2 let. c OEaux requiert que les mesures prévues dans le plan de protection et d’utilisation soient fixées de manière contraignante pour tous. Les plans de protection et d’utilisation sont soumis pour approbation au Conseil fédéral.

L’art. 32 let. d LEaux est conçu pour les cas de nécessité, qui se présentent de temps en temps sans que la date exacte ne soit connue d’avance. Par exemple, en cas de sécheresse extrême, l’autorité doit pouvoir accorder des autorisations d’exception temporaires afin d’assurer l’irrigation des terres agricoles et l’approvisionnement en eau potable. Le prélèvement d’eau même dans des cas de nécessité doit se faire sur la base d’une autorisation. Une situation qui se répète avec une certaine régularité dans un temps relativement court n’est toutefois pas considérée comme un cas de nécessité.

 

 

Literatur: Brunner Ursula/Looser Martin, Schutzintensität und Interessen im Umweltrecht – Eine Auswertung von neun umweltrechtlichen Erlassen, Schlussbericht zu einem Forschungsauftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Zürich 2012 (zit. Schutzintensität); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Ernst Basler + Partner AG, Ausnahmen von den Mindestrestwassermengen im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung (Art. 32 Bst. c GSchG) – Methodik für die Begründung, weshalb die vorgeschlagenen Massnahmen einen genügenden Ausgleich für tiefere Mindestrestwassermengen darstellen, Schlussbericht vom Januar 2005 im Auftrag des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Zollikon 2005 (zit. Mindestrestwassermengen); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2009, Bern 2010 (zit. Entwicklungen 2009); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Marti Jakob, Neukonzessionierung der Kraftwerke Linth-Limmern in Linthtal aus der Sicht der Behörden, in: Wasser Energie Luft 2008, 295 ff. (Neukonzessionierung Linth-Limmern); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Schindler Benjamin, Verwaltungsermessen – Gestaltungskompetenzen der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, Habil. Zürich 2010 (zit. Verwaltungsermessen); Schweizer Steffen/Meyer Matthias/Heuberger Nick et. al., Zahlreiche gewässerökologische Untersuchungen im Oberhasli, in: Wasser Energie Luft 2010, 298 ff. (zit. Gewässerökologische Untersuchungen).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umweltschutz (BUS) (Hrsg.), Abgrenzung zwischen Fisch‑ und Nichtfischgewässern, in: Schriftenreihe Fischerei Nr. 45, Bern 1986 (zit. Fisch‑ und Nichtfischgewässer); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Baudepartement und Finanzdepartement SG (Hrsg.), Beurteilungshilfe zur Klassierung von Fliessgewässern als Nichtfischgewässer nach Art. 32 Bst. b GSchG, St. Gallen 2000 (zit. Klassierung Nichtfischgewässer); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Vogel Urs/Kirchhofer Arthur/Breitenstein Martina), Restwassermengen – Was nützen sie dem Fliessgewässer? – Débits résiduels – quel bénéfice pour les cours d’eau?, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 358, Bern 2004 (zit. Restwassermengen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) (Hrsg.), Auswirkungen des Hitzesommers 2003 auf die Gewässer, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 369, Bern 2004 (zit. Hitzesommer 2003); Botschaft zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)» vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5511 ff. (zit. Botschaft Lebendiges Wasser 2007); Parlamentarische Initiative Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie S (UREK-S) (07.492) «Schutz und Nutzung der Gewässer» vom 23. November 2007 (zit. Pa. Iv. UREK-S Schutz); Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Ott Walter/Bade Stephanie/Hürlimann Joachim/Leimbacher Jörg), Bewertung von Schutz‑, Wiederherstellungs‑ und Ersatzmassnahmen bei Wasserkraftanlagen, Bern 2008 (zit. Bewertung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Bolliger Roman/Zysset Andreas/Winiker Michèle et al.), Schutz‑ und Nutzungsplanung nach Gewässerschutzgesetz – Erfahrungen, Beurteilungskriterien und Erfolgsfaktoren, Umwelt-Wissen Nr. 0931, Bern 2009 (zit. Schutz‑ und Nutzungsplanung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Könitzer Christoph/Wagner Thomas/Mathys Lukas et. al.), Wiederherstellung der Fischwanderung. Strategische Planung. Ein Modul der Vollzugshilfe Renaturierung der Gewässer, Bern 2012 (zit. Wiederherstellung Fischwanderung); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Grimsel: Bundesrat genehmigt Schutz‑ und Nutzungsplanung, Medienmitteilung, <http://www.bafu.admin.ch/
dokumentation/medieninformation/00962/index.html?lang=de&msg-id=43701>, 9.3.2012 (zit. Medienmitteilung Grimsel).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Erhöhung der Mindestrestwassermenge

1         Die Behörde erhöht die Mindestrestwassermenge in dem Ausmass, als es sich aufgrund einer Abwägung der Interessen für und gegen die vorgesehene Wasserentnahme ergibt.

2         Interessen für die Wasserentnahme sind namentlich:

a.       öffentliche Interessen, denen die Wasserentnahme dienen soll;

b.       die wirtschaftlichen Interessen des Wasserherkunftsgebiets;

c.       die wirtschaftlichen Interessen desjenigen, der Wasser entnehmen will;

d.      die Energieversorgung, wenn ihr die Wasserentnahme dienen soll.

3         Interessen gegen die Wasserentnahme sind namentlich:

a.       die Bedeutung der Gewässer als Landschaftselement;

b.       die Bedeutung der Gewässer als Lebensraum für die davon abhängige Tier- und Pflanzenwelt, samt deren Artenreichtum, namentlich auch für die Fischfauna, deren Ertragsreichtum und natürliche Fortpflanzung;

c.       die Erhaltung einer Wasserführung, die ausreicht, um die Anforderungen an die Wasserqualität der Gewässer langfristig zu erfüllen;

d.      die Erhaltung eines ausgeglichenen Grundwasserhaushalts, der die künftige Trinkwassergewinnung, die ortsübliche Bodennutzung und eine standortgerechte Vegetation gewährleistet;

e.       die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Bewässerung.

4         Wer einem Gewässer Wasser entnehmen will, unterbreitet der Behörde einen Bericht über:

a.       die Auswirkungen unterschiedlich grosser Wasserentnahmen auf die Interessen an der Wasserentnahme, insbesondere auf die Herstellung von elektrischer Energie und deren Kosten;

b.       die voraussichtlichen Beeinträchtigungen der Interessen gegen eine Wasserentnahme und über mögliche Massnahmen zu deren Verhinderung.

Augmentation du débit résiduel minimal

1         L’autorité fixe un débit résiduel supérieur aussi élevé que possible après avoir pesé les intérêts en présence.

2         Plaident notamment en faveur d’un prélèvement d’eau:

a.       les intérêts publics que le prélèvement devrait servir;

b.       les intérêts économiques de la région d’où provient l’eau;

c.       les intérêts économiques de la personne qui entend opérer le prélèvement;

d.       l’approvisionnement en énergie, lorsqu’il nécessite un prélèvement d’eau.

3         S’opposent notamment à un prélèvement d’eau:

a.       l’importance du cours d’eau en tant qu’élément du paysage;

b.       l’importance du cours d’eau en tant que biotope et le maintien de la diversité de la faune et de la flore qui en dépendent ainsi que la conservation du rendement de la pêche et de la reproduction naturelle des poissons;

c.       le maintien d’un débit qui garantisse à long terme le respect des exigences quant à la qualité des eaux;

d.       le maintien d’un régime équilibré des eaux souterraines qui permette, à long terme, d’utiliser celles-ci comme eau potable, de continuer à exploiter le sol selon le mode usuel et de préserver une végétation adaptée à la station;

e.       le maintien de l’irrigation agricole.

4         Quiconque entend opérer un prélèvement dans un cours d’eau soumet à l’autorité un rapport concernant:

a.       les répercussions probables du prélèvement, pour différents débits, sur les intérêts que sert le prélèvement, notamment sur la production d’énergie électrique et son coût;

b.       les intérêts au respect desquels le prélèvement risque de s’opposer et les possibilités d’y parer.

Aumento dei deflussi residuali minimi

1         L’autorità aumenta i deflussi residuali minimi nella misura risultante dalla ponderazione degli interessi a favore o contro l’entità del prelievo d’acqua previsto.

2         Sono interessi a favore del prelievo d’acqua segnatamente:

a.       gli interessi pubblici ai quali il prelievo deve servire;

b.       gli interessi economici della regione di provenienza dell’acqua;

c.       gli interessi economici di chi intende procedere al prelievo;

d.       l’approvvigionamento energetico, se esige un prelievo.

3         Sono interessi contro il prelievo d’acqua segnatamente:

a.       l’importanza dell’acqua in quanto elemento del paesaggio;

b.       l’importanza dell’acqua in quanto biotopo per la fauna e la flora che ne dipendono e per la loro diversità, in particolare anche per la fauna ittica, per il rendimento dalla pesca e per la capacità naturale di riproduzione dei pesci;

c.       la conservazione di un deflusso sufficiente a lungo termine per rispettare le esigenze in materia di qualità dell’acqua;

d.       la conservazione di un bilancio equilibrato delle acque sotterranee, che garantisca il futuro sfruttamento come acqua potabile, lo sfruttamento del suolo secondo l’uso locale e una vegetazione consona al luogo;

e.       la preservazione dell’irrigazione agricola.

4         Chi intende prelevare acqua da un corso d’acqua deve presentare all’autorità un rapporto su:

a.       le conseguenze di prelievi d’acqua di diversa entità sugli interessi a favore del prelievo, in particolare sulla produzione di energia elettrica e sul suo costo;

b.       i prevedibili pregiudizi che saranno arrecati agli interessi contro il prelievo e le possibili misure per prevenirli.

 

 

Inhaltsübersicht

​I. ​Entstehungsgeschichte ​1
​II. ​Allgemeine Bemerkungen 4
III. ​Interessenabwägung (Abs. 1) 7
​A. ​ Allgemeines 7
​B. Interessen für die Wasserentnahme (Abs. 2) 16
1. Öffentliche Interessen, denen die Wasserentnahme dienen soll (Bst. a) 16
2.​ Wirtschaftliche Interessen des Wasserherkunftsgebiets (Bst. b) 18
​3. Wirtschaftliche Interessen desjenigen, der Wasser entnehmen will (Bst. c) 21
​4. Energieversorgung, wenn ihr die Wasserentnahme dienen soll (Bst. d) 24
​5. ​Weitere Interessen 29
​C. ​Interessen gegen die Wasserentnahme (Abs. 3) 30
​1. ​Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement (Bst. a) 30
​2. ​Bedeutung der Gewässer als Lebensraum für Tier‑ und Pflanzenwelt (Bst. b) 33
​3. ​Langfristige Erhaltung der Wasserqualität (Bst. c) 37
​4. ​Erhaltung eines ausgeglichenen Grundwasserhaushalts (Bst. d) 39
​5. ​Sicherstellung der landwirtschaftliche Bewässerung (Bst. e) 41
​6. ​Weitere Interessen 43
​D. ​Resultat der Interessenabwägung 45
​1. ​Allgemeines 45
​2. ​Erhöhung der Mindestrestwassermenge 60
​3. ​Verzicht auf die Wasserentnahme 63
​4. ​Andere Massnahmen 65
IV. ​Restwasserbericht (Abs. 4) 67

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

01. Bereits in Art. 31 E-GSchG 1984 war unter der Marginalie «Weitergehende Anforderungen» eine Interessenabwägung vorgesehen.

02. Im Entwurf des Bundesrats (Art. 33 E-GSchG 1987) fanden sich die in Art. 33 Abs. 2 Bst. a–c GSchG aufgezählten Interessen für die Wasserentnahme sowie alle in Art. 33 Abs. 3 GSchG erwähnten Interessen gegen die Wasserentnahme.

03. In der parlamentarischen Beratung wurde Abs. 1 präziser und verpflichtender formuliert, ohne ihn inhaltlich zu ändern, und der Katalog von Abs. 2 mit dem Interesse «die Energieversorgung, wenn ihr die Wasserentnahme dienen soll» ergänzt (Art. 33 Abs. 2 Bst. d GSchG). Die Interessen gegen die Wasserentnahme gemäss Art. 33 Abs. 3 Bst. a und b E-GSchG 1987 wurden neu gegliedert und klarer unterschieden zwischen der Funktion als Landschaftselement (Bst. a) und als Lebensraum (Bst. b); Bst. c erfuhr eine redaktionelle Änderung, Bst. d und e blieben unverändert.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

04. Erst mit Art. 33 GSchG kommt der Bund dem Verfassungsauftrag nach, Vorschriften über die Sicherung angemessener Restwassermengen zu erlassen (Art. 76 Abs. 3 BV; vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 26). Ziel ist es, Restwassermengen festzulegen, die den Schutzinteressen in höherem Mass Rechnung tragen als dies Art. 31 GSchG vermag (Botschaft GSchG 1987, 1089, 1136).

05. Art. 33 GSchG schreibt die Erhöhung der Mindestrestwassermenge aufgrund einer Interessenabwägung (dazu N 7 ff.) im Einzelfall vor (Botschaft GSchG 1987, 1089). Dabei handelt es sich um die zweite Stufe im zweistufigen Verfahren zur Festlegung angemessener Restwassermengen (Vor Art. 29–36 GSchG N 58 ff.). Mit «Mindestrestwassermenge» ist nicht nur die Mindestrestwassermenge gemäss Art. 31 GSchG (Komm. zu Art. 31 GSchG N 7 ff.), sondern auch die aufgrund von Art. 32 GSchG allenfalls tiefer angesetzte Mindestrestwassermenge gemeint. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Gesetzessystematik (Begründung bei Pestalozzi, Restwassermengen, 719 f., Fn. 43). Auch in diesen Fällen muss eine Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG durchgeführt und die Mindestrestwassermenge allenfalls erhöht werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 50, 57, 63 f.; Eckert, Restwassermengen, 85; eher skeptisch Griffel, Grundprinzipien, 288, N 391, Fn. 152; zur Interessenabwägung i.S.v. Art. 33 GSchG im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 72).

06. Während Art. 31 GSchG «gewissermassen das Existenzminimum für die Wasserlebewelt» sichert (Botschaft GSchG 1987, 1089) und Art. 32 GSchG davon in bestimmten Fällen Ausnahmen zulässt, erhöht die Behörde gemäss Art. 33 Abs. 1 GSchG die Mindestrestwassermenge im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung (N 7 ff., 45 ff.); die Möglichkeit einer Reduktion ist nicht vorgesehen (N 47). Bei der Abwägung sind mindestens die in Art. 33 Abs. 2 GSchG für (N 16 ff.) und in Abs. 3 gegen (N 30 ff.) die Wasserentnahme aufgezählten Interessen zu berücksichtigen. Für Analogieschlüsse von einem Gewässer zu einem anderen bleibt kein Platz (Eckert, Restwassermengen, 78). Die Interessenabwägung ist zwingend vorzunehmen (BGE 120 Ib 233, 245 f. [Geisslibach], E. 7c; zur Frage, ob auch die Erhöhung zwingend vorzunehmen ist vgl. N 48 ff.).

 

 

III.        Interessenabwägung (Abs. 1)

A.           Allgemeines

07. Die Interessenabwägung gemäss Art. 33 Abs. 1 GSchG ist als «angeleitete Interessenabwägung» mit Pro und Contra ausgestaltet (Brunner/Looser, Schutzintensität, 18). Die Vollzugsbehörde wird verpflichtet, die Mindestrestwassermenge zu erhöhen «in dem Ausmass, als es sich aufgrund einer Abwägung der Interessen für und gegen die vorgesehene Wasserentnahme ergibt.» Anschliessend sind vier relevante Interessen für (Abs. 2) und fünf gegen (Abs. 3) die Wasserentnahme aufgeführt. Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass einzelne Interessen übersehen werden (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1137). Die Aufzählung ist nicht abschliessend (s. z.B. BGE 125 II 18, 20 [Wynau II], E. 4a bb, in: URP 1999, 146). Die aufgezählten Interessen machen deutlich, dass der Gesetzgeber in erster Linie an Wasserentnahmen zur Energienutzung gedacht hat (vgl. N 23, 42).

08. Zu berücksichtigende Interessen sind einerseits die in Art. 33 Abs. 2 und 3 GSchG namentlich genannten, die in jedem Fall in die Interessenabwägung einbezogen werden müssen (Botschaft GSchG 1987, 1138; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 58, 60; Griffel, Grundprinzipen, N 391). Andererseits sind auch relevante weitere öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen (dazu N 29, 43 f.). Die Beurteilung der Interessen für oder gegen eine Wasserentnahme ist nicht statisch, sondern kann sich im Laufe der Zeit wandeln, nicht nur, wenn gesetzliche Vorschriften geändert werden (betr. Energiegesetzgebung vgl. N 25 ff., Vor Art. 29–36 GSchG N 47 ff.), sondern auch bei Veränderungen von gesellschaftlichen Anschauungen und Werten.

09. Das Vorgehen bei einer Interessenabwägung erfolgt schrittweise: Die betroffenen Interessen müssen erstens vollständig ermittelt, zweitens bewertet bzw. beurteilt und drittens aufgrund der Beurteilung möglichst umfassend berücksichtigt werden (vgl. Art. 3 RPV; BFE/BAFU, Bewertung, 86 f., 118 ff. mit einer anschaulichen Beschreibung des Vorgehens; Brunner/Looser, Schutzintensität, 19 ff; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 34 ff.; Wullschleger, Interessenabwägung, 80 f.).

10. Die Abwägung einer Gesamtinteressenlage erfordert von der Behörde in erster Linie, die rechtserheblichen Interessen vollständig zu berücksichtigen und anschliessend deren Gewichtung mit sachgerechten Erwägungen sorgfältig vorzunehmen (z.B. BGE 119 Ib 254 [Curciusa], E. 2a, 8b, in: URP 1993, 403; 120 Ib 233, 239 [Geisslibach], E. 3e). Von ausschlaggebender Bedeutung ist deshalb die Sachverhaltsabklärung bzw. die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse, an die das Bundesgericht hohe Anforderungen stellt und die häufig nicht genügen (vgl. z.B. BGE 120 Ib, 233, 239 [Geisslibach], E. 3e; 126 II 283 [Lungerersee], E. 4b; BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.3, in: URP 2014, 351; vgl. auch N 73). Es ist selbstverständlich nicht zulässig, die Auswirkungen von festgelegten Restwassermengen auf ein Fischgewässer erst nachträglich, d.h. nach der Erteilung der Bewilligung zur Wasserentnahme, zu überprüfen (BGE 117 Ib 178, 190 f., E. 4c, ca, vgl. auch 3c, betreffend eine fischereirechtliche Bewilligung). Als Grundlage für die Sachverhaltsabklärung dient der Behörde der Restwasserbericht (N 67 ff., insb. 72 ff.)

11. Die einzelnen Interessen für oder gegen eine Wasserentnahme, z.B. die Anliegen der Landwirte (vgl. BGE 120 Ib 233, 247 f. [Geisslibach], E. 7c) oder die Bedeutung der Wasserführung eines Wasserfalls für das Landschaftsbild (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 5.1, in: URP 2003, 235) stellen einzelne Aspekte dar, die zum vorneherein weder für noch gegen eine Wasserentnahme sprechen. Notwendig ist vielmehr eine Gesamtabwägung der für oder gegen die Wasserentnahme sprechenden Interessen (BGE 125 II 18, 22 [Wynau II], E. 4a bb m.H., in: URP 1999, 146), mithin eine Optimierung der ermittelten und beurteilten Interessen (Tschannen/Zimmerli/ Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 37).

12. Schliesslich ist die Auseinandersetzung mit allen relevanten Interessen in der Begründung des Entscheids notwendig. Der Entscheid, der aufgrund der Interessenabwägung getroffen wird, muss nachvollziehbar begründet werden (BGE 119 Ib 254 [Curciusa], E. 8a, in: URP 1993, 403; Brunner/Looser, Schutzintensität 21 f.; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 38, zu den Rechtsfehlern der Interessenabwägung N 39 ff.). Der Verzicht auf eine Interessenabwägung – «eine umfassende Gewichtung der auf dem Spiele stehenden Interessen» – ist mit dem Bundesrecht nicht zu vereinbaren. Wenn Interessen gegen eine Wasserentnahme bestehen, muss begründet werden, inwiefern sie keine Erhöhung der Mindestrestwassermenge rechtfertigen (BGE 120 Ib 233, 246 [Geisslibach], E. 7d).

13. Ob die ermittelten Interessen im Rahmen der Interessenabwägung richtig gegeneinander abgewogen worden sind und ob die Gründe, die zur Nichtberücksichtigung bestimmter Interessen geführt haben, gesetzeskonform sind, sind in erster Linie Rechtsfragen, die das Bundesgericht frei überprüft. Dabei auferlegt es sich eine gewisse Zurückhaltung, wenn die Behörde gestützt auf Berichte von Fachstellen entschieden hat und im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts bestehen (z.B. BGE 125 II 591 [Wägital], E. 8a, in: URP 2000, 120; vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms]), E. 8.3, in: URP 2014, 351; N 79). Die Ermittlung der verschiedenen berührten Interessen ist als Tatfrage zu betrachten.

14. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung i.S.v. Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). «Offensichtlich unrichtig» bedeutet dabei «willkürlich» (BGE 135 III 127, E. 1.5). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung prüft das Bundesgericht nur insoweit, als eine solche Rüge vorgebracht worden ist. Dabei muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtliche Mangel leidet (vgl. BGE 134 II 244, E. 2.2 m.H.).

15. Die Restwasservorschriften (einschliesslich Art. 33 GSchG) müssen gemäss Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GSchV in Versickerungsabschnitten mit nicht ständiger Wasserführung (vgl. Art. 4 Bst. i GSchG) nicht erfüllt sein. Entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung hält das Bundesgericht auch für solche Gewässerabschnitte eine Interessenabwägung anhand der Kriterien von Art. 33 GSchG (und allenfalls eine Erhöhung der Restwassermenge) für notwendig, umso mehr als die Abwägung der betroffenen Interessen gemäss Art. 33 GSchG auch der Anwendung von Art. 22 WRG (dazu N 28) dient (BGE 126 II 283, 295 f. [Lungerersee], E. 4b, in: URP 2000, 679; vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 31). Befindet sich die zeitweise austrocknende Restwasserstrecke in einer Aue von nationaler Bedeutung, ist zu prüfen, ob sich die Wasserentnahme überhaupt als zulässig erweist, und wenn ja, wie sie zu rechtfertigen ist, sollen doch gemäss Art. 4 Abs. 1 AuenV solche Objekte ungeschmälert erhalten werden (E. 4a–b, 5a; zu den zu treffenden Abklärungen im Einzelnen E. 4b a.E.). Bei Abschnitten von Restwasserstrecken mit nicht ständiger Wasserführung müssen mindestens die erforderlichen Massnahmen nach NHG und BGF getroffen werden (Pestalozzi, Restwassermengen, 728). Dies ergibt sich schon daraus, dass gemäss Art. 33 Abs. 2 GSchV bei Wasserentnahmen aus Gewässern, die am Ort der Wasserentnahme keine ständige Wasserführung aufweisen, die nach NHG und BGF erforderlichen Massnahmen zu treffen sind. Es kann nicht sein, dass ein Restwasserabschnitt mit nicht ständiger Wasserführung schlechter geschützt ist als ein Gewässer, dem ohne Bewilligung nach Art. 29 GSchG Wasser entnommen werden darf.

 

B.            Interessen für die Wasserentnahme (Abs. 2)

1.             Öffentliche Interessen, denen die Wasserentnahme dienen soll (Bst. a)

16. Öffentliche Interessen im Sinn von Art. 33 Abs. 2 Bst. a GSchG sind beispielsweise wichtige Wassernutzungen wie Trinkwasser‑ oder Löschwasserversorgung (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 58) oder das Potenzial eines Speichersees, bei Hochwasser Wasser zurückzuhalten.

17. Aus Bst. a könnte man e contrario schliessen, dass es sich bei den Interessen gemäss Bst. b–d um private Interessen handelt. Das trifft nicht zu. Angesichts der grossen Bedeutung der Wassernutzung zur Energieerzeugung in manchen Bergkantonen ist auch die in Abs. 2 Bst. d separat erwähnte Wassernutzung zur Energieerzeugung nicht als privates, sondern in erster Linie als öffentliches Interesse zu betrachten (N 24 ff.; vgl. dazu Eckert, Restwassermengen, 80). Auch Interessen gemäss Bst. b und c können öffentliche Interessen sein.

2.             Wirtschaftliche Interessen des Wasserherkunftsgebiets (Bst. b)

18. Mit den wirtschaftlichen Interessen des Wasserherkunftsgebiets hat der Gesetzgeber in erster Linie an die Bedeutung der Wasserkraftnutzung in den Bergregionen gedacht (Eckert, Restwassermengen, 78 f.). Daneben können auch touristische Interessen ein wirtschaftliches Interessen des Wasserherkunftsgebiets für eine Wasserentnahme darstellen, z.B. die Verlängerung der Skisaison durch Pistenbeschneiungen (vgl. aber N 43).

19. Im Hinblick auf die Energiewende (vgl. N 8) ist die Bedeutung der Wasserkraftindustrie für die Bergregionen langfristig unverändert gross und vielfältig, trotz der gegenwärtig tiefen Strompreise. Wichtig für die Kantone und Gemeinden im Berggebiet sind die Einnahmen aus Wasserzinsen und Steuern aller Art, andere in den Konzessionsverträgen vereinbarte Leistungen wie z.B. Energiebezugsrechte, Mitfinanzierung von Infrastrukturanlagen, Abgabe von Wasser (Übersicht bei Jagmetti, Energierecht, N 4531–4548) und – je nach Ausgestaltung (dazu Wyer, Abgaben Wasserkraftnutzung, 562 ff.) – die Heimfallregelung. Von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung sind auch die Arbeitsplätze direkt in der Wasserkraftindustrie und indirekt im örtlichen Baugewerbe (Eckert, Restwassermengen, 79, mit Hinweisen zur Situation in Graubünden). Eine detaillierte Darlegung der Bedeutung der direkten Einnahmen der Wasserkraftnutzung für die Kantone AG, GR und VS mit Angaben für das Jahr 2003 und den Kanton BE für 2005 findet sich bei Wyer (Abgaben Wasserkraftnutzung, 549 ff.).

20. Die wirtschaftlichen Interessen des Wasserherkunftsgebiets können theoretisch dazu führen, dass je nach den momentanen wirtschaftlichen Interessen die angemessenen Restwassermengen grösser oder kleiner ausfallen (vgl. Kritik bei BFE/BAFU, Bewertung, 199). In der Praxis dürften Veränderungen dieser Interessen keine grosse Rolle spielen; sie sind aus Sicht der Wasserherkunftsgebiete immer sehr hoch.

3.             Wirtschaftliche Interessen desjenigen, der Wasser entnehmen will (Bst. c)

21. Auch bei Bst. c hat der Gesetzgeber in erster Linie an die Betreiber von Wasserkraftanlagen gedacht. Die Rentabilität einer Wasserkraftanlagen hängt direkt von der Höhe der Restwassermengen ab, welche die nutzbare Wassermenge beschränkt (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 58; Eckert, Restwassermengen, 79 f.; Riva, Wohlerworbene Rechte, 179 ff.). Es muss deshalb abgeklärt werden, wie sich unterschiedliche Erhöhungen der Mindestrestwassermenge auf die Energiegestehungskosten (unter Berücksichtigung der kostendeckenden Einspeisevergütung und allfälliger Subventionen) und den Betrieb der Anlage auswirken (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.3, in: URP 2014, 351; vgl. N 73). Auch dieses Kriterium eröffnet einen sehr grossen Beurteilungsspielraum; es ist deshalb daran zu erinnern, dass Art. 33 GSchG ökologisch angemessene Restwassermengen zum Ziel hat (BFE/BAFU, Bewertung, 199).

22. Wirtschaftliche Interessen der Landwirtschaft oder von Bergbahnbetreibern an Wasserentnahmen sind z.B. die Vermeidung eines allfälligen Ernteausfalls bei Trockenheit oder die Verlängerung der Skisaison. In beiden Fällen kann auch der Umstand, dass eine anderweitige Wasserbeschaffung teurer wäre als die vorgesehene, ein Interesse für die Wasserentnahme darstellen.

23. Dass die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Bewässerung als Interesse gegen die Wasserentnahme aufgezählt wird (N 41), ist darauf zurückzuführen, dass die Aufzählung der Interessen für bzw. gegen eine Wasserentnahme aus der Optik der Wasserkraftnutzung erfolgte (N 7).

4.             Energieversorgung, wenn ihr die Wasserentnahme dienen soll (Bst. d)

24. Das Interesse Energieversorgung allgemein, «wenn ihr die Wasserentnahme dienen soll», wurde vom Ständerat als zusätzliches Interesse in das Gesetz aufgenommen, obwohl es sich dabei um ein öffentliches Interesse i.S.v. Bst. a handelt (Eckert, Restwassermengen, 80, mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte; vgl. Jagmetti, Energierecht, N 4237, Fn. 339). Dieses Interesse ist nicht nur auf die inländische Stromversorgung beschränkt (Einzelheiten bei Eckert, Restwassermengen, 80).

25. Das Interesse an einer ausreichenden, breit gefächerten, sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung (Art. 89 Abs. 1 BV) wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Energiegesetzgebung gestärkt (zur Entwicklung des nationalen Energierechts s. Jagmetti, Energierecht, N 1301 ff.). Bereits in den 1980er-Jahren umfasste das Interesse im Sinn von Bst. d eine möglichst sichere, ausreichende und preisgünstige Energieversorgung (BGE 112 Ib 424, 439 f. [Val Müstair], E. 7b).

26. Gestützt auf Art. 24octies aBV (heute Art. 89 Abs. 2 BV) bezweckt das EnG von 1998 die verstärkte Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien (Art. 1 Abs. 2 Bst. c sowie Art. 3 Abs. 1 Bst. b). Im Jahr 2007 wurde der Zweckartikel des EnG ergänzt mit zahlenmässigen Zielvorgaben für die Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien und aus Wasserkraftwerken (Art. 1 Abs. 3 und 4 EnG). Als Förderinstrument wurde die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) eingeführt (vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.4.1, in: URP 2014, 351).

27. Auch wenn die Energiestrategie 2050 (Vor Art. 29–36 GSchG N 47 ff.) den Akzent noch weiter zugunsten der erneuerbaren Energien verschieben und damit das Interesse Energieversorgung weiter stärken sollte, würde dies bei einem Kleinwasserkraftwerk i.d.R. nicht bedeuten, dass dieses Interesse ein erhöhtes Gewicht gegenüber den ebenfalls in Verfassung und Gesetz verankerten Anliegen das Umwelt‑, Natur‑ und Landschutzes hätte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass jede Anlage, welche die KEV beansprucht, alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen muss. Vor dem Hintergrund der Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG und Art. 39 WRG sollen v.a. Anlagen realisiert werden, die mit möglichst geringen Eingriffen einen möglichst grossen Nutzen für die Stromproduktion bringen, anhand der Kriterien Leistung oder Produktion sowie der Fähigkeit, zeitlich flexibel und marktorientiert (v.a. im Winter) zu produzieren (vgl. BGE 140 II, 262 [Obergoms], E. 8.4.1, in: URP 2014, 351). Wesentlich dabei ist auch die Länge der durch die Wasserentnahme beeinträchtigten Restwasserstrecke bzw. das Gefälle der genutzten Gewässerstrecke im Verhältnis zur Stromproduktion (zu den Interessen betreffend Wasserkraftnutzung und Kriterien für deren Beurteilung vgl. BAFU/BFE/ARE, Kantonale Schutz‑ und Nutzungsstrategien, 18 ff.; zu den möglichen Auswirkungen der Energiestrategie 2050 bei grösseren Anlagen vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 50 f.).

28. In der Praxis sah das Bundesgericht bei einem Wasserkraftwerk mit einer Produktion von 290 GWh pro Jahr aus energiepolitischer Sicht ein grosses öffentliches Interesse an dessen Betrieb (BGer 1A.104/2001 vom 15. März 2002 [Eglisau], E. 5.5). In einem anderen Fall sah es in der Erhöhung der Produktion um 80 GWh pro Jahr ein gewichtiges regionales Interesse, dem jedoch das überwiegende Interesse an der Erhaltung einer «einzigartigen Aarelandschaft» gegenüberstand (BGE 109 Ib 214 [Wynau I], E. 6b, 7). Bei einem Kleinwasserkraftwerk (Produktion ca. 30.9 GWh pro Jahr, v.a. im Sommer, ungünstiges Verhältnis zwischen Länge der Restwasserstrecke und Stromproduktion) beurteilte das oberste Gericht den Beitrag an die einheimische Energieerzeugung als eher gering (BGE 140 II, 262 [Obergoms], E. 8.4.1, in: URP 2014, 351, dazu auch N 32, dritter Punkt, 63, dritter Punkt). Bei einem deutlich kleineren Kleinwasserkraftwerk (Produktion ca. 3.5 GWh pro Jahr) hielt es angesichts des öffentlichen Interesses an der Nutzung einheimischer regenerierbaren Energiequellen einen geringfügigen Eingriff in das Schutzziel eines BLN-Objektes für zulässig (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], E. 4.3, 4.6, in: URP 2003, 235, dazu auch N 56 ff.).

5.             Weitere Interessen

29. Die Interessen für Wasserentnahmen sind soweit ersichtlich praktisch vollständig erfasst (s. jedoch Komm. zu Art. 29 GSchG N 31, erster Punkt).

 

C.           Interessen gegen die Wasserentnahme (Abs. 3)

1.             Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement (Bst. a)

30. Ein wichtiges Interesse gegen die Wasserentnahme ist die Bedeutung von Fliessgewässern als Landschaftselement (Bst. a). Die Qualität einer Landschaft erschöpft sich nicht nur in einer anthropozentrisch ausgerichteten, visuellen Beurteilung, sondern es kommt ihr dort ein selbständiger Wert zu, wo natürliche Landschaftsformen und ‑elemente in ihrer Eigenart, Vielfalt und Schönheit als ganz besondere Erhaltungsziele angestrebt werden (BGE 127 II 273 [Bootssteg Ermatingen], E. 4e, in: URP 2001, 1039).

31. Fliessgewässer gestalten und prägen die Landschaft auf vielfältige Art und Weise, nicht nur optisch, sondern durch das Rauschen auch akustisch sowie durch die Vielfalt und Eigenart ihrer Erscheinungsformen (morphologische Vielfalt) und die Strömungs‑ und Fliessverhältnisse (VAW, Gebirgsbäche, 15, 48; vgl. auch BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.4.2, in: URP 2014, 351; BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], E. 4.5.5, in: URP 2003, 235). Bst. a ist bewusst offen formuliert. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht nur Gewässer in inventarisierten oder geschützten Landschaften genügend Restwasser aufweisen, sondern auch Gewässer in anderen Landschaften, wenn sie ein besonders wertvolles Landschaftselement darstellen (BAFU, Wegleitung Restwassermengen, 60).

32. In der Praxis spielt die Sichtbarkeit eines Gewässers im Hinblick auf seine Bedeutung als Landschaftselement häufig eine ausschlaggebende Rolle:

  • Fehlen besondere Erhaltungsziele zum Schutz der Landschaft um ihrer selbst willen wie z.B. bei den Giessbachfällen (Teil des BLN-Objektes Nr. 1511 «Giessbach»), die als Landschaftselement nur im Hinblick auf die Wahrnehmung durch die Betrachtenden geschützt werden, ist lediglich zu prüfen, ob und allenfalls inwiefern diese landschaftsästhetische und touristische Bedeutung des Gewässers durch die Wasserentnahme betroffen ist (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003, E. 4.5.1, in: URP 2003, 235).
  • Einem schlecht einsehbaren Wasserfall, dessen Umgebung durch eine Kantonsstrasse geprägt ist und dessen touristische Bedeutung demzufolge gering ist, kommt als Landschaftselement eine geringe Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr als wegen des schmalen Gewässerbetts der Charakter des Wasserfalls auch mit einer Restwassermenge von 1 m3/s weitgehend erhalten bleibt (BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laubeggfall], E. 5.3, in: URP 2013, 721).
  • Im Fall Obergoms beurteilte das Bundesgericht (BGE 140 II 262, E. 8.4.2, in: URP 2014, 351) die Bedeutung von zwei alpinen Fliessgewässern (Gonerliwasser, Gerewasser) als Landschaftselemente anhand folgender Kriterien (in Klammer die Beurteilung des Gonerliwassers): Qualität der Landschaft in der Umgebung der Gewässer («schönes, wildes Alpental mit sehr reicher, vielfältiger Tierwelt‑ und interessanter Flora»), rechtlicher Status dieser Landschaft (Landschaftsschutzgebiet von kantonaler Bedeutung), Qualität des Gewässer an sich und als Landschaftselement (bietet bei hoher Wasserführung «mit seinen zahlreichen Abstürzen und dem aus der Ferne hörbaren Rauschen ein eindrückliches Naturschauspiel»), Sichtbarkeit (gut sichtbar), Vorbelastung durch bestehende Bauten und Anlagen (nur schmaler Fussweg zum Fassungsstandort, Wasserfassung würde Ersteingriff darstellen). Die Wasserfassung Gonerliwasser hätte nur im Juni und im Juli Überlauf (Abfluss etwa ein Drittel bzw. ein Viertel des natürlichen mittleren Abflusses). In den übrigen zehn Monaten würde die Restwassermenge bei der Fassung im Monatsmittel 62 l/s betragen (E. 8.4.2 i.V.m. 5.2). Die Dynamik ginge verloren. Das Gerewasser tritt aufgrund der Geländestrukturen weniger prominent in Erscheinung und ist durch menschliche Eingriffe deutlich vorbelastet. Zudem führt die Einmündung eines Baches kurz nach der Wasserfassung zu einer verbesserten Gewässerdynamik (s. auch N 21, 26 f., 33 zum Resultat der Interessenabwägung N 63, dritter Punkt).

2.             Bedeutung der Gewässer als Lebensraum für Tier‑ und Pflanzenwelt (Bst. b)33. Als Interesse gegen die Wasserentnahme gilt die Bedeutung der Gewässer als Lebensraum für die gewässerabhängige Tier‑ und Pflanzenwelt, samt deren Artenreichtum, namentlich auch für die Fischfauna, deren Ertragsreichtum und natürliche Fortpflanzung. Angestrebt wird die Erhaltung aller Lebensräume und der davon abhängigen Tiere und Pflanzen, insbesondere diequantitative Erhaltung der Fische (Fischertrag) sowie deren natürliche Fortpflanzung in allen dafür geeigneten Gewässern (vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 7.2 a.E., in: URP 2014, 351; BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 60 ff., Tab.1; Eckert, Restwassermengen, 81).

34. Von besonderer Bedeutung ist die Dynamik der Wasserführung. Eine reduzierte Wasserführung ohne Dynamik kann zu einer Verschlechterung der Längs‑ und Quervernetzung und damit zu einer Beeinträchtigung von aquatischen Lebensräumen und Uferbereichen führen. Neben einer flächenmässigen Abnahme der Lebensräume leidet auch deren Qualität, da insbesondere hohe Fliessgeschwindigkeiten fehlen (vgl. BGE 140 II 262, E. 8.4.2 a.E., in: URP 2014, 351; vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 4). Nicht nur im Hinblick auf die Restwassermenge, sondern in erster Linie im Hinblick auf die Erhaltung der Dynamik eines Fliessgewässers ist es günstig, wenn kurz nach der Wasserfassung ein Seitenbach in die Restwasserstrecke mündet (vgl. Kantonsgericht VS, Urteil vom 19. April 2012 [A1 11 94], E. 8.2.3). Die zeitweise Erhöhung der Mindestrestwassermenge kann auch notwendig sein zur Sicherstellung eines zeitweisen ökologischen Kontinuums zwischen zwei Gewässerabschnitten mit ständiger Wasserführung, die durch einen Abschnitt mit nicht ständiger Wasserführung voneinander getrennt sind (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 72; s. N 15).

35. In Bezug auf Art. 33 Abs. 3 Bst. a GSchG ist festzuhalten, dass sich die Zielsetzung dieser Bestimmung und jene von Bst. b teilweise decken. Merkmale, die für die Bedeutung der Gewässer als Lebensraum wichtig sind (z.B. naturnahe Gestaltung, dynamischer Abfluss, vielfältige Pflanzenwelt) tragen auch zur Bedeutung der Gewässer als Landschaftelemente bei.

36. Im Vergleich zu Art. 31 Abs. 2 Bst. c, d und e GSchG (Komm. zu Art. 31 GSchG N 47 ff., 59 ff., 67 f.) geht es bei Art. 33 Abs. 3 Bst. b GSchG nicht nur um die Erhaltung seltener Lebensräume sowie die Erhaltung der Fortpflanzungsfähigkeit der Fischpopulationen, sondern generell um die Bedeutung der Gewässer als Lebensraum für alle davon abhängigen Tiere und Pflanzen (N 33; vgl. BUWAL, Restwassermengen, 62).

3.             Langfristige Erhaltung der Wasserqualität (Bst. c)37. Im Unterschied zu Art. 31 Abs. 2 Bst. a GSchG , wonach die Anforderungen an die Wasserqualität (Anh. 2 GSchV) lediglich zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung erfüllt werden müssen (Komm. zu Art. 31 GSchG N 41), bezweckt Art. 33 Abs. 2 Bst. c GSchG, dass die Anforderungen der GSchV an die Wasserqualität langfristig erfüllt werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 61 f., Tab. 1).

38. «Langfristig» bedeutet für die Dauer der Wasserentnahmebewilligung bzw. der Konzession. Wenn in dieser Zeit mit einer erhöhten Belastung des Gewässers gerechnet werden muss, z.B. weil zahlreiche noch nicht überbaute Bauzonen vorhanden sind oder weil in Baugesetzen die zulässige Ausnützung wesentlich erhöht werden soll, sodass eine Zunahme der Abwassermengen zu erwarten ist, ist eine Erhöhung der Mindestrestwassermenge geboten.

4.             Erhaltung eines ausgeglichenen Grundwasserhaushalts (Bst. d)39. Bst. d bezweckt die Erhaltung eines ausgeglichenen Grundwasserhaushalts, damit die künftige Nutzung des Grundwassers sichergestellt ist.

40. Damit sollen als Funktionen des Grundwassers die künftige Trinkwassergewinnung, die ortsübliche Bodennutzung und eine standortgerechte Vegetation, insbesondere auch die Auenvegetation, gewährleistet werden. Dies geht zeitlich und inhaltlich deutlich über die Anforderung von Art. 31 Abs. 2 Bst. b GSchG (Komm. zu Art. 31 GSchG N 43 f.) hinaus, wonach lediglich die gegenwärtige Trinkwassergewinnung sichergestellt und keine wesentliche Beeinträchtigung des Wasserhaushalts landwirtschaftlich genutzter Böden angestrebt wird (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 61 f., Tab. 1). Es sollen alle Grundwasservorkommen erhalten werden, die durch die Wasserentnahme betroffen sind, nicht nur jene im unmittelbaren Uferbereich.

5.             Sicherstellung der landwirtschaftliche Bewässerung (Bst. e)41. Die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Bewässerung kann nur bei einer Wasserentnahme für nicht landwirtschaftliche Zwecke, z.B. zur Wasserkraftnutzung, als Interesse gegen eine Wasserentnahme betrachtet werden (vgl. N 23). Die Restwassermengen sollen so bemessen sein, dass eine Wasserentnahme zur landwirtschaftlichen Bewässerung aus der Restwasserstrecke weiterhin gewährleistet ist (s. auch N 65 f.). Es ist mit dem Bundesgericht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Wasserentnahmen für die landwirtschaftliche Bewässerung privilegieren wollte – jedenfalls gegenüber der Wasserkraftnutzung – und zwar nicht nur im Hinblick auf das Landschaftsbild zum Schutz vor Vergandung (BGE 120 Ib 233, 245 [Geisslibach], E. 7c; 112 Ib 424, 436 f. [Val Müstair], E. 6c; vgl. auch Art. 32 Bst. d GSchG; a.M. Eckert, Restwassermengen, 82 f.).

42. Bei einer Wasserentnahme für eine Bewässerungsanlage ist die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Bewässerung selbstverständlich ein Interesse für die Wasserentnahme im Sinn von Art. 33 Abs. 2 Bst. c GSchG (N 22).

6.             Weitere Interessen43. Wirtschaftliche Interessen des Wasserherkunftsgebiets oder anderer Akteure können auch Interessen gegen eine Wasserentnahme darstellen, z.B. das Interesse einer Gemeinde oder Region an einer intakten Landschaft mit Wasserfällen und rauschenden Bergbächen im Hinblick auf die touristische Entwicklung und die damit verbundenen Arbeitsplätze (SGS, Restwassernutzung, 30). Gegen eine Wasserentnahme kann auch das private Interesse eines Unternehmens sprechen, welches Schlauchbootfahrten anbietet und dazu auf eine gewisse Wassertiefe angewiesen ist, ebenso das Interesse eines Unternehmens und der Standortgemeinde an einer bedeutenden, kommerziell genutzten Quelle, deren Schüttung infolge von Wasserentnahmen aus Fliessgewässern in ihrer Umgebung zurückgehen könnte.

44. Als Interesse gegen eine Wasserentnahme kommen weiter ideelle Interessen einer Gemeinde oder Region an einer einmaligen Landschaft in Betracht. Verzichtet ein Gemeinwesen auf die Wasserkraftnutzung, hat es u.U. Anspruch auf Ausgleichsbeiträge gemäss VAEW.

 

D.           Resultat der Interessenabwägung

1.             Allgemeines45. Art. 33 Abs. 1 GSchG sieht als einzige Massnahme die Erhöhung der Mindestrestwassermenge aufgrund einer Interessenabwägung (dazu N 9 ff.) vor. Wenn der notwendige Schutz der Gewässer mit anderen Massnahmen sichergestellt werden kann, kommen solche Massnahmen statt einer Erhöhung der Mindestrestwassermenge grundsätzlich ebenfalls in Betracht (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 57; dazu N 65 f.).

46. Der Schutz des landschaftlichen Bildes gemäss Art. 22 WRG und die umfassende Interessenabwägung gestützt auf Art. 39 WRG können über eine blosse Erhöhung der Mindestrestwassermenge nach Art. 33 GSchG hinaus den Verzicht auf die Fassung eines Fliessgewässers gebieten (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 4.4, 5.2 m.H., in: URP 2014, 351, dazu auch N 21, 26 ff., 31 f., 63, dritter Punkt).

47. Gegenstand der Interessenabwägung nach Art. 33 Abs. 1 GSchG kann immer nur eine die Mindestrestwassermenge (nach Art. 31 oder 32 GSchG) übersteigende Restwassermenge sein (Botschaft GSchG 1987, 1089, 1136 f.; vgl. N 5 f.).

48. Der Behörde steht Auswahlermessen hinsichtlich des Ausmasses der Erhöhung und Entschliessungsermessen (dazu Komm. zu Art. 32 N 18) hinsichtlich der Erhöhung als solcher zu (bundesgerichtliche Rechtsprechung s. N 53; Brunner/Looser, Schutzintensität, Tabellarische Übersicht II, 21; Jagmetti, Energierecht, N 4237, wonach eine Erhöhung vorzunehmen sei, «wenn die gesetzlich festgelegten Interessen an der Wasserentnahme weniger schwer wiegen als die im Gesetz ebenfalls aufgezählten Interessen an ihrer Unterlassung»).

49. Gestützt auf die Ausführungen in der Botschaft und den Wortlaut der Bestimmung («Die Behörde erhöht …» bzw. «L’autorité fixe un débit résiduel supérieur aussi élevé que possible …») wird in Wissenschaft und Lehre die Auffassung vertreten, damit sei «der Wille des Gesetzgebers klar, dass die nach Art. 31 GSchG bestimmte Mindestrestwassermenge gemäss Art. 33 GSchG grundsätzlich immer erhöht werden muss und deshalb in der Regel nur das Ausmass der Erhöhung im Rahmen der […] Interessenabwägung zu ermitteln ist»; ein völliger Verzicht auf eine Erhöhung sei nur in speziell gelagerten Ausnahmefällen mit spezieller Begründung zulässig (Pestalozzi, Restwassermengen, 720 f.; im Ergebnis gl.M. Eckert, Restwassermengen, 83, Fn. 393, mit berechtigter Kritik an der Begründung von Pestalozzi). Daraus wird abgeleitet, den Behörden komme nur hinsichtlich des Ausmasses der Erhöhung ein Ermessensspielraum zu, nicht aber hinsichtlich der Erhöhung als solcher (Griffel, Grundprinzipien, N 391 a.E.). Würdigt man den Umstand, dass die Erhöhung nach Art. 33 GSchG als zweite Stufe der Festlegung angemessener Restwassermengen dienen soll, erscheint diese Auffassung an sich folgerichtig (vgl. jedoch Vor Art 29–36 GSchG N 26).

50. In der parlamentarischen Beratung findet sie jedoch keine Stütze. Vielmehr sollten die Kantone in Art. 33 GSchG «einen sehr weiten Spielraum haben, dies ergibt sich auch aus ihrer Gewässerhoheit» (Hefti [Berichterstatter], AB 1988 S 660). Dies spricht dafür, dass es zulässig ist, aufgrund einer Interessenabwägung von einer Erhöhung der Mindestrestwassermenge abzusehen. Zudem sind auch die Ausführungen in der Botschaft ambivalent: Einerseits lassen sie – wie auch der Wortlaut der Bestimmung – auf eine Verpflichtung zur Erhöhung schliessen (Botschaft GSchG 1987, 1089, 1136). Andererseits wird davon ausgegangen, dass die zweistufige Lösung zur Festlegung angemessener Restwassermengen den Kantonen einen erheblichen Ermessensspielraum einräumt (Botschaft GSchG 1987, 1089, 1092). Wären die Kantone gezwungen, praktisch in jedem Fall eine Erhöhung der Mindestrestwassermenge vorzunehmen, bestünde kein erheblicher Ermessensspielraum.

51. In der kantonalen Praxis nutzen die meisten Behörden ihren Spielraum aus, indem sie eine auffallende Zurückhaltung bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 1 GSchG zeigen und selten eine Erhöhung vornehmen (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 87). Jedoch legte der Kanton GL bei der Neukonzessionierung der Kraftwerke Linth-Limmern bei neun von 19 Fassungen Erhöhungen der nach Art. 31 GSchG ermittelten minimalen Restwassermengen fest (Marti, Neukonzessionierung Linth-Limmern, 296). Die Interessenabwägung wurde anhand eines behördeninternen Schemas vorgenommen, bei welchem sowohl die Interessen für als auch jene gegen eine Wasserentnahme mit Punkten quantifiziert wurden. Überwog die Punktzahl gegen eine Wasserentnahme jene für die Wasserentnahme, wurde die Mindestrestwassermenge erhöht. Diese Methodik erlaubt es, die Interessenabwägung leichter nachvollziehen zu können.

52. Es ist überdies zu berücksichtigen, dass in manchen Fällen eine Erhöhung der Mindestrestwassermenge nicht notwendig ist, sei es, dass die aufgrund von Art. 31 Abs. 2 GSchG vorgenommene Erhöhung auch die Anforderungen nach Art. 33 Abs. 3 GSchG erfüllt, sei es, dass keine Interessen gegen die Wasserentnahme bestehen oder sei es, dass mit einer Erhöhung keine wesentliche Verbesserung für das Gewässer erreicht wird.

53. Gerichtspraxis betreffend Auswahl‑ und Entschliessungsermessen:

  • Wird von keiner Seite geltend gemacht, es lägen Gründe für eine Erhöhung vor, ist eine für den Winter festgesetzte Restwassermenge von 140 l/s (bei einer Abflussmenge Q347 von 155 l/s) nicht zu beanstanden (BGE 126 II 283 [Lungerersee], nicht publizierte E. 7a).
  • Wenn die entscheidende Behörde aufgrund eines Augenscheins und aufgrund nachvollziehbarer Erwägungen zum Ergebnis gelangt, dass der Gewinn einer Erhöhung der Mindestrestwassermenge im Sommer für das Landschaftsbild in keinem Verhältnis zur Minderproduktion an Energie stehe, besteht für das Bundesgericht kein Anlass, diese Interessenabwägung umzustossen (BGE 126 II 283 [Lungerersee], nicht publizierte E. 7b, s. auch Komm. zu Art. 35 GSchG N 42).
  • Wenn die Anordnung höherer Restwassermengen weder für die Landschaft noch für die Biotope und die darin lebende Fauna und Flora eine wesentliche Verbesserung bringen würde, sind die Anforderungen von Art. 33 Abs. 3 Bst. a und b GSchG erfüllt. Eine Erhöhung der Restwassermengen ohne Gewähr für eine entsprechende Verbesserung würde den Zielen der Energiepolitik, die nach Art. 33 Abs. 2 Bst. d GSchG ein ausdrücklich genanntes Interesse für die Wasserentnahme darstellt, widersprechen (BGer 1C_67/2011 vom 19. April 2012 [Borgne], E. 8, zusammengefasst in: URP 2013, 72).
  • Kommt einem Wasserfall als Landschaftselement zwar eine gewisse Bedeutung zu, führt die Fassung des Wassers aber nicht zu einem vollständigen Verlust des Wasserfalls, besteht kein Grund, eine Dotierwassermenge anzuordnen (BGE 119 Ib 254, 285 f., E. 9l). Bei diesem Entscheid spielte weiter ein Rolle, dass der Wasserfall auch bei Trockenheit während der Sommermonate kein oder nur wenig Wasser führt und es sich nicht um den einzigen Wasserfall im Tal handelt.

54. Die Abwägung der Interessen nach Art. 33 Abs. 1–3 GSchG dient auch der Anwendung andere Bestimmungen des Bundesrechts und des kantonalen Rechts. Besonders zu erwähnen sind die Vorschriften zum Schutz der Landschaft (Art. 3 und 5 f. NHG, Art. 22 WRG sowie kantonale Vorschriften). Im Rahmen der Verleihung von Wasserrechten hat die Behörde nicht nur gestützt auf Art. 33 GSchG eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, sondern in erster Linie gemäss Art. 39 WRG. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Bestimmungen über die Restwassermengen sowie Art. 22 WRG respektiert werden (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 4.4, 4.5, in: URP 2014, 351; BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], E. 5.1, in: URP 2003, 235). Nach Art. 22 WRG sind Naturschönheiten zu schonen und da, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert zu erhalten (Abs. 1). Wasserwerke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild nicht oder möglichst wenig stören (Abs. 2).

55. Eine umfassende Beurteilung sämtlicher raum‑ und umweltrelevanter Gesichtspunkte ist auch im Rahmen der Nutzungsplanung vorzunehmen (z.B. BGE 123 II 88, E. 2a), ebenso bei der Erteilung oder Verweigerung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG (z.B. BGE 134 II 97, E. 3.1 m.H.). Auch in diesen Verfahren (z.B. für eine Beschneiungs- oder eine Bewässerungsanlage) ist zu prüfen, ob die Bestimmungen über die Restwassermengen und den Schutz der Landschaft eingehalten werden. Art. 3 Abs. 1 NHG verlangt, dass bei der Erfüllung von Bundesaufgaben das heimatliche Landschafts‑ und Ortbild sowie Natur‑ und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben.

56. Ein Spezialfall ist die Interessenabwägung bei Wasserentnahmen in BLN-Objekten. Gemäss geltender Gesetzgebung verdient ein solches Objekt die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls die grösstmögliche Schonung (Art. 6 Abs. 1 NHG). Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung darf bei Erfüllung einer Bundesaufgabe nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr bestimmte gleich‑ oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 NHG). Sind bei der Erteilung einer Wasserrechtskonzession betreffend Landschaftsschutz Art. 22 WRG, Art. 33 Abs.3 Bst. a GSchG und Art. 6 NHG anzuwenden, ist die letztgenannte Bestimmung, welche die strengsten Anforderungen stellt, zuerst anzuwenden (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 4, in: URP 2003, 235).

57. Ein leichter Eingriff ist zulässig, wenn er im Rahmen einer Interessenabwägung als gerechtfertigt erscheint und nicht negative Präjudizien für eine Folgeeentwicklung zu erwarten sind (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 4.1). Damit die Beeinträchtigung durch ein Kleinwasserkraftwerk, an welchem kein nationales Interesse besteht, in einem BLN-Gebiet noch als leichten und damit zulässigen Eingriff beurteilt werden konnte, mussten die Restwassermengen in den Monaten September und Oktober erhöht werden (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 4.3–4.6; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 239 f.). Dabei war unerheblich, ob dadurch die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks in Frage gestellt würde. Ohne diese Erhöhung wäre die Wasserentnahme nicht zulässig gewesen. Das NHG dient somit dazu, das Interesse «Gewässer als Landschaftselement» zu konkretisieren. Die Erhöhung der Mindestrestwassermengen erfolgte jedoch gestützt auf Art. 33 Abs. 3 Bst. a GSchG im Interesse der Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 5.1).

58. Die Auffassung, landschaftsbestimmende Elemente könnten dazu führen, dass Restwassermengen festgesetzt werden, die das vom GSchG verlangte Mass übersteigen würden (Jagmetti, Energierecht, N 4233, Fn. 326), trifft deshalb nicht zu.

59. Die Auffassung von Jagmetti geht wohl auf folgende Bemerkung des Bundesgerichts zurück (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 5.1): «Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Vorschriften des Gewässerschutzgesetzes über die Festsetzung der Restwassermenge (Art. 29 ff.) korrekt angewendet wurden. Seine Erwägungen hierzu sind einlässlich und zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann.» Diese Bemerkung betrifft alle Aspekte der Festsetzung der Restwassermengen mit Ausnahme der Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement. Dies ergibt sich aus den weiteren Ausführungen des Gerichts zur Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement im Rahmen der Festlegung der Restwassermenge und dem anschliessenden Satz: «Die weitere Interessenabwägung gemäss Art. 33 GSchG und Art. 22 WRG wurde vom Verwaltungsgericht zutreffend vorgenommen» (BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2002 [Giessbach], E. 5.1).

2.             Erhöhung der Mindestrestwassermenge60. Das Mass der Erhöhung hängt ab vom Resultat der Interessenabwägung sowie von den Zielen, die mit der Erhöhung erreicht werden sollen (vgl. Art. 33 Abs. 3 Bst. a–e GSchG, s. N 30 ff., s. auch N 15). Dabei ist auch die natürlicherweise im Gewässer vorhandene Restwassermenge bzw. das zufliessende Wasser des Zwischeneinzugsgebiet zu berücksichtigen (BGE 126 II 283, 299 [Lungerersee], E. 5b, in: URP 2000, 679). Ein Seitengewässer, das kurz nach der Wasserfassung in die Restwasserstrecke mündet, verbessert die Gewässerdynamik und mildert die landschaftliche Beeinträchtigung, ohne dass die Mindestrestwassermenge erhöht werden müsste (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.4.3, in: URP 2014, 351). Zu beachten ist, dass das aus dem Zwischeneinzugsgebiet zufliessende Wasser bereits bei der Erhöhung der rechnerisch ermittelten Mindestrestwassermengen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG berücksichtigt wird (vgl. BGE 140 II 262, E. 8.4.3 m.H. auf E. 7.2; vgl. Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 35).

61. Bei Projekten mit Wasserentnahmen aus mehreren Fliessgewässern muss bei jeder einzelnen Wasserentnahme ein Interessenabwägung im Hinblick auf die Erhöhung der Mindestrestwassermenge vorgenommen werden (BGE 120 Ib 233, 240 f. [Geisslibach], E. 5a). Dabei ist sowohl den Interessen der einzelnen Wasserentnahme als auch dem Interesse des gesamten Projekts Rechnung zu tragen (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 57 ff., Abb. 4.14).

62. Je nach dem Ziel, welches mit der Erhöhung der Mindestrestwassermengen erreicht werden soll, ist eine zeitliche Differenzierung unumgänglich. Bei Gewässern bzw. Gewässerabschnitten, deren landschaftsästhetische und touristische Bedeutung im Vordergrund steht (N 32), bietet sich die Möglichkeit, im Interesse der Betrachter die Mindestrestwassermenge abgestuft nach Saison oder Tageszeit – z.B. Wasserfall in Betrieb von 8–18 Uhr – zu erhöhen. Aus ökonomischer Sicht mögen solche Lösungen zweckmässig sein. Sie tragen jedoch dazu bei, die Landschaft zu trivialisieren. Erfolgt die Erhöhung im Hinblick auf die Bedeutung des Gewässers als Lebensraum, ist i.d.R. zur Aufrechterhaltung der Abflussdynamik eine jahreszeitlich variable Erhöhung erforderlich (N 33 f.). Sollen Grundwasservorkommen langfristig erhalten werden, sind zusätzlich zu einer generellen Erhöhung der Mindestrestwassermenge zeitweise erhöhte Abflüsse (mittlere Hochwasser) zur Verhinderung der Kolmatierung notwendig (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 45).

3.             Verzicht auf die Wasserentnahme63. Ausnahmsweise kann die Interessenabwägung dazu führen, dass auf die Wasserentnahme ganz verzichtet werden muss. In folgenden Fällen ist ein Verzicht angebracht oder notwendig:

  • Resultiert aus der Interessenabwägung eine so hohe Restwassermenge, dass die Wirtschaftlichkeit des Projekts, für welches das Wasser entnommen wird, nicht mehr gegeben ist, drängt sich ein Verzicht auf (vgl.
    BUWAL, Restwassermengen, 63 f., insb. Abb. 4.15).
  • Eine Wasserentnahme in einem BLN-Gebiet, die einen schweren Eingriff mit nachteiligen zukünftigen Auswirkungen darstellt, ist nicht zulässig (e contrario aus BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], E. 4.1–4.2, in: URP 2003, 235, vgl. N 57). Zu allfälligen Auswirkungen der Revision des EnG s. Vor Art. 29–36 GSchG N 49 ff.
  • Die Verpflichtung zum Schutz des landschaftlichen Bildes gemäss Art. 22 WRG und eine umfassende Interessenabwägung gestützt auf Art. 39 WRG sowie Art. 33 GSchG können ergeben, dass ein Eingriff nicht zu rechtfertigenist und auf die Fassung eines Fliessgewässers zur Wasserkraftnutzung auch ausserhalb eines BLN-Gebietes ganz zu verzichten ist (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 5.2 a.E., 8.4, in: URP 2014, 351).Im Fall Obergoms ergab die Abwägung aller erheblichen in Frage stehenden Interessen (vgl. N 26 ff., 32, dritter Punkt) durch das Bundesgericht, dass die geplante Fassung des Gonerliwassers einen bedeutenden Ersteingriff in eine wertvolle Landschaft darstellt, der nicht zu rechtfertigen ist (E. 8.4.3). Beim Gerewasser überwiegt hingegen das Interesse an der Wasserentnahme. Einerseits ist die zu nutzende Wassermenge grösser und andererseits ist das Gebiet nicht mehr unberührt, die Restwasserstrecke ist weniger gut einsehbar und die Einmündung eines Seitengewässers kurz nach der Fassung verbessert die Gewässerdynamik, mildert die landschaftliche Beeinträchtigung und reduziert die Verschlechterung der Lebensbedingungen für Wassertiere.
  • Die Verpflichtung zum Schutz des heimatlichen Landschaftsbildes z.B. gemäss Art. 3 Abs. 1 NHG und eine umfassende Interessenabwägung im Rahmen einer Nutzungsplanung oder gestützt auf Art. 24 RPG sowie auf Art. 33 GSchG können ergeben, dass ein Eingriff nicht zu rechtfertigen ist und auf die Fassung eines Fliessgewässers z.B. für eine Beschneiungs– oder eine Bewässerungsanlage zu verzichten ist (vgl. N 55).

64. Ein Verzicht auf eine Wasserentnahme kann sich auch bereits aufgrund von Art. 31 GSchG als notwendig erweisen, z.B. wenn mit einer geplanten Wasserentnahme zwingende gesetzliche Grenzen überschritten werden (vgl. Komm. zu Art. 32 GSchG N 57 ff.; vgl. BGE 126 II 283 295 ff. [Lungerersee] E. 4a–b, in: URP 2000, 679; N 15) oder wenn bereits die gemäss Art. 31 GSchG ermittelte Mindestrestwassermenge die Grenze der Wirtschaftlichkeit übersteigt (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 83, Abb. 4.15). Ein Verzicht kann auch zum Schutz eines besonders schutzwürdigen Lebensraums i.S.v. Art. 18 Abs. 1bis NHG in Betracht kommen, wenn dieser zu Unrecht nicht gestützt auf eine umfassende Interessenabwägung nach Art. 18 Abs. 1ter NHG geschützt wurde (vgl. BGE 118 Ib, 485, 487 ff., E. 3a–c; Fahrländer, Kommentar NHG, Art. 18, N 23 ff.).

4.             Andere Massnahmen65. Es besteht kein Grund, andere Massnahmen als die Erhöhung der Mindestrestwassermengen, mit denen den Interessen zum Schutz der Gewässer i.S.v. Art. 33 Abs. 3 GSchG allenfalls Rechnung getragen werden kann, auszuschliessen (N 45; mögliche Massnahmen s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 73 ff.). Da es bei Art. 33 GSchG um die Erhöhung der Mindestrestwassermenge geht, stehen andere Massnahmen nicht im Vordergrund. In erster Linie kommen sie in Betracht zur Erfüllung der Anforderungen an die Wasserqualität (Abs. 3 Bst. c) und zur Sicherstellung der landwirtschaftlichen Bewässerung (Abs. 3 Bst. e).

66. Statt durch Erhöhung der Mindestrestwassermenge bzw. durch höhere Dotierwasserabgaben (Komm. zu Art. 35 GSchG N 32) kann die landwirtschaftliche Bewässerung auch sichergestellt werden, indem der Konzessionär gestützt auf Art. 54 Bst. f WRG zur Abgabe von Wasser verpflichtet wird (Jagmetti, Energierecht, N 4546).

 

IV.        Restwasserbericht (Abs. 4)

67. Wer einem Gewässer Wasser entnehmen will (Gesuchstellerin oder Gesuchsteller), unterbereitet der Behörde einen Bericht. Dieser Bericht wird als Restwasserbericht bezeichnet (vgl. Art. 35 Abs. 1 GSchV). Der Gesuchsteller hat die Pflicht, den Bericht selber zu erstellen oder ihn erstellen zu lassen (zu den Aufgaben des Gesuchstellers s. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 25 ff.).

68. Bei Wasserentnahmen für Anlagen, die der UVP unterliegen (dazu N 78), ist der Restwasserbericht Teil des UVB (Art. 35 Abs. 1 GSchV; zur Pflicht zur Berichtsverfassung, den Phasen zur Ausarbeitung des Berichts und der Kooperation zwischen Gesuchsteller und Fachstelle s. Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 103 ff.).

69. Mit der Pflicht, einen Restwasserbericht zu unterbreiten, geht die Pflicht einher, die erforderlichen Daten und Unterlagen zu beschaffen. Mit der Erarbeitung von Restwasserberichten werden i.d.R. spezialisierte Fachpersonen beauftragt.

70. Umfang und Detaillierungsgrad der Abklärungen hängen von Art und Ausmass der geplanten Wasserentnahme sowie vom ökologischen Wert des Gewässers ab. Es wird empfohlen, sich frühzeitig bei der zuständigen Behörde bzw. der zuständigen Fachstelle über die Anforderungen im Einzelnen zu informieren.

71. Ein Restwasserbericht ist erforderlich für alle Wasserentnahmen, die nach Art. 30 Bst. a GSchG bewilligt werden sollen, unabhängig von deren Zweck – nicht aber für Wasserentnahmen, die nach Art. 30 Bst. b oder c GSchG bewilligt werden (Eckert, Restwassermenge, 106; vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 9, zu den in diesen Fällen erforderlichen Unterlagen N 38 f.).

72. Der Restwasserbericht dient der Behörde als Grundlage für die Interessenabwägung nach Art. 33 Abs. 1 GSchG (s. N 10), aber auch für die Erteilung der Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 45). Die Behörde ist auf Unterlagen angewiesen, aus denen die erheblichen Interessen für (N 16 ff.) und gegen (N 30 ff.) eine Wasserentnahme sowie die konkreten Auswirkungen des Projekts auf die beiden Interessengruppen hervorgehen. Der Bericht muss sich mit diesen Interessen auseinandersetzen. Die Unterlagen nach Art. 33 Abs. 4 Bst. a GSchG dienen der Ermittlung der Interessen für, jene nach Bst. b der Ermittlung der Interessen gegen die Wasserentnahme bzw. gegen das Projekt (Botschaft GSchG 1987, 1138; Pestalozzi, Restwassermengen, 721 f.).

73. Der Inhalt des Berichts gemäss Art. 33 Abs. 4 GSchG muss zum einen aus einer Darstellung der wirtschaftlichen Interessen bestehen, nämlich der Auswirkungen unterschiedlich grosser Wasserentnahmen auf die Interessen an der Wasserentnahme, insbesondere auf die Herstellung von elektrischer Energie und deren Kosten (Bst. a). Zum andern hat der Bericht eine Darstellung der voraussichtlichen Beeinträchtigungen der Interessen gegen eine Wasserentnahme und über mögliche Massnahmen zu deren Verhinderung zu enthalten, mithin die voraussichtlichen Auswirkungen der Entnahme auf die Umwelt (Bst. b). Der Bericht muss insbesondere darlegen, wie sich unterschiedlich grosse Wasserentnahmen bzw. grössere und kleinere Dotierwassermengen auf den Gestehungspreis der zu produzierenden Energie auswirken (Botschaft GSchG 1987, 1138). Ein Restwasserbericht ist unvollständig, wenn er für ein Gewässer die Auswirkungen unterschiedlich grosser Wasserentnahmen ausblendet oder wenn er nicht aufzeigt und begündet, wo die Grenze der wirtschaftlichen Tragbarkeit liegt (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.3, in: URP 2014, 351). Solche Angaben sind jedoch nur möglich, wenn zuvor abgeklärt worden ist, welche Restwassermengen unter ökologischen und landschaftsschützerischen Gesichtspunkten erforderlich sind und welchen Einfluss auf die Schutzinteressen tiefer angesetzte Restwassermengen hätten (vgl. BGE 126 II 283, 296 [Lungerersee], E. 4b, in: URP 2000, 679).

74. Damit enthält Art. 33 Abs. 4 GSchG implizit weitere Anforderungen an den Restwasserbericht. Dieser hat auch alle Angaben zu enthalten, die notwendig sind, um beurteilen zu können, ob Art. 31 GSchG eingehalten und allfällige Ausnahmen gemäss Art. 32 GSchG (betreffend Schutz‑ und Nutzungsplanung vgl. Komm. zu Art. 32 GSchG N 72) zu Recht beansprucht werden (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 65 ff, Übersicht über Inhalt und Vorschlag zur Gliederung eines Restwasserberichts Tab. 2.). Wichtig ist, dass der Bericht neben nachvollziehbaren Angaben zur Wassermenge Q347 auch zuverlässige Angaben zu den ganzjährigen Abflussverhältnissen enthält, damit beurteilt werden kann, ob – allenfalls zeitlich unterschiedliche – Erhöhungen der zahlenmässig festgelegten Mindestrestwassermengen gestützt auf Art. 31 Abs. 2 und/oder Art. 33 GSchG erforderlich sind (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 78).

75. Das BAFU empfiehlt, im Bericht den Überlegungen zur Interessenabwägung Restwasserszenarien (Restwasser gemäss Art. 31 Abs. 1 und 2 GSchG, Restwasser gemäss Art. 32 GSchG, weitere Restwasserszenarien unter Berücksichtigung der im Einzelfall bestehenden Interessen) zugrunde zu legen (BAFU, Wegleitung Restwassermengen, 65 f.). Der Bericht soll einen Vorschlag des Gesuchstellers für aus seiner Sicht sinnvolle Dotierwassermegen enthalten. Überdies sollte im Bericht auch angegeben werden, wie der Gesuchsteller nachweisen wird, dass er die Dotierwassermenge einhält (Art. 36 Abs. 1 GSchG).

76. Für Restwasserberichte zu Wasserentnahmen, die nicht Teil eines UVP-pflichtigen Vorhabens sind, bestehen über Art. 33 Abs. 4 GSchG hinaus keine weiteren formalen Anforderungen. Die Berichte müssen so abgefasst sein, dass gestützt darauf eine sorgfältige Abwägung (mindestens) der in Art. 33 Abs. 2 und 3 GSchG genannten Interessen möglich ist. Der Bericht darf knapp, muss aber vollständig sein (BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laubeggfall], E. 3.4–3.6).

77. Der Detaillierungsgrad des Berichts hängt ab vom Ausmass der Auswirkungen einer Wasserentnahme auf das Gewässer. Je gewichtiger die Auswirkungen sind, desto detaillierter sollen sie dokumentiert werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 66).

78. Anlagen, die der UVP nach Art. 10a USG (früher Art. 9 USG 1983) unterliegen, sind z.B. Wasserkraftwerke von mehr als 3 MW, Beschneiungsanlagen mit mehr als 5 ha beschneibarer Fläche sowie Gesamtmeliorationen mit Bewässerungen von mehr als 20 ha (Anhang zu UVPV, Anlagetypen 21.3, 60.4 und 80.1 Bst. b). Die Anforderungen an einen UVB ergeben sich aus Art. 10b Abs. 2 Satz 2 Bst. a–c USG (unverändert aus Art. 9 Abs. 2 USG 1983 übernommen) sowie Art. 8 ff. UVPV (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 10b Abs. 2 N 1, 7 ff.; Einzelheiten zu den inhaltlichen Anforderungen vgl. Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 76 ff. [ohne N 84–86]).

79. Ein UVB muss vollständig und richtig sein (Art. 13 Abs. 1 UVPV). Das muss in gleicher Weise für Restwasserberichte gelten, die im Wesentlichen den gleichen Zweck wie eine UVP verfolgen (vgl. BGE 120 Ib 233, 238, E. 3d). Die Frage, ob die Feststellungen im Restwasserbericht tatsächlich zutreffen, beurteilt sich nach Art. 33 Abs. 1–3 GSchG, nicht nach Abs. 4 (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.3, in: URP 2014, 351). Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen Inhalt des Restwasserberichts (formelle Frage) und der materiellen bzw. inhaltlichen Frage, ob die Wasserentnahme den Vorgaben des GSchG entspricht (dazu Huber-Wälchli, Anmerkung zu BGE 140 II 262, 372 f.). Bei der Beurteilung der Berichte auf ihre Richtigkeit ist von der Fachstelle insbesondere zu prüfen, ob die verwendeten Daten plausibel sind (Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 117 ff.). Dies genügt jedoch nicht. Zwar muss die Fachstelle den Bericht nicht Satz für Satz und Zahl um Zahl nachprüfen, aber es empfiehlt sich, Restwasserberichte bzw. UVB sorgfältig zu prüfen, da die Angaben der Gesuchsteller manchmal auch in wesentlichen Punkten nicht richtig sind (z.B. BGE 140 II 62, vgl. E. 8.3 mit E. 8.4.3). Verlässt sich eine Behörde allzu leichtgläubig auf die Angaben im Bericht, besteht die Gefahr, dass die Interessenabwägung fehlerhaft wird (N 10; Komm. zu Art. 35 GSchG N 38).

80. Die materielle Beurteilung des Gesuchs für eine Wasserentnahme bzw. des Vorhabens, für welches die Wasserentnahme erforderlich ist, erfolgt bei UVP-pflichtigen Anlagen durch die Fachstelle, welche der für den Entscheid zuständigen Behörde einen Antrag stellt (Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 119 ff.). Bei Wasserentnahmen für nicht UVP-pflichtige Anlagen sind die interessierten Fachstellen anzuhören (Komm. zu Art. 35 GSchG N 39).

 

Résumé

Avec l’art. 33 LEaux, la Confédération satisfait aux obligations constitutionnelles imposées par l’art. 76 al. 3 Cst. (débit minimum convenable). Une augmentation des débits résiduels des art. 31 LEaux, respectivement art. 32 LEaux, doit être analysée au cas par cas en pesant les intérêts, même pour les sections de cours d’eau temporairement asséchées. La pondération de tous les intérêts en présence selon l’art. 33 LEaux se fait sous la forme d’une «pesée des intérêts guidée» sur la base des intérêts en faveur (al. 2) et des impératifs qui s’opposent (al. 3) à un prélèvement d’eau. La détermination des intérêts est une question de fait, qui ne pourra être revue par le Tribunal fédéral qu’avec un pouvoir de cognition limité (Art. 97 al. 1 LTF) alors que la pondération des intérêts est une question de droit qui peut être revue librement par le TF (art. 95 LTF).

Plaident en faveur d’un prélèvement selon l’art. 33 al. 2 LEaux des intérêts publics (let. a), par exemple le tourisme ou l’approvisionnement en énergie, les intérêts économiques de la région d’où provient l’eau (let. b), en particulier de l’industrie hydraulique, les intérêts économiques de la personne qui entend opérer le prélèvement (let. c), en particulier de l’exploitant de la centrale hydraulique ou de l’exploitation agricole, comme l’approvisionnement en énergie lorsqu’il nécessite un prélèvement d’eau (let. d).

S’opposent à un prélèvement d’eau selon l’art. 33 al. 3 LEaux l’importance du cours d’eau en tant qu’élément du paysage (let. a), l’importance du cours d’eau en tant qu’espace vital pour la faune et la flore (let. b), aussi bien la préservation qualitative mais aussi quantitative, le maintien d’un débit qui garantisse le respect des exigences quant à la qualité des eaux (let. c) pour la durée de l’autorisation ou de la concession, le maintien d’un régime équilibré des eaux souterraines (let. d) ainsi que le maintien de l’irrigation agricole (let. e) lorsque le prélèvement poursuit un autre objectif (par ex. force hydraulique). Une controverse existe dans la doctrine, concernant le fait de savoir si les autorités sur la base de la pesée des intérêts disposent uniquement d’un pouvoir d’appréciation de choix ou si l’autorité dispose également d’une véritable liberté d’appréciation (position du TF). Au final, lorsque l’augmentation des débits résiduels apporte une amélioration considérable pour la faune et la flore, les exigences de l’art. 33 al. 3 let. a et b sont remplies. Exceptionnellement, il est possible de renoncer suite à la pesée des intérêts au prélèvement d’eau, lorsque celui-ci porte une atteinte sévère ayant des effets négatifs injustifiables, notamment à la protection du paysage (Art. 22 et 39 LFH) ou à des biotopes particulièrement dignes de protection (Art. 18 al. 1bis et 1ter LPN).

En vertu de l’art. 33 al. 4 LEaux, le rapport exposant les intérêts pour (let. a) et contre (let. b) ainsi que les répercussions probables sert de base pour la pesée des intérêts. En conséquence, le rapport pour un prélèvement destiné à la production d’énergie doit exposer comment les différents débits de dotation influenceraient le prix de cette énergie. En outre, le rapport doit contenir tous les renseignements requis par les art. 31 s. LEaux. Pour les installations soumises à l’OEIE, le rapport fait partie du rapport d’impact sur l’environnement (Art. 35 al. 1 LEaux en relation avec l’art. 7 ss OEIE).

 

Literatur: Brunner Ursula/Looser Martin, Schutzintensität und Interessen im Umweltrecht – Eine Auswertung von neun umweltrechtlichen Erlassen, Schlussbericht zu einem Forschungsauftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Zürich 2012 (zit. Schutzintensität); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Huber-Wälchli Veronika, Anmerkung zu BGE 140 II 262, in: URP 2014, 369 (zit. Anmerkung BGE 140 II 262); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Marti Jakob, Neukonzessionierung der Kraftwerke Linth-Limmern in Linthtal aus der Sicht der Behörden, in: Wasser Energie Luft 2008, 295 ff. (Neukonzessionierung Linth-Limmern); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Schweizerische Greinastiftung (SGS), Restwassernutzung und Restwasser, Rechtsfragen, Vollzug und Entschädigungslösungen im Interesse unserer Fliessgewässer, <https://www.loretznet.com/kunden/greina-stiftung.ch/dokumente//energie/G-07-07-03%20WKW-RW%20AbschlussBericht-Titelblatt%20Phase%
20I-def.pdf>, 2007 (zit. Restwassernutzung); Wullschleger Stephan, Interessenabwägung im Umweltrecht, in: URP 1995, 75 ff. (zit. Interessenabwägung); Wyer Hans, Die öffentlichen Abgaben der Wasserkraftnutzung im Alpenraum – Rechtliche Natur und wirtschaftliche Bedeutung, Wien/Stuttgart/Zürich 2006 (zit. Abgaben Wasserkraftnutzung).

Materialien und amtliche Publikationen: Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (VAW) (Hrsg.) (verfasst durch Schälchli Ueli), Morphologie und Strömungsverhältnisse in Gebirgsbächen: ein Verfahren zur Festlegung von Restwasserabflüssen, in: Mitteilungen 113, Zürich 1991 (zit. Gebirgsbäche); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (verfasst durch Ott Walter/Bade Stephanie/Hürlimann Joachim/Leimbacher Jörg), Bewertung von Schutz-, Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen bei Wasserkraftanlagen, Bern 2008 (zit. Bewertung); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) (Hrsg.), Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke, Bern 2011 (zit. Kantonale Schutz- und Nutzungsstrategien).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen

Wird einem See oder einem Grundwasservorkommen Wasser entnommen und dadurch die Wasserführung eines Fliessgewässers wesentlich beeinflusst, so ist das Fliessgewässer sinngemäss nach den Artikeln 31–33 zu schützen.

Prélèvements d’eau dans les lacs et dans les nappes d’eaux souterraines

Lorsque des prélèvements opérés dans un lac ou dans une nappe d’eau souterraine influencent sensiblement le débit d’un cours d’eau, les art. 31 à 33 s’appliquent par analogie à la protection de ce cours d’eau.

Prelievi da laghi e da riserve di acque sotterranee

Quando prelievi effettuati da laghi o da falde freatiche influiscono sensibilmente sul deflusso di un corso d’acqua, quest’ultimo va protetto applicando per analogia gli articoli 31 a 33.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​ Geltungsbereich 3
III. Sinngemässe Anwendung von Art. 31–33 GSchG 6

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

01 Art. 27 Abs. 2 E-GSchG 1984 sah vor, dass bei Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen, welche die Wasserführung eines Fliessgewässers beeinflussen, für denjenigen Schutz des Fliessgewässers zu sorgen sei, der sich aus der sinngemässen Anwendung der Art. 30–35 E-GSchG 1984 ergebe. In diesen Bestimmungen war der Schutz von Fliessgewässern unterhalb einer Wasserentnahme geregelt.

02. Der heutige Art. 34 GSchG entspricht wörtlich dem Vorschlag des Bundesrats (Art. 34 E-GSchG 1987). Er wurde vom Parlament diskussionslos angenommen.

 

 

II.           Geltungsbereich

03. Art. 34 GSchG gilt für Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen, die einer Bewilligung nach Art. 29 Bst. b GSchG bedürfen (vgl. Komm zu Art. 29 GSchG N 15, 47 ff.) und die Voraussetzung für eine Bewilligung gestützt auf Art. 30 Bst. c GSchG (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 26) nicht erfüllen.

04. Der Geltungsbereich von Art. 34 GSchG erstreckt sich somit auf bewilligungspflichtige Wasserentnahmen:

  • aus Seen;
  • aus Grundwasservorkommen (inkl. Quellen), wenn die Entnahme nicht der Trinkwasserversorgung dient;
  • aus Grundwasservorkommen (inkl. Quellen), wenn die Entnahme der Trinkwasserversorgung dient und wenn einer Quelle im Jahresmittel mehr als 80 l/s und dem Grundwasser mehr als 100 l/s entnommen werden.

05. Nach dem Wortlaut geht es bei Art. 34 GSchG um Wasserentnahmen, welche die Wasserführung «eines Fliessgewässers» wesentlich beeinflussen. Aus der Systematik der Bestimmungen sowie aus dem Wortlaut von Art. 29 Bst. b GSchG, ergibt sich, dass Art. 34 GSchG nur für Wasserentnahmen gilt, wenn dadurch die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflusst wird (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 49 f.). Es handelt sich dabei um grössere Entnahmen.

 

 

III.        Sinngemässe Anwendung von Art. 31–33 GSchG

06. Art. 34 GSchG bezweckt den Schutz von Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung, deren Wasserführung durch die Wasserentnahme aus einem See oder einem Grundwasservorkommen wesentlich beeinflusst wird.

07. Damit die Behörde beurteilen kann, ob als Folge einer Wasserentnahme eine wesentliche Beeinflussung eines Fliessgewässers zu erwarten und die Wasserentnahme somit bewilligungspflichtig ist, muss der Gesuchsteller Abklärungen bezüglich Ausmass der Beeinflussung durchführen (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 59). I.d.R. müssen die Abflussregimes beim betroffenen Fliessgewässer ohne und mit der geplanten Wasserentnahme abgeschätzt werden und es sind Angaben zu anderen bestehenden und geplanten Entnahmen aus dem See oder dem Grundwasservorkommen zu machen, ebenso zu Wasserentnahmen aus dem betroffenen Fliessgewässer (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 75).

08. Wenn ein Fliessgewässer wesentlich beeinflusst wird, ist es sinngemäss nach Art. 31–33 GSchG zu schützen. Da die Auswirkungen von Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen auf Fliessgewässer meist nicht präzis ermittelt werden können, ist bei der Anwendung der Restwasserbestimmungen eine gewisse Flexibilität angebracht (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 75). Führt jedoch die Fassung einer Quelle zu einer wesentlichen Beeinflussung eines Quellbachs, kann dieser direkt nach Art. 31–33 GSchG geschützt werden (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 32).

09. Durch geeignete Massnahmen, z.B. eine mengenmässige Beschränkung der Wasserentnahme, muss grundsätzlich erreicht werden, dass im betroffenen Fliessgewässer die Anforderungen nach Art. 31–33 GSchG erfüllt sind
(Eckert, Restwassermengen, 104).

10. Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen sind weitere Grenzen gemäss anderen Bestimmungen des GSchG gesetzt, für Seen durch Art. 42 Abs. 1 GSchG, für Grundwasservorkommen durch 43 Abs. 1–3 und 6 GSchG (vgl. Jagmetti, Energierecht, N 4239).

11. Wenn eine Wasserentnahmebewilligung erforderlich ist, hat der Gesuchsteller einen Restwasserbericht (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 67 ff.) einzureichen, welcher darlegt, wie das Fliessgewässer sinngemäss nach Art. 31–33 GSchG geschützt werden soll und der die durchgeführten Abklärungen beschreibt:

  • Für die Abschätzung der Auswirkungen einer andauernden Wasserentnahme aus einem See kann in einer ersten Näherung die Annahme getroffen werden, die Entnahme erfolge am Seeauslass bzw. beim Beginn der Fliessstrecke (vgl. dazu VGer GL, Urteil vom 30. Oktober 2014 [VG.2014.00051], E. 4.4, 4.5). Bei kurzzeitigen Entnahmen kann versucht werden, die dämpfende Wirkung des Sees angemessen zu berücksichtigen.
  • Die Beurteilung der Auswirkungen von Wasserentnahmen aus Grundwasservorkommen auf Fliessgewässer bzw. generell auf Oberflächengewässer ist komplex und selbst unter Beizug ausgewiesener Spezialisten selten sicher abschätzbar. Erinnert sei an die ungewollte Wasserentnahme aus dem Grundwasservorkommen von Flims, als beim Bau des Umfahrungstunnels im Jahr 2002 ein Karstgrundwassersystem angebohrt wurde und dadurch eine neue Quelle entstand. Dies hatte Auswirkungen auf mehrere Fliessgewässer und Seen bei Flims, insbesondere den Caumasee und seine Zuflüsse (Schweizerisches Institut für Speläologie und Karstforschung/Gemeinde Flims, Wasserwege, 15 f., 21). In diesem Fall ging es «nur» um die Beurteilung einer bereits eingetretenen Wasserentnahme. Prognosen zu stellen ist naturgemäss noch viel schwieriger.

12. In der Praxis ist es zweckmässig, vor Erteilung einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG für eine Wasserentnahme aus einem Grundwasservorkommen oder einem See eine zeitlich befristete Bewilligung für einen Versuchsbetrieb der Wasserentnahme mit Auflagen betreffend die Erfassung der Auswirkungen zu erteilen. Anschliessend kann aufgrund der beim Versuchsbetrieb festgestellten Auswirkungen die definitive Bewilligung nach Art. 29 GSchG (und wenn nötig die Konzession) erteilt werden.

 

 

Résumé

Celui qui opère dans des lacs ou des nappes d’eaux souterraines un prélèvement qui influence sensiblement le débit d’un cours d’eau à débit permanent, doit être titulaire d’une autorisation selon l’art. 29 LEaux. Les art. 31 à 33 LEaux s’appliquent par analogie à la protection de ce cours d’eau. Pour déterminer s’il s’agit d’une influence sensible, l’autorité va en principe estimer le régime d’écoulement avec et sans le prélèvement d’eau projeté et tenir compte des éventuelles indications d’autres prélèvements existants ou projetés. Un rapport sur les débits résiduels au sens de l’art. 33 al. 4 LEaux doit être soumis à l’autorité.

Literatur: Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Schweizerisches Institut für Speläologie und Karstforschung/Gemeinde Flims (Hrsg.) (verfasst durch Häuselmann Philipp/Jeannin Pierre-Yves), Wasserwege der Gemeinde Flims und ihre Einflüsse auf den Caumasee, Öffentlicher Bericht 2004–2008, La Chaux-de-Fonds 2009 (zit. Wasserwege).

Huber-Wälchli Veronika

 

 

Entscheid der Behörde

1             Die Behörde bestimmt im Einzelfall die Dotierwassermenge und die anderen Massnahmen, die zum Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle notwendig sind.

2         Sie kann die Dotierwassermenge zeitlich unterschiedlich festlegen. Die Wassermenge nach den Artikeln 31 und 32 darf nicht unterschritten werden.

3         Die Behörde hört vor ihrem Entscheid die interessierten Fachstellen und, bei Entnahmen für Anlagen zur Wasserkraftnutzung mit einer Bruttoleistung über 300 kW, den Bund an.

Décision de l’autorité

1         L’autorité fixe dans chaque cas le débit de dotation et les autres mesures nécessaires pour protéger le cours d’eau en aval du prélèvement.

2         Elle peut fixer des débits de dotation différenciés dans le temps. Ces débits ne doivent pas être inférieurs aux débits résiduels minimaux fixés aux art. 31 et 32.

3         L’autorité consulte les services intéressés avant de prendre sa décision; lorsqu’il s’agit de prélèvements destinés à des installations hydro-électriques d’une puissance brute supérieure à 300 kW, elle consulte en outre la Confédération.

Decisione dell’autorità

1         L’autorità definisce caso per caso la portata di dotazione e le altre misure necessarie alla protezione delle acque a valle del prelievo.

2         Può fissare portate di dotazione temporanee. I deflussi secondo gli articoli 31 e 32 devono essere garantiti.

3         Prima di decidere l’autorità sente gli uffici tecnici interessati e, se il prelievo è destinato ad impianti per lo sfruttamento dell’energia idraulica con una potenza lorda superiore a 300 kW, la Confederazione.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.      ​ Allgemeine Bemerkungen 4
III. Entscheid der Behörde (Abs. 1–3) 13
A. Allgemeine Voraussetzungen 13
1. Raumplanung 13
​2. ​Koordinationspflicht und Zeitpunkzt der Erteilung der Wasserentnahmebewilligung 17
​B. ​zuständige Behörde 23
​1. ​Im Allgemeinen 23
​2. ​Bewilligung von Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung 26
​3. ​Bewilligung von anderen Wasserentnahmen 33
​C. ​Grundlagen für den Entscheid 37
​1. ​Restwasserbericht oder UVB 37
​2. ​Stellungsnahmen der Fachstellen und des Bundes (Abs. 3) 39
​D. ​Entscheid (Abs. 1 und 3) 45
​1. ​Zum Inhate des Wasserentnahmenbewilliung 45

 

I.              Entstehungsgeschicht

01. Gemäss Art. 32 Abs. 1 E-GSchG 1984 sollte die «kantonale Behörde» «die für den bestmöglichen Schutz des Gewässers im Unterlauf notwendige Abgabe von Dotierwasser sowie die dafür notwendigen baulichen, betrieblichen und weiteren Massnahmen» bestimmen, nach Abs. 2 bei der Erteilung und Erneuerung der Konzession für die Wasserentnahme bzw. bei der Bewilligung der Wasserentnahme. Art. 32 Abs. 3 E-GSchG 1984 sah vor, dass die Behörde die Dotierwassermenge «im Rahmen der weitergehenden Anforderungen» – damit war die Erhöhung aufgrund einer Interessenabwägung (Art. 31 E-GSchG 1984 bzw. Art. 33 GSchG) gemeint – «zeitlich unterschiedlich» festlegen solle. Nach Abs. 4 sollte sie bei Entnahmen für Anlagen zur Wasserkraftnutzung mit einer Bruttoleistung über 300 kW das Bundesamt für Umweltschutz anhören.

02. Der Entwurf des Bundesrates sah in Art. 35 Abs. 1 E-GSchG 1987 vor, dass die «Behörde» im Einzelfall die Dotierwassermenge und die anderen Massnahmen bestimmt, die zum Schutz der unterliegenden Gewässer notwendig sind. «Kantonale» wurde weggelassen, da in gewissen Fällen eine Behörde des Bundes und nicht des Kantons zuständig ist (vgl. aber Art. 32 GSchG N 10). Nach Art. 35 Abs. 2 E-GSchG 1987 sollte die Behörde die Dotierwassermengen «je nach Jahreszeit» unterschiedlich festlegen können.

03. In der parlamentarischen Beratung wurde «Schutz der unterliegenden Gewässer» (Art. 35 Abs. 1 E-GSchG 1987) geändert in «Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle» (Art. 35 Abs. 1 GSchG). In Abs. 2 wurde «je nach Jahreszeit» ersetzt durch «zeitlich». Der heutige Art. 35 Abs. 3 GSchG wurde vom Parlament unverändert aus dem Entwurf des Bundesrates übernommen.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

04. Die Bestimmungen zum quantitativen Gewässerschutz zeichnen sich durch eine hohe verfahrensmässige Strukturierung aus. Art. 35 Abs. 1 und 2 GSchG legen die Aufgaben und den Spielraum der Behörden bei Entscheiden über die Restwassermenge fest, als Grundlagen für den Entscheid werden besondere Berichte der Gesuchsteller (Art. 33 Abs. 4 GSchG) und die Anhörung von Fachstellen (Art. 35 Abs. 3 GSchG) verlangt (Brunner/Looser, Schutzintensität, N 224).

05. Der Entscheid der Behörde über die Höhe der Dotierwassermenge und die anderen Massnahmen erfolgt im Rahmen der Erteilung einer Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG (s. N 46).

06. Mit Art. 35 Abs. 1 GSchG wird die Behörde verpflichtet, im Einzelfall die Dotierwassermenge (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 74 ff.) und die anderen Massnahmen zu bestimmen, die zum Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle notwendig sind. Genannt werden lediglich die Massnahmetypen – Dotierwasser oder «andere Massnahmen». Es ist der Behörde überlassen, welche Massnahmen sie im Einzelfall anordnen will. Die Dotierwassermenge kann höher oder niedriger sein, je nachdem, welche anderen Mass-nahmen getroffen werden (Botschaft GSchG 1987, 1138 f.; vgl. N 57 f). Die Anordnung der Dotierwassermenge und/oder anderer Massnahmen dient der Sicherstellung der nach Art. 31–33 GSchG ermittelten angemessenen Restwassermenge.

07. Mit Abs. 1 wird die Behörde verpflichtet, die Dotierwassermenge – und nicht etwa die Restwassermenge – festzulegen. Die Dotierwassermenge ergänzt die im Gewässer unterhalb der Wasserentnahme natürlicherweise vorhandene Restwassermenge (Art. 4 Bst. k GSchG), sodass im Gewässer angemessene Restwassermengen fliessen. Im Gegensatz zur Restwassermenge kann die Dotierwassermenge verhältnismässig leicht gemessen und damit kontrolliert werden (Art. 36 GSchG).

08. Gemäss Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GSchG «kann» die Behörde die Dotierwassermenge zeitlich unterschiedlich festlegen (dazu N 52 ff.). Soweit die zwingenden Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 GSchG zeitlich unterschiedliche Mindestrestwassermengen verlangen (vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 45, 57, 64), muss die Behörde i.d.R. die Dotierwassermenge zeitlich abstufen. Soweit es hingegen um die Erhöhung der Mindestrestwassermenge aufgrund der Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG geht, steht der Behörde ein erheblicher Spielraum zu (vgl. Komm. zu Art. 33 N 48 ff.).

09. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GSchG hält fest, dass die Wassermenge nach Art. 31 und 32 GSchG nicht unterschritten werden dürfe. Da sich dies bereits aus Art. 31 und 32 GSchG ergibt, hat diese Feststellung deklaratorischen Charakter. Die Kritik, Art. 35 Abs. 2 GSchG sei missverständlich formuliert, weil auch die nach Art. 33 GSchG erhöhte Wassermenge nicht unterschritten werden dürfe (vgl. Eckert, Restwassermengen, 108, Fn. 490), erscheint nicht berechtigt, zumal dieselbe Behörde, welche die Massnahmen zum Schutz des Gewässers festlegt, auch die Interessenabwägung nach Art. 33 Abs. 1 GSchG vornimmt und (allenfalls) die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 und 32 GSchG erhöht.

10. Mit Art. 35 Abs. 3 GSchG wird die Behörde verpflichtet, vor ihrem Entscheid die interessierten Fachstellen – die sachlich betroffenen – anzuhören, kantonale Behörden haben in gewissen Fällen auch den Bund anzuhören
(s. N 40 f.).

11. Der Geltungsbereich von Art. 35 GSchG erstreckt sich auf Bewilligungen nach Art. 29 GSchG, die gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG erteilt werden. Art. 35 GSchG gilt nicht für Bewilligungen, die gestützt auf Art. 30 Bst. b und c GSchG erteilt werden (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 8 f.).

12. Bei Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung sind insbesondere auch Art. 54 Bst. b und c WRG zu beachten. Danach zählen zum obligatorischen Inhalt einer Wassernutzungskonzession der Umfang des verliehenen Nutzungsrechtes mit Angabe der nutzbaren Wassermenge und der Dotierwassermenge sowie der Art der Nutzung (Bst. b) sowie bei Ableitungen und Speicherungen die einzuhaltende Restwassermenge pro Sekunde sowie Art und Ort der Registrierung (Bst. c).

 

III.        Entscheid der Behörde (Abs. 1–3)

A.           Allgemeine Voraussetzungen

1.             Raumplanung

13. Anlagen zur Fassung, zum Transport und zur Verwendung von Wasser (z.B. Bewässerungsanlagen, Anlagen zur Trinkwasserversorgung) müssen grundsätzlich die raumplanerischen Voraussetzungen erfüllen.

14. Auch die Wasserkraftnutzung zählt zu den raumwirksamen Tätigkeiten (vgl. Art. 1 RPV). Deshalb müssten für die Realisierung von Anlagen zur Nutzung der Wasserkraft die erforderlichen raumplanerischen Grundlagen (Richt‑ und Nutzungsplanung) geschaffen werden.

  • Betreffend Richtplanung hat das Bundesgericht vor kurzem festgehalten, wenn ein Richtplan – in casu jener des Kanton VS – verschiedene Ansätze zur Koordination des Baus künftiger Wasserkraftwerke enthalte und wenn es die vorliegenden Grundlagen erlauben würden, die erforderliche umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, sei eine Ausscheidung sämtlicher Standorte möglicher Kleinkraftanlagen im kantonalen Richtplan nicht erforderlich; wie es sich bei grossen Wasserkraftprojekten verhalte, müsse im konkreten Einzelfall geprüft werden (BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 2, insb. E. 2.3.2–2.3.4, in: URP 2014, 351). Gemäss früherer bundesgerichtlicher Rechtsprechung standen ungenügende richtplanerische Grundlagen weder der Genehmigung einer Wasserrechtskonzession noch der Erteilung weiterer Bewilligungen entgegen, «sofern bei der Projektprüfung die vom Raumplanungsrecht verlangte Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten beachtet und insbesondere dem Gebot der haushälterischen und umweltschonenden Nutzung (Art. 2 Abs. 1 Bst. d RPV) Rechnung getragen wird» (BGE 119 Ib 254, 270 [Curciusa], E. 5c, in: URP 1993, 403). Diese Haltung des Bundesgerichts hat dazu geführt, dass in manchen Kantonen die Richtplanung in Bezug auf Wasserkraftwerke lange Zeit vernachlässigt wurde (vgl. Jagmetti, Energierecht, N 4301 ff.).
  • Für grössere Anlagen ausserhalb von Bauzonen besteht grundsätzlich die Verpflichtung, die Anlage in einem Nutzungsplan (Zonenplan oder Sondernutzungsplan) vorzusehen (BGer 1C_7/2012 vom 11. Juni 2012 [Steinabbau Vals], E. 2.3, in: ZBl 114/2013, 281). «Darauf ist bisher bei Wasserkraftanlagen nicht beharrt worden» (Jagmetti, Energierecht, N 4305). Für Wasserkraftanlagen ist i.d.R. eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG erforderlich (z.B. BGer 1C_371/2012 vom 30. Mai 2013 [Laubeggfall], E. 2; Jagmetti, Energierecht, N 4304).

15. Diese planerische Sonderstellung, zusammen mit der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, fördert die Gefahr unzweckmässiger und unkoordinierter Nutzung der letzten noch ungenutzten Gewässer (Giovannini, Wasserkraftwerke, 34, 39). Zur Erleichterung des Ausgleichs zwischen der verstärkten Förderung der Wasserkraft gemäss EnG und einem umfassenden Schutz der Gewässer gemäss GSchG und NHG besteht seit 2011 eine Vollzugshilfe. Darin wird u.a. aufgezeigt, wie die Kleinwasserkraft im kantonalen Richtplan behandelt werden kann (BAFU/BFE/ARE, Kantonale Schutz‑ und Nutzungsstrategien, insbesondere 5 f., 23 f., Anh. 1).

16. Das Massnahmenpaket I der Energiestrategie 2050 enthält Vorschläge zur Stärkung der Raumplanung (Botschaft Energierecht 2013, 7603, 7662 ff., 7708). Die Kantone haben mit Unterstützung des Bundes ein Konzept für den Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere Wasser‑ und Windkraft, zu erarbeiten (Art. 11 f. E-EnG 2013), das als Grundlage für die Richtplanung dienen soll (Art. 13 Abs. 1 und 3 E-EnG 2013). Das RPG soll mit einem neuen Art. 8RPG ergänzt werden, wonach der Richtplan die für die Nutzung erneuerbarer Energien geeigneten Gebiete und Gewässerstrecken bezeichnen soll (Anh. zum E-EnG 2013, Ziff. 3). Die Kantone sollen weiter verpflichtet werden, soweit nötig Nutzungspläne im Bereich der erneuerbaren Energien zu erstellen (Art. 13 Abs. 2 E-EnG 2013).

2.             Koordinationspflicht und Zeitpunkt der Erteilung der Wasserentnahmebewilligung

17. Sind für ein Vorhaben mehrere Bewilligungen erforderlich, müssen sie formell (verfahrensmässig) und materiell (inhaltlich) koordiniert erteilt werden (Art. 25a und Art. 33 Abs. 4 RPG, in Kraft seit 1. Januar 1997; dazu Griffel, Grundprinzipien, N 416 ff.; Hänni, Umweltschutzrecht, 456 ff.; zu den notwendigen Bewilligungen für die Realisierung einer Wasserkraftanlage vgl. Riva, Wasserkraftanlagen, 10). Die Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG ist eine spezialrechtliche Bewilligung (auch bezeichnet z.B. als Spezialbewilligung, Nebenbewilligung, Zusatzbewilligung usw.). Sie ist zusätzlich zur Bewilligung, Genehmigung oder Konzession, welche in erster Linie über ein Vorhaben entscheidet (Leitverfahren), erforderlich. Die Kantone sind verpflichtet, ihre Verfahren entsprechend den Grundsätzen der Koordination nach Art. 25a RPG zu gestalten (Griffel, Grundprinzipien, N 429–434; Hänni, Umweltschutzrecht, 460 f.). Die Koordination der Bewilligungsverfahren für Anlagen, welche die Kantone bewilligen, richtet sich nach dem kantonalen Recht, wobei es den Kantonen offen steht, die Vorschriften zur Koordination über ein Konzentrations‑ oder Koordinationsmodell zu verwirklichen (zu unterschiedlichen Lösungen in einzelnen Kantonen Hänni, Umweltschutzrecht, 462 f.; Vallender/Morell, Umweltrecht, § 18, N 16). Leitverfahren ist vielfach das Baubewilligungs‑ oder das Sondernutzungsplanverfahren oder ein Plan‑, Projekt‑ oder Konzessionsgenehmigungsverfahren.

18. Im Rahmen des WRG sind die Kantone frei, wie sie das Verfahren zur Erteilung von Konzessionen und weiteren Bewilligungen ausgestalten; über die Nutzung der Wasserkraft wird in Kantonen mit bedeutenden Wasservorkommen in einem zweistufigen Verfahren entschieden (BE [für grössere Anlagen], GR, VD und VS; dazu Riva, Wasserkraftanlagen, 9 f.; vgl. N 26).

19. Bauten‑ und Anlagen, welche in die Regelungs‑ und Bewilligungshoheit des Bundes fallen, werden in einheitlichen, konzentrierten Verfahren bewilligt (Jagmetti, Energierecht, N 4432 ff.; Marti, Bundeskoordinationsgesetz, 296 f.).

20. Bei UVP-pflichtigen Anlagen wird das Leitverfahren als massgebliches Verfahren bezeichnet (Art. 5 UVPV), die Wasserentnahmebewilligung ist eine «andere Bewilligung» (Art. 21 Abs. 1 Bst. d UVPV). Die massgeblichen Verfahren sind entweder im Anhang zur UVPV oder im kantonalen Recht (z.B. für die Anlagetypen Nr. 60.4 und 80.1 Bst. b, vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 78) festgelegt. Bei UVP-pflichtigen Speicher‑ und Laufkraftwerken sowie Pumpspeicherwerken mit einer installierten Leistung von mehr als 3 MW (Anlagetyp Nr. 21.3 gemäss Anh. zur UVPV) ist das massgebliche Verfahren für die erste Stufe das Konzessionsverfahren (Art. 38 WRG) oder ein Verfahren nach kantonalem Recht i.S. von Art. 3 Abs. 2 WRG. Soweit ein zweistufiges Verfahren vorgesehen ist, wird das massgebliche Verfahren für die zweite Stufe vom kantonalen Recht bestimmt. Bei Anlagen an internationalen Gewässern findet ein einstufiges Verfahren statt (Art. 62 Abs. 1 WRG).

21. Zwischen der Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG und der Erteilung einer Wasserrechtskonzession besteht in «geradezu prototypischer Weise ein derart enger Sachzusammenhang, dass sie nicht getrennt und unabhängig voneinander erteilt werden können, sondern inhaltlich abgestimmt werden müssen. Dies deshalb, weil die Bestimmung der nutzbaren Wassermenge, welche in Art. 30 ff. GSchG geregelt wird, zu den wesentlichen Bestandteilen der Wasserrechtsverleihung gehört» (125 II 18, 22 f. [Wynau II], E. 4b aa m.H; Einzelheiten zur Rechtsprechung des Bundesgerichts seit 1981 zum Inhalt der Wassernutzungskonzession bei Riva, Wasserkraftanlagen, 16 ff., mit Urteilszitaten; vgl. N 12). Wird über ein Wasserkraftwerk in einem mehrstufigen Verfahren entschieden (z.B. zuerst Erteilung der Wasserrechtskonzession und anschliessend der Projekt‑ oder Plangenehmigung nach WRG), muss die Bewilligung nach Art. 29 GSchG zwingend in der ersten Stufe erteilt werden (Riva, Wasserkraftanlagen, insb. 18 f., 26 f.). Sie ist «zwingend zusammen mit der Konzession zu erteilen» (BGE 140 II 262, E. 4.3 m.H.) bzw. zusammen mit der Konzessionsgenehmigung (vgl. N 28).

22. Wasserentnahmen für andere Zwecke als die Wasserkraftnutzung bedürfen in vielen Fällen einer Konzession (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 10 ff.) nach kantonalem Recht, die dem Konzessionär ebenfalls wohlerworbene Rechte (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2594) einräumt. Die Wasserentnahmebewilligung nach Art. 29 GSchG ist deshalb entweder vor oder gleichzeitig mit der Konzession zu erteilen.

 

 

B.            Zuständige Behörde

1.             Im Allgemeinen

23 Mit «Behörde» ist wie in Art. 33 und 36 GSchG die für die Erteilung der Wasserentnahmebewilligung zuständige Behörde gemeint. Sie ist verpflichtet, gestützt auf einen Restwasserbericht bzw. einen Umweltverträglichkeitsbericht sowie die Stellungnahmen der interessierten Fachstellen Art. 31 und 32 GSchG anzuwenden, eine Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG durchzuführen, gestützt darauf die Dotierwassermenge und/oder andere Massnahmen zu bestimmen und dann die Bewilligung nach Art. 29 GSchG zu erteilen (evtl. unter Auflagen) oder allenfalls zu verweigern.

24. Der Vollzug des GSchG erfolgt durch die Kantone, soweit nicht Art. 48 GSchG den Vollzug dem Bund überträgt (vgl. Komm. zu Art. 45 GSchG N 3).

25. Die Bestimmung der Dotierwassermenge und anderer zum Schutz des Gewässers unterhalb der Entnahmestelle notwendiger Massnahmen stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar, selbst wenn spezialisierte Fachstellen und Fachpersonen beigezogen werden können. Sie sollte deshalb einer kantonalen Behörde vorbehalten bleiben (Botschaft GSchG 1987, 1136 f.). Die Kantone haben sich weitgehend an diese Empfehlung gehalten. Kommunale Behörden sind nur ausnahmsweise für die Erteilung von Bewilligungen nach Art. 29 GSchG zuständig, z.B. im Kanton BE für vorübergehende Wasserentnahmen ohne feste Einrichtungen (BUWAL, Restwassermengen Bewässerung, 11, 19). Welche kantonale (selten kommunale) Behörde zuständig ist, ergibt sich aus dem kantonalen Recht (s. Komm. zu Art. 45 GSchG N 8).

2.             Bewilligung von Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung

26. Weil die Bundeskompetenz zur Ordnung der Wasserkraftnutzung auf die Grundsatzgesetzgebung beschränkt ist (Art. 76 Abs. 2 BV) und die Gewässerhoheit beim Kanton oder einem innerkantonalen Gemeinwesen liegt (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 8 f.), kommt dem kantonalen Recht grosse Bedeutung zu (Jagmetti, Energierecht, N 4128; Übersicht über die kantonalen Gesetze, Stand 1. Dezember 2004, 388 ff.; nicht mehr aktuell sind die Angaben für die Kantone SO, AR, AI und AG).

27. Welche Behörde im Rahmen der Erteilung einer Wasserrechtskonzession für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG zuständig ist, ergibt sich aus dem kantonalen Recht, ist aber im konkreten Fall gelegentlich schwierig zu ermitteln. Zuständig ist in den meisten Kantonen, allenfalls nach einem Bereinigungsverfahren, jene Behörde, welche die Wasserrechtskonzession erteilt bzw. die von einem innerkantonalen Gemeinwesen erteilte Konzession genehmigt (dazu Eckert, Restwassermengen, 109, Fn. 494; s. N 28). Diese Lösung liegt insofern auf der Hand, als der wichtigste Inhalt einer Bewilligung nach Art. 29 GSchG zum obligatorischen Inhalt einer Wasserrechtskonzession zählt (s. N 12). Die Bewilligung nach Art. 29 GSchG ist i.d.R. Teil des Gesamtentscheids zur Erteilung oder Genehmigung der Konzession.

28. Steht die Verfügung über die Wasserkraft Bezirken, Gemeinden oder Körperschaften zu (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 9), bedarf die Einräumung eines Nutzungsrechtes an Dritte oder die Nutzung durch die Verfügungsberechtigten selber der Genehmigung der kantonalen Behörde (Art. 4 Abs. 1 WRG, vgl. auch Art. 17 WRG).

29. In Graubünden liegt die Gewässerhoheit bei den Gemeinden. Die Erteilung und wesentliche Änderung von Wassernutzungskonzessionen muss von der Gemeindeversammlung oder durch Urnenabstimmung beschlossen werden (s. Giovannini, Wasserkraftwerke, 35 ff.). Die Bewilligung nach Art. 29 GSchG wird im Rahmen der Konzessionsgenehmigung durch die Regierung erteilt (Art. 55 Abs. 4 BWRG). Eine ähnliche Regelung kennt der Kanton VS (vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms], Sachverhalt, in: URP 2014, 351).

30. In manchen Kantonen sind unterschiedliche Behörden für die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen nach Art. 29 GSchG zuständig. Das Kriterium für die Kompetenzabgrenzung ist häufig die Leistung der Anlage. Im Kanton BE sind für die Erteilung von Konzessionen für Wasserkraftwerke mit einer maximal möglichen Leistung über 10 MW der Grosse Rat, über 3 bis 10 MW der Regierungsrat, über 1 bis 3 MW die zuständige Direktion und darunter ein Amt zuständig; überdies unterstehen die Konzessionsbeschlüsse des Grossen Rates dem fakultativen Referendum (Keller, Umwelt‑ und Energierecht, Bernisches Verwaltungsrecht, N 62). Die für die Konzessionserteilung zuständige Behörde fasst im Konzessionsverfahren (Leitverfahren) die sonst selbständigen Verfügungen und Entscheide, darunter die Bewilligung nach Art. 29 GSchG, zu einem Gesamtentscheid zusammen (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 und 3 Bst. a KoG BE).

31. Für die Erarbeitung einer Konzession mit den rechtlich komplexen Detailanforderungen, z.B. betreffend Restwassermengen, und dem daraus folgenden grossen zeitlichen Aufwand (vgl. Marti, Neukonzessionierung Linth-Limmern, 300) ist ein kantonales Parlament, dass sich grosse Freiräume gewohnt ist, wenig geeignet (vgl. dazu Brunner, GWBA, 505).

32. Ist der Bund für die Erteilung eine Wassernutzungskonzession zuständig, z.B. bei Grenzkraftwerken (Art. 7 WRG) oder subsidiär bei Gewässern auf dem Gebiet mehrerer Kantone (Art. 6 WRG), werden mit der Konzession sämtliche nach Bundesrecht erforderlichen Bewilligungen (Art. 62 Abs. 1 und 3 WRG) erteilt.

3.             Bewilligung von anderen Wasserentnahmen

33. Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Nutzungsbewilligung oder Konzession für Wasserentnahmen zu anderen Zwecken als zur Wasserkraftnutzung ergibt sich aus dem kantonalen Recht, ebenso die Zuständigkeit für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG. Die Regelungen sind vielfach unübersichtlich und müssen aus mehreren Erlassen (Einführungsgesetzgebung zum ZGB, Einführungsgesetzgebung zum GSchG oder zum USG, Wasser‑ bzw. Gewässernutzungsgesetzgebung, Bau‑ und Planungsrecht usw.) mühsam zusammengesucht werden.

34. Die Kriterien für die Kompetenzabgrenzung sind unterschiedlich. Die Zuständigkeit für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 29 GSchG kann z.B. von der Zuständigkeit im Leitverfahren oder von der Entnahmemenge abhängen oder davon, ob das Leitverfahren nur materiell oder auch formell koordiniert (konzentriertes Verfahren) ist.

35. So werden z.B. im Kanton GR Bewilligungen nach Art. 29 GSchG für Wasserentnahmen für andere Zwecke als Wasserkraftnutzung von der Regierung (Art. 5 Bst. a KGSchV GR, wenn für die Wasserentnahme eine weitere Bewilligung erforderlich ist) oder vom zuständigen Departement (Art. 1 i.V.m. Art. 6 Bst. b KGSchV GR) erteilt. Unterliegt ein Vorhaben, welches eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG erfordert, einem spezialgesetzlichen Konzessions‑ oder Projektgenehmigungsverfahren, wird die Bewilligung von der in jenem Verfahren zuständigen Behörde erteilt, wobei die Zustimmung der üblicherweise zuständigen Behörde vorliegen muss (Art. 8 Abs. 1 und 2 KGSchV GR).

36. Bewilligungen nach Art. 29 GSchG im Zusammenhang mit der Erstellung von Bauten oder Anlagen, welche in die Bewilligungshoheit des Bundes fallen, werden zusammen mit der Plangenehmigung erteilt (z.B. Militärbaute: Art. 126 Abs. 2 MG, Nationalstrasse: Art. 26 Abs. 2 NSG; vgl. N 19).

 

C.           Grundlagen für den Entscheid

1.             Restwasserbericht oder UVB

37. Eine wichtige Grundlage für den Entscheid der zuständigen Behörde sind die Berichte nach GSchG und USG, der Restwasserbericht nach Art. 33 Abs. 4 GSchG, der bei UVP-pflichtigen Anlagen Teil des Umweltverträglichkeitsberichts ist (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 67 ff).

38. Die zuständige Behörde hat die Ergänzung ungenügender Berichte zu verlangen (vgl. Rausch/Keller, Kommentar USG, Art. 9 N 118). Unterlässt sie dies und unterlässt sie auch eigene Abklärungen, besteht die Gefahr, dass wegen der unvollständigen Ermittlung des Sachverhalts auch die Interessenermittlung unrichtig oder unvollständig ist und die Interessenabwägung fehlerhaft wird (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 10; BFE/BAFU, Bewertung, 134).

2.             Stellungsnahmen der Fachstellen und des Bundes (Abs. 3)

39. Interessierte Fachstellen, die angehört werden müssen, sind in erster Linie jene für Gewässerschutz, für Fischerei (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1139 f.) und für Natur‑ und Landschaftsschutz sowie je nach Vorhaben weitere (z.B. für Landwirtschaft, Raumplanung, Energie). Ist eine kantonale Behörde zuständig, sind die kantonalen Fachstellen anzuhören, ist eine Behörde des Bundes zuständig, die Fachstellen des Bundes.

40. Bei Wasserentnahmen für Anlagen zur Wasserkraftnutzung mit einer
Bruttoleistung über 300 kW hat die kantonale Behörde den Bund anzuhören. Dadurch sollen einerseits ein einheitlicher Vollzug durch die Kantone gefördert und andererseits die Interessenkonflikte gemildert werden, die entstehen können, wenn die Kantone und Gemeinden an Wasserkraftwerken beteiligt sind oder solche betreiben und gleichzeitig Vollzugsbehörden sind (Botschaft GSchG 1987, 1140; Pestalozzi, Restwassermengen, 722, Fn. 55). Nach Art. 35 Abs. 2 GSchV hat die kantonale Behörde dafür zu sorgen, dass das BAFU über die Stellungnahme der kantonalen Fachstelle zum Restwasserbericht oder über einen bereinigten Entwurf dieser Stellungnahme verfügt. Das BAFU kann sich auf eine summarische Stellungnahme beschränken. Art. 35 Abs. 2 GSchV gilt für Anlagen mit einer Bruttoleistung über 300 kW bis und mit 3 MW.

41. Anlagen zur Wasserkraftnutzung mit einer Bruttoleistung von mehr als 3 MW sind UVP-pflichtig (Anh. zur UVPV, Anlagetyp Nr. 21.3, bezeichnet mit *, d.h. das BAFU ist anzuhören). Die Anhörung richtet sich nach Art. 12 Abs. 3 UVPV. Dem BAFU ist für die Anhörung die Stellungnahme der kantonalen Fachstelle zum UVB zuzustellen. Es beschränkt sich auf eine summarische Prüfung der Unterlagen.

42. Die Bedeutung der Stellungnahmen in der Praxis ist gross. Die Gerichte messen den Stellungnahmen der Fachstellen des Bundes und der Kantone ein grosses Gewicht bei (z.B. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 7.2). Dadurch setzen sie die Fachstellen in den Kantonen teilweise einem erheblichen verwaltungsinternen Druck aus. Auch wenn der entscheidenden Behörde eine freie Beweiswürdigung zusteht, darf sie nur aus triftigen Gründen vom Ergebnis der Begutachtung durch die Fachstellen als fachkundigen Spezialbehörden abweichen (BGE 139 II 28 [Misoxer Kraftwerke], E. 2.8.2, in URP 2012, 854; 119 Ib 254, 274 [Curciusa], E. 8a, in: URP 1993, 403; Beispiel für ein zulässiges Abweichen vom Antrag einer kantonalen Fachstelle, vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 53, zweiter Punkt).

43. Die Fristen für die Einreichung der Stellungnahmen ergeben sich aus der UVPV und dem kantonalen Recht. Bei UVP-pflichtigen Anlagen ist die Frist für die Anhörung des BAFU in der UVPV (Art. 12b Abs. 3 UVPV) geregelt, ebenso die Frist, die dem BAFU zur Verfügung steht für die Beurteilung von UVB zu Projekten, die von einer Bundesbehörde geprüft werden (Art. 12b Abs. 2 UVPV). Die Fristen für die Einreichung von Stellungnahmen kantonaler Fachstellen ergeben sich aus dem kantonalen Recht. Bei nicht UVP-pflichtigen Anlagen ergeben sich allfällige Fristen aus dem kantonalen Recht.

44. Behandlungsfristen ergeben sich aus dem kantonalen Recht.

 

 

D.           Entscheid (Abs. 1 und 2)

1.             Zum Inhalt der Wasserentnahmebewilligung

45. Art. 35 GSchG regelt die Aufgaben und den Spielraum der Behörde beim Entscheid über die Dotierwassermenge und die anderen Massnahmen zum Schutz der Gewässer (s. N 6 ff.). In der Bewilligung sind weitere Punkte zu regeln, wie z.B. den Umfang der zulässigen Wasserentnahme (in l/s oder m3/s), den Zweck der Entnahme, zeitliche Vorgaben, Art und Gestaltung der Wasserfassung, Art und Häufigkeit von Kontrollen im Hinblick auf den Nachweis, dass die Dotierwassermengen eingehalten sind bzw. diesbezügliche Hinweise für die weitere Projektierung der Anlage (s. Komm. zu Art. 36 GSchG N 11), Befristung der Bewilligung. Die wichtigsten Punkte sind auch obligatorischer Inhalt einer Wasserrechtskonzession (vgl. N 12).

2.             Bestimmung der Dotierwassermenge (Abs. 1 und 2)

46. Im Rahmen der Erteilung einer Wasserentnahmebewilligung bestimmt die Behörde die Dotierwassermenge und allfällige andere Massnahmen im Einzelfall. Eine generell-abstrakte Regelung (z.B. für verschiedene Kategorien von Fliessgewässern, eingeteilt nach Kriterien wie Grösse des Gewässers, Höhenlage der Fassung, Fisch‑ oder Nichtfischgewässer usw.) ist nicht zulässig (vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 27).

47. Bei mehreren Entnahmestellen müssen die nach einer Wasserfassung im Gewässer zu belassende Wassermenge (Dotierwassermenge) und allenfalls weitere Massnahmen, welche zum Schutz des Gewässers notwendig sind, bei jeder einzelnen Entnahmestelle bestimmt und festgelegt werden (BGE 126 II 283, 298 [Lungerersee], E. 5b, in: URP 2000, 679; 120 Ib 233, 246 [Geisslibach], E. 7e; vgl. BUWAL, Restwassermengen Bewässerung, 5 ff., insb. 21 f.; s. Komm. zu Art. 36 GSchG N 13). Ausnahmen sind nur im Rahmen einer Schutz‑ und Nutzungsplanung zulässig (s. Komm. zu Art. 32 GSchG N 80).

48. Die Höhe der Dotierwassermenge (festgelegt in l/s oder in m3/s), die bei der Fassung im Gewässer verbleiben bzw. die Wassermenge, die als Dotierwasserabgabe ins Gewässer zurückgegeben werden muss (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 74), begrenzt die zulässige Entnahmemenge und dient der Sicherstellung angemessener Restwassermengen in der Restwasserstrecke (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 77Komm. zu Art. 33 GSchG N 60). Sie kann zeitlich unterschiedlich festgelegt werden (vgl. N 53), wobei die Wassermenge nach Art. 31 und 32 GSchG nicht unterschritten werden darf (dazu N 9). Zur Bestimmung der Dotierwassermenge in Restwasserstrecken mit Versickerungsabschnitten, s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 31 f.; vgl. auch Komm. zu Art. 33 GSchG N 15, 34.

49. In manchen Fällen erweist es sich als zweckmässig, nicht nur die Dotierwassermenge (bei der Fassung) festzulegen. Zusätzlich kann die erforderliche Restwassermenge an einer bestimmten Stelle der Restwasserstrecke festgelegt und angeordnet werden, dass soviel Dotierwasser abgegeben werden muss, dass an der betreffenden Stelle jederzeit die festgelegte Restwassermenge im Gewässer vorhanden ist (vgl. dazu Art. 54 Bst. c WRG; s. N 51). Eine solche Lösung empfiehlt sich auch, wenn unsicher ist, wie hoch die Dotierwassermenge sein muss, damit an einer bestimmten Stelle jederzeit die erforderliche Restwasserführung erreicht wird.

50. Bei der Festlegung der Dotierwassermenge spielt die natürlicherweise im Gewässer vorhandene Restwassermenge u.U. eine bedeutende Rolle (vgl. Komm. zu Art. 33 GSchG N 60).

51. Dabei ist an folgende besondere Konstellationen zu denken:

  • Weist die Restwasserstrecke Versickerungsabschnitte auf, muss dies bei der Festlegung der Dotierwassermenge berücksichtigt werden (vgl. Komm zu Art. 31 GSchG N 17 f., 31 f.; Komm. zu Art. 33 GSchG N 15). Die Dotierwassermenge muss so festgelegt werden, dass in der ganzen Restwasserstrecke die erforderlichen Restwassermengen fliessen. Zu diesem Zweck kann an der kritischsten Stelle der Restwasserstrecke, z.B. am Ende eines Versickerungsabschnittes, eine bestimmte Restwassermenge festgelegt und angeordnet werden, dass bei der Fassung jederzeit so viel Dotierwasser abgegeben werden muss, dass diese Restwassermenge an der betreffenden Stelle im Gewässer vorhanden ist. Die kritischste Stelle bei einer Restwasserstrecke mit ständiger Wasserführung ist das Ende der Versickerungsstrecke; bei einer Restwasserstrecke mit einem Abschnitt mit ständiger und anschliessend einem Abschnitt mit nicht ständiger Wasserführung ist es das Ende der Strecke mit ständiger Wasserführung. Dort müssen die Restwassermengen nach Art. 31 Abs. 1 GSchG mindestens 50 l/s betragen bzw. soviel Wasser wie zufliesst (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 70 f.; vgl. Komm. zu Art. 31 GSchG N 18, 32). Allfällige Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 und Art. 33 GSchG müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Damit soll vermieden werden, dass wegen Versickerung der Dotierwassermenge zu wenig Restwasser fliesst (vgl. BUWAL, Restwassermengen, 19, 46 f., 93 f. [Flembach]).
  • Mündet kurz nach einer Wasserentnahme ein grösserer Seitenbach in eine Restwasserstrecke, kann u.U. eine geringere Dotierwassermenge angeordnet werden als ohne diesen Zufluss. Neben einer höheren natürlichen Restwassermenge sichert der Seitenbach auch eine gewisse Gewässerdynamik (vgl. BGE 140 II 262 [Obergoms], E. 8.4.2, in: URP 2014, 351). In solchen Fällen muss auf geeignete Weise sichergestellt werden, dass eine dem seitlichen Zufluss entsprechende Wassermenge während der Konzessionsdauer erhalten bleibt. Sofern das Seitengewässer von der Konzession erfasst ist, lässt sich dies z.B. erreichen durch ein Verbot in der Konzession bzw. in der Konzessionsgenehmigung, den Bach zu fassen. Ist dies nicht möglich oder soll die Möglichkeit für eine zukünftige Nutzung des Wassers aus dem Zwischeneinzugsgebiet erhalten bleiben, kann eine bestimmte Restwassermenge unterhalb des Zuflusses des Seitengewässers festgelegt werden. Eine allfällige zukünftige Wasserentnahme aus dem Seitengewässer hat dann zur Folge, dass bei der Wasserfassung des Hauptbaches eine höhere Dotierwassermenge abgegeben werden muss (Beispiel: Kantonsgericht VS, Urteil vom 19. April 2012 [A1 11 94], E. 8.2.3; vgl. Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2003, 35).

52. Gemäss Art. 35 Abs. 2 GSchG «kann» die Dotierwassermenge zeitlich unterschiedlich festgelegt werden. In gewissen Fällen muss sie zeitlich unterschiedlich festgelegt werden (vgl. N 8). Die Anordnung einer zuflussabhängigen Dotierwassermenge ist jedoch i.d.R. nicht zulässig, weil diese Massnahme dem zwingenden Charakter von Art. 31–33 GSchG insofern widersprechen könnte, als bei tiefen Abflüssen die nach Art. 31–33 GSchG ermittelten Restwassermengen nicht mehr eingehalten würden (Eckert, Restwassermengen, 109; vgl. aber N 55).

53. Je nach dem Ziel, das verfolgt wird, sind unterschiedliche Differenzierungen erforderlich:

  • Saisonal abgestufte Dotierwassermengen (dazu Komm. zu Art. 31 GSchG, N 77; Komm. zu Art. 33 GSchG N 62) wurden in der Praxis bereits vor dem Inkrafttreten des GSchG gelegentlich angeordnet (dazu Vor Art. 29–36 GSchG N 8). Bei den saisonal abgestuften Dotierwassermengen ist jedoch die Abstufung i.d.R grob und die Unterschiede sind – im Vergleich zu den grossen Unterschieden zwischen natürlichen Winter‑ und Sommerabflüssen in alpinen Gewässern – gering (vgl. BWG/Spreafico/ Weingartner, Hydrologie Schweiz, 60; BGE 126 II 283, 298 [Lungerersee], E. 5a, in: URP 2000, 679; BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003 [Giessbach], Sachverhalt, in: URP 2003, 235). Bei Wasserfassungen mit grosser Fassungskapazität, die nur an wenigen Tagen im Jahr Überlauf haben, werden die Abflüsse auch mit jahreszeitlich abgestuften Dotierwassermengen monoton, während bei natürlichen Abflussverhältnissen von Tag zu Tag, ja sogar innerhalb eines Tages grosse Abflussschwankungen auftreten können. Es sollten deshalb vermehrt Dotierwassermengen festgelegt werden, die zu möglichst natürlichen Abflussverhältnissen in der Restwasserstrecke führen (s. N 55; vgl. auch Komm. zu Art. 31 GSchG N 72).
  • Es kann angebracht sein, einige Male pro Jahr kurzzeitig höhere Dotierwasserabgaben in Form von mittleren Hochwassern anzuordnen. Das Fehlen von sohlenumlagernden Hochwassern führt häufig zu nachteiligen Veränderungen der Gewässermorphologie (Kolmatierung; vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 4) und reduziert die Speisung von Grundwasservorkommen (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 45). In der Praxis kann angeordnet werden, dass jährlich eine bestimmte Wasserfracht für einige künstliche Hochwasser verwendet werden muss. Damit lassen sich viele negative Folgen des reduzierten Abflusses verringern (vgl. Mürle/Ortlepp/
    Molinari, Win-Win-Lösung, 20 ff.).
  • Eine zu bestimmten Tageszeiten erhöhte Dotierwassermenge aufgrund einer Interessenabwägung nach Art. 33 GSchG kann der Sicherstellung von landschaftlichen und touristischen Anliegen, z.B. zur Speisung eines Wasserfalls, dienen (s. Komm. zu Art. 33 GSchG N 62).

54. Die Einsicht, dass im Interesse des Entwicklungsziels «ausreichende Wasserführung» im Sinne des Leitbilds Fliessgewässer Schweiz eine Dynamisierung der Abflüsse notwendig ist, hat in den letzten Jahren etwas zugenommen. Notwendig ist nicht nur ein bestimmter Minimalabfluss, sondern es muss auch eine ausreichende Variabilität des Abflusses gewährleistet sein, damit der Charakter der natürlichen Abflussdynamik für das Gewässer erhalten bleibt. Dies wurde schon vor 25 Jahren von Fachleuten der EAWAG verlangt (Bundi/Eichenberger, Restwasseranforderungen, 23; Uhlmann Brögli/Wehrli, Vollzugsdilemma, 476 f.; vgl. auch Vor Art. 29–36 GSchG N 4).

55. Die Ausgestaltung eines (teilweise) zuflussabhängigen Dotierregimes kann z.B. so erfolgen: Zunächst wird die Mindestrestwassermenge nach Art. 31 Abs. 1 oder Art. 32 Bst. a–bbis GSchG als minimale Dotierwassermenge abgegeben bzw. im Gewässer belassen (Sockelmenge). Darüber hinaus wird eine zuflussabhängige Dotierwassermenge (in % des Zuflusses abzüglich der Sockelmenge) abgegeben, welche die Anforderungen nach Art. 31 Abs. 2 und 33 GSchG erfüllt. Dieser Teil der Dotierwassermenge kann (saisonal oder monatlich) abgestuft werden. Ein solches Dotierregime hat zahlreiche Vorteile für das Gewässer. Die praktische Durchführung, d.h. die richtige Gestaltung der Wasserfassung, ist jedoch anspruchsvoll (vgl. Adami/Pitsch, Wasserfassungen). Im Kanton GR wurden mit dem Projekt «Überleitung Lugnez» bei fünf neuen Fassungen erstmals im Jahr 2013 teilweise zuflussabhängige, monatlich abgestufte Dotierregimes genehmigt (Projekt aus anderen Gründen hängig beim Bundesgericht).

56. Sollte es ausnahmsweise unumgänglich sein, trotz ungenügender Kenntnis der Abflussmenge Q347 eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG zu erteilen, ist die Entnahmemenge einzuschränken bzw. eine deutlich zu hohe Dotierwassermenge anzuordnen. Erweist sich nachträglich, dass zur Sicherung einer angemessenen Restwassermenge eine tiefere Dotierwassermenge genügt, kann sie nachträglich herabgesetzt werden.

3.             Bestimmung anderer Massnahmen (Abs. 1)

57. Mit den «anderen Massnahmen, die zum Schutz des Gewässers unterhalb der Entnahmestelle notwendig sind» sind jene Massnahmen gemeint, die gestützt auf Art. 31 Abs. 2 und 33 GSchG anstelle einer Erhöhung der Mindestrestwassermenge getroffen werden können, damit die Anforderungen erfüllt werden (s. Komm. zu Art. 31 GSchG N 69, 75Komm. zu Art. 33 GSchG N 45, 65).

58. Dabei steht der Behörde bei der Wahl der Mittel ein gewisses Auswahlermessen zu, sofern eine bestimmte Anforderung auf unterschiedliche Weise erreicht werden kann (Botschaft GSchG 1987, 1138 f.). Da jedoch mit Art. 31–33 GSchG angemessene Restwassermengen gesichert werden sollen, sind in erster Linie Massnahmen zu treffen, die sich auf die Wasserführung auswirken (Eckert, Restwassermengen, 109 f.).

 

 

Résumé

L’art. 35 LEaux détermine les devoirs et la marge de manœuvre de l’autorité pour les décisions sur les débits résiduels. L’al. 1 de cette disposition oblige l’autorité à fixer des débits de dotation en complément aux débits résiduels convenables. Bien que le droit cantonal détermine quelle autorité cantonale ou communale est compétente, la fixation des débits de dotation et des autres mesures nécessaires doit être impérativement effectuée par une autorité cantonale et non communale. Lors de la décision, l’autorité fixe les débits de dotation de manière concrète et pour chacun des points de prélèvement. Par «autres mesures nécessaires qui sont nécessaires pour protéger le cours d’eau» (art. 35 al. 1 LEaux), il faut comprendre toutes mesures prises par l’autorité à la place d’une augmentation des débits résiduels sur la base de l’art. 31 al. 2 LEaux. Lorsque le débit Q347 n’est pas suffisamment connu, il est déconseillé d’accorder les autorisations sur la base de l’établissement de celui-ci par des mesures ultérieures. Il faut plutôt imposer des débits de dotation prévisibles plus hauts.

Selon l’al. 2 de l’art. 35 LEaux, les débits de dotation peuvent être différenciés dans le temps. Il convient toutefois de prendre en compte les débits résiduels minimaux impératifs des art. 31 à 33 LEaux comme le débit naturel en prenant en compte les affluents. Les débits de dotation entièrement dépendants des affluents, sans garantie en tout temps des débits résiduels selon l’art. 31 al. 1 LEaux, ne sont pas autorisés.

Quant à l’al. 3, il requiert une consultation des services intéressés et de la Confédération. Cette disposition a vraisemblablement un caractère déclaratoire. Puisque l’utilisation de la force hydraulique fait partie des activités ayant des effets sur l’organisation du territoire (Art. 1 al. 2 let. c OAT), les bases légales en matière d’aménagement du territoire doivent être respectées et les conditions remplies. En matière de force hydraulique, la compétence de la Confédération est limitée à une législation de principe. Pour les prélèvements des installations d’utilisation de la force hydraulique avec une puissance brute de plus de 300 kW, l’OFEV doit être consulté.

Literatur: Adami Vito/Pitsch Pio, Neue Typen von Wasserfassungen und Dotiersysteme – Fortbildungskurs für Fischereiaufseherinnen und Fischereiaufseher, <http://www.svfa-asgp.ch/docs/
SystemesDotation-DE.pdf>, 22.8.2013 (zit. Wasserfassungen); Brunner Ursula, Auf dem Weg zur integralen Wasserwirtschaft: Das Solothurner Gesetz über Wasser, Boden und Abfall (GWBA), in: URP 2013, 479 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Brunner Ursula/Looser Martin, Schutzintensität und Interessen im Umweltrecht – Eine Auswertung von neun umweltrechtlichen Erlassen, Schlussbericht zu einem Forschungsauftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Zürich 2012 (zit. Schutzintensität); Bundi Ulrich/Eichenberger Elie, Restwasseranforderungen aus gewässerökologischer Sicht, in: NZZ 29.3.1989, 23 (zit. Restwasseranforderungen); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Giovannini Michelangelo, Wasserkraftwerke – gross oder klein?, in: URP 2010, 33 ff. (zit. Wasserkraftwerke); Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Marti Arnold, Zum Inkrafttreten des Bundeskoordinationsgesetzes und weiteren Neuerungen im Bereich des Umwelt‑, Bau‑ und Planungsrechts, in: URP 2000, 291 ff. (zit. Bundeskoordinationsgesetz); Marti Jakob, Neukonzessionierung der Kraftwerke Linth-Limmern in Linthtal aus der Sicht der Behörden, in: Wasser Energie Luft 2008, 295 ff. (Neukonzessionierung Linth-Limmern); Mürle Uta/Ortlepp Johannes/Molinari Peter, Die Dynamisierung des Restwassers im Spöl – eine Win-Win-Lösung für Natur und Kraftwerksbetreiber, in: Wasser Energie Luft 2005, 20 ff. (zit. Win-Win-Lösung); Pestalozzi Martin, Sicherung angemessener Restwassermengen – alles oder nichts?, in: URP 1996, 708 ff. (zit. Restwassermengen); Riva Enrico, Wasserkraftanlagen: Anforderungen an die Vollständigkeit und Präzision des Konzessionsentscheids, in: URP 2014, 1 ff. (zit. Wasserkraftanlagen); Uhlmann Brögli Viviane/Wehrli Bernhard, Sichere Restwassermengen gegen uneingeschränkte Wasserkraftnutzung – ein Vollzugsdilemma?, in: URP/DEP 2008, 469 ff. (zit. Vollzugsdilemma).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Balzari & Schudel AG), Restwassermengen in Fliessgewässern – Wasserentnahmen, die insbesondere der Bewässerung dienen, Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 24, Bern 1997 (zit. Restwassermengen Bewässerung); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) (Hrsg.), Leitbild Fliessgewässer Schweiz – Für eine nachhaltige Gewässerpolitik, Bern 2003 (zit. Leitbild Fliessgewässer); Wasserwirtschaftsamt BE (Hrsg.), Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern – Sicherung der Mindestrestwassermengen – Ausgabe 2004, Bern 2004 (zit. Wasserentnahmen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Vogel Urs/Kirchhofer Arthur/Breitenstein Martina), Restwassermengen – Was nützen sie dem Fliessgewässer? – Débits résiduels – quel bénéfice pour les cours d’eau?, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 358, Bern 2004 (zit. Restwassermengen); Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Spreafico Manfred/Weingartner Rolf (Hrsg.), Hydrologie der Schweiz – Ausgewählte Aspekte und Resultate, Berichte des Bundesamtes für Wasser und Geologie (BWG), Serie Wasser Nr. 7, Bern 2005 (zit. Hydrologie Schweiz); Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (verfasst durch Ott Walter/Bade Stephanie/Hürlimann Joachim/Leimbacher Jörg), Bewertung von Schutz‑, Wiederherstellungs‑ und Ersatzmassnahmen bei Wasserkraftanlagen, Bern 2008 (zit. Bewertung); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Energie (BFE)/Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) (Hrsg.), Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz‑ und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke, Bern 2011 (zit. Kantonale Schutz‑ und Nutzungsstrategien); Botschaft zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 (Revision des Energierechts) und zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomenergieinitiative)» vom 4. September 2013, BBl 2013 7561 ff. (zit. Botschaft Energierecht 2013).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Kontrolle der Dotierwassermenge

1         Wer einem Gewässer Wasser entnimmt, muss der Behörde durch Messungen nachweisen, dass er die Dotierwassermenge einhält. Ist der Aufwand nicht zumutbar, so kann er den Nachweis durch Berechnung der Wasserbilanz erbringen.

2         Weist er nach, dass die zufliessende Wassermenge zeitweise geringer ist als die festgelegte Dotierwassermenge, so muss er während dieser Zeit nur so viel Dotierwasser abgeben, wie Wasser zufliesst.

Contrôle du débit de dotation

1         Quiconque opère un prélèvement dans une eau est tenu de prouver à l’autorité, à l’aide de mesures, qu’il respecte le débit de dotation. Lorsque les coûts ne sont pas raisonnables, la preuve peut être apportée par calcul du bilan hydrique.

2         S’il s’avère que le débit effectif est temporairement inférieur au débit de dotation fixé, seule une quantité d’eau égale à celle du débit effectif doit être restituée pendant cette période.

Controllo della portata di dotazione

1         Chi procede a prelievi d’acqua deve provare all’autorità, mediante misurazioni, il rispetto della portata di dotazione. Se il costo delle misurazioni non può essergli ragionevolmente imposto, può fornire la prova con il calcolo del bilancio idrico.

2         Se fornisce la prova che il deflusso effettivo è temporaneamente inferiore alla portata di dotazione fissata, deve restituire, durante tale periodo, solo una quantità d’acqua pari al deflusso effettivo.

Inhaltsübersicht

I.          Entstehungsgeschichte                                                                                        1

II.         Funktionen und Geltungsbereich                                                                        4

III.        Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge                                            10

A.        Allgemeines                                                                                                        10

B.        Regelfall: Zufliessende Wassermenge grösser als
Dotierwassermenge (Abs. 1)                                                                               14

1.        Messungen (Satz 1)                                                                                             14

2.        Berechnung der Wasserbilanz (Satz 2)                                                                17

C.       Zufliessende Wassermenge geringer als Dotierwassermenge (Abs. 2)                20

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 33 E-GSchG 1984 (Messen der Dotierwassermenge) lautete: «Wer Wasser ableitet, misst die angeordnete Dotierwassermenge und teilt die Messwerte der kantonalen Behörde mit.» Art. 34 E-GSchG 1984 (Zeitweilige Verminderung der Dotierwassermenge) entspricht inhaltlich dem heutigen Art. 36 Abs. 2 GSchG.

2. Art. 33 und 34 E-GSchG 1984 wurden im Entwurf des Bundesrates zu Art. 36 E-GSchG 1987 zusammengefasst, dessen Abs. 1 folgenden Wortlaut aufwies: «Wer einem Gewässer Wasser entnimmt, muss der Behörde durch Messungen belegen, dass er die Dotierwassermenge einhält.» Art. 36 Abs. 2 E-GSchG 1987 entspricht wörtlich dem geltenden Art. 36 Abs. 2 GSchG.

3. Der zweite Satz von Abs. 1 wurde im Laufe der parlamentarischen Beratung in das GSchG aufgenommen (AB 1988 S 660).

II.           Funktionen und Geltungsbereich

4. Wer einem Gewässer Wasser entnimmt, muss der Behörde nach Art. 36 Abs. 1 GSchG nachweisen, dass er die Dotierwassermenge einhält. Ziel dieser Bestimmung ist, dass die zum Schutz des Gewässers unterhalb einer Wasserentnahme erforderliche Dotierwassermenge nicht nur bestimmt und angeordnet wird (s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 6), sondern dass sie im Gewässer fliesst.

6. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 GSchG lässt es im Interesse der Betreiber von Wasserfassungen zu, den Nachweis, dass die Dotierwassermenge eingehalten ist, durch «Berechnung der Wasserbilanz» zu erbringen, wenn der Aufwand für Messungen bei der Entnahmestelle aus technischen oder anderen Gründen nicht «zumutbar» bzw. unverhältnismässig wäre (AB 1988 S 660). Diese Regelung ist vergleichbar mit Art. 59 GSchG, wonach die Abflussmenge Q347 «mit anderen Methoden» ermittelt werden darf, wenn die vorhandenen
Messergebnisse unzureichend sind (vgl. Eckert, Restwassermengen, 110). Bei Wasserentnahmen zur Wasserkraftnutzung gelten strengere Anforderungen (vgl. N 9).

7. Art. 36 Abs. 2 GSchG stellt klar, dass zu keiner Zeit mehr Wasser abgegeben werden muss als zufliesst, auch wenn eine grössere Dotierwassermenge festgelegt ist.

8. Art. 36 GSchG ist aufgrund seines Wortlauts («die Dotierwassermenge einhält») zugeschnitten auf Wasserentnahmen, die gestützt auf Art. 30 Bst. a GSchG bewilligt wurden. Der Geltungsbereich von Art. 36 GSchG umfasst jedoch aufgrund der Gesetzessystematik auch geringfügige Wasserentnahmen sowie Wasserentnahmen aus Grundwasservorkommen für die Trinkwasserversorgung (Art. 30 Bst. b oder c GSchG). Solche Wasserentnahmen müssen die Anforderungen nach Art. 31–35 GSchG nicht erfüllen, gestützt auf das GSchG werden demzufolge keine Dotierwassermengen festgelegt (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 9). Art 36 GSchG kann bei solchen Entnahmen nur sinngemäss angewendet werden. Die Behörde kann z.B. den Nachweis verlangen, dass einem Gewässer nicht mehr als 20 % der Abflussmenge Q347 entnommen wird (vgl. Komm. zu Art. 30 GSchG N 40).

9. Die gleiche Funktion wie Art. 36 GSchG hat Art. 54 Bst. c WRG. Demnach gehört zum obligatorischen Inhalt einer Konzession «bei Ableitungen und Speicherungen die einzuhaltende Restwassermenge pro Sekunde sowie Ort und Art der Registrierung». Art. 54 Bstc WRG geht insofern deutlich über Art. 36 GSchG hinaus, als er die Registrierung, d.h. die automatische Aufzeichnung der an einem bestimmten Ort einzuhaltenden Restwassermenge verlangt, und nicht nur in allgemeiner Formulierung den Nachweis, dass die Dotierwassermenge eingehalten ist. Ob hingegen die Restwassermenge an einem bestimmten Ort (Art. 54 Bst. c WRG) oder die Dotierwassermenge (Art. 36 Abs. 1 GSchG) eingehalten werden muss, spielt im Hinblick auf den Schutz des Gewässers grundsätzlich keine Rolle.

 

III.        Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge

A.           Allgemeines

10. Art. 36 Abs. 1 GSchG ist einerseits die Rechtsgrundlage für Anordnungen betreffend die Art und Weise des Nachweises zur Einhaltung der Dotierwassermenge in der Wasserentnahmebewilligung. Andererseits kann die zuständige Behörde gestützt auf Art. 36 Abs. 1 GSchG im Rahmen der Verhältnismässigkeit grundsätzlich jederzeit einen Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge verlangen, auch dann, wenn die Wasserentnahmebewilligung keine entsprechende Verpflichtung enthält. Kantonales Vollzugsrecht ist nicht erforderlich.

11.Zweckmässigerweise ordnet die Behörde in der Wasserentnahmebewilligung die Art und Weise des Nachweises der Einhaltung der Dotierwassermenge an (z.B. welche Wassermengen wo und wie häufig gemessen werden müssen, wie die Messungen zu dokumentieren sind, auf welche andere Weise der Nachweis erbracht werden kann, welche Unterlagen der Behörde wie häufig abgeliefert werden müssen, allenfalls Anordnung von Messeinrichtungen usw.). Der Gesuchsteller muss bei der Projektierung einer Wasserfassung auch die Dotiereinrichtung und geeignete Messeinrichtungen planen, damit beim Betrieb der Anlage die technischen Voraussetzungen für den Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermengen vorhanden sind (zu den besonderen Problemen und Lösungen bei der zuflussdynamischen Dotierung s. Komm. zu Art. 35 GSchG N 55).

12. Es empfiehlt sich in manchen Fällen, zur Information der Öffentlichkeit (z.B. Fischer) an einem geeigneten Ort unterhalb einer Wasserfassung eine Anzeige installieren zu lassen, welche es der Öffentlichkeit erlaubt, mit eigenen Augen zu kontrollieren, ob die Dotierwassermengen eingehalten werden bzw. ob die erforderlichen Restwassermengen fliessen.

13. Der Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge ist dort anspruchsvoll, wo aus demselben Fliessgewässer mehrere Wasserentnahmen nacheinander erfolgen, z.B. zur landwirtschaftlichen Bewässerung. Dabei muss ein Ausgleich zwischen angemessenen Restwassermengen auf der gesamten Gewässerstrecke und der gerechten Verteilung des Wassers gefunden werden (für die im Kanton BE eingeführte Lösung s. BUWAL, Restwassermengen Bewässerung, 5 ff., zur Festlegung der Dotierwassermengen und deren Kontrolle insb. 21 f.).

B.            Regelfall: Zufliessende Wassermenge grösser als Dotierwassermenge (Abs. 1)

1.             Messungen (Satz 1)

14. Das Verhältnis zwischen Art. 36 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GSchG entspricht dem Verhältnis zwischen Regelfall und Ausnahme. In der Regel muss der Betreiber der Wasserentnahme durch Messungen nachweisen, dass er die Dotierwassermenge einhält (vgl. N 9).

15. Aus Art. 36 Abs. 1 GSchG geht nicht hervor, welche Wassermengen an welcher Stelle zu messen sind, insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass die Dotierwassermenge gemessen werden muss. Die Messungen müssen vielmehr zum Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge geeignet sein.

16. Zur Kontrolle der Dotierwassermengen durch Messungen bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, z.B.: Die nach einer oder mehreren Wasserentnahmen im Gewässer verbliebene Wassermenge kann direkt gemessen werden (zum praktischen Vorgehen mit Pegellatten, Dotierwassereinschnitten usw. vgl. Wasserwirtschaftsamt BE, Wasserentnahmen, 7 f.). Die Abgabe von Dotierwasser kann z.B. durch ein Rohr mit einem passend eingestellten Schieber (dessen Stellung nicht verändert werden darf und dessen korrekte Funktion regelmässig überprüft werden muss) erfolgen. Zuvor muss durch Messungen ermittelt werden, welche Schieberstellung welcher Dotierwassermenge entspricht. Statt der Dotierwassermenge bei der Fassung kann die Restwassermenge an einem bestimmten Ort unterhalb der Wasserentnahme gemessen werden, z.B. am Ende eines Versickerungsabschnittes (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 51). Bei einer abgestuften, teilweise zuflussproportionalen Dotierung (vgl. Komm. zu Art. 35 GSchG N 55) ist es notwendig, den Zufluss, die genutzte Wassermenge und den Restwasserabfluss zu messen, um die Einhaltung der Dotierwassermenge nachzuweisen. Die Möglichkeit, die zufliessende und die entnommene Wassermenge zu messen und die Dotierwassermenge als Differenz zu berechnen, stellt bereits eine Wasserbilanz dar, die auf Messungen beruht.

2.             Berechnung der Wasserbilanz (Satz 2)

17. Unter der Voraussetzung, dass der Aufwand für eine Messung nicht zumutbar bzw. unverhältnismässig ist, kann der Nachweis, dass die Dotierwassermengen eingehalten sind, durch «Berechnung der Wasserbilanz» erbracht werden (vgl. Eckert, Restwassermengen, 110; vgl. aber N 9).

18. Der Begriff Wasserbilanz «umfasst die Möglichkeit der Schätzungen, der Analogieschlüsse, der Interpolationen und von weiterem, wobei dies alles im Rahmen der Verhältnismässigkeit geschehen soll» (Votum Hefti [Berichterstatter], AB 1988 S 660). Bei einem derart weiten Verständnis einer Wasserbilanz erschiene der Begriff Schätzung passender als Berechnung.

19. Die Berechnung einer Wasserbilanz kann darin bestehen, den Zufluss zur Fassung zu messen, die Nutzwassermenge rechnerisch zu bestimmen und die Dotierwassermenge als Differenz zwischen Zufluss und Nutzwassermenge ungemessen im Bachbett zu belassen. Die Bestimmung der Nutzwassermenge kann entweder durch Messung des Durchflusses im Rohr oder rechnerisch über die Produktion erfolgen. Die Möglichkeit der Berechnung der Wasserbilanz wurde zwar als Ausnahmelösung vorgesehen. Es ist jedoch sinnvoll, den Nachweis der Einhaltung der Dotierwassermenge auf diese Weise zuzulassen, da der Nachweis durch Messungen mit praktischen Problemen verbunden sein kann. So ist es generell schwierig, kleine Wassermengen zuverlässig direkt zu messen. (Abflussmessungen mit der Salzverdünnungsmethode unterschätzen tiefe Abflüsse, da das Wasser, welches sich im Kiesbett befindet und nicht gemessen wird, einen verhältnismässig hohen Anteil ausmacht.) Wenn geringe Dotierwassermengen im Winter gemessen werden müssen, ist dies noch schwieriger. Es ist viel einfacher, den grösseren Zufluss zur Fassung zu messen.

C.           Zufliessende Wassermenge geringer als Dotierwassermenge (Abs. 2)

20. Die Niederwasserführung von Fliessgewässern kann von Jahr zu Jahr sehr stark variieren (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 79). So kann es v.a. bei kleineren Gewässern in tiefen Lagen in Trockenzeiten und im alpinen Raum im Winter vorkommen, dass die Wasserführung des Gewässers geringer ist als die Dotierwassermenge (Botschaft GSchG 1987, 1140; vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 47).

21. Die zufliessende Wassermenge kann auch starken Schwankungen unterworfen sein, weil oberhalb einer Wasserfassung bereits ein Wasserkraftwerk besteht, welches so betrieben wird, dass zeitweise sehr wenig oder gar kein Wasser turbiniert wird (Schwall/Sunk-Betrieb), sodass im Gewässer nach der Wasserrückgabe zeitweise kein oder nur wenig Wasser fliesst (vgl. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 32).

22. Art. 36 Abs. 2 GSchG enthält eine Sonderregel für Zeiten, in denen die zufliessende Wassermenge kleiner als die Dotierwassermenge ist.

23. Weist der Betreiber einer Wasserfassung nach, dass die zufliessende Wassermenge geringer ist als die festgelegte Dotierwassermenge, muss er nur so viel Dotierwasser abgeben wie Wasser zufliesst. Es versteht sich von selbst, dass er in dieser Situation kein Wasser mehr entnehmen darf.

24. Die Anforderungen an den Nachweis ergeben sich sinngemäss aus den N 14 ff. und 17 ff.

 

Résumé

L’art. 36 LEaux règle le contrôle du respect des débits de dotation fixés. Cette disposition est, d’une part, la base légale pour les prescriptions relatives à la façon dont les preuves sont récoltées et permet, d’autre part, à l’autorité compétente de demander en tout temps des preuves que les exigences des art. 31 à 35 LEaux sont respectées pour les prélèvements autorisés selon l’art. 30 let. a LEaux. L’art. 36 LEaux s’applique par analogie aux débits de dotation qui sont pris sur la base d’autres dispositions. En principe, la preuve se fait par des mesures. Toutefois, lorsque les coûts ne sont pas raisonnables, c’est-à-dire non proportionnels, la preuve peut être apportée par d’autres méthodes, comme par exemple, par une estimation du bilan hydrique. Selon l’al. 2 de l’art. 36 LEaux, lorsque le débit effectif est inférieur au débit de dotation fixé, il faut restituer une quantité d’eau égale à celle du débit effectif. L’art. 54 let. c LFH remplit la même fonction que l’art. 36 LEaux.

Literatur: Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Balzari&Schudel AG), Restwassermengen in Fliessgewässern – Wasserentnahmen, die insbesondere der Bewässerung dienen, Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 24, Bern 1997 (zit. Restwassermengen Bewässerung); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Wasserwirtschaftsamt BE (Hrsg.), Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern – Sicherung der Mindestrestwassermengen – Ausgabe 2004, Bern 2004 (zit. Wasserentnahmen).

3. Kapitel: Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer

3. Kapitel: Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer/Chapitre 3: Prévention et réparation d’autres atteintes nuisibles aux eaux

 

Fritzsche Christoph

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​Allgemeine Bemerkungen 7
A. Begriffe 7
B. ​Verfassungsgrundlage 12
C. ​Artikelübergreifende Gebote 17
1. ​Gebot der ganzheitlichen Beurteilung 17
2. ​Abstimmungen der Planungen und Massnahmen 20
3. ​Gebot der Interessenabwägung 26
​4. ​Berücksichtigung in der Richt‑ und Nutzungsplanung 36

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 36a, 38a, 39a und 43a wurden mit der Gesetzesrevision 2011 in das GSchG eingefügt, während die anderen Artikel des 3. Kapitels bereits seit der Totalrevision 1991 Bestandteile des GSchG bilden (vgl. zur Totalrevision 1991 Komm. zu Art. 1 GSchG N 11). Die Gesetzesrevision 2011 geht auf die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» zurück, welche der Schweizerische Fischereiverband (SFV) am 3. Juli 2006 eingereicht hatte. Die Initiative verlangte einen neuen Verfassungsartikel (Art. 76a) über die «Renaturierung von Gewässern». Im Initiativtext wurde der Begriff Renaturierung als Oberbegriff für sämtliche Bereiche zur Aufwertung der Gewässer verwendet. Die Kantone sollten in diesen Bereichen umfassende Massnahmen anordnen und zur Finanzierung Renaturierungsfonds errichten. Die Initiative verlangte weiter, dass direkt betroffene Organisationen die Durchführung von Massnahmen auf dem Rechtsweg durchsetzen können (Antrags‑ und Beschwerderecht).

2. Der Bundesrat beschloss hierauf am 8. Juni 2007, dem Parlament zu bean­tragen, die Volksinitiative ohne Gegenentwurf dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Der Bundesrat anerkannte zwar den Sanierungsbedarf der Gewässer, vertrat jedoch die Auffassung, dass die Defizite im Rahmen der geltenden Gesetze zu beheben seien.

3. Die eidgenössischen Räte waren aber damit nicht einverstanden. Sie stimmten daher am 4. Oktober 2007 bzw. am 6. Dezember 2007 einer Motion Epiney zu (Mo. Epiney Renaturierung; AB 2007 S 936; AB 2007 N 1831). Damit wurde der Bundesrat beauftragt, einen Vorschlag namentlich zur Änderung von Art. 15b StromVG zu unterbreiten: Auf die Übertragung der Hochspannungsnetze soll ein Zuschlag von 0,1 Rappen pro Kilowattstunde erhoben werden. Dieser Zuschlag sollte für die Finanzierung von Projekten zur Renaturierung von Fliessgewässern eingesetzt und als Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» vorgelegt werden. Gemäss dem Ziel des Motionärs galt es, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Renaturierungsbedarf «einiger» Fliessgewässer und der Notwendigkeit, die Erzeugung von Energie aus Wasserkraft nicht zu beeinträchtigen.

4. Der Ständerat wollte der Volksinitiative einen umfassenden indirekten Gegenentwurf gegenüberstellen und nahm die Motion wie später der Nationalrat aus diesem Grunde an. Mit Annahme der Motion in beiden Räten wurde der UREK-S signalisiert, die Frage eines Gegenvorschlages vertieft zu prüfen. Die UREK-S beschloss am 23. November 2007, einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» zu verfassen und reichte dazu die Parlamentarische Initiative «Schutz und Nutzung der Gewässer» ein (Pa. Iv. UREK-S Schutz), welcher die UREK-N am 7. Januar 2008 zustimmte, worauf die UREK-S den Gegenvorschlag ausarbeitete. Die Kommission anerkannte den Handlungsbedarf im Bereich des Gewässerschutzes, war jedoch der Ansicht, dass die Volksinitiative zu weit gehe und ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Schutz und Nutzung der Gewässer angestrebt werden solle (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8043).

5. Nach ausführlichen Beratungen in den Räten stimmten diese am 11. Dezember 2009 der Pa. Iv. der UREK-S zu und beschlossen entsprechende Änderungen des GSchG, des WBG, des EnG und des BGBB, und zwar als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» (07.060). Neu in das GSchG wurden Art. 36a (Gewässerraum), 38a, (Revitalisierung von Gewässern), 39a (Schwall und Sunk), 43a (Geschiebehaushalt), 62b und 62c (Abgeltungen) sowie 83a und 83b (Sanierung Wasserkraft) aufgenommen. Ausserdem gab es Änderungen in Art. 4 Bst. m (Definition Revitalisierung), 32 (Ausnahmen Mindestrestwasser), 37 (Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern), 68 (Landumlegung, Enteignung, Besitz) und 80 (denkmalgeschützte Kleinkraftwerke).

6. Zugunsten dieses angenommenen indirekten Gegenvorschlages «Schutz und Nutzung der Gewässer» zog der SFV seine Initiative zurück. Der Bundesrat setzte die vom Parlament beschlossenen Gesetzesbestimmungen auf den 1. Januar 2011 in Kraft. In dieser heutigen Fassung bezweckt das GSchG in umfassender Weise die Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 845).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Begriffe

7. Das GSchG unterscheidet im Grundsatz drei Arten des Gewässerschutzes, nämlich den qualitativen und den quantitativen Gewässerschutz sowie die «Verhinderung und Behebung weiterer nachteiliger Einwirkungen». Sie alle werden im 2. Titel «Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen» des GSchG normiert (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 196).

8. Das 1. Kapitel des 2. Titels (Art. 6–28 GSchG) widmet sich der Reinhaltung der Gewässer und somit dem qualitativen Gewässerschutz, wie er im Grundsatz bereits seit 1955 im GSchG verankert ist.

9. Unter dem quantitativen (mengenmässigen) Gewässerschutz versteht das Gesetz die Sicherung angemessener Restwassermengen von oberirdischen Gewässern (2. Kapitel, Art. 29–36 GSchG) sowie an sich auch die Erhaltung von Grundwasservorkommen (Art. 43 GschG). Die Bestimmungen umfassen alle Massnahmen mit dem Ziel, die Gewässer in ihrer derzeitgen Grösse und Menge zu erhalten oder gar zu vermehren (Hunger, Sanierungspflicht, 245, unter Hinweis auf die Botschaft GSchG 1987, 1079).

10. Das nachfolgend zu kommentierende 3. Kapitel des 2. Titels befasst sich gemäss dem Titel mit der «Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer». Die in diesem Kapitel zusammengefassten Bestimmungen (Art. 36a–44 GSchG) können mit Ausnahme von Art. 43 weder dem quantitativen noch dem qualitativen Gewässerschutz zugerechnet werden, sondern betreffen beide.

11. Es geht um die Funktionen der Gewässer als Erholungsraum und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Begrenzt werden nicht nur physikalische Veränderungen des Wassers selber, die bereits über den Verunreinigungsbegriff abgedeckt sind, sondern auch physikalische Eingriffe ins Wasserbett und in die natürlichen Wasserläufe (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 845). Die Vorschriften sollen sicherstellen, dass weitere strukturverändernde Eingriffe möglichst unterbleiben bzw. auf streng begründete Fälle beschränkt bleiben. Unerlässliche Eingriffe sollen massvoll und schonend ausgeführt und bestehende Beeinträchtigungen wenn immer möglich saniert werden (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 425; Hunger, Sanierungspflicht, 285).

 

B.            Verfassungsgrundlage

12. Die Bestimmungen im 3. Kapitel des 2. Teils unter der Überschrift «Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer» stützen sich heute auf Art. 76 BV (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 13 ff.).

13.Erfasst von der Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung gemäss Art. 76 Abs. 2 BV sind neben der Wassernutzung und der mengenmässigen Erhaltung von Wasservorkommen auch sämtliche Arten von Eingriffen, welche den Wasserkreislauf verändern. Die erfassten Sachbereiche entsprechen materiell praktisch vollständig der – sehr ausführlichen – Vorgängerbestimmung in Art. 24bis Abs. 1 Bst. a–c BV 1874 (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 9). In diesem Abs. 2 haben die meisten, aber nicht alle der nachfolgend zu kommentierenden Bestimmungen über die Verhinderung und Behebung «anderer nachteiliger Einwirkungen» auf Gewässer ihre primäre verfassungsrechtliche Grundlage. Darunter fallen:

·       Art. 37 GSchG (Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern),

·       Art. 38 GSchG (Überdecken und Eindolen von Fliessgewässern),

·       Art. 39 GSchG (Eindringen fester Stoffe in Seen),

·       Art. 39a GSchG (Schwall und Sunk, d.h. kurzfristige, künstliche Änderungen des Wasserabflusses in einem Gewässer),

·       Art. 40–43 GSchG (Stauen von Gewässern, Entnahme und Einleitung von Wasser in Gewässer und Grundwasservorkommen),

·       Art. 43a GSchG (Veränderung des Geschiebehaushalts),

·       Art. 44 GSchG (Ausbeutung von Kies etc.).

14. Bei den erwähnten Bestimmungen geht es darum, Nachteile für die Gewässer zu verhindern, welche durch Massnahmen an und im Wasser entstehen könnten. Sie fallen also unter die «anderen Eingriffe in den Wasserkreislauf», über welche der Bundesrat gemäss Art. 76 Abs. 2 BV Grundsätze festlegt (Marti, St.Galler Kommentar, Art. 76 N 16 und 19).

15. Entsprechend der beschränkten Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wie sie schon nach Art. 24 Abs. 1 BV 1874 vorhanden war, enthalten die vorgenannten Bestimmungen Grundsätze, die zur Erhaltung der Gewässer im gesamtschweizerischen Interesse erforderlich sind. Sie betreffen nur die wesentlichen Eingriffe in die Gewässer und regeln die zu treffenden Schutzmassnahmen nicht im Detail, sondern verwenden unbestimmte Gesetzesbegriffe, die auslegungsbedürftig sind und gegebenenfalls durch kantonales Ausführungsrecht näher konkretisiert werden können (Botschaft GSchG 1987, 1092 f.; BGer. 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4d, in: ZBl 2000, 323 ff). Den Kantonen verbleibt somit eine eigene Rechtsetzungskompetenz. Davon haben die Kantone auch Gebrauch gemacht.

16. Demgegenüber haben Art. 36a GSchG (Gewässerraum) und Art. 38GSchG (Revitalisierung von Gewässern) ihre Verfassungsgrundlage in Art. 76 Abs. 3 BV, wonach der Bund u.a. Vorschriften erlässt über den Gewässerschutz und den Wasserbau (vgl. bezogen auf den Gewässerraum VGer AG, Urteil vom 27. September 2012, E. 6.2.2, in: URP 2013, 145 ff.; Griffel, Entwicklungen 2011, 13; m.w.H. Komm. zu Art. 36GSchG N 5, 43 f.). Auf Art. 76 Abs. 3 BV basieren auch die Bestimmungen des GSchG über die Reinhaltung der Gewässer und die Erhaltung von Restwassermengen (vgl. etwa BGer 1C_283/2012 vom 2. April 2014, E. 1.2). Die Kantone dürfen keine das Bundesrecht ersetzenden oder materiell ergänzenden Vorschriften erlassen.

 

C.           Artikelübergreifende Gebote

1.             Gebot der ganzheitlichen Beurteilung

17. In Erfüllung des Verfassungsauftrages von Art. 76 BV hat der Bund das Wasser als Ganzes zu erfassen und die Einflüsse auf den natürlichen wie auf den zivilisatorischen Wasserkreislauf zu ordnen, indem er Gesetzgebungsaufträge verwirklicht und Grundsätze aufstellt. Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung der Gewässer und der Wasserressourcen. Die Schutz‑ und Nutzungsinteressen sollen aufgezeigt, Synergien genutzt und Konflikte minimiert werden. Damit wird auch der Grundsatz der Nachhaltigkeit (Art. 73 BV) im Bereich «Wasser» umgesetzt.

18. In allgemeiner Weise verpflichtet sodann das Prinzip von Art. 8 USG auf eine ganzheitliche Beurteilung von Umwelteinwirkungen, wie sie unter anderem die Gewässerverunreinigungen oder andere Eingriffe in Gewässer darstellen (Art. 7 Abs. 1 USG). Der Grundsatz der ganzheitlichen Beurteilung gilt über das USG im Umweltrecht und ist auch im Recht allgemein angelegt, gebietet doch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, widersprüchliche Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden (Brunner, Wasserwirtschaft, 490).

19. Das 3. Kapitel im 2. Titel des Gewässerschutzgesetzes mit der neuen Überschrift «Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer» ergänzt die Bestimmungen zur «Reinhaltung der Gewässer» und zur «Sicherung angemessener Restwassermengen», die im 1. und 2. Kapitel desselben Titels geregelt sind. Mit der GSchG-Revision 2011 bzw. den neuen Artikeln über den Gewässerraum (36a), die Revitalisierung von Gewässern (38a), Schwall und Sunk (39a) und Geschiebehaushalt (43a) sind in Richtung eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource «Wasser» nochmals wesentliche Verbesserungen ins Gesetz aufgenommen worden (vgl. dazu auch Griffel, Entwicklungen 2009, 15 f.). Die Revision kann durchaus als wichtiger Schritt im Hinblick auf die Umsetzung einer integralen Wasserwirtschaft verstanden werden (Brunner, Wasserwirtschaft, 490).

 

2.             Abstimmungen der Planungen und Massnahmen

20. Für die Planungen und Massnahmen nach dem GSchG besteht eine umfassende Koordinationspflicht. Gemäss dem per 1. Juni 2011 ergänzten Art. 46 Abs. 1 GSchV stimmen die Kantone ihre (Planungen und) Massnahmen soweit erforderlich aufeinander und mit Massnahmen aus anderen Bereichen ab. Sie sorgen ausserdem für eine Koordination der Massnahmen mit den Nachbarkantonen. In diesem Sinne sind alle sich auf das Wasser auswirkenden planerischen Massnahmen und Vorkehren zu koordinieren.

21. Die Abstimmung «mit anderen Bereichen» meint inbesondere eine Zusammenarbeit mit den Fachstellen für Gewässerschutz, Natur‑ und Heimatschutz, Fischerei, Hochwasserschutz sowie Land‑ und Waldwirtschaft (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 18, auch zum Folgenden). Daraus ergeben sich Synergien der Planung von Gewässerräumen und Revitalisierungen insbesondere mit Massnahmen in den Bereichen Schwall und Sunk, Geschiebe und Hochwasserschutz (konkrete Hochwasserschutz ‑planungen, ‑projekte, Gefahrenkarten), aber auch mit Infrastrukturprojekten, Meliorationen oder anderen Planungen, die Auswirkungen auf Gewässer haben.

22. Für die Planungen nach dem GSchG, etwa von Revitalisierungen oder Festsetzung von Gewässerrräumen, ergibt sich die allgemeine Koordinationspflicht auch daraus, dass damit eine raumwirksame Tätigkeit erfüllt wird. Raumwirksame Tätigkeiten liegen vor, wenn die zu ihrer Erfüllung angestrengten Tätigkeiten die Nutzung des Bodens oder die Besiedlung des Landes verändern oder bestimmt sind, diese zu erhalten (Art. 1 Abs. 1 RPV).

23. Die Planungen sind also auch nach Art. 2 Abs. 1 RPG bzw. Art. 2 RPV mit anderen Planungen zu koordinieren. Die Behörden stimmen die raumwirksamen Tätigkeiten aufeinander ab, wenn diese einander ausschliessen, behindern, bedingen oder ergänzen (Art. 3 Abs. 3 RPV). In diesem Abstimmungsgebot findet der Grundsatz der durchgehenden Planung sichtbaren Ausdruck. Planungsabstimmung meint die Pflicht jedes einzelnen Aufgabenträgers, über den Ressorthorizont hinauszudenken und die eigenen Planungen sowohl inhaltlich wie auch verfahrensmässig zu den Planungen berührter Aufgabenträger in konstruktive Beziehung zu setzen (Tschannen, Kommentar RPG, Art. 2 N 52).

24. Im vorliegenden Zusammenhang ist auch ein weiteres Koordinationsgebot von Bedeutung: Gemäss Art. 3 WBG gewährleisten die Kantone den Hochwasserschutz in erster Linie durch den Unterhalt der Gewässer und durch raumplanungsrechtliche Massnahmen (Abs. 1). Reicht dies nicht aus, so müssen Massnahmen wie Verbauungen, Eindämmungen, Korrektionen, Geschiebe‑ und Hochwasserrückhalteanlagen sowie alle weiteren Vorkehrungen, die Bodenbewegungen verhindern, getroffen werden (Abs. 2). Diese Massnahmen sind mit jenen aus anderen Bereichen gesamthaft und in ihrem Zusammenwirken zu beurteilen (Abs. 3). Damit ergibt sich insbesondere auch eine umfassende Koordinationspflicht mit Planungen und Vorkehren nach Art. 36a ff. GSchG.

25. Zu den Koordinationspflichten, das Verfahren der Koordination sowie weiteren Koordinationsgeboten vgl. ausführlich die Vollzugshilfe des BAFU (BAFU, Koordination, Anhang A1).

 

3.             Gebot der Interessenabwägung

26. Die menschlichen Einflüsse auf den Wasserkreislauf dienen drei Hauptzielen, nämlich der Nutzung der Wasservorkommen, der Abwehr gegen Einflüsse des Wassers und dem Schutz des Wassers (BAFU, Koordination, Ziff. 2.1):

27. Nutzung meint: Die Erschliessung und Nutzung der ober‑ und unterirdischen Wasservorkommen (Wasserversorgung, Wasserkraftproduktion, Landwirtschaft, Erholung usw.);

28. Abwehr meint: Der Schutz des Landes, der Bevölkerung und der Tierwelt gegen schädliche Einwirkungen des Wassers (Hochwasserschutz, Seeregulierungen, See‑ und Flussverbauungen, Flusskorrektionen, Entwässerung, usw.);

29. Schutz meint: Die Erhaltung und Wiederherstellung der ökologischen Funktionen der Gewässer, der Kampf gegen die biologische, chemische und physikalische Beeinträchtigung der Wasserqualität sowie die Sicherstellung eines ausreichenden Gewässerraumes, ausreichender Wasserführung und naturnaher Grundwasserverhältnisse.

30. Nutzungs‑ und Schutzinteressen an den Gewässern prallen oft aufeinander, weshalb im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ein Ausgleich zwischen den verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen zu finden ist. Die sich widerstreitenden Interessen sind gegeneinander abzuwägen. Zu denken ist primär an die Ausscheidung von Gewässerräumen (Art. 36a GSchG), Ausnahmen für die Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern (Art. 37 GSchG) oder vom Verbot des Überdeckens oder Eindolens von Fliessgewässern (Art. 38 Abs. 2 GSchG), die Planung und Massnahmen zur Revitalisierung von Fliessgewässern (Art. 38a GSchG). Die Aufzählung ist nicht abschliessend.

31. Für raumwirksame Tätigkeiten wie die Planungen und Massnahmen nach GSchG bzw. GSchV (Art. 36a GSchG38a GSchG39a GSchG und 41f GSchV43a GSchG und 42b GSchV) ergibt sich das Gebot und das Verfahren der Interessenabwägung konkret aus dem Raumplanungsrecht: Stehen den Behörden bei Erfüllung und Abstimmung raumwirksamer Aufgaben Handlungsspielräume zu (was bei der Ausscheidung von Gewässerräumen, Planung von Revitalisierungen etc. regelmässig der Fall ist), so wägen sie die Interessen gegeneinander ab, indem sie die betroffenen Interessen ermitteln, beurteilen und auf Grund der Beurteilung im Entscheid möglichst umfassend berücksichtigen. Sie legen die Interessenabwägung in der Begründung ihrer Beschlüsse dar (Art. 3 RPV). Diese Gedankenschritte der Interessenabwägung und die Begründungspflicht gelten aber auch ausserhalb von Planungen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 227; BGE 138 II 346, 364, E. 10.3).

32. In einem ersten Schritt sind also die berührten Interessen von Amtes wegen zu ermitteln und dem Abwägungsvorgang zuzuführen. Ziel ist eine Auslegeordnung der entscheidbildenden Gesichtspunkte. Dieses «Zusammenstellen des Abwägungsmaterials» ist Rechtsfrage, nicht Sachverhaltsfeststellung. Allerdings gelingt eine solche Auslegeordnung regelmässig nur auf der Grundage eines einwandfrei ermittelten Sachverhalts (Tschannen, Kommentar RPG, Art. 3 N 25). Rechtsfehlerhaft ist die Ermittlung, wenn nicht alle berührten Interessen eingebracht werden (Ermittlungsdefizit) oder wenn umgekehrt auch unerhebliche Belange berücksichtigt werden (Ermittlungsüberschuss).

33. In einem zweiten Schritt müssen die ermittelten Interessen beurteilt werden. Beurteilen heisst bestimmen, inwiefern die Verwirklichung eines Interesses wünschbar erscheint. Beurteilen verlangt nach einem Massstab (Tschannen, Kommentar RPG, Art. 3 N 29 f., auch zum Folgenden). Die Gewichtung der Interessen erfolgt durch die Beurteilung von deren Auswirkungen auf das Projekt. Voraussehend ist mittels Folgendiskussion Gewissheit über die Wünschbarkeit des Projekts zu erlangen. Zu beachten sind dabei insbesondere die Wertungen, die der Gesetzgeber selbst vorgenommen hat. Rechtsfehlerhaft ist die Beurteilung der Interessen, wenn die Behörde die relative Bedeutung der Interessen im konkreten Fall verkennt, also einzelnen Interessen zu wenig oder zu viel Bedeutung beimisst. Eine Fehlbeurteilung liegt vor allem dann vor, wenn die Behörde die möglichen Auswirkungen ihrer Interessengewichtung nicht ausweist.

34. Der dritte Schritt beinhaltet die Optimierung der Interessen. Die ermittelten und beurteilten Interessen sind im Entscheid zu berücksichtigen, sodass sie am Ende möglichst umfassend wirksam werden können. Dabei ist den verschiedenen Interessen das Gewicht zu verleihen, welches ihnen aufgrund der Beurteilung zugemessen wurde. Interessen, die sich in der Beurteilung als nebensächlich erwiesen haben, dürfen für diesen letzten Schritt von der Argumentation ausgenommen werden. Vom Gesetzgeber selbst festgelegte Rahmenbedingungen dürfen nicht in Frage gestellt werden. Gesucht sind ausgewogene Lösungen (Tschannen, Kommentar RPG, Art. 3 N 31). Rechtsfehlerhaft ist die Optimierung der Interessen, wenn sich zwischen der an sich zutreffenden Interessenbeurteilung und dem, was am Ende als Abwägungsergebnis herauskommt, keine plausible Verbindung herstellen lässt.

35. Die Abwägungsschritte sind wie erwähnt in der Entscheidbegründung offenzulegen. Es ist die Abwägung selbst, die rechtsbildend wirkt, das heisst, die materielle Richtigkeit des Entscheidungsinhalts lässt sich zu wesentlichen Teilen nur mehr an der verfahrensmässigen Richtigkeit des Argumentationsvorgangs überprüfen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 227). Es besteht ein Zwang zu einer detaillierten Darlegung der Ermittlung der Interessenbewertung und der Abwägung, weil dadurch die Möglichkeit gegeben wird, die Entscheidung auf ihre Sachlichkeit und damit auf ihre Zulässigkeit hin zu prüfen (Müller, Interessenabwägung, 352).

 

4.             Berücksichtigung in der Richt‑ und Nutzungsplanung

36. Art. 36a Abs. 3 GSchG konkretisiert die aus der raumwirksamen Tätigkeit fliessenden Gebote für den Bereich des Gewässerraums: Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt wird. Eine analoge Bestimmung enthält Art. 38a Abs. 2 GSchG hinsichtlich der Revitalisierungen.

37. Ferner regelt Art. 46 Abs. 1bis GSchV, in Kraft seit 1. Juni 2011, dass die Kantone bei ihrer Richt‑ und Nutzungsplanung die «Planungen nach dieser Verordnung» zu beachten haben. In der GSchV ist auch die Pflicht zur Planung der Sanierung von Wasserkraftwerken, die Schwall und Sunk verursachen (Art. 41f GSchV) und zur Sanierung des Geschiebehaushalts (Art. 42b GSchV) festgeschrieben. Demzufolge gilt das in Art. 46 GSchV enthaltene Gebot der Berücksichtigung in der Richt‑ und Nutzungsplanung auch für solche Planungen.

38. In der Regel sind primär die Gemeinden zur Raumplanung verpflichtet. Sie erlassen als Instrument der Nutzungsplanung die Bau‑ und Zonenordnung, welche den übergeordneten Vorgaben der Richt‑ und Nutzungsplanung zu entsprechen hat. In erster Linie obliegt daher den Gemeinden der Vollzug der Raumsicherung. Sie sind zur Berücksichtigung der nach Art. 36a, 38a, 39a und 43a GSchG erstellten Planungen in ihrer kommunalen Planung berufen. Dasselbe gilt selbstverständlich für den Kanton, soweit er Richt‑ oder Nutzungspläne festsetzt.

 

 

Résumé

Suite à la motion du Conseiller aux Etats Rohner, le peuple et les cantons ont adopté l’ancien art. 24bis Cst. 1874 le 7 décembre 1975. En 1982, le département fédéral de l’intérieur a mandaté une commission extraparlementaire pour la préparation liée à la révision de la LEaux 1971 par suite de l’adoption de l’article constitutionnel. Cette commission a rendu un projet de révision de la LEaux 1971 en 1982. Juste avant, en 1983, l’initiative populaire «pour la sauvegarde de nos eaux» fut lancée. Le Conseil fédéral proposa de rejeter cette initiative et soumit au peuple comme contre-projet le projet de révision de la LEaux 1971. Alors que l’initiative fut refusée par le peuple et les cantons, le contre-projet fut par contre accepté en 1992. La nouvelle LEaux est entrée en vigueur le 1er novembre 1992. Le 3 juillet 2006, la Fédération Suisse de pêche a déposé une initiative populaire «Eaux vivantes». Cette initiative a été retirée le 2 février 2010 au profit du contre-projet indirect adopté le 11 décembre 2009 par les Chambres fédérales sous le titre «Protection et utilisation des eaux». Le contre-projet a introduit les art. 36a, 38a, 39a et 43a dans la LEaux qui sont entrés en vigueur le 1er janvier 2011.

La LEaux se divise en trois parties, soit la protection de la qualité et de la quantité des eaux ainsi que la prévention et la réparation d’autres atteintes nuisibles aux eaux dont l’art. 36a LEaux fait partie. Les dispositions du troisième chapitre titre deuxième («Prévention et réparation d’autres atteintes nuisibles aux eaux») se fondent sur l’art. 76 Cst. L’al. 1 de cette norme constitutionnelle est une disposition-programme qui définit les objectifs qui sont concrétisés aux al. 2 et 3 de l’art. 76 Cst. Selon l’al. 2, la Confédération doit fixer les principes applicables. En conséquence, les dispositions du troisième chapitre titre deuxième se limitent à énoncer les principes nécessaires à la conservation et à la mise en valeur des ressources en eau, à l’utilisation de l’eau pour la production d’énergie et le refroidissement et à d’autres interventions dans le régime hydrologique en laissant aux cantons le soin de concrétiser ces principes dans leur droit cantonal. Les art. 36a et 38LEaux se fondent plus précisément sur l’al. 3 de l’art. 76 Cst. et sont soumis au principe de l’appréciation globale des atteintes ainsi qu’au devoir de coordination lors de l’élaboration des plans directeurs et des plans d’affectation (art. 46 OEaux) et à l’exigence de la pesée des intérêts.

 

 

Literatur: Brunner Ursula, Auf dem Weg zur integralen Wasserwirtschaft: Das Solothurner Gesetz über Wasser, Boden und Abfall (GWBA), in: URP 2013, 479 ff. (zit. Wasserwirtschaft); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2009, Bern 2010 (zit. Entwicklungen 2009); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2011, Bern 2012 (zit. Entwicklungen 2011); Müller Georg, Interessenabwägung im Verwaltungsrecht, in: ZBl 73 (1972), 337 ff. (zit. Interessenabwägung).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Motion Epiney (07.3311) «Renaturierung von Fliessgewässern. Gegenentwurf zur Volksinitiative ‹Lebendiges Wasser›» vom 6. Juni 2007 (zit. Mo. Epiney Renaturierung); Parlamentarische Initiative Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie S (UREK-S) (07.492) «Schutz und Nutzung der Gewässer» vom 23. November 2007 (zit. Pa. Iv. UREK-S Schutz).

Fritzsche Christoph​

 

Gewässerraum

1         Die Kantone legen nach Anhörung der betroffenen Kreise den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer fest, der erforderlich ist für die Gewährleistung folgender Funktionen (Gewässerraum):

a.       die natürlichen Funktionen der Gewässer;

b.       den Schutz vor Hochwasser;

c.       die Gewässernutzung.

2         Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

3         Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt sowie extensiv gestaltet und bewirtschaftet wird. Der Gewässerraum gilt nicht als Fruchtfolgefläche. Für einen Verlust an Fruchtfolgeflächen ist nach den Vorgaben der Sachplanung des Bundes nach Artikel 13 des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 1979 Ersatz zu leisten.

Espace réservé aux eaux

1         Les cantons déterminent, après consultation des milieux concernés, l’espace nécessaire aux eaux superficielles (espace réservé aux eaux) pour garantir:

a.       leurs fonctions naturelles;

b.       la protection contre les crues;

c.       leur utilisation.

2         Le Conseil fédéral règle les modalités.

3         Les cantons veillent à ce que les plans directeurs et les plans d’affectation prennent en compte l’espace réservé aux eaux et à ce que celui-ci soit aménagé et exploité de manière extensive. L’espace réservé aux eaux n’est pas considéré comme surface d’assolement. La disparition de surfaces d’assolement est compensée conformément aux plans sectoriels de la Confédération visés à l’art. 13 de la loi du 22 juin 1979 sur l’aménagement du territoire.

Spazio riservato alle acque

1         Previa consultazione degli ambienti interessati, i Cantoni determinano lo spazio necessario alle acque superficiali affinché siano garantite:

a.       le funzioni naturali delle acque;

b.       la protezione contro le piene;

c.       l’utilizzazione delle acque.

2         Il Consiglio federale disciplina i dettagli.

3         I Cantoni provvedono affinché lo spazio riservato alle acque sia preso in considerazione nei piani direttori e di utilizzazione e sia sistemato e sfruttato in modo estensivo. Lo spazio riservato alle acque non è considerato superficie per l’avvicendamento delle colture. La perdita di superfici per l’avvicendamento delle colture va compensata secondo quanto previsto nei piani settoriali della Confederazione di cui all’articolo 13 della legge del 22 giugno 1979 sulla pianificazione del territorio.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen ​2
III. Kommentierung ​5
​A. Festlegung des Gewässerraums (Abs. 1) 5​
​1. Zuständigkeit der Kantone ​5
​2. Raumbedarf der «oberirdischen Gewässer» ​8
​3. Funktionen des Gewässerraums 14
​4. Zuständigkeiten und Verfahren 27
​B. Festlegung der Einzelheiten durch den Bundesrat (Abs. 2) ​43
​1. Umsetzung in der GSchV ​43
​2. ​​Gewässerraum bei Fliessgewässern ​46
​3. Gewässerraum für stehende Gewässer ​53
​4. Erhöhung des Gewässerraums ​56
​5. Anpassung des Gewässerraums in dicht überbauten Gebieten ​59
​6. Verzicht auf die Festlegung des Gewässerraums ​60
​7. Frist und Übergangsbestimmungen ​68
​C Gewässerraum in dicht überbauten Gebieten ​75
​1. Grundlagen ​75
​2. Massgebliche Gesichtspunkte ​87
​3. Fallgruppen ​92
​4. Anpassung an die «baulichen Gegebenheiten» 101
​D. Berücksichtigung des Gewässerraums bei der Richt‑ und Nutzungsplanung (Abs. 3, Satz 1, 1. Hälfte) 105
​E. Extensive Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerraums (Abs. 3,
Satz 1, 2. Hälfte)
106
​1. Zwingende Anforderungen des Bundesrechts 106
​2. Standortgebundene Anlagen im öffentlichen Interesse 110
​3. Ausnahmen in dicht überbauten Gebieten 117
​4. Besitzstandsgarantie 135
​5. Extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung 143
​6. Keine Geltung als Fruchtfolgefläche (Abs. 3, Satz 2) 149
​7. Massnahmen gegen die natürliche Erosion 155
​F Hinweise zur Entschädigungspflicht 156
​1. Grundsätze 156
​2. Gewässerraum im Besonderen 159
3. Uferstreifen 164
​4. Beschränkung der landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten 166

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 36a GSchG wurde im Rahmen der Gesetzesrevision 2011 in das Gesetz aufgenommen (m.w.H. Komm. zu Vor Art. 36a GSchG N 1 ff).

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Art. 36a GSchG verpflichtet die Kantone, den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer (Gewässerraum) festzulegen (Abs. 1). Der Bundesrat legt die Einzelheiten fest (Abs. 2). Der Gewässerraum ist extensiv zu gestalten und zu bewirtschaften, wofür die Kantone zu sorgen haben. Der Gewässerraum dient nicht als Fruchtfolgefläche (Abs. 3).

3. Den Auftrag zur Regelung der Einzelheiten erfüllte der Bundesrat mit der GSchV-Änderung vom 4. Mai 2011, welche am 1. Juni 2011 in Kraft getreten ist (Art. 41ac GSchV sowie ÜbgBest zur Änderung vom 4. Mai 2011; AS 2011 1955).

4. Gleichzeitig mit dem GSchG wurden per 1. Januar 2011 auch das WBG und per 1. Juni 2011 die WBV an die Bestimmungen über den Gewässerraum angepasst (Art. 4 Abs. 2 WBG; AS 2010 4289, Ziff. II.1 bzw. Art. 21 Abs. 3 WBV; Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 GSchV, AS 2011 1969).

III.        Kommentierung

A.           Festlegung des Gewässerraums (Abs. 1)

1.             Zuständigkeit der Kantone

5. Gemäss Art. 36a Abs. 1 GSchG ist der Gewässerraum nicht vom Bund selbst festzulegen, sondern fällt in die Zuständigkeit der Kantone. Diese sind an die zwingenden Vorgaben des Bundesrechts gebunden, wie sie der Bundesrat im Rahmen der ihm zustehenden Kompetenz zur Regelung der Einzelheiten (Art. 36a Abs. 2 GSchG) erlassen hat (Art. 41a und 41b GSchV). Daher ist in diesem Zusammenhang von einer konkurrierenden Kompetenz zu sprechen (vgl. dazu Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1092 f.): Die kantonalen und kommunalen Kompetenzen gehen in dem Umfang unter, als der Bund seine Zuständigkeit ganz oder teilweise wahrgenommen hat. Die Kantone dürfen insoweit keine dem Bundesrecht widersprechenden Regelungen erlassen oder beibehalten.

6. Der Bund beaufsichtigt den Vollzug und regelt die Koordination (Art. 46 Abs. 1 und 2 GSchG, vgl. Komm. zu Art. 46 GSchG N 5 ff., 10 ff.).

7. Das kantonale Recht kann auch anordnen, die Gemeinden hätten den Gewässerraum festzulegen. Mit einer solchen kommunalen Lösung lässt sich die Koordination zwischen Gewässerraumfestlegung einerseits und kommunaler Nutzungsplanung andererseits ohne grosse Schnittstellenprobleme angehen, weshalb sich die meisten Kantone für diese kommunale Lösung entschieden haben. Demgegenüber bietet die Gewässerraumfestlegung durch den Kanton, wie sie etwa der Kanton Zürich beschlossen hat, eher Gewähr für eine rechtsgleiche Verwaltungspraxis (Stutz, Uferstreifen, 112).

2.             Raumbedarf der «oberirdischen Gewässer»

8. Der Gewässerraum ist für «oberirdische Gewässer» festzulegen (Art. 36a Abs. 1 GSchG). Ein «oberirdisches Gewässer» umfasst das Wasserbett mit Sohle und Böschung (Art. 4 Bst. a GSchG); «unterirdisch» sind das Grundwasser (inkl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht (Art. 4 Bst. b GSchG). Zu den einzelnen Begriffen (vgl. Komm zu Art. 4 GSchG, N 3 ff. und 13 ff).¨

9. Aus dieser Gegenüberstellung erhellt, dass die eingedolten Gewässer den oberirdischen zugeordnet werden, für welche die Kantone den Gewässerraum auszuscheiden haben (VGer ZH, Urteil vom 26. Juni 2012 [AN.2012.00001], E. 4.1, in: BEZ 2012 Nr. 35, auch in: URP 2013, 344 ff.; vgl. Komm zu Art. 4 GSchG N 6). Die Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung gemäss Art. 41c Abs. 3 und 4 gelten indessen für eidgedolte Gewässer nicht (Art. 41c Abs. 6 Bst. b GSchV, s. N 148).

10. In der Regel verfügen oberirdische Gewässer über ein topografisch bestimmbares hydrologisches Einzugsgebiet und haben einen natürlichen Ursprung. Die Gewässer müssen aber nicht zwingend natürlich verlaufen; auch bereits beeinträchtigte Gewässer sind solche im Sinne des Gewässerschutzrechtes und fallen daher unter den Schutz von Art. 36a GSchG (BGE 140 II 428, 436, E. 8.1).

11. Der Gewässerbegriff geht nicht von einer gewissen Mindestlänge oder Mindestbreite aus. Auch kleine oder sehr kleine Gewässer, sind Gewässer im Sinne der Gewässerschutzgesetzgebung. Indessen kann dort allenfalls auf die Festlegung des Gewässerraumes verzichtet werden (vgl. N 67).

12. Gewässer können auch künstlich angelegt sein (etwa Kraftwerks‑ oder Industriekanäle, Hochwasserentlastungs‑ und Bewässerungskanäle sowie Entwässerungsgräben, Speicherseen, künstliche Weiher). Die GSchV geht davon aus, dass der Gewässerraum selbst bei solchen Gewässern gilt (BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.4). Die Kantone können jedoch auf die Festlegung des Gewässerraums verzichten (vgl. N 64 f).

13. Art. 36a enthält keine Einschränkung auf «öffentliche» Gewässer (Art. 2 GSchG). Der Gewässerraum ist daher auch für private Gewässer auszuscheiden, soweit solche Gewässer aufgrund der kantonalen Rechtsordnung bestehen (vgl. dazu etwa BGer 2C_622/2010 vom 20. Dezember 2010, E. 3.2).

3.             Funktionen des Gewässerraums

Übersicht

14. Der Gewässerraum ist festzulegen, soweit er erforderlich ist für die Gewährleistung einer oder mehrerer der in Abs. 1 Bst. a–c abschliessend genannten Funktionen. «Erforderlich» meint dreierlei: Zum einen darf der Gewässerraum nicht hinter dem zurückstehen, was nötig ist. Zum anderen wird dadurch auch die obere Grenze fixiert: Mehr als erforderlich darf nicht festgelegt werden. Drittens ist kein Gewässerraum festzulegen, wenn dies nicht erforderlich ist.

Gewährleistung der natürlichen Funktionen der Gewässer

15. Der Gewässerraum steht dem Gewässer zur Verfügung und gewährleistet damit die natürlichen Funktionen des Gewässers (Bst. a). Zu diesen gehören insbesondere der Transport von Wasser und Geschiebe, die Sicherstellung der Entwässerung, die Selbstreinigung des Wassers und die Erneuerung des Grundwassers, die Ausbildung einer naturnahen Strukturvielfalt in den aquatischen, amphibischen und terrestrischen Lebensräumen, die Entwicklung standorttypischer Lebensgemeinschaften, die dynamische Entwicklung des Gewässers und die Vernetzung der Lebensräume.

16. Der Gewässerraum ist ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen und dient zugleich der Vernetzung von Lebensräumen. Er ist ein wichtiges Element der Kulturlandschaft und Erholungsraum für die Bevölkerung (BGE 140 II 428, 431 f., E. 2.1, m.H.; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 39 f., auch zum Folgenden). Zudem verringert ein ausreichender Abstand der Bodennutzung zum Gewässer den Eintrag von Nähr‑ und Schadstoffen.

17. Bei der Festlegung des Gewässerraums ist das Interesse an einer möglichen Revitalisierung einzubeziehen. Allerdings ist der Gewässerraum unabhängig vom Bestehen konkreter Revitalisierungsprojekte auszuscheiden (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 3; UREK-S, Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059, auch zum Folgenden). Ob eine Revitalisierung durchzuführen ist oder nicht, entscheidet der Kanton unter Berücksichtigung der in Art. 38a GSchG genannten Kriterien (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 3).

Schutz vor Hochwasser

18. Ein genügender Gewässerraum gewährleistet auch den Schutz vor Hochwasser (Abs. 1 Bst. b), indem Wasser‑ und Geschiebetransport verbessert werden und Überflutungsgebiete eine Rückhaltewirkung ausüben können (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 951). Er dient der Gefahrenprävention und sichert den Raum für künftige Hochwasserschutzprojekte. Die Pflicht zur Festlegung des Gewässerraums besteht allerdings unabhängig von der Pflicht, Hochwasserschutzprojekte durchzuführen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 3).

19. Der Hochwasserschutz ist im WBG und der WBV geregelt. Das WBG enthält Grundsätze zum Hochwasserschutz (Art. 3 WBG) und bezeichnet diesen als Aufgabe der Kantone (Art. 2 WBG). Die Kantone haben Hochwasser-Gefahrengebiete auszuscheiden (Art. 21 WBV).

20. Hochwasserschutz bedeutet den Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor schädlichen Auswirkungen des Wassers, insbesondere vor Überschwemmungen, Erosionen und Feststoffablagerungen (Art. 1 Abs. 1 WBG). Die Kantone gewährleisten den Hochwasserschutz in erster Linie durch den Unterhalt der Gewässer und durch raumplanerische Massnahmen (Art. 3 Abs. 1 WBG).

21. Grundlage für die zu treffenden Hochwasserschutzmassnahmen bilden die Gefahrenkarten, welche die Kantone zu erstellen haben (Art. 21 WBV) und wofür der Bund Subventionen leistet (Art. 6 Abs. 2 Bst. b WBG).

22. Die Gefahrenkartierung nach Art. 21 WBV ist das Ergebnis der technischen Bearbeitung eines Raumes durch den Ingenieur. Ob eine Gefahrensituation vorliegt, bestimmt sich einzig nach hydrologischen und damit naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten (Stutz, Uferstreifen, 121). Damit ist die Gefahrenkartierung als solche eine Sachverhaltsfeststellung. Sie soll, in Gefahrenstufen abgestuft, Angaben zur Gefahrenart, zur räumlichen Ausdehnung und zum Grad der Gefährdung enthalten (BGer 2C_461/2011 vom 9. November 2011, E. 7.1). Eine Interessenabwägung muss bei dieser Kartierung nicht vorgenommen werden.

23. Aus den Gefahrenkarten ergeben sich zumindest von Bundesrechts wegen noch keine unmittelbaren, grundeigentümerverbindlichen Nutzungsbeschränkungen. Gefahrenkarten dokumentieren gewissermassen das öffentliche Interesse für nutzungseinschränkende Anordnungen. Was konkret zu tun ist, muss in einem Planungsverfahren unter Einbezug aller relevanten Interessen entschieden werden (BGer 2C_461/2011 vom 9. November 2011, E. 7.2; Waldmann, Entschädigung, 166).

24. Das Ergebnis der Gefahrenkartierung ist somit eine (von mehreren) Grundlagen für die Festlegung des Gewässerraums. Erst bei dieser Festlegung erfolgt eine Abstimmung aller massgeblichen Aspekte, wozu auch die verschiedenen Interessen der von der Gewässerraumfestlegung betroffenen Personen gehören (Stutz, Uferstreifen, 121).

Gewässernutzung

25. Schliesslich kann der Gewässerraum der Gewässernutzung dienen (Abs. 1 Bst. c). Mithin ist der räumliche Bedarf auszuscheiden, der insbesondere für die Realisierung von Massnahmen zur Minderung negativer Auswirkungen von Schwall und Sunk (z.B. Ausgleichsbecken bei Speicherkraftwerken), für Becken zur Pumpspeicherung oder für die Schaffung von Umgehungsgerinnen bei Kraftwerken oder Wehren benötigt wird (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 12).

26. Der Begriff der Gewässernutzung geht aber darüber hinaus: Ein Gewässer kann in verschiedener Weise gewässerschutzkonform im Sinn von Art. 1 GSchG genutzt werden, so etwa für die Entnahme von Trink‑ und Brauchwasser (Bst. b), für die landwirtschaftliche Bewässerung (Bst. f) oder die Erholungsnutzung (Bst. g). Demgegenüber entspricht die Wasserkraftnutzung zur Gewinnung elektrischer Energie nicht der primären Zielsetzung des GSchG, sondern untersteht aufgrund ihrer möglichen Auswirkungen auf das Gewässer speziellen Bedingungen (Art. 29 ff. GSchG; VGer ZH, Urteil vom 27. März 2013 [VB.2012.00644], E. 3.2.1).

4.             Zuständigkeiten und Verfahren

Anhören der betroffenen Kreise

27. Hinsichtlich des Verfahrens schreibt Art. 36a Abs. 1 GSchG vor, dass die Kantone den Gewässerraum «nach Anhörung der betroffenen Kreise» festzulegen haben, ohne aber diese Kreise näher zu bestimmen. Das belässt den Kantonen einen gewissen Spielraum. Es beurteilt sich im Einzelfall, wer «betroffen» und demzufolge anzuhören ist.

28. Art. 36a Abs. 1 legt ausdrücklich fest, dass der Gewässerraum nach Anhörung der betroffenen Kreise festzulegen ist. Dies steht im Einklang mit der Entstehungsgeschichte: Die Verpflichtung, betroffene Kreise anzuhören, wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratung in den Gesetzestext eingefügt. Ziel war, mit der vorgängigen Anhörung Probleme rechtzeitig auszuräumen, um dergestalt eine bessere Entscheidbasis zu finden (Votum Fässler, AB 2009 N 253). Mithin hat die Anhörung zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, in welchem die abschliessende Interessenabwägung noch offen ist, zumal es sich um eine Art «Vernehmlassung» handelt. Deren explizite Verankerung im Gesetz gewährleistet, dass die betroffenen Kreise – es wurde vor allem an die Landwirtschaft gedacht – in jedem Fall angehört werden. Die Pflicht zur Anhörung bedeutet also nicht zusätzliche Rekurs‑ oder Einsprachemöglichkeiten, welche die Verfahren verlängern würden, sondern einen «pragmatischen Umgang mit den betroffenen Parteien» (Votum Killer, AB 2009 N 652).

29. Der Einbezug der betroffenen Kreise ermöglicht die notwendige Breite der Interessenabwägung und bildet damit eine wichtige Grundlage für den sachgerechten Planungsentscheid. Daher ist der Kreis der einzubeziehenden Personen nicht zu eng zu ziehen, sondern sind in der Regel nicht nur die Grundeigentümer, sondern auch Mieter, Pächter (Bewirtschafter) und (bei Festlegung durch den Kanton) die betroffenen Gemeinden anzuhören.

30. Eine neue Form und ein neues Verfahren der Mitwirkung waren mit Art. 36a Abs. 1 GSchG nicht beabsichtigt. Daher gewährleistet die «Mitwirkung der Bevölkerung», wie sie Art. 4 Abs. 2 RPG als Vorgabe für das kantonale Recht gebietet, auch den Einbezug der betroffenen Kreise nach Art. 36a Abs. 1 GSchG.

31. Eine fehlende Anhörung macht die Gewässerraumfestlegung nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar. Durchsetzen kann den Anspruch auf Anhörung nur, wer rechtsmittelbefugt ist (Muggli, Handkommentar RPG, Art. 4 N 29), was bei den betroffenen Grundeigentümern und Bewirtschaftern regelmässig zutrifft.

32. Über die Anhörungspflicht hinaus enthalten weder das GSchG noch die GSchV Bestimmungen über das Verfahren und die Instrumente zur Festlegung des Gewässerraums. Es ergeben sich trotzdem klare Vorgaben:

Gebot der grundeigentümerverbindlichen Festlegung

33. Die Kantone müssen das erforderliche Vollzugsrecht schaffen und Regelungslücken schliessen. Form und Inhalt des kantonalen Ausführungsrechts und die Zuständigkeit zur Rechtsetzung bestimmen sich nach kantonalem Recht (vgl. VGer AG, Urteil vom 27. September 2012 [WNO.2012.2], E. II.4.4.1 und 4.4.2, in: URP 2013, 150). Es ist hierfür ein Planungsverfahren zu wählen, das parzellenscharfe, grundeigentümerverbindliche und anfechtbare Festlegungen trifft (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 4; vgl. auch Stutz, Uferstreifen, 117; Fritzsche, Entschädigungspflicht, 220 f.; BAFU/BLW/ARE, Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft, Ziff. 2.2). Festlegungen auf Stufe der (rein behördenverbindlichen) Richtplanung oder Sachplanung würden demzufolge nicht genügen.

34. Art. 41a und 41b GSchV gebieten zwingend die Berücksichtigung von Kriterien, die eine Betrachtung der konkreten Situation erfordern. Daher sind bei der Ausscheidung von Gewässerräumen nicht flächendeckend einheitliche, sondern an die konkreten Verhältnisse angepasste Festlegungen vorzunehmen. Eine rein generell-abstrakte Festlegung, wie sie Abs. 2 der (durch das kantonale Recht abzulösenden) Übergangsbestimmungen zur GSchV noch enthält, würde dem Sinn und Zweck des Bundesrechts nicht entsprechen. Mit einer generell-abstrakten Regelung liesse sich auch kein befriedigendes Gesamtergebnis erzielen, das alle berechtigten Interessen angemessen berücksichtigt (Stutz, Uferstreifen, 117).

35. In Frage kommen primär die im kantonalen Recht bereits verankerten oder im weiten Spielraum von Art. 17 und 18 RPG neu zu schaffenden Instrumente der kantonalen oder kommunalen Nutzungsplanung, z.B. Freihaltezonen, Grünzonen, Erholungszonen, Gewässerabstandslinien, Sondernutzungsplanungen, Gefahrenzonen, Natur‑ oder Landschaftsschutzzonen. Dabei richten sich Verfahren und Rechtsschutz nach dem für die Nutzungsplanung anwendbaren Raumplanungsrecht (Stutz, Uferstreifen, 117). Es gelten die Bestimmungen des RPG zur Nutzungsplanung, d.h. neben dem Gebot der Information und Mitwirkung der Bevölkerung (Art. 4 RPG) das Gebot der Genehmigung der Nutzungspläne durch eine kantonale Behörde (Art. 26 RPG) und die Vorgaben zum Rechtsweg (Art. 33 RPG).

36. In Betracht fällt aber auch die Durchführung einer (grundeigentümerverbindlichen) kantonalen oder allenfalls kommunalen Fachplanung, welche alsdann in Nutzungsplanungs‑ und Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Stutz, Uferstreifen, 116 f. mit Fn. 46; Stutz, Raumbedarf, 16 und 23 [Fn. 34], auch zum Folgenden; BGE 139 II 470, E. 4.3). Diese Art der Umsetzung ist in umwelt‑, gewässerschutz‑ und wasserbaurechtlichen Materien häufig. Zu denken ist etwa an den Kataster der belasteten Standorte gemäss Art. 32c Abs. 2 USG, an die kantonsweite Bezeichnung von besonders gefährdeten Gebieten (Gewässerschutzbereiche Au und Ao sowie Zuströmbereiche Zu und Zo) gemäss Art. 19 GSchG i.V.m. Art. 29 GSchV oder an die Ausscheidung von Hochwassergefahrengebieten i.S.v. Art. 21 Abs. 1 WBV (soweit nach kantonalem Recht grundeigentümerverbindlich).

37. Zwingend zu beachten haben die Kantone in jedem Fall die spezifischen Koordinationsvorschriften von Art. 36a Abs. 3 Satz 1 GSchG und von Art. 46 Abs. 1 und 1bis GSchV sowie die allgemeinen Koordinationsgrundsätze von Art. 25a RPG (BGE 139 II 470, 481, E. 4.3 m.H.).

Gebot durchgehender Planung

38. Mit der Festsetzung des Gewässerraums wird eine raumwirksame Aufgabe im Sinne von Art. 2 RPG erfüllt: Raumwirksame Tätigkeiten liegen vor, wenn die zu ihrer Erfüllung angestrengten Tätigkeiten die Nutzung des Bodens oder die Besiedlung des Landes verändern oder bestimmt sind, diese zu erhalten (Art. 1 Abs. 1 RPV). Angesichts der umfassenden und nicht abschliessenden Umschreibung in Art. 1 Abs. 2 Bst. a RPV ist auch die Festsetzung des Gewässerraums eine raumwirksame Aufgabe in diesem Sinne. Sie ist nach Art. 2 Abs. 1 RPG mit anderen Planungen «abzustimmen» (vgl. dazu Näheres bei Tschannen, Kommentar RPG, Art. 2 N 52). Das wird in Art. 46 Abs. 1 GSchV ausdrücklich formuliert, wonach die Kantone die Massnahmen nach der Verordnung soweit erforderlich aufeinander und mit Massnahmen aus anderen Bereichen abzustimmen haben.

Gebot der umfassenden Interessenabwägung

39. Bei einer raumwirksamen Tätigkeit ist auch Art. 3 RPV zu beachten: Stehen den Behörden bei Erfüllung und Abstimmung raumwirksamer Aufgaben Handlungsspielräume zu (was bei der Ausscheidung von Gewässerräumen regelmässig der Fall ist), so wägen sie die Interessen gegeneinander ab, indem sie die betroffenen Interessen ermitteln, beurteilen und auf Grund der Beurteilung im Entscheid möglichst umfassend berücksichtigen.

40. Das heisst bezogen auf den Gewässerraum auch, dass ein genügend gross gewählter Perimeter betrachtet werden muss; nur so lassen sich die verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen sachgerecht berücksichtigen und können zweckmässige Gesamtergebnisse erzielt werden.

41. Der Gewässerraum kann nicht in einem Baubewilligungsverfahren (etwa im Rahmen der Genehmigung des Umgebungsplanes) festgelegt werden. Eine ungeordnete, zufällige Festlegung des Gewässerraums für einzelne Grundstücke würde dem Gebot umfassender Interessenabwägung nicht entsprechen und oft zu einem Flickwerk führen (Stutz, Urteilsanmerkungen 2013, 163).

Gebot gesamtheitlicher Sicht

42. Entlang des Zürichsees liegen viele Baugrundstücke auf sogenanntem Konzessionsland, d.h. auf seinerzeit (im 19. und 20. Jahrhundert) aufgeschüttetem ehemaligem Seegebiet, das mit den entsprechenden Konzessionsverleihungen ins Privateigentum überging. In der Konzessionsverleihung war jeweils ein Bewilligungsvorbehalt statuiert, wonach der Landanlagekonzessionär ohne Bewilligung der kantonalen Baudirektion (sog. Baukonzession) keine Baute auf seiner Landanlage erstellen darf. Zur Vermeidung rechtsungleicher Entscheide hatte die Baudirektion eine Richtlinie erlassen (Richtlinie für bauliche Veränderungen auf Landanlagen und für Seebauten vom 7. Juli 1995) und ein Merkblatt herausgegeben (Merkblatt Höhenbegrenzung und Gewässerabstand bei Neu‑/Umbauten auf Landanlagen vom 1. Dezember 2008).

43. In diesem Zusammenhang erwog das Bundesgericht in BGE 139 II 470, 476 ff., E. 3.2–3.5, dass sich die Planungspflicht der Kantone auf ihr gesamtes Territorium erstreckt und auch das im Privateigentum stehende Aufschüttungsland einschliesst. Soweit verbindliche Normen (die revidierte Gewässerschutzgesetzgebung) und nutzungsplanerische Festlegungen (Bau‑ und Zonenordnung) bestehen, welche die Nutzung des Seeuferbereichs regeln und dabei auch das aufgeschüttete Land einschliessen, ist der Kanton beim Entscheid über die Baukonzessionen daran gebunden. Sein Ermessen wird in diesem Umfang eingeschränkt. Ihm ist daher verwehrt, an Bauvorhaben auf Landanlagen unter Verweis auf den Bewilligungsvorbehalt höhere Anforderungen zu stellen, als dies die gesetzlichen Bestimmungen und nutzungsplanerischen Festlegungen verlangen. Es bleibt ihm aber unbenommen, den Seeuferschutz in genereller Weise – also nicht nur für das aufgeschüttete Land – auszuweiten, wenn er dies für erforderlich hält (zustimmend auch Hänni/Iseli, Gewässerraum, 87).

B.            Festlegung der Einzelheiten durch den Bundesrat (Abs. 2)

1.             Umsetzung in der GSchV

Minimalvorgaben

44. Gemäss Art. 36a Abs. 2 GSchG regelt der Bundesrat die Einzelheiten. Die Bestimmung bezieht sich auf Abs. 1. Demgemäss bestimmt der Bundesrat auf Verordnungsstufe den Rahmen, innerhalb dessen die Kantone den Raumbedarf der Gewässer festlegen müssen, was er mit Art. 41a und 41b GSchV umgesetzt hat. Diese Bestimmungen enthalten Anforderungen für die Breite des von den Kantonen festzulegenden Gewässerraums, und zwar für Fliessgewässer einerseits (Art. 41a GSchV) und stehende Gewässer andererseits (Art. 41b GSchV).

45. Das sind Minimalvorgaben an die Kantone («muss mindestens betragen»). Die minimale Breite des Gewässerraums darf nicht unterschritten werden (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 3, 11; Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 12). Es ist den Kantonen aber freigestellt, über die Anforderungen des Bundesrechts hinauszugehen. Diesbezüglich hat der Bund keine abschliessende, kantonales Recht verdrängende Ordnung geschaffen (vgl. Stutz, Uferstreifen, 110).

Anweisungen an die Kantone

46. Art. 41a und 41b GSchV sind Anweisungen an die Kantone, nicht aber grundeigentümerverbindlich und insbesondere nicht im baurechtlichen Bewilligungsverfahren direkt anwendbar. Die Wirkungen der Bestimmungen in einem bestimmten Perimeter treten für die Grundeigentümer erst ein, wenn dort der Gewässerraum rechtskräftig festgelegt ist. Das unterscheidet sich von Art. 2 ÜbgBest, welcher im Sinne von «Sofortmassnahmen» grundeigentümerverbindliche Festlegungen trifft und die Funktion einer Planungszone erfüllt.

2.             Gewässerraum bei Fliessgewässern

Festlegung Gewässerraum als Korridor

47. Den Gewässerraum für Fliessgewässer (Bäche, Flüsse) regelt Art. 41a GSchV. Danach muss der Gewässerraum eine von der Gerinnesohle abhängige Mindestbreite aufweisen. Der Gewässerraum besteht aus dem Raum für eine natürliche Gerinnesohle und den beiden Uferbereichen. Er stellt einen Korridor dar, wobei das Gerinne nicht in der Mitte dieses Korridors liegen muss (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 10).

48. Der Korridor ermöglicht, den Gewässerraum an die Gegebenheiten im Umfeld des Gewässers anzupassen (z.B. bei Gebäuden, Strassen etc.) und dabei auch die Interessen der betroffenen Grundeigentümer angemessen zu berücksichtigen (Stutz, Uferstreifen, 117 f.; vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 10). Bei der Festlegung des Gewässerraums müssen allerdings nicht nur die aktuellen Verhältnisse berücksichtigt werden, sondern es ist auch eine mittel‑ und langfristige Perspektive erforderlich (Stutz, Uferstreifen, 98). Daher sind bestehende Gebäude mit dem Gewässerraum im Grundsatz nicht zu «umfahren», sondern in den Gewässerraum einzubeziehen (Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 29. August 2012 [BRGE III Nr. 104/2012], E. 5.3, in: BEZ 2012 Nr. 68).

Gerinnesohle als Ausgangspunkt

49. Ausgangspunkt für die Breite des Gewässerraums ist die (natürliche) Gerinnesohle (Art. 41a GSchV), also die natürliche Breite des Gewässers, d.h. die bei mittlerem Wasserstand von Wasser überdeckte Landoberfläche. Diese Breite ist nicht immer statisch. Daher ist die aktuelle Gerinnesohle bei verbauten Gewässern mit einem Korrekturfaktor zu multiplizieren, welcher bei eingeschränkter Breitenvariabilität 1.5, bei fehlender Breitenvariabilität 2.0 beträgt (vgl. BUWAL, Ökomorphologie Stufe F; BWG, Wegleitung Hochwasserschutz).

50. Im Unterschied dazu ist für die Bestimmung des Uferstreifens gemäss den ÜbgBest GSchV die aktuelle Gerinnesohle massgebend (vgl. zur Unterscheidung auch Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 29. August 2012 [BRGE III Nr. 104/2012], E. 4, in: BEZ 2012 Nr. 68).

Breite des Gewässerraums

51. Ausgehend von der Gerinnesohlenbreite ist im Einzelfall die Breite des Gewässerraums nach den Vorgaben von Art. 41a Abs. 2 GSchV festzulegen. Dabei orientiert sich die Breite an der etablierten Schlüsselkurve gemäss dem Leitbild Fliessgewässer und setzt diese vereinfachend um (BUWAL/BWG, Leitbild Fliessgewässer).

52. Für Gewässer mit Gerinnesohlen von mehr als 15 m enthält Art. 41a GSchV keine Vorgaben. Die Kantone müssen hier den Gewässerraum im Einzelfall unter Berücksichtigung der Sicherung der natürlichen Funktionen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser und der Gewässernutzung festlegen (vgl. Art. 36a Abs. 1 GSchG). Dabei ist mindestens jene Breite des Gewässerraums vorzusehen, die für Fliessgewässer mit natürlicher Gerinnesohle von 15 m gilt (Stutz, Uferstreifen, 115).

Erhöhte Anforderungen in Schutzgebieten

53. Art. 41a Abs. 1 GSchV legt für den Gewässerraum in Schutzgebieten erhöhte Mindestanforderungen fest. Dieser breitere Gewässerraum dient der Sicherstellung und Förderung der natürlichen Vielfalt standortgerechter Tier‑ und Pflanzenarten insbesondere bei kleineren Fliessgewässern und fördert damit die Biodiversität in den genannten Gebieten. Er schützt und ermöglicht die Aufwertung von Fliessgewässern auch in inventarisierten Gebieten, deren Schutzziele nicht explizit auf Fliessgewässer ausgerichtet sind, bei denen aber ein stärkerer Schutz der Fliessgewässer auch im Sinne des Inventars ist (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 11).

3.             Gewässerraum für stehende Gewässer

54. Art. 41b GSchV enthält Mindestanforderungen an den Gewässerraum bei stehenden Gewässern (Seen). Danach muss die Breite des Gewässerraums, gemessen ab der Uferlinie, mindestens 15 m betragen (Abs. 1). Im Gegensatz zur Regelung bei den Fliessgewässern enthält Art. 41b keine erhöhten Mindestmasse für Objekte des Natur‑ und Landschaftsschutzes.

55. Die «Uferlinie» wird in der GSchV nicht definiert. Als Uferlinie gilt die Begrenzungslinie eines Gewässers, bei deren Bestimmung in der Regel auf einen regelmässig wiederkehrenden höchsten Wasserstand abgestellt wird. Dabei wird den Kantonen ein gewisser Spielraum für die Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten belassen (z.B. Jährlichkeiten Wasserstand, Oberkante Böschung bei kleineren stehenden Gewässern; BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.4; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 13).

56. Die Legaldefinition des Gewässers (Art. 4 Bst. a GSchG) stellt auf Gewässerbett, Sohle und Böschung ab, d.h. auf Elemente, die sich im Lauf der Zeit verändern können, sei es durch natürliche Vorgänge (Erosion, Verlandung) oder infolge menschlicher Eingriffe. Dies spricht dafür, alle (zumindest periodisch) vom Seewasser überschwemmten Landteile zum Gewässer zu zählen, unabhängig von Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung. So hat das BGer festgehalten, dass die durch den Kiesabbau künstlich geschaffenen Buchten die Uferlinie des Zürichsees modifiziert haben und damit zur Seefläche gehören. Nach Auffassung des BGer wäre jede andere Auslegung auch unpraktikabel, gibt es doch am Zürichsee (und den meisten anderen grossen Seen der Schweiz) kaum mehr unberührte natürliche Ufer, die nicht in der Vergangenheit durch Aufschüttungen, Abgrabungen oder Verbauungen verändert worden sind (vgl. BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.4). Dementsprechend wurde auch in BGE 140 II 437, 440, E. 2.3 und 139 II 470, 483 E. 4.5 für die Bemessung des Gewässerraums auf das bestehende, hart verbaute Seeufer abgestellt, ohne danach zu fragen, wo sich früher das natürliche Seeufer befunden habe.

4.             Erhöhung des Gewässerraums

57. Die nach Art. 41a Abs. 1 und 2 GSchV (Fliessgewässer) bzw. Art. 41b Abs. 1 GSchV (stehende Gewässer) bestimmte Breite des Gewässerraums muss zwingend erhöht werden, soweit dies erforderlich ist (alternativ) zur Gewährleistung des Schutzes vor Hochwasser, des für eine Revitalisierung erforderlichen Raums, der Schutzziele von Objekten nach Art. 41a Abs. 1 GSchV, anderer überwiegender Interessen des Natur‑ und Landschaftsschutzes oder einer Gewässernutzung (vgl. die im Wesentlichen übereinstimmenden Art. 41a Abs. 3 und Art. 41b Abs. 2 GSchV). Dementsprechend müssen die Kantone für jedes Gewässer je nach Breite, Natürlichkeit, Lage innerhalb oder ausserhalb eines Natur‑ oder Landschaftsschutzgebietes und weiteren Überlegungen den Gewässerraum festlegen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 11 f.).

58. Überwiegende Interessen des Natur‑ und Landschaftsschutzes, die einen breiteren Gewässerraum erforderlich machen, liegen beispielsweise in regionalen Naturpärken vor, in deren Chartas entsprechende gewässerbezogene strategische Ziele zum Schutz der Natur und der Landschaft festgelegt wurden. Der Begriff «Naturschutz» umfasst den Arten‑ und den Habitatschutz (Schutz von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen).

59. Unter Raumbedarf zur Gewährleistung der Gewässernutzung ist insbesondere der Gewässerraum gemeint, der für die Realisierung von Massnahmen zur Minderung negativer Auswirkungen von Schwall und Sunk (z.B. Ausgleichsbecken bei Speicherkraftwerken), für Becken zur Pumpspeicherung oder für die Schaffung von Umgehungsgerinnen bei Kraftwerken oder Wehren benötigt wird (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 11 f.).

5.             Anpassung des Gewässerraums in dicht überbauten Gebieten

60. Die Breite des Gewässerraums kann in dicht überbauten Gebieten den baulichen Gegebenheiten angepasst werden, soweit der Schutz vor Hochwasser gewährleistet ist (Art. 41a Abs. 4 und 41b Abs. 3 GSchV).

6.             Verzicht auf die Festlegung des Gewässerraums

Allgemeine Voraussetzungen

61. Soweit keine überwiegenden Interessen entgegenstehen, kann unter den in Art. 41a Abs. 5 bzw. Art. 41b Abs. 4 GSchV genannten Voraussetzungen auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden. Damit soll der Aufwand für die Festlegung des Gewässerraums begrenzt und auf jene Gewässer konzentriert werden, bei denen Konflikte zwischen Schutz und Nutzung wahrscheinlich sind. Der Verzicht gebietet eine Interessenabwägung: Ein (pauschaler) generell abstrakter Verzicht auf die Festlegung des Ufer‑ und Gewässerraums ist mit dem Bundesrecht nicht vereinbar (vgl. VGer AG, Urteil vom 27. September 2012 [WNO.2012.2], E. II.6.6, in: AGVE 2012 150 ff. und URP 2013, 158 ff.).

62. Überwiegende Interessen, die eine Ausscheidung des Gewässerraums auch in solchen Fällen erfordern, sind insbesondere Interessen des Hochwasserschutzes, des Natur‑ und Landschaftsschutzes, der Gewässernutzung, einer angestrebten Revitalisierung oder die Sicherung der Funktionen des Gewässerraums (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 12). Der Verzicht auf die Festlegung des Gewässerraums berührt die Qualifikation als Gewässer nicht. Insbesondere sind die Vorschriften der ChemRRV für die Anwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln und der DZV für die Anlage von Grün‑ und Streueflächenstreifen an kleinen oder künstlich angelegten Gewässern gleichwohl einzuhalten (BAFU/BLW/ARE, Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft, Ziff. 2.3).

Wald

63. Die Kantone können bei Gewässern im Wald oder in hochgelegenen Regionen, die wenig intensiv genutzt werden und bei denen Konflikte zwischen Schutz und Nutzung im Gewässerraum daher weniger oft auftreten (z.B. Sömmerungsgebiete), auf die Ausscheidung des Gewässerraums verzichten.

Eingedolte Fliessgewässer

64. Die Kantone können auch auf die Ausscheidung des Gewässerraums bei eingedolten Fliessgewässern verzichten, da ohne ein konkretes Projekt in vielen Fällen unklar ist, wo der Gewässerlauf bei einer allfälligen zukünftigen Ausdolung angelegt wird. Zur Wahrung öffentlicher Interessen ist der Gewässerraum indessen auszuscheiden, wenn dies insbesondere aus Gründen des Hochwasserschutzes oder zur Sicherstellung von genügend Raum für eine allfällige spätere Ausdohlung nötig ist (Schutz vor Überbauung des Gebietes über eingedolten Gewässern; vgl. BPUK/KOLAS/BLW/ARE, BPUK Synthesebericht, 11).

Künstlich angelegte Gewässer

65. Die Kantone können auch auf die Festlegung des Gewässerraums bei künstlich angelegten Gewässern verzichten. Diese Ausnahme bezieht sich allerdings nur auf Gewässer, die (vollständig) künstlich angelegt wurden (z.B. Kraftwerks‑ oder Industriekanäle, Suonen, Entwässerungsgräben, Speicherseen) und nicht auf korrigierte (und in diesem Sinne künstliche) Uferabschnitte von natürlichen Seen oder Fliessgewässern (BGer 1C_821/2013 und 1C_825 /2013 vom 30. März 2015, E. 6.4.4).

66. Öffentliche Interessen, den Gewässerraum gleichwohl festzulegen, bestehen etwa bei Fliessgewässern, die eine ökologische Bedeutung als Lebensraum oder für die Vernetzung von Lebensräumen haben (BPUK/KOLAS/ BLW/ARE, BPUK Synthesebericht, 11), bei Stauseen oder auch bei künstlichen Weihern, welche auf Grund der Natur‑ und Landschaftsschutzgesetzgebung geschaffen wurden.

Stehende Gewässer mit Wasserfläche unter 0,5 ha

67. Auf die Festlegung des Gewässerraums können die Kantone auch bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von weniger als 0,5 ha verzichten. Die Beschränkung der Ausscheidung des Gewässerraums auf stehende Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha erfolgt aus Gründen der Praktikabilität (vgl. im Detail BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 14).

Kleine Fliessgewässer

68. Die Kantone haben aufgrund ihrer Gewässerhoheit (Art. 664 ZGB) einen gewissen Spielraum, Rinnsale geringer Bedeutung von der Gewässerraumfestlegung auszunehmen. Das BAFU empfiehlt, den Gewässerraum für die Gewässer auszuscheiden, die auf der Landeskarte 1:25’000 verzeichnet sind. Die Kantone können die Ausscheidung auch auf der Grundlage von detaillierteren kantonalen Kartengrundlagen (z.B. kantonale Gewässernetze) vornehmen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 11; vgl. auch BAFU/BLW/ARE, Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft, Ziff. 2.3). Das erweist sich als zweckmässiger als die Basis der Landeskarte, weil das kantonale Gewässernetz in der Regel eine höhere Lagegenauigkeit als das Gewässernetz des Bundes aufweist.

7.             Frist und Übergangsbestimmungen

Frist

69. Die Kantone haben den Gewässerraum bis zum 31. Dezember 2018 festzulegen (Abs. 1 ÜbgBest GSchV). Sanktionen für die Nichteinhaltung dieser Frist sieht die GSchV nicht ausdrücklich vor. Allerdings gilt für die betroffenen Gewässer oder Gewässerabschnitte Abs. 2 ÜbgBest GSchV mit den pauschalen Festlegungen zum Uferstreifen auch über die genannte Frist hinaus. Daher liegt es im Interesse der Kantone, den Uferstreifen möglichst rasch durch einen definitiven Gewässerraum abzulösen. Dabei besteht auch die Möglichkeit, aktuelle Baugesuche oder Sondernutzungsplanungen zum Anlass für eine vorzeitige Festlegung des Gewässerraums zu nehmen. Es ist aber auch dabei auf eine planerisch sinnvolle Länge des einbezogenen Gewässerabschnitts zu achten (BPUK/KOLAS/BLW/ARE, BPUK Synthesebericht, 7).

Uferstreifen

70. Solange der Gewässerraum nicht festgelegt ist, gilt Abs. 2 ÜbgBest GSchV, wonach entlang von Fliessgewässern beidseits ein von der aktuellen Gerinnesohlenbreite abhängiger Uferstreifen freizuhalten ist. Der Uferstreifen unterscheidet sich insoweit vom Gewässerraum, gemäss Art. 41a GSchV, als letzterer ein Korridor ist, in dem das Gewässer nicht in der Mitte fliessen muss. Bei stehenden Gewässern ab 0,5 ha beträgt der Uferstreifen 20 m.

71. Der freizuhaltende Uferstreifen ist von der Uferlinie zu messen. Als solche gilt die Begrenzungslinie eines Gewässers, bei deren Bestimmung in der Regel auf einen regelmässig wiederkehrenden höchsten Wasserstand abgestellt wird (vgl. N 54).

72. Die Bestimmungen zum Uferstreifen sind ab Datum ihres Inkrafttretens (1. Juni 2011) direkt anwendbar und bedürfen keiner gesetzgeberischen Umsetzung durch die Kantone (vgl. etwa Stutz, Uferstreifen, 102; Stutz, Raumbedarf, 14). Sie gehen weniger weit reichenden, generell-abstrakten kantonalen Gewässerabständen vor (vgl. BGer 1C_505/2011 vom 1. Februar 2012, E. 3.1.3 und E. 3.3, in: URP 2012, 160 ff.; VGer ZH, Urteil vom 26. Juni 2012 [AN.2012.00001], E. 4.4; Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1192). Bundesrecht bricht kantonales Recht (Art. 49 BV), was auch für das Verordnungsrecht des Bundes gilt.

73. Art. 36a GSchG und die ausführenden Bestimmungen dienen wichtigen öffentlichen Anliegen, nämlich insbesondere der Gewährleistung der natürlichen Funktionen der Gewässer, dem Schutz vor Hochwasser und der Gewässernutzung. Mit Abs. 2 ÜbgBest GSchV soll sichergestellt werden, dass im Gewässerraum nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung keine unerwünschten neuen Anlagen mehr errichtet werden (BGE 139 II 470, 481, E. 4.2 m.H.; BGer 1C_505/2011 vom 1. Februar 2012, E. 3.1.3, in: URP 2012, 165, unter Hinweis auf BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 4; vgl. auch Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 20. November 2012 [BRGE II Nr. 0186/2012], E. 4.3, in: BEZ 2013 Nr. 5). Diese Zielsetzung verlangt, dass die neuen Bestimmungen zum Uferstreifen auch in hängigen Rechtsmittelverfahren Anwendung finden (vgl. ebenso BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 5.1).

74. Art. 2 ÜbgBest GSchV verdrängt nicht nur generell-abstrakte kantonale Gewässerabstände, sondern auch solche, die etwa in Form von Baulinien, Freihaltezonen, Baubereichen in Kernzonen‑ oder Sondernutzungsplänen auf Stufe Nutzungsplanung festgelegt worden sind. Allerdings ist zu beachten, dass mit derartigen nutzungsplanerischen Festlegungen, soweit sie (und nur dann) nach umfassender Interessenabwägung zustandegekommen sind und den materiellen Kriterien von Art. 36a GSchG bzw. Art. 41a und 41b GSchV entsprechen, der Gewässerraum bereits ausgeschieden ist, was die Geltung von Art. 2 ÜbgBest GSchV zum Uferstreifen in solchen Fällen ausschliesst (vgl. auch BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 13).

75. Mit dem Gewässerraum muss insbesondere auch der erforderliche Raumbedarf für Revitalisierungen gesichert werden (Art. 41a Abs. 3 Bst. b und 41b Abs. 2 Bst. b GSchV), weshalb die Gewässerraum‑ und die Revitalisierungsplanung zu koordinieren sind. Bauten und Anlagen, welche die Festlegung des künftigen Gewässerraums oder die künftige Revitalisierungsplanung negativ präjudizieren oder vereiteln könnten, dürfen im übergangsrechtlichen Gewässerraum nicht mehr bewilligt werden, und zwar auch nicht auf dem Wege der Gestaltungsplanung. Dem Gewässerraum kommt insoweit die Funktion einer Planungszone zu: (BGE 140 II 437, 445, E. 6.2; BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013, E. 6.5.2).

C.           Gewässerraum in dicht überbauten Gebieten

1.             Grundlagen, Ziel und Zweck

76. In dicht überbauten Gebieten ist die Ausscheidung des Gewässerraums oft nicht oder nur an die baulichen Gegebenheiten angepasst sinnvoll. Daher können dort die Kantone gemäss Art. 41a Abs. 4 GSchV (bei Fliessgewässern) bzw. Art. 41b Abs. 3 GSchV (bei stehenden Gewässern) die Breite des Gewässerraums den baulichen Gegebenheiten anpassen, sofern der Schutz vor Hochwasser gewährleistet bleibt.

77. Dabei besteht das Ziel darin, Siedlungsgebiete zu verdichten und im Sinne einer erwünschten Siedlungsentwicklung nach Innen Baulücken zu schliessen, wenn das Interesse an der baulichen Nutzung überwiegt (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15). Es soll dort eine Ausnahme von den Mindestbreiten ermöglicht werden, wo der Gewässerraum die natürlichen Funktionen (Art. 36a Abs. 1 GSchG) auch auf lange Sicht nicht erfüllen kann (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 3; vgl. auch Kantonsgericht LU, Urteil vom 10. Juli 2013 [V 12 272], E. 3.4.3).

Leitentscheide des Bundesgerichts

78. Das Bundesgericht nahm bisher in zwei Leitentscheiden zum dicht überbauten Gebiet Stellung:

79. Im ersten Urteil vom 12. Juni 2014 (BGE 140 II 428, Dagmersellen, zusammengefasst in: URP 2014, 555 ff., mit Kommentar der Redaktion und Ortophoto) war ein Bauvorhaben am Rande des Dorfes streitig. Die Bauherrschaft beabsichtigte die Erstellung zweier Mehrfamilienhäuser im Uferstreifen der Wigger. Das Bundesgericht argumentierte zusammengefasst, mit Blick auf das gesamte Gemeindegebiet sei bei den Baugrundstücken von einem peripher gelegenen Gebiet auszugehen, das nicht als «dicht überbaut» bezeichnet werden könne (E. 8).

80. Im zweiten Urteil vom 14. August 2014 (BGE 140 II 437, Rüschlikon am Zürichsee, zusammengefasst in: URP 2014, 569 ff., mit Kommentar der Redaktion und Ortophoto) war ein Einfamilienhaus im Uferstreifen des Zürichsees Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Das Bundesgericht ging hier vom Vorliegen eines dicht überbauten Gebietes aus.Es hielt fest, dass die betreffende Parzelle im Hauptsiedlungsgebiet der Gemeinde liege, welches selber Teil der dicht überbauten Agglomeration der Stadt Zürich sei.

81. Da sich die den beiden Entscheiden zugrundeliegende Sachverhalte wesentlich voneinander unterscheiden, aber dennoch repräsentativ für Fliessgewässer einerseits bzw. stehende Gewässer andererseits im Mittelland sind, haben sie eine grosse praktische Bedeutung für die künftige Handhabung der Gewässerraumbestimmungen innerhalb des Siedlungsgebiets, sei es gemäss der heute geltenden Übergangsregelung oder sei es nach Ausscheidung des definitiven Gewässerraums (Kommentar der Redaktion zum Urteil BGE 140 II 437, in: URP 2014, 582). Vgl. zu den Kriterien gemäss der bisher ergangenen bundesgerichtlichtlichen Rechtsprechung auch Hänni/Iseli, Gewässerraum, 88 und Aemisegger, Rechtsprechung, 75 ff.).

Merkblatt

82. Bund und Kantone haben ein Merkblatt zu den dicht überbauten Gebieten publiziert (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete»), das die Kantone bei einem landesweit einheitlichen Vollzug unterstützen soll (BGE 139 II 470, E. 4.5; vgl. zur Bedeutung des Merkblattes auch Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 11. März 2014 [BRGE II Nr. 00312/2014], E. 4.2.2.). Es enthält eine Kriterienliste zur Bestimmung des dicht überbauten Gebiets, betont aber, dass den Kantonen ein Spielraum zustehe. Im Rahmen pflichtgemässer Ermessensausübung sind Aspekte der Gewässer‑ und der Siedlungsentwicklung heranzuziehen und sowohl übergeordnete Konzepte als auch die konkrete Situation vor Ort zu berücksichtigen. Die Kriterien sind nicht abschliessend und müssen fallweise gewichtet werden (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 4, Abschnitt C).

83. Im Rahmen der öffentlichen Urteilsberatung im Fall Dagmersellen (in BGE 140 II 428 nicht publizierte Erwägungen) kritisierte das BGer, dass der Bundesrat in der GSchV den Begriff «dicht überbautes Gebiet» gewählt hatte. Weil sich Widerstand von Gemeinden und der Bevölkerung abzeichnete, sei das erwähnte Merkblatt verfasst worden. Die Richter bemängelten dieses Vorgehen, sei es doch Aufgabe des Bundesrats, anwendbare Verordnungen zu erlassen und nicht Merkblätter zu formulieren. Unklare Gesetze und Verordnungen liessen sich nicht mit Merkblättern korrigieren, wichtig sei vielmehr eine sorgfältige Gesetzgebung (Jud, Gewässerraum, 6). Dessen ungeachtet stützte sich aber das BGer in den bisher ergangenen Entscheiden auch auf das Merkblatt ab. In der Tat kann dieses eine gewisse, wenn auch nicht immer sehr konkrete Hilfestellung bei der Auslegung geben.

Grundsätze der Auslegung

84. Das «dicht überbaute Gebiet» ist ein Begriff der GSchV und damit des Bundesrechts, der bundesweit einheitlich auszulegen ist (BGE 140 II 428, E. 7), jedoch den Kantonen einen Spielraum bei der Umsetzung belässt. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Lehre und Rechtsprechung näher konkretisiert werden muss (Stutz, Uferstreifen, 103 f.; BGE 140 II 428, 432, E. 3.1).

85. Der Begriff wird nicht nur in Art. 41a Abs. 4 und Art. 41b Abs. 3 GSchV (Festlegung des Gewässerraums), sondern auch in Art. 41c Abs. 1 GSchV (Ausnahmen im Gewässerraum) verwendet. Art. 41a, 41b und 41c gehen von einem einheitlichen Begriff aus (BGE 140 II 428, E. 7). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Lehre und Rechtsprechung näher konkretisiert werden muss (BGE 140 II 428, 432, E. 3.1; Stutz, Uferstreifen, 103 f.).

86. Es ist ein Unterschied zu Art. 37 Abs. 3 GSchG (Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern) gegeben, wo von «überbauten Gebieten» (ohne den Zusatz «dicht») die Rede ist (dazu BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3e und 4, in: ZBl 101/2000, 323; URP 2000, 648). Der Verordnungsgeber hat mit dem Begriff «dicht überbaut» zum Ausdruck gebracht, dass eine «weitgehende» Überbauung wie in Art. 36 Abs. 3 RPG nicht genügt (BGE 140 II 428, 435, E. 7; vgl. auch Stutz, Uferstreifen, 104 und Fn. 23). Der Begriff des dicht überbauten Gebietes knüpft nicht an vorbestehende raumplanerische Begriffsbildungen an, sondern wurde mit Blick auf die Gewässerraumthematik neu geschaffen.

87. Art. 36a GSchG wurde als indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Gewässer» konzipiert. Der Rückzug der Initiative erfolgte nach Annahme des Gesetzes, aber vor Erlass der dazugehörigen Ausführungsbestimmungen. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des «dicht überbauten Gebiets», der Ausnahmen vom Grundsatz des Schutzes und der extensiven Nutzung des Gewässerraums gemäss Art. 36a GSchG erlaubt, restriktiv auszulegen (BGE 140 II 428, E. 7). Im Einzelfall sind sowohl Aspekte der Gewässer‑, als auch der Siedlungsentwicklung heranzuziehen und neben übergeordneten Konzepten ebenso die konkreten Situationen vor Ort zu berücksichtigen (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 4). Je gewichtiger die öffentlichen Interessen an einer Verdichtung sind, desto weniger dicht muss die vorbestandene Überbauung sein.

2.             Massgebliche Gesichtspunkte

88. Ob das Gebiet «dicht überbaut» ist, beurteilt sich ausschliesslich nach der konkreten Bebauungssituation. Massgebend ist demzufolge die bauliche Nutzung eines bestimmten Uferabschnittes. Kein massgebliches Kriterium für die dichte Überbauung bildet daher der Umstand, dass der Gewässerabschnitt verbaut ist und die Aufwertungsmöglichkeiten im Uferbereich beschränkt sind. Dies kann allenfalls im Rahmen der nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV gebotenen Interessenabwägung die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Beanspruchung des Gewässerraums rechtfertigen, ist aber nicht schon bei dessen Festlegung zu berücksichtigen (so BGE 140 II 428, 436, E. 8.1). Abweichend dazu und unzutreffend bezog das BGer im Entscheid BGE 140 II 437, 444, E. 5.4 die ökologische Funktion des Uferabschnitts bzw. die fehlenden Aufwertungsmöglichkeiten in die Begriffsbestimmung «dicht überbaut» ein (vgl. dazu die berechtigte Kritik in Schmid, Urteilsanmerkungen, 586 f.).

89. Eine sachgerechte Planung setzt einen genügend gross gewählten Betrachtungsperimeter voraus (Stutz, Urteilsanmerkungen 2013, 163). Daher darf der Blick nicht ausschliesslich auf eine konkrete Bauparzelle und die unmittelbar angrenzenden Parzellen gerichtet werden. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, mit Blick auf die bestehende Baustruktur des Gemeindegebietes. Planungsperimeter ist – zumindest in kleineren Gemeinden – in der Regel das Gemeindegebiet (vgl. §§ 2 Abs. 2 und 11a Abs. 1 KGSchV LU, wonach der Kanton die erforderliche Breite des Gewässerraums ermittelt, dessen verbindliche Festlegung aber durch die Gemeinden im Verfahren der Nutzungsplanung erfolgt). Dabei liegt der Fokus auf dem Land entlang dem Gewässer und nicht (wie beim raumplanerischen Begriff des weitgehend überbauten Gebiets) auf dem Siedlungsgebiet als Ganzem (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 3, 4, Abschnitt B; BGE 140 II 428, E. 7140 II 437, E. 5.1).

90. Eine behördliche Planungsabsicht, eine Sondernutzungsplanung oder die Lage in einer Bauzone allein reichen für die Annahme eines überbauten Gebiets nicht aus (BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8.4.1, in: URP 2013, 113 ff.; Stutz, Uferstreifen, 103; BPUK/KOLAS/BLW/ARE, BPUK Synthesebericht, 8; ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 3); auch darf nicht aus dem (allgemeinen) Interesse an einer Verdichtung auf das Vorliegen eines dicht überbauten Gebiets geschlossen werden (VGer ZH, Urteil vom 5. September 2013 [VB.2013.00340], E. 4.5.1). Insoweit wird das raumplanungsrechtliche Gebot innerer Verdichtung durch die Bestimmungen zum Gewässerraum eingeschränkt.

91. Im Sinne einer groben Annäherung liegt dicht überbautes Gebiet vor, wenn die Grundstücke in der Umgebung baulich weitgehend ausgenützt sind, das zur Bebauung geplante Grundstück in einer Kernzone oder Zentrumszone liegt, in der Umgebung des zur Bebauung geplanten Grundstücks bereits viele Bauten und Anlagen im Uferstreifen bzw. Gewässerraum stehen oder die Bauparzelle eine Baulücke bildet (Stutz, Uferstreifen, 104; Raumbedarf, 18, im gleichen Sinne BGE 140 II 428, E. 3.3 und Fritzsche/Bösch/Wipf, Planungs‑ und Baurecht, 791).

92. Das bedarf allerdings der Konkretisierung:

3.             Fallgruppen Zentrumsgebiet

93. Typische Fälle dichter Überbauung sind Ortsteile mit zentrumsbildenden Funktionen (Stadt‑ oder Dorfzentren, ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 4, auch im Folgenden). Der Verordnungsgeber wollte eine Anpassung des Gewässerraums bzw. Ausnahmebewilligungen vor allem in dicht überbauten städtischen Quartieren und Dorfzentren zulassen, die (wie Basel und Zürich) von Flüssen durchquert werden. In solchen Gebieten sollen die raumplanerisch erwünschte städtebauliche Verdichtung und die Siedlungsentwicklung nach innen ermöglicht und Baulücken geschlossen werden können. Dicht überbaut in diesem Sinne können auch traditionell gewachsene Dorfzentren in ländlichen Gebieten sein.

Gebiete mit Baulücken

94. Nicht dicht überbaut sind in der Regel Gebiete, in denen sich keine oder nur einzelne Anlagen befinden (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 6, auch zum Folgenden; Stutz, Uferstreifen, 104). Davon besteht aber dann eine Ausnahme, wenn eigentliche Baulücken vorliegen und ein Interesse besteht, den Gewässerraum dort verdichtet zu überbauen. Es muss mithin ein Bedarf bestehen, Baulücken zu schliessen (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», Grundsatz 2, Bsp. 3; zum Begriff der Baulücke vgl. BGE 132 II 218, E. 4.2, m.H.; VGer ZH, Urteil vom 5. September 2013 [VB.2013.00340], E. 4.5.4, m.H.; Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Art. 15 N 23; Riva, Kommentar RPG, Art. 5 N 146 ff.; Fritzsche/Bösch/Wipf, Planungs‑ und Baurecht, 241, je m.w.H.).

95. Eine Verdichtung war jedoch im Fall Rüschlikon (BGE 140 II 437) gerade nicht das Ziel. Vielmehr wird dort am Ufer eine lockere Überbauung angestrebt. Und dennoch nahm das BGer, weil sich das Bauvorhaben im Hauptsiedlungsgebiet der Agglomeration befindet, dicht überbautes Gebiet an (Hänni/Iseli, Gewässerraum, 88).

96. Im Rahmen einer Sondernutzungsplanung, der ein übergeordnetes Konzept zugrunde liegt (Richt‑ oder Nutzungsplanung) können nicht oder nur vereinzelt überbaute Gebiete als dicht überbaut gelten, sofern eine Realisierung ausserhalb des festzulegenden Gewässerraums nicht möglich ist und Lösungen zu einer möglichst grossen Schonung bzw. Integration des Gewässers in die neu zu gestaltende Überbauung gesucht werden (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», Grundsatz 3, Bsp. 6).

97. In diesem Sinne hat sich die Praxis von der ursprünglichen Vorstellung des Bundesrates entfernt, wonach nur Städte oder Dorfzentren, z.B. städtische Quartiere in Basel am Rhein oder in Zürich an der Limmat als dicht überbaut erwähnt werden (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 12 f.). Der Grund für die Ausnahmen liegt in der Erkenntnis, dass mitten im Siedlungsgebiet gelegene, eingezonte Grundstücke im Sinne einer haushälterischen Nutzung des Bodens durch den Gewässerraum nicht so zerschnitten werden dürfen, dass sie unüberbaubar werden. Damit können auch erhebliche Wertverluste und Entschädigungen für materielle Enteignungen (Härtefälle) vermieden werden (vgl. zur materiellen Enteignung N 156 ff.). Baulücken sollen zudem sinnvoll genutzt werden, und auf nur teilweise überbauten Parzellen sollen Nachverdichtungen möglich sein (ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 7).

Periphere Gebiete

98. Dagegen besteht in peripheren Gebieten, die an Gewässer angrenzen, regelmässig kein überwiegendes Interesse an einer verdichteten Überbauung. Hier muss daher der minimale Raumbedarf des Gewässers gemäss Art. 41a Abs. 2 und Art. 41b Abs. 1 GSchV respektiert und von nicht standortgebundenen Anlagen freigehalten werden. Von solchen Verhältnissen ging das BGer im Entscheid Dagmersellen (BGE 140 II 428, E. 7) aus. Das Gericht befand in diesem Entscheid, mit Blick auf das gesamte Gemeindegebiet handle es sich um ein peripher gelegenes Gebiet, das nicht als «dicht überbaut» bezeichnet werden könne. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Wigger im fraglichen Abschnitt verbaut sei und die Aufwertungsmöglichkeiten aufgrund der beiden bestehenden Brücken beschränkt blieben.

Grünräume

99. Nicht «dicht überbaut» sind auch Gebiete innerhalb eines bedeutenden, siedlungsinternen oder siedlungsnahen Grünraums. Auch dort ist der Gewässerraum auszuscheiden (VGer ZH, Urteil vom 5. September 2013 [VB.2013.00340], E. 4.5.4) Dasselbe gilt für Gebiete mit ökologischer oder landschaftlicher Bedeutung (im Ist-Zustand oder nach getroffenen Aufwertungsmassnahmen; ARE/BAFU/BPUK, Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 4, 5, Kriterienliste; BGE 140 II 428, E. 3.4).

100. Nicht dicht überbaut ist daher etwa ein mehr oder weniger freies durchgrüntes Ufergelände von ca. 70 m Länge in einer Erholungszone, auf dem sich lediglich kleinere (See‑)Bauten befinden (Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 11. März 2014 [BRGE II Nr. 00312/2014], E. 4.2.2.).

Neubaugebiete

101. Erst recht ist für eigentliche Neubaugebiete (auch innerstädtische) der Gewässerraum entsprechend den Mindestvorgaben von Art. 41a Abs. 2 und Art. 41b Abs. 1 GSchV festzusetzen.

4.             Anpassung an die «baulichen Gegebenheiten»

102. Ist das Kriterium des «dicht überbauten Gebiets» erfüllt, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Gewässerraum an die baulichen Gegebenheiten angepasst werden soll. Eine Anpassung ist möglich, wenn der Hochwasserschutz gewährleistet bleibt (Art. 41a Abs. 4 und 41b Abs. 3 GSchV).

103. Demzufolge können bestehende Baulücken geschlossen und der Gewässerraum angepasst werden. Darüber entscheidet die zuständige Behörde in pflichtgemässem (Rechtsfolge‑)Ermessen, wobei zwischen den öffentlichen Interessen am Gewässerraum und jenen an einer inneren Verdichtung ein angemessener Ausgleich zu finden ist.

104. Art. 41a Abs. 4 und Art. 41b Abs. 3 GSchV unterscheiden sich von Art. 41c (Ausnahmen im Gewässerraum) dadurch, dass nicht eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, sondern lediglich – aber immerhin – der Hochwasserschutz zu gewährleisten ist.

105. Eine Anpassung an die baulichen Gegebenheiten, bei welcher der Hochwasserschutz nicht mehr gewährleistet wäre, ist somit nicht erlaubt (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 12). Das in Art. 36a GSchG vorgegebene Ziel, dass der Gewässerraum auch den Hochwasserschutz gewährleisten muss, darf nicht durch eine Anpassung des Gewässerraums an die baulichen Gegebenheiten in Frage gestellt werden (BPUK/KOLAS/BLW/ ARE, BPUK Synthesebericht, 7). Der Hochwasserschutz ist Gegenstand des WBG (vgl. N 19 ff.).

D.           Berücksichtigung des Gewässerraums bei der Richt‑ und Nutzungsplanung (Abs. 3, Satz 1, 1. Hälfte)

106. Art. 36a Abs. 3 GSchG wiederholt und konkretisiert die aus der raum­wirksamen Tätigkeit fliessenden Gebote für den Bereich des Gewässerraums: Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt wird (Art. 36a Abs. 3 GSchG). Diese Pflicht ergibt sich auch aus Art. 46 Abs. 1bis GSchV, wonach die Kantone (und Gemeinden) bei der Erstellung der Richt‑ und Nutzungsplanung die «Planungen nach dieser Verordnung» zu berücksichtigen haben. Es sind damit die Voraussetzungen zu schaffen, um eine dem Gewässerraum angemessene Nutzung planerisch zu sichern (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 13; Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8060). Der Gewässerraum ist auch bei einer projektbezogenen Nutzungsplanung, etwa einem Gestaltungs‑ oder Überbauungsplan zu beachten (BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 7, in: URP 2013, 113 ff.).

E.            Extensive Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerraums (Abs. 3, Satz 1, 2. Hälfte)

1.             Zwingende Anforderungen des Bundesrechts

107. Nach Art. 36 a Abs. 3 GSchG sorgen die Kantone u.a. dafür, dass der Gewässerraum extensiv gestaltet und bewirtschaftet wird. Indessen hat der Bundesrat selbst in Art. 41c GSchV die Rechtswirkungen des Gewässerraums klar und auf den ersten Blick abschliessend geregelt. So dürfen im Gewässerraum nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen erstellt werden. Die Behörde kann für zonenkonforme Anlagen Ausnahmen bewilligen, soweit keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Abs. 1). Abs. 2 umschreibt die Besitzstandsgarantie. Abs. 3–5 schliesslich befassen sich mit der Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln und der landwirtschaftlichen Nutzung im Gewässerraum sowie mit Massnahmen gegen die natürliche Erosion der Ufer.

108. Mit Art. 36a Abs. 3 GSchG hat der Bund den Kantonen die «Sorge» dafür übertragen, dass der Gewässerraum bei der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt sowie «extensiv gestaltet und bewirtschaftet» wird. Das eröffnet durch die Verwendung unbestimmter Begriffe bei der Konkretisierung einen weiten Spielraum. Diesen hat der Bundesrat mit Art. 41c GSchV zumindest eingeschränkt. Das BGer hat die Gesetzeskonformität der Bestimmung in seinen bisherigen Entscheiden (vgl. etwa BGE 139 II 470140 II 437) bestätigt.

109. Wie Art. 41a und 41b GSchG enthält auch Art. 41c GSchG Minimalvorgaben. Die Bestimmung – insbesondere deren Abs. 1 – geht vorbestandenen, weniger strengen kantonalen und kommunalen Regelungen über die im Gewässerabstand zulässigen Anlagen vor. Die Absichten des Gesetzgebers (extensive Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerraums) sollen nicht durch abweichende kantonale Bestimmungen unterlaufen werden.

110. Noch nicht restlos geklärt ist aber die Frage, wie es sich mit kantonalen oder kommunalen Bestimmungen verhält, die über die bundesrechtlichen Verbote hinausgehen, die also etwa im Gewässerabstandsbereich generell keine Anlagen (also auch keine standortgebundenen) zulassen. Sind diese Bestimmungen weiterhin anwendbar oder durch das Bundesrecht ersetzt worden? Letzteres war wohl nicht die Meinung des Bundesrates (so auch Griffel, Entwicklungen 2011, 13). Da der Bundesrat diese Frage jedoch offengelassen oder übersehen hat, wird letztlich das BGer Klarheit schaffen müssen.

2.             Standortgebundene Anlagen im öffentlichen Interesse
Abgrenzung

111. Im Gewässerraum dürfen grundsätzlich nur standortgebundene, im öffentlichen Interessen liegende Anlagen neu erstellt werden, wobei zur Füllung von Baulücken in dicht überbauten Gebieten Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich sind (Art. 41c Abs. 1 GSchV). Andere Anlagen haben den Gewässerraum zu respektieren. Sie dürfen zwar an die Grenze des Gewässerraums, nicht aber darüber hinaus gestellt werden. Ein sich allenfalls strenger auswirkender kantonaler oder kommunaler Grenzabstand ist einzuhalten, sofern das kantonale Recht nichts anderes vorschreibt.

Zum Begriff der Anlagen

112. Art. 41c Abs. 1 GSchV beschränkt die Erstellung von «Anlagen», ohne aber den Begriff zu definieren. Es ist auf die Rechtslage zur Bewilligungspflicht abzustellen. Das ARE/BAFU verweist im Merkblatt «dicht überbaute Gebiete», 3, Anm. 1, auf Art. 7 Abs. 7 USG. Das ist nur bedingt richtig, weil das USG, im Unterschied zu Art. 22 RPG, auf die Voraussetzung verzichtet, dass die Anlagen auf Dauer angelegt sind (Keller, Kommentar USG, Art. 7 N 38; Ruch, Kommentar RPG, Art. 22 N 24 unter Hinweis auf BGE 113 Ib 315).

113. Zu den «Anlagen» gehören neben den Gebäuden und weiteren Bauten unter anderem auch Verkehrswege (Strassen, Fusswege, Flugzeugpisten etc.) und Terrainveränderungen (vgl. BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15, sowie im Übrigen die ausführliche Kasuistik bei Ruch, Kommentar RPG, Art. 22 N 24 ff. und Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 7 N 25). Nicht erforderlich ist sodann, dass Anlagen bis zum Boden reichen: Auch auskragende, also nicht abgestützte Anlageteile haben den Gewässerraum einzuhalten (VGer ZH, Urteil vom 16. Januar 2014 [VB.2013.00012], E. 3.5.2). Und analog zu Art. 24 RPG gilt Art. 41c GSchV auch für unterirdische Anlagen.

Standortgebundenheit

114. Anlagen im Gewässerraum müssen standortgebunden sein. Standortgebunden sind Anlagen, die aufgrund ihres Bestimmungszwecks oder aufgrund der standörtlichen Verhältnisse nicht ausserhalb des Gewässerraums angelegt werden können (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 14, auch zum Folgenden). Art. 41c GSchV nennt in einer nicht abschliessenden Aufzählung Fuss‑ und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken. Letztere beiden sind ihrem Zweck entsprechend immer standortgebunden. Fuss‑ und Wanderwege sind im Gewässerraum standortgebunden, wenn die Bach‑ oder Seenähe eigentlicher Zweck eines Weges ist. Nicht standortgebunden ist demgegenüber ein Weg, der nur deshalb nahe am Wasser geführt werden soll, um Kulturland zu schonen (VGer SG, Urteil vom 11. Dezember 2012 [B 2011/164], E. 3.3.7).

115. Auch andere als die in Art. 41c Abs. 1 GSchV erwähnten Anlagen können standortgebunden sein. Dies gilt zum Beispiel für Fluss‑ oder Seebadanstalten oder Seerestaurants, deren Zweck sich erst aus der besonderen Lage an einem Gewässer ergibt (Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 29. August 2012 [BRGE III Nr. 0102/2012], E. 7.4.2 betreffend Seerestaurant).

116. Anlagen sind ebenso standortgebunden, wenn sie aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht ausserhalb des Gewässerraums errichtet werden können. Derart standörtliche Verhältnisse sind beispielsweise Schluchten oder durch Felsen eingeengte Platzverhältnisse, wo Fahrwege, Leitungen etc. im Gewässerraum geführt werden müssen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 14). Nicht standortgebunden sind demgegenüber etwa Aufschüttungen in einem bestehenden Gewässer, um darauf Wohnungen zu bauen (BGer 1C_821/2013 und 1C_825/2013 vom 30. März 2015, E. 6.3, m.H.).

Voraussetzung des öffentlichen Interesses

117. Standortgebundene Anlagen sind im Gewässerraum nur zugelassen, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen. Daraus ergibt sich als Umkehrschluss, dass lediglich im privaten Interesse liegende Anlagen nicht erstellt werden dürfen, auch wenn sie im konkreten Fall standortgebunden sein mögen.

3.             Ausnahmen in dicht überbauten Gebieten

Abschliessende Regelung

118. In dicht überbauten Gebieten kann die Behörde Ausnahmen vom grundsätzlichen Anlagenverbot im Gewässerraum für zonenkonforme Anlagen bewilligen, sofern keine überwiegenden Interessen (z.B. des Hochwasserschutzes oder des Natur‑ und Landschaftsschutzes) entgegenstehen (Art. 41c Abs. 1 Satz 2 und Bst. a GSchV). Dasselbe gilt gestützt auf Art. 2 ÜbgBest GSchV auch innerhalb des Uferstreifens, bis dieser durch den Gewässerraum abgelöst wird. Und es gilt auch, wenn ein Fliessgewässer so gelegt wird, dass bestehende Bauten in seinen Gewässerraum bzw. den Uferstreifen zu liegen kommen. Art. 41c Abs. 1 GSchV muss dann sinngemäss Anwendung finden (VGer ZH, Urteil vom 7. Mai 2013 [VB.2012.00298], E. 5.3).

119. Die Voraussetzungen eines Dispenses sind in Art. 41c Abs. 1 Satz 2 und Bst. a GSchV abschliessend geregelt. Die Dispensvoraussetzungen kantonalen Rechts finden diesbezüglich keine Anwendung.

120. Ausnahmen sind zulässig, wenn (kumulativ):

  • ein dicht überbautes Gebiet vorliegt;
  • die Anlage zonenkonform ist;
  • keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

121. Damit hat die per 1. Januar 2016 in Kraft getretene Neufassung von Art. 41Abs. 1 GSchV keine materielle Änderung gebracht. Die Norm enthält unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Auslegung zugänglich sind. Sind diese Voraussetzungen gegeben, «kann» die Behörde Ausnahmen erteilen. Den Behörden ist daher Ermessen eingeräumt (Entschliessungsermessen) bei der Frage, ob bei gegebenen Voraussetzungen die Ausnahme zu erteilen, unter Auflagen zu erteilen oder aber zu verweigern sei. Das Ermessen ist pflichtgemäss zu handhaben. Die rechtsanwendenden Behörden sind insbesondere, wie bei jedem staatlichen Handeln, an das Rechtsgleichheitsgebot, das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen gebunden. Ausserdem sind Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung auch bei Ermessensentscheiden zu beachten (vgl. dazu etwa BGE 122 I 267, 272 f., E. 3b und Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 441).

Voraussetzung der Zonenkonformität

122. In Anwendung von Art. 41c Abs. 1 GSchV ist als erstes zu prüfen, ob sich die in Frage stehende Anlage als zonenkonform erweist, also im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Bst. a RPG dem Zweck der Nutzungszone entspricht. Die in den einzelnen Zonen (Art. 15–18 RPG) zulässigen Nutzungen sind im kantonalen und kommunalen Recht umschrieben. Nicht «zonenkonform» sind standortgebundene Anlagen ausserhalb der Bauzone im Sinne von Art. 24 RPG.

Dicht überbautes Gebiet

123. Die Baubehörden können nur in «dicht überbauten Gebieten», nicht aber ausserhalb davon Ausnahmen für Anlagen im Gewässerraum bewilligen. Ob ein dicht überbautes Gebiet vorliegt, ist Rechtsfrage. Ein Ermessen steht den Behörden erst bei der Frage zu, ob – bei Vorliegen von dicht überbautem Gebiet – eine Ausnahmebewilligung zu erteilen ist und wenn ja, unter welchen Bedingungen und Auflagen (BGE 140 II 437, 444, E. 5 und 6). Vgl. zum Begriff des dicht überbauten Gebietes N 75 ff.

Keine entgegenstehenden überwiegenden Interessen

124. Wird das Kriterium des «dicht überbauten Gebiets» als erfüllt eingestuft, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Art. 41c Abs. 1 GSchV nennt die in Frage stehenden öffentlichen Interessen nicht, was den rechtsanwendenden Behörden ein weites Feld des Ermessens öffnet.

125. Bei der Beurteilung, ob überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, ist eine umfassende Abwägung vorzunehmen zwischen den Interessen an der baulichen Nutzung des Grundstücks und den öffentlichen Interessen an der Freihaltung des Grundstücks von Bauten und Anlagen. Dabei dürfen die Behörden nicht den Zweck des Gewässerraums bzw. Uferstreifens aus den Augen verlieren: Nach Möglichkeit sollen die Gewässer alle ihnen von Bundesrechts wegen zugedachten Funktionen ausüben können. Auch der Erstellung von auskragenden Balkonen können überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (VGer ZH, Urteil vom 16. Januar 2014 [VB.2013.00012], E. 3.5.2

126. Wie das Bundesgericht erwogen hat (BGE 139 II 470, 484, E. 4.5140 II 437, 444, E. 6) sind bei der umfassenden Interessenabwägung insbesondere die Anliegen des Hochwasserschutzes, des Natur‑ und Landschaftsschutzes und des Interesses der Öffentlichkeit an einem erleichterten Zugang zu den Gewässern im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Bst. c RPG zu berücksichtigen (vgl. auch § 18 Abs. 2 Bst. i PBG ZH).

Hinweise zur Interessenabwägung

127. Geht es etwa, wie dies beim Bauvorhaben in Rüschlikon (BGE 140 II 437) der Fall war, in erster Linie darum, eine lockere Überbauung der ersten Bautiefe sicherzustellen, um zwischen den Bauten Ufervegetation zu erhalten und eine Querverzahnung des Uferbereichs mit dem Hinterland zu erreichen sowie das Seeufer zugänglich zu machen, ist nicht zwingend nötig, das Bauen im Gewässerraum vollständig zu verbieten: Den genannten Anliegen kann mit Auflagen und Bedingungen Rechnung getragen werden, indem die Ausnahmebewilligung nur für landschaftsverträgliche Bauvorhaben gewährt wird, mit Auflagen zur Sicherstellung des Zugangs der Öffentlichkeit sowie einer naturnahen Terraingestaltung und Bepflanzung.

128. Dabei sind die bundesrechtlichen Vorgaben für die Gestaltung von Gewässerraum und Ufern zu beachten (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15 f.): Die Ufervegetation (Schilf‑ und Binsenbestände, Auenvegetationen sowie andere natürliche Pflanzengesellschaften im Uferbereich) darf weder gerodet, noch überschüttet, noch auf andere Weise zum Absterben gebracht werden (Art. 21 Abs. 1 NHG). Soweit es die Verhältnisse erlauben, ist Ufervegetation anzulegen oder sind zumindest die Voraussetzungen für deren Gedeihen zu schaffen (Art. 21 Abs. 2 NHG). Die Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln ist im Grundsatz unzulässig. Der Gewässerraum darf nur eingeschränkt landwirtschaftlich genutzt werden (Art. 41c Abs. 3 und 4 GSchV). Sofern nicht Ausnahmen bewilligt werden, ist der Gewässerraum naturnah zu gestalten (Art. 37 Abs. 2 und 3 GSchG).

129. Zu würdigen sind ebenso die Verhältnisse für Aufwertungsmassnahmen im Uferbereich. Sind diese landseits und im angrenzenden Seegebiet eher ungünstig oder sind Aufwertungsmassnahmen nicht möglich oder umsetzbar, relativiert sich das öffentliche Interesse an einer Freihaltung des Gewässerraums.

130. Das öffentliche Interesse am Gewässerraum kann sich auch relativieren, wenn sich der Uferstreifen angesichts der besonderen örtlichen Verhältnisse in dicht überbauten Gebieten, als nicht oder nur vermindert schutzwürdig erweist. Dies kann etwa der Fall sein bei ohnehin nicht natürlich gehaltenen Uferpartien (VGer ZH, Urteil vom 16. Januar 2014 [VB.2013.00012], E. 3.5.2). Ist auch längerfristig mit dem Fortbestand von Seebauten und Ufermauern zu rechnen, wiegt das ökologische Interesse an einer vollständigen Freihaltung des dahinter liegenden Grünstreifens gering. Fällt dagegen eine Uferrevitalisierung im streitigen Abschnitt ernsthaft in Betracht, so darf sie nicht durch die Erteilung einer Ausnahmebewilligung präjudiziert werden.

131. Im Uferstreifen gemäss den Übergangsbestimmungen zur GSchV darf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung die künftige Gewässerraum‑ und Revitalisierungsplanung nicht erschweren und ihr, soweit sie bereits konkretisiert ist, nicht widersprechen (BGer 1C_505/2011 vom 1. Februar 2012, «Nebikon», E. 3.3, in: URP 2012, 165; BGE 139 II 470, «Rüschlikon I», E. 4.4; BGE 140 II, 437, «Rüschlikon II», E. 6.2, zusammengefasst in: URP 2014, 478 ff.; vgl. N 74).

Anpassung an die baulichen Gegebenheiten

132. Wenn die Interessenabwägung ergibt, dass eine Ausnahme grundsätzlich bewilligt werden kann, bedeutet das nicht, dass die Baute direkt am Gewässer erstellt werden darf. Der Gewässerraum ist räumlich so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen, und es ist grundsätzlich Sache der Bauherrschaft, nachzuweisen, dass keine weniger starke Beanspruchung des Gewässerraums durch die vorgesehene Baute möglich ist; sie hat auch zu begründen, weshalb ein weniger starker Eingriff für sie unzumutbar ist (BGE 139 II 470, 483, E. 4.5; Stutz, Uferstreifen, 124 f.).

133. Da der Gewässerraum «den baulichen Gegebenheiten» anzupassen ist, sind im Regelfall auch bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen bestehende Baufluchten zu übernehmen und die Überbauung kann nicht gegen das Gewässer hin ausgedehnt werden (Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 29. August 2012 [BRGE III Nr. 0104/2012]).

134. In jedem Fall sind aber die kantonalen und kommunalen Grenzabstände einzuhalten. Das betrifft insbesondere auch den Abstand zum Gewässer, soweit dieses als selbstständiges Grundstück ausgeschieden ist. Ausnahmen richten sich nach dem kantonalen Dispensrecht.

135. Die Frage der zulässigen Geschosszahl und Gebäudehöhe, wie sich also ein projektiertes Gebäude nach oben ausdehnt, und jene nach der Gestaltung des Bauvorhabens im Einzelnen, beurteilen sich nach dem kantonalen und kommunalen Baurecht. Aus Sicht des Gewässerschutzes liegt das gestalterische Augenmerk auf der Beanspruchung des Gewässerraums und der Gestaltung der Umgebung. Es gilt auch insoweit der Grundsatz, dass Anspruch auf Ausschöpfung des nach den Bauvorschriften zulässigen Verdichtungspotenzials besteht (Fritzsche/Bösch/Wipf, Planungs‑ und Baurecht, 660). Mit der per 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Änderungen der GSchV wurden weitere Ausnahmetatbestände eingeführt: Gemäss Art. 41c Abs. 1 Bst. b GSchV kann die zuständige Behörde bei topografisch beschränkten Platzverhältnissen land‑ und forstwirtschaftliche Spur‑ und Kieswege auch dann bewilligen, wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liegen. Der Abstand von der Uferlinie des Gewässers hat mindestens 3 m zu betragen. Die Oberfläche der Wege darf nicht befestigt sein, damit sie einwachsen kann. Dies soll verhindern, dass unüberwindbare ökologische Barrieren für die Quervernetzung Wasser-Land geschaffen werden (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 11). Ausserdem können neu standortgebundene Teile von Anlagen im Gewässerraum bewilligt werden, die der Wasserentnahme und –einleitung dienen, auch wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liegen (Art. 41c Abs. 1 Bst. c GSchV). Damit wird für zukünftige Nutzungen sichergestellt, dass den Gewässern auch Wasser für private Zwecke entnommen oder in diese eingeleitet werden kann. Von der Ausnahme erfasst sind z.B. Anlagen zur Erhaltung und Verbesserung von Struktur und Wasserhaushalt des Bodens (Bewässerung, Drainagen), zur Wärmenutzung oder zu Kühlzwecken (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 11).

 

4.             Besitzstandsgarantie

Nach Bundesrecht

136. Rechtmässig erstellte und bestimmungsgemäss nutzbare Anlagen sind in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt (Art. 41c Abs. 2 GSchV). Dies gilt nicht nur für Anlagen im Gewässerraum, sondern auch für solche innerhalb des Uferstreifens gemäss den Übergangsbestimmungen. Unter diese Besitzstandsgarantie fallen Unterhalts‑ und – sofern sie der Werterhaltung dienen – auch einfache Erneuerungsarbeiten. Nicht gestattet sind hingegen Umbauten, Erweiterungen oder Nutzungsänderungen (Massüger Sánchez Sandoval, Bestandesschutz, 3).

137. Bauliche Änderungen an zonenfremden Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen richten sich nicht nach Art. 41c Abs. 2 GSchV, sondern nach Art. 24c RPG bzw. Art. 41c RPV (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 14; BAFU/BLW/ARE, Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft, Ziff. 4, 4.1). Das Bundesgericht hat diese Auffassung (wie schon das Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 20. November 2012 [BRGE II Nr. 0186/2012], E. 5.2, in: BEZ 2013 Nr. 5) in einem neuen Entscheid bestätigt (BGer 1C_345/2014 vom 17. Juni 2015, E. 4.1.3). Das Gericht erwog, Art. 41c Abs. 2 GSchV komme keine selbstständige Bedeutung zu, soweit Art. 24c RPG anwendbar werde.

138. Das vermag allerdings kaum zu überzeugen. Art. 24c RPG und Art. 41c RPV gelten sachlich nur für Ausnahmen vom Erfordernis der Zonenkonformität, nicht aber von den übrigen Voraussetzungen des Bundesrechts und des kantonalen Rechts gemäss Art. 22 Abs. 3 RPG (Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Vor Art. 24 ff. N 6). Art. 41c Abs. 2 RPV unterscheidet nicht zwischen Bau- und Nichtbauzonen (so auch zutreffend Verwaltungsgericht SG, Urteil vom 24. März 2015 [B 2013/153], E. 5.1; Massüger Sánchez Sandoval, Bestandesschutz, 25). Wie es sich mit zonenkonformen Bauten und Anlagen im Gewässerraum verhalte, liess das Bundesgericht offen.

139. Die Besitzstandsgarantie gilt gemäss ausdrücklichem Wort nur «grundsätzlich». Was damit gemeint ist, ergibt sich aus den Erläuterungen des BAFU: Bestehende Fahrwege, Leitungen oder weitere vergleichbare Anlagen sollen aus dem Gewässerraum verlegt werden, wenn dies für ein Hochwasserschutz‑ oder Revitalisierungsprojekt erforderlich und mit verhältnismässigen Kosten möglich ist.

140. Auch die Beseitigung bestehender einzelner Gebäude im Gewässerraum ist in Ausnahmefällen möglich, wenn sie die Realisierung eines wichtigen Projekts mit grosser Bedeutung für die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen des Gewässers oder den Hochwasserschutz verunmöglichen. Im Gewässerraum können ausnahmsweise nach Hochwasserereignissen beschädigte Bauten abgebrochen und nicht wieder aufgebaut werden, in Einzelfällen kann die kantonale Behörde bei sehr hochwassergefährdeten Bauten auch den Abbruch verfügen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15).

141. Es gelten hier allerdings die Grundsätze des Enteignungsrechts. Einschränkungen von Grundrechten wie jenes des Eigentums bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV). Sofern die Voraussetzungen der materiellen Enteignung gegeben sind, ist volle Entschädigung zu leisten (Art. 26 Abs. 2 BV; vgl. N 156 ff.sowie Komm. zu Art. 68 GSchG N 19 f.). Zur Besitzstandsgarantie für Dauerkulturen vgl. N 150.

Nach kantonalem Recht

142. Die Kantone verfügen über Spielraum, eine gegenüber der Bundesregelung weiter gehende Besitzstandsgarantie für Anlagen in das kantonale Recht aufzunehmen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15; Massüger Sánchez Sandoval, Bestandesschutz, 8). Es gilt dies auch ausserhalb der Bauzonen, wo nur die Ausnahmen von der Zonenkonformität abschliessend bundesrechtlich geregelt sind.

143. Aber auch bei der Auslegung kantonaler Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass bauliche Massnahmen innerhalb des Gewässerraums oder des Uferstreifens nicht zu dessen weitergehenden Beanspruchung führen dürfen, weil dadurch die wichtigen öffentlichen Interessen an der Freihaltung von Ufern gefährdet wären. Die Besitzstandsgarantie beschränkt sich daher auch nach kantonalem Recht in der Regel auf rückwärtige Anbauten, interne Aus‑ und Umbauten oder Nutzungsänderungen, die aber durchaus weiter gehen können als die enge bundesrechtliche Umschreibung (Massüger Sánchez Sandoval, Bestandesschutz, 9).

 

5.             Extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Grundsatz der naturnahen Gestaltung

144. Extensive Gestaltung und Bewirtschaftung bedeutet für landwirtschaftlich genutztes Land, unabhängig seiner Zonenzuordnung, dass der Gewässerraum Lebensräume für eine vielfältige, standortheimische Tier‑ und Pflanzenwelt bietet und damit auch Teil einer attraktiven Landschaft bildet. Insbesondere soll die Bewirtschaftung extensiv und ohne Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden erfolgen (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8060; Art. 41c Abs. 3 und 4 GSchV).

Düngeverbot

145. Gemäss Art. 41c Abs. 3 GSchV dürfen im Gewässerraum keine Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Einzelstockbehandlungen von Problempflanzen sind ausserhalb eines 3 m breiten Streifens entlang des Gewässers zulässig, sofern diese nicht mit einem angemessenen Aufwand mechanisch bekämpft werden können.

146. Die Abstandsvorschriften entlang von Gewässern für die Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln der ChemRRV (Anhänge 2.5 und 2.6) und der DZV zur Minderung des Eintrags von Nähr‑ und Schadstoffen bleiben unabhängig vom Gewässerraum für Fliessgewässer bestehen.

147. Die DZV ist per 1. Januar 2014 totalrevidiert worden. Nach Art. 11 DZV werden an die berechtigten Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter Beiträge ausgerichtet, wenn die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) auf dem gesamten Betrieb erfüllt sind. Das heisst unter anderem, dass entlang von oberirdischen Gewässern, Waldrändern, Wegen, Hecken, Feld‑ und Ufergehölzen sowie Inventarflächen ein Pufferstreifen anzulegen ist (Art. 21 DZV). Dieser beträgt bei Ufergehölzen mindestens 3 m, höchstens 6 m (Anhang 1 Ziffer 9.3 Bst. c DZV). Entlang von oberirdischen Gewässern beträgt der Pufferstreifen 6 m und darf nicht umgebrochen werden. Einzelstockbehandlungen von Problempflanzen und Düngung sind ab dem vierten Meter zulässig. Bei Fliessgewässern, für die ein Gewässerraum nach Art. 41a GSchV festgelegt oder ausdrücklich darauf verzichtet wurde, wird der Pufferstreifen ab der Uferlinie gemessen, in den übrigen Fällen ab Böschungsoberkante (Anh. 1, Ziff. 9.6 DZV).

Schranken der landwirtschaftlichen Nutzung

148. Der Gewässerraum darf landwirtschaftlich genutzt werden, sofern er gemäss den Anforderungen der DZV als Streuefläche, Hecke, Feld‑ und Ufergehölz, Uferwiese entlang von Fliessgewässern, extensiv genutzte Wiese, extensiv genutzte Weide oder als Waldweide bewirtschaftet wird (Art. 41c Abs. 4 GSchV; entspricht einem Teil der Biodiversitätsflächen, Art. 55 DZV; vgl. auch 56 ff. und Anh. 1, Ziff. 3 DZV). Diese Anforderungen gelten auch für die entsprechende Bewirtschaftung von Flächen ausserhalb der landwirtschaftlichen Nutzungfläche (vgl. dazu Art. 35 DZV sowie Art. 14, 16 Abs. 3 und 17 Abs. 2 LBV).

149. Die Vorschriften über die Bewirtschaftung gemäss Art. 41c Abs. 3 und 4 GSchV gelten nicht für den Gewässerraum eingedolter Gewässer (Art. 41c Abs. 6 Bst. b GSchV).

 

6.             Keine Geltung als Fruchtfolgefläche (Abs. 3, Satz 2)

Grundsatz

150. Weil die Flächen im Gewässerraum nur extensiv bewirtschaftet werden dürfen (Art. 36a Abs. 3 GSchGArt. 41c Abs. 3 und 4 GSchV), können die ackerfähigen Böden nicht mehr intensiv als Fruchtfolge bewirtschaftet werden (Anbau in Rotation). Der Gewässerraum gilt daher nicht als Fruchtfolgefläche (FFF), und für einen Verlust an FFF ist nach den Vorgaben des Bundes zum Sachplan FFF nach Art. 13 RPG Ersatz zu leisten (Art. 36a Abs. 3 GSchG; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 4 f., auch zum Folgenden).

Besitzstandsgarantie für Dauerkulturen

151. Seit Inkrafttreten der neuesten Änderung der GSchV per 1. Januar 2016 sind ausser Anlagen auch Dauerkulturen nach Art. 22 Abs. 1 Bst. a–c, e und g–i LBV in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt, sofern sie rechtmässig erstellt wurden und bestimmungsgemäss nutzbar sind (Art. 41c Abs. 2 GSchV). Geschützt sind Reben, Obstanlagen, mehrjährige Beerenkulturen, Hopfen, gärtnerische Freilandkulturen wie Baumschulen und Forstgärten, gepflegte Selven von Edelkastanien mit höchstens 100 Bäumen je Hektare sowie mehrjährige Kulturen wie Christbäume und Chinaschilf. Solche Dauerkulturen bedingen in der Regel Investitionen, die nur längerfristig amortisiert werden können. Mit der expliziten Nennung in Art. 41c Abs. 2 GSchV wird die Regelung im Merkblatt „Gewässerraum und Landwirtschaft”, auf Stufe der Verordnung verdeutlicht (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 11).

Ackerfähiges Kulturland im Gewässerraum

152. Ackerfähiges Kulturland im Gewässerraum ist von den Kantonen bei der Inventarisierung der Fruchtfolgeflächen nach Art. 28 RPV separat auszuweisen. Solches Kulturland kann – als Potenzial – weiterhin an den kantonalen Mindestumfang der Fruchtfolgeflächen angerechnet werden, erhält aber einen besonderen Status. Denn gemäss Art. 5 GSchG kann der Bundesrat durch Verordnung Ausnahmen vom Gesetz vorsehen. Liegt ein entsprechender Bundesbeschluss vor, so dürfen diese Flächen in Notlagen vorübergehend intensiv bewirtschaftet werden. Das besagt nun ausdrücklich Art. 41cbis Abs. 1 GSchV, in Kraft seit 1. Januar 2016. Notwendig kann eine solche intensive Bewirtschaftung nur dann sein, wenn alle andern Möglichkeiten zur Erhaltung der Ernährungssicherheit, insbesondere die Bewirtschaftung von Böden ausserhalb des Gewässerraums, ausgeschöpft sind (BAFU, Erläuternder Bericht GSchV 2014, 12).

153. Für ackerfähiges Kulturland im Gewässerraum, das benötigt wird, um bauliche Massnahmen des Hochwasserschutzes oder der Revitalisierung umzusetzen, ist Ersatz zu leisten (Art. 41cbis Abs. 2 GSchV in Kraft seit 1. Januar 2016). Es geht hier um effektive Verluste von ackerfähigem Kulturland im Gewässerraum, d.h. den Verlust der Bodenfruchtbarkeit zerstörter Boden durch konkrete Projekte. Als flankierende Massnahmen zur Kompensation des Verlustes dieser Böden bei Revitalisierungen haben die Kantone die Möglichkeit, zusätzlich zu bereits heute bestehenden Kompensationsmöglichkeiten (z.B. Auszonungen, Erhebung von Flächen, die bisher noch nicht erhoben worden sind) Böden zu FFF aufzuwerten. Sie können im Umfang der im Gewässerraum effektiv eingetretenen Verluste Gebiete bezeichnen, in denen die Aufwertung vorgenommen werden soll. Um als Ersatzflächen gelten zu können, muss sichergestellt sein, dass diese Gebiete innerhalb von zehn Jahren nach deren Bezeichnung durch entsprechende Massnahmen FFF-Qualität erreichen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014, 12).

154. Die andern Böden innerhalb des Gewässerraums sind nicht zu kompensieren. Die für die Sicherstellung des Gewässerraums extensiv zu bewirtschaftenden insgesamt etwa 20’000 ha Landwirtschaftsland sind mit dem Sachplan FFF vereinbar, da sie bei Bedarf innerhalb relativ kurzer Zeit wieder intensiv nutzbar gemacht werden können (Stellungnahme BR Schutz und Nutzung, 8081).

Ökologische Ausgleichsflächen

155. Ökologische Ausgleichsflächen (auch bestockte, z.B. Hecken oder der im Rahmen der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems vorgeschlagene neue Typ Uferbereich) sind mit FFF vereinbar. Dies entspricht auch der Vollzugshilfe 2006 zum Sachplan FFF. Flächen im Gewässerraum, die weiterhin FFF-Qualität haben und damit als Potenzial zum Kontingent gezählt werden können, dürfen nicht speziell vor der natürlichen Erosion geschützt werden (vgl. Art. 41c Abs. 5 GSchV; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5).

 

7.             Massnahmen gegen die natürliche Erosion

156. Das Gewässer soll sich im Gewässerraum dynamisch entwickeln können. Daher ist die natürliche Erosion des Ufers zu tolerieren, sofern dadurch der Schutz des Menschen und erheblicher Sachwerte vor Hochwasser nicht beeinträchtigt wird (Art. 41c Abs. 5 GSchV). Die Erosion des Ufers ist soweit zu tolerieren, dass keine unverhältnismässigen Verluste an landwirtschaftlicher Nutzfläche entstehen. Unverhältnismässig heisst hier vor allem, dass die Erosion den Landwirten zumutbar sein muss, d.h. dass ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem Nutzen der Erosion für das Gewässer und dem beim Landwirt entstehenden Verlust an Landwirtschaftsland bestehen muss. Der Verlust darf im Vergleich zur Bedeutung der Erosion für das Gewässer nicht unvertretbar schwer wiegen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 16).

F.             Hinweise zur Entschädigungspflicht

1.             Grundsätze

157. Mit dem Gewässerraum oder dem übergangsrechtlichen Uferstreifen wird durch öffentlich-rechtliche Massnahmen in die Rechtsstellung der betroffenen Grundeigentümerschaft eingegriffen. Das berührt das Grundrecht der Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV. Nach Abs. 1 der Bestimmung ist das Eigentum gewährleistet. Gemäss Abs. 2 werden Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen (also eine materielle Enteignung darstellen) voll entschädigt.

158. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Entschädigungslosigkeit der Regelfall, das Vorliegen einer materiellen Enteignung dagegen die Ausnahme. Für die Abgrenzung zwischen den entschädigungslos hinzunehmenden und den entschädigungspflichtigen Eigentumsbeschränkungen geht das BGer seit dem Entscheid BGE 91 I 329, 338, E. 3 («Barret») von einer immer wiederkehrenden Grundkonzeption aus, die im Allgemeinen auch als «Barret-Formel» bezeichnet wird (vgl. etwa Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar, Art. 26 N 65 ff.; Waldmann, Entschädigung, 162). Danach liegt eine entschädigungspflichtige materielle Enteignung vor,

«wenn dem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch einer Sache untersagt oder in einer Weise eingeschränkt wird, die besonders schwer wiegt, weil der betroffenen Person eine wesentliche aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird, oder,

geht der Eingriff weniger weit, falls einzelne Personen so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erscheint und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde.

In beiden Fällen ist die Möglichkeit einer künftigen besseren Nutzung der Sache nur zu berücksichtigen, wenn im massgebenden Zeitpunkt anzunehmen war, sie lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen. Unter besserer Nutzung eines Grundstücks ist in der Regel die Möglichkeit seiner Überbauung zu verstehen.»

159. Diese Definition hat das BGer seither mehrfach bestätigt (vgl. etwa BGE 125 II 431, 433, E. 3a). Bezogen auf den Gewässerraum und den übergangsrechtlichen Uferstreifen ergibt sich daraus Folgendes (vgl. im Detail Fritzsche, Entschädigungspflicht, 222 ff.):

 

2.             Gewässerraum im Besonderen

160. Vorerst ist zu entscheiden, ob der Gewässerraum Einfluss auf die zulässige bauliche Dichte (Ausnützungsziffer, Baumassenziffer) bzw. die hierfür massgebliche Grundfläche hat. Das beurteilt sich nach kantonalem Recht und ist abhängig von den Instrumenten, mit welchen der Gewässerraum festgelegt wird. In der Regel stehen Massnahmen im Vordergrund, welche die für die Ausnützung massgebliche Grundfläche nicht verändern. Insoweit bewirkt der Gewässerraum für sich selbst noch keine Beschränkung der zulässigen baulichen Dichte. Derartige, nicht ausnützungsrelevante Festlegungen sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Die Frage der materiellen Enteignung stellt sich diesfalls erst, wenn ein Baugrundstück bzw. eine als Einheit aufzufassende Mehrheit von Baugrundstücken vollständig oder zum grössten Teil innerhalb des Gewässerraumes liegt oder durch dessen Grenze derart zerschnitten wird, dass darauf ausserhalb des Gewässerraums nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gebaut werden kann (BGE 110 Ib 359, 362, E. 2b).

161. Der Gewässerraum liesse sich auch mit einer Freihaltezone oder anderen Schutzzone kantonalen Rechts (Art. 18 RPG) sichern, was eine Reduktion der zulässigen Ausnützung bewirken würde. Auch diesfalls sind für die Beantwortung der Frage, ob ein enteignungsgleicher Eingriff vorliegt, die Auswirkungen des Verbots auf die ganze Liegenschaft (oder einer einheitlichen Mehrheit von solchen) zu beurteilen (vgl. etwa BGer 1A.19/2004 vom 25. Oktober 2004, E. 2.3.1–2.3.4 und 3.2.2; Hänni, Umweltschutzrecht, 599). Zu beurteilen ist also, welche Werteinbusse die Baubeschränkung auf das Areal hat.

162. Eigentumsbeschränkungen treffen als Folge der Bestandesgarantie nur selten gegenwärtigen Gebrauch, sondern heben in der Regel einen Teil der künftigen Verwendungsmöglichkeiten auf (BGE 131 II 72, 76, E. 3.3118 Ib 38,41, E. 2b). Wird vom Grundeigentümer eine künftig mögliche bessere Nutzung behauptet, muss diese gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft tatsächlich und rechtlich möglich gewesen sein. Dies wird im Allgemeinen angenommen, wenn es um erschlossenes und nach der betreffenden Nutzungsplanung sofort überbaubares Land geht (BGE 131 II 72, 76 f., E. 3.3; Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar, Art. 26 N 70). Der Entscheid bedarf einer Gesamtbetrachtung der Überbauungsmöglichkeiten vor und nach der eigentumsbeschränkenden Massnahme. Die Realisierungschance ist vom betroffenen Grundeigentümer nachzuweisen (BGE 125 II 431, 433, E. 3a; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 641).

163. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erreichen Beschränkungen der realisierbaren Ausnützung im Allgemeinen nicht die Intensität eines enteignungsgleichen Eingriffs. Keine materielle Enteignung bedeutet ein Bauverbot, das nur den dritten Teil eines Grundstücks trifft (BGE 93 I 338, 343, E. 7) oder die Auszonung eines Viertels einer Parzelle (BGE 111 Ib 257, 264, E. 4a). Auch in BGE 97 I 632, 638, E. 7b, wo eine Reduktion des baulichen Nutzungsmasses auf einen Drittel und eine geschätzte Wertverminderung von 20 % eingetreten war, wurde keine materielle Enteignung angenommen. Die den Eigentümern verbleibenden Eigentumsbefugnisse erschienen dem Bundesgericht immer noch als ausreichend. Denn die Eigentümer könnten aus ihrem Land weiterhin einen beachtlichen wirtschaftlichen Nutzen ziehen (siehe dazu auch Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 642).

164. Festlegungen im Zusammenhang mit dem Gewässerraum werden sodann kaum je zu einem Sonderopfer führen, weil von der gleichen Planungsmassnahme zumeist mehrere Grundeigentümer in vergleichbarem Umfang betroffen werden und dann von einer «singulären» Betroffenheit, die ein unzumutbares Opfer gegenüber der Allgemeinheit bedeuten würde, nicht die Rede sein kann (Riva, Kommentar RPG, Art. 5 N 129).

 

3.             Uferstreifen

165. der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Eingriff eher unzumutbar, wenn er lange dauert oder definitiv ist. Vorübergehende Beschränkungen in Form von Planungszonen (Art. 27 RPG), Bausperren und dergleichen, die fünf bis acht oder zehn Jahre dauern, begründen keine Entschädigung aus materieller Enteignung (BGE 123 II 481, 497, E. 9109 Ib 20, 23, E. 4; BGer 1C_317/2007 vom 14. März 2008, E. 2 m.H. auf frühere Entscheide; Tschannen/Zimmerli/Müller Verwaltungsrecht, 641; vgl. auch Hänni, Umweltschutzrecht, 602; Fritzsche/Bösch/Wipf, Planungs‑ und Baurecht, 344; Riva, Enteignung, 291). Hat ein Eingriff die kritische Dauer überschritten und sind auch die übrigen Voraussetzungen gegeben, gilt er als materielle Enteignung. Eine solche bejahte etwa das VGer Bern für eine Bausperre von 21 Jahren (VGer BE, Urteil vom 14. August 2002 [VGE 20701], in: BVR 2003 72). Eine feste zeitliche Begrenzung besteht allerdings nicht; massgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (Riva, Enteignung, 291; Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Art. 5 N 68 und dort genannte Entscheide).

166. Wie das BGer entschieden hat, kommt den Übergangsbestimmungen die Funktion einer Planungszone zu (vgl. N 74). Die Übergangsbestimmungen sind somit vergleichbar mit anderen provisorischen und befristeten Massnahmen, welche eine definitive Planung sichern sollen. Sie sind zwingend durch kantonale Planungsmassnahmen abzulösen. Somit ist nicht von einer materiellen Enteignung durch die auf wenige Jahre befristeten Schranken der Übergangsbestimmungen auszugehen. Ein Vorbehalt ist hier allerdings anzubringen: Falls der Gewässerraum in konkreten Einzelfällen nicht rechtzeitig festgelegt werden sollte und dann die Übergangsbestimmungen zur GSchV wesentlich länger als bis zum 31. Dezember 2018 gelten würden, wäre eine Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung immerhin näher zu prüfen.

 

4.             Beschränkung der landwirtschaftlichen
Nutzungsmöglichkeiten

167. Die landwirtschaftliche Nutzung entlang von offenen Gewässern ist bereits durch die allgemeinen Sorgfaltspflichten des GSchG (Art. 3 GSchG) und die spezifischen Anforderungen dieses Gesetzes an die Landwirtschaft eingeschränkt (vgl. etwa Art. 6 GSchG, Gefahr von Verunreinigungen; Art. 27 GSchG, Bewirtschaftung nach dem Stand der Technik). Einschränkend wirken auch die Gewässerabstandsvorschriften für die Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln (Art. 3 und Anh. 2.5, Ziff. 1.1 und 2.6, Ziff. 3.3.1 ChemRRV) und die Bewirtschaftsbeschränkungen im Rahmen des ökologischen Leistungsnachweises (Art. 11 ff. DZV). Letztlich ist die landwirtschaftliche Nutzung entlang von Oberflächengewässern auch eingeschränkt durch Art. 21 NHG betreffend die Ufervegetation.

168. Diese polizeilich motivierten Abstandsvorschriften und Bewirtschaftungsbeschränkungen bleiben unabhängig vom Gewässerraum bestehen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 15). Sie sind entschädigungslos zu dulden und als gegeben hinzunehmen, wenn zu beurteilen ist, ob und inwieweit der Gewässerraum zu (weiteren) Beschränkungen führt. Im Verhältnis dazu führt der Gewässerraum mit den Beschränkungen gemäss Art. 41c Abs. 4 RPV (vgl. N 147) nicht zu bedeutsamen zusätzlichen Ertragsausfällen. Allfällige Nachteile aus den Nutzungsbeschränkungen werden weitgehend dadurch abgegolten, dass die genutzten Flächen des Gewässerraums als Biodiversitätsförderflächen gelten (Art. 68 Abs. 5 GSchG); die betroffenen Landwirte erhalten dafür Beiträge nach Art. 70a und 73 LwG sowie Art. 55 ff. DZV. Im Normalfall ist ein landwirtschaftliches Grundstück oder ein landwirtschaftlicher Betrieb auch wesentlich grösser als die durch den Gewässerraum beanspruchte und in der Nutzung beschränkte Fläche. Daher verbleibt dem Eigentümer, vielleicht von extremen Einzelfällen abgesehen, trotz Gewässerraum stets eine wirtschaftlich vertretbare landwirtschaftliche Nutzung. Eine besonders starke Einschränkung oder ein Sonderopfer im Sinne der Rechtsprechung zur materiellen Enteignung ist nicht gegeben. Und dies in der Regel selbst dann nicht, wenn keine Direktzahlungen fliessen sollten (wegleitend hierzu ist auf einen älteren, unveröffentlichten BGE vom 16. März 1983 in Sachen Staat Zürich gegen Hofstetter, E. 4b, zitiert bei Riva, Enteignung, 277, hinzuweisen).

 

 

Résumé

Aux termes de l’art. 36al. 1 LEaux, les cantons déterminent l’espace nécessaire aux eaux superficielles. Ils ont la possibilité de déléguer cette tâche aux communes. De plus, ils bénéficient d’une certaine marge de manœuvre dans la détermination de ces espaces. Ils peuvent ainsi renoncer à la fixation de certains espaces pour autant que des intérêts prépondérants ne s’y opposent pas (art. 41a al. 5 let. c OEaux). L’article ne s’applique qu’aux eaux superficielles, c’est-à-dire aux eaux de surface, lits, fonds et berges (art. 4 let. a LEaux). L’espace est considéré comme «nécessaire» lorsqu’il permet de garantir l’une des fonctions des lettres a–c de l’art. 36a al. 1 LEaux, soit les fonctions naturelles, la protection contre les crues ou leur utilisation.

En vertu de l’art. 36a al. 1 LEaux, les milieux doivent être consultés. Le cercle des milieux consultés n’est toutefois pas défini par la loi. En principe, il s’agit des propriétaires fonciers, des exploitants ou des communes.

La procédure pour déterminer l’espace nécessaire doit être conforme à la procédure des plans d’affectation au sens de l’art. 14 LAT. Elle doit ainsi respecter les dispositions du plan d’affectation de la LAT comme, par exemple, l’information et la participation de la population selon l’art. 4 LAT. Il faut également veiller à ce que les autorités coordonnent les différents plans (art. 2 al. 1 LAT et art. 46 al. 1 OEaux). De plus, les autorités doivent peser les intérêts en présence (art. 3 OAT).

L’art. 36al. 2 LEaux prévoit que le conseil fédéral règle les modalités. Il l’a fait en édictant les art. 41a et 41b OEaux fixant les largeurs minimales. Ces dispositions sont des instructions destinées aux cantons uniquement. Elles ne sont dès lors pas contraignantes pour les propriétaires fonciers et ne sont pas applicables lors de la procédure d’autorisation de construction. Les cantons peuvent enfin renoncer à fixer l’espace réservé aux eaux dans le cas d’étendues d’eau d’une superficie inférieure à 0,5 ha. Les cantons ont jusqu’au 31 décembre 2018 pour déterminer l’espace réservé aux eaux et prendre en compte ces espaces dans leurs plans directeurs et leurs plans d’affectation selon les dispositions transitoires de la modification du 4 mai 2011.

L’art. 36a al. 3 LEaux dispose que les cantons doivent veiller à ce que l’espace réservé soit aménagé et exploité de manière extensive. Cet alinéa précise que l’espace réservé aux eaux n’est pas considéré comme surface d’assolement et la disparition de surfaces d’assolement est compensée conformément aux plans sectoriels de la Confédération conformément à l’art. 13 LAT. L’art. 36a al. 3 LEaux est à mettre en relation avec l’art. 41c OEaux qui prévoit que seules les installations dont l’implantation est imposée par leur destination et qui servent des intérêts publics peuvent être construites dans l’espace réservé aux eaux. L’autorité peut toutefois accorder dans les zones densément bâties des dérogations. Ces installations doivent être conformes à l’affectation de la zone et ne doivent s’opposer à aucun intérêt. L’art. 41c al. 3 OEaux interdit tout épandage d’engrais ou de produits phytosanitaires dans l’espace réservé aux eaux. A ce titre, les prescriptions de l’ORRChim et de l’OPD, qui interdisent l’emploi d’engrais et de produits phytosanitaires en deçà d’une certaine distance des eaux, restent applicables indépendamment de l’espace réservé aux eaux. De plus, selon l’al. 4, l’espace réservé aux eaux peut faire l’objet d’une exploitation agricole pour autant qu’il soit aménagé en surface à litière, en haie, en bosquet champêtre, en berge boisée, en prairie riveraine d’un cours d’eau, en prairie extensive, en pâturage extensif ou en pâturage boisé conformément à l’OPD. Les prescriptions de l’art. 41al. 3 et 4 OEaux relatives à l’exploitation ne s’appliquent pas à l’espace réservé aux eaux le long de cours d’eau enterrés (art. 41c al. 6 let. b OEaux).

 

 

Literatur: Aemisegger Heinz, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts im Bau‑, Planungs‑ und Umweltrecht, Bern 2015 (zit. Rechtsprechung); Fritzsche Christoph, Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung infolge der Festsetzung von Gewässerräumen, in: URP 2014, 218 ff. (zit. Entschädigungspflicht); Fritzsche Christoph/Bösch Peter/Wipf Thomas, Zürcher Planungs‑ und Baurecht, 5. Aufl., Zürich 2011 (zit. Planungs‑ und Baurecht); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2011, Bern 2012 (zit. Entwicklungen 2011); Hänni Peter/Iseli Tamara, Bauen im geschützten Gewässerraum – Erste Urteile, in: BR/DC 2015, 82 ff. (zit. Gewässerraum); Jud Barbara, Ausnahmebewilligungen – Gewässerraum beschäftigt das Bundesgericht, in: INFORAUM, 6/2014, 3 ff. (zit. Gewässerraum); Massüger Sánchez Sandoval Nina, Bestandesschutz von Bauten und Anlagen innerhalb des Gewässerraums im Kanton Zürich, in: PBG aktuell 2012/4, 5 ff. (zit. Bestandesschutz); Riva Enrico, Hauptfragen der materiellen Enteignung – eine Untersuchung zum Tatbestand des entschädigungspflichtigen Eigentumseingriffs im schweizerischen Recht, Habil., Bern 1990 (zit. Enteignung); Schmid Reto, Redaktionelle Anmerkungen zum Entscheid des Bundesgerichts vom 14. August 2014, BGE 140 II 437, in: URP 2014, 582 ff. (zit. Urteilsanmerkungen); Stutz Hans W., Raumbedarf der Gewässer – die bundesrechtlichen Vorgaben für das Planungs‑ und Baurecht, in: PBG aktuell 2011/4, 5 ff. (zit. Raumbedarf); Stutz Hans W., Uferstreifen und Gewässerraum – Umsetzung durch die Kantone, in: URP 2012, 90 ff. (zit. Uferstreifen); Waldmann Bernhard, Entschädigung aus materieller Enteignung für raumplanerische Nutzungsbeschränkungen zum Schutz vor Naturgefahren?, in: Sicherheit & Recht 2009, 159 ff. (zit. Entschädigung).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Hütte Michael/Niederhauser Pius), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer in der Schweiz – Ökomorphologie Stufe F (flächendeckend), Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 27, Bern 1998 (zit. Ökomorphologie Stufe F); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) (Hrsg.), Leitbild Fliessgewässer Schweiz – Für eine nachhaltige Gewässerpolitik, Bern 2003 (zit. Leitbild Fliessgewässer); Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), Umgang mit den Fruchtfolgeflächen im Gewässerraum, Rundschreiben vom 4. Mai 2011, Ittigen 2011 (zit. Rundschreiben FFF); Bau‑, Planungs‑ und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK)/Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS)/Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), Regionale Workshops zur Umsetzung des Gewässerraums nach Gewässerschutzgesetz – Synthesebericht – Genehmigt von der BPUK-Hauptversammlung vom 20. September 2012, <http://www.bafu.admin.ch/umsetzungshilfe-renaturierung/12133/index.html?lang=de>, 2.10.2012 (zit. BPUK Synthesebericht); Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)/Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bau‑, Planungs‑ und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK), Gewässerraum im Siedlungsgebiet – Merkblatt vom 18. Januar 2013 zur Anwendung des Begriffs «dicht überbaute Gebiete» der Gewässerschutzverordnung, Bern 2013 (zit. Merkblatt «dicht überbaute Gebiete»); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Gewässerraum und Landwirtschaft, Merkblatt vom 20. Mai 2014, <http://www.
news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/34875.pdf>, 20.05.2014 (zit. Merkblatt Gewässerraum und Landwirtschaft); Bundesamt für Umwelt (BAFU); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 22. Dezember 2014, Bern 2014 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2014).

Fritzsche Christoph​

 

Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern

1         Fliessgewässer dürfen nur verbaut oder korrigiert werden, wenn:

a.       der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten es erfordert (Art. 3 Abs. 2 des BG vom 21. Juni 1991 über den Wasserbau);

b.       es für die Schiffbarmachung oder für eine im öffentlichen Interesse liegende Nutzung der Wasserkraft nötig ist;

b.bis    es für die Errichtung einer Deponie nötig ist, die nur am vorgesehenen Standort errichtet werden kann und auf der ausschliesslich unverschmutztes Aushub‑, Abraum‑ und Ausbruchmaterial abgelagert wird;

c.       dadurch der Zustand eines bereits verbauten oder korrigierten Gewässers im Sinn dieses Gesetzes verbessert werden kann.

2         Dabei muss der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden. Gewässer und Gewässerraum müssen so gestaltet werden, dass:

a.       sie einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt als Lebensraum dienen können;

b.       die Wechselwirkungen zwischen ober‑ und unterirdischem Gewässer weitgehend erhalten bleiben;

c.       eine standortgerechte Ufervegetation gedeihen kann.

3         In überbauten Gebieten kann die Behörde Ausnahmen von Absatz 2 bewilligen.

4         Für die Schaffung künstlicher Fliessgewässer gilt Absatz 2 sinngemäss.

Endiguements et corrections de cours d’eau

1         Les cours d’eau ne peuvent être endigués ou corrigés que si ces interventions:

a.       s’imposent pour protéger des personnes ou des biens importants (art. 3, al. 2, de la loi fédérale du 21 juin 1991 sur l’aménagement des cours d’eau);

b.       sont nécessaires à l’aménagement de voies navigables ou à l’utilisation de forces hydrauliques dans l’intérêt public;

b.bis    sont nécessaires pour aménager une décharge qui ne peut être réalisée qu’à l’endroit prévu et sur laquelle seront stockés exclusivement des matériaux d’excavation et des déblais de découverte et de percement non pollués;

c.       permettent d’améliorer au sens de la présente loi l’état d’un cours d’eau déjà endigué ou corrigé.

2         Lors de ces interventions, le tracé naturel des cours d’eau doit autant que possible être respecté ou rétabli. Les eaux et l’espace réservé aux eaux doivent être aménagés de façon à ce que:

a.       ils puissent accueillir une faune et une flore diversifiées;

b.       les interactions entre eaux superficielles et eaux souterraines soient maintenues autant que possible;

c.       une végétation adaptée à la station puisse croître sur les rives.

3         Dans les zones bâties, l’autorité peut autoriser des exceptions à l’al. 2.

4         L’al. 2 s’applique par analogie à la création de cours d’eau artificiels.

Arginatura e correzione dei corsi d’acqua

1         I corsi d’acqua possono essere arginati o corretti solo se:

a.       la protezione dell’uomo o di beni materiali importanti lo esige (art. 3 cpv. 2 della LF del 21 giu. 1991 sulla sistemazione dei corsi d’acqua);

b.       l’arginatura o la correzione è necessaria per rendere navigabile o per sfruttare nel pubblico interesse le forze idriche;

b.bis    l’arginatura o la correzione è necessaria per realizzare una discarica che può essere ubicata soltanto nel luogo previsto e nella quale viene depositato esclusivamente materiale di scavo e di sgombero non inquinato;

c.       in tal modo si migliora ai sensi della presente legge un corso d’acqua già arginato o corretto.

2         Nell’ambito dell’arginatura o correzione, il tracciato naturale del corso d’acqua dev’essere per quanto possibile rispettato o ricostituito. Il corso d’acqua e lo spazio riservato alle acque devono essere sistemati in modo da:

a.       poter servire da biotopo ad una fauna e ad una flora diversificate;

b.       conservare in larga misura le interazioni fra le acque superficiali e quelle sotterranee;

c.       permettere lo sviluppo di una vegetazione ripuale consona al luogo.

3         Nelle zone edificate, l’autorità può autorizzare deroghe al capoverso 2.

4         Il capoverso 2 è applicabile per analogia alla costruzione di corsi d’acqua artificiali.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 2
A. Zielsetzung 2
B. Begriffe 3
III. Kommentierung 7
A. Voraussetzungen für Verbauung oder Korrektur von Fliessgewässern (Abs. 1) 7
1. Anwendungsbereich 7
2. Schutz von Menschen oder Sachwerten (Bst. a) 9
​3. Schiffbarmachung oder Nutzung der Wasserkraft (Bst. b) 16
4. Errichtung einer Deponie (Bst. bbis) 17
5. Verbesserung des Zustands (Bst. c) 28
​B. Anforderungen an die Ausführung von Korrektionen und Verbauungen (Abs. 2) 36
1. Allgemeine Bemerkungen 36
2. Abgrenzungen 40
3. Beibehaltung/Wiederherstellung des natürlichen Gewässerverlaufs
als primäres Ziel (Abs. 2, Satz 1)
42
4. Gestaltungsgebote (Abs. 2, Satz 2) 46
C. Ausnahmen in überbauten Gebieten (Abs. 3) 53
​D. Schaffung künstlicher Fliessgewässer (Abs. 4)

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 37 GSchG wurde im Rahmen des neuen GSchG 1991 eingeführt (Vgl. zur Entstehungsgeschichte Komm. zu Art. 1 GSchG N 11).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Zielsetzung

2. Ein Fliessgewässer wird in seiner Gestalt und in seiner Funktion gestört, wenn es verbaut und korrigiert wird (Hunger, Sanierungspflicht, 290). Daher sollen Verbauungen und Korrektionen von Fliessgewässern im Interesse naturnaher morphologischer und hydrologischer Bedingungen nur vorgenommen werden, wenn überwiegende Interessen dies erfordern. Sie sind zulässig, wenn eine der in Art. 37 Abs. 1 GSchG abschliessend formulierten Voraussetzungen gegeben ist. Dabei müssen die Anforderungen von Art. 37 Abs. 2 GSchG an den Verlauf und die Gestaltung des Gewässers und seiner Ufer beachtet werden.

 

B.            Begriffe

3. Art. 37 GSchG bezieht sich auf «Fliessgewässer». Sie sind hier im Gegensatz zu den stehenden Gewässern (Seen) zu sehen. Aus Art. 33 GSchV ergibt sich sodann, dass Fliessgewässer mit und solche ohne ständige Wasserführung bestehen (vgl. dazu BGE 126 II 283, E. 3). Art. 37 GSchG gilt für beide Arten (vgl. zum Begriff der ständigen Wasserführung Art. 4 Bst. h und i GSchG). Art. 37 gilt auch für kleine Fliessgewässer, selbst wenn bei ihnen auf die Ausscheidung des Gewässerraums verzichtet werden kann (vgl. Komm. zu Art. 36a GSchG N 67).

4. Zu den Fliessgewässern gehören auch bereits verbaute Gewässer, d.h. Gewässer, die eingedolt und/oder kanalisiert worden sind (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3a, in: ZBl 101/2000, 323 ff. und URP 2000, 648; BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8.4.1, in: URP 2013, 113 ff., E. 8.1; Botschaft GSchG 1987, 1141).

5. Unter Verbauungen und Korrektionen sind, im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, Eingriffe zu verstehen, die eine Stabilisierung, Veränderung oder Verlegung des Gewässers bewirken. Dabei kann es sich um punktuelle Eingriffe (z.B. einzelne Sohlenrampen, auch als Blockrampen bezeichnet, Anreicherung mit Blöcken, Schwellen, Sperren, Rechen, Geschiebesammler) oder auch um weitergehende Massnahmen (etwa Sohlen‑ und Uferpflästerung, Hochwasserdämme, Gerinneverbreiterung, Ufermauern) handeln (Botschaft GSchG 1987, 1141; vgl. ausführlich BWG, Wegleitung Hochwasserschutz, 60; zu einer Ufermauer s. Verwaltungsgericht GR, Urteil vom 24. Oktober 2006 [R 06 52], E. 3, in: PVG 2006 Nr. 28). Unter Korrektion kann auch die Verlegung eines Gewässerabschnitts verstanden werden.

6. Nicht unter die Begriffe «Verbauung und Korrektion» fallen punktuelle Massnahmen für Bauten an oder in Gewässern, mit denen nicht die Stabilisierung eines Gewässerbetts bezweckt wird, wie Brückenwiderlager, Teile von Hafenanlagen, Messschwellen, Anlegestellen für Schiffe, Einbauten für Wasserfassungen und Wassereinleitungen (Botschaft GSchG 1987, 1141BGer 1C_378/2009 vom 14. Januar 2010, E. 2.2, auch zum Folgenden). Auch die Beseitigung von Ufervegetation allein stellt keine Verbauung oder Korrektion eines Fliessgewässers dar. Es gelten jedoch die Bewilligungspflichten nach Art. 8 BGF (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 962 mit Fn. 90) und Art. 21 NHG.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Voraussetzungen für Verbauung oder Korrektur von Fliessgewässern (Abs. 1)

1.             Anwendungsbereich

7. Fliessgewässer dürfen nur unter den in Abs. 1 Bst. a–c genannten Voraussetzungen verbaut oder korrigiert werden. Die Aufzählung ist einerseits alternativ zu verstehen (vgl. etwa BGer 1C_109/2010 vom 8. September 2010, E. 6.3.6, in: URP 2010, 717), andererseits ist sie aber auch abschliessend. Aus anderen als den ausdrücklich genannten Gründen sind Verbauungen oder Korrektionen nicht zulässig. Daher sind Eingriffe, die beispielsweise nur der Landgewinnung, der einfacheren Anlage von Verkehrsträgern oder der Erleichterung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung dienen, nicht möglich, es sei denn, dadurch könne im Sinne von Bst. c eine bestehende Verbauung oder Korrektion verbessert werden (Botschaft GSchG 1987, 1142).

8. Bst. a, b und bbis beziehen sich auf natürliche Fliessgewässer, Bst. c auf solche, die bereits verbaut oder korrigiert worden sind. Natürliche Fliessgewässer dürfen nur zum Hochwasserschutz (Bst. a), für die Schiffbarmachung bzw. die Nutzung der Wasserkraft (Bst. b) oder für eine Deponie (Bst. bbis) verbaut oder korrigiert werden. Ansonsten sind Eingriffe auf bereits verbaute und korrigierte Gewässer beschränkt (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9410). Sie sind nach Bst. c zulässig, wenn dadurch der Zustand eines solchen Gewässers im Sinne des GSchG «verbessert» wird.

 

2.             Schutz von Menschen oder Sachwerten (Bst. a)

9. Gemäss Abs. 1 Bst. a darf bzw. muss ein Fliessgewässer verbaut oder korrigiert werden, wenn dies der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten gebietet. In ihrer ursprünglichen Fassung verwies die Bestimmung auf Art. 5 Abs. 1bis des inzwischen aufgehobenen Wasserbaupolizeigesetzes aus dem Jahr 1877. Seit der Gesetzesänderung vom 22. März 2013 (Inkrafttreten am 1. August 2013) wird auf den heute aktuellen Art. 3 Abs. 2 WBG verwiesen. Der materielle Gehalt der Bestimmung bleibt derselbe (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9411).

10. Das WBG bezweckt den Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor schädlichen Auswirkungen des Wassers, insbesondere vor Überschwemmungen, Erosionen und Feststoffablagerungen, mithin den Hochwasserschutz (Art. 1 Abs. 1 WBG). Dieser ist Aufgabe der Kantone (Art. 2 WBG). Die Kantone gewährleisten den Hochwasserschutz in erster Linie durch den Unterhalt der Gewässer und durch raumplanerische Massnahmen (Art. 3 Abs. 1 WBG; vgl. dazu BWG, Wegleitung Hochwasserschutz, 10). Nur wo dies nicht ausreicht, müssen zum Zwecke des Hochwasserschutzes Massnahmen wie Verbauungen, Eindämmungen, Korrektionen, Geschiebe‑ und Hochwasserrückhalteanlagen sowie alle weiteren Vorkehrungen, die Bodenbewegungen verhindern, getroffen werden. Diese Massnahmen sind mit jenen aus anderen Bereichen gesamthaft und in ihrem Zusammenwirken zu beurteilen (Art. 3 Abs. 2 und 3 WBG).

11. In Übereinstimmung damit lässt Art. 37 Abs. 1 Bst. a GSchG Hochwasserschutzmassnahmen zu, wenn dies der «Schutz von Menschen» oder «erheblichen Sachwerten» erfordert und wenn der Unterhalt der Gewässer und raumplanerische Massnahmen für den Hochwasserschutz nicht ausreichen (vgl. etwa BGer 1A.157/2006 vom 09. Februar 2007, E. 3.2).

12. Innert der ersten zehn Jahre seit Inkrafttreten der Bestimmung musste sich die Rechtsprechung damit nicht befassen, was unter anderem darauf zurückzuführen sein dürfte, dass in manchen Fällen ohne nähere Prüfung davon ausgegangen wurde, die Voraussetzungen gemäss Bst. a für Eingriffe in Gewässer, die eine Verbauung oder Korrektion darstellen, seien beim Bau von Anlagen, insbesondere Verkehrsanlagen ohne Weiteres erfüllt (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 48 f., unter Hinweis auf einen Entscheid des Kantonsgerichts Wallis, in: URP 1997, 49, nicht publizierte E. 16).

13. Zwischenzeitlich hat das BGer immerhin Leitlinien gesetzt. Danach wird für die Zulässigkeit der Verbauung oder Korrektion keine «hohe» Gefährdung durch Hochwasser oder keine «starke» Verbesserung des Schutzgutes verlangt (BGer 1C_109/2010 vom 8. September 2010, E. 6.3.5, in: URP 2010, 717). Im genannten Urteil zitierte das BGer die vorinstanzliche Auffassung, wonach durch das Projekt die Hochwassersituation «leicht» verbessert werden könne und befand, es sei kein Widerspruch zu Art. 37 Abs. 1 Bst. a GSchG gegeben, auch wenn das Auflageprojekt nicht zu den vordringlichsten Massnahmen des örtlichen Hochwasserschutzes gehöre und mit ihm auch private Interessen begünstigt würden. Das Bundesgericht legte sich bei diesem Urteil allerdings eine gewisse Zurückhaltung auf, da die kantonalen Behörden mit den örtlichen Verhältnissen besser vertraut seien (vgl. N 15). Vgl. zu den Verbauungen für den Hochwasserschutz ausführlich BGer 1C_148/2008 vom 11. Dezember 2008 [«Linth-Kanal»], E. 4.5, in: URP 2009, 150).

14. Ist eine der beiden Voraussetzungen von Abs. 1 Bst. a GSchG (Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten) gegeben, muss nicht noch zusätzlich geprüft werden, ob mit der vorgesehenen Massnahme der Zustand des Gewässers verbessert werden könne. Art. 37 Abs. 1 Bst. c GSchG enthält lediglich eine alternative Voraussetzung für die Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern (BGer 1C_109/2010 vom 8. September 2010, in: URP 2010, 717, E. 6.3.6). Dasselbe gilt für Art. 37 Abs. 1 Bst. b und bbis GSchG.

15. Den Kantonen verbleibt ein erheblicher Anwendungsspielraum. Es obliegt weitgehend ihnen, zu beurteilen, ob raumplanerische Massnahmen und der Unterhalt der Gewässer zum Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten ausreichen oder ob zusätzlich wasserbauliche Massnahmen nötig sind. Das BGer auferlegt sich bei der Würdigung örtlicher Verhältnisse und bei ausgesprochenen Ermessensfragen Zurückhaltung (BGer 1C_109/2010 vom 8. September 2010, E. 6.3.5, in: URP 2010, 717; 1A.157/2006 vom 9. Februar 2007, E. 3.2; Botschaft GSchG 1987, 1092 f.).

 

3.             Schiffbarmachung oder Nutzung der Wasserkraft (Bst. b)

16. Die Schiffbarmachung eines Flusses oder der Bau eines Flusskraftwerks bedingen häufig harte Eingriffe in ein Gewässer. Oft sind bei solchen Vorhaben Baggerungen oder Uferstabilisierungen unvermeidlich. Deshalb gilt auch hier eine Ausnahme, indem die Korrektion oder Verbauung eines Fliessgewässers vorgenommen werden darf, wenn dies für die Schiffbarmachung oder für eine im öffentlichen Interesse liegende Nutzung der Wasserkraft nötig ist. Es ist indessen auch hier eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen (Botschaft GSchG 1987, 1140 f.).

 

4.             Errichtung einer Deponie (Bst. bbisEntstehung und Zielsetzung

17. Bestimmung wurde mit GSchG-Änderung vom 22. März 2013 neu aufgenommen und ist am 1. August 2013 in Kraft getreten (BBl 2013 2339 f.). Sie geht auf eine vom Kanton Bern am 16. Juni 2010 eingereichte Standesinitiative zurück. Der Kanton Bern war mit dem Problem des sehr starken Schutzes von natürlichen Fliessgewässern konfrontiert worden, als er ein Vorhaben für eine Deponie für unverschmutzten Aushub prüfte, die einen Eingriff in einen kleinen Bachlauf in einem Berner Alpental erforderlich gemacht hätte (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9409; vgl. auch Votum Wasserfallen [Kommissionssprecher], AB 2013 N 11).

18. Die Initiative des Kt. BE verlangte eine Anpassung von Art. 37 und 38 GSchG dahingehend, dass es möglich wird, die Umlegung und gleichzeitige Aufwertung von Fliessgewässern namentlich im Alpen‑ und Voralpenraum ausnahmsweise zu bewilligen, wenn die Errichtung einer neuen, in einem Richtplan aufgeführten und im öffentlichen Interesse liegenden Deponie für ausschliesslich unverschmutzten Aushub dies zwingend erforderlich macht (Standesinitiative «Gewässerschutzgesetz. Teilrevision» des Kt. BE vom 16. Juni 2010 [10.324]).

19. Die Kommission UREK-S nahm das Anliegen des Kt. BE auf und hielt es für sinnvoll, für unverschmutztes Aushubmaterial Deponierungsmöglichkeiten vorzusehen, die nicht mit allzu weiten Transportwegen einhergehen. Damit liessen sich – so die Kommission in ihrem Bericht – die Umweltbelastungen vermeiden, die der weiträumige Transport solchen Materials, insbesondere aus touristischen Alpentälern, mit sich bringt. Da es nicht vernünftig ist, wegen kleinen natürlichen Wasserläufen auf die Errichtung einer Deponie für unbelasteten Aushub unter allen Umständen verzichten zu müssen, rechtfertigt es sich, das Gewässerschutzgesetz so zu lockern, dass in diesen besonderen Situationen, die voraussichtlich vorwiegend in Seitentälern der Alpen und Voralpen mit knappen Platzverhältnissen vorliegen, Ausnahmen möglich sind (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9410; vgl. auch Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 961).

Gebot zurückhaltender Auslegung

20. Die neue Ausnahme nach Bst. bbis kreiert nach Ansicht des Bundesrates in klar umschriebenen und voraussichtlich nur ausnahmsweise vorliegenden Situationen die Möglichkeit, sinnvolle Deponierungsmöglichkeiten für unverschmutztes Aushubmaterial zu schaffen (Votum Leuthard [Bundesrätin], AB 2012 S 1232 und AB 2013 N 11). Die Räte schlossen sich dieser Sichtweise an. Mithin drängt sich nach Auffassung des historischen Gesetzgebers eine zurückhaltende Bewilligungspraxis auf (vgl. Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9410; AB 2013 N 12).

Beschränkung auf Deponien

21. Die Anwendbarkeit von Bst. bbis ist beschränkt auf Deponien. Zum Begriff der Deponie gilt die im USG verwendete Umschreibung: Das USG versteht unter einer Deponie eine künstlich angelegte und planmässig bewirtschaftete Ansammlung abgelagerter Abfälle. «Deponie» ist das Ergebnis wiederholter und organisierter, mit baulichen Vorkehrungen einhergehenden Ablagerungshandlungen an einem bestimmten Ort (Tschannen, Kommentar USG, Art. 30e N 10). Art. 3 Abs. 5 TVA definiert Deponien in ähnlicher Weise als «Abfallanlagen, in denen Abfälle endgültig und kontrolliert abgelagert werden». Eine Deponie ist in die Abfallplanung der Kantone nach Art. 31 USG aufzunehmen.

22. Die Standesinitiative des Kt. BE verlangte, dass die Ausnahme nur für Deponien gilt, die im Richtplan aufgeführt sind und im öffentlichen Interesse liegen (vgl. N 18). Das musste nicht in den Gesetzestext aufgenommen werden, weil bereits Art. 17 TVA entsprechende Regelungen enthielt. Seit 1. Januar 2016 ist der Sachverhalt in Art. 4 und 5 VVEA geregelt, welche Verordnung die TVA ab diesem Datum ersetzt. Danach erstellen die Kantone für ihr Gebiet eine Abfallplanung, welche insbesondere auch die Standorte von Deponien umfasst (Art. 4 Abs. 1 lit. d). Sie weisen die in der Deponieplanung vorgesehenen Standorte von Deponien in ihren Richtplänen aus und sorgen für die Ausscheidung der erforderlichen Nutzungszonen (Art. 5 Abs. 2).

23. Nicht alle Deponien sind von Bst. bbis erfasst. Gemäss ausdrücklichem Wortlaut gilt die Bestimmung nur für solche Deponien, auf welchen ausschliesslich unverschmutztes Aushub‑, Abraum‑ und Ausbruchmaterial gelagert wird. Mit Aufhebung der TVA per 1. Januar 2016 wurde hierfür ein eigener Deponietypus geschaffen (Typus A gemäss Art. 35 und Anh. VVEA). Sofern die Umleitung eines Fliessgewässers für die Errichtung einer Deponie nach den Bestimmungen des Gewässerschutzgesetzes (Art. 37 GSchG) zulässig ist, muss das Gewässer um die Deponie herum geleitet werden und sichergestellt sein, dass kein Wasser in die Deponie eindringen kann (Art. 36 Abs. 3 VVEA). Ferner sind die Anforderungen an den Standort und das Bauwerk von Deponien gemäss Anh. 2 VVEA zu beachten.

24. Zur Standortgebundenheit

Eine Verbauung oder Korrektion (der Gesetzgeber dachte insbesondere an eine Verlegung) muss für die Errichtung einer solchen Deponie «nötig» sein, die nur am vorgesehenen Standort errichtet werden kann. «Nötig» ist die Deponie am vorgesehenen Standort nur, wenn aufgrund einer umfassenden Standortevaluation in Abwägung aller betroffenen Interessen kein anderer Standort möglich ist (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9411; Votum Leuthard [Bundesrätin], AB 2012 S 1232; Stellungnahme BR Teilrevision, 9416; Votum Wasserfallen, AB 2013 N 11).

Beschränkung auf «kleine» Fliessgewässer?

25. Gemäss Art. 37 Abs. 1 GSchG (Einleitungssatz) beziehen sich die Ausnahmen in Bst. a–c auf die Verbauung und Korrektion von «Fliessgewässern». Eine Beschränkung auf kleine Fliessgewässer ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Das gilt demzufolge auch für Bst. bbis. Der Wortlaut der Bestimmung gibt aber insoweit den Sinn von Bst. bbis nicht wieder. Der Gesetzgeber dachte nur an die Verlegung des Bachbetts «kleinerer Fliessgewässer» (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9410; Votum Berberat [Kommissionssprecherin], AB 2012 S 1231; Votum Parmelin, AB 2013 N 11; Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 961). Was kleine Fliessgewässer sind, wird im GSchG allerdings nirgends definiert. Auch im Rahmen der Beratung von Bst. bbis wurde auf eine entsprechende Umschreibung bzw. Einschränkung kein Wert gelegt. Es bleibt beim Ermessen im Einzelfall.

26. Auch nach einer Verlegung müssen die unter Abs. 2 aufgeführten Funktionen weiterhin gewährleistet sein. Der natürliche Verlauf des Gewässers ist möglichst beizubehalten oder wiederherzustellen. Gewässer und Gewässerraum sind naturnah zu gestalten (vgl. Votum Leuthard [Bundesrätin], AB 2012 S 1232 und AB 2013 N 11. Bei bereits verbauten oder korrigierten Gewässern muss das Vorhaben zu einer Verbesserung des Zustands führen (Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012, 9411, vgl. Bst. c).

 

Würdigung

27. Ein Nachgeschmack bleibt: Im Unterschied zu Bst. a (Hochwasserschutz), Bst. b (Schiffbarmachung) und Bst. c (Verbesserung des Zustandes) hat das Parlament mit Bst. bbis eine Ausnahme formuliert, die nur in wenigen Anwendungsfällen überhaupt aktuell werden wird. Es fragt sich, ob es Aufgabe der Gesetzgebung ist und sein kann, sich an derartigen Einzelfällen zu orientieren. Andere Einzelfälle (z.B. für die Erstellung oder Verbreiterung einer Strasse, die zur Erschliessung in einem engen Bergtal erforderlich ist) können ebenso auftreten, sind aber aufgrund der abschliessenden Formulierung in Art. 37 Abs. 1 GSchV ausgeschlossen. Zielführender wäre wohl gewesen, die Ausnahmefälle exemplifikatorisch aufzuzählen («Fliessgewässer dürfen verbaut oder korrigiert werden, sofern überwiegende öffentliche Interessen dies gebieten, insbesondere wenn […]»; es folgen dann Bst. a, b und c). Der Gesetzgeber hat leider einen anderen Weg beschritten. Und: Wenn man schon «kleine Fliessgewässer» im Fokus hat, weshalb sagt man dies denn nicht? Eine gute Gesetzgebung ist jedenfalls anders (vgl. dazu grundsätzlich etwa Griffel, Gute Gesetzgebung).

 

5.             Verbesserung des Zustands (Bst. c)

28. Gemäss Bst. c dürfen Fliessgewässer verbaut und korrigiert werden, wenn dadurch der Zustand eines bereits verbauten oder korrigierten Gewässers im Sinne des GSchG verbessert werden kann. Nach dieser Bestimmung sind Eingriffe für Vorhaben zulässig, welche nach Bst. a, b und bbis nicht zulässig wären.

29. Im Vordergrund steht bei Bst. c die Verlegung eines Fliessgewässers. Eine solche ist etwa dann zulässig, wenn sonst ein Areal nicht sinnvoll überbaut werden könnte (vgl. den Fall in BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, in: URP 2013, 113 ff., wo der verdolte bzw. kanalisierte Bach mitten durch einen Baubereich führte). Oder es kann die Verlegung eines Fliessgewässers zur Realisierung von Sportanlagen oder anderer öffentlicher Anlagen bewilligt werden (vgl. Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 408).

30. Die Verlegung ist zulässig, wenn dadurch der Zustand eines verbauten oder korrigierten Bereichs desselben Gewässers verbessert werden kann (vgl. dazu das oben erwähnte Urteil BGer 1C_164/2012, in: URP 2013, 113 ff.). Der Gesetzestext lässt indessen auch zu, dass das «begünstigte» Gewässer ein anderes Gewässer ist (etwa eines, das – eingedolt oder verbaut – in ersteres einmündet).

31. Bei einer solchen Verbauung oder Korrektion sind dann nicht nur die Anforderungen von Art. 37 Abs. 2 GSchG zu erfüllen, sondern es muss auch der Zustand des Gewässers im Sinne des GSchG verbessert werden. In diesem Sinne dürfen auch bereits in ihrem natürlichen Verlauf gestörte Fliessgewässer nicht ohne Schranken verändert werden (Botschaft GSchG 1987, 1141).

32. Der Zustand muss «im Sinne dieses Gesetzes» verbessert werden. Damit nimmt die Bestimmung insbesondere auf Abs. 2 Bezug, wonach der natürliche Verlauf möglichst wieder hergestellt werden soll. Eine «Verbesserung» ist also zum Beispiel dann gegeben, wenn ein Gewässer ganz oder teilweise ausgedolt und als natürlich fliessendes Gewässer geführt werden soll (BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8, in: URP 2013, 113 ff.), oder wenn eine «harte» Verbauung mit künstlichen Ufern zugunsten eines natürlichen Verlaufs beseitigt wird.

33. Bst. c sieht keine Sanierungspflicht verbauter oder korrigierter Fliessgewässer vor. Er bestimmt nur, aber immerhin, dass solche Fliessgewässer dann (weiter) verbaut oder korrigiert werden dürfen, wenn deren Zustand gleichzeitig verbessert wird. Bewirkt also ein geplantes Bauvorhaben entlang eines eingedolten Fliessgewässers weder eine Verbauung noch eine Korrektur des Gewässerlaufs, so löst es keine Sanierungspflicht aus. Art. 37 GSchG regelt (wie Art. 38 GSchGkeine «Planung» im Sinne des Gewässerschutzrechts, welche nach Art. 46 GSchV mit der Richt‑ und Nutzungsplanung (also etwa einem Überbauungsplan) zwingend zu koordinieren wäre (unzutreffend daher wohl die redaktionellen Bemerkungen in ZBl 2000 323 ff., 333).

34. Mithin steht den zuständigen Behörden oder Privaten frei, die Offenlegung erst später vorzunehmen (spätestens wenn die bestehende Eindolung erneuerungsbedürftig wird; BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4a, in: ZBl 101/2000 323 ff. und URP 2000, 648). Zu beachten ist indessen auch Art. 38a GSchG (Pflicht zur Revitalisierung).

35. Das Fehlen einer aktuellen Sanierungspflicht bedeutet dagegen keinen Freipass hinsichtlich einer allenfalls vorgezogenen, freiwilligen Sanierung: Entschliesst sich die Behörde ein Fliessgewässer im Zusammenhang mit einer Überbauung offen zu legen, so handelt es sich dabei um die Korrektur eines Fliessgewässers, welche den Zustand eines bereits verbauten Gewässers verbessert und deshalb gemäss Abs. 1 Bst. c grundsätzlich zulässig ist, aber die Anforderungen von Abs. 2 an Verlauf und Gestaltung von Gewässern und Ufern erfüllen muss. Wird dagegen mit der Renaturierung zugewartet, so darf die Überbauung die künftige Sanierung des Bachs nicht präjudizieren, d.h. eine den Anforderungen von Art. 37 Abs. 2 GSchG genügende Renaturierung (Art. 38a GSchG) muss trotz der Überbauung möglich bleiben (BGer 1A.62/1998, E. 3e, in: ZBl 101/2000 323 ff.).

 

B.            Anforderungen an die Ausführung von Korrektionen und Verbauungen (Abs. 2)

1.             Allgemeine Bemerkungen

36. Gemäss Art. 37 Abs. 2 GSchG (gleichlautend Art. 4 Abs. 2 WBG betreffend den Hochwasserschutz) ist der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beizubehalten oder wieder herzustellen. Gewässer und Gewässerraum müssen so gestaltet werden, dass sie einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt als Lebensraum dienen können (Bst. a), die Wechselwirkungen zwischen ober‑ und unterirdischem Gewässer weitgehend erhalten bleiben (Bst. b) und eine standortgerechte Ufervegetation gedeihen kann (Bst. c). Diese Anforderungen gelten kumulativ. Sie begründen keine selbstständigen Pflichten, sondern kommen nur zum Tragen, wenn ein Fliessgewässer verbaut oder korrigiert wird.

37. Abs. 2 stimmt mit Art. 4 Abs. 2 WBG überein: Auch bei Massnahmen des Hochwasserschutzes ist bei Eingriffen in ein Gewässer dessen natürlicher Verlauf möglichst beizubehalten oder wiederherzustellen. Gewässer und Gewässerraum müssen so gestaltet werden, wie dies auch in Art. 37 Abs. 2 GSchG vorgesehen ist.

38. Die Festlegung von Baubereichen in der Nutzungsplanung oder eine Überbauung dürfen die künftige Sanierung eines Gewässers nicht präjudizieren, d.h. eine den Anforderungen von Art. 37 Abs. 2 GSchG genügende Renaturierung muss trotz der Überbauung möglich bleiben. Wie bei Art. 38a GSchG bzw. Art. 41d GSchV müssen auch im Anwendungsbereich von Art. 37 GSchG genügend grosse unüberbaute Flächen für die künftige Offenlegung des Bachs, seine Ufer und seinen Gewässerraum frei bleiben (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3e, in: ZBl 101/2000 323 ff., sowie in: URP 2000, 648 ff.; 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8.4.1, in: URP 2013, 113 ff.).

39. Die zuständigen Behörden haben dem Gesichtspunkt der Renaturierung von Gewässern im Rahmen von Sondernutzungs‑ oder Baubewilligungsverfahren frühzeitig in koordinierter Weise Rechnung zu tragen (Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 409). Sofern die Gewässersanierung in einem engen räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer geplanten Überbauung steht, besteht die Verpflichtung, die Überbauungsordnung und die Renaturierungsplanung hinreichend zu koordinieren. Diese Koordination setzt eine umfassende Interessenabwägung unter Einbezug aller von der Überbauung einerseits und der Bachsanierung andererseits berührten Interessen, namentlich der Raumplanung, des Umwelt‑, Natur‑ und Gewässerschutzes voraus (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 5, in: ZBl 101/2000 323 ff.; vgl. auch BGE 121 II 72, 79 f., E. 3BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8, in: URP 2013, 113 ff.).

 

2.             Abgrenzungen

40. Art. 37 Abs. 2 GSchG ist abzugrenzen: Zum Ersten von Art. 38a GSchG (Revitalisierung). Nach dieser Bestimmung sorgen die Kantone für die Revitalisierung von Gewässern und legen dafür einen Zeitplan fest. Revitalisierung ist die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen (Art. 4 Bst. m GSchG; neu eingefügt mit Änderung vom 11. Dezember 2009). Damit sollen die Gewässer naturnaher gestaltet werden. Art. 36a GSchG seinerseits verpflichtet die Kantone, den für die Revitalisierung erforderlichen Raum zur Verfügung zu stellen (Gewässerraum). Art. 38a wie Art. 36a GSchG beschränken sich auf Grundsätze und legen nicht im Detail positiv fest, wie das Gewässer und der Gewässerraum zu gestalten seien. Die Kantone verfügen daher bei der Umsetzung über einen erheblichen Spielraum.

41. Art. 37 GSchG hat demgegenüber einen beschränkten Anwendungsbereich, indem er nur für Fliessgewässer (nicht auch für stehende Gewässer) und nur dann gilt, wenn diese ausnahmsweise verbaut oder korrigiert werden. Der natürliche Verlauf des Gewässers muss nicht zwingend, sondern nur «möglichst» beibehalten oder wiederhergestellt werden. Andererseits sind die Anforderungen an die Gestaltung des Gewässers und des Gewässerraumes konkreter und wohl auch strenger umschrieben, als dies bei Art. 36a und 38a GSchG der Fall ist.

 

3.             Beibehaltung/Wiederherstellung des natürlichen ewässerverlaufs als primäres Ziel (Abs. 2, Satz 1)

42. Ein Gewässer kann seine Funktionen im Wasserhaushalt und als Lebensraum umso besser erfüllen, je natürlicher bzw. naturnaher es ist. Abs. 2, Satz 1 trägt diesem Gedanken Rechnung, wenn bestimmt wird, dass bei der Verbauung oder Korrektur eines Gewässers dessen natürlicher Verlauf möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden muss. Wie das BGer ausführte (BGE 122 II 274, Entscheid Wartau, E. 5b), soll mit Art. 37 Abs. 2 GSchG sowie dem gleichlautenden Art. 4 Abs. 2 WBG erreicht werden, dass natürliche und bewaldete Bachläufe als wertvolle Landschaftselemente soweit wie möglich erhalten werden; sind sie bereits beeinträchtigt, soll ihre Renaturierung gefördert werden (vgl. auch Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 48).

43. Abs. 2 weist einen engen Zusammenhang mit dem NHG und dem BGF auf (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4a, in: ZBl 101/2000 323 ff.) und verstärkt deren Schutz (BGE 122 II 274, E. 5b). Nach Art. 21 Abs. 2 NHG sorgen die Kantone – soweit es die Verhältnisse erlauben – dafür, dass Ufervegetation dort angelegt wird, wo sie fehlt, oder zumindest die Voraussetzungen für deren Gedeihen geschaffen werden. Art. 7 BGF verpflichtet die Kantone dafür zu sorgen, dass Bachläufe, Uferpartien und Wasservegetationen, die dem Laichen und dem Aufwachsen der Fische dienen, erhalten bleiben (Abs. 1); nach Möglichkeit ergreifen die Kantone Massnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Wassertiere sowie zur lokalen Wiederherstellung zerstörter Lebensräume (Abs. 2).

44. Abs. 2 gilt grundsätzlich für alle Verbauungen und Korrektionen. Der natürliche Verlauf des Gewässers soll aber nur «möglichst» beibehalten werden oder wieder hergestellt werden. Die Renaturierung ist somit erwünscht, wird aber nicht erzwungen (Botschaft Lebendiges Wasser 2007, 5516; BGE 122 II 274, 284, E. 5a). Vgl. in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht GR, Urteil vom 24. Oktober 2006 [R 06 52], E. 3, in: PVG 2006 Nr. 28, betreffend Ufermauer, «Wuhrung»: Die nach dem Unwetter im August 2005 behelfsmässig erstellte, massive Wuhrung widersprach den gesetzlichen Vorgaben nach Art. 37 Abs. 2 GSchG. Sie musste daher im Rahmen der Bachkorrektion zwingend rückgebaut und naturnaher, d.h. auch flacher neu erstellt und bezüglich Fällmaterial und zeitlicher Staffelung so ausgeführt werden, dass in den Zwischenräumen der Wuhrsteine eine Bepflanzung mit Weidenstecklingen gleichzeitig erfolgen kann.

45. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GSchG ist zwingend (dabei «muss» der natürliche Verlauf…), verlangt indessen keine vollständige Wiederherstellung des früheren Gewässerverlaufs, sondern belässt den Vollzugsbehörden einen Spielraum für eine Interessenabwägung im Einzelfall (vgl. auch Urteil BGer 1A.151/2002 vom 22. Januar 2003, E. 5.1). Der natürliche Verlauf des Gewässers ist nur «möglichst» beizubehalten oder wiederherzustellen. Spielraum besteht naturgemäss auch im Umfang und in der Art und Weise einer Beibehaltung oder Wiederherstellung des natürlichen Gewässerverlaufs.

 

4.             Gestaltungsgebote (Abs. 2, Satz 2)

Geltungsbereich

46. Bei Verbauungen und Korrektionen von Fliessgewässern soll nicht nur das Gewässer, sondern auch der von den Kantonen gemäss Art. 36a GSchG festgelegte Gewässerraum gemäss den Kriterien von Art. 37 Abs. 2 GSchG gestaltet werden (BBl 2008 8043).

47. Satz 2 stellt hierzu zwingende Anforderungen. Danach müssen Gewässer und Gewässerraum so gestaltet werden, dass sie einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt dienen können, die Wechselwirkungen zwischen ober‑ und unterirdischen Gewässern weitgehend erhalten bleiben und zudem eine standortgerechte Ufervegetation gedeihen kann (Bst. a–c).

48. Im Unterschied zu Satz 1, wonach der natürliche Gewässerverlauf möglichst beizubehalten oder wiederhergestellt werden muss, gewährt Satz 2 der rechtsanwendenden Behörde weit weniger Spielraum («Gewässer und Ufer müssen so gestaltet werden, dass …»). Daher bestehen diesbezüglich kein Grund und keine Rechtsgrundlage für eine umfassende Interessenabwägung. Eine Bachverbauung, die so wenig naturnah gestaltet ist, dass dafür in einem überbauten Gebiet eine Ausnahmebewilligung nach Art. 37 Abs. 3 GSchG erforderlich wäre, kann nicht in einem nicht überbauten Gebiet aufgrund einer Interessenabwägung zulässig sein (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 49 f., mit berechtigter Kritik an BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4d, in: ZBl 101/2000 323 ff. und URP 2000, 648). Zu den Gestaltungsgeboten im Einzelnen:

Einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt als Lebensraum dienen (Bst. a)

49. Die Lebensräume für Tiere und Pflanzen sind sicherzustellen. Gemäss dem Grundsatz, wonach alle den Wasserkreislauf betreffenden Vorkehren in ihrem Zusammenwirken zu betrachten sind, müssen zum Beispiel auch Hochwasserschutzmassnahmen die in Art. 37 Abs. 2 GSchG enthaltenen Anliegen berücksichtigen (BGer 1A.252/1997 und 1P.536/1997 vom 14. April 1998, in: ZBl 2000 92). Die Bestimmung schützt unter anderem die Erhaltung bewaldeter Bachläufe als wertvolle Landschaftselemente (BGE 122 II 274, 284, E. 5 b, auch in URP 1996, 661). Sind sie bereits beeinträchtigt, soll ihre Renaturierung gefördert werden (Hänni, Umweltschutzrecht, 446). Das Gemeinwesen muss auch bei der Renaturierung eines Gewässers (und besonders im Hinblick darauf) diese Anliegen berücksichtigen (Hänni, Umweltschutzrecht, 447).

Wechselwirkungen zwischen ober‑ und unterirdischen Gewässern erhalten (Bst. b)

50. Wechselwirkungen zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser sind beispielsweise dann gewährleistet, wenn Gewässersohle und ‑ufer durchlässig bleiben. Der Durchwurzelung des Gewässerufers durch eine Ufervegetation zur Verbesserung des Wasseraustauschs mit dem Grundwasser kommt entscheidende Bedeutung zu (Botschaft GSchG 1987, 1142).

Standortgerechte Ufervegetation gedeihen lassen (Bst. c)

51. Zu einer naturnahen Gewässerverbauung gehört auch die Rücksicht­nahme auf die Ufervegetation (Bst. c). Letztere ist einerseits Schutzobjekt des Natur‑ und Landschaftsschutzes (Element der Landschaftsstruktur, Lebensraum für wassergebundene Landtiere, Bestandteil eines Erholungsgebiets, vgl. Art. 21 NHG; dazu Jenni, Kommentar NHG, Art. 21 N 1 ff.; BGE 122 II 274, 284, E. 5) und andererseits Gegenstand des Gewässerschutzes (Botschaft GSchG 1987, 1142). Die Ufervegetation trägt aber auch zur Stabilisierung und damit zur Verminderung der Erosion von Uferpartien bei. Sie vermindert ausserdem durch Schattenwurf die Veralgung von Gewässern mit grosser Nährstoffbelastung und eine rasche Temperaturerhöhung im Sommer, was sich auch positiv auf die Sauerstoffverhältnisse im Gewässer auswirkt. Überdies bietet sie auch Fischen besseren Schutz vor natürlichen Feinden (Botschaft GSchG 1987, 1142).

52. Nach Art. 22 Abs. 2 NHG kann die zuständige kantonale Behörde indessen die Beseitigung der Ufervegetation in den durch die Wasserbaupolizei‑ oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen für standortgebundene Vorhaben bewilligen. Das erlaubt nicht nur im Rahmen einer Revistalisierung (Art. 38a GSchG; vgl. Komm. zu Art. 38a N 20), sondern auch bei der Wiederherstellung des möglichst natürlichen Verlaufs eines Fliessgewässers im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 GSchG die ausnahmsweise Beseitigung von Ufervegetation (BGer 1C_544/2013 vom 24. Oktober 2013, E. 3.3, zusammengefasst in: URP 2014, 76). Es ist dabei allerdings für den bestmöglichen Schutz, für die Wiederherstellung oder sonst für den angemessenen Ersatz zu sorgen (Art. 18 Abs. 1ter NHG).

C.           Ausnahmen in überbauten Gebieten (Abs. 3)

53. In überbauten Gebieten kann die Behörde Ausnahmen von einer naturnahen Verbauung gemäss Abs. 2 – sogenannte «harte» Verbauungen – bewilligen (vgl. Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2003, 47 ff.). Ein Abweichen ist aber nur möglich, wenn das Gebiet bereits überbaut ist. Die blosse Zuteilung zur Bauzone reicht nicht aus. Das revidierte Gewässerschutzgesetz soll sicherstellen, dass weitere strukturverändernde Eingriffe in Gewässer möglichst unterbleiben bzw. auf streng begründete Fälle beschränkt werden, dass unerlässliche Eingriffe massvoll und schonend ausgeführt werden und bestehende Beeinträchtigungen, wenn immer möglich, saniert werden (Botschaft GSchG 1987, 1141). Angesichts dieser Zielsetzung können nur solche Gebiete als «überbaut» i.S. von Art. 37 Abs. 3 GSchG bezeichnet werden, in denen eine naturnahe Gestaltung von Gewässerverlauf und Ufer aufgrund der bereits vorhandenen Bebauung nicht möglich ist (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4c; ZBl 2000 323 ff. mit kritischer Anmerkung der Redaktion, auch in URP 2000, 648 ff.; BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, in: URP 2013, 113 ff., E. 8; vgl. auch Hunger, Sanierungspflicht, 295). Nicht verlangt ist andererseits, dass eine «dichte Überbauung» vorliegt, wie sie bei der Anwendung von Art. 36a GSchG (Gewässerraum) Ausnahmen begründen kann.

54. Abs. 3 bestimmt zwar, wo (nämlich in «überbauten» Gebieten), nicht aber unter welchen weiteren Voraussetzungen und in welchem Ausmasse Ausnahmen bewilligt werden können. Den Kantonen bleibt daher ein relativ grosser Ermessensspielraum bei der Gesetzesanwendung. Angesichts der erwähnten Zielsetzung des GSchG rechtfertigt sich ein strenger Massstab.

D.           Schaffung künstlicher Fliessgewässer (Abs. 4)

55. Jedes Gewässer, das künstlich geschaffen wird (beispielsweise für die Gestaltung von Golfanlagen oder Schaffung einer künstlichen Kanustrecke; Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 408) ist Bestandteil des Wasserhaushalts eines Gebiets. Es beeinflusst das Mikroklima und wird auch schnell von einer natürlichen Flora und Fauna besiedelt. Abs. 4 will sicherstellen, dass bei der Schaffung neuer Fliessgewässer nicht nur der qualitative Gewässerschutz, sondern auch die Gestaltungsanforderungen von Abs. 2 beachtet werden. Da künstliche Wasserläufe einer ganz bestimmten Nutzung zugedacht sind, können die ökologischen Aspekte allerdings nicht immer im selben Mass berücksichtigt werden wie bei natürlichen Gewässern (Botschaft GSchG 1987, 1143).

 

 

Résumé

L’art. 37 LEaux s’applique aux cours d’eau naturels ainsi qu’aux cours d’eau déjà aménagés en vertu de l’al. 4 et autorise l’endiguement et la correction des cours d’eau à certaines conditions. Par endiguements et corrections, il faut comprendre la stabilisation, la modification ou le déplacement d’une eau. Il peut s’agir d’interventions ponctuelles ou de mesures complémentaires. Ne tombent pas sous les coups d’endiguement ou de correction, les interventions ponctuelles dont l’objet ne vise pas la stabilisation du lit du cours d’eau comme par ex. les installations portuaires.

La let. a de l’al. 1 de l’art. 37 LEaux permet d’endiguer ou de corriger les cours d’eau si ces interventions s’imposent pour protéger des personnes ou des biens importants et lorsque les mesures d’entretien et de planification ne suffisent pas. Le TF a considéré qu’il n’était pas nécessaire d’être en présence d’un risqué élevé, ni que la correction aboutisse à une forte amélioration de la protection des objets protégés. L’endiguement et la correction sont également possibles lors que ces mesures sont nécessaires à l’aménagement des voies navigables ou l’utilisation des forces hydrauliques dans l’intérêt public (let. b) ou lors de l’aménagement d’une décharge pour autant qu’elles ne puissent être réalisées qu’à l’endroit prévu et qu’elles stockent uniquement des matériaux d’excavation et des déblais de découverte et de percement non pollués. Un cours d’eau peut également être modifié ou endigué si son état s’en trouve alors amélioré (let. c). Les conditions a–c de l’al. 1 sont des conditions alternatives.

L’art. 37 al. 2 LEaux exige que le tracé naturel des cours d’eau soit «autant que possible» respecté ou rétabli. La renaturation est souhaitée mais n’est pas forcée. Cette disposition n’exige en particulier pas de rétablir complètement le tracé antérieur du cours d’eau mais laisse aux autorités d’exécution une marge d’appréciation. De plus, les eaux et l’espace réservé aux eaux doivent être aménagées de façon à pouvoir accueillir une faune et une flore diversifies (let. a), à maintenir les interactions entre eaux superficielles et eaux souterraines (let. b) et à laisser croître une végétation adaptée à la station (let. c). Ces exigences sont cumulatives. Des exceptions à l’al. 2 de l’art. 37 LEaux peuvent être accordées dans les «zones bâties» conformément à l’art. 37 al. 3 LEaux, c’est-à-dire dans les zones qui sont déjà effectivement bâties où un aménagement naturel des eaux et des rives n’est pas possible en raison des constructions existantes.

 

 

Literatur: Griffel Alain (Hrsg.), Vom Wert einer guten Gesetzgebung, Bern 2014 (zit. Gute Gesetzgebung); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Umweltschutzrecht); Widmer Dreifuss Thomas, Planung und Realisierung von Sportanlagen – Raumplanerische, baurechtliche und umweltrechtliche Aspekte beim Bau und der Sanierung von Sportanlagen, Zürich 2002 (zit. Sportanlagen).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)» vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5511 ff. (zit. Botschaft Lebendiges Wasser 2007); Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S), Standesinitiative Gewässerschutzgesetz. Teilrevision – Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 3. September 2012, BBl 2012 9407 ff. (zit. Bericht UREK-S Standesinitiative Teilrevision GSchG 2012); Stellungnahme des Bundesrates vom 7. November 2012, Standesinitiative Gewässerschutzgesetz. Teilrevision – Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 3. September 2012, BBl 2012 9415 ff. (zit. Stellungnahme BR Teilrevision).

Fritzsche Christoph​

 

Überdecken oder Eindolen von Fliessgewässern

1         Fliessgewässer dürfen nicht überdeckt oder eingedolt werden.

2         Die Behörde kann Ausnahmen bewilligen für:

a.       Hochwasserentlastungs‑ und Bewässerungskanäle;

b.       Verkehrsübergänge;

c.       Übergänge land‑ und forstwirtschaftlicher Güterwege;

d.      kleine Entwässerungsgräben mit zeitweiser Wasserführung;

e.       den Ersatz bestehender Eindolungen und Überdeckungen, sofern eine offene Wasserführung nicht möglich ist oder für die landwirtschaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich bringt.

Couverture ou mise sous terre des cours d’eau

1         Les cours d’eau ne doivent ni être couverts ni mis sous terre.

2         L’autorité peut autoriser des exceptions pour:

a.       les canaux des déversoirs de crues et les canaux d’irrigation;

b.       les passages sous des voies de communication;

c.       les passages sous des chemins agricoles ou forestiers;

d.       les petits fossés de drainage à débit non permanent;

e.       la réfection de tronçons couverts ou mis sous terre, dans la mesure où un écoulement à l’air libre ne peut pas être rétabli ou causerait d’importants préjudices à l’agriculture.

Copertura e messa in galleria di corsi d’acqua

1         I corsi d’acqua non devono né essere coperti né essere messi in galleria.

2         L’autorità può autorizzare deroghe per:

a.       i canali di sfogo delle piene e i canali d’irrigazione;

b.       passaggi di vie di comunicazione;

c.       passaggi di strade agricole o forestali;

d.       i piccoli canali artificiali di drenaggio con deflusso non permanente;

e.       il rifacimento di coperture o messe in galleria esistenti, sempreché non sia possibile ripristinare lo scorrimento a cielo aperto o qualora ne derivi un importante pregiudizio per l’agricoltura.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 4
A. Grundsatz des Überdeckungs‑ und Eindolungsverbots (Abs. 1) 4
1. Ziel und Geltungsbereich 4
2. Keine Sanierungspflicht 8
B. Ausnahmen (Abs. 2) 11
1. Allgemeines 11
​2. Hochwasserentlastungs‑ und Bewässerungskanäle (Bst. a) 14
3. Verkehrsübergänge (Bst. b) 15
4. Übergänge land‑ und forstwirtschaftlicher Güterwege (Bst. c) 16
​5. Kleine Entwässerungsgräben mit zeitweiser Wasserführung (Bst. d) 17
6. Ersatz bestehender Eindolungen und Überdeckungen (Bst. e) 18

 

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1 Art. 38 GSchG wurde im Rahmen des neuen GSchG 1991 eingeführt. Vgl. zur Entstehungsgeschichte im Weiteren die Bemerkungen zu Vor Art. 36a GSchG.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Art. 38 GSchG befasst sich mit dem Überdecken und Eindolen von Fliessgewässern. Gemäss Abs. 1 der Bestimmung dürfen Fliessgewässer nicht überdeckt oder eingedolt werden. Die Behörde kann Ausnahmen für die in Abs. 2 abschliessend genannten Zwecke bewilligen. Art. 38 GSchG regelt damit einen Sonderfall der Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern nach Art. 37 GSchG (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 50 f.).

3. Weder Art. 38 noch Art. 4 GSchG definieren, was unter dem Begriff «Fliessgewässer» zu verstehen ist. Sie sind hier im Gegensatz zu den stehenden Gewässern (Seen) zu sehen. Aus Art. 33 GSchV ergibt sich sodann, dass Fliessgewässer mit und solche ohne ständige Wasserführung bestehen (vgl. dazu BGE 126 II 283, E. 3). Art. 37 GSchG gilt für beide Arten (vgl. zum Begriff der ständigen Wasserführung Art. 4 Bst. h und i). Art. 38 gilt auch für kleine Fliessgewässer, selbst wenn bei ihnen auf die Ausscheidung des Gewässerraums verzichtet werden kann (vgl. Komm. zu Art. 36a GSchG N 67).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Grundsatz des Überdeckungs‑ und Eindolungsverbots (Abs. 1)

1.             Ziel und Geltungsbereich

Zielsetzung

4. Ein Gewässer wird in seiner Gestalt und seiner Funktion gestört, wenn es verbaut und korrigiert wird (Hunger, Sanierungspflicht, 290). Da es beim Überdecken oder Eindolen nicht möglich ist, im gleichen Sinn wie bei Verbauungen (Art. 37 GSchGgestalterische Massnahmen zum Schutz des Gewässers und der Lebensräume von Tieren und Pflanzen anzuordnen, verbietet Art. 38 Abs. 1 solche Eingriffe grundsätzlich (Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 965; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 50). Der Wortlaut der Bestimmung ist diesbezüglich klar.

5.In der Botschaft GSchG 1987 (1143 f.) wird beklagt, dass in der Vergangenheit viele, vor allem kleine Gewässer durch Eindolungen der Umwelt verloren gegangen seien. Eine Untersuchung der Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswesen im Jahre 1978 habe ergeben, dass auf einer Kulturfläche von der Grösse des Kantons AG von 1890 bis 1972 über 300 km Fliessgewässer (meist aus Gründen der Rationalisierung der landwirtschaftlichen Nutzung) eingedolt worden seien. Angesichts der mit Eindolungen verbundenen Folgen für den Wasserhaushalt, die Wassertiere und den Natur‑ und Landschaftsschutz und der Tatsache, dass nur in wenigen Fällen eine zwingende Notwendigkeit zur Eindolung bestehe, seien neue Eindolungen und auch der Ersatz bestehender Eindolungen nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Solche Ausnahmen müssen beispielsweise für bestehende dichte Überbauungen mit prekären Platzverhältnissen gemacht werden. Bei Neuüberbauungen hingegen sollten die offenen Gewässer in die Planung einbezogen werden.

Geltungsbereich

6. Der Begriff der «Überdeckung» ist umfassend zu verstehen; er beinhaltet sowohl die längsseitige Überdeckung durch Plätze, ganze Strassenläufe, Gebäude etc. wie auch die nur kurze Überdeckung mit Brücken. Nicht von der Bestimmung erfasst ist eine Untertunnelung. Diese ist nach Art. 38 GSchG zulässig. Sie bedarf indessen einer wasserbaupolizeilichen Bewilligung nach kantonalem Recht. «Eindolungen» sind in Röhren verlegte Fliessgewässer (vgl. BGer 1A.229/1995 vom 28. März 1998, in: URP 1996, 411 ff.).

7. Aus dem Eindolungs‑ und Überdeckungsverbot ergibt sich auch, dass bestehende Eindolungen oder Überdeckungen nicht erneuert werden dürfen, es sei denn, die Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung nach Abs. 2 Bst. e seien gegeben (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, in: ZBl 101 [2000], 323, 328, E. 3.2a, mit kritischer Anmerkung der Redaktion, auch in: URP 2000, 648 ff.; Botschaft GSchG 1987, 1144). Das BGer hat e contrario daraus geschlossen, dass in allen anderen Fällen bestehende Eindolungen und Überdeckungen nicht erneuert werden dürfen (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3a, in: ZBl 101 [2000], 323 ff.; Hunger, Sanierungspflicht, 291 f., vgl. N 18).

 

2.             Keine Sanierungspflicht

8. Art. 38 GSchG statuiert keine Sanierungspflicht, d.h. keine Verpflichtung zur Offenlegung und Renaturierung bereits eingedolter Gewässer (Hunger, Sanierungspflicht, 292; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 51 f.; Keller, Sanierung, 538). Dessen ungeachtet haben einige Kantone in dieser Hinsicht Beachtliches geleistet (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 426). In den Kantonen AG und VS (vgl. Fundstellen in Hunger, Sanierungspflicht, Fn. 574) besteht eine kantonale Renaturierungspflicht. Bundesrechtlich ergibt sich die Sanierungspflicht nun aus Art. 38a GSchG.

9. Bedingt ein geplantes Bauvorhaben entlang eines Fliessgewässers keine Erneuerung der bestehenden Eindolung i.S. von Bst. e (und auch keine Verbauung oder Korrektur des Gewässerlaufs i.S.v. Art. 37 Abs. 1 GSchG), so wird im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben keine Sanierungspflicht ausgelöst. Mithin steht den zuständigen Behörden oder Privaten frei, über den Ersatz bestehender Eindolungen oder Überdeckungen erst später zu entscheiden (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 4a, in: ZBl 101 (2000), 323 ff. und URP 2000, 648).

10. Das Fehlen einer aktuellen Sanierungspflicht bedeutet allerdings keinen Freipass hinsichtlich einer allenfalls vorgezogenen, freiwilligen Sanierung. Eine solche ist an die Vorgaben von Art. 37 Abs. 2 GSchG gebunden (vgl. Komm. zu Art. 37 GSchG N 36 ff.).

 

B.            Ausnahmen (Abs. 2)

1.             Allgemeines

Abschliessende Aufzählung

11. Die Aufzählung in Abs. 2 ist abschliessend. Abgesehen von diesen Ausnahmen dürfen Fliessgewässer grundsätzlich weder eingedolt noch überdeckt werden (BGer 1C_137/2009 vom 7. September 2009, E. 3.4 unter Hinweis auf BGE 130 II 313, E. 3.6 betreffend Bau einer Strasse; BGer 1C_533/2010 vom 20. Juli 2011, E. 4.1.1 betreffend Zufahrt für Bergrestaurant; BVGer A-1251/2012 vom 15. Januar 2014, E. 45.4).

12. Soweit kantonale Bestimmungen weitergehende Ausnahmen vorsehen als Art. 38 GSchG, sind sie bundesrechtswidrig (Bau‑, Verkehrs‑ und Energiedirektion BE, Entscheid vom 31. März 2000 [BVR 2001 128], E. 5a, in: URP 2001, 505, betreffend Überdeckung eines Bachs im Zusammenhang mit dem Ausbau des Verkaufsladens und der Aussenverkaufsflächen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft; vgl. dazu auch Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 50 f.).

Gebot der umfassenden Interessenabwägung

13. Wenn die Behörde Ausnahmen bewilligen «kann», hat sie bei ihrem Entscheid eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. zur Interessenabwägung allgemein Komm. zu Vor Art. 36a GSchG N 26 ff.). Eine Ausnahmebewilligung kann nur erteilt werden, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung die für eine offene Wasserführung sprechenden Gründe als weniger gewichtig erweisen als die Gründe für eine Eindolung (vgl. dazu BGer 1A.140/1995 vom 26. Februar 1996, in: URP 1997, 153, in welchem das BGer eine Fremdwasserabtrennung sowie die Pflicht zur Verlegung und Ausdolung eines Baches schützte und damit das Vorliegen von Ausnahmegründen im Sinne von Abs. 2 verneinte; vgl. zu diesem Urteil Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 51 sowie Saputelli, Eindolung, 34). Im Urteil BGer 1A.229/1995 vom 28. März 1996, in: URP 1996, 416 f., stellte das BGer fest, dass die Zulässigkeit eines Ersatzes einer bestehenden Eindolung nach Art. 38 Abs. 2 Bst. e GSchG nicht genügend abgeklärt wurde.

 

2.             Hochwasserentlastungs‑ und Bewässerungskanäle (Bst. a)

14. Nach Art. 38 Abs. 2 Bst. a GSchG kann die Behörde für Hochwasserbelastungskanäle und Bewässerungskanäle Ausnahmen vom Verbot der Überdeckung oder Eindolung bewilligen. Von Hochwasserentlastungskanälen kann gesprochen werden, wenn diese der Entlastung von bestehenden offenen Bächen dienen, die nur den Normalabfluss abzuleiten vermögen. Hochwasserentlastungskanäle werden also nur in Hochwassersituationen benötigt. Demgegenüber ist ein Gewässer, das das ganze Jahr hindurch eine bestimmte Abflussmenge, unter anderem auch Hochwasser, aufnimmt und nicht nur in Hochwassersituationen benötigt wird, kein «Hochwasserentlastungskanal» (Regierungsrat AR, Entscheid vom 26. Mai 1999, in: AR GVP 10/1998 Nr. 1332; BGer 1A.140/1995 vom 26. Februar 1996, E. 4a, in: ZBl 98 (1997), 320, 321 und URP 1997, 153).

 

3.             Verkehrsübergänge (Bst. b)

15. Art. 38 Abs. 2 Bst. b GSchG lässt die Überdeckung eines (bestehenden) Fliessgewässers für Verkehrsübergänge zu, d.h. um die Überquerung des Gewässers durch Verkehrsanlagen zu ermöglichen. Dagegen wäre es nicht zulässig, ein Gewässer neu einzudolen oder zu überdecken, um darüber eine Strasse zu errichten (BGE 130 II 313, E. 3.6; Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 966 mit Fn. 92).

 

4.             Übergänge land‑ und forstwirtschaftlicher Güterwege (Bst. c)

16. Art. 38 Abs. 2 Bst. c GSchG regelt einen Spezialfall der Verkehrsübergänge, nämlich der land‑ und forstwirtschaftlichen Güterwege. Der Übergang muss für die land‑ oder forstwirtschaftliche Bewirtschaftung notwendig sein (BGer 1A.141/2003 vom 16. Dezember 2003, E. 3.4, betreffend forstwirtschaftlichen Güterweg). Eine Eindolung über eine Gesamtlänge von 55 m kann nicht mehr als landwirtschaftlicher Übergang qualifiziert werden (Regierungsrat SZ, Entscheid vom 22. Februar 2011, E. 3, in: EGV-SZ 2011, C 3.1; vgl. auch das obiter dictum in Verwaltungsgericht GR, Entscheid vom 15. Januar 2008 [R-07-09], E. 4b, wonach «die Möglichkeit einer Bewilligung für einen redimensionierten Übergang […] nicht völlig ausgeschlossen sein könnte»).

 

5.             Kleine Entwässerungsgräben mit zeitweiser Wasserführung (Bst. d)

17. Als Entwässerungsgräben bezeichnet man einen künstlich angelegten Wasserlauf, der nur dem Abfluss des bei Niederschlag anfallenden Regenwassers dient (Regierungsrat SZ, Entscheid vom 22. Februar 2011, in: EGV-SZ 2011, C 3.1). Sie dürfen gemäss Art. 38 Abs. 2 Bst. d GSchG nur eingedolt werden, wenn es sich um kleinere Gräben mit zeitweiser Wasserführung handelt. Aus Art. 33 GSchV ergibt sich, dass Fliessgewässer mit und solche ohne ständige Wasserführung bestehen (vgl. dazu BGE 126 II 283, E. 3).

 

6.             Ersatz bestehender Eindolungen und Überdeckungen (Bst. e)

Anwendungsbereich

18. Bestehende Eindolungen und Überdeckungen dürfen nach Art. 38 Abs. 2 Bst. e GSchG ersetzt werden, sofern eine offene Wasserführung nicht möglich ist oder für die landwirtschaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich bringt. E contrario ergibt sich daraus, dass bestehende Eindolungen und Überdeckungen nicht erneuert werden dürfen, wenn es an den (alternativen) Voraussetzungen von Bst. e fehlt (BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3e, in: ZBl 101 (2000), 323 ff., und URP 2000, 648 ff). Das Gewässer muss dann offen geführt werden.

19. Von der Bestimmung erfasst ist allerdings nur der «Ersatz» von Eindolungen oder Überdeckungen. Im Sinne eines «Ersatzes» ist auch die Verlegung und Wiedereindolung eines Baches zulässig (BGer 1C_573/2014 vom 29. April 2015, E. 3). Der Ersatz muss die bisherige Führung der Dole oder Überdeckung nicht zwingend übernehmen.

20. Sanierungen, die im Ergebnis nicht auf einen Ersatz hinauslaufen, sondern reine Unterhaltsarbeiten oder Ausbesserungen betreffen, sind ohne die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zulässig. Die Abgrenzung ist gestützt auf die gebotene Interessenabwägung vorzunehmen. Neben Reparaturen an bestehenden Elementen der Dole ist auch der Ersatz einzelner untergeordneter Elemente noch ausnahmewürdig. Wird aber umgekehrt derart in die bestehende Substanz eingegriffen, dass das Bestehende im Verhältnis zu den neuen Elementen als untergeordnet erscheint, wird von einem Ersatz zu sprechen sein, der einer Ausnahmebewilligung nach Abs. 2 Bst. e bedarf.

Keine Möglichkeit offener Wasserführung

21. Bestehende Eindolungen dürfen ersetzt werden, wenn eine offene Wasserführung nicht möglich ist (vgl. dazu BGer 1A.229/1995 vom 28. März 1996, E. 5b, in: URP 1996, 411, 416; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 51). Mit der Formulierung «nicht möglich» meint das Gesetz nicht eine absolute Unmöglichkeit. Technisch ist jede Offenlegung möglich. Die Formulierung «nicht möglich» ist vielmehr so zu interpretieren, dass eine Offenlegung mit einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht möglich erscheint. In diesem Sinn kann auf die offene Wasserführung jeweils verzichtet werden, wo die räumlichen Verhältnisse eine offene Bachführung verunmöglichen oder unzumutbar erschweren. Unterschiedliche topografische Verhältnisse und die unterschiedlich dichte Besiedlung verlangen differenzierte Lösungen (vgl. zur differenzierten Interessenabwägung etwa Regierungsrat AR, Entscheid vom 26. Mai 1999, E. 4b, in: AR GVP 10/1998 Nr. 1332). Gemäss den Absichten des Gesetzgebers müssen Ausnahmen beispielsweise für bestehende dichte Überbauungen mit präkären Platzverhältnissen gemacht werden; bei Neuüberbauungen hingegen sollen die Offenlegung der Gewässer in die Planung einbezogen werden (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1144).

Nachteile für die landwirtschaftliche Nutzung

22. Bestehende Eindolungen und Überdeckungen dürfen auch dann ersetzt werden, wenn eine Freilegung für die landwirtschaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich brächte. Der bundesrätliche Entwurf des Gewässerschutzgesetzes sah diese Ausnahmeregelung noch nicht vor; sie ist erst im Rahmen der parlamentarischen Beratung in das Gewässerschutzgesetz aufgenommen worden (AB 1989 N 1076 f.).

23. Von einer «landwirtschaftlichen Nutzung» ist nur zu sprechen, wenn sie dauernd gesichert ist. Dies ist in der Regel lediglich in den Zonen ausserhalb der Bauzonen gewährleistet (Regierungsrat AR, Entscheid vom 26. Mai 1999, E. 5b, in: AR GVP 10/1998 Nr. 1332).

24. Abs. 2 Bst. e bedeutet, dass aus Gründen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung mit Ausnahme der Übergänge land‑ und forstwirtschaftlicher Güterwege grundsätzlich keine Neueindolungen oder ‑eindeckungen bewilligt werden dürfen. Zulässig ist lediglich der Ersatz bestehender Eindolungen oder Überdeckungen, sofern eine offene Wasserführung für die landwirtschaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich bringt.

25. Das Gesetz verlangt ausdrücklich «erhebliche» Nachteile. Daraus folgt, dass eine offene Wasserführung auch vom landwirtschaftlichen Eigentümer oder Nutzer in der Regel hingenommen werden muss. Nur ausnahmsweise, wenn eben erhebliche Nachteile auf dem Spiel stehen, darf eine bestehende Eindolung oder Eindeckung ersetzt werden, was aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden ist. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass sowohl der naturnahe Wasserbau als auch die Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft gewichtige Zielsetzungen der Gesetzgebung sind. Diese Zielsetzungen gilt es zueinander ins Verhältnis zu setzen (Regierungsrat AR, Entscheid vom 26. Mai 1999, E. 5c, in: AR GVP 10/1998 Nr. 1332, mit ausführlicher Interessenabwägung; vgl. zur Interessenabwägung N 13).

26. Im Allgemeinen sind die Beschränkungen in Form von Ertragsausfällen (Kulturlandverlust im Bereich der Bachsohle und dem Ufer) oder der allfällige Schattenwurf einer späteren Uferbestockung hinzunehmen (vgl. BGer 1A.140/1995 vom 26. Februar 1996, E. 4a, in: ZBl 98 (1997), 320, 321, und URP 1997, 153, wo das BGer eine Fremdwasserabtrennung sowie Verlegung und Ausdolung eines Baches schützte).

27. Im Hinblick auf die Verbesserung des Hochwasserschutzes bedürfen viele eingedolte Gewässer einer Kapazitätserhöhung. Diese darf gemäss Art. 4 WBG und Art. 38 Abs. 2 Bst. e GSchG nur ausnahmsweise durch einen Kapazitätsausbau mit Ersatz der Eindolung geschaffen werden. Der Kapazitätsausbau erfordert vielmehr im Grundsatz eine Freilegung (Maurer, Revitalisierung, 464 f.; vgl. auch Art. 38a GSchG).

28. In der parlamentarischen Beratung fand indessen Gehör, dass gewisse Eindolungen für die landwirtschaftliche Nutzung von grosser Bedeutung sind. Immer wieder komme es vor, dass bei der heutigen Bewirtschaftung der Grundstücke mit Maschinen, gerade wegen offener Gräben, vermehrt Unfälle entstünden. Offene Gräben seien oft auch schwere Hindernisse für die Weidenutzung und zudem unfallgefährlich für die Tiere. Durch Eindolungen von Wasseraufstössen in Hanglagen können und müssen immer wieder Erdrutsche verhindert werden, was absolut positiv zu werten sei (AB 1998 N 1076, Votum Schnider).

29. In einem Entscheid des Departementes Bau‑ und Umwelt des Kantons AR vom 17. Juni 2005 (in AR GVP 17/2005 Nr. 1428) wurde die Erheblichkeit bejaht, weil eine Offenlegung die streitbetroffene Parzelle, welche aufgrund der Hanglage, der relativen Kleinheit und Unförmigkeit des Grundstücks sowie einer Mulde bereits nicht optimal bewirtschaftet werden kann, in der Mitte zerschneiden würde. Dies hätte die ohnehin schon schwierige Bewirtschaftung noch zusätzlich erschwert. Das Gewässer war zudem von der Grösse und vom Einzugsgebiet her als eher klein zu betrachten, so dass die Interessen am naturnahen Wasserbau und somit die öffentlichen Interessen an der Offenlegung gesamthaft betrachtet die landwirtschaftlichen Interessen im konkreten Fall nicht zu überwiegen vermochten.

30. Erhebliche Nachteile können auch dann gegeben sein, wenn die Zufahrt zu einem landwirtschaftlichen Grundstück in Frage gestellt ist, zum Beispiel wenn ein Bewirtschaftungsweg zum Befahren mit landwirtschaftlichen Geräten verbreitert werden muss und eine Offenlegung des Baches dies hindern würde (vgl. Regierungsrat SZ, Entscheid vom 22. Februar 2011, in: EGV-SZ 2011, C. 1).

 

 

Résumé

L’art. 38 LEaux dispose que les cours d’eau ne doivent ni être couverts ni mis sous terre. Il s’agit d’un cas particulier d’endiguement ou de correction de l’art 37 LEaux. La notion de recouvrement doit être comprise dans un sens large. Cela comprend autant les recouvrements de places ou de routes ainsi que les courts recouvrements comme les ponts.

L’art. 38 LEaux n’impose aucune obligation d’assainissement ni de revitalisation. En revanche, cette obligation est prévue à l’art. 38a LEaux, ainsi que dans certaines législations cantonales. En dehors des exceptions de l’al. 2, les cours d’eau ne peuvent être couverts ou mise en terre. En conséquence, les législations cantonales prévoyant d’autres exceptions ne sont pas conformes au droit fédéral.

En vertu de l’al. 2, l’autorité doit peser les intérêts en présence. Elle doit notamment tenir compte des différentes possibilités et solutions envisageables ainsi que des intérêts agricoles, forestiers et d’aménagement des cours d’eau. En principe, une dérogation selon l’al. 2 n’est possible que si les intérêts d’un écoulement à l’air libre s’avèrent moins importants que ceux en faveur d’un recouvrement.

 

 

Literatur: Keller Peter M., Sanierung in Grundwasserschutzzonen, in: URP 2003, 534 ff. (zit. Sanierung); Saputelli Maja, Eindolung von Fliessgewässern, in: PBG aktuell 2008/3, 35 ff. (zit. Eindolung).

Fritzsche Christoph​

 

Revitalisierung von Gewässern

1             Die Kantone sorgen für die Revitalisierung von Gewässern. Sie berücksichtigen dabei den Nutzen für die Natur und die Landschaft sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich aus der Revitalisierung ergeben.

2             Sie planen die Revitalisierungen und legen den Zeitplan dafür fest. Sie sorgen dafür, dass diese Planung bei der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt wird. Für einen Verlust an Fruchtfolgeflächen ist nach den Vorgaben der Sachplanung des Bundes nach Artikel 13 des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 1979 Ersatz zu leisten.

Revitalisation des eaux

1             Les cantons veillent à revitaliser les eaux. Ils tiennent compte des bénéfices de ces interventions pour la nature et le paysage, ainsi que de leurs répercussions économiques.

2             Les cantons planifient les revitalisations et en établissent le calendrier. Ils veillent à ce que les plans directeurs et les plans d’affectation prennent en compte cette planification. La disparition de surfaces d’assolement est compensée conformément aux plans sectoriels de la Confédération visés à l’art. 13 de la loi du 22 juin 1979 sur l’aménagement du territoire.

Rivitalizzazione delle acque

1             I Cantoni provvedono alla rivitalizzazione delle acque. Tengono conto dei benefici della stessa per la natura e il paesaggio, nonché delle sue conseguenze economiche.

2             I Cantoni pianificano le rivitalizzazioni e ne stabiliscono lo scadenzario. Provvedono affinché tale pianificazione sia presa in considerazione nei piani direttori e di utilizzazione. La perdita di superfici per l’avvicendamento delle colture va compensata secondo quanto previsto nei piani settoriali della Confederazione di cui all’articolo 13 della legge del 22 giugno 1979 sulla pianificazione del territorio.

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Zum Begriff und Ziel der Revitalisierung 4
III. Kommentierung 10
A. Geltungsbereich und Abgrenzungen 10
B. Gewässerrevitalisierung durch die Kantone (Abs. 1) 15
1. Aufgaben der Kantone (Satz 1) 15
2. ​Zu berücksichtigende Gesichtspunkte (Satz 2) 16
​3. ​Gebot der Interessenabwägung 19
​C ​Planung der Gewässerrevitalisierung (Abs. 2, Satz 1, 1. Hälfte) 21
​1. Erarbeitung von Grundlagen 21
​2. ​​Festlegung von Prioritäten und Zeitplan (Abs. 2, Satz 1, 2. Hälfte) 29
​3. Berücksichtigung in der Richt‑ und Nutzungsplanung (Abs. 2, Satz 2) 36
​4. ​Ersatz für den Verlust an Fruchtfolgeflächen (Abs. 2, Satz 3) 38
​D ​Hinweis auf enteignungsrechtliche Massnahmen 41

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 38a GSchG wurde im Rahmen der Gesetzesrevision 2011 in das Gesetz aufgenommen (vgl. Komm. zu Vor Art. 36a GSchG N 1 ff.).

Vorher bestand eine bundesrechtliche Pflicht zu eigenständigen Revitalisierungen nur in Art. 21 Abs. 2 NHG, allerdings beschränkt auf die Ufervegetation (Maurer, Revitalisierung, 450 f.). Art. 7 Abs. 2 BGF verpflichtet die Kantone lediglich, nach Möglichkeit Massnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Wassertiere sowie zur lokalen Wiederherstellung zerstörter Lebensräume zu ergreifen. Der ebenfalls bereits vorbestandene Art. 37 GSchG findet ausschliesslich Anwendung bei der Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern und verlangt in Abs. 2, dass der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden muss.

2. Einzelne Kantone sehen die Möglichkeit von eigenständigen Revitalisierungen schon seit Längerem gesetzlich vor (vgl. Näheres bei Maurer, Revitalisierung, 441 ff., 452 f.).

3. Mit dem neuen Art. 38a GSchG, der einen verpflichtenden Auftrag an die Kantone vorsieht, sollen Revitalisierungen weiter gefördert werden.

II.           Zum Begriff und Ziel der Revitalisierung

4. Gemäss Art. 38a Abs. 1 GSchG sorgen die Kantone für die «Revitalisierung» von Gewässern. Sie sind zuständig für die Planung der Revitalisierungen (Abs. 2). Ziel dieser mit der GSchG-Revision 2011 neu eingeführten Norm ist die Beschleunigung der Revitalisierungen von Gewässern.

5. Revitalisierung ist die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen (Art. 4 Bst. m GSchG; neu eingefügt mit Änderung vom 11. Dezember 2009).

6. Derartige Revitalisierungen stellen eine ökologische und landschaftliche Aufwertung der Gewässer und deren Gewässerräume dar. Massnahmen zur Revitalisierung sind insbesondere die Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs und die naturnahe Gestaltung von Gewässern und Gewässerräumen.

7. Der Begriff der Revitalisierung ist von jenem der Renaturierung zu unterscheiden. Letzterer ist ein Oberbegriff, welcher neben der Revitalisierung von Gewässern auch die Verminderung von schädlichen Einwirkungen von Schwall und Sunk unterhalb von Wasserkraftwerken (Art. 39a GSchG), Massnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts und zur Verbesserung der Fischgängigkeit gemäss Art. 43a GSchG und Art. 10 BGF sowie die Sanierungen von ungenügenden Restwassermengen umfasst (Art. 31 ff GSchG; Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8059).

8. Mit Revitalisierungen sollen naturnahe Fliessgewässer mit typspezifischer Eigendynamik (Morphologie, Abfluss‑ und Geschieberegime) sowie naturnahe Stillgewässer (Uferbereiche) wiederhergestellt werden. Die Gewässer sollen von naturnahen, standorttypischen Lebensgemeinschaften in sich selbst reproduzierenden Populationen besiedelt werden, die Fähigkeit zur Selbstregulation und Resilienz (Erholung nach externen Störungen) aufweisen und untereinander vernetzt sein. Damit sollen die Gewässer langfristig Ökosystemfunktionen (sauberes Wasser, Anreicherung Grundwasser, Lebensraum für Flora und Fauna, Erholungsraum, etc.) erfüllen können. Zudem soll sichergestellt werden, dass Gewässer naturnahe, prägende Elemente der Landschaft bilden (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5 f.).

9. Art. 38a GSchG beschränkt sich auf Grundsätze. Die Kantone «sorgen» für die Revitalisierung von Gewässern. Abs. 2 enthält die Verpflichtung der Kantone zur Planung von Revitalisierungen, was in Art. 41d GSchV konkretisiert wird. Die Gewährung von Bundesbeiträgen für die Revitalisierungen regeln Art. 62b GSchG sowie, ausführend, Art. 54ab und 58 GSchV (vgl. Komm. zu Art. 62b GSchG N 3 ff.). Vgl. zur Höhe der Abgeltungen auch ÜbgBest. Abs. 3 GSchV (zu 54b Abs. 1 GSchV).

III.        Kommentierung

A.           Geltungsbereich und Abgrenzungen

10. Zu revitalisieren sind «Gewässer». Einschränkungen finden sich in Art. 38a GSchG nicht. Diese ergeben sich indessen aus Art. 4 Bst. m GSchG, wo der Begriff der Revitalisierung umschrieben ist (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 77). Demzufolge bezieht sich die Revitalisierungspflicht primär auf Fliessgewässer, die verbaut oder korrigiert worden sind. Oberirdische Fliessgewässer sind auch die überdeckten oder eingedolten Fliessgewässer. Die Revitalisierungspflicht bezieht sich ebenso auf diese.

11. Nicht unter die Revitalisierungspflicht fallen demgegenüber unterirdische Gewässer im Sinne von Art. 4 Bst. b GSchG (Grundwasser, Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht), da sie von der Definition der Revitalisierung ausgenommen sind (Art. 4 Bst. m GSchG).

12. Auch stehende Gewässer müssen revitalisiert werden, soweit sie verbaut oder korrigiert worden sind. Weder Art. 4 Bst. m GSchG noch Art. 38a GSchG schränken die Pflicht auf Fliessgewässer ein. Darin besteht ein Unterschied zu Art. 37 GSchG (Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern) und Art. 38 GSchG (Überdecken oder Eindolen von Fliessgewässern) (vgl. dazu BAFU, Revitalisierungen stehende Gewässer).

13. Art. 38a GSchG ist demzufolge abzugrenzen: Einerseits von Art. 37 GSchG, welche Bestimmung die Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern einschränkt und unter anderem gebietet, dass bei derartigen Massnahmen der natürliche Verlauf des Gewässers «möglichst» beibehalten oder wiederhergestellt wird. Mit der Relativierung durch den Ausdruck «möglichst» geht die Bestimmung inhaltlich weniger weit als Art. 38a GSchG, welcher eine unabdingbare Verpflichtung zur Revitalisierung enthält. Sodann ist der Anwendungsbereich von Art. 37 GSchG auch deshalb zusätzlich eingeschränkt, weil die dort festgelegte Revitalisierungspflicht nur und erst dann zum Tragen kommt, wenn der Zustand eines bereits verbauten oder korrigierten Fliessgewässers verbessert wird (Art. 37 Abs. 1 Bst. c GSchG) und dann die Anforderungen von Art. 37 Abs. 2 GSchG zu erfüllen sind.

14. Art. 38a ist aber auch von Art. 38 GSchG abzugrenzen, wonach das Überdecken oder Eindolen von Fliessgewässern, von Ausnahmen abgesehen, verboten sind. Diese Bestimmung enthält keine positive Leistungspflicht hinsichtlich einer Revitalisierung. Diese ist aber in Art. 38a GSchG enthalten, wonach die Kantone (unabhängig von Veränderungen an den Gewässern nach Art. 37 und 38 GSchG) für die Revitaliserung von Gewässern zu sorgen und hierfür einen Zeitplan festzulegen haben.

B.            Gewässerrevitalisierung durch die Kantone (Abs. 1)

1.             Aufgaben der Kantone (Satz 1)

15. Gemäss Abs. 1 «sorgen» die Kantone für die Revitalisierung der Ge­wässer. Sie müssen also die Aufgabe der Gewässerrevitalisierung nicht selbst besorgen, sondern können diese auch an die Gemeinden abtreten oder mit den Gemeinden gemeinsame Lösungen treffen.

2.             Zu berücksichtigende Gesichtspunkte (Satz 2)

16. Die Kantone berücksichtigen bei der Revitalisierung den Nutzen für die Natur und Landschaft sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich aus der Revitalisierung ergeben (Art. 38a Abs. 1 Satz 2 GSchG). Der Nutzen einer Revitalisierung und deren wirtschaftliche Folgen müssen dabei in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Dadurch wird die Renaturierungspflicht entsprechend den gesetzgeberischen Absichten erheblich relativiert: Stark verbaute Gewässerabschnitte, deren Revitalisierung unverhältnismässige Kosten im Vergleich zum ökologischen und landschaftlichen Nutzen generieren würde, müssen somit nicht revitalisiert werden (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8060).

17. Daher beschränkt sich das Revitalisierungsgebot auf die wichtigsten 4’000 km der insgesamt 15’000 km verbauten und eingeengten Gewässer. Absicht ist, durch diese planerische Priorisierung ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und tiefere Gesamtinvestitionen zu erreichen (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8051; Stellungnahme BR Schutz und Nutzung, 8081).

18. Die Priorisierung ist von den Kantonen vorzunehmen. Der Bund hat gewisse Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen der Subventionierung, die den Grundsätzen der NFA entspricht (vgl. Komm. zu Art. 62b GSchG N 5 ff.), indem Projekte mit hohem ökologischen Nutzen im Vergleich zu Projekten mit geringerer Wirksamkeit stärker gefördert werden. Dadurch haben die Kantone ein Interesse, möglichst wirksame Revitalisierungsprojekte durchzuführen.

3.             Gebot der Interessenabwägung

Im Allgemeinen

19. Die Kantone haben nicht nur bei der Festlegung ihrer Prioritätenordnung, sondern auch bezüglich der zu ergreifenden Massnahmen einen erheblichen Ermessensspielraum. Grenzen sind der Hochwasserschutz und der Schutz des Grundwassers, welche nicht beeinträchtigt werden dürfen (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8060; vgl. zur Interessenabwägung Komm. zu Vor Art. 36a GSchG N 26 ff.).

Zur Beseitigung von Ufervegetation

2. Nach Art. 22 Abs. 2 NHG kann die zuständige kantonale Behörde die Beseitigung der Ufervegetation in den durch die Wasserbaupolizei‑ oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen für standortgebundene Vorhaben bewilligen. Durch den Verweis auf das Gewässerschutzrecht kann unter anderem auch die Revitalisierung von Gewässern eine Beseitigung von Ufervegetation rechtfertigen (Schaub, Ufervegetation, 23, auch zum Folgenden). Es ist durchaus denkbar, dass im Zuge einer Gewässer-Revitalisierung Ufervegetation beseitigt und – an gleicher oder anderer Stelle, auf einer gleich grossen oder grösseren Fläche (vgl. Art. 18 Abs. 1ter NHG) – ersetzt werden soll. In solchen Fällen kommt gestützt auf Art. 22 Abs. 2 NHG in Verbindung mit Art. 38a GSchG die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Beseitigung von Ufervegetation in Betracht. Gleiches gilt, wenn man das Projekt als Wiederherstellung des möglichst natürlichen Verlaufs eines Fliessgewässers im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 GSchG qualifiziert (BGer 1C_544/2013 vom 24. Oktober 2013, E. 3.3, zusammengefasst in: URP 2014, 76).

C.           Planung der Gewässerrevitalisierung (Abs. 2, Satz 1, 1. Hälfte)

1.             Erarbeitung von Grundlagen

Überblick

21. Um die in Abs. 1 formulierten Ziele langfristig zu erreichen, planen die Kantone die Revitalisierungen. Das wird in Art. 41d GSchV konkretisiert. Gemäss Abs. 1 der Bestimmung erstellen die Kantone vorerst die Grundlagen. Diese enthalten «insbesondere» Angaben über den ökomorphologischen Zustand der Gewässer, die Anlagen im Gewässerraum sowie das ökologische Potenzial und die landschaftliche Bedeutung der Gewässer.

22. Den Planungen soll also ein schlüssiges Konzept zu Grunde liegen, mit dem die langfristigen Ziele erreicht werden können. Erst in einem zweiten Schritt ist gemäss Art. 41d GSchV in einer Prioritätenordnung nach vorgegebenen Kriterien festzulegen, wo Revitalisierungen in erster Linie durchzuführen sind.

23. Die Planung orientiert sich an den hydrologischen Einzugsgebieten und soll nicht auf einzelne Gewässer(abschnitte) beschränkt bleiben, sondern flächendeckend über das Kantonsgebiet erfolgen.

24. Das BAFU hat ein Hilfsmittel zur strategischen Planung von Revitalisierung publiziert (BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer).

Erhebung des ökomorphologischen Zustandes

25. Als Grundlage für die Daten über den ökomorphologischen Zustand der Fliessgewässer dienen die Erhebungen mit der Methode «Ökomorphologie Stufe F» des Modul-Stufen-Konzepts (einschliesslich der Erhebung von Durchgängigkeitsstörungen), die in der Schweiz nahezu flächendeckend vorliegen. Neben dem ökomorphologischen Zustand können für Fliessgewässer auch andere vorhandene Daten berücksichtigt werden, z.B. Informationen über hydrologische Beeinträchtigungen (Wasserentnahmen, Schwall-Sunk). Für stehende Gewässer liegt zurzeit noch keine schweizweit standardisierte Methode zur Beurteilung der Morphologie vor, eine solche ist in Erarbeitung (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 17).

Anlagen im Gewässerraum

26. Als Anlagen im Gewässerraum sind beispielsweise Gebäude, Industrieflächen, Strassen und Eisenbahnlinien, Leitungen (z.B. Elektrizität, Gas, Wasser, Abwasser) oder Grundwasserfassungen mit Grundwasserschutzzonen zu berücksichtigen. Mit der Berücksichtigung von Grundwasserfassungen bzw. ‑schutzzonen wird auch der Bedeutung der Gewässer für die Grundwasserneubildung Rechnung getragen. Die Anlagen im Gewässerraum sind so detailliert zu erfassen, dass deren wirtschaftliche Bedeutung ersichtlich wird. Da der Gewässerraum zum Zeitpunkt der Planung noch nicht definitiv festgelegt ist, sind die Anlagen im unmittelbaren Umfeld des Gewässers zu erfassen, der ungefähr dem zukünftigen Gewässerraum entspricht (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 18).

Ökologisches Potenzial und landschaftliche Bedeutung

27.Für die Bestimmung des ökologischen Potenzials eines Gewässers bzw. eines Gewässerabschnitts ist auf Art. 33a GSchV im Kapitel über die Sicherung angemessener Restwassermengen zurückzugreifen. Danach sind (abschliessend) zu berücksichtigen die ökologische Bedeutung des Gewässers im heutigen Zustand sowie die mögliche ökologische Bedeutung des Gewässers im Zustand, in dem die von Menschen verursachten Beeinträchtigungen soweit beseitigt sind, als dies mit verhältnismässigen Kosten machbar ist (vgl. im Detail BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 27).

28. Für die Beurteilung der landschaftlichen Bedeutung ist abzustellen auf: nationale und kantonale Inventare des Natur‑ und Landschaftsschutzrechts, Lebensräume gefährdeter oder prioritärer Arten (z.B. Seeforellen, Nasen, Arten der Roten Listen), Gewässer(abschnitte) mit Voraussetzung für eigendynamische Entwicklung (unbeeinträchtigtes Abfluss‑ und Geschieberegime), Lage im Gewässersystem (benachbarte Gewässerabschnitte, Mündungen), Pärke von nationaler Bedeutung sowie landschaftsprägende Gewässer (vgl. im Detail BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 27).

2.             Festlegung von Prioritäten und Zeitplan (Abs. 2, Satz 1, 2. Hälfte)

Zeitplan für die Umsetzung der Massnahmen

29. Nach Abs. 2 legen die Kantone für die Revitalisierungen einen Zeitplan fest. Das wird in Art. 41d Abs. 2 Satz 1 GSchV konkretisiert: Die Kantone legen in ihrer Planung für einen Zeitraum von 20 Jahren die zu revitalisierenden Gewässerabschnitte, die Art der Revitalisierungsmassnahmen und die Fristen fest, innert welcher die Massnahmen umgesetzt werden. Ziel ist, langfristig – d.h. innerhalb von etwa drei Generationen – bei prioritär zu revitalisierenden Gewässern die natürlichen Funktionen wiederherzustellen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5).

30. Nach Art. 41d Abs. 2 Satz 2 GSchV sind Revitalisierungen vorrangig vorzusehen, wenn deren Nutzen für die Natur und die Landschaft (Bst. a) oder im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand (Bst. b) gross ist, oder wenn deren Nutzen durch das Zusammenwirken mit anderen Massnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensräume oder zum Schutz vor Hochwasser vergrössert wird (Bst. c) (vgl. im Detail BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 18).

Abstimmung der Planungen

31. Planungen sind soweit erforderlich mit den Nachbarkantonen abzustimmen (Art. 41d Abs. 2 GSchV). Die Bestimmung wiederholt den in Art. 46 GSchV enthaltenen allgemeinen Koordinationsgrundsatz, welcher für alle Massnahmen nach der GSchV gilt und nicht nur eine Abstimmung mit andern Kantonen, sondern auch mit «Massnahmen in anderen Bereichen» gebietet, die sich auf die Gewässer und die von ihnen abhängigen Lebensräume auswirken (vgl. Komm. zu Vor Art. 36a GSchG N 20 ff.).

Fristen für die Verabschiedung und Erneuerung der Planung

32. Die Kantone hatten die Planung für Fliessgewässer bis zum 31. Dezember 2014 zu verabschieden. Für stehende Gewässer gilt eine Frist bis zum 31. Dezember 2018. Die Kantone hatten bzw. haben ihre Planungen dem BAFU jeweils ein Jahr vor deren Verabschiedung zur Stellungnahme zu unterbreiten (Art. 41d Abs. 3 GSchV). Die längere Frist für stehende Gewässer liegt darin begründet, das für diese zurzeit noch keine schweizweit standardisierte Methode zur Beurteilung der Morphologie vorliegt; eine solche ist in Erarbeitung (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 17). Per 1. Januar 2016 wurde die Frist für stehende Gewässer bis zum 31. Dezember 2022 verlängert (Ziff. 4 VO Anpassungen 2015).

33. Angesichts der kurzen Fristen ist die Planung der Revitalisierungen eine Übersichtsplanung. Insbesondere für die Planung der Revitalisierung von Fliessgewässern muss die Planung eine angepasste Flughöhe aufweisen (keine zu detaillierte Planung, keine parzellenscharfe Projektplanung von konkreten Revitalisierungsmassnahmen; BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 5 f.).

34. Die Revitalisierungsplanung ist alle 12 Jahre für einen Zeitraum von 20 Jahren zu erneuern und dem BAFU zu unterbreiten (Art. 41d Abs. 4 GSchV).

Dokumentation

35. Die Kantone dokumentieren die Ergebnisse der Planung in Form eines Berichts und zeichnen auf Karten den ökomorphologischen Zustand der Gewässer gemäss Ökomorphologie Stufe F des schweizerischen Modul-Stufen Konzepts, den Nutzen für Natur und Landschaft im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand und die letztlich resultierende zeitliche Priorität gemäss den Kriterien von Art. 41d Abs. 2 GSchV ein. Die Ergebnisse der Planung, insbesondere der Nutzen der Revitalisierungen für Natur und Landschaft im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand, wirken sich auf die Höhe der Abgeltungen für die Massnahmen aus (vgl. Art. 54b GSchV).

3.             Berücksichtigung in der Richt‑ und Nutzungsplanung (Abs. 2, Satz 2)

36. Die Kantone sorgen dafür, dass die Planung der Revitalisierungen in der Richt‑ und Nutzungsplanung berücksichtigt wird (Art. 38a Abs. 2 GSchG). Diese Bestimmung konkretisiert (wie auch Art. 36a Abs. 3 GSchG) die aus der raumwirksamen Tätigkeit fliessenden Gebote für den Bereich der Revitalisierungsplanung. Damit werden die Revitalisierungen auch raumplanerisch gesichert. Es werden die raumplanerischen Voraussetzungen für eine Revitalisierung frühzeitig geschaffen (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8060).

37. Das bedingt die Berücksichtigung nicht nur bei der Richtplanung und der Rahmennutzungsplanung, sondern auch bei der Sondernutzungsplanung (Sonderbauvorschriften, Gestaltungspläne usw.). Die Revitalisierungsplanung darf nicht durch die Ausweisung von Baubereichen präjudiziert werden. Es müssen genügend grosse unüberbaute Flächen für die künftige Offenlegung des Bachs, seine Ufer und seinen Gewässerraum frei bleiben (so schon BGer 1A.62/1998 vom 15. Dezember 1998, E. 3e und 4, in: ZBl 101/2000, 323; URP 2000, 648; BGer 1C_164/2012 vom 30. Januar 2013, E. 8, in: URP 2013, 113; Verwaltungsgericht GR, Urteil vom 11. November 2013 [R 11 52A], E. 8.4.1; Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 968 mit Fn. 94).

4.             Ersatz für den Verlust an Fruchtfolgeflächen (Abs. 2, Satz 3)

38. Für einen Verlust an Fruchtfolgeflächen ist nach den Vorgaben der Sachplanung des Bundes nach Art. 13 RPG Ersatz zu schaffen. Gegenstand der in Art. 13 RPG geregelten Sachplanung des Bundes ist u.a. der Sachplan FFF, welcher für jeden Kanton die zu gewährleistenden FFF ausweist. Gemäss Art. 30 Abs. 1 und 2 RPV haben die Kantone dafür zu sorgen, dass die Fruchtfolgeflächen den Landwirtschaftszonen zugeteilt werden; sie zeigen in ihren Richtplänen die dazu erforderlichen Massnahmen. Sie stellen sicher, dass ihr Anteil am Mindestumfang der Fruchtfolgeflächen dauernd erhalten bleibt.

39. Nach Auffassung des Bundesrats (Stellungnahme BR Schutz und Nutzung, 8081) würden für die Ausweitung der Gewässersohlen im Rahmen von Revitalisierungen insgesamt ca. 2’000 ha Landwirtschaftsland beansprucht (jährlich etwa 30 ha). Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese geringen Flächen dort, wo sie gemäss Sachplan FFF den Fruchtfolgeflächen zugeordnet sind, kompensiert oder, wenn dies nicht möglich ist, aus dem Sachplan entlassen werden müssen. Auch Maurer (Revitalisierung, 441 ff., 456) ist wohl zu Recht der Auffassung, dass der Konflikt zwischen FFF und Revitalisierungen schlicht nicht ins Gewicht fällt.

40. Die Kompensation erfolgt i.d.R. losgelöst vom konkreten Projektverfahren (ARE, Rundschreiben FFF, 10). Grund dafür ist nach Auffassung des BAFU, dass durch die Kompensationspflicht das Revitalisierungsvorhaben nicht behindert werden soll. Das BGer hat dieses Vorgehen jedenfalls bei einem kleinflächigen Vorhaben, dessen Kompensation keine Schwierigkeiten bereiten dürfte, als zulässig erachtet (BGer 1C_255/2013 vom 24. Juni 2013, E. 4.3.3; vgl. Komm. zu Art. 36a N 151 ff.).

D.           Hinweis auf enteignungsrechtliche Massnahmen

41. Soweit zum Erreichen des Schutzziels ein Landerwerb nötig ist, räumt das Umweltrecht den Behörden auf breiter Basis die Möglichkeit der Enteignung ein, z.B. mit Art. 18c Abs. 4 NHG über Landerwerb zum Schutz von Biotopen (Fahrländer, Kommentar NHG, Art. 18c N 31 ff.) oder Art. 68 GSchG über Landumlegung, Enteignung und Besitz i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Bst. b GSchG zum Erwerb der erforderlichen dinglichen Rechte zur Schaffung von Gewässerschutzzonen (Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung bis 2002, 24 f., Fn. 73 zu Art. 20 Abs. 2 Bst. b GSchG und 63 zu Art. 68 GSchG).

42. Die Kantone können aber als mildere Variante zur Enteignung ein Landumlegungsverfahren durchführen (Art. 68 GSchG). Diese Bestimmung ist insbesondere auch im Zusammenhang mit der Revitalisierung von Gewässern von besonderer Bedeutung (Keller, Vollzug, 415).

 

Résumé

L’art. 38a LEaux règle la revitalisation des eaux. Selon l’art. 4 let. m LEaux, la revitalisation est le «rétablissement, par des travaux de construction, des fonctions naturelles d’eaux superficielles endiguées, corrigées, couvertes ou mises sous terre». La disposition vise les eaux superficielles, ainsi que les eaux recouvertes mais non les eaux souterraines au sens de l’art. 4 let. b LEaux.

L’art. 38a al. 1 LEaux oblige les cantons à revitaliser les eaux en tenant compte des bénéfices de ces interventions pour la nature et le paysage, ainsi que de leurs répercussions économiques. Ils peuvent aussi déléguer cette tâche aux communes. Bien que les cantons disposent d’un pouvoir d’appréciation considérable, ils doivent toutefois respecter les dispositions relatives à la protection contre les crues, ainsi que celles concernant la protection des eaux souterraines. Les cantons ont également l’obligation de planifier les revitalisations selon les principes établis à l’art. 41d OEaux. Ils doivent commencer par réunir les données de base nécessaires à la planification, en particulier celles sur l’état écomorphologique des eaux, les installations sises dans l’espace réservé aux eaux ainsi que sur le potentiel écologique des eaux (art. 33OEaux) et leur importance pour le paysage (art. 41d al. 1 OEaux). Ils doivent ensuite sur la base de ces données, fixer les priorités selon l’art. 41d al. 2 OEaux et établir un calendrier qui doit être adopté jusqu’au 31 décembre 2014 pour les cours d’eau et jusqu’au 31 décembre 2018 pour les étendues après avoir été soumis pour avis à l’OFEV (art. 41d al. 3 OEaux). Ils coordonnent le cas échéant leur planification avec les cantons voisins (art. 41d al. 2 OEaux). Cette planification est à mettre à jour tous les douze ans pour une période de 20 ans (art. 41d al. 4 OEaux).

Selon l’al. 2 du présent article, les cantons doivent veiller à ce que les plans directeurs et les plans d’affectation prennent en compte cette planification (art. 38al. 2 LEaux). Enfin, la disparition de surfaces d’assolement est compensée conformément aux plans sectoriels de la Confédération (cf. art. 13 LAT). L’art. 30 al. 1 et 2 OAT précise que les cantons doivent s’assurer à ce que les surfaces d’assolement soient classées en zones agricoles.

Literatur: Keller Peter M., Elemente eines wirksamen Vollzugs des Umweltrechts, in: URP 2011, 397 ff. (zit. Vollzug); Schaub Christoph, Ufervegetation gemäss NHG – Abgrenzungsfragen betreffend Begriff und Schutz, in: URP 2015, 3 ff. (zit. Ufervegetation).

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), Umgang mit den Fruchtfolgeflächen im Gewässerraum, Rundschreiben vom 4. Mai 2011, Ittigen 2011 (zit. Rundschreiben FFF); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Revitalisierungen von stehenden Gewässern, <http://www.bafu.admin.ch/gewaesserschutz/04856/11407/11456/?lang=de>, 29.8.2011 (zit. Revitalisierungen stehende Gewässer).

Salibian Kolly Karine

 

Introduction de substances solides dans les lacs

1         Il est interdit d’introduire des substances solides dans les lacs, même si elles ne sont pas de nature à polluer l’eau.

2         L’autorité cantonale peut autoriser le remblayage:

a.       pour des constructions qui ne peuvent être érigées en un autre lieu et qui sont situées dans une zone bâtie, lorsque des intérêts publics prépondérants l’exigent et que l’objectif visé ne peut pas être atteint autrement;

b.       s’il permet une amélioration du rivage.

3         Les remblayages doivent être réalisés le plus naturellement possible; la végétation riveraine détruite doit être remplacée.

Einbringen fester Stoffe in Seen

1         Es ist untersagt, feste Stoffe in Seen einzubringen, auch wenn sie Wasser nicht verunreinigen können.

2         Die kantonale Behörde kann Schüttungen bewilligen:

a.       für standortgebundene Bauten in überbauten Gebieten, wenn überwiegende öffentliche Interessen eine Schüttung erfordern und sich der angestrebte Zweck anders nicht erreichen lässt;

b.       wenn dadurch eine Flachwasserzone verbessert werden kann.

3         Die Schüttungen sind so natürlich wie möglich zu gestalten, und zerstörte Ufervegetation ist zu ersetzen.

Introduzione di sostanze solide nei laghi

1             È vietato introdurre sostanze solide nei laghi, anche se non possono inquinare l’acqua.

2         L’autorità cantonale può autorizzare il riporto:

a.       per costruzioni ad ubicazione vincolata in zone edificate, se interessi pubblici preponderanti lo esigono e se lo scopo perseguito non può essere raggiunto altrimenti;

b.       se il riporto consente il risanamento di una zona d’acqua stagnante.

3         I riporti devono essere sistemati nel modo più naturale possibile e la vegetazione ripuale distrutta deve essere sostituita.

 

Table des matières

Historique 1
II.  ​ Remarques générales 14
III. Commentaire 20
A. Interdiction d’introduire des substances solides dans les lacs (al. 1) 20
B. Autorisation de remblayage (al. 2) 26
1. Art. 39 al. 2 let. a LEaux 30
2. L’autorisation fondée sur l’art. 39 al. 2 let. b LEaux 77
C. Conditions de remblayage (al. 3) 80
​D. ​Conclusion 96

 

I.              Historique

1. Il y a 6’000 ans, les rives des lacs en Europe ont été colonisées. Des villages lacustres sur pilotis ont été construits et leurs vestiges sont aujourd’hui les témoignages de cette colonisation. Par la suite, l’Antiquité et le Moyen-Age ont construit des bourgs qui se sont transformés aujourd’hui en agglomérations.

2. Au XXe siècle, les bords des lacs servaient à l’activité économique, à savoir aux fermes, moulins, fours à chaux ou à plâtre, aux tuileries, aux scieries qui utilisaient l’énergie hydraulique des affluents et de la voie lacustre pour les transports.

3. A la fin du XXe siècle, les paysages lacustres et les lacs sont devenus des aires de délassement très prisées par l’aristocratie. Des quais sont construits en bord des lacs pour permettre les promenades dominicales de la classe bourgeoise et les rives sont peu à peu domestiquées.

4. L’avènement des congés payés et le développement des loisirs ont conduit à une plus forte pression humaine sur les rives, à laquelle il faut encore ajouter la forte croissance démographique de ces dernières décennies. Des ports de plaisance, des maisons de maître, des quais destinés à la promenade, des infrastructures routières, des équipements de loisirs ou des espaces de détente ont progressivement privatisé les rives lacustres laissant de moins en moins de place aux milieux naturels.

5. Le remblayage et l’endiguement des cours d’eau et des lacs ont été largement pratiqués et ont même occupé les soldats revenus de la guerre dans les années 30 à 60. La LEaux 1971 ne prévoyait rien sur les remblayages des lacs ou l’endiguement des cours d’eau.

6. Une étude réalisée en 2006 sur la mise en réseau écologique lémanique a démontré que, pour le lac Léman, sur un linéaire de 200 km plus de 60 % des rives sont artificielles (maison, route, etc.), emmurées ou enrochées, et seules 26 % sont encore proches d’un état naturel (plages, grèves, forêts, cordon littoral, etc.) (CIPEL, Rives du Léman, 5).

7. Une autre étude réalisée sur le lac de Constance a montré que 47 % du rivage étaient endigués. Sur le lac de Zürich, dont les rives comptent parmi les plus construites en Suisse, plus de 80 % du rivage sont très atteints (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5241).

8. Les lacs ont toujours représenté un lieu de villégiature, extrêmement apprécié des populations locales et désormais des populations touristiques. Avec les années, outre les activités liées au développement urbain, les loisirs et le tourisme ont transformé les rives en des zones mixtes, destinées au repos, aux activités sportives et aux activités économiques diverses.

9. Dans les années 1970, avec le développement du trafic routier et l’aménagement de tunnels, plusieurs lacs suisses, comme le lac d’Uri ou celui des Quatre-Cantons, ont fait l’objet de remblayages massifs.

10. Ce n’est qu’à la fin des années 80 que l’on prit conscience de l’impérieuse nécessité de protéger les rives des lacs, souvent remblayées, faisant perdre aux eaux ses fonctions d’espace vital à la faune et à la flore, les empêchant de jouer un rôle de trait d’union entre les divers éléments du régime hydrique et de contribuer à une qualité des paysages.

11. Toutefois, cette utilisation de l’eau à des fins de loisirs est encore peu marquée dans l’esprit du législateur lors de l’adoption de la LEaux. En effet, une lecture de la LEaux montre qu’elle comporte des prescriptions relatives à la protection des eaux contre les atteintes susceptibles de lui nuire par des écoulements, constructions, prélèvements ou déversements et les seules utilisations de l’eau qu’elle réglemente sont celles relatives à des fins économiques. La seule disposition relative à l’utilisation de l’eau à des fins de loisirs est l’art. 1 let. g LEaux, mais aucune disposition d’application ne concrétise ce but. Il s’agira de rappeler que les eaux constituent aussi un lieu de détente pour la population mais que ces lieux ne doivent pas nécessairement s’accompagner de constructions.

12. Selon le message du Conseil fédéral, l’art. 39 LEaux «doit notamment avoir pour objet la protection de la fange de rivage baigné par les eaux d’un lac. Les propriétés particulières de cette zone (oxygénation optimale, importants écarts de température, bonne photosynthèse, forte action des vagues et croissance des plantes) permettent la dégradation de la plus grande partie des apports naturels ou artificiels de polluants. En d’autres termes, il s’agit là de la zone d’épuration du lac. Elle abrite en outre la majeure partie du monde animal ou végétal du lac. Le cas échéant, c’est là qu’ont lieu les échanges avec une nappe phréatique» (Message LEaux 1987, 1166).

13. C’est donc au début des années 1990 que le Conseil fédéral donne enfin de l’importance à la zone littorale des lacs, en précisant que les lacs ne sauraient être «utilisés comme une aire de décharge» (Message LEaux 1987, 1167).

 

II.           Remarques générales

14. L’art. 39 LEaux reprend le principe de base énoncé à l’art. 6 de la même loi, à savoir l’interdiction d’introduire dans une eau des substances de nature à la polluer.

15. L’art. 6 LEaux vise à protéger les eaux contre des pollutions alors que l’art. 39 LEaux vise à limiter quantitativement les substances (non polluées) à introduire dans les lacs.

16. Cette disposition légale a fait l’objet d’une directive de l’OFEFP (OFEFP, Matériaux d’excavation), qui constitue une aide technique pour la planification et la réalisation des remblayages autorisés par la loi.

17. Le remblayage n’est toutefois pas totalement interdit puisque le législateur fédéral permet aux autorités cantonales de l’autoriser à certaines conditions, telles que l’exigence d’une construction qui ne peut être érigée ailleurs, qui répond à un intérêt public prépondérant ou encore si cette construction permet d’améliorer le rivage.

18. Ces conditions sont cependant assez floues; la jurisprudence et la doctrine ont essayé de les préciser et de les restreindre au fur et à mesure du temps.

19. La compétence législative de la Confédération s’est donc limitée à énoncer les principes nécessaires à la conservation des eaux dans l’intérêt général et a laissé aux cantons une marge de manœuvre assez large pour interpréter les conditions permettant un remblayage des lacs.

 

 

III.        Commentaire

A.           Interdiction d’introduire des substances solides dans les lacs (al. 1)

20. L’al. 1 pose le principe général d’interdiction de tout remblayage dans les lacs, même si les substances solides qu’on souhaite introduire ne sont pas de nature à polluer l’eau.

21. Selon la directive précitée de l’OFEV, il s’agit «d’une prescription quantitative selon laquelle les lacs ne doivent pas être assimilés à des décharges et les processus naturels d’atterrissement ne doivent pas être accélérés artificiellement. L’intégralité de la zone littorale, qui constitue la partie du lac la plus productive au plan biologique, doit également être garantie».

22. Dans son message, le Conseil fédéral rappelait qu’outre les prélèvements, d’autres interventions de l’homme ont parfois porté de graves préjudices à nos eaux. C’est ainsi que de nombreux ruisseaux et rivières ont fait l’objet de voûtages, de corrections, d’endiguements excessifs et que les rives des lacs ont été remblayées. Il craignait non seulement que les lacs ne soient considérés comme des aires de décharges mais redoutait également que les matériaux déposés dans le fond des lacs ne perturbent le jeu des courants et qu’en se désintégrant, ces remblais ne mettent en danger les frayères (Message LEaux 1987, 1167). D’après l’exécutif fédéral, toute intervention sur un écosystème lacustre est, d’une manière générale, susceptible de modifier son équilibre et agit directement ou indirectement sur les organismes et les processus biologiques.

23. Contrairement à l’art. 6 LEaux qui interdit de polluer directement ou indirectement les eaux et réprime tout risque concret de pollution, l’art. 39 al. 1 LEaux part du principe que toute immersion de matériaux solides dans un lac constitue une pollution. Une telle immersion de matériaux non pollués agirait directement ou indirectement sur les organismes et les processus biologiques existant dans le lac.

24. Pour l’essentiel, la LEaux tente avant tout d’éviter, dans la mesure du possible, des atteintes à la structure des cours d’eau et des lacs. Si cela n’est pas possible, il faut alors limiter ces atteintes au strict minimum et s’assurer que les interventions inévitables soient opérées avec modération et ménagement.

25. Il résulte de l’esprit de la LEaux que les déversements dans les lacs ne doivent être autorisés que dans des cas exceptionnels. Selon les juges genevois, «les conditions qui président à une telle autorisation ne sauraient être interprétées avec souplesse, mais doivent au contraire, lorsqu’elles s’appuient sur des notions juridiques indéterminées, être comprises dans un sens restrictif» (Tribunal administratif de première instance GE, Jugement du 28 juin 2013 [JTAPI/790/2013]).

B.            Autorisation de remblayage (al. 2)

26. L’alinéa 2 de l’art. 39 LEaux prévoit deux exceptions à cette interdiction de principe, pour lesquelles l’autorité cantonale peut autoriser le remblayage.

27. Constitue un remblayage l’action de mettre des matériaux ou du remblai pour hausser ou combler un lac. Est considéré comme un remblai, selon la doctrine, tout apport de matériaux solides qui entraîne une modification du fond lacustre et qui n’a qu’une fonction de soutien ou de stabilisation. Ainsi, les matériaux de remplissage ou le coulage de béton pour la construction d’installations portuaires, comme des murs ou des digues, sont considérés comme des remblais, à moins qu’ils ne servent qu’à sécuriser ou compléter des installations existantes sans entraîner de modification majeure du fond lacustre (Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 410).

28. Les matériaux d’excavation minéraux non pollués ne représentent pas un danger aigu de pollution pour les eaux, mais leur immersion entraîne toujours des perturbations du système aquatique. L’immersion en lac de plus de 10’000 m3 de matériaux est même soumise à une étude d’impact en vertu du chiffre 30.3 de l’annexe de l’OEIE.

29. L’art. 39 al. 2 LEaux ne permet l’introduction de substances solides dans les lacs qu’à plusieurs conditions énoncées à la lettre a. Alternativement, l’art. 39 al. 2 LEaux permet l’introduction de telles substances si cela permet une amélioration du rivage au sens de la let. b. Dans tous les cas, le projet ne peut être autorisé qu’à la condition que les remblayages soient réalisés le plus naturellement possible et que la végétation riveraine détruite soit remplacée, conformément à l’al. 3.

1.             Art. 39 al. 2 let. a LEaux

30. Les conditions de l’art. 39 al. 2 let. a LEaux sont les suivantes:

  • il doit s’agir d’une construction;
  • cette construction ne peut être érigée en un autre lieu ;
  • la construction doit être située en zone bâtie;
  • des intérêts publics prépondérants exigent la suppression de la végétation riveraine et le remblayage;
  • il n’y a pas d’autre solution envisageable.

31. L’interprétation littérale du texte et une simple lecture des versions française, allemande ou italienne de la disposition légale indiquent que ces conditions sont cumulatives pour que l’autorité cantonale autorise un remblayage.

Les remblayages sont destinés à des constructions

32. La législation fédérale, en particulier la LAT, ne définit pas la notion de «construction».

33. De jurisprudence constante, il faut entendre par constructions «tous les aménagements durables créés par la main de l’homme, qui sont fixés au sol et qui ont une incidence sur son affectation, soit qu’ils modifient sensiblement l’espace extérieur, soit qu’ils aient des effets sur l’équipement ou qu’ils soient susceptibles de porter atteinte à l’environnement» (ATF 123 II 256, cons. 3, in : JdT 1998 I, 551). Cette notion relève, selon la doctrine, du droit fédéral de sorte que les cantons ne peuvent pas s’en écarter; elle s’applique aussi bien aux ouvrages publics fédéraux, cantonaux ou communaux qu’aux ouvrages privés.

34. Est donc une construction au sens de l’art. 39 al. 2 let. a LEaux tout aménagement durable, créé par la main de l’homme, qui est fixé au sol et qui modifie sensiblement l’espace extérieur.

Les constructions ne peuvent être érigées en un autre lieu

35. L’implantation de la construction doit être appréciée en fonction des critères développés en droit de l’aménagement du territoire et en droit forestier (ATF 130 II 313, cons. 3.1.1, in : JdT 2005 I, 708; Seitz/Zimmerman, Jurisprudence LPN 1997–2007, 727).

36. En effet, cette notion de «l’implantation imposée par la destination de la construction» existe aussi à l’art. 24 LAT. Selon la doctrine, l’idée de l’implantation imposée par la destination signifie notamment que la construction ne peut, pour des raisons objectives, pas être édifiée à un autre endroit (Muggli, Commentaire LAT, art. 24 N°4). Il faut donc un rattachement objectif et nécessaire à un lieu précis, lié à la fonction de la construction.

37. En droit forestier, il faut ainsi démontrer «qu’il existe un intérêt public ou privé qui doit être placé au-dessus de l’intérêt que représente la conservation des fonctions forestières. La jurisprudence a précisé que l’exigence de l’art. 5 al. 2 let. a LFo est relative et qu’une pesée globale des intérêts doit être opérée dans chaque cas. Il n’est pas nécessaire de prouver la nécessité absolue de l’emplacement retenu pour le défrichement du moment que ce n’est qu’un des éléments à prendre en considération lors de la pesée des intérêts en présence. Ce qui est déterminant, c’est de savoir si les motifs de ce choix l’emportent sur l’intérêt au maintien total de la forêt» (TF 1C_621/2012 du 14 janvier 2014, cons. 5.1; TF 1C_623/2012 du 16 juillet 2013, cons. 2.1; ATF 119 Ib 397, 404, cons. 6a).

38. Selon la doctrine encore, la pesée des intérêts doit mettre en évidence l’absence de lieu alternatif possible sur lequel le projet ne serait non seulement pas contre-indiqué mais encore ne nécessiterait pas de remblai au sens de l’art. 39 LEaux (Sidi-Ali, Protection des biotopes, 169; Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 411).

39. D’après la jurisprudence constante du Tribunal fédéral relative à l’art. 24 al. 1 LAT, «l’implantation d’une installation est imposée par sa destination lorsqu’elle requiert un emplacement spécifique en dehors de la zone à bâtir pour des motifs techniques, d’exploitation, en raison de la disponibilité du sol ou encore lorsqu’elle est exclue de la zone à bâtir pour des motifs spécifiques. Une implantation relativement imposée par sa destination suffit. Il n’est pas nécessaire qu’absolument aucun autre emplacement n’entre en considération; il suffit que des raisons particulièrement importantes et objectives fassent apparaître l’emplacement prévu comme beaucoup plus avantageux que d’autres endroits à l’intérieur de la zone à bâtir» (ATF 136 II 214, cons. 2.1 in : JdT 2011 I, 473; ATF 133 II 409, cons. 4.2).

40. Néanmoins, l’examen de l’implantation imposée par la destination apparaît incomplet lorsque d’éventuels emplacements alternatifs n’ont pas été pris en considération (ATF 136 II 214, cons. 2.2 in : JdT 2011 I, 473; ATF 129 II 63, cons. 3.1).

41. Dans sa jurispridence récente relative à la forêt, le Tribunal fédéral a considéré qu’il faut notamment «exposer quels obstacles urbanistiques ou géologiques s’opposeriaent absolument à une implantation de bâtiments plus respectueux de l’aire forestière actuelle». Il ajoute qu’il faut également «examiner si un projet de moindre envergure serait mieux adapté à la configuration des lieux» (TF 1C_163/2011 du 15 juin 2012, cons. 2.3).

42. Selon les juges genevois du Tribunal administratif de première instance, «on ne saurait comprendre correctement la condition relative à l’impossibilité d’ériger la construction en un autre lieu en faisant abstraction du but poursuivi par l’art. 39 LEaux, à savoir éviter dans toute la mesure du possible de nouveaux déversements de matériaux solides dans les lacs». Les juges cantonaux estiment même qu’il n’y a pas d’intérêt, sous l’angle de l’art. 39 LEaux, à examiner d’autres emplacements si ceux-ci impliquent également des déversements, du moins s’ils sont d’une ampleur équivalente (Tribunal administratif de première instance GE, Jugement du 28 juin 2013 (JTAPI/790/2013)).

43. La jurisprudence du Tribunal fédéral considère néanmoins qu’un propriétaire riverain, même s’il n’a généralement pas un droit au maintien d’un accès direct au domaine public du lac – cette possibilité ne représentant juridiquement qu’un avantage de fait – peut avoir accès au lac car cela fait partie de l’utilisation normale de la rive du lac par le propriétaire du fonds riverain (ATF 105 Ia 219, cons. 2; ATF 132 II 19, cons. 2.5). Il en résulte que les ouvrages nécessaires à cet accès au lac sont en principe conformes à l’affectation de la «zone lacustre».

44. Le Tribunal fédéral a aussi admis qu’un chemin pédestre destiné à faciliter à la population l’accès aux rives d’un lac ne peut, par la force des choses, que se trouver sur la rive et que tout autre emplacement ne remplirait pas l’objectif d’intérêt public d’accès aux rives (ATF 114 Ia 233, cons. 4; ATF 107 Ib 229). Notre Haute Cour a également considéré que l’implantation d’une jetée portuaire de 2 m de large et de 150 m de long, qui s’écartait de 50 m du rivage et qui devait servir également de chemin de rive, s’imposait par sa destination (Huber-Wälchli/Keller, Jurisprudence jusqu’en 2002, 441).

45. Il ressort de la jurisprudence constante que, du fait de leur destination, un port, une digue, une plage ou un pont ne peuvent être construits qu’à proximité immédiate d’un lac.

46. Les juges genevois ont même admis que l’implantation d’une plage publique de 3,5 ha de remblais ne pouvait se réaliser qu’à proximité du lac mais, selon l’autorité judiciaire cantonale, ce projet d’implantation avait cependant été insuffisamment examiné et il fallait aussi étudier si le volume de matériaux à déverser serait le même en tout lieu ou si, au contraire, certains autres endroits auraient permis une moindre emprise du lac (Tribunal administratif de première instance GE, Jugement du 28 juin 2013 (JTAPI/790/2013), 42).

47. On retiendra donc qu’il faut examiner pour, dans chaque cas d’espèce, s’il n’existe pas un autre lieu alternatif où l’ouvrage peut être construit.

Les constructions sont situées en zone à bâtir

48. L’art. 39 al. 2 let. a LEaux ne permet le remblayage que si la construction est située en zone à bâtir.

49. Les zones à bâtir sont avant tout définies par le droit fédéral, à savoir l’art. 15 LAT révisé en 2010. La volonté du Conseil fédéral est de «contenir la dispersion des constructions et – comme corollaire à un renforcement du développement de l’urbanisation à l’intérieur du milieu bâti – à mieux protéger les terres cultivables. Les buts de l’aménagement du territoire doivent être complétés de façon que le principe de la séparation entre les territoires constructibles et les territoires non constructibles, le développement de l’urbanisation à l’intérieur du milieu bâti et la nécessité de créer un milieu bâti compact soient désormais expressément mentionnés» (Message révision LAT 2010, 966). «Il faut, en règle générale, délimiter des zones à bâtir compactes et limiter la surface de zone à bâtir au strict minimum. Etant donné que les habitats intacts dignes de protection revêtent une grande importance pour la biodiversité par leur rôle de connexion aux abords et à l’intérieur des territoires bâtis, la délimitation des zones à bâtir doit expressément préserver la nature, en plus du paysage» (Message révision LAT 2010, 982).

50. La conformité de l’affectation de la zone est donc une question de droit fédéral. La construction doit être conforme à l’affectation de la zone lorsque la destination de la construction concorde avec la fonction du but de la zone considérée.

51. Lorsque l’art. 39 al. 2 let. a LEaux exige que la construction envisagée doit être située en zone bâtie, cette disposition légale répond aux art. 15 et art. 22 al. 2 let. a LAT qui consacrent le principe que toute construction doit être conforme à l’affectation de la zone.

52. Or, selon l’art. 17 al. 2 let. a LAT, les lacs et leurs rives ainsi que les cours d’eau constituent des zones à protéger. Pour ces objets, il appartient aux cantons de délimiter les zones à protéger ou prévoir d’autres mesures adéquates (art. 17 al. 2 LAT). Pour ces objets, le droit cantonal peut ainsi prescrire d’autres mesures adéquates.

53. La LAT laisse en effet aux collectivités territoriales le soin de préciser des usages spécifiques pour de telles zones. Cela vaut non seulement pour la zone à bâtir mais également, en vertu de l’art. 18 al. 1 LAT, pour des périmètres situés hors de la zone à bâtir, qu’il s’agisse de permettre la réalisation d’un projet déterminé – par exemple une plage – ou de régler un mode d’utilisation du sol inhérent aux lieux – par exemple une zone de détente, de loisirs, d’activités sportives, etc. (Brandt/Moor, Commentaire LAT, art. 18 N 9).

54. Par ailleurs, dans l’énumération des principes régissant l’aménagement du territoire énoncés à l’art. 3 LAT, il y a lieu de relever que son alinéa 2 let. c prévoit de tenir libres les bords des lacs et des cours d’eau et de faciliter au public l’accès aux rives pour le passage le long de celles-ci. Ces principes constituent des lignes directrices, des normes programmatiques et laissent une marge d’appréciation assez grande aux autorités cantonales de planification (Message LAT 1978, 1017).

55. La jurisprudence constante relève que les principes formulés par la LAT ont valeur d’éléments d’appréciation et ne sauraient être invoqués directement par le citoyen, lequel ne saurait se prévaloir d’une obligation de prester de la part de l’Etat (ATF 115 Ia 353, cons. 3d).

56. Cela ne signifie pas que les lacs et leurs rives doivent, en vertu du droit fédéral, être libres de constructions ou d’installations. D’après la doctrine, celles-ci peuvent être admises – sur la base d’une autorisation ordinaire au sens de l’art. 22 al. 2 let. a LAT, le cas échéant après l’adoption d’un plan d’affectation spécial (par exemple pour un port ou des installations nautiques importantes), ou au contraire sur la base d’une dérogation selon les art. 24 ss LAT – si leur implantation sur le lac ou sur la rive est justifiée par des intérêts publics prépondérants ou si elle est imposée par leur destination.

57. Ainsi, le droit fédéral n’exclut pas que certaines constructions ou installations sur un lac ou ses rives soient conformes à l’affectation de la zone à protéger. Selon le Tribunal fédéral, hors de la zone à bâtir, de façon générale, la conformité est toutefois liée à la nécessité: la construction doit être adaptée, par ses dimensions et son implantation, aux besoins objectifs du propriétaire ou de l’exploitant. Cette clause du besoin est clairement exprimée pour les zones agricoles. Le Tribunal fédéral considère même que «des exigences analogues doivent être posées pour les constructions conformes à leur affectation des zones à protéger au sens de l’art. 17 LAT» (ATF 132 II 10, cons. 2.4).

58. D’ailleurs, l’art. 41c al. 1 OEaux le rappelle, puisqu’il prévoit expressément que des constructions peuvent être autorisées mais à condition d’être conformes à l’affectation de la zone.

59. Ainsi, le Tribunal fédéral a admis comme conforme à la zone lacustre l’agrandissement d’un ponton existant (ATF 132 II 10, cons. 2.5). Il a également considéré, comme conforme à la zone protégée, un espace de délassement comprenant une plage et un espace d’activités sportives à destination du public ou encore l’édification d’un restaurant, d’un kiosque, de vestiaire et de toilettes dès lors que ces constructions sont destinées aux baigneurs et ouvertes de manière saisonnière (ATF 118 Ib 503, cons. 5c et d, in : JdT 1994 I, 426).

Des intérêts publics prépondérants exigent ces constructions

60. La balance des intérêts s’effectue entre l’intérêt à la préservation d’un plan d’eau visé et un autre intérêt public, sur la base de l’étude d’impact sur l’environnement ou de la notice d’impact (TA AC 97/0025 du 14 février 2000, cons. 5b, in: RDAF 2000 I, 242; Sidi-Ali, Protection des biotopes, 173).

61. Comme mentionné plus haut, la LAT et la LEaux ont, toutes les deux, pour but principal de protéger les bases naturelles de la vie et de préserver dans la mesure du possible les parties de territoire qui se distinguent par leur beauté ou leur fonction écologique marquante.

62. En se fondant sur ces objectifs, le Tribunal fédéral a précisé que la protection des rives du lac découle des principes fondamentaux de l’aménagement du territoire (ATF 114 Ia 233, cons. 4a).

63. Il a ainsi admis qu’un chemin riverain tracé à proximité immédiate d’une rive peut être considéré comme relevant de l’intérêt public et qu’il n’y avait pas violation de la propriété privée lorsque les alignements permettent de réaliser un chemin selon un tracé raisonnable et respectueux de la sphère privée.

64. Un tel chemin constitue une mesure d’aménagement à la fois nécessaire et proportionée (ATF 114 Ia 233118 Ia 394107 Ib 229, cons. 1d, in : JdT 1982 I, 246).

65. Le Tribunal fédéral a également reconnu l’existence d’un intérêt public à l’emplacement d’un port, du moment que le choix était conforme au plan directeur et que les intérêts relatifs à la protection des eaux avaient été pris en considération (Huber-Wälchli/Keller, Jurisprudence jusqu’en 2002, 441).

66. Par ailleurs, l’art. 41c al. 1 OEaux donne quelques exemples d’installations dont l’implantation est imposée par sa destination et qui servent les intérêts publics. Il s’agit de chemins pour piétions et de randonnées pédestres, des centrales et des ponts ou encore d’un port (ATF 113 Ib 371, cons. 5, in : JdT 1989 I, 507).

67. La doctrine admet comme intérêts publics l’intérêt à la protection du site, à l’accès public aux rives, les intérêts régionaux touristiques ou économiques ou encore le besoin d’installations sportives. On tiendra compte, dans le cadre de la pesée des intérêts, des éventuelles améliorations que le projet apporte du point de vue écologique. La preuve d’un intérêt public prépondérant est facilitée lorsque le projet s’insère dans un plan directeur (Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 411 s.)

68. L’implantation d’une construction sur les rives du lac peut cependant prétériter la faune et la flore qui s’y trouvent.

69. En vertu de l’art. 3 al. 2 let. b LAT, la protection de la nature et la flore fait aussi partie des buts assignés par le législateur fédéral aux autorités cantonales lors de leur planification. Cet objectif est d’ailleurs repris à l’art. 18 al. 1 bis LPN aux termes duquel «il y a lieu de protéger tout particulièrement les rives, les roselières et les marais, les associations végétales forestières rares, les haies, les bosquets, les pelouses sèches et autres milieux qui jouent un rôle dans l’équilibre naturel ou présentent des conditions particulièrement favorables pour les biocénoses». En outre, l’art. 21 al. 1 LPN énonce que «la végétation des rives ne doit pas être essartée ni recouverte ou détruite d’une autre manière».

70. Il apparaît ainsi que les intérêts d’aménagement du territoire de rendre accessibles les rives du lac et les intérêts liés à la protection de la nature semblent contradictoires. Il apparaît, bien souvent, que certains sites du bord de lac sont sensibles et constituent des sites naturels protégés abritant des biotopes et une biodiversité très riche. Dans ce cas, la pesée de ces intérêts tous deux d’importance générale et à priori divergents apparaît délicate.

71. Le Tribunal fédéral a aussi posé des exigences assez strictes pour admettre la licéité d’atteintes aux rives d’un lac (Seitz/Zimmerman, Jurisprudence LPN 1997–2007, 750).

72. C’est ainsi que le Tribunal fédéral a refusé un projet de remblayage pour construire une route cantonale provisoire de délestage, dans un secteur de campagne, le long du Rhône, qui nécessitait le défrichement de plus de 1’850 m2 de forêt et de 650 m2 de végétation de rive (ATF 130 II 313, cons. 3.1 in : JdT 2005 I, 706, cons. 3.1).

73. Il en résulte que, concrètement, il faut déterminer si le remblayage envisagé est plus important que la préservation d’une portion d’une rive du lac, constituée d’herbiers lacustres et de la faune qui lui est liée.

L’objectif visé par le remblayage ne peut être atteint autrement

74. Cette condition relative à l’impossibilité d’atteindre autrement l’objectif visé a pour but de garantir qu’entre les intérêts opposés relevant, d’une part, du remblayage projeté et, d’autre part, de la préservation du lac, le remblayage apparaît indispensable à la réalisation du but poursuivi par le projet. Il faut donc démontrer qu’aucune solution alternative ne peut être retenue pour des motifs techniques ou d’aménagement du territoire. Il faut également démontrer avoir entrepris ce qui pouvait l’être raisonnablement en vue de réaliser le remblayage le moins dommageable pour le milieu lacustre. Des motifs purement financiers ou politiques ne sont pas pertinents pour l’appréciation de ces alternatives (Widmer Dreifuss, Sportanlagen, 410).

75. Cette condition rappelle le principe de la subsidiarité bien connu dans la pesée des intérêts divergents.

76. Il faut donc examiner dans chaque cas d’espèce si la construction envisagée peut être réalisée sans remblais ou, à tout le moins, avec le moins de remblais possible.

 

2.             L’autorisation fondée sur l’art. 39 al. 2 let. b LEaux

77. L’art. 39 al. 2 let. b LEaux déroge à l’interdiction de déversement de matériaux solides dans le lac si cela permet une amélioration du rivage. Il faut donc comprendre qu’un remblayage est permis s’il permet de protéger, voire d’améliorer les fonctions écologiques des rives.

78. Dans ce cas, le remblayage permet d’améliorer la fange du rivage baigné par les eaux du lac. Les remblais servent alors à recréer des roselières ou biotopes particulièrement intéressants du point de vue de la protection des milieux naturels et du paysage. Dans tous les cas, les surfaces littorales remblayées doivent être minimisées et leur importance doit être déterminée par la vocation principale du projet. Les remblayages doivent être réalisés de manière la plus naturelle possible. Des mesures visant à augmenter la valeur biologique et paysagère du rivage peuvent être exigées.

79. Il faut là encore démontrer que le remblayage a une incidence dont les aspects positifs l’emporteraient sur ses aspects négatifs. Tel serait le cas d’une grève naturelle qui présente à l’évidence des avantages biologiques pour la rive.

C.           Conditions de remblayage (al. 3)

80. Aux termes de l’art. 39 al. 3 LEaux, les remblayages doivent être réalisés le plus naturellement possible.

81. Les techniques de remblayage naturel varient en fonction des circonstances particulières, de l’écosystème de nos lacs, de l’existence d’une végétation riveraine et de l’importance d’une intégration paysagère. C’est ainsi qu’il faut privilégier des techniques de génie végétal pour stabiliser les rives, la construction en épis des protections, l’utilisation de gravier et non de sable ou encore l’aménagement de pontons flottants ou de digues semi-perméables.

82. Selon l’art. 39 al. 3 LEaux, les remblayages dans un lac nécessitent aussi de remplacer la végétation riveraine détruite. La végétation riveraine fait en effet l’objet d’une protection spécifique dans le cadre de la LPN.

83. Cette disposition légale poursuit le même objectif que celui contenu à l’art. 21 LPN, qui a pour teneur que la végétation des rives (roselières et jonchères, végétation alluviale et autres formations végétales naturelles riveraines) ne doit pas être essartée ni recouverte ou détruite d’une autre manière.

84. La végétation des rives est un concept ouvert, déterminé par des critères qui relèvent à la fois de la flore, de l’hydrologie et de la qualité du sol qu’il faut apprécier aussi bien sous l’angle de la qualité que de la quantité (Jenni, Biotopes protégés, 476; Seitz/Zimmerman, Jurisprudence LPN 1997–2007, 723 s.).

85. Le Tribunal fédéral a relevé que les plantes aquatiques à proximité de la rive d’un lac, dans une zone riveraine parallèle à la rive de 2 à 6 m de profondeur, constituée de gravier, de pierre et de sable, descendant en direction du centre du lac sur une distance de 30 à 50 m, constituent de la végétation de rive au sens de l’art. 21 LPN (TF 1A.30/2006 du 10 octobre 2006, cons. 3.2; in: ZBI 2007, 512).

86. Selon la doctrine, un tel remplacement est admissible sous la forme d’un remplacement qualitatif, et non pas seulement quantitatif, lorsque la reconstitution sur place n’est pas possible. Il faut recréer un biotope du même type ou d’un autre type ailleurs. C’est la plus-value obtenue ailleurs qui définit la valeur de remplacement de la végétation riveraine (Sidi-Ali, Protection des biotopes, 181).

87. Il faut que le résultat obtenu permette de respecter la stricte protection dont la végétation rivulaire bénéficie en vertu de l’art. 18 al. 1ter LPN (ATF 114 Ib 268, cons. 4; Jenni, Biotopes protégés, 16).

88. L’alinéa 2 de l’art. 22 LPN permet toutefois des exceptions à l’interdiction de détruire la végétation de rive. L’autorité cantonale peut notamment autoriser la suppression de la végétation existant sur des rives dans le cas de projets qui ne peuvent être réalisés ailleurs et qui ne contreviennent pas à la législation en matière de police des eaux et de protection des eaux.

89. Cette dérogation de l’art. 22 al. 2 LPN est subordonnée à ce que le projet ne peut être réalisé ailleurs, à ce qu’il soit conforme à la législation en matière de protection des eaux et, enfin, qu’après la pesée des intérêts en présence il apparaît que la destruction de la végétation peut être exceptionnellement autorisée.

90. Concernant la condition relative à ce que le projet ne puisse être réalisé ailleurs, il s’agit de la même exigence prévue à l’art. 39 al. 2 LEaux. «La ‹Standortgebundenheit› doit être appréciée en application des critères développés en droit de l’aménagement du territoire et en droit forestier. De la sorte, une ‹Standortgebundenheit› relative ne suffit pas» (Seitz/Zimmerman, Jurisprudence LPN 1997–2007, 727).

91. D’après le Tribunal fédéral, «la suppression de la végétation des rives peut être autorisée uniquement si elle est nécessaire à un projet dont l’implantation est imposée par sa destination et que ce projet est admis soit en vertu de la Loi sur la police des eaux, de la LACE, de la LFH, soit en vertu de la LEaux». Le Tribunal fédéral précise que «le nombre d’atteintes possibles et la latitude de jugement de l’autorité compétente sont désormais limitées à celles que les législations spéciales autorisent expressément» (ATF 130 II 313, cons. 3.4, in : JdT 2005 I, 710).

92. Il faut donc que ces atteintes soient expressément admises par ces législations spécifiques.

93. C’est ainsi que la jurisprudence de notre Haute Cour cite les cas autorisés par ces législations, à savoir les mesures de protection contre les crues ainsi que celles en relation avec l’utilisation de la force hydraulique, les prélèvements d’eau, les endiguements et corrections de cours d’eau, la couverture et la mise sous terre exceptionnelle de cours d’eau, l’interdiction exceptionnelle de substances solides dans les lacs, le curage et la vidange des bassins de retenue, le prélèvement et le déversement d’eau ainsi que l’exploitation de gravier, de sable ou d’autres matériaux.

94. Le Tribunal fédéral a très clairement confirmé que la suppression de la végétation de rives n’entre en ligne de compte que pour des constructions conformes à la LEaux ou aux autres lois relatives aux eaux. Il a même reconnu que l’art. 22 al. 2 LPN constitue une base légale suffisante pour restreindre la propriété (TF 1C_448/2011 du 5 juillet 2012, cons. 2.9, in : DEP 2012, 671).

95. Force est donc de constater que les critères pour autoriser la suppression de la végétation de rive au sens de l’art. 22 LPN sont les mêmes que l’autorisation d’introduire des substances solides dans les lacs au sens de l’art. 39 LEaux. Dès lors que l’examen des conditions de l’art. 39 LEaux aboutit à autoriser expressément le remblai du lac, on doit admettre que la suppression de la végétation occupée dans le secteur à remblayer doit également être autorisée.

 

D.           Conclusion

96. Il apparaît qu’en Suisse les prescriptions relatives aux déversements de substances solides dans les lacs sont assez restrictives. Il faut que ces remblayages entrent dans le cadre d’un projet de revitalisation du lac ou dans le cadre d’une construction qui ne peut être érigée ailleurs et qui présente un intérêt public prépondérant tout en ménageant les autres législations relatives à la protection des eaux, de la pêche, de la protection de la nature et du paysage.

97. De plus, l’interprétation large donnée par le Tribunal fédéral à la notion de «végétation de rive» et son appréciation restrictive des atteintes admissibles donne en Suisse une très large protection aux rives de lacs.

98. Sur le plan international, une telle protection ne semble pas exister puisque plusieurs remblayages d’envergure ont été entrepris dont les plus spectaculaires sont la création du nouvel aéroport international de Hong Kong ou la création des Palm Islands à Dubai, ou encore, plus proche de nous, le remblayage du lac Léman en France, à proximité d’Evian, portant sur 3 ha et d’un volume de 80’000 m3 de remblais, inauguré en été 2013.

 

 

Zusammenfassung

Art. 39 GSchG verbietet das Einbringen von festen Stoffen in Seen, auch wenn diese das Wasser nicht verunreinigen können. Damit greift das Gesetz auf das Grundprinzip in Art. 6 GSchG zurück, wobei letzterer den qualitativen Wasserschutz bezweckt, über Art. 39 GSchG hingegen einen quantitativen Schutz hergestellt werden soll. Damit soll verhindert werden, dass Seen zu Schuttabladeplätzen verkommen und die natürlichen Prozesse der Verlandung künstlich beschleunigt werden. Ausserdem soll der Bestand der Uferzonen als biologisch wertvollster Teil des Sees gesichert werden. Abs. 1 geht davon aus, dass jedes Einbringen von festem Material in einen See eine Verunreinigung darstellt, da auch das Einbringen von nicht verschmutztem Material sich direkt oder indirekt auf die Organismen und die biologischen Prozesse im See auswirkt. Schüttungen sind jedoch nicht gänzlich verboten, da die Bundesgesetzgebung den Kantonen erlaubt, diese unter gewissen Bedingungen zu bewilligen. Bewilligt werden können Schüttungen gemäss Abs. 2 für standortgebundene Bauten in überbauten Gebieten (Bauzone) bei Vorliegen von überwiegenden öffentlichen Interessen und wenn sich der angestrebte Zweck anders nicht erreichen lässt (Bst. a) oder wenn dadurch eine Flachwasserzone verbessert werden kann (Bst. b). Fälle von Bst. b sind dann gegeben, wenn eine Schüttung dem Schutz oder der Verbesserung der ökologischen Funktionen der Ufer dient. In Bezug auf die Defitionen der einzelnen Begriffe sowie dem überwiegenden öffentlichen Interessen ist auf die langjährige Rechtsprechung im Raumplanungsrecht und im allgemeinen Verwaltungsrecht abzustellen. In allen Fällen ist eine Schüttung so natürlich wie möglich zu gestaleten und die zerstörte Ufervegetation zu ersetzen (Abs. 3). Die Bestimmungen im GSchG, weiterem Umweltrecht und dem Raumplanungsrecht sowie die Rechtsprechung sind in Bezug auf die Ablagerung von festen Stoffen restriktiv und dem Schutz der Ufervegetation äussert strikt. Damit wird ein weitgehender Schutz sichergestellt.

 

 

Bibliographie: Seitz Andreas/Zimmermann Willi, Loi fédérale sur la protection de la nature et du paysage (LPN) – jurisprudence du Tribunal fédéral de 1997 à 2007, in: DEP 2008, 659 ss (cit. Jurisprudence LPN 1997–2007); Sidi-Ali Karin, La protection des biotopes en droit suisse – étude de droit matériel, Genève 2008 (cit. Protection des biotopes); Widmer Dreifuss Thomas, Planung und Realisierung von Sportanlagen – Raumplanerische, baurechtliche und umweltrechtliche Aspekte beim Bau und der Sanierung von Sportanlagen, Zürich 2002 (zit. Sportanlagen).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Message concernant la loi fédérale sur l’aménagement du territoire (LAT) du 27 février 1978, FF 1978 I 1007 ss (cit. Message LAT 1978); Jenni Hans-Peter, Problèmes juridiques concernant les biotopes protégés et notamment la végétation des rives selon la LPN et les lois voisines/expertise réalisée par Hans-Peter Jenni sur mandat de l’Office fédéral de l’environnement, des forêts et du paysage, Cahier de l’environnement no. 126, Berne 1990 (cit. Biotopes protégés); Office fédéral de l’environnement, des forêts et du paysage (OFEFP), Matériaux d’excavation non pollués: immersion dans les lacs autorisée par LEaux, in: Informations concernant la protection des eaux no 32, Berne 1999 (cit. Matériaux d’excavation); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007); Message relatif à une révision partielle de la loi sur l’aménagement du territoire du 20 janvier 2010, FF 2010 959 ss (cit. Message révision LAT 2010) ; Commission Internationale Pour La Protection Des Eaux Du Léman (CIPEL), Etude de réflexion sur les activités et infrastructures de loisirs et de détente sur les rives du Léman, Rapport final, Septembre 2012 <http://www.cipel.org/publications/etudes-cipel/>, 11.11.2014 (cit. Rives du Léman).

Favre Anne-Christine

 

Eclusées

1         Les détenteurs de centrales hydroélectriques prennent des mesures de construction pour empêcher ou éliminer les atteintes graves que des variations subites et artificielles du débit d’un cours d’eau (éclusées) portent à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes. A la demande du détenteur d’une centrale hydroélectrique, l’autorité peut ordonner des mesures d’exploitation en lieu et place de travaux de construction.

2         Les mesures sont définies en fonction des facteurs suivants:

a.       gravité des atteintes portées au cours d’eau;

b.       potentiel écologique du cours d’eau;

c.       proportionnalité des coûts;

d.      protection contre les crues;

e.       objectifs de politique énergétique en matière de promotion des énergies renouvelables.

3         Dans le bassin versant du cours d’eau concerné, les mesures doivent être coordonnées après consultation des détenteurs des centrales hydroélectriques concernées.

4         Les bassins de compensation mis en place conformément à l’al. 1 peuvent être utilisés à des fins d’accumulation et de pompage sans modification de la concession.

Schwall und Sunk

1         Kurzfristige künstliche Änderungen des Wasserabflusses in einem Gewässer (Schwall und Sunk), welche die einheimischen Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich beeinträchtigen, müssen von den Inhabern von Wasserkraftwerken mit baulichen Massnahmen verhindert oder beseitigt werden. Auf Antrag des Inhabers eines Wasserkraftwerks kann die Behörde anstelle von baulichen Massnahmen betriebliche anordnen.

2         Die Massnahmen richten sich nach:

a.   dem Grad der Beeinträchtigungen des Gewässers;

b.   dem ökologischen Potenzial des Gewässers;

c.   der Verhältnismässigkeit des Aufwandes;

d.  den Interessen des Hochwasserschutzes;

e.   den energiepolitischen Zielen zur Förderung erneuerbarer Energien.

3         Im Einzugsgebiet des betroffenen Gewässers sind die Massnahmen nach Anhörung der Inhaber der betroffenen Wasserkraftwerke aufeinander abzustimmen.

4         Ausgleichbecken, die in Anwendung von Absatz 1 erstellt werden, dürfen zur Pumpspeicherung genutzt werden, ohne dass eine Konzessionsänderung erforderlich ist.

Deflussi discontinui

1         I detentori di centrali idroelettriche prendono misure di natura edile atte a prevenire o a eliminare le variazioni repentine e artificiali del deflusso di un corso d’acqua che arrecano sensibile pregiudizio alla fauna e alla flora indigene nonché ai loro biotopi. Su domanda del detentore di una centrale idroelettrica, l’autorità può ordinare misure di esercizio in luogo di misure di natura edile.

2         Le misure sono definite in base ai seguenti criteri:

a.       gravità del pregiudizio arrecato al corso d’acqua;

b.       potenziale ecologico del corso d’acqua;

c.       proporzionalità dei costi;

d.       interessi della protezione contro le piene;

e.       obiettivi di politica energetica in materia di promozione delle energie rinnovabili.

3         Nel bacino imbrifero del corso d’acqua interessato le misure sono armonizzate previa consultazione dei detentori delle centrali idroelettriche in questione.

4         I bacini di compensazione costruiti in applicazione del capoverso 1 possono essere utilizzati ai fini dell’accumulazione per pompaggio senza modifica della concessione.

 

 

Table des matières

I. Historique 1
II. Remarques générales 7
A. Notions 7
B. Contexte législatif précédant la novelle du 11 décembre 2009 12
C. Relation avec l’art. 40 LEaux 13
III. Commentaire 15
A. Obligation de prendre des mesures (al. 1) 15
1. Les installations concernées 17
​2. Les atteintes graves à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes 20
3. Les mesures de construction 24
4. Les mesures d’exploitation 28
​B. L’ampleur des mesures (al. 2) 33
C. Coordination des mesures dans le bassin versant (al. 3) 35
D. Bassins de compensation (al. 4) 37
​E. Le respect des droits acquis 39

 

 

I.              Historique

1. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060), déposée le 3 juillet 2006, demandait l’adoption d’un nouvel article constitutionnel (art. 76Cst.), visant la «renaturation des eaux», ce terme désignant l’ensemble des mesures destinées à valoriser les eaux. Parmi celles-ci figurent les dispositifs de nature à atténuer les effets des éclusées, le financement de ces mesures étant à la charge des cantons par l’intermédiaire d’un fonds de renaturation.

2. Le Conseil fédéral n’a pas jugé nécessaire de proposer un contre-projet à cette initiative; il reconnaissait cependant les déficits hydrologiques et écologiques liés aux éclusées et l’insuffisance de la législation existante, qui ne permettait pas d’envisager des assainissements des installations existantes, sauf lorsque cette question avait été prévue dans la concession; l’intervention sur les éclusées se limitait ainsi aux installations nouvelles ou renouvelées (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5244). Le Conseil fédéral considérait cependant le coût économique important de ces opérations (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5249 s., 5252 s.) et regrettait que l’initiative ne tienne pas suffisamment compte des atteintes aux droits acquis (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5244, 5250, 5253). Il considérait, par ailleurs, que les mesures demandées pouvaient être prises dans le contexte du droit en vigueur.

3. Le 4 octobre et le 6 décembre 2007, les Chambres fédérales ont approuvé une motion (Motion Epiney Renaturation) proposant que le financement des mesures soit assuré par le prélèvement d’un supplément de 0,1 centime par kWh sur les coûts de transport des réseaux à haute tension, à l’instar du modèle suivi pour les énergies renouvelables.

4. Ensuite de cela, la CEATE-E a déposé un contre-projet indirect de loi, sous la forme d’une initiative parlementaire visant notamment la réglementation des éclusées afin de réduire leurs effets nuisibles en aval des centrales hydroélectriques (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315 ss); elle proposait de régler les questions touchant au respect des droits acquis par un régime de droit transitoire accordant un délai d’exécution aux détenteurs d’installations existantes et une garantie de financement, dont 35 % devait être assuré par la Confédération. La coordination des objectifs poursuivis par la LEaux avec ceux relevant des buts fixés par la LEne a également représenté un point crucial (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315).

5. Dans son rapport du 19 septembre 2008, le Conseil fédéral a approuvé le contre-projet relevant que le financement des mesures d’assainissement dans les domaines des éclusées et du charriage devait être assuré, en totalité, par la société nationale d’exploitation du réseau électrique (Avis du Conseil fédéral protection et utilisation, 7346).

6. L’art. 39LEaux n’a pas suscité de remarque lors des débats parlementaires et a été adopté sans amendement, sous réserve de l’al. 4, qui a été ajouté sur proposition du Conseil national, en sa qualité de deuxième conseil (BO-N 2009 N 659).

 

 

II.           Remarques générales

A.           Notions

7. Le terme éclusée (ou débit d’éclusée) désigne un débit non naturel élevé provoqué en aval d’une centrale hydroélectrique, par le turbinage d’eau, lorsqu’il est nécessaire d’injecter rapidement une importante quantité de courant électrique, notamment aux heures de pointe (OFEFP, Conséquences écologiques des éclusées, 21). Cette pratique provoque une alternance de phases à fort et à faible débit, avec des variations pouvant atteindre 10 à 40 fois le débit minimal (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7314).

8. L’expression débit plancher désigne le débit minimum entre les débits produits par les éclusées, pendant les périodes où la demande d’électricité se trouve réduite (le plus souvent la nuit et en fin de semaine). La succession de débits différents, autrement dit les variations plus ou moins régulières des niveaux de débit, est appelée régime d’éclusées ou exploitation par éclusées. Ces fluctuations artificielles de débit et de niveau d’eau se produisent généralement selon un rythme journalier ou hebdomadaire (FIBER, Effet d’éclusées, 1; OFEFP, Conséquences écologiques des éclusées, 21).

9. Environ 25 % des centrales hydroélectriques de moyenne à grande importance génèrent des débits d’eau soumis aux brusques variations des «éclusées» (OFEFP, Conséquences écologiques des éclusées, 3).

10. On distingue deux types de centrales hydroélectriques: celles à accumulation et celles dites «au fil de l’eau». Les premières stockent l’eau dans des bassins d’accumulation pendant les périodes de faible demande d’énergie pour la turbiner et produire de l’électricité en période de forte consommation. Dans un tel contexte, en plus des variations journalières, elles peuvent générer un décalage saisonnier du régime hydrologique naturel en stockant les forts débits estivaux pour couvrir les besoins énergétiques en hiver (Fiber, Effet d’éclusées, 2). Les secondes, généralement aménagées sur de grandes rivières à débit rapide, produisent de l’électricité en continu selon le régime hydrologique naturel. Certains aménagements au fil de l’eau sont toutefois capables d’effectuer un stockage journalier susceptible de provoquer des crues artificielles (Fiber, Effet d’éclusées, 2).

11. L’exploitation par éclusées provoque ainsi des crues artificielles qui génèrent des perturbations, tant sur le plan hydrologique qu’écologique, en entraînant une augmentation de la dérive des organismes lorsque le débit augmente et de l’échouage d’organismes lorsque le débit s’abaisse (OFEFP, Conséquences écologiques des éclusées, 3 et 15 ss).

B.            Contexte législatif précédant la novelle du 11 décembre 2009

12. L’atténuation des effets d’éclusées en aval des centrales hydroélectriques n’était pas réglementée par des dispositions spécifiques avant la novelle du 11 décembre 2009. Ces mesures reposaient essentiellement sur la législation sur la pêche, par l’intermédiaire des art. 7 et 9 LFSP, qui prévoient la préservation, l’amélioration et la reconstitution des biotopes des poissons et du reste de la faune aquatique. Il s’agissait alors d’intervenir uniquement à la faveur de nouvelles concessions ou du renouvellement de celles en cours lorsque ces projets nécessitaient une étude d’impact sur l’environnement. Mais à défaut de base spécifique pour ordonner un assainissement, les occasions où des mesures ont été requises auprès d’installations existantes se sont montrées plutôt rares et pouvaient donner lieu à de longs litiges entre les parties (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7316; Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 9).

 

C.           Relation avec l’art. 40 LEaux

13. L’art. 40 LEaux régit le curage et la vidange des bassins de retenue. Ces opérations peuvent également provoquer des variations subites et artificielles de débit, situations dans lesquelles l’exploitant doit veiller, dans la mesure du possible, à ne pas porter atteinte à la faune et à la flore dans la partie aval du cours d’eau. Les mesures qui peuvent être imposées par l’autorité dans ce contexte (nouveau débit de dotation, réglementation du nombre, du moment et du mode d’exécution des curages et des vidanges, etc.) sont périodiques; elles ne se confondent pas avec les mesures définitives à prendre contre les éclusées, qui consistent prioritairement en des dispositifs de construction. Le Tribunal fédéral a toutefois laissé indécise la question de savoir si les mesures auxquelles invite l’art. 39a LEaux peuvent s’appliquer aux variations de débit causées par d’autres événements que l’exploitation ordinaire d’une centrale (ATF 138 II 575, consid. 3.5).

14. Rien n’exclut cependant de coordonner les assainissements qui découlent des art. 40 et 80 LEaux (curage et vidange des bassins de retenue) et des art. 39a et 43a, 83a et b LEaux (éclusées et le régime de charriage), lorsque cela paraît pertinent ou que cela permet d’éviter des atteintes aux droits acquis à indemniser sur la base de l’art. 80 al. 2 LEaux (ATF 139 II 28, consid. 2.7.3; Huber-Wälchli/Keller, Jurisprudence 2003–2012, 441).

 

 

III.        Commentaire

A.           Obligation de prendre des mesures (al. 1)

15. L’art. 39a al. 1 LEaux s’adresse aux détenteurs de centrales hydroélectriques et les invite à prendre des mesures de construction ou d’exploitation en vue d’empêcher ou d’éliminer les atteintes graves liées aux éclusées. Cette disposition est directement applicable nonobstant le caractère largement indéterminé du choix et de l’ampleur des dispositifs à adopter (Jansen, Protection des eaux, 130). Il en résulte que tout détenteur d’une installation visée par cette obligation est tenu de prendre des mesures, qui seront arrêtées par l’autorité, dans le cadre d’une nouvelle concession, du renouvellement d’une concession ou d’une décision d’assainissement.

16. Comme la plupart des mesures en droit de l’environnement, l’obligation définie à l’art. 39a LEaux a un caractère préventif; il s’agit d’empêcher ou d’éliminer non pas toutes les perturbations, mais celles qui portent gravement atteinte aux intérêts de la faune et de la flore indigènes ainsi qu’à leurs biotopes.

 

1.             Les installations concernées

17. La nécessité de prendre des mesures ne concerne pas la totalité des installations hydroélectriques; sont visées les installations – nouvelles ou existantes – qui génèrent des atteintes graves liées aux éclusées, au sens où l’entend l’art. 41e OEaux (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7325). Les installations existantes qui génèrent des atteintes ne pouvant être qualifiées de graves, au sens de la disposition précitée, ne nécessitent pas d’être assainies.

18. De fait, les exigences de l’art. 39a LEaux visent principalement les grandes centrales à accumulation situées dans les Alpes et dotées de réservoirs saisonniers; elles peuvent cependant aussi concerner des centrales plus modestes, exploitant des réservoirs hebdomadaires ou journaliers, lorsqu’elles engendrent des variations problématiques de débit. Il en va de même pour des centrales «au fil de l’eau», où même les petites variations du niveau dans le réservoir d’accumulation peuvent engendrer de grandes variations du débit en aval de la centrale (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7325).

19. Un régime de droit transitoire, prévu à l’art. 83LEaux, est applicable à toutes les installations qui peuvent se prévaloir de droits acquis. Dans le délai de 20 ans prévu par l’art. 83a LEaux, l’autorité ordonnera l’assainissement des éclusées, selon une planification qui doit être approuvée par la Confédération (voir commentaires ad art. 83et 83b LEaux et l’art. 41g OEaux).

 

2.             Les atteintes graves à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes

20. Seules les atteintes graves liées à des éclusées conduisent à l’obligation de prendre des mesures. S’il n’existe aucune dérogation à l’obligation de prendre des mesures dans une telle situation, l’ampleur de celles-ci s’appréciera en revanche au cas par cas, au gré d’une pesée des intérêts, conformément aux critères énoncés à l’art. 39a al. 2 LEaux.

21. Au sens de l’art. 41e OEaux, on doit parler d’atteintes graves lorsque le débit d’éclusée d’un cours d’eau est au moins 1,5 fois supérieur à son débit plancher (let. a) et que la taille, la composition et la diversité des biocénoses végétales et animales typiques de la station sont altérées, en particulier en raison de phénomènes artificiels survenant régulièrement, comme l’échouage de poissons, la destruction de frayères, la dérive d’animaux aquatiques, l’apparition de pointes de turbidité dans l’eau ou la variation non admissible de la température de l’eau (let. b). Ces deux critères, à savoir celui lié au rapport entre le débit d’une éclusée et le débit plancher, et celui lié à la nature et à l’ampleur des altérations d’ordre écologique sont cumulatifs.

22. C’est le tronçon le plus sensiblement touché qui est déterminant pour l’évaluation de la gravité des atteintes; il faut cependant qu’il soit suffisamment long pour être à même de remplir des fonctions écologiques, telles que la reproduction naturelle satisfaisante de certaines espèces de poissons, lorsqu’il n’est pas touché par des éclusées (OFEV, Rapport explicatif, 20).

23. Par ailleurs, cette appréciation est à entreprendre eu égard au mode d’exploitation actuel; cependant, une modification de l’exploitation d’une centrale ou une évolution du cours d’eau inviteront à examiner les atteintes au regard de cet état futur (OFEV, Rapport explicatif, 20).

 

3.             Les mesures de construction

24. Les détenteurs de centrales hydroélectriques doivent en priorité prendre des mesures de construction pour empêcher ou éliminer les atteintes graves à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes provoquées par les éclusées.

25. Ces mesures résident essentiellement en des bassins de compensation entre la centrale et la restitution dans le cours d’eau ou en des canaux de dérivation qui détournent l’éclusée en vue, par exemple, d’assurer l’irrigation d’une zone alluviale (pour des exemples précis, voir Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 494; FIBER, Effet d’éclusées, 7). Elles peuvent être combinées avec les dispositifs de protection contre les crues que les cantons doivent planifier (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7332).

26. Elles sont préférées aux mesures d’exploitation pour trois raisons (Filippo Lombardi, BO-E 2008 N 780):

  • elles n’ont en principe pas d’impact sur la quantité d’énergie produite, la puissance de production, ni la flexibilité de production;
  • elles permettent en même temps d’assurer une protection contre les crues;
  • elles permettent au final dans certains cas, des opérations de pompage-turbinage pour assurer la production d’électricité.

27. Certaines de ces mesures peuvent exercer des incidences sur le plan spatial (notamment lorsque la création d’un bassin de compensation est nécessaire) et peuvent entrer en conflit avec la protection du paysage ou la protection des eaux souterraines (Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 494). Une pesée des intérêts pourra alors être nécessaire.

 

4.             Les mesures d’exploitation

28. Les mesures d’exploitation sont diverses et peuvent notamment consister en une prolongation de la durée de transition entre la phase de turbinage et la phase de stockage afin de réduire la vitesse de descente des eaux; en une augmentation du débit plancher (débit résiduel) et/ou diminution du débit de pointe turbiné; en l’espacement des éclusées (Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 493 s.; FIBER, Effet d’éclusées, 7; Jansen, Protection des eaux, 136). Ces mesures peuvent avoir pour effet de limiter la possibilité pour les ouvrages hydroélectriques d’injecter rapidement une quantité supplémentaire de courant lorsque cela est nécessaire, raison pour laquelle elles ne pourraient être adoptées systématiquement (Filippo Lombardi, BO-E 2008 N 780).

29. Elles peuvent remplacer les mesures de construction, lorsqu’elles sont plus efficaces et plus avantageuses (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7325). On a vu que la préférence du législateur pour les mesures de construction a pour but d’éviter des pertes de rendement générées par les mesures d’exploitation; cependant, si le détenteur d’une centrale hydroélectrique accorde lui-même sa préférence pour des mesures d’exploitation, l’autorité se doit d’entrer en matière et d’examiner si elles peuvent remplacer des mesures de construction (Filippo Lombardi, BO-E 2008 N 791).

30. Une autre situation peut inviter à adopter des mesures d’exploitation: lorsque des mesures de construction ne peuvent pas être exigées matériellement (faute de terrain suffisant pour construire un bassin de compensation, par exemple); dans une telle hypothèse, l’autorité est en droit de solliciter des mesures d’exploitation. Cette substitution peut justifier une indemnisation si elle porte atteinte à des droits acquis (OFEV, Rapport explicatif, 7); dans un tel cas, l’autorité pourra attendre le renouvellement de la concession avant d’imposer une telle restriction, pour autant toutefois que le délai de 20 ans dans lequel les mesures d’assainissement sont à réaliser puisse être respecté (voir commentaire ad art. 83a LEaux).

31. On notera qu’en matière de législation sur la pêche, un mécanisme d’intervention en deux temps est prévu. L’art. 9 al. 1 LFSP invite tout d’abord à examiner diverses mesures de nature à favoriser le milieu naturel des poissons et assurer leur libre migration. A ce stade, il s’agit de prendre en considération le milieu naturel. Si ces mesures ne permettent pas d’éviter des atteintes graves à la pêche, l’art. 9 al. 2 LFSP prévoit de prendre en compte «tous les intérêts en présence», ce qui signifie que les intérêts économiques du propriétaire seront confrontés aux autres intérêts (ATF 125 II 591, consid. 6b). Des mesures de restriction d’exploitation peuvent alors être envisagées (OFEV, Rapport explicatif, 7); elles devront être économiquement supportables si elles visent des installations existantes (art. 10 LFSP). Les agrandissements d’installations ou les remises en état ne peuvent bénéficier du régime accordé aux installations existantes; ils sont assimilés à des installations nouvelles (art. 8 al. 5 LFSP).

32. Les mesures d’exploitation peuvent parfois être combinées à des mesures de construction (Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 495; OFEV, Rapport explicatif, 7).

 

B.            L’ampleur des mesures (al. 2)

33. Ni la loi ni l’ordonnance ne définissent l’objectif à atteindre en termes d’assainissement. C’est donc essentiellement le principe de proportionnalité qui déterminera l’ampleur des mesures à adopter, au gré d’une pesée des intérêts guidée par les critères définis à l’art. 39a al. 2 LEaux.

34.Les critères à prendre en compte dans la pesée des intérêts sont à la fois ceux liés à la protection et l’utilisation des eaux et ceux liés aux intérêts économiques du détenteur de l’installation. Ils sont énumérés de manière exhaustive et invitent à prendre en compte les aspects suivants:

  • La gravité des atteintes portées au cours d’eau: lorsque les conditions de gravité d’une atteinte aux eaux, au sens où l’entend l’art. 41e OEaux, sont réalisées, des mesures doivent obligatoirement être prises. En revanche, l’ampleur de celles-ci dépendra de la pesée des intérêts en présence (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7325); l’élimination totale ou non des effets des éclusées dépend ainsi des autres intérêts en présence, mais la ratio legis du régime introduit par l’art. 39LEaux veut que le critère de l’importance de l’atteinte reste prépondérant dans le catalogue des critères à approcher.
  • Le potentiel écologique du cours d’eau: l’ensemble des mesures prises en vertu de la législation en matière de protection des eaux doit tenir compte de «l’objectif écologique des cours d’eau» (art. 1 al. 2 et 2 al. 1 let. a OEaux). Ces objectifs écologiques sont définis à l’annexe 1 de l’OEaux, qui précise en son art. 1 al. 2 que le régime hydrologique (débits de charriage, régime des niveaux et des débits) et la morphologie doivent présenter des caractéristiques proches de l’état naturel; ils doivent en particulier garantir sans restriction l’auto-épuration par des processus naturels, les échanges naturels entre l’eau et le lit, ainsi que les interactions avec l’environnement. Les cours d’eau qui subissent des altérations du fait des éclusées, des obstacles au régime de charriage ou d’autres interventions anthropiques, peuvent présenter un état éloigné de celui naturel. C’est la raison pour laquelle le législateur fait référence à la notion de «potentiel écologique» aux art. 39a et 43a LEaux, de même qu’à l’art. 32bbis LEaux (qui traite des dérogations admissibles aux prescriptions sur les débits résiduels minimaux). Ainsi que le précise l’art. 33a OEaux, dans le cas d’un cours ou d’une étendue d’eau proche de l’état naturel, le «potentiel écologique» correspond à son importance écologique dans son état actuel; dans l’hypothèse d’un cours d’eau ou d’une étendue d’eau qui ne se trouve pas à l’état naturel, ce potentiel correspond à l’importance écologique qu’il revêtirait dans un état de référence théorique après réparation, dans la mesure où le permettent des moyens proportionnés, des atteintes nuisibles causées par l’homme. La notion de «potentiel écologique» invite donc à considérer la place du cours d’eau sur le plan écosystémique et à examiner la marge d’amélioration par des mesures respectant le principe de proportionnalité. L’examen du «potentiel écologique» doit par ailleurs être fait non seulement par rapport aux masses d’eau ayant subi des altérations de nature anthropique, mais aussi au regard de l’ensemble des cours ou étendues d’eau (OFEV, Rapport explicatif, 10).
  • La proportionnalité des coûts: c’est au regard du rapport entre le coût économique de la mesure et celui de son efficacité, que seront ordonnées les mesures. Une étude des variantes pourra être nécessaire pour déterminer les mesures d’assainissement permettant de respecter au mieux les objectifs en termes de «potentiel écologique» tout en respectant la proportionnalité des coûts. Dans l’appréciation des mesures d’assainissement, il s’agira également de considérer les frais globaux liés à de telles mesures (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7316, 7325 s.); en effet, les mesures d’assainissement prévues pour réduire les effets nuisibles des éclusées représentent la plus grosse part des coûts du programme de réparation des atteintes aux eaux, par un investissement annuel moyen de l’ordre de 50 millions de francs dans le laps de temps de 20 ans prévu à cet effet (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7319). C’est la raison pour laquelle une coordination des ces mesures est très importante (voir commentaire ad art. 83b LEaux N  19 ss).
  • La protection contre les crues: l’objectif de protection contre les crues est omniprésent dans la révision de la LEaux. Le siège de la matière est régi par l’art. 36a LEaux qui invite à la délimitation d’espaces réservés aux eaux; la protection contre les crues ne peut cependant être pleinement efficace qu’en combinaison avec des mesures de construction telles que des bassins de compensation des canaux de dérivation, qui sont en principe destinées à lutter contre les atteintes graves des éclusées. Ces mesures permettent une diminution des risques d’inondation (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7332 s.); mais elles doivent être coordonnées avec les objectifs à atteindre en matière de protection contre les crues aux fins de permettre une pesée des intérêts correcte.
  • Les objectifs de politique énergétique en matière de promotion des énergies renouvelables: il s’agit de veiller à préserver la production d’énergie à compter de la force hydraulique. C’est la raison pour laquelle l’art. 39a al. 1 LEaux privilégie les mesures de construction qui n’affectent pas la capacité de production. La stratégie énergétique de la Confédération à l’horizon 2050 tient cependant compte des contraintes de la LEaux dans les projections du potentiel offert par l’énergie hydraulique (Message Stratégie énergétique 2050, 6803).

C.           Coordination des mesures dans le bassin versant (al. 3)

35. L’obligation de coordination des mesures à l’échelle du bassin versant, après avoir entendu les propriétaires des centrales concernées, permet de garantir des solutions optimales tenant compte de l’ensemble des centrales hydroélectriques visées par des mesures. Le but est ici de tenir compte de l’interdépendance et les effets de cumul des restitutions d’eau des différentes centrales d’un même bassin versant hydrologique; certaines zones se prêtent mieux que d’autres à des bassins de compensation (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7326; Estoppey, Exploitation hydroélectrique par éclusées, 496). C’est la raison pour laquelle un poids particulier est donné au principe de proportionnalité et que des mesures d’accompagnement sont prévues (voir commentaire ad art. 68 LEaux N 12 ss), afin de faciliter l’acquisition par le canton ou la commune des terrains nécessaires à la construction de bassins de compensation ou pour créer des canaux de dérivation, voire aménager des cours d’eau de compensation (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7316 s.).

36. L’obligation de coordination vise deux objectifs: il s’agit, en premier lieu, de s’assurer la prise en considération de l’ensemble des éléments intervenant en interdépendance sur un même bassin versant d’un cours d’eau; secondement, il convient d’être attentif à la coordination des exigences de l’ensemble des dispositions de la LEaux invitant à des mesures, ainsi que de celles qui découlent d’autres législations, telles que la législation sur la pêche ou la LPN (voir sur ce point aussi commentaire ad art. 83b LEaux N  19 ss et 46 OEaux; Riva, Wasserkraftanlagen, 19).

 

D.           Bassins de compensation (al. 4)

37. Cet alinéa a été ajouté lors du vote auprès du Conseil national, comme deux-ième conseil, sans discussion quelconque (BO-N 2009 N 659).

38. Les bassins de compensation, aménagés en application de l’art. 39a al. 1 LEaux, peuvent être utilisés à des fins d’accumulation et de pompage sans modification de la concession; il s’agit de confirmer ici la possibilité d’utiliser, dans certains cas, les bassins de compensation aux fins de produire du courant supplémentaire. Le pompage-turbinage (permettant de produire de l’électricité en circuit pratiquement fermé, entre deux bassins d’accumulation, sans incidence écologique) devient de plus en plus en vogue, dans le contexte de la transition énergétique, en assurant notamment un rôle régulateur par rapport aux fluctuations d’énergies produites par l’éolien ou les autres énergies renouvelables (Brögli/Wehlri, Sichere Restwassermengen, 470 ss).

E.            Le respect des droits acquis

39. Sur le plan matériel, l’art. 39a al. 1 LEaux ne fait aucune distinction entre les installations nouvelles et existantes quant aux mesures à prendre; celles-ci sont dictées exclusivement en considération de la gravité des atteintes engendrées par les éclusées et non eu égard aux éventuels droits acquis.

40. Les exploitations au bénéfice d’une concession peuvent cependant se prévaloir de droits acquis (art. 43 al. 1 LFH). Le droit d’utilisation accordé dans le cadre d’une concession hydroélectrique ne peut être retiré ou restreint, sauf pour cause d’utilité publique et moyennant indemnité (art. 43 al. 2 LFH).

41. La question du respect des droits acquis des détenteurs de centrales hydroélectriques a cristallisé les débats dès le projet présenté par la Commission parlementaire (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315). Le législateur y a répondu, d’une part, par l’adoption d’un régime de droit transitoire, qui prévoit un délai de 20 ans pour réaliser les assainissements d’installations existantes selon une planification à réaliser par les cantons (art. 83a et 83b LEaux); d’autre part, par le remboursement complet des mesures nécessaires par la société nationale du réseau de transport (Swissgrid) (art. 15abis et 15b LEneart. 17d al. 1 OEne41g al. 2 OEaux). Ce régime d’indemnisation ne vise cependant que les installations existantes, tenues d’adopter des mesures avant l’échéance de la concession octroyée et pendant le délai de 20 ans prévu par l’art. 83a LEaux; il ne concerne par conséquent ni le renouvellement de concessions pendant le délai précité, ni les modifications importantes d’installations qui devraient être assimilées à des installations nouvelles (voir commentaire ad art. 83a LEaux N 12 ss).

 

 

Zusammenfassung

Art. 39a GSchG hält die Kriterien fest, die für die Umsetzung von Massnahmen zu berücksichtigen sind, welche zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen durch Schwall und Sank dienen. Diese Bestimmung legt ein Massnahmensystem fest, das auf neue wie bestehende Anlagen anwendbar ist und fordert zur Koordination der Massnahmen im Einzugsgebiet des betroffenen Gewässers auf. Sie ist in Verbindung zu setzen mit Art. 83a und 83b GSchG, welche die Frist und das anwendbare Verfahren für Sanierungen von bestehenden Anlagen bestimmen.

 

 

Bibliographie: Estoppey Rémy, Exploitation hydroélectrique par éclusées: problématique, solutions, cadre juridique et financier, in: DEP 2008, 487 ss (cit. Exploitation hydroélectrique par éclusées); Jansen Luc, Renaturation et adaptation du droit cantonal aux nouvelles dispositions de la législation fédérale sur la protection des eaux, in: DEP 2012, 126 ss (cit. Protection des eaux); Riva Enrico, Wasserkraftanlagen: Anforderungen an die Vollständigkeit und Präzision des Konzessionsentscheids, in: DEP 2014, 1 ss (cit. Wasserkraftanlagen); Uhlmann Brögli Viviane/Wehrli Bernhard, Sichere Restwassermengen gegen uneingeschränkte Wasserkraftnutzung – ein Vollzugsdilemma?, in: DEP 2008, 469 ss (cit. Sichere Restwassermengen).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement des forêts et du paysage (OFEFP) (édit.), Peter Baumann/Iris Klaus, Informations concernant la pêche N° 75, Conséquences écologiques des éclusées, Etude bibliographique, Berne 2003 (cit. Conséquences écologiques des éclusées); Bureau Suisse de Conseil pour la Pêche (FIBER), «L’effet d’éclusées», l’impact du fonctionnement par éclusées des centrales hydroélectriques sur la faune et la flore aquatiques, Kastanienbaum 2005 (cit. Effet d’éclusées ); Motion Epiney (07.3311) «Renaturation des cours d’eau. Contre-projet à l’intiative populaire ‹Eaux vivantes›» du 6 juin 2007 (cit. Motion Epiney Renaturation); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007); Office fédéral de l’environnement (OFEV), Rapport explicatif du 20 avril 2011, A) Initiative parlementaire Protection et utilisation des eaux (07.492) – Modification des ordonnances sur la protection des eaux, l’aménagement des cours d’eau et l’énergie, de même que de l’ordonnance relative à la loi fédérale sur la pêche, Berne 2011 (cit. Rapport explicatif); Message du Conseil fédéral relatif au premier paquet de mesures de la Stratégie énergétique 2050 (Révision du droit de l’énergie) et à l’initiative populaire fédérale «Pour la sortie programmée de l’énergie nucléaire (Initiative «sortir du nucléaire»)» du 4 septembre 2013, FF 2013 6771 ss (cit. Message Stratégie énergétique 2050).

Salibian Kolly Karine​

 

Curage et vidange des bassins de retenue

1         Lors du curage et de la vidange des bassins de retenue ou lors du contrôle des dispositifs de vidange de l’eau et d’évacuation des crues, l’exploitant de l’ouvrage veille, dans toute la mesure du possible, à ne pas porter atteinte à la faune et à la flore dans la partie aval du cours d’eau.

2         Il ne peut effectuer un curage ou une vidange qu’avec l’autorisation du canton; l’autorité qui délivre celle-ci consulte les services intéressés. Si des curages ou des vidanges périodiques sont nécessaires à la sécurité de l’exploitation, l’autorité se borne à fixer le moment de l’opération et son mode d’exécution.

3         Si, lors d’événements extraordinaires, l’exploitant doit immédiatement abaisser le niveau des eaux de la retenue pour des motifs de sécurité, il en informe sans retard l’autorité qui délivre l’autorisation.

Spülung und Entleerung von Stauräumen

1         Der Inhaber einer Stauanlage sorgt nach Möglichkeit dafür, dass bei der Spülung und Entleerung des Stauraumes oder bei der Prüfung von Vorrichtungen für das Ablassen von Wasser und die Hochwasserentlastung die Tier- und Pflanzenwelt im Unterlauf des Gewässers nicht beeinträchtigt wird.

2         Er darf Spülungen und Entleerungen nur mit einer Bewilligung der kantonalen Behörde vornehmen. Die Bewilligungsbehörde hört die interessierten Fachstellen an. Sind periodische Spülungen und Entleerungen zur Erhaltung der Betriebssicherheit notwendig, so legt die Behörde lediglich Zeitpunkt und Art der Durchführung fest.

3         Muss der Inhaber aufgrund ausserordentlicher Ereignisse den Stausee aus Sicherheitsgründen sofort absenken, so orientiert er unverzüglich die Bewilligungsbehörde.

Spurgo e svuotamento dei bacini d’accumulazione

1         Nel procedere alle operazioni di spurgo e di svuotamento dei bacini di accumulazione o al controllo dei dispositivi di scarico dell’acqua e di evacuazione delle piene, il detentore dell’impianto veglia affinché siano evitati nella misura del possibile effetti pregiudizievoli alla fauna e alla flora nella parte a valle del corso d’acqua.

2         Per procedere a uno spurgo o a uno svuotamento è richiesta l’autorizzazione del Cantone. L’autorità che rilascia l’autorizzazione consulta i servizi interessati. Se per la sicurezza dell’esercizio sono necessari spurghi e svuotamenti periodici, l’autorità si limita a stabilire il momento dell’operazione e le modalità d’esecuzione.

3         Qualora avvenimenti straordinari gli impongano di abbassare immediatamente il livello delle acque del bacino per motivi di sicurezza, il detentore ne informa senza indugio l’autorità che rilascia l’autorizzazione.

 

 

Table des matières

Historique 1
II. Remarques générales 12
III. Commentaire 22
A. Protection de la faune et de la flore en aval du cours d’eau (al. 1) 26
B. Autorisation du canton (al. 2) 47
1. L’autorisation de l’autorité cantonale 47
2. De la nécessité à procéder à un curage ou une vidange 54
3. De la justification économique de la méthode d’évacuation autorisée 65
​C. Abaissement extraordinaire du niveau des eaux (al. 3) 76
1. Les événements extraordinaires 76
2. Information à l’autorité cantonale 80

 

 

I.              Historique

1. Le XXsiècle a connu un développement important dans la construction de barrages, particulièrement en Suisse. Dans la première partie du XXe siècle, des ouvrages remarquables ont été érigés, comme le barrage de Montsalvens, premier barrage voûte en Europe, ou le barrage de Schräh, premier barrage du monde à dépasser la hauteur de 100 m. Après la Seconde Guerre, entre 1950 et 1970, des barrages de plus de 200 m de haut ont été réalisés dans les Alpes, tels que la Grande-Dixence, Mauvoisin, Contra, Luzzone.

2. Or, ni la Loi sur la police des eaux, ni la LEaux 1971, ne prévoyaient de légiférer sur des opérations de curage ou de vidange d’un bassin de retenue d’un barrage.

3. Sous pression des milieux de la pêche et suite à la forte mortalité de poissons provoquée par la vidange de la retenue de Zerveila en 1981 aux Grisons, puis au Tessin à la fin des années 1980, une disposition a été introduite dans la LFSP, dans la section consacrée à la protection des biotopes. L’art. 24 LFSP de l’époque, devenu aujourd’hui l’art. 8 LFSP, exigeait une autorisation pour toutes interventions techniques sur les eaux, leur régime ou leur cours, autorisation délivrée par les autorités cantonales compétentes en matière de pêche.

4. Ce n’est qu’avec la modification de 1991 de la LEaux que l’art. 40 LEaux a été introduit. Il traite spécifiquement des curages et vidanges des bassins de retenue car «les alluvions et les matières en suspension provoquent des dépôts de limon dans les ouvrages de retenue, dont ils réduisent le volume. En entravant le fonctionnement des écoulements et des autres parties des installations, ils peuvent compromettre la sécurité de l’exploitation. Lorsque tel est le cas, ces dépôts doivent être éliminés» (Message LEaux 1987, 1167).

5. A la même époque d’ailleurs, en 1987 puis en 1993, la Suisse connaît plusieurs événements météorologiques extrêmes, en Valais et au Tessin. Peu à peu on prend conscience du danger que peut représenter l’écoulement des eaux et de la nécessité de redonner de l’espace à ces écoulements, aux cours d’eau et aux fonctions naturelles des cours d’eau au lieu de corseter les rivières dans un lit rigide pour augmenter les surfaces constructibles ou agricoles et exploiter à des fins économiques les débits des cours d’eau sans ménager leur environnement.

6. On intègre aussi que les barrages représentent un danger pour les populations riveraines mais aussi que de tels ouvrages ont des impacts négatifs pour l’environnement qu’il faut compenser et qu’ils constituent des obstacles artificiels importants aux fonctions naturelles des cours d’eau et au développement de la faune et la flore, en particulier la faune piscicole.

7. C’est dans ce contexte que le Conseil fédéral relève que «les curages et vidanges doivent être effectués de manière à ne pas anéantir brusquement la faune ou la flore en aval de la retenue par un flux inattendu, semblable à une crue, ou par de trop grande quantité de matières en suspension. Les dispositions relatives au moment de l’opération, par exemple curage lors d’une crue naturelle (dilution) ou au mode de réalisation, par exemple le dosage de l’évacuation des sédiments (respect de la concentration maximale autorisée pour les matières en suspension) visent à prévenir d’éventuels dommages» (Message LEaux 1987, 1167 s.).

8. C’est donc non seulement des considérations économiques et sécuritaires, liées à l’exploitation des barrages, mais également des considérations environnementales qui ont poussé le Conseil fédéral à légiférer à la fin des années 1980.

9. Dans son message, le Conseil fédéral préconisait même que l’opération de vidange doit constituer une ultima ratio; elle doit être exécutée dans des cas exceptionnels et il faut privilégier au préalable des modes moins dommageables à l’environnement, alors que cela n’est pas expressément mentionné dans la teneur de l’art. 40 LEaux, telle qu’adoptée par les Chambres fédérales.

10. Après l’adoption de la LEaux en 1991, l’OFEV a encore constaté un déficit de littérature et de connaissances scientifiques relatives aux suivis et conséquences à long terme d’opérations de vidanges. C’est pourquoi il a édicté en 1994 des recommandations relatives aux «Conséquences écologiques des curages dans les bassins de retenue» (OFEV, Cahier de l’environnement no 219).

11. L’office fédéral a ainsi recommandé que les autorités cantonales compétentes veillent à ce que les demandes de procéder à des curages soient déposées assez tôt, soit 3 à 5 ans pour des opérations de grande envergure. Les demandes de curage doivent alors comporter des indications détaillées et fiables sur les mesures prévues ainsi que sur leurs effets, en particulier sur les incidences écologiques possibles. Il faut ensuite procéder à une étude préliminaire, fixer le moment le plus propice en fonction de la période où le débit naturel est élevé, en évitant les périodes de frai et de reproduction, puis déterminer la valeurlimite de concentration des matériaux en suspension. Il faut enfin procéder à une étude de suivi avant et après l’opération de curage. L’office fédéral considère que «les impacts écologiques d’un curage incontournable ne peuvent être amortis que dans la mesure où chaque acteur manifeste une réelle volonté d’amélioration. Cela implique une étroite collaboration entre usiniers, administrations cantonales concernées et associations de protection de la nature» (OFEV, Cahier de l’environnement no 219, 5).

 

 

II.           Remarques générales

12. L’art. 40 LEaux ne peut s’interpréter qu’au regard de l’art. 42 OEaux, qui précise dans quelles conditions une opération de vidange ou de curage peut avoir lieu.

13. L’art. 42 OEaux prévoit qu’avant d’octroyer l’autorisation de procéder au curage d’un bassin de retenue, l’autorité doit s’assurer que les sédiments peuvent être évacués autrement que par curage, pour autant que cette méthode soit respectueuse de l’environnement et financièrement supportable.

14. Le TF a en effet considéré que l’art. 40 LEaux laisse un pouvoir d’appréciation relativement large aux autorités compétentes en ce qui concerne les modalités du curage d’une retenue d’eau. Selon la Haute Cour, l’art. 42 OEaux renforce les prescriptions de protection des eaux et précise le principe énoncé à l’art. 40 LEaux. Il existe même un intérêt public prépondérant à appliquer immédiatement l’art. 42 OEaux à une situation de fait dont les effets ont commencé à se produire avant l’entrée en vigueur de l’OEaux en 1998 (ATF 125 II 591, consid. 5e = JdT 2000 I 768).

15. Le TF considère en effet «qu’en limitant les possibilités d’évacuer des sédiments agglomérés dans un lac artificiel, l’art. 42 OEaux va plus loin que le texte de l’art. 40 LEaux. En vertu de l’art. 42 OEaux, le curage n’est admissible que lorsqu’il n’existe aucune autre procédure d’évacuation qui soit respectueuse de l’environnement et économiquement supportable. L’art. 40 LEaux prévoit par contre uniquement ce qui doit être pris en compte lors d’un curage. Cela ne signifie toutefois pas encore que l’art. 42 OEaux soit contraire au droit. Sur la base d’une interprétation téléologique et historico-subjective de l’art. 40 LEaux, il est au contraire couvert par le sens et l’esprit de cette disposition. […] Le Conseil fédéral indiquait dans son message que selon l’état de la technique dans la plupart des cas, l’utilisation de machines flottantes munies de pompes permettaient d’évacuer les sédiments; un curage ou une vidange seraient alors superflus» (ATF 125 II 591, consid. 5e = JdT 2000 I 768; Message LEaux 1987, 1167).

16. Comme mentionné plus haut et pour des raisons historiques, l’art. 40 LEaux doit également se lire en regard des art. 8 et 9 LFSP. L’autorisation selon l’art. 8 LFSP a pour but la protection des biotopes servant de frayères aux poissons ou d’habitats à leur progéniture. En effet, de jurisprudence constante, une vidange est certes soumise à l’art. 40 LEaux mais représente aussi une intervention technique dans le cours d’eau qui nécessiste une autorisation spéciale au sens de l’art. 8 LFSP (ATF 125 II 591, consid. 5c = JdT 2000 I 765; TF 1A.123/1999 du 1 mai 2000, consid. 4b).

17. L’art. 40 al. 2 LEaux laisse cependant une large autonomie aux autorités cantonales pour déterminer la période durant laquelle le curage ou la vidange peut être effectué et pour imposer le mode d’exécution de cette opération ainsi que pour fixer les valeurs limites à ne pas dépasser. Les cantons doivent également prescrire des mesures préventives afin de protéger les organismes vivants et de pallier les risques inhérents aux crues.

18. A noter encore que, depuis le 1 janvier 2011, un nouvel art. 39a LEaux a été introduit qui prévoit que les variations subites et artificielles du débit des eaux doivent être éliminées ou évitées en priorité par des mesures de construction prises par les détenteurs de centrales hydroélectriques (par exemple par la construction d’un bassin de compensation). Des mesures d’exploitation, telles qu’une augmentation du débit plancher, une réduction du débit de pointe ou encore une diminution de la vitesse de transition entre débit plancher et débit de pointe par un arrêt plus lent des turbines, ne peuvent être ordonnées en lieu et place de mesures de construction qu’à la demande du détenteur de l’installation.

19. Or, le TF a rappelé récemment que «le fait que les curages et vidanges de bassins de retenue provoquent des variations subites et artificielles de débit ne change rien au fait que ces mesures tombent sous le coup de l’art. 40 LEaux, qui reste applicable, faute de quoi cette disposition serait vidée de son contenu essentiel» (ATF 138 II 582, consid. 3.5).

20. La doctrine, en particulier Lia Meyer, précise que l’art. 39a LEaux concerne les éclusées provoquées par l’exploitation normale d’une centrale hydroélectrique à l’exception des variations de débits causées par les curages et les vidanges des bassins de retenue lesquelles relèvent exclusivement de l’art. 40 LEaux (Meyer, Jurisprudence du Tribunal fédéral, 482).

21. Dans son arrêt dans la cause Wigger, le Tribunal fédéral laisse cependant la question ouverte de savoir si le nouvel art. 39a LEaux peut s’appliquer aux variations de débit causées par d’autres événements que l’exploitation ordinaire d’une centrale hydroélectrique (ATF 138 II 582, consid. 3.5). Or, l’auteure Lia Meyer considère que l’art. 39a LEaux ne devrait «en aucun cas viser l’opération d’abaissement du niveau des eaux rendue nécessaire par un événement extraordinaire, situation alors traitée par l’art. 40 al. 3 LEaux qui se limite à exiger de l’exploitant qu’il informe l’autorité» (Meyer, Jurisprudence du Tribunal fédéral, 482).

 

 

III.        Commentaire

22. L’art. 40 LEaux oblige l’exploitant d’un ouvrage d’accumulation de veiller, dans la mesure du possible, à ne pas porter atteinte à la faune et à la flore en aval du cours d’eau exploité lorsqu’il procède à des vidanges ou à des contrôles des installations.

23. Ce principe de protection des intérêts environnementaux n’a cependant pas été pris en considération dans la LOA, laquelle oblige notamment l’exploitant à entretenir son ouvrage pour remédier à tous défauts. L’exploitant doit ainsi, en vertu de l’art. 8 al. 2 LOA, opérer les contrôles, les mesures et les examens nécessaires pour juger de l’état du comportement de l’ouvrage d’accumulation.

24. Le but poursuivi par la LOA est de garantir un degré de sécurité des barrages aussi élevé que possible. L’exploitant doit pouvoir procéder à des contrôles visuels pour être en mesure de détecter toute anomalie concernant le comportement de l’ouvrage d’accumulation, de ses fondations ou de ses environs. L’ouvrage doit donc être équipé de vannes permettant d’abaisser le niveau du plan d’eau, voire de vidanger totalement une retenue dans les meilleurs délais et de pouvoir, cas échéant, la maintenir vide. Selon le message du Conseil fédéral relatif à la LOA, «les contrôles visuels permettent non seulement de vérifier l’état de l’ouvrage d’accumulation et de ses ouvrages annexes (dégradation des matériaux, fissures, etc.) mais aussi d’observer les parties visibles des fondations et la tenue des versants de la retenue d’eau. Au niveau mondial, près de 70 % des événements particuliers concernant des ouvrages d’accumulation ont été mis en évidence pas des contrôles visuels» (Message LOA 2006, 5767).

25. C’est dire l’importance évidente pour la sécurité des barrages de pouvoir abaisser le niveau du plan d’eau même si cela entraîne des dommages pour les milieux naturels. Or, rien n’est mentionné dans la LOA pour savoir comment procéder à cet abaissement tout en ménageant les intérêts environnementaux. Il faut donc se référer à l’art. 40 LEaux et à son ordonnance d’exécution ainsi qu’à la législation applicable en matière de protection de la nature.

A.           Protection de la faune et de la flore en aval du cours d’eau (al. 1)

26. L’art. 40 al. 1 LEaux pose le principe selon lequel toute opération d’entretien, de curage ou de vidange d’un ouvrage d’accumulation doit être réalisé de façon à ne pas porter atteinte à la faune à la flore dans la partie aval du cours d’eau exploité.

27. Les cours d’eau charrient des sédiments sur leur fond par glissement, roulement ou soulèvement. Le calibre des sédiments est variable, allant de grosses pierres au sable fin en passant par le gravier. Ce sont des éléments indispensables au bon fonctionnement des écosystèmes que sont les cours d’eau. Lorsque le régime de charriage est proche de l’état naturel, le fond des cours d’eau, qui est une base vitale essentielle pour la faune et la flore, est plus meuble. Les larves d’insectes et autres petits animaux, mais aussi le frai et les larves de poissons trouvent refuge dans les interstices des graviers et des matériaux déplacés. Cette fonction ne peut être remplie qu’à condition qu’une eau riche en oxygène s’écoule à travers les interstices et qu’il n’y a pas colmatage des brèches (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5246).

28. Les sédiments sont donc les matériaux issus de l’érosion et du charriage, transportés et déposés par le cours d’eau. Ils se caractérisent par leur granométrie, leur composition minérale, leur teneur en matières organiques et parfois même en matières polluées.

29. En s’inspirant de la directive pour l’élaboration des demandes d’autorisation des purges et vidanges du canton du Valais d’octobre 2002, on peut définir la vidange comme étant une opération destinée à évacuer les eaux du bassin d’accumulation à partir du niveau minimum d’exploitation afin de procéder à des contrôles ou des travaux sur l’ouvrage, comme l’exige au demeurant la LOA. Le curage consiste à débarrasser, par l’écoulement de l’eau, le cours d’eau des matériaux accumulés dans le bassin de retenue et, cas échéant, d’assécher ce bassin.

30. Une opération de curage ou de vidange a toujours pour effet d’entraîner pour le système hydrologique en aval de la retenue, d’une part, un accroissement des débits qui favorise l’érosion du lit du fleuve et de ses rives et, d’autre part, une augmentation de la charge de matières en suspension modifiant les propriétés physico-chimiques de l’exutoire. A l’amont, dans le bassin d’accumulation, les sédiments, les matériaux, les substrats, les végétaux et les organismes vivants passent par les vannes du barrage et bien souvent se détruisent à leur passage.

31. Les opérations de vidange ou curage engendrent donc toujours des dommages écologiques dus au stress hydraulique, au volume de la concentration des matériaux en suspension et de l’importance de la charge physico-chimique.

32. Sur le plan juridique, la procédure d’octroi d’une autorisation de curer ou de vider des bassins d’accumulation doit impérativement tenir compte du droit relatif à la protection de l’environnement.

33. En premier lieu, il faut tenir compte des intérêts spécifiques relatifs à la pêche inscrits aux art. 8, 9 et 10 LFSP et de l’art. 23 LFH.

34. Les intérêts spécifiques à la protection piscicole sont pris en considération lors de la délivrance de l’autorisation spéciale selon la LFSP, laquelle doit cependant être coordonnée avec la décision d’autoriser une vidange après une pesée des intérêts (cf. ATF 125 II 21, consid. 4a; TF 1A.123/1999 du 1 mai 2000, consid. 3d). La LFSP exige en effet des autorités qu’elles imposent, après une pesée des intérêts, toutes les mesures propres à créer des conditions de vie favorables à la faune aquatique, à assurer la libre migration du poisson, à favoriser sa reproduction naturelle et à empêcher que les poissons et les écrevisses ne soient tués ou blessés par des constructions ou machines.

35. L’art. 18 LPN protège aussi les espèces animales et végétales mais il permet à son al. 3 que, si, tous les intérêts pris en compte, il est impossible d’éviter des atteintes d’ordre technique aux biotopes dignes de protection, l’auteur des atteintes doit veiller à prendre des mesures particulières afin d’en assurer la meilleure protection possible, la reconstitution ou, à défaut, le remplacement adéquat.

36. De plus, si les secteurs de cours d’eau touchés sont inscrits aux inventaires fédéraux sur les zones alluviales ou sur les paysages, l’art. 6 LPN et les art. 4 et 8 de l’Ordonnance sur les zones alluviales s’appliquent et exigent que les cantons veillent à ce que soient réparées les atteintes à la dynamique naturelle du régime des eaux et du charriage des objets dans les régions inscrites à l’inventaire des zones alluviales.

37. Selon la jurisprudence constante du TF, la LPN et l’Ordonnance sur les zones alluviales contiennent des prescriptions de protection qualifiée en ce qui concerne les objets inscrits aux inventaires fédéraux. Pour ces objets, la possibilité d’y porter atteinte est, d’une part, réduite et, d’autre part, une expertise de la CFNP est obligatoire.

38. Pour le TF, «si l’autorisation de curer et de vider des retenues d’eau concerne un objet répertorié dans l’inventaire fédéral des paysages, sites et monuments naturels d’importance nationale, une expertise de la Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage doit être requise, en application de l’art. 7 LPN, expertise qui lie l’autorité» (ATF 125 II 591, consid. 7a, in: JdT 2000 I 771; RDAF 2000 I 766).

39. Les parties n’ont généralement pas le droit d’intervenir dans l’expertise menée par ladite Commission sauf si cela est indispensable à la détermination des éléments de l’état de fait (ATF 125 II 591, consid. 7d, in: DEP 2000, 120 ss; RDAF 2000 I 766). L’autorité décisionnelle ne peut pas non plus s’écarter des conclusions de l’expertise de la Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage que pour des raisons valables, ce qui donne un grand poids à cette expertise. «L’expertise obligatoire garantit qu’un organe spécialisé indépendant tienne compte des exigences de la protection de la nature et du paysage […] et constitue une aide à la décision pour les instances compétentes lorsqu’elles examinent un projet qui pourrait porter atteinte à un objet inscrit à l’inventaire fédéral» (ATF 125 II 591, consid. 7a = JdT 2000 I 771).

40. La CFNP dispose d’un certain pouvoir d’appréciation dans l’exécution de sa tâche et est autorisée à limiter le contenu de son expertise à ce qui est nécessaire pour décider. Elle doit répondre à la question de savoir «si, et dans quelle mesure, le projet examiné porte atteinte à un objet protégé et de quelle manière ce dernier pourrait être conservé intact. Il n’est ainsi pas exigé de la Commission qu’elle propose des alternatives complètes à chaque projet. Elle doit notamment indiquer si, en fonction du but de la protection, l’importance et la gravité de l’atteinte pourraient être réduites. Elle ne peut et ne doit proposer que des exigences nécessaires pour le cas où le projet se réaliserait» (ATF 125 II 591, consid. 7b = JdT 2000 I 772).

41. Il en résulte que l’inscription d’un plan d’eau dans un inventaire fédéral «n’emporte pas une intangibilité absolue. D’une part, la protection renforcée n’est applicable que lorsqu’une atteinte résulte de l’accomplissement d’une tâche de la Confédération. D’autre part, l’art. 6 LPN autorise, à certaines conditions, de s’écarter de l’obligation de conserver intacts les objets protégés, même dans l’accomplissement d’une tâche fédérale. Le Tribunal fédéral n’admet de telles exceptions qu’à la condition que l’objet reste ménagé le plus possible. C’est une pesée des intérêts qui permet, dans chaque cas, de décider si une atteinte est envisageable; à cet effet, seuls les intérêts d’importance nationale qui sont équivalents ou plus élevés que l’intérêt à la protection de l’objet en cause peuvent fonder une atteinte à ce dernier […]» (Seitz/Zimmermann, Jurisprudence LPN 1997–2007, 683).

42. A contrario, «si l’intérêt invoqué pour ne pas conserver l’objet protégé intact n’est pas d’importance nationale, l’atteinte est inadmissible. Dans ce cas, l’autorité n’a pas à procéder à une pesée des intérêts, puisque cette dernière a été faite par le législateur (à l’art. 6 LPN) en faveur de la conservation de l’objet» (Seitz/Zimmermann, Jurisprudence LPN 1997–2007, 683).

43. Dans l’arrêt Wägital, le Tribunal fédéral a considéré que l’octroi d’une autorisation durable pour la vidange d’un bassin de compensation constituait une tâche fédérale au sens de l’art. 2 LPN et, par conséquent, on ne peut admettre une dérogation à l’art. 6 LPN que pour des projets destinés à assurer la sécurité de l’homme face aux effets dommageables de l’eau ou qui servent un autre intérêt public prépondérant d’importance nationale (ATF 125 II 591, consid. 6c = JdT 2000 I 770).

44. Dès lors qu’il est admis que l’autorisation de vidange est une tâche fédérale, l’autorité décisionnelle doit alors procéder à une pesée des intérêts et tenir compte des intérêts de la protection des eaux, de la nature et du paysage et de la législation sur la pêche, ainsi que des intérêts découlant de la législation sur la police des eaux (RDAF 2000 I 766).

45. Il ressort de la jurisprudence constante que, si cette pesée des intérêts répond aux prescriptions de la LEaux et de la LFSP et que l’autorisation cantonale tienne suffisamment compte des protections qualifiées prévues par la LPN et l’OZA en fixant des conditions strictes, alors l’autorité peut délivrer une autorisation de vidange (DEP 2000, 131).

46. «Pour le Tribunal fédéral, cela signifie tout d’abord que les curages ne sont pas exclus en tant que tels, même s’ils ont des conséquences préjudiciables pour l’environnement. Cela signifie ensuite que les préoccupations d’ordre environnemental n’ont pas une priorité absolue. Les méthodes plus respectueuses n’auront la préférence que si elles sont financièrement supportables» (Huber-Wächli/Keller, Jurisprudence jusqu’en 2002, 443).

B.            Autorisation du canton (al. 2)

1.             L’autorisation de l’autorité cantonale

47. Il ressort de la systématique de l’art. 40 LEaux que l’al. 2 est composé en deux parties. La première partie instaure une obligation de requérir une autorisation. La seconde partie concerne des curages ou vidanges périodiques indispensables.

48. Ainsi, la première phrase de l’art. 40 al. 2 LEaux pose le principe selon lequel une autorisation du canton est nécessaire pour toute opération de curage ou de vidange d’un bassin d’accumulation.

49. Selon le message du Conseil fédéral, «l’alinéa 2 vise à assurer que le curage et la vidange ne soit pas effectué à un mauvais moment et que les mesures de protection nécessaires soient ordonnées à temps, de façon à être efficaces» (Message LEaux 1987, 1168).

50. Dans un avis de droit de l’OFEV du 13 décembre 2004, «le but pour garantir que la faune et la flore dans la partie inférieure du cours d’eau ne soient pas endommagées ne peut être atteint que si tous les curages et vidanges sont soumis à autorisation». A défaut d’autorisation, l’autorité cantonale n’aurait en effet pas connaissance de ces opérations et ne pourraient donc pas fixer les conditions pour réaliser cette opération.

51. De plus, que les curages ou les vidanges soient uniques ou répétés à intervalles réguliers (curages périodiques), l’exploitant doit impérativement requérir une autorisation de l’autorité cantonale compétente.

52. D’ailleurs, la deuxième phrase de l’alinéa 2 relative aux curages périodiques ne mentionne nullement que l’autorité doive renoncer à délivrer une autorisation. Bien au contraire, lorsque l’autorité doit se borner à fixer le moment de l’opération et son mode d’exécution périodique au sens de l’art. 40 al. 2 LEaux, elle le fait nécessairement sous la forme d’une autorisation en bonne et due forme, sujette à recours au demeurant.

53. On peut en revanche déduire de l’al. 2, deuxième partie, qu’une seule et même autorisation est nécessaire et suffisante pour plusieurs opérations de curages et de vidanges qui ont lieu à des dates répétées (vidanges ou curages périodiques).

 

2.             De la nécessité à procéder à un curage ou une vidange

54. Conformément à l’art. 42 OEaux, il faut encore examiner si un autre procédé d’évacuation des eaux ne serait pas plus approprié du point de vue du droit régissant la protection de l’environnement que la procédure de curage faisant l’objet de la procédure d’autorisation querellée (DEP 2000, 131).

55. L’art. 42 OEaux prévoit en effet qu’il convient en principe d’éviter les procédés abrasifs d’élimination des sédiments, si cela est compatible avec les intérêts de l’environnement et économiquement supportable (RDAF 2000 I 766). L’al. 2 précise que le préjudice porté aux biocénoses doit être le plus faible possible.

56. Comme mentionné dans la partie II «Remarques générales», le Tribunal fédéral considère que, même si l’art. 42 OEaux va plus loin que l’art. 40 LEaux en limitant les possibilités d’évacuer les sédiments, il est immédiatement applicable (ATF 125 II 591, consid. 5bb = JdT 2000 I 768).

57. En pratique et au préalable, l’exploitant doit d’abord démontrer que la sécurité du bassin de retenue ne peut plus être garantie sans évacuer les sédiments accumulés.

58. L’exploitant doit ensuite démontrer qu’il n’est pas possible de pratiquer une autre méthode, telle que le dragage à sec, celui en retenue ou encore le dragage par aspiration qui ménagent davantage les écosystèmes ainsi que les dépenses énergétiques et financières. Il importe en effet d’examiner si un autre procédé d’évacuation des sédiments ne serait pas meilleur du point de vue environnemental que la méthode préconisée.

59. D’après la jurisprudence, «cela signifie d’abord que les curages ne sont pas en eux-mêmes exclus, même lorsqu’ils sont à l’origine d’atteintes à l’environnement. Ensuite, les exigences du droit de l’environnement n’ont pas une priorité absolue; les méthodes respectueuses de l’environnement ne doivent être utilisées que si elles sont économiquement supportables. Cette réglementation recherche un certain équilibre entre les intérêts du droit de l’environnement et les intérêts privés des propriétaires d’ouvrage, qui ne peuvent ainsi choisir sans autre la méthode d’évacuation la moins chère. L’administration fédérale a précisé que les sédiments qui s’accumulent dans les bassins de retenue devaient en principe être évacués par aspiration ou par d’autres méthodes semblables. Ce principe ne s’applique toutefois pas si, après un examen d’ensemble, cette solution apparaît comme non respectueuse de l’environnement ou économiquement insupportable. Dans ce cas, les sédiments devraient être filtrés, tout en respectant diverses exigences environnementales» (ATF 125 II 591, consid. 6a = JdT 2000 I 769).

60. Dans son arrêt Wägital, le Tribunal fédéral relève que certes si, sous l’angle de la dynamique de l’eau, des curages présentent l’avantage de déverser en aval des alluvions et matériaux fins retenus jusqu’alors par le barrage, il n’en demeure pas moins que «le report temporaire de l’apport de matériaux dans le delta (à l’aval), ainsi que la répartition de ces matériaux quant à leur taille, s’écarte cependant de la situation naturelle car l’eau des curages contient plus de matériaux fins que ce qui est le cas en moyenne» (ATF 125 II 591, consid. 9c = JdT 2000 I 775).

61. Ainsi, dans l’appréciation entre une vidange ou une autre méthode alternative d’évacuation des sédiments, l’autorité cantonale doit évaluer d’autres facteurs, tels que le transport et l’élimination des sédiments, les voies d’accès existantes, les nuisances sonores et celles liées au trafic, la mise en décharge des matériaux, le bilan énergétique.

62. Il faut ainsi que l’examen par l’autorité cantonale fournisse des indications relatives à la concentration maximale de matières en suspension durant les curages, à la durée maximale admise pour chaque curage, au moment où ces curages doivent avoir lieu, à l’utilisation de l’eau du lac de retenue pour éclaircir l’eau du curage, à l’obligation de mesurer en permanence la teneur des matériaux en suspension, à l’élimination des éléments flottants dans le bassin de retenue ainsi qu’au maintien d’un état qualitatif aussi naturel que possible dans les sections des cours d’eau touchés par le curage ainsi qu’à assurer un suivi des effets du curage (ATF 125 II 591, consid. 9dd = JdT 2000 I 778).

63. Au final, le choix de la variante retenue doit permettre d’atteindre un bénéfice écologique optimal et la situation du site sur le plan écologique se rapproche le plus possible de l’état antérieur, avant la vidange.

64. C’est ainsi que le Tribunal fédéral admet que même si une méthode alternative proposée peut être plus favorable du point de vue de la protection des eaux, il faut encore qu’elle le soit sur le plan écologique en raison de la pollution de l’air, du bruit et de la circulation.

 

3.             De la justification économique de la méthode d’évacuation autorisée

65. La méthode d’évacuation à autoriser doit encore être économiquement supportable. Il a été précisé précédemment, sous chiffre III, lettre A, que les méthodes alternatives de vidange plus respectueuses de l’environnement n’auront la préférence que si elles sont aussi financièrement supportables
(cf. Huber-Wächli/Keller, Jurisprudence jusqu’en 2002, 443). «L’autorité cantonale ne doit ainsi prescrire aucun curage qui ne soit pas économiquement supportable» (RDAF 2000 I 766).

66. Pour apprécier le caractère économiquement supportable des mesures requises pour l’exploitant d’un barrage, la jurisprudence relative à l’art. 80 LEaux considère qu’il faut prendre en compte les critères suivants: la valeur des investissements réalisés, la possibilité de les amortir pendant la durée de vie de la concession, la possibilité de payer des intérêts sur le capital de manière convenable et de couvrir les frais courants tout en maintenant une liquidité suffisante (TF 1C_262/2011 du 15 novembre 2012, in: DEP 2012, 854; ATF 127 II 69, consid. 5a; ATF 126 II 171, consid. 4b).

67. Dans son arrêt Wigger de 2012, le Tribunal fédéral a rappelé que les mesures imposées au détenteur d’une centrale hydroélectrique doivent permettre une exploitation rentable de l’installation et que leurs limites sont définies à l’art. 80 al. 1 LEaux, relatif aux assainissements admissibles. Un assainissement au sens de l’art. 80 al. 1 LEaux n’est admissible que s’il ne porte pas atteinte à la substance des droits acquis, garantis par l’art. 43 LFH, lequel prévoit qu’une fois concédé, le droit d’utilisation du cours d’eau ne peut être retiré ou restreint sauf pour cause d’utilité publique et moyennant indemnité.

68. La question de l’admissibilité de l’assainissement «s’examine au regard du caractère économiquement supportable des mesures pour le détenteur de ces droits acquis. La rentabilité minimale de l’exploitation doit être garantie. Il doit rester possible d’amortir les investissements pendant la durée de l’exploitation de l’installation, d’assumer les intérêts sur le capital, de couvrir les frais et de créer des liquidités suffisantes. Ainsi, le critère du caractère économiquement supportable des mesures est orienté vers la viabilité de l’activité économique et la préservation de la valeur des investissements, conformément au principe de la bonne foi et à la garantie de la propriété» (ATF 138 II 575, consid. 4.5).

69. Dans l’arrêt du 15 novembre 2012 Misoxer Kraftwerke, le Tribunal fédéral ajoute que l’autorité n’a plus la possibilité de procéder à une pesée des intérêts car «le législateur a clairement fixé la hiérarchie des intérêts à considérer, d’autres intérêts tels que ceux relevant du renforcement de l’usage de la force hydraulique dans le contexte de la sortie du nucléaire, de la prévention de la perte de places de travail, du risque de pertes fiscales ne peuvent pas être pris en considération» (TF 1C_262/2011 du 15 novembre 2012, consid. 2.7.1, in: DEP 2012, 864).

70. Cet arrêt confirme que seul le caractère économiquement supportable des mesures détermine l’admissibilité de l’assainissement au sens de l’art. 80 al. 1 LEaux. Selon la doctrine, «une pesée globale de tous les intérêts en présence est dès lors exclue. Ce n’est que dans le cadre de l’art. 80 al. 2 LEaux qu’une pesée de l’ensemble des intérêts s’avère nécessaire. Cette dernière disposition permet un assainissement supplémentaire lorsque le cours d’eau traverse des paysages ou des biotopes répertoriés dans un inventaire national ou cantonal ou que des intérêts publics prépondérants l’exigent» (RDAF 2013 I 481, consid. 4.5).

71. Il faut donc que les mesures imposées par l’autorité pour autoriser une vidange permettent à l’exploitant de maintenir des revenus suffisants et une rentabilité minimale intacte.

72. La doctrine précise que «la quantification de la limite du caractère économiquement supportable consiste à déterminer le niveau de perte de production (Produktionseinbussen/‑verminderung) ou de revenu (Erlöseinbussen/‑verminderung) acceptable, déterminé sur la base de la production moyenne, en fonction des conditions d’exploitation économique de l’installation» (Largey, Assainissement des cours d’eau, 101 s.).

73. Il appartient donc à l’autorité cantonale qui doit délivrer l’autorisation de vidanger d’apprécier la situation de cas en cas. Elle dispose d’un large pouvoir d’examen pour déterminer si les mesures d’accompagnement de l’opération de vidange ou curage s’imposent en fonction de la situation locale du cours d’eau et de leur influence sur les milieux naturels et si elles peuvent être économiquement et raisonnablement imposées au détenteur du barrage.

74. Il faut cependant faire attention dans cette appréciation de ne pas décourager les investisseurs intéressés par de nouvelles capacités de produire l’énergie. «Confronté à la sortie planifiée du nucléaire, à la volonté publique affichée de réduire les émissions de CO2 et à la longueur des procédures pour construire de nouvelles installations de production, l’art. 80 LEaux apparaît comme un bloc erratique hérité du début des années 1990, quand l’ouverture du marché suisse de la production électrique à la concurrence n’était qu’une idée et quand la priorité n’était pas de mettre en valeur toute nouvelle source d’énergie renouvelable, si minime soit-elle» (Fournier, Au fil de l’eau, 447).

75. Les explications et règles définies précédemment valent mutandis mutandis pour une autorisation de procéder à des curages et vidanges périodiques.

 

C.           Abaissement extraordinaire du niveau des eaux (al. 3)

1.             Les événements extraordinaires

76. L’alinéa 3 de l’art. 40 LEaux permet exceptionnellement à l’exploitant d’un barrage de procéder immédiatement à un abaissement du niveau des eaux pour des raisons de sécurité.

77. L’art. 42 OEaux précise qu’en cas d’abaissement extraordinaire des eaux, les alinéas 1 et 2 de l’art. 41 OEaux ne sont pas applicables, c’est-à-dire qu’il n’y a pas lieu de tenir compte des intérêts écologiques et qu’il n’y a pas lieu de requérir une autorisation de curage ou vidange.

78. Il faut qu’il s’agisse d’un événement extraordinaire qui nécessite un tel abaissement.

79. Pour définir ces événements extraordinaires on peut s’inspirer du message du Conseil fédéral relatif à la LOA, qui définit six menaces possibles pouvant engendrer une situation de danger, à savoir un comportement anormal de l’ouvrage (par exemple un déplacement, une déformation) ou de ses fondations (par exemple une modification des percolations), un glissement de terrain ou un éboulement (de roches, d’un glacier) dans la zone de retenue, une crue extraordinaire, un fort séisme, un acte de sabotage et une action militaire. Les trois premières menaces sont généralement détectées à temps; elles permettent donc la mise en oeuvre de mesures avant que la population ne doive être évacuée. Dans le cas d’un tremblement de terre de magnitude égale ou supérieure à 3, tous les barrages doivent, par principe, faire l’objet d’un contrôle exceptionnel sur le site. Les actes de sabotage ou une guerre ne peuvent pas, par définition, être planifiés et nécessitent l’évacuation de la population riveraine (Message LOA 2006, 5767 s.).

 

2.             Information à l’autorité cantonale

80. L’alinéa 3, deuxième partie, oblige l’exploitant à annoncer immédiatement à l’autorité cantonale un abaissement du niveau des eaux pour des raisons de sécurité.

81. Cette obligation d’annonce résulte du devoir général d’information et de diligence, prévu à l’art. 3 LEaux, et est prévu à l’art. 21 OSOA. Elle a encore été renforcée par les dispositions à prendre pour les cas d’urgence énoncés à l’art. 10 LOA.

82. En effet, l’art. 40 al. 3 LEaux est complété maintenant par l’art. 10 LOA, qui dispose que «l’exploitant prend des dispositions pour le cas où la sûreté de l’exploitation de l’ouvrage d’accumulation ne serait plus garantie du fait d’une anomalie, d’un événement naturel ou d’un acte de sabotage. En cas d’urgence, il est tenu de prendre toutes les mesures évitant de mettre en danger les personnes, les biens et l’environnement».

83. L’art. 10 al. 2 LOA permet certes à l’exploitant, en cas d’urgence, de prendre toutes les mesures commandées par les circonstances et qui permettent d’éviter de mettre en danger non seulement les personnes et les biens mais également l’environnement. Dans la graduation, il est évident que la population doit être protégée en premier lieu.

84. L’information à l’autorité cantonale est désormais inscrite également aux art. 11 à 13 LOA, lesquels exigent un plan d’urgence qui doit garantir que, lorsqu’une défaillance menace de survenir dans un ouvrage d’accumulation, les autorités doivent être alertées suffisamment tôt pour pouvoir ordonner à temps les mesures nécessaires en vue d’éviter des dommages ou, cas échéant, d’évacuer les personnes menacées (Message LOA 2006, 5778).

 

 

Zusammenfassung

Art. 40 GSchG enthält Bestimmungen zur Spülung und Entleerung von Stauräumen. Der Inhaber einer Stauanlage muss dafür sorgen, dass bei der Spülung und Entlerrung des Stauraumes, beim Ablassen von Wasser und der Hochwasserentlastung, die Tier‑ und Pflanzenwelt im Unterlauf des Gewässers nicht beeinträchtigt wird (Abs. 1). Spülungen und Entleerungen dürfen nur mit einer Bewilligung der kantonalen Behörden vorgenommen werden, wobei die Bewilligungsbehörde die interessierten Fachstellen anhört (Abs. 2). Die Behörde ist für die Einhaltung der Umweltschutzgesetzgebung verantwortlich. Bevor die Behörden eine Bewilligung für eine Spülung eines Staubeckens erteilt, muss sie sicherstellen, dass die Sedimente anders als durch Ausschwemmung entfernt werden, wenn dies umweltverträglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 42 Abs. 1 GSchV). In den meisten Fällen ist der Einsatz von Schwimmbaggern möglich und eine Spühlung daher nicht notwendig. Bei den Vorgaben in Bezug auf die Modalitäten, welche bei einer Spülung vom Inhaber zu beachten sind, kommt den Behörden ein relativ grosses Ermessen zu. Mit einer Spülung werden die Sedimente durch das Wasser mitgerissen und gegebenenfalls das Bassin ganz ausgetrocknet. Eine Spülung oder Entleerung hat stets einen Effekt auf das hydrologische System indem Erosion begünstigt wird und die Schwebstofffracht die physikalisch-chemischen Eigenschaften des abfliessenden Wassers verändert. Wenn periodische Spülungen und Entleerungen zur Erhaltung der Betriebssicherheit notwendig sind, muss bloss eine Bewilligung eingeholt werden und die Behörde legt lediglich Zeitpunkt und Art der Durchführung fest (Abs. 2). In der Praxis muss der Inhaber zunächst aufzeigen, dass die Sicherheit der Anlage ohne Entfernung der Sedimente nicht mehr garantiert ist und diese Entfernung aus Gründen der Umweltverträglichkeit und/oder der wirtschaftlichen Tragbarkeit nicht mit einer anderen Methode als Spülung und Entleerung erreicht werden kann. Wirtschaftlich tragbar sind gemäss Bundesgericht Eingriffe dann, wenn die Mindestrentabilität des Werks intakt bleibt, wobei diese Beurteilung auf die wirtschaftliche Existenzfähigkeit und den Investitionsschutz ausgerichtet ist. Wenn der Inhaber der Stauanlage aufgrund ausserordentlicher Ereignisse den Stausee aus Sicherheitsgründen sofort absenken muss, hat er unverzüglich die Bewilligungsbehörde zu informieren (Abs. 3). Ein solches ausserordentliches Ereignis liegt beispielsweise bei einer Beschädigung der Stauanlage, einem Erdrutsch, einem Felssturz oder Gletscherabbruch in der Rückhaltezone, einem ausserordentlichen Hochwasser, einem starken Erdbeben oder einer militärischen Aktion vor.

 

 

Bibliographie: Fournier Jacques, Au fil de l’eau, in: Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 2013, 444 ss (cit. Au fil de l’eau); Jansen LUc, Renaturation et adaptation du droit cantonal aux nouvelles dispositions de la législation fédérale sur la protection des eaux, in: DEP 2012, 126 ss (cit. Protection des eaux); Largey Thierry, L’assainissement des cours d’eau dans l’application de l’art. 80 LEaux, in: DEP 2013, 92 ss (cit. Assainissement des cours d’eau); Seitz Andreas/Zimmermann Willi, Loi fédérale sur la protection de la nature et du paysage (LPN) – jurisprudence du Tribunal fédéral de 1997 à 2007, in: DEP 2008, 659 ss (cit.Jurisprudence LPN 1997–2007).

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement (OFEV) (édit.) (rédigé par Gerster Stefan/Rey Peter), Conséquences écologiques des curages dans les bassins de retenue, Recommandations pour la planification et l’exécution de mesures d’accompagnement, Cahier de l’environnement SRU-219-F, Berne 1994 (cit. Cahier de l’environnement no 219); Message relatif à une loi fédérale sur les ouvrages d’accumulation du 9 juin 2006, FF 2006 5761 ss (cit. Message LOA 2006); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007).

Salibian Kolly Karine​

 

Détritus flottants accumulés près des ouvrages de retenue

1         Celui qui exploite un ouvrage de retenue a l’interdiction de rejeter en aval les détritus flottants recueillis en amont. L’autorité peut autoriser des exceptions.

2         Il doit recueillir périodiquement les détritus flottant aux abords des installations, conformément aux prescriptions de l’autorité.

Treibgut bei Stauanlagen

1         Wer ein Gewässer staut, darf Treibgut, das er aus betrieblichen Gründen dem Gewässer entnommen hat, nicht ins Gewässer zurückgeben. Die Behörde kann Ausnahmen bewilligen.

2         Der Inhaber der Stauanlage muss das Treibgut nach den Anordnungen der Behörde im Bereich seiner Anlagen periodisch einsammeln.

Detriti fluttuanti presso impianti di ritenuta

1         Chiunque invasa l’acqua in un impianto di ritenuta non può riversarvi i detriti fluttuanti prelevati in precedenza. L’autorità può autorizzare deroghe.

2         Egli è tenuto a raccogliere periodicamente i detriti fluttuanti in vicinanza dei suoi impianti, conformemente alle disposizioni emanate dall’autorità.

 

Table des matières

Historique 1
II. Remarques générales 8
III. Commentaire 11
A. Interdiction de rejet et exception (al. 1) 11
1. Le principe d’interdiction de rejet 11
2. Les exceptions 21
B. Obligation de recueillir les détritus (al. 2) 23

 

 

I.              Historique

1. Il ressort du message du Conseil fédéral relatif à la LEaux que «les détritus flottants s’accumulent généralement à proximité des usines hydroélectriques ou des autres installations de retenue lorsque le débit du cours d’eau est élevé. Pour des raisons faciles à comprendre, les matières entraînées par les hautes eaux ne sauraient faire l’objet de la présente disposition. Il est par contre évident que les détritus retirés pour des raisons liées à l’exploitation ne doivent pas être rejetés dans le cours d’eau. L’autorité cantonale peut autoriser des exceptions, par exemple lorsque plusieurs retenues se succèdent sur un cours d’eau et qu’il est donc avantageux d’apporter une solution commune à la question détritus» (Message LEaux 1987, 1168).

2. Il apparaît que les termes employés par le Conseil fédéral, comme «pour des raisons faciles à comprendre» ou «évident», indiquent que cette disposition relève simplement du bon sens et rappelle que l’exploitant d’un barrage ne doit pas prendre les déchets en amont pour les rejeter en aval.

3. S’agissant de l’al. 2, qui oblige l’exploitant d’un ouvrage de retenue de recueillir périodiquement les détritus flottants aux abords des installations, n’est pas non plus une nouveauté mais une reprise de l’ancien art. 28 de LEaux 1971, dans sa teneur du 8 octobre 1971.

4. Selon le Conseil fédéral, il faut en effet «de temps en temps éliminer les matériaux charriés par la rivière, ne serait-ce que dans l’intérêt de la qualité des eaux, et notamment de la protection de la végétation riveraine» (Message LEaux 1987, 1169).

5. La seule différence entre l’actuel art. 41 LEaux et l’ancien art. 28 de la LEaux 1971 porte sur la note marginale. En effet, auparavant, il s’agissait de réglementer les débris et détritus s’accumulant près des centrales hydroélectriques et autres ouvrages hydrauliques alors qu’aujourd’hui il s’agit de régir les détritus accumulés près de tout ouvrage de retenue.

6. Il n’est désormais plus fait mention de débris parce que ce terme est devenu inconnu en droit suisse. Aujourd’hui, la législation sur la protection de l’environnement fait référence au terme «déchets», dont la définition est donnée à l’art. 3 OTD, mais fait rarement référence au terme de «détritus». Il n’en demeure pas moins que dans le langage courant un détritus reste synonyme de déchet, résidu ou ordure ou encore débris.

7. Les détritus sont, pour la plupart, d’origine végétale et doivent être acheminés dans une installation de traitement des déchets, conformément à l’art. 30 LPE. Bien souvent ces matériaux sont d’abord entreposés à proximité de l’ouvrage d’accumulation pour stockage intermédiaire et tri, puis acheminés pour compost ou incinération.

 

 

II.           Remarques générales

8. Cette disposition légale a fait l’objet de peu de jurisprudence et d’aucune disposition d’application dans l’OEaux ou dans des directives techniques de l’OFEV ou l’OFEN. Comme dit précédemment, il est vrai que cette disposition relève du bon sens et du devoir de préservation de la qualité des cours d’eau, imposé à l’exploitant d’un barrage en vertu de la concession qui lui est accordée pour l’usage de la force hydraulique du cours d’eau.

9. Cette disposition légale est le pendant de l’art. 6 LEaux, lequel fixe une interdiction générale de polluer l’eau. Ainsi, les matériaux introduits licitement ou illicitement dans un cours d’eau et charriés dans le bassin de retenue d’un barrage doivent être évacués par l’exploitant dudit ouvrage.

10. A noter cependant que l’exploitant de l’ouvrage de retenue n’est pas nécessairement celui qui a introduit les détritus aux abords de son installation. En effet, en raison de son statut de propriétaire de l’installation, de détenteur du tronçon du cours d’eau qui lui est concédé et en vertu du devoir général de diligence prévu à l’art. 3 LEaux, l’exploitant de l’ouvrage de retenue est tenu de maintenir les abords de son installation exempts de tous détritus. Il est en quelque sorte un perturbateur par situation car propriétaire de l’ouvrage d’accumulation et concessionnaire du bassin de retenue.

 

 

III.        Commentaire

A.           Interdiction de rejet et exception (al. 1)

1.             Le principe d’interdiction de rejet

11. L’utilisation des eaux par un exploitant à des fins privatives doit faire l’objet d’une concession réglementée en détail par la LFH et par le droit cantonal. Ce type de concession confère à son bénéficiaire un droit acquis sur le cours d’eau concédé, lequel droit résiste à l’application des nouvelles normes susceptibles d’entrer en vigueur au cours de la durée de la concession et d’atteindre la substance du droit concédé (art. 43 LFH; ATF 139 II 28, cons. 2.7.2, in: JdT 1983 I 240, cons. 3b).

12. L’exploitant d’un ouvrage de retenue est donc celui qui est au bénéfice d’une concession ou d’une autorisation pour disposer de la force hydraulique d’un cours d’eau, accordée par la collectivité publique concernée. L’exploitant n’est pas nécessairement le propriétaire de l’ouvrage mais, en cas de dommage, le propriétaire et l’exploitant répondent solidairement en vertu de l’art. 14 al. 3 LOA et de l’art. 58 CO.

13. Les ouvrages de retenue sont des barrages fixes ou mobiles et des digues permettant de créer un plan d’eau, appelé retenue d’eau ou réservoir, servant à la production d’électricité, à l’irrigation de terres, à l’alimentation en eau ou encore au contrôle des crues.

14. En Suisse, on parle aussi d’ouvrage d’accumulation, dont la définition est donnée à l’art. 2 OSOA, lequel se compose de l’ouvrage de retenue, du bassin de retenue qui lui appartient et des installations annexes nécessaires à l’exploitation de l’ensemble de l’ouvrage.

15. La définition des détritus a été donnée dans la partie historique du présent commentaire. Les détritus de l’art. 41 LEaux doivent cependant avoir la particularité d’être flottants et cela dans le bassin de retenue à l’amont de l’ouvrage d’accumulation.

16. D’une manière générale, l’art. 22 LFH prescrit que les usines hydrauliques doivent ménager la beauté des sites et déparer le moins possible le paysage. C’est pourquoi il faut enlever régulièrement les détritus flottant dans les bassins de retenue qui constituent une pollution visuelle, souvent accompagnée d’une pollution olfactive.

17. Ces matériaux menacent également la sécurité de l’ouvrage d’accumulation puisqu’ils peuvent se coincer dans les vannes, s’accumuler le long du barrage et à l’entrée des ouvrages annexes, tels qu’une passe à poissons. Ils peuvent perturber ainsi le bon fonctionnement des installations et générer des pertes d’exploitation.

18. Leur enlèvement est donc dicté avant tout pour éviter des pollutions visuelles et olfactives et préserver une bonne qualité des eaux et un écoulement adéquat, mais également pour des motifs de sécurité, de bon fonctionnement des installations et de rentabilité.

19. L’art. 32 al. 2 LFH complète l’art. 41 LEaux car il précise que les détails de l’utilisation des cours d’eau, spécialement la retenue des eaux et l’enlèvement des objets charriés, sont réglés par les cantons.

20. Il faut donc examiner dans chaque cas d’espèce comment le droit cantonal ou la concession règle les modalités d’enlèvement des détritus charriés dans le bassin de retenue.

 

2.             Les exceptions

21. Dans son message relatif à la LEaux, le Conseil fédéral cite une seule exception qui peut être admise par l’autorité cantonale, à savoir le fait que plusieurs bassins de retenue se succèdent sur un cours d’eau et qu’il faille laisser les détritus être charriés dans les bassins situés à l’aval permettant ainsi d’apporter une solution commune et unique à la question des détritus (Message LEaux 1987, 1081 ss, en particulier 1168).

22. Certains matériaux flottants ne sont pas toujours considérés comme des détritus. Il en va ainsi des bois morts flottants qui peuvent abriter une faune importante et constituent des éléments de vie pour les castors. Il est parfois donc nécessaire que ces bois morts restent dans le cours d’eau et continuent à constituer un abri pour la faune.

B.            Obligation de recueillir les détritus (al. 2)

23. Celui qui exploite un ouvrage de retenue a l’obligation de recueillir périodiquement les détritus. L’art. 41 al. 2 LEaux admet implicitement que l’exploitant doit éliminer ces détritus d’une manière respectueuse de l’environnement, comme l’exige au demeurant l’art. 30 LPE.

24. Il est important de constater que l’art. 41 LEaux concerne un entretien préventif de l’ouvrage d’accumulation. Il ne s’agit nullement d’un entretien curatif, lourd et ayant des conséquences dommageables pour l’environnement, qui lui relève exclusivement des dispositions prévues à l’art. 40 LEaux.

25. A noter que cette obligation de recueillir les déchets peut très bien être déléguée à un tiers. En effet, le droit cantonal peut prévoir qu’une collectivité publique ou un tiers, et non l’exploitant de l’ouvrage de retenue, a la charge d’aménager et d’entretenir le cours d’eau ou une étendue d’eau et ses rives, en vertu des art. 3 et 4 LACE.

26. Selon la doctrine, «celui qui tire bénéfice du cours d’eau participe financièrement à son aménagement. Le droit cantonal, la concession, voire les deux, obligent ainsi le concessionnaire hydroélectrique qui bénéficie de l’entretien ou de l’aménagement du cours d’eau à participer financièrement aux travaux entrepris par la collectivité publique ou le tiers responsable de l’entretien» (Fournier, Au fil de l’eau, 444).

27. Il en résulte que, d’une part, le droit cantonal ou la concession peut déléguer à un tiers l’obligation de prélever les détritus. D’autre part, la collectivité publique ou le tiers, qui a enlevé les détritus flottants en lieu et place du concessionnaire, peut réclamer à ce dernier une participation financière pour les travaux entrepris.

28. Par ailleurs, l’art. 41 al. 2 LEaux précise que l’exploitant doit recueillir périodiquement les détritus flottants.

29. Or, la fréquence du ramassage est avant tout dictée par les circonstances du cas d’espèce et varie notamment en fonction du type de bassin, de sa capacité, de la qualité des eaux retenues et du volume de matériaux charriés.

30. Là aussi, l’autorité cantonale compétente doit apprécier la situation en fonction du cas d’espèce pour définir quand les détritus doivent être recueillis par l’exploitant.

31. Le droit cantonal ou la concession doivent également définir la procédure applicable à cet entretien préventif, notamment si cette procédure requiert une autorisation de l’autorité cantonale compétente ou si une simple annonce d’exécution de travaux d’entretien suffit.

 

 

Zusammenfassung

Die Inhaber von Stauanlagen dürfen Treibgut, dass sie aus betrieblichen Gründen dem Gewässer entnommen haben, nicht mehr zurückgeben (Abs. 1), sondern müssen dieses entsorgen oder entsorgen lassen. Der Inhaber der Anlage nutzt das Wasser und wird dadurch zu einem Zustandsstörer. Bei Treibgut handelt es sich um Feststoffe, die im Wasser schwimmen, beispielsweise Bäume, Äste, Laub oder Kunststoffgegenstände. Eine Entfernung des Treibgutes ist notwendig, um eine Wasserverschmutzung zu verhindern sowie aus Sicherheits- und betrieblichen Gründen. Gemäss Abs. 1 Satz 2 kann die Behörde vom Rückgabeverbot Ausnahmen bewilligen. Das wäre beispielsweise denkbar, wenn sich mehrere Staubecken hintereinander befänden und damit eine gemeinsame Lösung für die Entnahme des Treibgutes realisiert werden könnte. Der Inhaber der Stauanlage ist verpflichtet, das Treibgut im Bereich seiner Anlagen periodisch einzusammeln (Abs. 2). Diese Aufgabe kann entsprechend den kantonalen Bestimmungen und der Konzession auch einem Dritten übertragen werden. Das Gesetz spricht von einem periodischen Einsammeln, wobei die Häufigkeit hauptsächlich von den Umständen im Einzelfall und der Funktion, Eigenschaft des Beckens sowie dem Volumen des Treibguts bestimmt wird. Im Zusammenhang mit der Entnahme von Treibgut ist immer auch das Wasserrechtsgesetz, das kantonales Recht sowie die jeweilige Konzession zu beachten.

 

 

Bibliographie: Fournier Jacques, Au fil de l’eau, in: Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 2013, 444 ss (cit. Au fil de l’eau).

Eichenbaum Niklaus

 

Entnahme und Einleitung von Wasser oder Abwasser

1         Wird bei einem natürlichen See Wasser entnommen oder eingeleitet, so dürfen sich dadurch die Schichtungs‑ und Strömungsverhältnisse im See nicht wesentlich verändern, und es dürfen keine Spiegelschwankungen auftreten, die zu Beeinträchtigungen im Uferbereich führen können.

2         Bei einem Fliessgewässer sind Art und Ort der Einleitung von Wasser oder Abwasser so zu wählen, dass möglichst keine Verbauungen und Korrektionen notwendig werden.

Prélèvement et déversement d’eau

1         Le prélèvement ou le déversement d’eau dans un lac naturel ne doit pas se traduire par une modification sensible de la stratification et des courants du lac, ni entraîner de variation de niveau susceptible de porter atteinte à la zone riveraine.

2         Lorsque de l’eau est évacuée dans un cours d’eau, le mode et l’emplacement du déversement seront choisis de façon à éviter autant que possible les endiguements et les corrections.

Prelievo d’acqua e immissione d’acqua o di acque di scarico

1         Il prelievo o l’immissione d’acqua in un lago naturale non deve provocare una modificazione sensibile degli strati d’acqua e delle correnti del lago, né comportare variazioni di livello tali da arrecare pregiudizio alla zona ripuale.

2         Qualora acqua o acque di scarico siano immesse in corsi d’acqua, le modalità e il punto dell’immissione devono essere scelti in modo da non richiedere, per quanto possibile, arginature o correzioni.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 2
A. Zweck der Bestimmung 2
B. Bestimmung in der Praxis 3
III. Kommentierung 6
A. Entnahme und Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen (Abs. 1) 6
1. Gegenstand der Regelung 6
2. Untersagte Veränderungen 8
​3. Mögliche Massnahmen 14
B.​ ​Einleitung von Wasser oder Abwasser bei Fliessgewässern (Abs. 2) 16
​1. ​Gegenstand der Regelung 16
​2. ​Wahl von Art und Ort der Einleitung 18

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Gewässerschutzgesetze aus den Jahren 1955 und 1971 enthielten noch keine Regelung zum Schutz der Gewässer vor negativen Einwirkungen durch Entnahme und Einleitung von Wasser und Abwasser. Erst mit dem revidierten Gewässerschutzgesetz, welches am 1. November 1992 in Kraft getreten ist, wurde mit Art. 42 GSchG eine entsprechende Regelung ins Gesetz aufgenommen. Seither besteht diese in unveränderter Form. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen gab der Artikel keinen Anlass zu Diskussionen.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Zweck der Bestimmung

2. Art. 42 GSchG ist dem dritten Kapitel (des zweiten Titels) des Gewässerschutzgesetzes zur «Verhinderung und Behebung anderer nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer» zugeordnet. Zweck der Regelung ist somit nicht der Schutz genügender Restwassermengen – wie dies die Art. 29 ff. GSchG zum Gegenstand haben – sondern vielmehr der Schutz vor weiteren strukturverändernden Eingriffen in natürliche Seen und Fliessgewässer. Allgemein bezweckt die Bestimmung somit den Schutz der natürlichen Gewässer als Lebensräume für Tiere und Pflanzen und des Ökosystems als Ganzes. Durch Entnahme oder Einleitung von Wasser oder Abwasser kann die Funktion von Gewässern, vor allem durch Schwankungen des Wasserspiegels, durch Veränderung der Wassertemperatur und damit verbunden der Schichtungsverhältnisse oder auch durch Veränderungen der Strömungsverhältnisse, erheblich beeinträchtigt und gestört werden. Art. 42 GSchG bezweckt, vor solchen negativen Einwirkungen zu schützen. Dabei geht es um den Schutz des Ökosystems See im Allgemeinen sowie um den Schutz der Wasserqualität und auch der Ufervegetation im Besonderen. Entsprechende Eingriffe sind deshalb möglichst massvoll und schonend vorzunehmen. Abs. 1 bringt dies deutlich zum Ausdruck, indem wesentliche Veränderungen der Schichtungs‑ und Strömungsverhältnisse sowie Spiegelschwankungen verhindert werden sollen. Abs. 2 bezweckt demgegenüber den Schutz der Fliess-gewässer vor solchen negativen Folgen der Einleitung von Wasser und Abwasser.

 

B.            Bestimmung in der Praxis

3. Art. 42 GSchG wird in der Literatur nur vereinzelt behandelt (z.B. in Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 992 f.). In der Praxis spielt insbesondere Abs. 2 dieser Bestimmung keine unwesentliche Rolle. Die Einleitung von Wasser und Abwasser in Fliessgewässer muss vorausschauend geplant werden. Abs. 2 stellt hierfür Grundsätze auf. Die Einleitung hat möglichst schonend und ohne Verbauungen und Korrektionen zu erfolgen. Konkrete Schutzmassnahmen werden nicht im Detail vorgesehen. Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, dass zu dieser Bestimmung trotz ihrer praktischen Bedeutung keine Judikatur bekannt ist.

4. Abs. 1 kann hauptsächlich bei kleineren natürlichen Seen eine wichtige Rolle spielen, da hier Wassereinleitung und ‑entnahme erhebliche Auswirkungen auf das Gewässer und den Uferbereich haben können. Bei grösseren Seen sind die Auswirkungen demgegenüber in der Regel geringer, weshalb der Regelung in diesem Bereich keine grosse Bedeutung zukommt.

5. In den kantonalen Erlassen finden sich in Bezug auf Art. 42 GSchG vereinzelt Zuständigkeitsvorschriften. So wird beispielsweise im Kanton Bern das Amt für Wasser und Abfall mit dem Vollzug dieser Vorschrift beauftragt (Art. 2 Abs. 5 KGV BE). Im Kanton Appenzell Ausserrhoden nimmt diese Aufgabe das kantonale Tiefbauamt wahr (Art. 63 Abs. 1 Bst. e UGsG AR).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Entnahme und Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen (Abs. 1)

1.             Gegenstand der Regelung

6. Gemäss ihrem Wortlaut umfasst die Regelung von Abs. 1 explizit nur die Entnahme und das Einleiten von Wasser bei natürlichen Seen. Nicht Gegenstand dieser Bestimmung sind somit Stauseen und Fliessgewässer. Für Fliessgewässer enthält Abs. 2 in Bezug auf die Einleitung von Wasser oder Abwasser entsprechende Vorschriften.

7. Abs. 1 betrifft sowohl die Entnahme als auch die Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen. Bei einer Entnahme von Wasser aus einem natürlichen See senkt sich dessen Wasserstand ab. Eine Entnahme kann bspw. zum Betrieb eines Pumpspeicherwerks, zur Gewinnung von Trinkwasser oder zur Nutzung als Kühlwasser in einem Industriebetrieb erfolgen. Bei der Einleitung von Wasser in einen natürlichen See hebt sich dessen Wasserstand demgegenüber an.

 

2.             Untersagte Veränderungen

8. Art. 42 Abs. 1 GSchG bestimmt, dass sich durch die Entnahme oder Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen die Schichtungs‑ und Strömungsverhältnisse nicht wesentlich verändern dürfen. Auch dürfen dadurch keine Spiegelschwankungen auftreten, die zu Beeinträchtigungen im Uferbereich führen können.

9. Natürliche Seen weisen – bei ausreichender Tiefe – eine Temperaturschichtung des Wassers auf. Dies erklärt sich aufgrund der Dichteunterschiede im Wasserkörper infolge verschiedener Temperaturen. Das Schichtungsverhalten eines Sees hängt von verschiedenen äusseren Faktoren (Beckenform, Tiefe, Wind, Sonnenscheindauer, Jahreszeiten etc.) ab. Im Sommer weisen tiefere natürliche Seen grundsätzlich drei Schichten auf (BUWAL, Zustand Seen, 10 ff.):

  • Die Oberflächenschicht (Epilimnion) ist die durch die Absorption des Sonnenlichts am meisten erwärmte Wasserschicht. Da sich das Oberflächenwasser durch die Erwärmung etwas ausdehnt – die Dichte des Wassers entsprechend abnimmt – schwimmt es auf dem kühleren Tiefenwasser.
  • Die so genannte Sprungschicht (Metalimnion) trennt die Epilimnion von der Tiefenschicht. Sie ist je nach Windeinfluss und Wärmeeinstrahlung unterschiedlich ausgedehnt. In flachen Seen kann die Sprungschicht auch komplett entfallen. In der Metalimnion nimmt die Temperatur, je tiefer man gelangt, stetig ab.
  • In der kälteren Tiefenschicht (Hypolimnion) weist das Wasser seine maximale Dichte auf. Das Wasser ist gleichmässig kalt. Die Temperatur liegt bei Seen des Alpenrandes und ‑vorderlandes in der Regel zwischen 4 und 6 Grad Celsius.

10. Durch die Entnahme oder Einleitung von Wasser können diese temperaturbedingten Schichtungsverhältnisse im See beeinflusst werden. Zurückgeleitetes Wasser ist oftmals bedeutend wärmer als das aus dem See entnommene Wasser. Dadurch können sich die Schichtungsverhältnisse unnatürlich verändern (Botschaft GSchG 1987, 1146). Mit einer solchen Veränderung können wesentliche Nachteile für das Ökosystem See entstehen. Insbesondere kann ein unerwünschter Nährstofftransport aus tieferen Wasserschichten an die See Oberfläche stattfinden, wodurch die Nährstoffkonzentration unnatürlich verändert wird. Folge davon kann u.U. ein unerwünschtes Algenwachstum und dadurch eine Störung des ökologischen Gleichgewichts sein. Um dies zu verhindern sieht Abs. 1 vor, dass durch Entnahme und Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen die Schichtungsverhältnisse nicht wesentlich verändert werden dürfen.

11. Grundsätzlich ist der Wind für die Ausbildung der Strömung in einem See das ausschlaggebende Element. Durch die Strömung wird der Wasserkörper durchmischt. Strömungen werden jedoch nicht nur durch den Wind, sondern auch durch Temperaturunterschiede hervorgerufen. Entsprechend können auch durch die Einleitung oder Entnahme von Wasser die Strömungsverhältnisse in einem See verändert werden. Da die Wasserzirkulation eine bedeutende Rolle im Ökosystem See spielt, sind erhebliche (unnatürliche) Veränderungen dieser Strömungsverhältnisse gestützt auf Abs. 1 zu verhindern.

12. Weiter verbietet Abs. 1 die Erzeugung von Schwankungen des Wasserspiegels, welche zu Beeinträchtigungen im Uferbereich führen können. Der Uferbereich ist für den See und dessen Zustand von erheblicher Bedeutung und bietet insbesondere einen wertvollen Lebensraum für Tiere und Pflanzen (Botschaft GSchG 1987, 1146). Durch die Entnahme oder Einleitung von Wasser kann unter Umständen der Wasserspiegel mehrere Meter schwanken. Dadurch kann die Ufervegetation stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Mit der Verhinderung von Spiegelschwankungen wird der Schutz dieses empfindlichen Uferbereichs bezweckt. Von diesem Problem betroffen sind primär kleinere Seen. Bei grösseren Seen bewirken Wassereinleitung und ‑entnahme in der Regel keine grösseren Schwankungen des Wasserspiegels.

13. Die Regelung in Abs. 1 verlangt, dass entsprechende Veränderungen der Schichtungs‑ und Strömungsverhältnisse sowie Schwankungen des Wasserspiegels unterbleiben müssen. Verboten ist gemäss klarem Wortlaut der Bestimmung jedoch nicht jegliche Art der Veränderung, sondern nur diejenige, die als wesentlich einzustufen ist. Welche Veränderungen als wesentlich einzustufen sind, ist im Einzelfall zu beurteilen. Entsprechend dem Zweck der Bestimmung sind auf jeden Fall all jene Veränderungen als wesentlich zu beurteilen, die das Ökosystem See nachteilig beeinflussen können. Beispielsweise sind bei der Einleitung von Wasser in Seen insbesondere die Rückgabetiefe und die Rückgabetemperatur massgebende Kriterien (vgl. hierzu ausführlich IGKB, Bodensee-Richtlinien, 20 f.).

 

3.             Mögliche Massnahmen

14. Abs. 1 enthält lediglich die Grundsätze, die bei der Entnahme oder Einleitung von Wasser bei natürlichen Seen beachtet werden müssen. Die Regelung ist deshalb vor allem bei der Planung entsprechender Anlagen zu berücksichtigen, damit negative Auswirkungen bereits in diesem frühen Stadium ausgeschlossen werden können.

15. Konkrete Massnahmen, welche ergriffen werden müssen, wenn eine Verletzung dieser Grundsätze vorliegt, enthält die Regelung nicht. Sofern in der Praxis entsprechende (wesentliche) Veränderungen zu erwarten sind oder bereits auftreten, sind jedoch grundsätzlich nur zwei Massnahmen denkbar: Entweder ist die Entnahme oder Einleitung des Wassers soweit einzuschränken bis keine negativen Auswirkungen mehr auftreten oder es ist, wenn die Beschränkung nicht ausreicht, die Entnahme bzw. Einleitung (als ultima ratio) gar einzustellen (Hunger, Sanierungspflicht, 297).

B.            Einleitung von Wasser oder Abwasser bei Fliessgewässern (Abs. 2)

1.             Gegenstand der Regelung

16. Art. 42 Abs. 2 GSchG sieht den Schutz von Fliessgewässern vor nachteiligen Auswirkungen von Wassereinleitungen vor. Bei der Einleitung von Wasser oder Abwasser ist darauf zu achten, dass die Gewässer möglichst keinen Schaden nehmen. Die Bestimmung legt fest, dass Ort und Art der Einleitung so zu wählen sind, dass möglichst keine Verbauungen und Korrektionen notwendig werden. Die Regelung will somit zwar weder die Einleitung von Wasser noch die Errichtung von Verbauungen und Korrektionen komplett untersagen, jedoch sollen die Fliessgewässer dadurch möglichst wenig beeinträchtigt werden.

17. Die Einleitung von Wasser und Abwasser kann insbesondere bei kleineren Fliessgewässern erhebliche Probleme verursachen: Diese können Schaden nehmen, wenn sie grosse Wassermengen aufnehmen müssen. Bei zu grossen Wassermengen können einerseits die Lebewesen im Bach und Uferbereich beeinträchtigt werden, andererseits bleibt keine Zeit, dass die durch diese kleinen Hochwasserereignisse eintretenden Schäden ausreichend verheilen können. Dadurch wird nicht nur die Pflanzen‑ und Tierwelt beeinträchtigt, sondern auch der Unterhaltsaufwand vergrössert (Amt für Umwelt und Energie SG, Merkblatt Regenwasserentsorgung, 5). Ent-sprechend sind solche Ereignisse zu verhindern und grössere Wassermengen, die abgeleitet werden müssen, wenn immer möglich in genügend grosse Vorfluter zu führen. Kleine Fliessgewässer sind für die Aufnahme grosser Wassermengen ohne vorhergehende Verbauungen oder Korrektionen grundsätzlich nicht geeignet (Botschaft GSchG 1987, 1147).

 

2.             Wahl von Art und Ort der Einleitung

18. Aus dem Wortlaut von Abs. 2 ergibt sich, dass Ort und Art der Einleitung so zu wählen sind, dass möglichst keine Verbauungen und Korrektionen notwendig werden.

19. Bei der Art der Einleitung von Wasser oder Abwasser in ein Fliessgewässer wird vor allem darauf abgestellt, wie das Wasser eingeleitet werden kann. Hierbei sind vor allem der Einleitungswinkel und allfällige Sicherungsmassnahmen zu beachten. Auch ist zu prüfen, ob das Abwasser behandelt werden muss, bevor es in das Gewässer eingeleitet wird. Bei der Einleitung grösserer Wassermengen in kleinere Fliessgewässer sind zudem allfällige Retentionsmassnahmen zu prüfen (Botschaft GSchG 1987, 1147). Bei der Retention wird das Gewässer insofern geschont, als das Wasser nur gedrosselt abgeleitet und dadurch der Spitzenabfluss reduziert wird. Das überschüssige Wasser wird in einem Zwischenspeicher zurückbehalten. Dadurch können Schäden insbesondere an kleineren Fliessgewässern vermieden werden. Bei grösseren Flüssen dürften sich Retentionsmassnahmen in der Regel erübrigen. Inwiefern entsprechende Retentions‑ oder Behandlungsmassnahmen notwendig sind, richtet sich nach den befürchteten Auswirkungen auf das betroffene Fliessgewässer.

20. In Bezug auf die Wahl des Ortes der Einleitung von Wasser oder Abwasser in ein Fliessgewässer ist hauptsächlich auf die einzuleitende Wassermenge zu achten. Wie ausgeführt, können besonders kleinere Fliessgewässer Schaden nehmen, wenn grosse Wassermengen eingeleitet werden. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die einzelne Einleitung und deren Auswirkungen auf das Fliessgewässer isoliert betrachtet werden können. Vielmehr ist – im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise – bei mehreren nah aufeinander folgenden Einleitungen in diesen Fällen die gesamte eingeleitete Wassermenge massgebend (Amt für Umwelt und Energie SG, Merkblatt Regenwasserentsorgung, 4 f.).

21. Gestützt auf Abs. 2 sind die umschriebenen Arten und Orte der Einleitung von Wasser oder Abwasser in Fliessgewässer so zu wählen, dass möglichst keine Verbauungen und Korrektionen notwendig werden. Ein Gewässer kann seine Funktionen umso besser erfüllen, je natürlicher bzw. naturnaher es ist (Botschaft GSchG 1987, 1142). Entsprechend ist bei der Planung von Einleitungen in ein Fliessgewässer darauf zu achten, dass möglichst wenige Eingriffe, im Sinn von Verbauungen und Korrektionen, notwendig werden. Bereits gestützt auf Art. 37 Abs. 2 GSchG ist zudem – sofern eine Verbauung oder Korrektion unerlässlich ist – zu beachten, dass entsprechende Eingriffe möglichst naturnah ausgeführt werden.

 

 

Résumé

L’art. 42 LEaux règle le prélèvement et le déversement d’eau. Le but de cette norme n’est pas uniquement la protection d’un débit résiduel suffisant mais également la protection de l’écosystème en général, ainsi que la protection des cours d’eau comme lieu de vie des plantes et des animaux.

L’al. 1 de l’art. 42 LEaux ne concerne que les lacs naturels et non les lacs de retenus ou les cours d’eau. Le prélèvement ou le déversement d’eau ne doit pas se traduire par une modification sensible de la stratification et des courants du lac, ni entraîner de variation de niveau susceptible de porter atteinte à la zone riveraine. Cet alinéa n’interdit toutefois pas toutes modifications mais seulement celles qui sont substantielles, soit celles qui ont des conséquences préjudiciables sur l’écosystème. Les mesures concrètes ne sont pas déterminées par la loi. Toutefois, en pratique, il est possible de restreindre le prélèvement ou le déversement d’eau et en ultima ratio de le suspendre.

L’al. 2 prévoit une obligation de choisir le mode et l’emplacement afin d’éviter autant que possible les endiguements et les corrections. Le mode comprend la manière dont l’eau sera évacuée. Il faut notamment tenir compte de l’angle d’inclinaison et des éventuels mesures de sécurité. Pour l’emplacement, il est nécessaire de prendre en considération la quantité d’eau.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Liechti Paul), Der Zustand der Seen in der Schweiz, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 237, Bern 1994 (zit. Zustand Seen); Amt für Umwelt und Energie SG, Regenwasserentsorgung – Merkblatt zur Versickerung, Retention und Ableitung von Niederschlagswasser in Siedlungsgebieten, Merkblatt AFU 184, St. Gallen 2011 (zit. Merkblatt Regenwasserentsorgung); Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) (Hrsg.), Bodensee-Richtlinien 2005, 2. Aufl., Bregenz 2014 (zit. Bodensee-Richtlinien).

Ruch Alexander

 

Erhaltung von Grundwasservorkommen

1         Die Kantone sorgen dafür, dass einem Grundwasservorkommen langfristig nicht mehr Wasser entnommen wird, als ihm zufliesst. Kurzfristig darf mehr Wasser entnommen werden, sofern dadurch die Qualität des Grundwassers und die Vegetation nicht beeinträchtigt werden.

2         Ist ein Grundwasservorkommen durch übermässige Entnahme oder durch eine verringerte Speisung beeinträchtigt, so sorgt der Kanton für eine möglichst weitgehende Verbesserung des Zustands, sei es durch Verminderung der Entnahme, durch künstliche Anreicherung oder durch Untergrundspeicherung von Trinkwasser.

3         Grundwasservorkommen dürfen nicht dauernd miteinander verbunden werden, wenn dadurch Menge oder Qualität des Grundwassers beeinträchtigt werden können.

4         Speichervolumen und Durchfluss nutzbarer Grundwasservorkommen dürfen durch Einbauten nicht wesentlich und dauernd verringert werden.

5         Bei Stauanlagen mit geringer Stauhöhe dürfen das Grundwasser und die vom Grundwasserstand abhängige Vegetation nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Für bestehende Anlagen kann die Behörde Ausnahmen bewilligen.

6         Die Entwässerung eines Gebiets, durch die der Grundwasserspiegel auf einer grossen Fläche abgesenkt wird, ist nur zulässig, wenn die landwirtschaftliche Nutzung anders nicht gesichert werden kann.

Protection des nappes d’eaux souterraines

1         Les cantons veillent à ce que les prélèvements opérés dans une nappe souterraine ne soient pas supérieurs à la quantité d’eau qui l’alimente. Les prélèvements peuvent toutefois excéder temporairement les apports, à condition qu’ils ne portent préjudice ni à la qualité des eaux souterraines, ni à la végétation.

2         Les cantons veillent à améliorer, dans toute la mesure du possible, l’état des nappes souterraines lorsqu’elles sont surexploitées ou que leur alimentation a été réduite, en diminuant les prélèvements, en alimentant artificiellement les nappes ou en stockant de l’eau potable dans le sous-sol.

3         La création de communications permanentes entre des nappes souterraines est interdite si une telle intervention peut diminuer les réserves en eaux souterraines ou altérer leur qualité.

4         Les constructions ne doivent pas avoir pour effet de réduire de façon notable et permanente la capacité du réservoir, ni l’écoulement des nappes souterraines exploitables.

5         Les ouvrages de retenue de faible hauteur ne doivent pas affecter gravement les nappes souterraines, ni la végétation qui dépend du niveau de ces nappes. L’autorité peut autoriser des exceptions pour les installations existantes.

6         Le drainage d’une région provoquant, sur une grande surface, la baisse du niveau des nappes souterraines n’est autorisé que s’il représente le seul moyen de maintenir l’exploitation de terres agricoles.

Protezione delle falde freatiche

1             I Cantoni provvedono affinché, a lungo termine, i prelievi da acque sotterranee non siano superiori alla quantità d’acqua che le alimenta. I prelievi possono tuttavia eccedere temporaneamente detta quantità, sempreché non arrechino pregiudizio alla qualità delle acque sotterranee o alla vegetazione.

2         I Cantoni provvedono a migliorare, per quanto possibile, lo stato delle acque sotterranee sfruttate eccessivamente o alimentate in modo troppo scarso, diminuendo il prelievo, rialimentando artificialmente le falde freatiche o accumulando l’acqua potabile nel sottosuolo.

3         È vietata la creazione di collegamenti permanenti tra acque sotterranee, se tale intervento rischia di avere effetti pregiudizievoli sulla quantità o sulla qualità delle acque.

4         Le costruzioni non devono ridurre in modo considerevole e permanente la capacità della falda e lo scorrimento delle acque sotterranee sfruttabili.

5         Le opere di ritenuta di altezza modesta non devono arrecare sensibili pregiudizi alle acque sotterranee e alla vegetazione che dipende dal livello della falda. L’autorità può autorizzare deroghe per gli impianti esistenti.

6         Il drenaggio di una regione, qualora comporti su una grande area l’abbassamento del livello della falda freatica, è autorizzato soltanto se costituisce il solo mezzo per garantire lo sfruttamento agricolo.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 7
A. Langfristige und kurzfristige Wasserentnahme (Abs. 1) 7
B. Beeinträchtigte Grundwasservorkommen (Abs. 2) 12
C. Verbinden mehrerer Grundwasservorkommen (Abs. 3) 14
D. Einbauten (Abs. 4) 15
E. Stauanlagen mit geringer Stauhöhe (Abs. 5) 17
F. Entwässerung (Abs. 6) 21

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Eine Vorschrift zur Erhaltung von Grundwasservokommen auf Gesetzesstufe ist erstmals mit dem vorliegenden Art. 43 GSchG eingeführt worden. Die Vorgängergesetze von 1955 und 1971 beschränkten sich noch auf den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung, obwohl die BV dem Bund bereits die Grundsatzgesetzgebungskompetenz zur Erhaltung der Wasservorkommen erteilt hatte (Art. 24bis Abs. 1 Bst. a BV 1875). Darunter war auch die mengenmässige Erhaltung zu verstehen gewesen (vgl. Botschaft Wasserwirtschaft 1972, 1171) sowohl der ober‑ als auch der unterirdischen Gewässer (Jagmetti, Kommentar aBV, Art. 24bis N 31). Mahon bezeichnet das geltende GSchG – sicher hinsichtlich des quantitativen Gewässerschutzes – als verspätete Konkretisierung von Art. 24bis BV 1875 aus dem Jahr 1975 (Mahon, Petit commentaire Cst., Art. 76 N 2 Bst. e). Art. 43 GSchG weist heute noch die Fassung von 1991 auf.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Dem Wortlaut nach (Erhaltung von Wasservorkommen) ist Art. 43 GSchG eine Ausführungsvorschrift von Art. 76 Abs. 2 BV (der Bund «legt Grundsätze fest über die Erhaltung und Erschliessung der Wasservorkommen»). Indessen gibt Art. 76 Abs. 3 BV dem Bund die allgemeinere und umfassende Kompetenz, Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen, was auch die Erhaltung der Wasservorkommen einschliesst (vgl. zur – offenbar gewollten – Zweispurigkeit der in diesen beiden Absätzen geordneten Bundeskompetenzen Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 9; Mahon, Petit commentaire Cst., Art. 76 N 10 und 13; Botschaft BV 1996, 250). Es ist somit nicht klar, ob es sich bei den Vorschriften von Art. 43 GSchG um Grundsätze oder um umfassende Regelungen handelt. Ein Vergleich mit den Vorgängerbestimmungen von Art. 24bis aBV (Abs. 1 und 2), an die sich Art. 76 BV angenähert hat (vgl. Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 1), lässt allerdings den Schluss zu, dass sich der «Gewässerschutz» in Art. 76 Abs. 3 BV nur auf den qualitativen Gewässerschutz bezieht (in diesem Sinn Rausch, Verfassungsrecht, § 58 N 20).

3. Art. 43 GSchG regelt den quantitativen Gewässerschutz des Untergrunds. Die Vorschrift bezweckt keinen haushälterischen Umgang mit dem Grundwasser, sondern dessen Erhaltung in der je vorgefundenen Grösse und Menge. Diese bemessen sich nach der Ausdehnung der Grundwasservorkommen, der Morphologie und der Durchlässigkeit des Untergrunds, der Fliessgeschwindigkeit und dem Infiltrationsvermögen. Der quantitative Gewässerschutz ist mit dem qualitativen verzahnt. Quantitative Werte implizieren eine bestimmte Qualität oder sind Rahmen für eine bestimmte Qualität.

4. Die Grundwasserquantitäten hängen erheblich von meteorologischen Verhältnissen ab. Niederschläge, Schneeschmelzen, Trockenperioden beeinflussen sie stark – unregelmässig, saisonal und regional unterschiedlich und in der Regel mit einer gewissen Verzögerung. Grundwasservorkommen können gefährdet sein durch Verringerung des Speichervolumens oder des Durchflussquerschnitts oder durch Absenkung des Grundwasserspiegels, während Bodenversiegelungen die Neubildung von Grundwasser vermindern. Störende Eingriffe können beispielsweise sein (das Vorstehende und das Folgende aus: BAFU, Wegleitung Grundwasserschutz, 25; BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 33):

  • Bauwerke unterhalb des Grundwasserspiegels, namentlich Untertagebauten mit drainierender Wirkung;
  • Intensive Überbauung und damit verbundene Bodenversiegelung;
  • Übernutzung durch langfristige Grundwasserentnahmen, die grösser sind als die natürliche Grundwasserneubildung;
  • Materialabbau und Wiederauffüllung von Abbaustellen mit ungeeignetem Material;
  • Landwirtschaftliche Drainagen, soweit sie die Grundwasserneubildung vermindern und den Grundwasserspiegel absenken;
  • Verdichtung von Böden durch landwirtschaftliche Nutzung;
  • Abdichtung von Fluss‑ und Bachbetten, die in Grundwasservorkommen infiltrieren;
  • Wasser‑ und Materialentnahmen aus Flüssen und Bächen, die den Geschiebetransport reduzieren, die Kolmatierung (Abnahme der Durchlässigkeit des Gewässerbetts) fördern und damit die Infiltrationsverhältnisse der Fluss‑ bzw. Bachsohlen verringern.

5. Die Nationale Grundwasserbeobachtung (NAQUA) als Element des Netzwerks Umweltbeobachtung Schweiz (NUS) verfolgt u.a. auch das Ziel, ein repräsentatives Bild über Zustand und Entwicklung der schweizerischen Grundwasservorkommen in quantitativer Hinsicht zu liefern (vgl. BAFU, NAQUA, 16, und zum Konzept für die Erfassung der Grundwasserquantität s. BAFU, NAQUA, 19).

6. Schliesslich werden Grundwasserkarten angelegt (vgl. Art. 30 GSchV), aus denen Ausdehnung und Mächtigkeit der Grundwasservorkommen sowie die Fliessrichtung des Grundwassers hervorgehen. Sie dienen z.B. dazu, im Hinblick auf ein Bauvorhaben Höhe und Lage des Grundwasserspiegels zu erkennen oder für die Wasserversorgung Angaben über die Fliessrichtung und damit über die Herkunft des geförderten Grundwassers zu liefern. Sie erleichtern auch die Festlegung von Standorten zur Erschliessung neuer Grundwasservorkommen.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Langfristige und kurzfristige Wasserentnahme (Abs. 1)

7. In Abs. 1 wird der Grundsatz geordnet, dass der Verbrauch von Grundwasser an der Neubildung des Grundwassers auszurichten ist. Es soll, namentlich im Interesse einer steten (zeitlich) und genügenden (quantitativ) Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und der Gewährleistung hinreichender Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen, einem Grundwasservorkommen «langfristig» nicht mehr Wasser entnommen werden, als ihm zufliesst. Wieweit dieser Zeithorizont reicht, wird nicht ausgeführt. Er wird, da schwer konkretisierbar, so gedeutet, dass der Grundwasserspiegel «nicht dauernd» abgesenkt werden darf (vgl. BAFU, Grundwasserschutz, 55).

8. «Nicht mehr, als zufliesst» könnte wörtlich bedeuten, dass der ganze Zufluss entnommen werden darf. Doch ist zu bedenken, dass die Langfristigkeit und das Prinzip der haushälterischen Gewässernutzung eine gewisse Reservebildung erheischen. Daher kann nicht die gesamte Neubildung, die gesamte Zuflussmenge, genutzt werden (vgl. BAFU, Grundwasserschutz, 55). Im Konkreten anwendbar sind überdies die Vorschriften über die Restwassermengen (Art. 29–35 GSchG).

9. Der Perimeter, in dem die Nutzungsbeschränkung gilt, ist jeweils «ein Grundwasservorkommen». Auf Grund der Grundwasserkarten ist jeweils die Ausdehnung eines Vorkommens festzustellen und zu ermitteln, welches sein Einzugsgebiet ist, d.h. das Gebiet, aus dem unterirdisch Wasser zufließt. «Grundwasservorkommen» ist somit ein räumlich begrenztes Auftreten von Grundwasser. Eine lokale Absenkung durch die Nutzung des Grundwassers wird als zulässig erachtet (vgl. BAFU, Grundwasserschutz, 55).

10. Satz 2 erlaubt eine «kurzfristige» Überschreitung der zugelassenen Entnahmemenge. Dabei geht es um eine nur vorübergehende Absenkung des Grundwasserspiegels. Nach Auffassung des Kommentators handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, da im Einzelfall vom gesetzlichen Gebot des Gleichgewichts zwischen Grundwasserentnahme und Grundwassererneuerung (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1147) abgewichen werden soll. Voraussetzung müssen deshalb Engpässe sein, die nur durch eine temporäre Mehrnutzung überbrückt werden können. Das BAFU nennt als einzige konkrete Fälle die Dauer der Erstellung von Bauten im Grundwasser, wenn keine verhältnismässige Lösung für die Bauausführung besteht, oder die Überbrückung von Engpässen in der Trinkwasserversorgung (BAFU, Grundwasserschutz, 55 f.). Dabei dürfen weder die Qualität des Grundwassers noch die Vegetation bzw. Biotope beeinträchtigt werden.

11. Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der Entnahmemengen sind die Kantone. Sie «sorgen dafür», indem sie zunächst die Bewilligungs‑ bzw. Konzessionierungspflicht für Grundwasserentnahmen, sowohl nach Satz 1 als auch nach Satz 2, einführen (vgl. z.B. § 8 EG GSchG ZH). Das Bewilligungserfordernis kann auch aus dem kantonalen Baurecht hervorgehen. Sodann haben die Kantone die Entnahmegesuche zu prüfen, nicht genehmigte Entnahmen einem Bewilligungsverfahren zu unterwerfen oder die Beseitigung bzw. den Rückbau zu verfügen; schliesslich sind die Entnahmen regelmässigen Kontrollen zu unterstellen. Unter raumplanerischen Gesichtspunkten ist jeweils zu prüfen, ob eine bestimmte Nutzungszone mit dem Grundwasservorkommen und seiner Nutzung vereinbar ist (vgl. BGer 1C_157/2009 vom 26. November 2009 [Wikon], E. 5.5; das BGer musste offen lassen, ob es sinnvoll ist, eine Intensivlandwirtschaftszone mit hohem Wasserbedarf an einer Stelle vorzusehen, in der die Grundwasserentnahmemenge voraussichtlich [aufgrund der prioritären Verwendung für die Trinkwassernutzung] nicht erhöht werden darf).

 

B.            Beeinträchtigte Grundwasservorkommen (Abs. 2)

12. Abs. 2 führt die Regelung von Abs. l weiter und regelt die Sanierung. Er beantwortet die Frage, was gilt, wenn ein Grundwasservorkommen zu stark genutzt oder zu wenig neu gebildet wurde. Die Bestimmung verwendet den Ausdruck «Beeinträchtigung». Gemeint ist damit, dass das Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und Grundwassererneuerung (siehe N 7) gestört ist. Es wird nicht verlangt, dass die Störung eine erhebliche sei. Ziel der Vorschrift ist die Wiederherstellung dieses Gleichgewichts, die Neubildung der Reserven, die für die ausgewogene Nutzung von Grundwasser erforderlich sind. Als Massnahmen nennt Abs. 2 die Verminderung der Entnahme, die künstliche Grundwasseranreicherung und die Untergrundspeicherung von Trinkwasser.

13. Darin, dass die Verbesserung des Zustands «möglichst weitgehend» anzustreben ist, kommt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zum Ausdruck. Das Mass der Sanierung hängt vom Mass der Beeinträchtigung ab. In jedem Fall ist eine gänzliche Wiederherstellung des geforderten Zustands anzustreben. Unverhältnismässig und in diesem Sinn unmöglich ist die Sanierung beispielsweise dann, wenn die Nutzung des Bodens und des Untergrunds, die zur Beeinträchtigung der Grundwassermächtigkeit geführt hat, nicht rückgängig gemacht werden kann (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1147).

C.           Verbinden mehrerer Grundwasservorkommen (Abs. 3)

14. In der Vertikalen können zwei oder mehrere Grundwasserleiter übereinander liegen, die durch mehr oder weniger undurchlässige Bodenschichten voneinander getrennt sind. Die Wasser der einzelnen Leiter können unterschiedliche Mengen, Qualitäten und Drücke aufweisen. Durch Eingriffe in den Untergrund, bei denen mehrere Grundwasserleiter durchschnitten werden (bei Bohrungen, beim Bau unterirdischer Verkehrsanlagen, bei Materialentnahmen etc.) können Verbindungen zwischen den Wasserschichten hergestellt werden. Dadurch kann z.B. qualitativ minderwertiges Grundwasser aus der Tiefe in höher gelegene, der Trinkwassernutzung dienende Grundwasserleiter gelangen. Diese Verbindungen rückgängig zu machen, ist praktisch nicht möglich. Daher muss in der Planung und Ausführung eines baulichen Eingriffs in den Untergrund Vorsorge getroffen werden, dass weder die Qualität noch die Menge des Grundwassers beeinträchtigt wird bzw. dass solche Verbindungen nicht entstehen (Botschaft GSchG 1987, 1148; BAFU, Grundwasserschutz, 56).

 

D.           Einbauten (Abs. 4)

15. Die natürlichen Grundwasserverhältnisse können durch verschiedenartige Eingriffe gestört werden. Abs. 1 handelt von den Wasserentnahmen, hat aber auch die Bodenversiegelungen im Auge, die dazu führen, dass Meteorwasser nicht ins Grundwasser, sondern in die Kanalisation gelangt (vgl. BAFU, Leitlinien Grundwassermanagement, 32). Abs. 4 regelt im Speziellen die «Einbauten». Der BR erwähnt «tieffundierte Gebäude, Tunnels oder Dichtungswände»; bei solchen Anlagen seien Massnahmen wie der Einbau von Drainagen oder von durchlässigem Material vorzusehen (Botschaft GSchG 1987, 1148; vgl. das bemerkenswerte Beispiel eines Tunnelbaus bei BUWAL, Grundwasser, 23).

16. Die Bestimmung bezweckt – wie Abs. 1 – die langfristige Erhaltung von nutzbaren, d.h. vor allem der Trinkwasserversorgung dienenden, Grundwasservorkommen. Zu diesem Zweck sind Speichervolumen und Durchfluss vor quantitativen Einbussen zu schützen. Auch beim Schutz gegen die nachteiligen Auswirkungen von Einbauten ist, hier ausdrücklich, das Verbot auf «dauernde» Verringerung ausgerichtet. Anders als bei der Nutzung von Grundwasser muss darauf Rücksicht genommen werden, dass Einbauten Folgen auf Grundwasservorkommen haben, die sich u.U. nicht mehr ganz beseitigen lassen. Deshalb verlangt der Gesetzgeber im Sinn der Verhältnismässigkeit nur, dass die Eingriffe keine «wesentlichen» quantitativen Beeinträchtigungen haben dürfen.

E.            Stauanlagen mit geringer Stauhöhe (Abs. 5)

17. Die Stauhöhe entspricht der Differenz zwischen dem Stauziel und einem unteren Referenzpunkt (Niederwasser des Gewässers, point bas, oder umliegendes Gelände, thalweg); sie entspricht nicht der Höhe der Talsperre (BWG, Sicherheit Stauanlagen, 22). Das Stauziel («niveau normal») ist der Wasserspiegel, der dem maximalen Niveau bei Normalbetrieb oder der Kote der Schwelle eines Überlaufs entspricht (BWG, Sicherheit Stauanlagen, 109). Eine Stauanlage mit geringer Stauhöhe ist eine Stauanlage mit einer Stauhöhe von weniger als 10 m (BWG, Sicherheit Stauanlagen, 109; der BR ist von einer Stauhöhe von bis zu 12–15 m ausgegangen, vgl. Botschaft GSchG 1987, 1148).

18. Die Stauung eines Gewässers und das Ausbaggern erzeugen veränderte Strömungsverhältnisse im Fliessgewässer. Die Wechselwirkung zwischen Fliessgewässer und Grundwasser weicht sowohl oberhalb als auch unterhalb der Stauung von der ursprünglichen u.U. erheblich ab. Damit sie aufrechterhalten werden kann, sind besondere technische Massnahmen wie z.B. künstliche Anreicherung oder Drainage notwendig (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1148).

19. Schutzobjekte sind das Grundwasser und die vom Grundwasserstand abhängige Vegetation. Sie dürfen durch die Stauung nicht wesentlich beeinträchtig werden. Da die Beachtung von Abs. 5 zu einer Nutzungsweise führen kann, die erheblich vom rentabelsten Wasserwirtschaftsplan abweicht (BAFU, Grundwasserschutz, 56), zieht sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf die Position zurück, dass eine Beeinträchtigung keine wesentliche sein darf.

20. Für Anlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GSchG bereits bestanden haben, kann die Behörde Ausnahmen bewilligen (Satz 2). Die Frage ist, wovon. Die Bestimmung scheint davon auszugehen, dass die Behörde bei ihrer Kontrolltätigkeit altrechtliche Anlagen auf ihr Beeinträchtigungspotezial überprüft und grundsätzlich die erforderlichen Massnahmen anordnet, damit eine bestehende wesentliche Beeinträchtigung von Grundwasser und Vegetation soweit behoben werden kann, dass sie keine wesentliche mehr ist. Hiervon soll die Behörde in Einzelfällen durch Verfügung dispensieren können.

F.             Entwässerung (Abs. 6)

21. Im Gegensatz zur bloss temporär erlaubten Grundwasserabsenkung im Zusammenhang z.B. mit Bauten, geht es in Abs. 6 um die dauerhafte Entwässerung eines landwirtschaftlich genutzten Gebietes mit grossflächiger Absenkung des Grundwasserspiegels. Sie ist nur zulässig, wenn die landwirtschaftliche Nutzung anders nicht gesichert werden kann. Solche Entwässerungen sind z.B. im bernischen Seeland, in der Orbe-Ebene oder im Wauwiler Moos durchgeführt worden (Botschaft GSchG 1987, 1149).

 

 

Résumé

L’art. 43 LEaux règle la protection des nappes d’eaux souterraines. Il se fonde sur l’art. 76 al. 2 Cst. selon lequel la Confédération fixe les principes applicables à la conservation et à la mise en valeur des ressources en eau.

Il vise en premier lieu à régler les prélèvements opérés dans les nappes souterraines (art. 43 al. 1 LEaux). Dans une perspective à long terme, des prélèvements pour les besoins en eaux potables et l’irrigation des terres agricoles sont possibles seulement s’ils n’excèdent pas la quantité d’eau qui alimente la nappe souterraine. A court terme, il est possible que les prélèvements excèdent temporairement les apports. Il s’agit d’une situation d’exception qui ne doit rester que provisoire car elle est due à des conditions particulières (p. ex. l’existence de goulets d’étranglement pour l’approvisionnement en eau potable qui nécessite un prélèvement).

Les cantons sont compétents pour le contrôle du maintien de la quantité d’eau des nappes souterraines concernées. Ils sont chargés de l’introduction de dispositions prévoyant une demande d’autorisation ou de concession pour les prélèvements. De plus, les cantons sont chargés d’améliorer l’état des nappes souterraines (art. 43 al. 2 LEaux). Cette disposition règle l’assainissement des nappes souterraines lorsque l’équilibre entre les prélèvements et les apports est perturbé. Le principe de la proportionnalité s’applique aux mesures d’assainissement.

L’art. 43 al. 3 LEaux vise à éviter que des interventions dans le sous-sol traversent plusieurs nappes souterraines en créant des voies de communication entre elles. Du fait de leur qualité et quantité souvent différentes, ces voies de communication pourraient altérer la qualité des eaux souterraines. Dans la mesure où ces interventions sont irréversibles, il s’agit d’analyser dans leur planification et leur mise en oeuvre qu’elles n’aient pas d’impact négatif sur les eaux souterraines. De même, l’alinéa suivant (al. 4) vise à réglementer l’impact des constructions sur les nappes souterraines dans le but d’éviter que des constructions utilisent ces eaux souterraines pour leurs besoins en les réduisant de façon notable et permanente.

Selon l’al. 5 de l’art. 43 LEaux, les ouvrages de retenue de faible hauteur, c’est à dire ceux de moins de 10 m, ne doivent pas, sauf exception, affecter gravement les nappes souterraines ou la végétation qui en dépend. Les exceptions visent en particulier à régler les ouvrages déjà construits lors de l’entrée en vigueur de la LEaux. Enfin, le drainage d’une région provoquant, sur une grande surface, la baisse du niveau des nappes souterraines n’est autorisé que s’il représente le seul moyen de maintenir l’exploitation des terres agricoles (al. 6).

 

 

Literatur: Rausch Heribert, Umwelt und Raumplanung, in: Thürer Daniel/Aubert Jean-François/Müller Jörg Paul (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, 915 ff. (zit. Verfassungsrecht).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG), Sicherheit der Stauanlagen – Richtlinien des BWG – Version 1.1 (November 2002), Biel 2002 (zit. Sicherheit Stauanlagen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Grundwasser, Bern 2003 (zit. Grundwasser); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Hartmann Daniel/Meylan Benjamin/Jordi Beat), Management des Grundwassers in der Schweiz – Leitlinien des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Umwelt-Wissen Nr. 0806, Bern 2008 (zit. Leitlinien Grundwassermanagement); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kilchmann Sybille/Reinhardt Miriam/Schürch Marc et al.), Ergebnisse der Grundwasserbeobachtung Schweiz (NAQUA) – Zustand und Entwicklung 2004–2006, Umwelt-Zustand Nr. 0903, Bern 2009 (zit. NAQUA).

Favre Anne-Christine

 

Régime de charriage

1         Le régime de charriage d’un cours d’eau ne doit pas être modifié par des installations au point de porter gravement atteinte à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes, au régime des eaux souterraines et à la protection contre les crues. Les détenteurs de ces installations prennent les mesures nécessaires.

2         Les mesures sont définies en fonction des facteurs suivants:

a.       gravité des atteintes portées au cours d’eau;

b.       potentiel écologique du cours d’eau;

c.       proportionnalité des coûts;

d.      protection contre les crues;

e.       objectifs de politique énergétique en matière de promotion des énergies renouvelables.

3         Dans le bassin versant du cours d’eau concerné, les mesures doivent être coordonnées après consultation des détenteurs des installations concernées.

Geschiebehaushalt

1         Der Geschiebehaushalt im Gewässer darf durch Anlagen nicht so verändert werden, dass die einheimischen Tiere und Pflanzen, deren Lebensräume, der Grundwasserhaushalt und der Hochwasserschutz wesentlich beeinträchtigt werden. Die Inhaber der Anlagen treffen dazu geeignete Massnahmen.

2         Die Massnahmen richten sich nach:

a.   dem Grad der Beeinträchtigungen des Gewässers;

b.   dem ökologischen Potenzial des Gewässers;

c.   der Verhältnismässigkeit des Aufwandes;

d.  den Interessen des Hochwasserschutzes;

e.   den energiepolitischen Zielen zur Förderung erneuerbarer Energien.

3         Im Einzugsgebiet des betroffenen Gewässers sind die Massnahmen nach Anhörung der Inhaber der betroffenen Anlagen aufeinander abzustimmen.

Bilancio in materiale detritico

1         Il bilancio in materiale detritico di un corso d’acqua non può essere modificato da impianti al punto da arrecare sensibile pregiudizio alla fauna e alla flora indigene, ai loro biotopi, al regime delle acque sotterranee e alla protezione contro le piene. I detentori degli impianti prendono le misure del caso.

2         Le misure sono definite in base ai seguenti criteri:

a.       gravità del pregiudizio arrecato al corso d’acqua;

b.       potenziale ecologico del corso d’acqua;

c.       proporzionalità dei costi;

d.       interessi della protezione contro le piene;

e.       obiettivi di politica energetica in materia di promozione delle energie rinnovabili.

3         Nel bacino imbrifero del corso d’acqua interessato le misure sono armonizzate previa consultazione dei detentori degli impianti in questione.

 

Table des matières

Historique 1​
II. Remarques générales ​7
A. Contexte législatif précédant la novelle du 11 décembre 2009 ​7
B. Notions ​8
C. Relations avec l’art. 44 LEaux 12
III. Commentaire 15
A. Obligation de prendre des mesures (al. 1) 15
1. Les installations concernées 19
​2. Les atteintes graves à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes 22
3. Les mesures 24
B. L’ampleur des mesures (al. 2) 27
​C. Coordination des mesures dans le bassin versant (al. 3) 29
​D. Le respect des droits acquis 31

 

 

I.              Historique

1. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060), déposée le 3 juillet 2006, demandait l’adoption d’un nouvel article constitutionnel 76a, visant la «renaturation des eaux», ce terme désignant l’ensemble des mesures destinées à valoriser les eaux. Parmi celles-ci figurent les dispositifs de nature à réactiver le régime du charriage; le financement de ces mesures était à la charge des cantons par l’intermédiaire d’un fonds de renaturation.

2. Le Conseil fédéral n’a pas jugé nécessaire de proposer un contre-projet à cette initiative; il reconnaissait cependant les déficits hydrologiques et écologiques liés aux obstacles au régime de charriage, et l’insuffisance de la législation existante, qui ne prévoyait pas explicitement la possibilité d’ordonner des mesures à cet égard, si ce n’est, indirectement, par les dispositions de la législation sur la pêche (Message Initiative Eaux vivantes 2007, 5243). Le Conseil fédéral considérait cependant le coût économique important de ces opérations (Message Eaux vivantes 2007, 5249 s., 5252 s.) et regrettait que l’initiative ne tienne pas suffisamment compte des atteintes aux droits acquis (Message Eaux vivantes 2007, 5244, 5250, 5253). Il considérait, par ailleurs, que les mesures demandées pouvaient être prises dans le contexte du droit en vigueur.

3. Le 4 octobre et le 6 décembre 2007, les Chambres fédérales ont approuvé une motion (Motion Epiney Renaturation), proposant que le financement des mesures soit assuré par le prélèvement d’un supplément de 0,1 centime par kWh sur les coûts de transport des réseaux à haute tension, à l’instar du modèle suivi pour les énergies renouvelables.

4. Ensuite de cela, la CEATE-E a déposé un contre-projet indirect de loi, sous la forme d’une initiative parlementaire visant notamment la réactivation du régime de charriage (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315 ss); elle propose de régler les questions touchant au respect des droits acquis, par un régime de droit transitoire, accordant un délai d’exécution aux détenteurs d’installations existantes et une garantie de financement, dont 35 % devait être assuré par la Confédération. La coordination des objectifs poursuivis par la LEaux avec ceux relevant des buts fixés par la LEne a également représenté un point crucial (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315).

5. Dans son rapport du 19 septembre 2008, le Conseil fédéral a approuvé le contre-projet, en relevant que le financement des mesures d’assainissement dans les domaines des éclusées et du charriage devait être assuré, en totalité, par la société nationale d’exploitation du réseau électrique (Avis du Conseil fédéral protection et utilisation, 7346), lorsque les mesures concernent des installations hydroélectriques.

6. L’art. 43a LEaux a été adopté sans susciter de remarques lors des débats parlementaires.

 

II.           Remarques générales

A.           Contexte législatif précédant la novelle du 11 décembre 2009

7. Les mesures tendant à préserver le régime de charriage n’étaient pas réglementées par des dispositions spécifiques avant la novelle du 11 décembre 2009. Ces mesures reposaient essentiellement sur la législation sur la pêche, par l’intermédiaire des art. 7 et 9 LFSP, qui prévoient la préservation, l’amélioration et la reconstitution des biotopes des poissons et du reste de la faune aquatique. Il s’agissait alors d’intervenir uniquement à la faveur de nouvelles concessions, ou de renouvellement de celles en cours, lorsque ces projets nécessitaient une étude d’impact sur l’environnement. Mais à défaut de base légale spécifique pour ordonner un assainissement, les occasions où des mesures ont été requises auprès d’installations existantes se sont montrées plutôt rares et pouvaient donner lieu à de longs litiges entre les parties (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7318).

 

B.            Notions

8. Les cours d’eau entraînent naturellement diverses matières telles que du sable, de la terre, des pierres, de la montagne vers la plaine. C’est ce que l’on appelle le charriage. Faute d’un apport suffisant en solides charriés d’amont en aval, le lit du cours d’eau perd ses amas de gravier meuble et tend à se colmater. Il peut même se creuser davantage en l’absence de mesures appropriées, ce qui en altère de plus en plus les fonctions écosystémiques. Le phénomène du charriage a par exemple pour effet de réguler le fond du cours d’eau, donc le régime des eaux souterraines et, le cas échéant, le bon fonctionnement des zones alluviales. Un enfoncement du lit peut irrémédiablement couper celles-ci des apports dont elles ont besoin (OFEV, Assainissement, 11).

9. Les ouvrages construits sur le passage des matières charriées, notamment les constructions hydroélectriques limitent, perturbent cet écoulement naturel de matériel dans les rivières. Une telle situation peut nuire à la faune et la flore indigènes et entraver les nappes souterraines ainsi que la protection contre les crues.

10. Une étude montre que le charriage naturel est aujourd’hui sensiblement réduit dans plus de 40 % des cours d’eau analysés (CEATE-E, Rapport CEATE‑E Protection et utilisation, 7317).

11. Les principales installations susceptibles d’engendrer des obstacles au régime de charriage sont les installations hydroélectriques (centrales au fil d’eau et avec dérivation), mais aussi les sites d’extraction du gravier et d’autres aménagements qui modifient durablement les structures morphologiques ou la dynamique morphologique des eaux (art. 42a OEaux).

 

C.           Relations avec l’art. 44 LEaux

12. Le régime de charriage peut également être perturbé par l’extraction du gravier, du sable ou d’autres matériaux à des fins commerciales; l’art. 44 LEaux soumet à autorisation cette situation et n’a pas été modifié par la novelle du 11 décembre 2009 (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7317).

13. L’art. 44 LEaux traite spécifiquement de l’autorisation d’exploiter du gravier à titre commercial; cette décision devra prendre en compte les incidences sur le régime de charriage. Une telle exploitation n’est pas autorisée dans un cours d’eau si le débit solide charrié ne compense pas les prélèvements (art. 44 al. 2 let. c LEaux). Cette disposition ne concerne cependant que les mesures applicables aux installations nouvelles.

14. L’assainissement d’exploitations de gravier existantes, qu’elles soient autorisées à titre commercial, ou liées à des travaux publics – le plus souvent, dans une perspective de protection contre les crues (en enlevant des bancs de gravier dans le but d’abaisser le niveau de l’eau lors d’événements de crue) – tombe dans le champ d’application de l’art. 43a LEaux (OFEV, Assainissement, 26 ss).

 

 

III.        Commentaire

A.           Obligation de prendre des mesures (al. 1)

15. L’art. 43a al. 1 LEaux vise à éviter des obstacles au régime de charriage.

16. Toute construction sur un cours d’eau doit respecter le mécanisme naturel du charriage de manière à éviter des atteintes graves à la faune et à la flore indigènes.

17. Cette injonction est directement applicable, nonobstant le caractère largement indéterminé du choix et de l’ampleur des dispositifs à adopter (Jansen, Protection des eaux, 130). Il en résulte que tout détenteur d’une installation visée par l’obligation contenue à l’art. 43a LEaux est tenu de prendre des mesures, qui seront arrêtées par l’autorité, dans le cadre d’une nouvelle installation ou concession, du renouvellement d’une concession ou d’une décision d’assainissement.

18. Ainsi que la plupart des mesures en droit de l’environnement, l’obligation définie à l’art. 43a LEaux a un caractère préventif; il s’agit d’empêcher ou d’éliminer non pas toutes les perturbations, mais celles qui portent gravement atteinte aux intérêts de la faune et de la flore indigènes ainsi qu’à leurs biotopes.

 

1.             Les installations concernées

19. Alors que l’art. 39a LEaux vise spécifiquement les mesures à adopter pour limiter les effets des éclusées liées aux centrales hydroélectriques, l’art. 43a LEaux est plus large, en tant qu’il concerne également d’autres installations énumérées à l’art. 42a OEaux, à savoir les sites d’extraction de gravier, les dépotoirs à alluvions et les aménagements qui modifient durablement les structures morphologiques ou la dynamique morphologique des eaux (il s’agit notamment des travaux de correction des cours d’eau ainsi que les bassins de retenue d’eau potable, les bassins de rétention des crues et les réservoirs d’eau destinés à l’irrigation ou à l’enneigement artificiel (OFEV, Assainissement, 26 ss).

20. La nécessité de prendre des mesures ne concerne pas la totalité des installations précitées ; sont visées les installations – nouvelles ou existantes ‑ qui génèrent des atteintes graves liées aux éclusées, au sens où l’entend l’art. 42a OEaux. Les installations existantes qui génèrent des atteintes ne pouvant être qualifiées de graves, au sens de la disposition précitée, ne nécessitent pas d’être assainies.

21. Un régime de droit transitoire, prévu à l’art. 83LEaux, est applicable à toutes les installations qui peuvent se prévaloir de droits acquis. Dans le délai de 20 ans prévu par l’art. 83a LEaux, l’autorité ordonnera l’assainissement des installations qui modifient gravement le régime de charriage, selon une planification qui doit être approuvée par la Confédération (voir les art. 83a et 83b LEaux et l’art. 42b OEaux).

 

2.             Les atteintes graves à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes

22. Seules les atteintes graves au régime de charriage conduisent à l’obligation de prendre des mesures.

23. S’il n’existe aucune dérogation à l’obligation d’adopter des mesures dans une telle situation, l’ampleur de celles-ci s’appréciera, en revanche, au cas par cas, au gré d’une pesée des intérêts, conformément aux critères énoncés à l’art. 43a al. 2 LEaux.

 

3.             Les mesures

24. Les mesures sont déterminées de manière à laisser subsister un régime de charriage au plus proche de l’état naturel; ce statut est déterminé par les conditions locales du bassin versant et des eaux (leur volume, leur dynamique, etc.). Il s’agit aussi de prendre des mesures appropriées lorsqu’un régime de charriage dégradé par la présence d’installations porte gravement atteinte au régime des eaux souterraines ou à la protection contre les crues. Ces mesures répondent d’ailleurs à l’obligation faite par l’OZA de rétablir, pour autant que ce soit judicieux et faisable, la dynamique naturelle du régime des eaux et du charriage (art. 4 et 8 de l’OZA) (OFEV, Assainissement, 12).

25. Ainsi que l’expose l’OFEV (OFEV, Rapport explicatif, 24), on rencontre des cours d’eau qui charrient des quantités énormes, voire excessives de matériaux, aussi bien que des cours d’eau pour lesquels le charriage est faible, voire inexistant. La structure des cours d’eau peut également être très variée. C’est au regard des tronçons non aménagés que l’on pourra évaluer les atteintes provoquées par le déficit de charriage (lit qui se creuse, îles de gravier érodées et bancs restant se couvrant de gravier grossier, gravier fin du lit de fond faisant défaut et absence de formation de nouveaux bancs de sable en cas de crues).

26. Ces mesures peuvent être constructives comme d’exploitation (voir les exemples cités par OFEV, Assainissement, 49 ss). Le législateur n’a pas établi de priorité quant à l’une ou l’autre de ces mesures, contrairement au régime prévu à l’art. 39a LEaux.

B.            L’ampleur des mesures (al. 2)

27. Ni la loi ni l’ordonnance ne définissent l’objectif à atteindre en termes d’assainissement. C’est donc essentiellement le principe de proportionnalité qui déterminera l’ampleur des mesures à adopter, au gré d’une pesée des intérêts, guidée par les critères définis à l’art. 43a al. 2 LEaux.

28. Les critères à prendre en compte dans la pesée des intérêts sont à la fois ceux liés à la protection et l’utilisation des eaux, et ceux liés aux intérêts économiques du détenteur de l’installation. Ils sont énumérés de manière exhaustive et invitent à prendre en compte les aspects suivants:

  • La gravité des atteintes portées au cours d’eau: contrairement au régime relatif aux atteintes liées aux éclusées, ni la loi ni l’ordonnance ne définissent ce qu’il convient d’entendre par atteinte grave à la faune ou à la flore, due aux obstacles au régime de charriage (OFEV, Rapport explicatif, 24). C’est le contexte de la morphologie du ruisseau et du substrat qui indiquera s’il y a atteinte grave à l’écosystème d’un cours d’eau, appréciation pouvant être complétée par d’autres éléments d’observations comme les données disponibles quant à la reproduction des poissons frayant sur gravier. Des directives ont été élaborées à cet égard (OFEV, Assainissement, 31 ss).
  • Le potentiel écologique du cours d’eau: l’ensemble des mesures prises en vertu de la législation en matière de protection des eaux doit tenir compte de «l’objectif écologique des cours d’eau» (art. 1 al. 2 et art. 2 al. 1 let. a OEaux). Ces objectifs écologiques sont définis à l’annexe 1 de l’OEaux, qui précise en son art. 1 al. 2 que le régime hydrologique (débits de charriage, régime des niveaux et des débits) et la morphologie doivent présenter des caractéristiques proches de l’état naturel; ils doivent en particulier garantir sans restriction l’auto-épuration par des processus naturels, les échanges naturels entre l’eau et le lit, ainsi que les interactions avec l’environnement. Les cours d’eau qui subissent des altérations du fait des éclusées, des obstacles au régime de charriage ou d’autres interventions anthropiques, peuvent présenter un état éloigné de celui naturel. C’est la raison pour laquelle le législateur fait référence à la notion de «potentiel écologique», aux art. 39a et 43a LEaux, de même qu’à l’art. 32bbis LEaux (qui traite des dérogations admissibles aux prescriptions sur les débits résiduels minimaux). Ainsi que le précise l’art. 33a OEaux, dans le cas d’un cours ou d’une étendue d’eau proche de l’état naturel, le «potentiel écologique» correspond à son importance écologique dans son état actuel; dans l’hypothèse d’un cours d’eau ou d’une étendue d’eau qui ne se trouve pas à l’état naturel, ce potentiel correspond à l’importance écologique qu’il revêtirait dans un état de référence théorique après réparation, dans la mesure où le permettent des moyens proportionnés, des atteintes nuisibles causées par l’homme. La notion de «potentiel écologique» invite donc à considérer la place du cours d’eau sur le plan écosystémique et à examiner la marge d’amélioration par des mesures respectant le principe de proportionnalité. L’examen du «potentiel écologique» doit par ailleurs être fait non seulement par rapport aux masses d’eau ayant subi des altérations de nature anthropique, mais aussi au regard de l’ensemble des cours ou étendues d’eau naturels ou artificiels (OFEV, Rapport explicatif, 10).
  • La proportionnalité des coûts: c’est au regard d’un rapport entre le coût économique de la mesure et le potentiel de valorisation, mais aussi en considération de l’effet attendu des mesures, que seront ordonnés les dispositifs permettant de ménager le régime de charriage. S’agissant des installations existantes, une étude des variantes pourra être nécessaire pour déterminer les mesures d’assainissement permettant d’atteindre au mieux les objectifs en termes de «potentiel écologique», tout en respectant la proportionnalité des coûts. Dans l’appréciation des mesures d’assainissement, il s’agira également de considérer les frais globaux liés à de telles mesures (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7316, 7325 s.); les plans cantonaux d’assainissement du régime de charriage doivent prendre en considération le réseau hydrographique dans son ensemble, et non pas se limiter à certains tronçons de cours d’eau (harmonisation au besoin avec les cantons voisins ou les pays limitrophes) (OFEV, Assainissement, 8). La planification à laquelle invitent les art. 83a et b LEaux indiquera les priorités à respecter dans le programme des assainissements, au regard des critères propres au principe de proportionnalité; dans ce contexte, une approche qualitative, renonçant à assainir un cours d’eau à faible potentiel écologique, ou reportant son assainissement, est tout à fait pertinente (OFEV, Assainissement, 43 ss; art. 42b et c OEaux).
  • La protection contre les crues: l’objectif de protection contre les crues est omniprésent dans la révision de la LEaux. Le siège de la matière est régi par l’art. 36a LEaux, qui invite à la délimitation d’espaces réservés aux eaux; la protection contre les crues ne peut cependant être pleinement efficace qu’en combinaison avec des mesures de construction ou d’exploitation qui peuvent porter atteinte au régime de charriage (par exemple les dépotoirs à alluvions ou l’extraction de gravier en vue de retenir les crues); à l’inverse, un régime de charriage dégradé peut parfois porter atteinte à la protection contre les crues (OFEV, Assainissement, 12). Par conséquent, une coordination de ces mesures s’impose, que ce soit pour évaluer les conjonctions possibles entre les mesures de protection du charriage et celles de la lutte contre les crues, ou pour mieux procéder à une pesée des intérêts, lorsque les mesures à adopter ne convergent pas.
  • Les objectifs de politique énergétique en matière de promotion des énergies renouvelables: il s’agit de veiller à préserver la production d’énergie à compter de la force hydraulique. La stratégie énergétique de la Confédération à l’horizon 2050 tient cependant compte des contraintes de la LEaux dans les projections du potentiel offert par l’énergie hydraulique (Message Stratégie énergétique 2050, 6803).

 

C.           Coordination des mesures dans le bassin versant (al. 3)

29. L’obligation de coordination des mesures à l’échelle du bassin versant, après avoir entendu les propriétaires de centrales concernées, permet de garantir des solutions optimales tenant compte de l’ensemble des centrales hydroélectriques visées par des mesures. Le but est ici de considérer l’interdépendance et les effets de cumul des restitutions d’eau des différentes centrales d’un même bassin versant hydrologique; certaines zones se prêtent mieux que d’autres à des bassins de compensation (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7326).

30. L’obligation de coordination vise deux objectifs: il s’agit, en premier lieu, de s’assurer la prise en considération de l’ensemble des éléments intervenant en interdépendance sur un même bassin versant d’un cours d’eau; secondement, il convient d’être attentif à la coordination des exigences de l’ensemble des dispositions de la LEaux, invitant à des mesures, ainsi que de celles qui découlent d’autres législations, telle que la législation sur la pêche ou la LPN (voir sur ce point aussi l’art. 83b LEaux et 46 OEaux; Riva, Wasserkraftanlagen, 19).

D.           Le respect des droits acquis

31. Sur le plan matériel, l’art. 43a al. 1 LEaux ne fait aucune distinction entre les installations nouvelles et existantes, quant aux mesures à prendre; celles-ci sont dictées exclusivement en considération de la gravité des atteintes engendrées par les obstacles au régime de charriage et non eu égard aux éventuels droits acquis.

32. Les exploitations au bénéfice d’une concession peuvent se prévaloir de droits acquis (art. 43 al. 1 LFH). Le droit d’utilisation accordé dans le cadre d’une concession hydroélectrique ne peut être retiré ou restreint, sauf pour cause d’utilité publique et moyennant indemnité (art. 43 al. 2 LFH). Cette question a cristallisé les débats dès le projet présenté par la Commission parlementaire (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315). Le législateur y a répondu, d’une part, par l’adoption d’un régime de droit transitoire, qui prévoit un délai de 20 ans pour réaliser les assainissements d’installations existantes, selon une planification à réaliser par les cantons (art. 62c, 83a et 83b LEaux); d’autre part, par le remboursement complet des mesures nécessaires, par la société nationale du réseau de transport (Swissgrid) (art. 15abis et 15b LEneart. 17d al. 1 OEne42c al. 2 OEaux). Ce régime d’indemnisation ne vise toutefois ni le renouvellement de concessions, pendant le délai précité, ni les modifications importantes d’installations, qui devraient être assimilées à des installations nouvelles (voir commentaire ad art. 83a LEaux).

33. Les autres installations ou interventions – qui relèvent pour la plupart de travaux d’intérêt public (aménagements de cours d’eau, dépotoirs à alluvions), si l’on excepte l’exploitation commerciale de gravier – sont également soumises à l’obligation de prendre des mesures d’assainissement en faveur du charriage dans le délai de 20 ans prescrit par l’art. 83a LEaux. Les coûts de ces mesures sont à supporter par la Confédération et les cantons (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7320).

 

Zusammenfassung

Art. 43a GSchG hält die Kriterien fest, die für die Umsetzung von Massnahmen betreffend den Geschiebetransport zu berücksichtigen sind, um schwere Beeinträchtigungen auf Tiere und Pflanzen zu vermeiden. Diese Bestimmung legt ein Massnahmensystem fest, das auf neue wie bestehende Anlagen anwendbar ist und fordert zur Koordination der Massnahmen im Einzugsgebiet des betroffenen Gewässers auf. Sie ist in Verbindung zu setzen mit Art. 83a und 83b GSchG, welche die Frist und das anwendbare Verfahren für Sanierungen von bestehenden Anlagen bestimmen.

 

 

Bibliographie: Jansen Luc, Renaturation et adaptation du droit cantonal aux nouvelles dispositions de la législation fédérale sur la protection des eaux, in: DEP 2012, 126 ss (cit. Protection des eaux); Riva Enrico, Wasserkraftanlagen: Anforderungen an die Vollständigkeit und Präzision des Konzessionsentscheids, in: DEP 2014, 1 ss (cit. Wasserkraftanlagen).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Bureau Suisse de Conseil pour la Pêche (FIBER), «L’effet d’éclusées», l’impact du fonctionnement par éclusées des centrales hydroélectriques sur la faune et la flore aquatiques, Kastanienbaum 2005 (cit. Effet d’éclusées); Motion Epiney (07.3311) «Renaturation des cours d’eau. Contre-projet à l’intiative populaire ‹Eaux vivantes›» du 6 juin 2007 (cit. Motion Epiney Renaturation); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007); Office fédéral de l’environnement (OFEV), Rapport explicatif du 20 avril 2011, A) Initiative parlementaire Protection et utilisation des eaux (07.492) – Modification des ordonnances sur la protection des eaux, l’aménagement des cours d’eau et l’énergie, de même que de l’ordonnance relative à la loi fédérale sur la pêche, Berne 2011 (cit. Rapport explicatif); Office fédéral de l’environnement (édit.) (rédigé par Schälchli Ueli/Kirchoher Arthur), Assainissement du régime des charriages, Planification stratégique, Un module de l’aide à l’exécution Renaturation des eaux, in: L’environnement pratique n 1226, Berne 2012 (cit. Assainissement); Message du Conseil fédéral relatif au premier paquet de mesures de la Stratégie énergétique 2050 (Révision du droit de l’énergie) et à l’initiative populaire fédérale «Pour la sortie programmée de l’énergie nucléaire (Initiative «sortir du nucléaire»)» du 4 septembre 2013, FF 2013 6771 ss (cit. Message Stratégie énergétique 2050).

Eggs Raphael | Zufferey Jean-Baptiste​

 

Exploitation de gravier, de sable ou d’autres matériaux

1         Quiconque entend exploiter du gravier, du sable ou d’autres matériaux ou entreprendre des fouilles préliminaires à cette fin doit obtenir une autorisation.

2         Ces exploitations ne sont pas autorisées:

a.       dans les zones de protection des eaux souterraines ;

b.       au-dessous du niveau des nappes souterraines exploitées;

c.       dans les cours d’eau, lorsque le débit solide charrié ne compense pas les prélèvements.

3         L’exploitation de matériaux peut être autorisée au-dessus de nappes souterraines exploitables à condition qu’une couche protectrice de matériau soit maintenue au-dessus du niveau le plus élevé que la nappe peut atteindre. L’épaisseur de cette couche sera fixée en fonction des conditions locales.

Ausbeutung von Kies, Sand und anderem Material

1         Wer Kies, Sand oder anderes Material ausbeuten oder vorbereitende Grabungen dazu vornehmen will, braucht eine Bewilligung.

2         Die Bewilligung für solche Arbeiten darf nicht erteilt werden:

a.       in Grundwasserschutzzonen;

b.       unterhalb des Grundwasserspiegels bei einem Grundwasservorkommen, das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eignet;

c.       in Fliessgewässern, wenn der Geschiebehaushalt nachteilig beeinflusst wird.

3         Bei einem Grundwasservorkommen, das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eignet, kann die Ausbeutung oberhalb des Grundwasserspiegels bewilligt werden, wenn über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel eine schützende Materialschicht belassen wird. Diese ist nach den örtlichen Gegebenheiten zu bemessen.

Estrazione di ghiaia, sabbia o altri materiali

1         Chiunque intende estrarre ghiaia, sabbia o altri materiali o eseguire scavi a tale scopo, deve ottenere un’autorizzazione.

2         L’autorizzazione non può essere concessa se i lavori sono eseguiti:

a.       in zone di protezione delle acque sotterranee;

b.       sotto il livello della falda freatica che, per quantità e qualità dell’acqua, si presta alla captazione;

c.       in un corso d’acqua, qualora il suo bilancio in materiale detritico ne sia negativamente influenzato.

3         Se la falda, per quantità e qualità dell’acqua, si presta alla captazione, l’estrazione può essere autorizzata al di sopra del suo livello, sempreché uno strato protettivo di materiale sia mantenuto al di sopra del livello massimo cui la falda può giungere. Lo spessore dello strato è calcolato secondo le condizioni locali.

 

 

Table des matières

Le contexte général de l’art. 44 LEaux 1
 A. ​ L’objet de la disposition 1
B. L’évolution historique 2
C. La fonction et la systématique dans l’ordre juridique 4
1. En général 4
2. Par rapport aux règles de planification 7
D. Le champ d’application 12
II. Le régime d’autorisation (al. 1) 15
​A. Les caractéristiques de l’autorisation 15
B. Les exploitations illicites 18
III. L’interdiction d’exploiter (al. 2) 21
​A. La nature de l’interdiction 21
B. Les situations visées 24
1. Dans les zones de protection des eaux (let. a) 24
2. Au-dessous des nappes souterraines exploitées (let. b) 27
3. Dans les cours d’eau (let. c) 32
C. L’impact sur les exploitations en cours 35
​1. Le contexte
​2. ​La révocation des autorisations 36
​3. ​Les particularités en cas de concession 45
​IV. ​L’exploitation au-dessus des nappes souterraines exploitables (al. 3) 49
​A. ​Le champ d’application de cette règle 49
​B. ​Le but et la nature de l’autorisation 52
​C. ​La condition: le maintien d’une couche de protection 54
​1. ​Le principe 54
​2. ​La détermination du niveau le plus élevé que la nappe peut atteindre 57

 

 

I.              Le contexte général de l’art. 44 LEaux

A.           L’objet de la disposition

1. Comme le relève le TF, les gravières impliquent un important bouleversement de la configuration des lieux de leur exploitation (ATF 119 Ib 174, consid. 2; ATF 112 Ib 26, consid. 2a). Cette activité est ainsi susceptible d’avoir un impact significatif d’un point de vue environnemental et en particulier de porter atteinte aux eaux; le législateur a dès lors choisi de consacrer une disposition particulière à ce problème. L’art. 44 LEaux soumet d’abord de telles exploitations à un régime d’autorisation (al. 1). Il impose ensuite leur interdiction dans trois cas de figure considérés comme particulièrement sensibles (al. 2), à savoir dans les zones de protection des eaux souterraines (let. a), au-dessous du niveau des nappes souterraines exploitées (let. b) ainsi que dans les cours d’eau, lorsque le débit solide charrié ne compense pas les prélèvements (let. c). Enfin, cette disposition pose les conditions qui doivent être réunies en vue d’une exploitation au-dessus des nappes souterraines exploitables.

 

B.            L’évolution historique

2. La législation qui a précédé l’adoption de la LEaux connaissait également une disposition spécifique à l’ «exploitation de gravier»: l’art. 32 LEaux 1971. A l’instar du droit actuel, cette disposition prévoyait un régime d’autorisation (al. 1), ainsi qu’une interdiction de «creuser au-dessous du niveau de l’eau» «dans les couches aquifères dont les nappes souterraines se prêtent à l’approvisionnement en eau, tant en ce qui concerne la quantité que la qualité» (al. 2). Au-dessus du niveau «de la nappe souterraine utilisable», une exploitation était possible à des conditions identiques à celles de l’actuel art. 44 al. 3 LEaux (al. 2 i.f.).

3. Si l’interdiction des gravières dans les zones de protection des eaux souterraines n’était pas mentionnée à l’art. 32 LEaux 1971, de telles exploitations étaient déjà exclues sous l’empire de l’ancien droit dans les zones de captage «S1» ainsi que dans les zones de protection rapprochée «S2» (ATF 119 Ib 174, consid. 3). L’art. 30 al. 1 LEaux 1971 prévoyait d’ailleurs expressément la délimitation de zones de protection des captages.

 

C.           La fonction et la systématique dans l’ordre juridique

1.             En général

4. L’art. 44 LEaux constitue l’une des règles qui vise la «prévention des atteintes nuisibles aux eaux», selon le titre 2 de la LEaux; plus précisément, la loi traite des gravières comme d’un cas parmi les «autres atteintes nuisibles aux eaux» (ch. 3), après des dispositions générales relatives à la «sauvegarde de la qualité des eaux» (ch. 1) ainsi que plusieurs règles visant le «maintien de débits résiduels convenables» (ch. 2). L’art. 44 LEaux est inséré après deux dispositions qui lui sont directement liées, à savoir l’art. 43 LEaux qui traite de la protection des nappes ainsi que l’art. 43a LEaux relatif au «régime de charriage».

5. Plus largement, la protection des eaux face à l’exploitation de gravières s’inscrit dans un ensemble de dispositions éparses qui limitent cette activité. On pense d’abord à la LPE, notamment au principe de limitation des émissions (art. 11 LPE) et aux règles relatives aux atteintes portées aux sols (art. 33 ss LPE), à la LFo, en particulier sous l’angle de l’obligation d’obtenir une autorisation en vue d’un défrichement (art. 5 LFo), ainsi qu’à la LPN. Sous l’angle de l’aménagement du territoire (LAT), l’exploitation d’une gravière constitue une installation que l’art. 22 LAT soumet à autorisation de construire. En tant qu’installation susceptible d’affecter sensiblement l’environnement (art. 10a al. 2 LPE), une gravière implique par ailleurs la réalisation d’une étude d’impact sur l’environnement, lorsque son volume global d’exploitation est supérieur à 300’000 m3 (ch. 80.3 de l’annexe à l’OEIE).

6. Outre l’autorisation cantonale de police qu’impose l’art. 44 al. 1 LEaux, l’exploitation d’une gravière peut encore être assujettie aux procédures administratives qui appréhendent les aspects économiques de cette activité. Concrètement et pour l’essentiel:

  • Comme les gravières sont souvent situées dans le lit des cours d’eau ou alentours et font donc partie du domaine public (cantonal ou communal), leur exploitation équivaut à un usage exclusif, qui doit faire l’objet d’une concession (régalienne).
  • Une gravière est une exploitation privée, mais qui présente aussi des aspects d’intérêt public: d’une part, elle fournit la matière première nécessaire à la construction dans une région; d’autre part lorsque la remise en état du site d’extraction s’impose, les matières extraites sont généralement remplacées par du matériel d’excavation non pollué (cette remise en culture équivaut alors à une valorisation, éventuellement par des déchets de construction; dans cette dernière hypotèse, les gravières fonctionnent comme décharges contrôlées pour matériaux inertes (DCMI). Ces aspects d’intérêt public justifient que l’Etat puisse intervenir par exemple en expropriant les matériaux nécessaires à la construction d’une infrastructure publique telle qu’une autoroute (cf. art. 4 let. c LEx) ou en contrôlant les prix de mise en décharge des déblais et gravats (cf. ATF 2P.145/2004 du 25 novembre 2004; pour un commentaire: Zufferey, Contrôle des prix, 11 ss).

 

2.             Par rapport aux règles de planification

Les zones d’extraction

7. Pour qu’une autorisation de construire soit délivrée, l’installation qui vise l’exploitation de gravier, de sable ou d’autres matériaux doit être conforme à l’affectation de la zone en vertu de l’art. 22 al. 2 let. a LAT. A cet effet, les biens-fonds concernés devront être affectés à une zone d’extraction de matériaux (cf. ATF 119 Ib 174, consid. 2 ou 112 Ib 26, consid. 2a, dans lesquels le TF retient qu’il doit s’agir d’une zone «d’extraction minière ou d’eploitation du sous-sol»). L’obligation générale d’aménager le territoire que formule l’art. 2 LAT impose aux cantons de déterminer les zones d’exploitation de gravières, à tout le moins celles d’une certaine étendue, par des plans contraignants (ATF 112 Ib 26, consid. 2a). Le pouvoir de créer de telles zones appartient aux communes, au vu de l’importance locale considérable de cette activité, à moins que le droit cantonal ne l’attribue au canton (ATF 115 Ib 302, consid. 5b). Le canton de Vaud s’est ainsi doté d’une loi sur les carrières (LCar VD), qui prévoit notamment l’élaboration d’un plan directeur des carrières, dont l’objet est de délimiter les territoires qui se prêtent à l’exploitation commerciale et industrielle de matériaux (art. 4 al. 1 LCar VD). Le canton de Genève dispose également d’une loi sur les gravières et exploitations assimilées (LGEA GE), qui prévoit l’élaboration d’un plan directeur des gravières (art. 4 LGEA GE) ainsi que de plans d’extraction (art. 6 LGEA GE).

8. Dans le contexte de l’élaboration d’un plan d’affectation qui prévoit la délimitation d’une zone d’extraction, l’autorité procède à une pesée globale de tous les intérêts liés à l’aménagement du territoire et à la protection de l’environnement. Le TF a retenu que cette obligation est violée lorsque l’autorité délimite une zone de gravière sans connaître les éléments de fait déterminants dans les domaines de la protection contre le bruit, de la protection de l’air et de la protection des eaux (ATF 123 II 88, consid. 2).

Au-delà de la délimitation de zones d’affectation spécifiques, l’extraction de matériaux nécessite une coordination à l’échelle cantonale. Celle-ci ressortit en principe au plan directeur cantonal; elle peut également faire l’objet de plans directeurs sectoriels (cf. par ex., dans le canton de Vaud, la mesure F41 du plan directeur cantonal, qui prévoit l’élaboration d’un plan directeur des carrières ainsi que d’un plan directeur des dépôts d’excavation et de matériaux).

Les zones agricoles

9. Si une zone d’extraction n’a pas été délimitée, l’exploitation de gravier se révèle non conforme à l’affectation de la zone (ATF 108 Ib 364, consid. 5b). Elle ne peut dès lors être envisagée en zone agricole que moyennant la délivrance d’une autorisation exceptionnelle de construire au sens de l’art. 24 al. 1 LAT (ATF 119 Ib 174, consid. 2; 112 Ib 26, consid. 2a; 111 Ib 86, consid. 2); la délivrance d’une telle autorisation incombe à une autorité qui doit être de niveau cantonal et non pas communal ou régional (art. 25 al. 2 LAT). Le TF a toutefois retenu que l’autorisation d’exploiter une gravière en zone agricole n’entrait en considération que pour des projets de faible importance. En effet, la jurisprudence considère de façon générale que l’autorisation exceptionnelle de l’art. 24 LAT ne peut pas être accordée pour des installations qui, en raison de leurs dimensions et de leur incidence sur la planification locale, ne peuvent être correctement étudiées que par le truchement d’une procédure d’adoption d’un plan d’affectation (ATF 119 Ib 174, consid. 4; 117 Ia 352, consid. 6a; 116 Ib 131, consid. 4a; 115 Ib 508, 413, consid. 6); à plus forte raison lorsque la taille du projet de gravière est telle qu’il doit faire l’objet d’une étude d’impact (voir N 5 i.f.).

10. L’art. 24 al. 1 LAT exige que l’implantation d’une gravière hors de la zone à bâtir soit imposée par sa destination (let. a) et qu’aucun intérêt prépondérant ne s’y oppose (let. b). La première de ces conditions implique de démontrer qu’objectivement aucun autre emplacement n’entre raisonnablement en ligne de compte («Standortgebundenheit»). Dans ce contexte, il convient de prendre en compte la quantité de gravier disponible et la possibilité de l’exploiter sans porter atteinte aux eaux. A cela s’ajoute le fait que les gravières ne peuvent être exploitées à proximité immédiate d’habitations, en raison des immissions de bruit et de poussière qu’elles génèrent. Enfin, de telles installations doivent se trouver à proximité du lieu où les matériaux produits sont utilisés, pour éviter des trajets de transport trop importants. L’ouverture d’une gravière n’est ainsi que relativement liée à un emplacement (ATF 104 Ib 221, consid. 4b).

11. Le TF a par exemple considéré que cette condition était remplie dans le cas d’un projet d’exploitation de glaise, considérant que d’importantes quantités de glaise pure étaient disponibles à l’emplacement prévu; cette matière était susceptible d’être transformée en briques et en tuiles et se trouvait à une distance raisonnable du lieu de production (ATF 108 Ib 364, consid. 6a). Dans le contexte de la pesée des intérêts qu’impose l’art. 24 al. 1 let. b LAT, le TF a retenu que les exigences du développement économique, de la protection des eaux, de la protection de la nature et du paysage, de la protection contre les immissions ainsi que le risque d’altération du terrain devaient être prises en compte; dans le cas d’espèce, aucun de ces intérêts ne s’opposait de façon prépondérante à l’exploitation de la glaisière envisagée (ATF 108 Ib 364, consid. 6b).

 

D.           Le champ d’application

12. La note marginale de l’art. 44 LEaux décrit l’objet de la disposition comme étant l’«exploitation de gravier, de sable ou d’autres matériaux». L’alinéa 1 étend le champ d’application de l’exigence d’autorisation aux «fouilles préliminaires» entreprises aux fins de cette exploitation, hypothèse qui n’était pas prévue par l’art. 32 al. 1 LEaux 1971.

13. Les termes «autres matériaux» peuvent également donner lieu à une interprétation plus large du champ d’application de l’art. 44 LEaux, tout en soulevant la question de ses limites:

  • Cette notion permet assurément d’englober les carrières qui pratiquent l’extraction de tous les types de roches. On peut cependant se demander ce qu’il en est d’autres substances. Si l’extraction de tourbe est de façon générale proscrite depuis l’adoption, en 1987, de l’art. 24sexies Cst. 1874 (actuel art. 78 al. 5 Cst. qui protège les sites marécageux), le sous-sol peut également être utilisé en vue de l’exploitation de ressources énergétiques (gaz, géothermie, etc.).
  • La réglementation relative aux études d’impact sur l’environnement peut se révéler utile à l’interprétation de cette notion. En effet, le ch. 80.3 de l’annexe à l’OEIE soumet à une étude d’impact les «gravières, sablières, carrières et autres exploitations d’extraction de matériaux non utilisés à des productions d’énergie»; l’exploitation de ressources énergétiques est traitée séparément, au ch. 21.7, qui impose une étude d’impact pour les «installations destinées à l’extraction du pétrole, du gaz naturel ou du charbon».
  • La distinction entre ces types d’exploitation peut également être appréhendée sur la base des notions de «carrières» et de «mines». A titre d’exemple, la LCar VD définit ces dernières comme des «gisements naturels, exondés ou immergés, de substances utilisées dans l’économie, existant dans le sein de la terre ou à sa surface et qui ne sont pas classés dans les lois sur les mines ou les hydrocarbures (par exemple les gisements de pierre, de gravier, de sable, de marne, de glaise ou de tourbe)» (art. 1 al. 1 LCar VD). La LMines VD vise quant à elle les «combustibles fossiles», alors que la LHydr VD a pour objet les «gîtes d’hydrocarbures liquides ou gazeux».
  • Sur la base de ces distinctions, il s’impose à notre avis de retenir que la notion d’«autres matériaux» peut englober, à l’instar de ce que prévoit la LCar VD, d’autres gisements naturels que le gravier ou le sable, en particulier tout type de roche, de la glaise ou de la tourbe, pour autant qu’il ne s’agisse pas de ressources destinées à être utilisées à des fins de production d’énergie.

14. Contrairement à ce qui prévaut pour l’assujettissement des gravières à l’étude d’impact sur l’environnement, l’exigence d’autorisation de l’art. 44 al. 1 LEaux est valable indépendamment du volume de l’exploitation et s’applique pour toute extraction de gravier, de sable ou d’autres matériaux (cf. ch. 80.3 de l’annexe à l’OEIE).

 

II.           Le régime d’autorisation (al. 1)

A.           Les caractéristiques de l’autorisation

15. L’art. 44 al. 1 LEaux pose comme principe l’obligation d’obtenir une autorisation pour toute exploitation de gravier, de sable ou d’autres matériaux, ou pour entreprendre des fouilles préliminaires à cette fin. Cette autorisation est indépendante des autres permis qu’une telle activité implique, en particulier du permis de construire, d’une éventuelle autorisation en vue d’un défrichement, etc. (voir N 5 s.). Elle devra néanmoins être délivrée dans une procédure coordonnée (art. 25a LAT); la compétence en reviendra à l’autorité cantonale chargée de la protection des eaux, conformément à la règle générale posée à l’art. 45 LEaux, qui prescrit aux cantons d’exécuter la loi fédérale sous réserve de tâches expressément réservées à la Confédération. Cette exigence (fédérale) de coordination sera particulièrement incisive lorsque certaines des autres procédures nécessaires seront de compétence communale et/ou régionale.

16. L’art. 44 al. 2 et 3 LEaux traite spécifiquement de certaines situations sensibles du point de vue de la protection des eaux, en particulier les zones de protection des eaux, les nappes souterraines exploitables et les cours d’eau. On ne saurait pour autant en conclure que l’obligation d’obtenir une autorisation ne s’applique que lorsque l’exploitation d’une gravière concerne l’une de ces situations. L’autorisation est au contraire nécessaire pour toute exploitation de gravier, quelle que soient les caractéristiques des lieux du point de vue de la protection des eaux, c’est-à-dire également au-delà des secteurs «Au» (secteurs dits «üB»); nous reviendrons sur les conditions d’une autorisation dans ces autres secteurs (voir N 51).

17. L’autorisation d’exploiter une gravière constitue en principe une autorisation de police, puisqu’elle se limite à constater qu’aucun obstacle technique ne s’oppose à cette activité. L’hypothèse où l’exploitation d’une gravière nécessite une concession est particulière (voir N 7 et 46); bien qu’une telle concession vise également à vérifier le respect des conditions légales, l’octroi du droit d’exploiter le domaine public implique nécessairement un important pouvoir d’appréciation de l’autorité concédante (Häfelin/Müller/ Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 97). La jurisprudence du TF impose à notre avis également de retenir que l’on ne se trouve plus dans un cas d’autorisation de police lorsqu’il s’agit d’autoriser une exploitation au-dessus des nappes souterraines exploitables, au sens de l’art. 44 al. 3 LEaux. Dans ce cas, les cantons disposent en effet d’un important pouvoir d’appréciation, qui leur permet de limiter le nombre de gravières par leur pratique d’autorisation, en tenant compte notamment des besoins en gravier et des possibilités d’aménager des exploitations en dehors du périmètre des eaux souterraines (ATF 103 Ib 296, consid. 2e). Cet aspect fera l’objet d’une analyse plus détaillée (voir N 3).

 

B.            Les exploitations illicites

18. L’exploitation d’une gravière sans autorisation peut conduire l’autorité à prendre des mesures administratives en vue de rétablir une situation qui soit conforme au droit; dans la pratique, il devrait s’agir d’une part de la cessation de toute activité et d’autre part de la remise en état des lieux. Conformément aux principes généraux relatifs à l’exécution des obligations de droit administratif, de telles mesures peuvent faire l’objet d’une exécution forcée (cf. Tanquerel, Droit administratif, 400). Dans le contexte de cette remise en état, le respect du principe de la proportionnalité certes s’impose, également à l’encontre d’un exploitant de mauvaise foi (ATF 123 II 248, consid. 4a); vu l’importance de l’intérêt public qu’il y a à protéger les eaux, le maintien d’une exploitation illicite ne devrait cependant pas être accordé aussi facilement que dans le cas «habituel» d’une construction édifiée sans autorisation.

19. L’art. 70 al. 1 let. g LEaux prévoit par ailleurs une sanction pénale en cas de non-respect de l’art. 44 LEaux; ainsi, l’exploitation d’une gravière sans autorisation ou la violation des conditions énoncées dans l’autorisation peuvent donner lieu à une peine privative de liberté de trois ans au plus ou une peine pécuniaire.

20. Face à une restriction de la propriété qu’entraîne la cessation inévitable de l’exploitation, l’absence d’autorisation sera déterminante dans l’examen du droit éventuel pour l’exploitant à être indemnisé (sur la question de l’indemnisation, voir ég. N 41 ss). Ainsi, dans une procédure d’expropriation qui visait des biens-fonds situés le long d’une rivière sur lesquels le propriétaire comptait exploiter une gravière ainsi qu’une décharge, le TF a considéré que ces dernières activités n’avaient pas été autorisées et qu’elles ne pouvaient donc pas être prises en compte dans la fixation de l’indemnité. A cette occasion, le TF a également précisé qu’une telle autorisation ne pouvait être délivrée oralement ou par simple acte concluant, compte tenu des exigences fixées par la loi (TF 1P.651/2004 du 17 janvier 2005, consid. 4, résumé in: RDAF 2007 I, 456). Le Tribunal cantonal fribourgeois s’est également prononcé sur la possibilité de reconnaître une expropriation matérielle, dans le cas d’une gravière non autorisée située dans le périmètre d’une nappe souterraine exploitable décrite comme «la plus considérable du canton». Il a en particulier retenu que dans la mesure où, depuis les années 1960 au moins, l’exploitation d’une gravière suppose une autorisation d’exploiter, une éventuelle expropriation matérielle fondée sur la suppression de l’usage du sous-sol ne peut entrer en considération que si l’extraction de gravier était licite et se fondait sur une autorisation en force au moment où la restriction du droit d’usage est entrée en vigueur. Si l’exploitation envisagée du gisement de gravier n’est pas couverte par les actes juridiques intervenus jusqu’au moment de la prétendue restriction d’usage (autorisations ou autres), il est exclu d’admettre l’existence d’une expropriation matérielle (Tribunal cantonal FR, Arrêt du 6 juillet 2011 [2A 2007-76], consid. 2).

 

 

III.        L’interdiction d’exploiter (al. 2)

A.           La nature de l’interdiction

21. Les dispositions constitutionnelles relatives à la protection des eaux, plus particulièrement les al. 2 et 3 de l’art. 76 Cst., ne contiennent aucune interdiction ni mandat législatif imposant l’interdiction prévue à l’art. 44 al. 2 LEaux. C’est en vue de concrétiser le but général de conservation des ressources en eau que le législateur a choisi d’interdire l’exploitation de gravières dans certaines situations, considérées comme sensibles.

22. La formulation sans équivoque du texte légal contraint à admettre que cette interdiction ne connaît pas d’exception, dès lors que l’on se trouve dans l’une des hypothèses décrites à l’art. 44 al. 2 LEaux. Ainsi, l’administration n’est pas en mesure de procéder à une pondération d’intérêts, pour déterminer si une interdiction doit être prononcée; son pouvoir d’appréciation se limite à l’application des conditions légales. Selon les principes généraux du droit administratif (intérêt public et proportionnalité; interdiction de l’arbitraire), il est admis que même dans une telle situation légale, une dérogation peut être envisagée lorsque les circonstances du cas concret considéré sont telles que l’on doit admettre que le législateur aurait prévu une clause de dérogation à l’interdiction absolue qu’il a édicté s’il avait anticipé lesdites circonstances. Pour l’art. 44 al. 2 LEaux, on peine à imaginer une telle hypothèse: il faudrait que le besoin de matériaux soit imprévisible, momentané et impossible à couvrir autrement qu’en les extrayant d’un site interdit; or, ces matériaux ne sont pas tels qu’aucune solution alternative ne se présente (même si elle revient plus cher à l’usager).

23. La nature de l’interdiction prévue à l’art. 44 al. 2 LEaux soulève le problème du champ d’application de l’alinéa 3 de cette même disposition, qui autorise à certaines conditions l’exploitation de matériaux au-dessus des nappes souterraines exploitables. Ainsi, on peut se demander si cette dernière règle constitue un régime d’exception, qui permettrait de déroger en particulier à l’interdiction d’exploiter dans les zones de protection des eaux souterraines. Une telle possibilité était en effet reconnue avant l’entrée en vigueur de la LEaux (cf. par ex. ATF 108 Ib 364, consid. 6b/bb; 86 I 187, consid. 5 ss). Cette question mérite un examen particulier; de notre point de vue, un tel régime exceptionnel n’est désormais plus admissible (N 50 ss).

 

B.            Les situations visées

1.             Dans les zones de protection des eaux (let. a)

24. La première hypothèse dans laquelle la loi interdit l’exploitation de gravières concerne «les zones de protection des eaux souterraines». Cette notion fait directement référence à l’art. 20 LEaux: ce dernier traite de ces zones en prévoyant à son al. 1 que «les cantons délimitent des zones de protection autour des captages et des installations d’alimentation artificielle des eaux souterraines qui sont d’intérêt public; ils fixent les restrictions nécessaires du droit de propriété». L’art. 29 al. 2 OEaux précise que ces zones visent à protéger les eaux qui alimentent non seulement des captages et des installations d’alimentation artificielle d’intérêt public déjà existants, mais également des captages et des installations prévus (dans le texte allemand «geplant»), dont la localisation et la quantité à prélever sont déjà fixées.

25. L’annexe 4 ch. 121 al. 1 de l’OEaux retient que «les zones de protection des eaux souterraines se composent de la zone de captage (zone S1), de la zone de protection rapprochée (zone S2) et de la zone de protection éloignée (zone S3)». Le but et l’étendue de ces trois types de zones de protection est également explicité aux ch. 122 à 124 de l’annexe 4 de l’OEaux (cf. ég. OFEFP, Instructions eaux souterraines, 39 ss; VLP-ASPAN, Mesures d’organisation, 4 s.).

26. Le TF a précisé que contrairement à ce qui prévalait avant l’entrée en vigueur de la LEaux, l’interdiction d’exploiter des gravières vaut désormais également dans la zone de protection éloignée S3 (ATF 119 Ib 174, consid. 3). Cette évolution avait d’ailleurs déjà été précisée dans le Message du Conseil fédéral (Message LEaux 1987, 1171 s.); le TF s’y est référé, tout en précisant que la volonté du législateur était d’accroître de façon rigoureuse la protection des captages contre le risque de pollution. Dans la même perspective, l’art. 44 al. 2 let. a LEaux est d’application immédiate: l’extension de l’interdiction à la zone S3 s’est appliquée à toutes les procédures qui étaient pendantes (en première instance ou devant les autorités de recours) lors de son entrée en vigueur (cf. ATF 119 Ib 174).

 

2.             Au-dessous des nappes souterraines exploitées (let. b)

La protection des nappes souterraines

27. L’exploitation de gravières est ensuite interdite «au-dessous du niveau des nappes souterraines exploitées». La protection des nappes souterraines est réglée spécifiquement à l’art. 43 LEaux, qui traite notamment des prélèvements qui peuvent y être opérés et vise d’une façon générale à maintenir leur niveau. L’art. 46 al. 2 OEaux prévoit également que les cantons recensent les nappes d’eaux souterraines exploitées ou destinées à l’être, dans le contexte de l’élaboration des plans d’approvisionnement en eau potable.

28. Parallèlement à l’interdiction posée par l’art. 44 al. 2 let. b LEaux, le ch. 211 al. 2 de l’annexe 4 de l’OEaux retient que «dans le secteur Au de protection des eaux, on ne mettra pas en place des installations qui sont situées au-dessous du niveau moyen de la nappe souterraine. L’autorité peut accorder des dérogations lorsque la capacité d’écoulement des eaux du sous-sol est réduite de 10 % au plus par rapport à l’état non influencé par les installations en question». Cette disposition vise cependant des installations autres que celles décrites à l’art. 44 LEaux; en matière de gravières, aucune dérogation ne saurait être accordée, conformément à ce qui a été exposé ci-dessus (N°22 ss).

Les nappes souterraines «exploitées» ou «exploitables»?

29. Bien que le texte légal français utilise l’expression nappes souterraines «exploitées», on peut douter que cette terminologie corresponde réellement à la volonté du législateur:

  • D’une part, les nappes souterraines «exploitées» devraient déjà être comprises dans des zones de protection au sens de l’art. 20 LEaux; sur la base de cette dernière disposition, les cantons sont en effet tenus de délimiter des zones de protection autour des captages et des installations d’alimentation artificielle des eaux souterraines d’intérêt public (al. 1). Cela implique que l’interdiction d’exploiter une gravière dans des nappes exploitées s’impose déjà sur la base de l’art. 44 al. 2 let. a LEaux.
  • Le texte allemand de la loi éclaire l’interprétation de cette disposition. Selon cette version, l’exploitation de gravières est en effet interdite «en-dessous du niveau de la nappe, en présence d’une nappe qui se prête, du point de vue quantitatif et qualitatif, au captage d’eau» («unterhalb des Grundwasserspiegels bei einem Grundwasservorkommen, das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eignet»). L’énoncé allemand se rapproche d’ailleurs fortement de l’art. 32 al. 2 LEaux 1971 («in Grundwasservorkommen, die sich nach Menge und Qualität für die Wasserversorgung eignen, sind Grabungen zur Ausbeutung von Kies und Sand unterhalb des Grundwasserspiegels verboten»), que la version française formulait de la façon suivante: «Dans les couches aquifères dont les nappes souterraines se prêtent à l’approvisionnement en eau, tant en ce qui concerne la quantité que la qualité, il est interdit de creuser au-dessous du niveau de l’eau pour exploiter le gravier et le sable». On constate également que l’al. 3 de l’art. 44 LEaux utilise en allemand la même formulation que l’al. 2 let. a, alors que le texte français mentionne non plus les nappes «exploitées», mais bien «exploitables». La version italienne de la loi est formulée de façon similaire à la version allemande («falda freatica che, per quantità e qualità dell’acqua, si presta alla captazione»).

30. Ces considérations permettent de retenir que le législateur a bien visé, à l’art. 44 al. 2 let. b, les nappes souterraines «exploitables»et non seulement celles déjà exploitées. Cette interprétation rétablit également une logique d’opposition entre l’al. 2 let. a et l’al. 3: la première interdit toute exploitation de gravier au-dessous du niveau des nappes souterraines exploitables; la seconde fixe des conditions précises pour une telle activité au-dessus des nappes en questions (voir ég. N°51).

En visant également les nappes souterraines «exploitables», l’interdiction posée à l’art. 44 al. 2 let. b LEaux se révèle très absolue; cela explique certaines critiques forumulée à son encontre du caractère absolue (N 22 ss). Ainsi, Jansen expose que l’art. 44 LEaux ne tiendrait pas compte de la spécificité de certaines régions, avec à l’appui l’exemple de la plaine du Rhône. Celle-ci est en effet entièrement classée en secteur Au et le niveau moyen de la nappe phréatique s’y trouve à une profondeur d’un à deux mètres de la surface du sol. L’art. 44 LEaux y interdit donc toute extraction de matériaux, aussi bien au-dessous (al. 2 let. b) qu’au dessus (al. 3) des nappes. Les risques de pollution seraient pourant faibles, dès lors que les pompages souterrains y sont effectués à une profondeur de 20 à 30 mètres, voire davantage, dans des couches d’eau inférieures (Jansen, Restrictions, 31).

Le caractère exploitable des eaux

31. La notion de nappes souterraines exploitables permet de protéger non seulement les nappes déjà utilisées, mais également celles qui selon le Tribunal fédéral, pourraient à l’avenir servir à l’approvisionnement en eau potable (ATF 103 Ib 296, consid. 2b). Au-delà de cet approvisionnement, une utilisation alimentaire de l’eau potable (par exemple dans le contexte d’une exploitation thermale), devraient également entrer en considération conformément à l’objectif décrit à l’art. 1 let. b LEaux (cf. Jansen, Zones de protection, 346). Pour déterminer ce qu’il faut entendre par «exploitable», on peut se référer à l’annexe 4 ch. 111 de l’OEaux (cf. ég. OFEFP, Instructions eaux souterraines, 34). Cette disposition définit le secteur Au de protection des eaux, comme comprenant «les eaux souterraines exploitables ainsi que les zones attenantes nécessaires à leur protection» (al. 1). Deux conditions sont posées pour qu’une eau souterraine soit considérée comme exploitable ou propre à l’approvisionnement (al. 2): elle doit ainsi, naturellement ou suite à une alimentation artificielle, d’une part exister en quantité suffisante pour être exploitée, les besoins n’étant pas pris en considération (let. a), et d’autre part respecter, éventuellement après application d’un traitement simple, les exigences fixées pour l’eau potable dans la législation sur les denrées alimentaires (let. b).

 

3.             Dans les cours d’eau (let. c)

32. Le troisième cas d’interdiction concerne l’exploitation dans les cours d’eau. Celle-ci est interdite lorsque le débit solide charrié ne compense pas les prélèvements. Il ne s’agit ainsi pas d’une réelle interdiction, mais d’une situation dans laquelle l’exploitation peut être autorisée à condition de ne pas perturber le bilan des matériaux charriés.

33. Le Conseil fédéral a explicité cette exigence de façon détaillée à l’art. 43 al. 1 OEaux. Ainsi, l’autorité devra, avant de délivrer une autorisation, s’assurer en particulier que la quantité de matériaux extraits du cours d’eau à long terme n’est pas plus grande que celle qui est charriée naturellement (let. a) et qu’il ne se produira pas, à long terme, d’abaissement du lit du cours d’eau en dehors du lieu d’extraction (let. b); la conservation et la reconstitution des zones alluviales inscrites dans l’inventaire devra par ailleurs rester possible (let. c); la granulométrie des sédiments en dehors du lieu d’extraction ne devra pas être considérablement modifiée (let. d); enfin, l’exploitation ne devra pas provoquer de turbidité susceptible de porter atteinte aux eaux piscicoles (al. 2).

34. Ces règles concrétisent l’art. 43a LEaux, qui prévoit notamment que «le régime de charriage d’un cours d’eau ne doit pas être modifié par des installations au point de porter gravement atteinte à la faune et à la flore indigènes et à leurs biotopes, au régime des eaux souterraines et à la protection contre les crues».

 

C.           L’impact sur les exploitations en cours

1.             Le contexte

35. Les critères qui délimitent si l’exploitation d’une gravière peut être autorisée ne sont pas totalement figés. Il se peut dès lors qu’une modification de circonstances vienne faire obstacle à une exploitation déjà existante. Ainsi, il est envisageable, par rapport à l’art. 44 al. 2 let. a LEaux, que de nouvelles zones de protection des eaux soient créées, ou que leur périmètre évolue. Il est possible également que le secteur Au de protection des eaux soit modifié, de manière à ce que des eaux considérées jusqu’alors comme non exploitables le deviennent (let. b). Enfin, il est également concevable que le débit solide charrié d’un cours d’eau soit modifié (par exemple par une intervention en amont, sous forme d’exploitation ou de retenue), avec pour conséquence que les prélèvements opérés ne sont plus compensés (let. c). Dans ces différentes situations, la question du sort des autorisations déjà délivrées se pose. La réponse à cette question différera en fonction du fondement juridique de l’exploitation. Il peut en effet s’agir d’une simple autorisation, mais également d’une concession d’extraction de matériaux, lorsque l’exploitation de graviers a lieu sur le domaine public.

 

2.             La révocation des autorisations

Les conditions

36. Si l’exploitation a lieu uniquement sur la base d’une autorisation, la modification de l’une des circonstances précitées soulève la question de sa révocation. Parmi les motifs qui peuvent conduire à la révocation d’une décision administrative, la jurisprudence retient notamment l’évolution des conditions requises pour son octroi, plus précisément suite à la modification de l’état de fait ou de la situation juridique (ATF 99 Ia 453, consid. 2b; cf. ég. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 998; Dubey/ Zufferey, Droit administratif, § 18 N 291 ss). La création de nouvelles zones de protection ou la modification du secteur Au de protection des eaux correspondent de notre point de vue à une évolution de la situation juridique. L’ancienne loi fribourgeoise du 22 mai 1974 d’application de la LEaux 1971 prévoyait en ce sens, à son art. 23, que l’autorité cantonale de protection des eaux pouvait requérir le retrait de l’autorisation d’exploiter une carrière lorsque les conditions d’exploitation ne satisfaisaient plus aux exigences de la législation. Une modification du débit solide charrié constitue en revanche une évolution de la situation de fait.

37. Pour éviter de se voir confrontée à la question de la révocation, l’autorité qui délivre l’autorisation pourra l’assortir de conditions résolutoires. Celles-ci viseront les modifications précitées du cadre juridique ou factuel. Dans cette hypothèse, la survenance de la condition provoquera d’office la caducité de l’autorisation, sans qu’une révocation ne soit nécessaire (Tanquerel, Droit administratif, 291).

38. Une révocation est en principe exclue dans certaines situations particulières, notamment lorsque la décision en cause crée des droits subjectifs pour l’administré, lorsque l’autorisation délivrée a déjà été utilisée ou encore lorsqu’elle a été prise à l’issue d’une procédure approfondie (ATF 137 I 69, consid. 2.3; 115 Ib 152, consid. 3a; 103 Ib 204, consid. 3; cf. ég. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1002 ss; Dubey/Zufferey, Droit administratif, § 18 N 302 ss). Différents arrêts du TF permettent cependant d’affirmer qu’une irrévocabilité sur la base de l’une des hypothèses précitées ne devrait pas être retenue dans le cas d’une autorisation d’exploiter une gravière:

  • Une autorisation de police ne crée en principe pas de droits subjectifs pour l’administré (ATF 106 Ib 252, consid. 2b; 101 Ib 318, consid. 2); or, l’autorisation d’exploiter une gravière est d’ordinaire une autorisation de police puisqu’elle constate simplement qu’aucun obstacle juridique ne s’oppose à cette activité (voir N°18). De plus, le fait qu’une autorisation a déjà été utilisée ne saurait en soi faire obstacle à une révocation, lorsqu’une activité qui s’étend sur la durée est en cause. Enfin, la troisième situation précitée, à savoir celle où l’autorisation a été délivrée à l’issue d’une procédure approfondie, ne peut être invoquée lorsqu’une activité économique est en cause et que celle-ci se révèle contraire aux prescriptions légales (ATF 101 Ib 318, consid. 2).
  • Face à certaines circonstances, une révocation peut s’imposer et reléguer au second plan le principe de la sécurité du droit, même dans les trois situations précitées; tel est le cas en présence d’un intérêt public particulièrement important, lorsque de nouvelles circonstances de fait surviennent, en raison de nouvelles découvertes scientifiques, suite à une modification de la législation ou en présence de motifs de révision (ATF 127 II 307, consid. 7a; 121 II 273, consid. 1a/aa; 100 Ib 299, consid. 2).

39. En l’absence de règles sur la révocation prévues dans la loi, l’autorité doit mettre en balance d’une part l’intérêt à une application correcte du droit objectif et d’autre part les exigences de la sécurité du droit (ATF 137 I 69, consid. 2.3; 115 Ib 152, consid. 3a). Or, selon la jurisprudence du TF, l’intérêt public à la protection des eaux souterraines apparaît le plus souvent comme prépondérant dans le contexte de cette pesée d’intérêts:

  • Au sujet de l’art. 44 al. 2 LEaux, le TF a retenu qu’il s’agit d’une «disposition restrictive, qui n’est atténuée par aucune exception»; en précisant que l’interdiction d’exploiter des gravières s’appliquait désormais également dans les zones de protection éloignée S3, il s’est également fondé sur la volonté du législateur, qui avait été «d’accroître de façon rigoureuse la protection des captages contre le risque de pollution» (ATF 119 Ib 174, consid. 3; Message LEaux 1987, 1171 s.).
  • Un arrêt plus ancien insiste également sur le poids important qu’il convient d’accorder à la protection des eaux, précisément dans une situation où il s’est agi d’examiner si une autorisation de police fondée sur les règles de protection des eaux pouvait être révoquée. Comme l’installation de réservoirs à combustibles liquides était désormais exclue au-dessus d’eaux souterraines devant être prochainement classées en zone de protection A, le TF a relevé que la nouvelle réglementation – à l’époque l’adoption de la LEaux 1971 et de son ordonnance d’application – montrait à quel point le législateur avait placé un poids important dans l’intérêt public qu’il y a à garantir l’approvisionnement en eau (ATF 100 Ib 94, consid. 3a).
Les possibilités d’indemnisation?

40. Selon le TF, les mesures de police dirigées contre le perturbateur et destinées à écarter un danger concret constituent en principe des restrictions de la propriété admissibles sans indemnité (ATF 105 Ia 330, consid. 3b; 96 I 123, consid. b); tel est le cas lorsque l’autorité compétente se borne à appliquer au cas d’espèce une interdiction existant de par la loi et à définir, en fonction d’un projet d’utilisation d’un fonds, les restrictions policières du droit de propriété qui doivent être respectées de façon permanente (ATF 106 Ib 330, consid. 4; 96 I 350, consid. 4).

41. Avant l’entrée en vigueur de la LEaux, le TF a retenu que l’interdiction faite à un propriétaire, en application de l’art. 4 al. 1 LEAUX 1955, d’exploiter une gravière sur une parcelle située à proximité d’un captage d’eaux souterraines existant et utilisée jusqu’alors à des fins agricoles, constituait une mesure de police et qu’elle ne donnait pas lieu à indemnisation (ATF 96 I 350, consid. 4; cf. ég. Riva, Bau- und Nutzungsbeschränkungen, 477). Il a précisé par la suite que parmi les restrictions de police qui frappent la propriété privée, seules celles qui ont un caractère de police au sens strict en tendant à éviter un danger concret, c’est-à-dire sérieux et imminent, peuvent être imposées sans indemnité. On ne peut en revanche exclure d’emblée une indemnité dans le cas de mesures qui visent à éviter un danger général et abstrait; face à l’interdiction de bâtir en dehors du périmètre du plan des égouts, imposée par les art. 19 et 20 LEaux 1971, il convient encore d’examiner si l’on se trouve en présence d’une atteinte qui frappe un propriétaire de la même façon qu’une expropriation (ATF 105 Ia 330, consid. 3). Le TF a ensuite rappelé le principe de cette jurisprudence, dans une situation où un plan de zones de protection des eaux impliquait l’interdiction d’utiliser un bien-fonds à des fins agricoles intensives, mais non l’interdiction d’en poursuivre l’exploitation actuelle (ATF 106 Ib 330, consid. 4).

42. Ces arrêts concernaient toutefois des situations dans lesquelles l’interdiction frappait uniquement une utilisation projetée; la question de savoir dans quel sens devrait être tranchée une interdiction frappant une utilisation déjà réalisée a été laissée ouverte. Le TF a ensuite précisé que le principe de la non-indemnisation pour restrictions justifiées par des mesures de police pouvait souffrir trois exceptions: d’abord si une interdiction de construire est justifiée non seulement par des raisons de police, mais également par des motifs d’aménagement du territoire; ensuite lorsque l’interdiction frappe une utilisation existante; enfin dans l’hypothèse où l’établissement d’une zone de protection provoque le déclassement d’un terrain prêt pour la construction ou équipé ou encore qui provoque une situation assimilable à un déclassement (ATF 106 Ib 336, consid. 5b).

43. De ces arrêts, on peut déduire qu’une indemnisation ne saurait d’emblée être exclue dans le cas où la création d’une nouvelle zone ou d’un nouveau secteur de protection des eaux se révèle incompatible avec l’exploitation d’une gravière existante: d’une part, cette mise sous protection ne doit pas nécessairement être considérée comme une mesure de police au sens strict, destinée à prévenir un danger sérieux et imminent; d’autre part, même si l’on reconnaît qu’il s’agit d’une telle mesure de police, une exception pourrait être admise puisqu’il s’agit d’une mesure qui frappe une exploitation existante.

44. La situation doit dès lors être examinée sur la base des critères de l’expropriation matérielle. C’est ainsi qu’a procédé le Tribunal administratif neuchâtelois dans le cas du classement en zone réservée de terrains utilisés pour l’extraction de tourbe, suite à l’adoption de la norme constitutionnelle sur la protection des marais et sites marécageux (actuel art. 78 al. 5 Cst.). Cette autorité a considéré qu’une importance décisive devait être attribuée au fait que le recourant exploitait sa parcelle depuis plusieurs années lors de l’entrée en vigueur de l’interdiction; la parcelle, inconstructible et difficilement utilisable pour l’agriculture, ne présentait aucune autre réelle valeur économique; tout indiquait par ailleurs que l’exploitation aurait perduré jusqu’à ce que la tourbe disponible soit entièrement extraite. Le Tribunal administratif neuchâtelois a dès lors retenu que le recourant avait été privé d’un élément essentiel de son droit de propriété et était victime d’une atteinte particulièrement grave, constitutive d’une expropriation matérielle (Tribunal administratif NE, Arrêt du 16 février 2005 [TA.2002.450], consid. 2c, in: RJN 2007, 240).

 

3.             Les particularités en cas de concession

45. Une exploitation de gravier peut être menée sur la base d’une concession dite «régalienne», qui consiste pour l’autorité concédante à accorder au concessionnaire le droit de disposer de façon exclusive d’un bien appartenant au domaine public, soit les ressources du sous-sol (voir N 7). La concession constitue un acte juridique mixte, dans la mesure où elle comporte d’une part des clauses unilatérales, à l’instar d’une décision administrative, et d’autre part des clauses bilatérales, qui correspondent à un contrat de droit administratif. L’élément unilatéral est constitué par l’octroi du droit d’exploiter au concessionnaire, alors que les clauses qui règlent notamment la durée de la concession, les conditions d’exploitation, le montant de la redevance et le sort des installations à l’issue de la concession présentent un caractère bilatéral (ATF 130 II 18, consid. 3.1; 127 II 69, consid. 5a; Tanquerel, Droit administratif, 354, 356 ss; Dubey/Zufferey, Droit administratif, § 24 N 172).

46. Lorsque l’autorité concédante convient des conditions de l’exploitation, elle est amenée à y intégrer les exigences qui découlent de l’art. 44 LEaux. Ainsi, du point de vue de l’art. 44 al. 2 let. c LEaux, l’autorité doit en particulier exiger que le débit solide charrié compense les prélèvements opérés, lorsque l’exploitation doit avoir lieu dans un cours d’eau. Ainsi formulée, cette exigence signifie nécessairement l’extinction de la concession dans l’hypothèse où elle ne serait plus remplie.

47. La question est plus complexe lorsque de nouvelles zones de protection des eaux sont créées et se révèlent incompatibles avec l’exercice de la concession (art. 44 al. 2 let. a LEaux). Il en va de même si des eaux considérées jusqu’alors comme non exploitables le deviennent suite à une modification du secteur Au de protection des eaux (art. 44 al. 2 let. b LEaux). Comme évoqué, ces deux situations peuvent être assimilées à une modification de loi qui affecte l’exploitation de la concession (N°35). La jurisprudence opère dans ce cas une distinction selon qu’il s’agit d’une atteinte simple au droit acquis qui résulte de la concession ou d’une atteinte à sa substance. C’est uniquement dans cette dernière hypothèse que le concessionnaire a droit à une indemnité pour le dommage qu’il subit. Le TF a précisé que la substance d’un droit acquis est en particulier préservée lorsque les conséquences d’une atteinte n’entament pas de façon insupportable la rentabilité de l’entreprise concernée; l’ordre juridique n’accorde en effet aucune protection dans les cas bagatelles (ATF 127 II 69, consid. 5a; 126 II 171, consid. 3c; 119 Ib 254, consid. 5a; 107 Ib 140, consid. 3b; cf. ég. Riva, Wohlerworbene Rechte, 4, 110 s.).

48. Ce seuil de matérialité de l’atteinte aux droits acquis ne peut pas être fixé de manière générale; la situation doit être examinée de cas en cas, à l’aune du critère suivant: la mesure est-elle supportable pour le concessionnaire, d’un point de vue technique, économique et financier (dans ce sens, cf. art. 10 LFSP). Le TF a eu l’occasion d’appliquer ce critère dans sa jurisprudence sur la perte de production hydroélectrique liée à l’introduction des débits minimaux; il a estimé qu’une diminution de 3,5 à 3,7 % était une perte à ne pas indemniser parce qu’économiquement supportable (cf. consid. 6 ss de l’arrêt partiellement publié in ATF 110 Ib 160 et ZBI 1985 35). Dans un arrêt relatif à une installation d’enneigement artificiel, le même TF a considéré une perte de 1,2 ‰ comme admissible (TF 1A.234/1999 du 1er Mai 2000, Pra. 2000, 814 ss). Dans une affaire d’assainissement de captations d’eau (débits de dotation au sens de l’art. 80 al. 1 LEaux), le Tribunal administratif du canton de Berne a considéré que des réductions de production de 9,2 respectivement 14,7 % dépassaient clairement la mesure admise jusqu’ici (Tribunal administratif BE, Jugement du 11 août 1997 [VGE 19551/19552], DEP 1998, 172 ss). Dans une autre affaire assez similaire jugée en 2010, il a estimé qu’une perte de production de 6,0 % était encore justifiable en raison du fait que la concession devait de toute façon être renouvelée en 2020, mais qu’une réduction de 8,1 respectivement 10,4 % n’était pas économiquement supportable (Tribunal administratif BE, Jugement du 19 juillet 2010 [JTA 100.2006.1202], DEP 2010, 738). Les auteurs qui se sont exprimés sur cette question proposent de fixer la limite entre 4 et 10 % (ainsi Fournier, Concessions, 200); la réglementation du canton de Glaris estime qu’elle se situe entre 3 et 8 % de perte de production selon l’intérêt public en jeu (cf. OFEFP, Prélèvement d’eau. Rapport d’assainissement, 25).

 

 

IV.        L’exploitation au-dessus des nappes souterraines exploitables (al. 3)

A.           Le champ d’application de cette règle

49. L’art. 44 al. 2 let. a LEaux interdit l’exploitation de gravières dans les zones de protection des eaux souterraines. On peut dès lors se demander si l’al. 3 de cette disposition permet de déroger à cette interdiction, moyennant le respect des conditions qu’il pose; l’exploitation de matériaux serait ainsi possible dans les zones de protection des eaux, au-dessus des nappes souterraines et à condition qu’une couche protectrice de matériau soit maintenue au-dessus du niveau le plus élevé que la nappe peut atteindre. Un tel régime d’exception doit à notre avis être exclu, pour plusieurs raisons. D’abord, l’art. 44 al. 3 LEaux vise les nappes souterraines «exploitables»; cette terminologie ne paraît pas correspondre aux zones de protection des eaux, qui sont «exploitées». Ensuite, une telle exception serait contraire à la volonté du législateur, qui, selon le TF, a cherché à accroître de façon rigoureuse la protection des captages contre le risque de pollution (ATF 119 Ib 174, consid. 3; Message LEaux 1987, 1171 s.). Ainsi, l’interdiction posée à l’art. 44 al. 2 LEaux doit être considérée comme absolue (N 22 ss).

50. L’hypothèse visée à l’art. 44 al. 3 LEaux doit être mise en parallèle avec l’interdiction posée à l’al. 2 let. b. Comme déjà exposé, cette dernière disposition vise non pas les nappes souterraines «exploitées», comme le retient la version française de la loi, mais «exploitables» (N 10 s). On constate d’ailleurs que contrairement au texte français, la version allemande de ces deux alinéas les place parfaitement en regard («bei einem Grundwasservorkommen, das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eignet»); alors que l’al. 2 let. b interdit toute exploitation au-dessous des nappes exploitables, l’al. 3 fixe les conditions auxquelles une exploitation est possible au-dessus de celles-ci.

51. En prescrivant les conditions à respecter pour une extraction de gravier au-dessus des nappes souterraines «exploitables», l’art. 44 al. 3 LEaux vise le secteur Au de protection des eaux (voir N 32; cf. ég. OFEFP, Instructions eaux souterraines, tableau de référence «extraction de matériaux», 81). Pour les autres secteurs (secteurs dits «üB»), les conditions de l’art. 44 al. 3 LEaux n’ont pas à être respectées. Selon les Instructions pratiques de l’OFEFP, l’exploitation au-dessous du niveau des nappes d’eaux souterraines dans ces autres secteurs n’est cependant délivrée que si les deux conditions suivantes sont réunies: la section d’écoulement doit être maintenue pendant et après l’extraction, y compris après remblayage (maintien de couloirs de gravier); des mesures appropriées permettent d’exclure tout risque de pollution par des liquides pouvant altérer les eaux (OFEFP, Instructions eaux souterraines, tableau de référence «extraction de matériaux», 81 et N 61).

 

B.            Le but et la nature de l’autorisation

52. Le TF a eu l’occasion de préciser le but que vise l’art. 44 al. 3 LEaux. Au vu de la bonne qualité du gravier à proximité des nappes phréatiques, les exploitants pourraient avoir tendance à extraire jusqu’au niveau de ces dernières, voire à l’intérieur des nappes; une règle assurant le maintien d’une couche de protection au-dessus des nappes s’est dès lors révélée nécessaire en pratique (ATF 103 Ib 296, consid. 2e).

53. L’extraction de gravier comporte cependant des risques de pollution des nappes, même en maintenant une couche de protection au-dessus de celles-ci. Ces risques sont d’une part liés à l’utilisation de carburants et de lubrifiants; un second danger consiste d’autre part dans l’apport de matériaux inadaptés lors du remblayage, ceux-ci pouvant en particulier contenir des déchets (OFEFP, Instructions eaux souterraines, 81). Le TF a dès lors considéré qu’il existait, sous l’angle de la protection des eaux, un intérêt à limiter le nombre de gravières ainsi que les surfaces d’extraction. Pour préserver ces intérêts, les cantons peuvent agir par des mesures de planification ainsi que par leur pratique d’autorisation. Dès lors, le propriétaire ne bénéficie pas d’un droit à obtenir une autorisation d’extraire du gravier au-dessus du niveau d’une nappe souterraine, même s’il maintient une couche de protection. Pour déterminer si et dans quelle mesure une exploitation peut être autorisée, il convient d’examiner l’importance de la nappe en vue de l’approvisionnement en eaux ainsi que les besoins de gravier et les possibilités d’exploiter des terrains en dehors du périmètre des eaux souterraines (ATF 103 Ib 296, consid. 2e). Dans le même sens, lorsque plusieurs lieux d’exploitation présentant des caractéristiques comparables sont envisageables, la préférence doit être donnée à celui qui se trouve en bordure du périmètre des eaux souterraines, par rapport à un emplacement situé directement sur un écoulement d’eaux exploitables (TF 1A.79/2002 du 25 avril 2003, consid. 6.4). Le TF a également considéré qu’il était justifié de ne pas autoriser l’exploitation d’une gravière au-dessus de la surface d’eaux souterraines ayant déjà subi une pollution, lorsqu’il ne manque pas de gravier dans la région; l’intérêt privé du propriétaire à pouvoir entreprendre cette exploitation ne présente qu’un faible poids, dans la mesure où ce refus d’autorisation ne restreint pas une utilisation normale du sol, mais empêche uniquement le propriétaire en question de réaliser un gain supplémentaire unique (TF 1A.250/1999 du 18 mai 2000, consid. 4, in: DEP 2000, 643).

 

C.           La condition: le maintien d’une couche de protection

1.             Le principe

54. L’art. 44 al. 3 LEaux conditionne l’exploitation de matériaux au-dessus des nappes souterraines exploitables au maintien d’une couche protectrice de matériau au-dessus du niveau le plus élevé que la nappe peut atteindre; l’épaisseur de cette couche doit être fixée en fonction des conditions locales.

55. Le ch. 211 al. 3 de l’annexe 4 de l’OEaux précise cette disposition, en imposant de laisser une couche de matériau de protection d’au moins deux mètres au-dessus du niveau naturel maximum décennal de la nappe; dans le cas d’une installation d’alimentation artificielle, le niveau effectif de la nappe est déterminant s’il est situé plus haut que le niveau maximal décennal (let. a). Cette disposition de l’annexe 4 de l’OEaux prévoit également, dans le sens de la jurisprudence précitée (ATF 103 Ib 296, consid. 2e; N 52), qu’il y a lieu de limiter la surface d’extraction de manière à garantir l’alimentation naturelle des eaux du sous-sol (let. b) et de de reconstituer la couche de couverture après la fin des travaux de manière à ce que son effet protecteur corresponde à celui d’origine (let. c). Les Instructions pratiques de l’OFEFP précisent que ces précautions s’imposent dans la mesure où les matériaux de remblayage sont le plus souvent moins perméables que les matériaux extraits; le comblement peut ainsi réduire l’alimentation des nappes d’eaux souterraines et limiter leur aération (OFEFP, Instructions eaux souterraines, 81).

56. Le Tribunal administratif vaudois a exposé ce qui suit au sujet de cette couche de protection (Tribunal administratif VD, Arrêt du 6 janvier 2006 [AC.2000.0215], consid. 4b): «Cette tranche de terrain permet une certaine filtration et atténuation d’une éventuelle pollution pouvant notamment provenir du chantier d’exploitation ou résulter d’activités diverses sur le site. Cette couche de terrain peut être en outre rapidement excavée en cas de pollution afin d’en diminuer l’impact. Ainsi, le maintien d’une couche de protection au-dessus du niveau des plus hautes eaux de la nappe est un élément essentiel recherché par la norme constitutionnelle visant à la protection des eaux et, en particulier, la protection des ressources et de l’approvisionnement en eau potable afin de préserver la santé des êtres humains (art. 1 let. a LEaux)».

 

2.             La détermination du niveau le plus élevé que la nappe peut atteindre

57. Les instructions pratiques de l’OFEFP précisent que le niveau naturel maximum décennal des nappes souterraines correspond soit au niveau piézométrique maximal enregistré durant une période de mesures régulières couvrant au moins dix ans, soit à une valeur calculée de manière statistique si la période de mesures est inférieure à dix ans, pour autant que la base de données hydrogéologiques soit suffisante (OFEFP, Instructions eaux souterraines, 81 et N 59).

58. Concernant la détermination du niveau naturel maximum décennal, la jurisprudence vaudoise a retenu que la méthode statistique produit des résultats insuffisants lorsqu’elle ne s’appuie que sur quelques données, mais qu’elle se révèle plus fiable si l’on dispose d’un nombre de données sensiblement supérieur à dix (Tribunal cantonal VD, Arrêt du 20 mars 2013 [AC.2009.0132], consid. 10d; Tribunal administratif VD, Arrêt du 6 janvier 2006 [AC.2000.0215], consid. 4b). Le TF s’est quant à lui prononcé dans une situation où des mesures piézométriques avaient été effectuées durant sept ans puis ajustées au moyen d’une méthode statistique (méthode dite de Gumbel). Il a retenu que les magistrats cantonaux n’avaient à juste titre pas remis en cause l’appréciation du service cantonal spécialisé; celui-ci était fondé sur l’avis de l’hydrogéomètre cantonal, selon lequel les données disponibles étaient suffisantes pour déterminer statistiquement le niveau maximal ou décennal. A cet égard, le TF a approuvé la position du Tribunal cantonal, qui avait exposé que face à des questions de nature technique, une certaine retenue s’imposait. S’agissant en particulier des préavis des services cantonaux spécialisés, ceux-ci pouvaient dans une large mesure être assimilés à des avis d’experts, dont il n’y avait lieu de s’écarter que pour des motifs convaincants (TF 1C_314/2010 du 29 juin 2011, consid. 7.2).

 

 

Zusammenfassung

Art. 44 GSchG ist Teil der Normen, die gemäss dem 2. Titel des GSchG auf die «Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen» abzielen.

Art. 44 GSchG stellt eine Bewilligungspflicht auf für die Ausbeutung von Kies, Sand oder anderem Material sowie für vorbereitende Grabungen zu diesem Zweck. Diese Bewilligung ist unabhängig von anderen Bewilligungen die eine solche Tätigkeit voraussetzt, insbesondere von der Baubewilligung, von einer allfälligen Rodungsbewilligung etc. Dennoch sollten die Bewilligungen in einem koordinierten Verfahren erteilt werden (Art. 25a RPG); die Kompetenz liegt, in Übereinstimmung mit der Generalklausel in Art. 45 GSchG, bei den kantonalen Gewässerschutzfachstellen.

Abs. 2 sieht ein Ausbeutungsverbot vor in drei als besonders sensibel beurteilten Fällen, und zwar bei Grundwasserschutzzonen (Bst. a), unterhalb des Grundwasserspiegels bei einem Grundwasservorkommen, das sich nach Menge und Qualität für die Wassergewinnung eignet (Bst. b) sowie bei Fliessgewässern, wenn der Geschiebehaushalt nachteilig beeinflusst wird (Bst. c). Die unmissverständliche Formulierung dieser Norm stellt klar, dass es in den in Art. 44 Abs. 2 GSchG aufgeführten drei Fällen keine Ausnahmen gibt.

Die Bewilligung zur Ausbeutung einer Kiesgrube stellt grundsätzlich eine Polizeibewilligung dar, weil sie sich darauf beschränkt, dass kein technisches Hindernis gegen eine solche Tätigkeit spricht. Die Ausbeutung einer Kiesgrube ohne Bewilligung kann die Behörde zur Ergreifung von Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verleiten. In der Praxis handelt es sich dabei einerseits um die Einstellung jeglicher Tätigkeit und andererseits um die Wiederinstandsetzung.

Da die Ausbeutung nur mit einer Bewilligung stattfinden darf, wirft die Änderung einer der genannten Umstände die Frage des Widerrufs der Bewilligung auf. Unter den Gründen, die zum Widerruf einer Bewilligung führen, berücksichtigen die Gerichte vor allem die Entwicklung der zu ihrer Erteilung notwendigen Bedingungen, insbesondere hinsichtlich Veränderungen der Faktenlage oder der Rechtslage. Fehlen gesetzliche Regeln zum Widerruf, muss die Behörde das Interesse an einer korrekten Rechtsanwendung gegen die Anforderungen der Rechtssicherheit aufwiegen. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts erscheint das öffentliche Interesse am Grundwasserschutz am häufigsten als massgeblich in dieser Interessenabwägung.

Abs. 3 schliesslich stellt Bedingungen auf, die für eine Ausbeutung oberhalb eines zur Wassergewinnung geeigneten Grundwasservorkommens erfüllt sein müssen. Indem Art. 4 Abs. 3 GSchG die Bedingungen für die Ausbeutung von Kies oberhalb eines zur Wassergewinnung geeigneten Grundwasservorkommens festlegt, dient diese Norm dem Schutz des Gewässerschutzbereichs Au.

Abs. 3 macht die Ausbeutung vom Material oberhalb eines zur Wassergewinnung geeigneten Grundwasservorkommens abhängig vom Belassen einer schützenden Materialschicht über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel. Die Dicke dieser Materialschicht ist nach den örtlichen Gegebenheiten zu bemessen. Anh. 4 Ziff. 211 Abs. 3 GSchV präzisiert diese Vorgaben, indem das Belassen einer schützenden Materialschicht von mindestens zwei Metern über dem natürlichen, zehnjährigen Grundwasserhöchstspiegel gefordert wird. Die Praxishilfen des BAFU erläutern den Begriff des natürlichen, zehnjährigen Grundwasserhöchstspiegels.

 

 

Bibliographie: Dubey Jacques/Zufferey Jean-Baptiste, Droit administratif général, Bâle 2014 (cit. Droit administratif); Fournier Jacques, Vers un nouveau droit des concessions hydroélectriques – ouverture, marchés publics, protection de l’environnement, th. Fribourg 2002 (cit. Concessions); Jansen Luc, Les zones de protection des eaux souterraines: des mesures d’aménagement du territoire dans le droit de l’environnement, in: ZBl 1995, 341 ss (cit. Zones de protection); Jansen Luc, Restrictions en matière de construction et d’affectation résultant de la législation sur l’environnement: la protection des eaux souterraines – aspects de la pratique administrative du canton du Valais, in: DEP 1998, 422 ss (cit. Restrictions); Riva Enrico, Bau‑ und Nutzungsbeschränkungen aufgrund von umweltrechtlichen Vorschriften – wann ist Entschädigung geschuldet?, in: URP 1998, 462 ss (cit. Bau‑ und Nutzungsbeschränkungen); Tanquerel Thierry, Manuel de droit administratif, Genève/Zurich/Bâle 2011 (cit. Droit administratif); Zufferey Jean-Baptiste, Le contrôle des prix de mise en décharge pour les déchets de la construction – arrêt du Tribunal fédéral du 25 novembre 2004 (2P.145/2004, non publié au Recueil officiel), in: BR/DC 2006, 11 ss (cit. Contrôle des prix).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Office fédéral de l’environnement, des forêts et du paysage (OFEFP) (édit.), Prélèvements d’eau. Rapport d’assainissement – Assainissement selon art. 80 al. 1 de la loi sur la protection des eaux, L’environment pratique, in: Informations concernant la protection des eaux no 25, Berne 1997 (cit. Prélèvements d’eau. Rapport d’assainissement); Association suisse pour l’aménagement national (VLP-ASPAN), Mesures d’organisation du territoire relatives aux eaux – Buts et moyens de la nouvelle ordonnance, juin 1999 (cit. Mesures d’organisation).

3. Titel, Vollzug, Grundlagenbeschaffung, Finanzierung, Förderung und Verfahren

1. Kapitel: Vollzug

1. Abschnitt: Vollzug durch die Kantone

Ruch Alexander​

 

1. Kapitel: Vollzug/Chapitre 1: Exécution

1. Abschnitt: Vollzug durch die Kantone/ Section 1: Exécution par les cantons

 

Die Kantone vollziehen dieses Gesetz, soweit nicht Artikel 48 den Vollzug dem Bund überträgt. Sie erlassen die erforderlichen Vorschriften.

Les cantons exécutent la présente loi, à moins que l’art. 48 n’attribue cette tâche à la Confédération. Ils édictent les prescriptions nécessaires.

I Cantoni eseguono la presente legge, sempreché l’articolo 48 non attribuisca questo compito alla Confederazione. Essi emanano le prescrizioni necessarie.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 4

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1971 hatte die Vollzugsbestimmungen direkt nach den Geltungsbereichs‑ und Zwecknormen und vor den materiellen Vorschriften über den Gewässerschutz platziert (Art. 3–10 GSchG 1971). Unter dem Titel «Aufgaben der Kantone» hatte es in Art. 5 GSchG 1971 geregelt, dass den Kantonen der Vollzug obliegt, dass sie die zur Zweckerreichung erforderlichen Massnahmen treffen, soweit notwendig Ausführungsvorschriften, allenfalls durch Verordnung, erlassen, eine leistungsfähige Fachstelle errichten und diese mit den nötigen Befugnissen ausstatten, die Gewässerschutzpolizei organisieren und dass die kantonalen Ausführungserlasse zu ihrer Verbindlichkeit der Genehmigung des BR bedürfen.

2. Der neue Aufbau, der nach den einleitenden Bestimmungen die materiellen Vorschriften und am Ende die Normen über Organisation, Verfahren und Vollzug sowie Straf‑ und Schlussbestimmungen ordnet – heute gängige Systematik (vgl. Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, N 206) – wurde dem Aufbau des Umweltschutzgesetzes nachgebildet (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1083). Seit dem Erlass 1991 ist Art. 45 GSchG unverändert geblieben.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Art. 45 GSchG ist die einzige Bestimmung des GSchG, die den Vollzug durch die Kantone regelt. Ihre systematische Einordnung vor den Vorschriften über den Vollzug durch den Bund (Art. 46–48 GSchG) weist darauf hin, dass der Vollzug in erster Linie Sache der Kantone ist. Schon verfassungsrechtlich ist der Vollzug von Bundesrecht – die BV nennt es Umsetzung – Sache der Kantone (Art. 46 BV, nach dessen Abs. 1 die Kantone das Bundesrecht «nach Massgabe von Verfassung und Gesetz» umsetzen; zum kontroversen Verständnis dieser Wendung vgl. Kägi-Diener, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 15 ff.; Rhinow/Schefer, Verfassungsrecht, N 822; Tschannen, Staatsrecht, § 24 N 25).

 

 

III.        Kommentierung

4. Einzelheiten der Vollzugstätigkeit und der Einrichtung der Vollzugsorganisation, wie sie noch im Gesetz von 1971 verankert waren (vgl. N 1), regelt Art. 45 GSchG nicht. Im Begriff «Vollzug» ist alles enthalten und die Kantone haben alles vorzukehren, was der Verwirklichung des Gesetzes dient: Erlass von gesetzlichen Vorschriften (vgl. Satz 2), Einrichtung einer Behördenorganisation, von Verfahren einschliesslich Rechtsschutz, Bereitstellung von Sach‑ und Finanzmitteln, Erlass von Verfügungen, allenfalls Abschluss von Verträgen (vgl. auch Biaggini, BV-Kommentar zu Art. 46 N 2).

5. Verantwortlich (gegenüber dem Bund) für die Umsetzung des GSchG sind die Kantone. Sie bleiben es auch dann, wenn sie Vollzugsaufgaben an die Gemeinden delegieren. In diesen Fällen trifft die kantonalen Behörden eine erhöhte Überwachungspflicht, die Ersatzmassnahmen und weitere Akte des Verwaltungszwangs einschliesst. Das gilt selbstverständlich auch gegenüber Privaten, die Aufgaben im Rahmen des Gewässerschutzes nach GSchG wahrnehmen.

6. Der Vorbehalt der Regelungen, die Art. 48 GSchG trifft, hindert die Kantone daran, in jenen Bereichen tätig zu werden. Nicht ausgeschlossen ist es, dass der Bund den Kantonen gewisse Teilaufgaben zuweist (vgl. Art. 48 Abs. 3 Satz 2 GSchG). Die Kantone benötigen diese Übertragung, wenn sie aktiv werden wollen.

7. Satz 2 erscheint heute überflüssig. Zum Vollzug gehört, wie gesehen, der Erlass von Rechtssätzen und zwar derjenigen Rechtssätze, die für den wirkungsvollen Vollzug erforderlich sind. Der Bundesgesetzgeber überlässt die Festlegung der Erlassstufe den Kantonen. Sie haben nach ihrem (Verfassungs‑)Recht zu entscheiden, für welche Vorschriften es des Gesetzes, für welche der Verordnung bedarf.

8. Kantonale Vollzugserlasse sind z.B.
  • Kanton Aargau: Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über den Schutz von Umwelt und Gewässer (EG Umweltrecht, EG UWR) vom 4. September 2007; Verordnung zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über den Schutz von Umwelt und Gewässer (V EG UWR) vom 14. Mai 2008; Vollzugsverordnung zur Gewässerschutzverordnung des Bundes (VV GSchV) vom 25. Januar 2012.
  • Kanton Appenzell-Innerrhoden: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (EG GSchG) vom 25. April 1993; Verordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (VEG GSchG) vom 25. Oktober 1993.
  • Kanton Appenzell-Ausserrhoden: Gesetz über die Einführung der Bundesgesetze über den Umweltschutz und über den Schutz der Gewässer (Umwelt‑ und Gewässerschutzgesetz; UGsG) vom 16. Februar 2004; Verordnung zum Gesetz über die Einführung der Bundesgesetze über den Umweltschutz und über den Schutz der Gewässer (Umwelt‑ und Gewässerschutzverordnung; UGsV) vom 16. August 2005.
  • Kanton Basel-Landschaft: Gesetz über den Gewässerschutz vom 5. Juni 2003; Kantonale Gewässerschutzverordnung (kGSchV) vom 13. Dezember 2005.
  • Kanton Basel-Stadt: Kantonale Gewässerschutzverordnung vom 12. Dezember 2000; Gesetz über Grundwasserschutzzonen vom 15. Dezember 1983.
  • Kanton Bern: Einführungsverordnung zu Artikel 36a des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer 27. Juni 2012; Kantonales Gewässerschutzgesetz (KGSchG) vom 11. November 1996; Kantonale Gewässerschutzverordnung (KGV) vom 24. März 1999.
  • Kanton Fribourg: Gewässergesetz (GewG) vom 18. Dezember 2009; Gewässerreglement (GewR) vom 21. Juni 2011.
  • Kanton Genf: Loi sur les eaux (LEaux-GE) du 5 juillet 1961; Règlement d’exécution de la loi sur les eaux (REaux-GE) du 15 mars 2006.
  • Kanton Glarus: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Einführungsgesetz zum Gewässerschutzgesetz) vom 7. Mai 1995; Verordnung zum Einführungsgesetz zum Gewässerschutzgesetz (Gewässerschutzverordnung) vom 20. Dezember 1995.
  • Kanton Graubünden: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Kantonales Gewässerschutzgesetz, KGSchG) vom 8. Juni 1997; Verordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Kantonale Gewässerschutzverordnung, KGSchV) vom 27. Januar 1997 (Parlaments-Verordnung).
  • Kanton Jura: Ordonnance sur la protection des eaux du 6 décembre 1978.
  • Kanton Luzern: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 27. Januar 1997; Vollzugsverordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Kantonale Gewässerschutzverordnung) vom 23. September 1997.
  • Kanton Neuchâtel: Lois sur la protection des eaux (LCPE) du 15 octobre 1984; Règlement d’execution de la loi sur la protection des eaux (RLCPE) du 18 février 1987.
  • Kanton Nidwalden: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Kantonales Gewässerschutzgesetz, kGSchG) vom 1. April 2009; Vollzugsverordnung zum kantonalen Gewässerschutzgesetz (Kantonale Gewässerschutzverordnung, kGSchV) vom 16. Juni 2009.
  • Kanton Obwalden: Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (kantonale Gewässerschutzverordnung) vom 16. März 2006 (Parlaments-Verordnung).
  • St. Gallen: Vollzugsgesetz zur eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung (GSchVG) vom 11. April 1996; Verordnung zum Vollzugsgesetz zur eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung vom 21. Januar 1997.
  • Kanton Schaffhausen: Einführungsgesetz zum Gewässerschutzgesetz vom 27. August 2001; Vollziehungsverordnung zum Einführungsgesetz zum Gewässerschutzgesetz (Kantonale Gewässerschutzverordnung, GSchVV) vom 2. Juli 2002.
  • Kanton Schwyz: Kantonale Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 19. April 2000 (Parlaments-Verordnung); Vollzugsverordnung zur Kantonalen Verordnung zum Gewässerschutzgesetz (GSchG-VV) vom 3. Juli 2001.
  • Kanton Solothurn: Gesetz über Wasser, Boden und Abfall (GWBA) vom 4. März 2009; Verordnung über Wasser, Boden und Abfall (VWBA) vom 22. Dezember 2009.
  • Kanton Thurgau: Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 vom 5. März.1997; Verordnung des Regierungsrates zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer und zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 16. September 1997.
  • Kanton Tessin: Decreto esecutivo che designa il Dipartimento e il servizio competenti in materia di protezione delle acque dall’inquinamento del 3 settembre 1991; Legge d’applicazione della legge federale contro l’inquinamento delle acque dell’8 ottobre 1971 del 2 aprile 1975.
  • Kanton Uri: Verordnung über die Schadenwehr (Schadenwehrverordnung) vom 5. April 1995 (Parlaments-Verordnung).
  • Kanton Waadt: Loi sur la protection des eaux contre la pollution (LPEP) vom 17. September 1974; Décret 814.315 sur la protection des eaux contre la pollution et modifiant l’article 59, alinéa 2, de la loi du 17 septembre 1974 (DPEP) du 22 septembre 1981 (Parlaments-Verordnung); Règlement d’application de la loi du 17 septembre 1974 sur la protection des eaux contre la pollution (RLPEP) du 16 novembre 1979.
  • Kanton Wallis: Gesetz betreffend die Vollziehung des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen die Verunreinigung vom 16. November 1978.
  • Kanton Zug: Gesetz über die Gewässer (GewG) vom 25. November 1999; Verordnung zum Gesetz über die Gewässer (V GewG) vom 17. April 2000.
  • Kanton Zürich: Einführungsgesetz zum Gewässerschutzgesetz (EG GSchGvom 8. Dezember 1974; Verordnung über den Gewässerschutz (KGSchV) vom 22. Januar 1975.

 

 

Résumé

L’art. 45 LEaux est une norme de répartition des compétences entre les cantons et la Confédération. Il s’agit de la seule disposition de la LEaux qui confère l’exécution de la loi aux cantons. Toutefois cet article ne précise ni les détails des activités d’exécution, ni leur organisation. La notion d’exécution couvre l’ensemble des activités suivantes: adoption des règles pertinentes à l’exécution, mise en place d’autorités compétentes et de la procédure pertinente, mise à disposition de moyens notamment financiers, prise de décisions ainsi que conclusion de contrats. Ils peuvent déléguer ces compétences aux communes ou à des privés. Dans ce cas, ils restent toutefois l’autorité responsable envers la Confédération et assument la surveillance de l’exécution par les communes.

 

 

Literatur: Müller Georg/Uhlmann Felix, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 (zit. Rechtssetzungslehre); Rhinow René/Schefer Markus, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Basel 2009 (zit. Verfassungsrecht).

2. Abschnitt: Vollzug durch den Bund

Ruch Alexander​

 

2. Abschnitt: Vollzug durch den Bund/ Section 2: Exécution par la Confédération

 

Aufsicht und Koordination

1         Der Bund beaufsichtigt den Vollzug dieses Gesetzes.

2         Der Bundesrat regelt die Koordination:

a.       der Gewässerschutzmassnahmen der Kantone;

b.       unter den Bundesstellen;

c.       zwischen Bundesstellen und Kantonen.

Surveillance et coordination

1         La Confédération surveille l’exécution de la présente loi.

2             Le Conseil fédéral règle la coordination:

a.       des mesures de protection des eaux que prennent les cantons;

b.       entre les services de la Confédération;

c.       entre les services de la Confédération et les cantons.

Vigilanza e coordinamento

1         La Confederazione vigila sull’esecuzione della presente legge.

2         Il Consiglio federale disciplina il coordinamento:

a.       delle misure di protezione delle acque di competenza dei Cantoni;

b.       tra i servizi della Confederazione;

c.       tra i servizi della Confederazione e i Cantoni.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.    ​ Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 5
A. Aufsicht über den Gesetzesvollzug (Abs. 1) 5
B. Koordination (Abs. 2) 10
​1. ​Koordination der Gewässerschutzmassnahmen der Kantone 12
​2. ​Koordination unter den Bundesstellen 17
​3. Koordination zwischen Bundesstellen und Kantonen 20

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1971 hatte in Art. 3 geregelt, dass dem Bund die Aufsicht über den Vollzug des Gesetzes obliegt (Abs. 1) und dass der Bund die Gewässerschutzmassnahmen der Kantone sowie seiner eigenen Anstalten und Betriebe koordiniert und die Beziehungen zwischen den Kantonen und seinen eigenen Anstalten und Betrieben ordnet (Abs. 2).

2. Der BR und das Parlament übernahmen die Vorschriften über die Aufsichts‑ und Koordinationsaufgaben des Bundes in abgeänderter Formulierung, aber inhaltlich gleichbedeutend aus dem GSchG 1971 ins geltende Gesetz. Seine Fassung ist bis heute gleich geblieben.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Aufsicht und Koordination dienen je einzeln und in ihrem Zusammenspiel der regelkonformen Umsetzung des Gesetzes. Sie setzen, richtig verstanden, früh an, sind Daueraufgaben, verhindern Tatenlosigkeit und wirken unplanmässigem, ungezieltem und unsystematischem Vorgehen entgegen (vgl. Botschaft GSchG 1970, 444). Nicht nur was das Inhaltliche angeht, sondern auch beim Vorgehen kann der Gewässerschutz nur durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Kantonen und Gemeinden verwirklicht werden (vgl. Botschaft GSchG 1970, 436).

4. Von zentraler Bedeutung für die Koordination von Aufgaben und Tätigkeiten, die, wie der Gewässerschutz, räumliche Bedeutung und Auswirkungen haben, ist das Raumplanungsrecht. Das Vorgehen beim Gewässerschutz muss daher auch ein raumplanerisches sein (vgl. Botschaft GSchG 1970, 444; N 10).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Aufsicht über den Gesetzesvollzug (Abs. 1)

5. Zur erstrangigen Vollzugsaufgabe des Bundes gehört die Aufsicht über den Vollzug des Gesetzes. Vollzug bedeutet den Einsatz von Instrumenten, mit denen das Gesetz umgesetzt wird: dem Gesetz nachgeordnete Rechtsetzung (des BR, der Kantone, der Gemeinden), Pläne, Verfügungen, Verträge, Realakte. Alle diese Handlungsformen sind der Aufsicht des Bundes ausgesetzt.

6. Mit dem Begriff der Aufsicht ist grundsätzlich jede Kontrolltätigkeit gemeint, die der Bund ausüben kann. Dazu zählt die Oberaufsicht der BVers über den BR (und die Bundesverwaltung) nach Art. 169 Abs. 1 BV, was eigenständige Aufsicht und nicht Aufsicht über die Aufsicht ist (vgl. z.B. Aubert, Petit commentaire Cst., Art. 169 N 4 ff.; Tschannen, Staatsrecht, § 35 N 7 ff.); sodann die Aufsicht des BR (als Kollegium) über die Bundesverwaltung, Aufsicht, die mit der Leitungsfunktion des BR verknüpft ist (Art. 187 Abs. 1 Bst. a/Art. 178 Abs. 1 BV, vgl. Biaggini, BV-Kommentar, Art. 187 N 5 f.; Mahon, Petit commentaire Cst., Art. 187 N 5). Der Aufsicht von BVers und BR unterliegen auch die Träger von Bundesaufgaben, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen (mittelbare Verwaltung) (Art. 169 Abs. 1 und 187 Abs. 1 Bst. a BV).

7. Ausserhalb der Bundesverwaltung sind Adressaten der Aufsicht in erster Linie die Kantone. Die Aufsichtskompetenz liegt sowohl bei der BVers (Art. 173 Abs. 1 Bst. e BV; vgl. Biaggini, BV-Kommentar, Art. 173 N 17) als auch beim BR (Art. 186 Abs. 4 BV; vgl. Ruch, St. Galler Kommentar, Art. 186 N 15 ff.). Wenn eine mangelhafte Umsetzung des GSchG in den Gemeinden festgestellt wird, hat der BR den Kanton zu ermahnen, seine Aufsicht über die Gemeinden auszuüben (Aufsicht über die Aufsicht). Dennoch kann sich der BR auch direkt an Gemeinden wenden, z.B. gerade im Bereich der Umwelt (vgl. Eichenberger, Kommentar aBV, Art. 102, N 37). Ausserdem unterliegen die Tätigkeiten von Privaten der Aufsicht des Bundes, soweit sie in der Umsetzung des GSchG tätig sind.

8. Die zu ergreifenden Massnahmen ergeben sich aus der Art der Aufsicht. Die BVers ergreift gegenüber dem BR Massnahmen der Oberaufsicht, die keine direkten Korrekturen bewirken können und keine Entscheidungs‑ und Weisungsrechte beinhalten (vgl. Mastronardi, St. Galler Kommentar, Art. 169 N 6). Die Aufsicht des BR gegenüber der Bundesverwaltung ist Dienstaufsicht und erlaubt es dem BR daher, alle Massnahmen zu ergreifen, die die Umsetzung des GSchG nach Gesichtspunkten der Recht‑ und Zweckmässigkeit sowie der Angemessenheit gewährleisten. Gegenüber den Kantonen ist in erster Linie der BR zu Massnahmen verpflichtet; sie reichen von Auskünften, Infomationen, informellen Kontakten als Mittel der einvernehmlichen Rechtsbefolgung (vgl. Auer/Malinverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse, N 1126) über förmliche Beanstandungen, Kreisschreiben, Richtlinien, Weisungen (allgemeiner Art oder an einen bestimmten Kanton gerichtet) bis zu Zwangsmassnahmen (vgl. bei Ruch, St. Galler Kommentar, Art. 186 N 18 mit Literaturhinweisen).

9. Zur Ergreifung von Zwangsmassnahmen gegenüber Kantonen bestehen parallele Kompetenzen von BVers und BR (Art. 173 Abs. 1 Bst. e BV: Die BVers trifft Massnahmen zur Durchsetzung des Bundesrechts; Art. 186 Abs. 4 BV: Der BR sorgt für die Einhaltung des Bundesrechts; zur Parallelität vgl. Aubert, Petit commentaire Cst., Art. 173 N 16). Zwangsmassnahmen sind z.B. die Aufhebung kantonaler Vollzugsakte und die Ersatzvornahme, im Extremfall die eigentliche Bundesexekution. Die Aufhebung von kantonalen Anwendungsakten kann den ordentlichen Aufsichtsmitteln, die Ersatz-vornahme aber der Bundesexekution zugerechnet werden (s. Häfelin/
Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1223 und 1233 ff.); beide Zwangsmittel können aber auch als Typen der Bundesexekution aufgefasst werden (vgl. Auer/Malinverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse, N 1131; Aubert, Petit commentaire Cst., Art. 49 Anm. 16 und N 16). Die Ersatzvornahme bedeutet, dass der BR an Stelle und auf Kosten des Kantons die Vollzugshandlung vornimmt; vorausgehen muss eine Androhung unter Fristsetzung
(vgl. Tschannen, Staatsrecht, § 26 N 30). Der BR kann z.B. an Stelle des säumigen Kantons kantonale Vollzugsbestimmungen erlassen (vgl. Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1235). Ersatzvornahme und Aufhebung kantonaler Vollzugsakte sind auch ohne besondere gesetzliche Grundlage, im vorliegenden Fall im GSchG, zulässig, da sie eine bereits bestehende gesetzliche Pflicht sicherstellen wollen (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1159; Tschannen, Staatsrecht, § 26 N 32). Die Vornahme von Zwangsmassnahmen kann delegiert werden, von der BVers an den BR, vom BR an eine untergeordnete Verwaltungsstelle (vgl. Biaggini, BV-Kommentar, Art. 173 N 17 i.V.m. Art. 49 N 21; Mahon, Petit commentaire Cst., Art. 186 N 12).

 

B.            Koordination (Abs. 2)

10. Koordination ist die Abstimmung verschiedener Vorgänge, Tätigkeiten oder Massnahmen, die miteinander in irgendeiner Weise in Berührung kommen und gegenseitig zugeordnet werden müssen. Zu gewährleisten sind kohärente, lückenlose, widerspruchsfreie Entscheide, die unter Einbezug aller für ein konkretes Vorhaben wesentlichen Gesichtspunkte und Elemente zustandekommen und die auf einer umfassenden Abwägung der im Spiel stehenden Interessen beruhen müssen. Wenn eine Massnahme mit einer oder mehreren anderen koordiniert werden muss, ist Planung notwendig; es wird vom Planvorbehalt (réserve du plan) gesprochen (Flückiger, Plans, 29). Die Raumplanung ist schlechthin das Mittel der Koordination in Raum und Zeit (Moor, Kommentar RPG, Einleitung N 111). Abs. 2 stellt den immanenten Zusammenhang von Gewässerschutz und Raumplanung her (zur Bedeutung und zu den Grundsätzen der raumplanerischen Koordination s. Marti, Kommentar RPG, Art. 25a N 15 ff.; Ruch, St. Galler Kommentar, Art. 75 N 18).

11. Abs. 2 erteilt dem BR den Auftrag, die Koordination in drei Ebenen zu regeln: erstens unter den Kantonen, soweit es um Gewässerschutzmassnahmen der Kantone geht; zweitens unter den Bundesstellen; drittens zwischen Bundesstellen und Kantonen. Der Begriff der Regelung, wie er in Abs. 2 verwendet wird, steht im Zusammenhang mit der Aufsicht und dem Gesetzesvollzug. Er erfasst alle Massnahmen, die der richtigen Umsetzung des Gesetzes dienen: den Erlass von Rechtssätzen (für den BR somit auf Verordnungsstufe), von verwaltungsinternen Regelungen («Verwaltungsverordnungen», Reglementen, allgemeinen Anweisungen usw.) sowie Anweisungen im Einzelfall.

 

1.             Koordination der Gewässerschutzmassnahmen der Kantone

12. Der BR hat die Koordination der Gewässerschutzmassnahmen der Kantone in Art. 46 GSchV geregelt. Vorweg verpflichtet er «die Kantone, die Massnahmen nach dieser Verordnung soweit erforderlich aufeinander und mit Massnahmen aus anderen Bereichen» abzustimmen. Zwei Wendungen veranlassen zu Kritik: Erstens kann der BR die Koordination nicht auf Massnahmen «nach dieser Verordnung» begrenzen, auch wenn die GSchV alles enthalten sollte, was zur Umsetzung des Gesetzes notwendig ist. Schon formal hat der BR, dem es um den Vollzug des Gesetzes gehen muss, seine Anweisung auf das Gesetz bzw. die Gesetzgebung über den Gewässerschutz auszurichten. Zweitens verfiel der BR einer bekannten Formulierungsschwäche, indem er die Koordination – gewissermassen nur – «soweit erforderlich» verlangt. Staatliche Behörden können überhaupt nur handeln, soweit es erforderlich ist. Was nicht notwendig ist, können sie nicht tun. Die Streichung von «soweit erforderlich» machte die Vorschrift zudem prägnanter und verdeutlichte, dass die Koordination eine Daueraufgabe der Kantone ist.

13. Wichtig ist ferner, dass die Koordination auch andere Bereiche als den Gewässerschutz nach GSchG und GSchV erfasst, nämlich alle (anderen) Bereiche, die mit dem Gewässerschutz in Berührung kommen (können). Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GSchV verpflichtet die Kantone zudem zu einer Koordination der Massnahmen mit den Nachbarkantonen, denn die Aufgabe der Abstimmung von gewässerschutzrechtlichen Massnahmen macht an den Kantonsgrenzen nicht halt. Die eminent raumplanerische Komponente der gewässerschutzrechtlichen Koordination ist offensichtlich.

14. Mit der Änderung der GSchV vom 4. Mai 2011, in Kraft seit 1. Juni 2011, wurde den Kantonen auferlegt, «bei der Erstellung der Richt‑ und Nutzungsplanung die Planungen nach dieser Verordnung» – d.h. die gewässerschutzrechtlichen Planungen – zu berücksichtigen (Art. 46 Abs. 1bis GSchV). Mit «berücksichtigen» ist die Koordination in materieller und formeller Hinsicht gemeint. Diese Vorschrift nimmt auf, was in der Raumplanung seit jeher gilt: die umfassende, stufengerechte Planung, die auf der Abwägung aller im Spiel stehenden Interessen beruht (vgl. BGE 120 Ib 400, 409 E. 5, Notwendigkeit der Alternativenprüfung und der regionalen statt nur lokalen Betrachtung; zur Stufengerechtheit vgl. BGer 1C_283/2012 vom 2. April 2014, E. 2.3.1; BGE 137 II 254, 257 E. 3.1). Art. 46 Abs. 1bis GSchV enthält keine (neuen) Anordnungen, die nicht ohnehin gälten.

15. Eine spezifische Regelung hat der BR bei der Trinkwasserversorgung getroffen: Bei der Erstellung der Versorgungsplanung für Trinkwasser haben die Kantone die genutzten und die zur Nutzung vorgesehenen Grundwasservorkommen zu erfassen und dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Wasserentnahmen so aufeinander abgestimmt werden, dass keine übermässigen Entnahmen erfolgen und die Grundwasservorkommen haushälterisch genutzt werden (Art. 46 Abs. 2 GSchV; vgl. auch Art. 43 Abs. 1 und 2 GSchG).

16. Bei der Erteilung von Bewilligungen für Einleitungen verschmutzter Abwässer in Gewässer und in die öffentliche Kanalisation sowie für Versickerungen (Art. 6–8 GSchV) hat die Behörde auch die Anforderungen des Umweltschutzgesetzes an den Schutz der Bevölkerung vor Geruchsimmissionen und des Arbeitsgesetzes sowie des Unfallversicherungsgesetzes an den Schutz der Gesundheit des Personals von Abwasseranlagen zu berücksichtigen (Art. 46 Abs. 3 GSchV). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um einen blossen Hinweis, eine Information an die Behörden, da die genannten «Anforderungen» ohne Weiteres beachtet werden müssen.

 

2.             Koordination unter den Bundesstellen

17. Nach Art. 46 Abs. 2 Bst. b GSchG regelt der BR die Koordination unter den Bundesstellen, eine Aufgabe, die er bereits nach dem GSchG 1971 hatte (N 1 f.). 1978 war die allgemeine Koordinationspflicht des BR auf allen Ebenen der Bundesverwaltung ins Verwaltungsorganisationsgesetz aufgenommen worden (Art. 4 Abs. 2 VwOG). Dieses Gesetz hatte auch bestimmt, dass, wenn ein Geschäft in den Bereich mehrerer Departemente fällt, die Beteiligten von sich aus für die gegenseitige Information und die Koordination sorgten, und dass ein Departement die Federführung des Geschäfts übernahm (Art. 57 VwOG). Sodann konnte der BR für die Behandlung koordinationsbedürftiger Geschäfte interdepartementale Koordinationsstellen, wie Konferenzen, Ausschüsse und Projektgruppen, einsetzen (Art. 59 VwOG). Überdies war die Koordination eine der Aufgaben der Generalsekretärenkonferenz (Art. 60 VwOG).

18. Das Nachfolgegesetz des VwOG, das geltende RVOG, regelt die Koordination ebenfalls an verschiedenen Stellen. Nach Art. 25 Abs. 2 Bst. a RVOG sorgt der Bundespräsident dafür, dass der BR seine Aufgaben rechtzeitig, zweckmässig und koordiniert an die Hand nimmt und abschliesst. Die Bundeskanzlerin unterstützt den Bundespräsidenten und den BR bei der Koordination auf Regierungsebene (Art. 32 Bst. a RVOG) und sorgt für die departementsübergreifende Koordination (Art. 33 Abs. 1 RVOG). Koordinationsaufgaben nehmen ferner die Ausschüsse des BR (Art. 52 RVOG) und die Generalsekretärenkonferenz unter der Leitung des Bundeskanzlers wahr, die die Koordinationstätigkeit der Bundesverwaltung steuert (Art. 53 RVOG). Obwohl oberstes Koordinationsorgan der BR ist, obliegt die Koordination zu einem erheblichen Teil dem Bundeskanzler (vgl. Sägesser, Handkommentar RVOG, Art. 32 N 9 f.). Man kann feststellen, dass der Auftrag in Art. 46 Abs. 2 Bst. b GSchG durch verschiedene allgemeine gesetzliche Vorschriften und ihre Umsetzung abgelöst worden ist.

19. In der Überwachung der Inspektionen der Landwirtschaftsbetriebe im Hinblick auf die Einhaltung von gewässerschutzrechtlichen Anforderungen koordiniert das zuständige Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mit dem Bundesamt für Veterinärwesen, dem Bundesamt für Umwelt, dem Bundesamt für Gesundheit und der Bundeseinheit für die Lebensmittelkette (Art. 5 Abs. 1 VKKL).

 

3.             Koordination zwischen Bundesstellen und Kantonen

20. Art. 46 Abs. 2 Bst. c GSchG bestimmt, dass der BR die Koordination zwischen Bundesstellen und Kantonen regelt. Ein Beispiel ist das Vorgehen bei durch landwirtschaftliche Betriebe verunreinigten oder gefährdeten Gewässern. Der Bund hat die Möglichkeit von finanziellen Anreizen an die Betriebe geschaffen (Art. 62a GSchG). Nach Art. 47 GSchV erarbeitet die kantonale Behörde Sanierungsprojekte und stimmt die vorgesehenen Massnahmen aufeinander ab. Das Umsetzungskonzept ist im Rahmen des Beitragsgesuchs dem BLW einzureichen. Dieses beurteilt die agronomischen und betriebswirtschaftlichen Aspekte, während das BAFU die Zweckmässigkeit der Massnahmen aus der Sicht des Gewässerschutzes beurteilt; bei der Umsetzung üben beide Ämter die «Oberkontrolle» aus (vgl. BLW/BAFU/BAG, Nitratprojekte, 14). Als förmlicher Rahmen dienen Programmvereinbarungen zwischen dem BLW und dem betreffenden Kanton (vgl. Art. 62a Abs. 4 GSchGArt. 60 Abs. 1 Bst. b GSchV). Gegen Ende jeden Jahres stellt der Kanton dem Bund für jedes Projekt einzeln einen kurzen Bericht über den Stand der Umsetzung und über die Resultate der getroffenen Massnahmen zu. Gleichzeitig beantragt er die jährlichen Bundesmittel (vgl. BLW/BAFU/BAG, Nitratprojekte, 38). Dem BR kommt die Aufgabe zu, die Koordinationen zu überwachen und sicherzustellen.

 

 

Résumé

D’après l’al. 1 de l’art. 46 LEaux, la Confédération doit surveiller l’exécution de la LEaux. L’exécution comprend la mise en place d’instruments qui permettent l’application de la loi alors que la surveillance comprend chaque activité de contrôle que la Confédération doit exercer comme par ex. la haute surveillance de l’Assemblée fédérale sur le Conseil fédéral et l’administration fédérale (art. 169 al. 1 Cst.) ou la surveillance des cantons par l’Assemblée fédérale (art. 173 al. 1 let. e Cst.) et par le Conseil fédéral (art. 186 al. 4 Cst.) qui peuvent également prendre des mesures de contrainte (comme par ex. l’exécution par substitution).

Selon l’al. 2 de l’art. 46 LEaux, le Conseil fédéral règle premièrement la coordination des mesures de protection des eaux que prennent les cantons. Cette coordination est traitée à l’art. 46 OEaux qui dispose à son al. 1 que les cantons coordonnent entre elles les diverses mesures à prendre en vertu de l’OEaux. L’obligation de coordonner doit inclure toutes les mesures exigées en vertu de l’OEaux ainsi que celles prises dans d’autres domaines. Le Conseil fédéral doit deuxièmement régler la coordination entre les services de la Confédération qui est réglée par la LOGA, en particulier l’art. 33 al. 1 LOGA (coordination des affaires interdépartementales par la chancellerie) et les art. 52 et 53 LOGA (coordination au niveau gouvernemental).

Quant à la let. b de l’al. 2 de l’art. 46 LEaux, il règle la coordination entre les services de la Confédération et les cantons comme par ex. lors des mesures prises par l’agriculture (art. 62a al. 4 LEaux).

 

 

Literatur: Flückiger Alexandre, Le régime juridique des plans – l’exemple du plan de gestion des déchets, Bern 1996 (zit. Plans); Sägesser Thomas, Stämpflis Handkommentar, Regierungs‑ und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) vom 21. März 1997, Bern 2007 (zit. Bearbeiter, Handkommentar RVOG).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Reorganisation der Bundesverwaltung vom 12. Februar 1975, BBl 1975 I 1453 ff. (zit. Botschaft VwOG 1975); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Gesundheit (BAG), Grundlagensammlung – Projekte nach Artikel 62a GSchG – Nitratprojekte – Stand 11. Dezember 2013, Bern 2013 (zit. Nitratprojekte).

Ruch Alexander​

 

Ausführungsvorschriften

1         Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

2         … (Aufgehoben durch Art. 12 Ziff. 3 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005, mit Wirkung seit 1. Sept. 2005; AS 2005 4099; BBl 2004 533).

Prescriptions d’exécution

1         Le Conseil fédéral édicte les prescriptions d’exécution.

2         … (Abrogé par l’art. 12 ch. 3 de la LF du 18 mars 2005 sur la consultation, avec effet au 1er sept. 2005; RO 2005 4099; FF 2004 485).

Prescrizioni esecutive

1         Il Consiglio federale emana le prescrizioni esecutive.

2         … (Abrogato dall’art. 12 n. 3 della L del 18 mar. 2005 sulla consultazione, con effetto dal 1° set. 2005; RU 2005 4099; FF 2004 453).

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 5

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1955 hatte in den Schlussbestimmungen den Auftrag an den BR enthalten, die für die Durchführung des Gesetzes notwendigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 17 Abs. 1 GSchG 1955). An vorgezogener Position hatte das GSchG 1971 dem BR die gleiche Aufgabe zugewiesen (Art. 3 Abs. 1 GSchG 1971, zugleich mit der Überwachung des Vollzugs). Der geltende Abs. 1 ist seit seinem Inkrafttreten unverändert Bestandteil des Gesetzes.

2. Mit dem Erlass des GSchG war Abs. 2 in Art. 47 GSchG aufgenommen worden; er hatte folgenden Wortlaut: «Vor dem Erlass von Ausführungsvorschriften und bei der Vorbereitung völkerrechtlicher Vereinbarungen hört der Bundesrat die Kantone und die interessierten Kreise an». Diese Bestimmung ist durch das VlG vom 18. März 2005 aufgehoben worden.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Der Auftrag an den BR, Ausführungsvorschriften zu erlassen, ist auf die sog. sekundäre Rechtsetzung gerichtet, die notwendig ist, um das (primäre) Gesetz umzusetzen. Hierzu ist der BR schon von Verfassungs wegen zuständig. Nach Art. 182 Abs. 2 BV sorgt der BR für den Vollzug der Gesetzgebung des Bundes. Diese Befugnis und Verpflichtung des BR reicht aus, eine förmliche Ermächtigung auf Gesetzesstufe «ist überflüssig, schadet aber nicht» (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 39 N 8; ferner Biaggini, Kommentar BV, Art. 182 N 4). Dies gilt, soweit es bloss um die Vollziehung des Gesetzes geht und nicht um den Erlass von gesetzesvertretenden Verordnungsbestimmungen; hierfür müsste das Gesetz ausdrückliche Delegationsnormen enthalten.

4. Ausführungs‑ bzw. Vollzugsverordnungen kommen die Funktion zu, die gesetzlichen Bestimmungen zu konkretisieren und gegebenenfalls untergeordnete Lücken zu füllen, soweit dies für den Vollzug des Gesetzes erforderlich ist. Die Ausführungsbestimmungen müssen sich jedoch an den gesetzlichen Rahmen halten und dürfen insbesondere keine neuen Vorschriften aufstellen, welche die Rechte der Bürger beschränken oder ihnen neue Pflichten auferlegen, selbst wenn diese Regeln mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar wären. Vollzugsbestimmungen sind zudem nur in dem Umfang zulässig, als das Gesetz dafür Raum lässt und nicht bewusst auf eine präzisere Regelung der betreffenden Frage verzichtet (so wörtlich BGE 126 II 283, 291 E. 3b). Dem BR kommt nach Art. 47 GSchG für die Umsetzung des GSchG nur das Recht zu, im zitierten Sinn Ausführungsvorschriften zu erlassen. Vorbehalten bleiben andere Vorschriften des Gesetzes, die dem BR weitere Kompetenzen einräumen (N 7). In BGE 126 II 283 zu entscheiden war die Verfassungsmässigkeit von Art. 33 Abs. 1 GSchV, wonach für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern, die Abschnitte mit und solche ohne ständige Wasserführung aufweisen, eine Bewilligung erforderlich ist, wenn das Fliessgewässer am Ort der Wasserentnahme eine ständige Wasserführung aufweist (Satz 1), wobei die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nach Art. 30 GSchG nur in den Abschnitten mit ständiger Wasserführung erfüllt sein müssen (Satz 2). Das BGer bezeichnete Art. 33 Abs. 1 GSchV als typische Vollzugsbestimmung und stellte ausdrücklich seine Gesetzmässigkeit fest (BGE 126 II 283, E. 3c).

 

 

III.        Kommentierung

5. Ausführungsvorschriften sind durch Verordnung zu erlassen, wobei nicht nur Verordnungen des BR, sondern auch ihm untergeordneter Stellen in Betracht fallen, jeweilige Ermächtigung vorausgesetzt (Art. 48 RVOG). Verordnung(en) und ihre Änderungen unterliegen nicht dem Referendum, müssen aber publiziert werden (Art. 2 Bst. d PublG). Ob die Entwürfe vor der Beschlussfassung des BR in ein Vernehmlassungsverfahren gegeben werden müssen, hängt von ihrer politischen, finanziellen, wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen oder kulturellen Tragweite ab (Art. 3 Abs. 2 VlG); bei den Kantonen wird ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, wenn sie von den Verordnungsbestimmungen in erheblichem Mass betroffen sein werden (Art. 3 Abs. 3 VlG).

6. Der Gesetzgeber von 1991 hat richtigerweise darauf verzichtet vorzuschreiben, dass die Ausführungsvorschriften erforderlich oder notwendig sein müssen. Dieses Erfordernis versteht sich von selbst.

7. Der z.Z. einzige Ausführungserlass des BR, der sich ausschliesslich auf das GSchG stützt, ist die Gewässerschutzverordnung (GSchV) vom 28. Oktober 1998. Auf das GSchG, neben anderen gesetzlichen Erlassen, stützen sich ausserdem z.B. die StFV, die ChemV, die ChemRRV und die TVA. Der Ingress der GSchV lässt schon erkennen, dass der BR mit der GSchV ausser Art. 47 GSchG zahlreiche weitere Bestimmungen des Gesetzes umsetzt. Diese weisen unterschiedliche Rahmen auf. Mehrheitlich handelt es sich um Bestimmungen, mit denen der Gesetzgeber dem BR bereichsbezogene Regelungsbefugnisse oder ‑aufträge erteilt (vgl. bei den jeweiligen Kommentierungen): Festlegen von qualitativen oder technischen Anforderungen (Art. 9 [Vorschriften über die Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässerer und das Einleiten und Versickern von Stoffen], Art. 16 [Vorschriften über die Behandlung des Abwassers und die Kontrolle von Anlagen], Art. 27 Abs. 2 [fakultative Vorschriften über die Bodenbewirtschaftung]); Ausgestaltungen (Art. 19 Abs. 1 [Vorschriften über die Einteilung der Kantonsgebiete in Gewässerschutzbereiche], Art. 36a Abs. 2 [Regelung der «Einzelheiten» für die Festlegung des Raumbedarfs der oberirdischen Gewässer], Art. 46 Abs. 2 [Regelung der Koordination], Art. 57 Abs. 4 [Regelung der Durchführung von Erhebungen]); Ausnahmemöglichkeiten (Art. 14 Abs. 7 [Ausnahmen von den Anforderungen an die Nutzfläche für Betriebe mit Nutztierhaltung]).

 

 

Résumé

Selon l’art. 47 al. 1 LEaux, le Conseil fédéral édicte les prescriptions d’exécution. Cette obligation est également inscrite dans la Constitution (Art. 182 al. 2 Cst.). Les ordonnances d’exécution concrétisent les dispositions légales et comblent les lacunes. Elles doivent toutefois rester dans le cadre légal et ne doivent en particulier pas créer de nouvelles règles qui limiteraient les droits des administrés ou leur imposeraient de nouvelles obligations. Le Conseil fédéral peut aussi déléguer la compétence d’édicter des règles de droit aux départements (art. 48 LOGA). Les dispositions d’exécution du Conseil fédéral à la LEaux se trouvent dans l’OEaux du 28 octobre 1998. Certaines dispositions de la LEaux obligent expressément le Conseil fédéral à légiférer (comme par ex. l’art. 9 LEaux).

Ruch Alexander​

 

Vollzugskompetenzen des Bundes

1         Die Bundesbehörde, die ein anderes Bundesgesetz oder einen Staatsvertrag vollzieht, ist bei der Erfüllung dieser Aufgabe auch für den Vollzug des Gewässerschutzgesetzes zuständig. Sie hört vor ihrem Entscheid die betroffenen Kantone an. Das Bundesamt für Umwelt (Bundesamt) und die übrigen betroffenen Bundesstellen wirken nach den Artikeln 62a und 62b des Regierungs‑ und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 beim Vollzug mit.

2         Eignet sich das Verfahren nach Absatz 1 für bestimmte Aufgaben nicht, so regelt der Bundesrat den Vollzug durch die betroffenen Bundesstellen.

3         Der Bund vollzieht die Vorschriften über Stoffe (Art. 9 Abs. 2 Bst. c); er kann für bestimmte Teilaufgaben die Kantone beiziehen.

4         Der Bundesrat bestimmt, welche Angaben, die aufgrund anderer Bundesgesetze über Stoffe erhoben werden, dem Bundesamt zur Verfügung zu stellen sind.

Compétence exécutive de la Confédération

1         L’autorité fédérale qui exécute une autre loi fédérale ou un traité international est, dans l’accomplissement de cette tâche, responsable également de l’application de la loi sur la protection des eaux. Avant de rendre sa décision, elle consulte les cantons concernés. L’Office fédéral de l’environnement (office) et les autres services fédéraux concernés collaborent à l’exécution conformément aux art. 62a et 62b de la loi fédérale du 21 mars 1997 sur l’organisation du gouvernement et de l’administration.

2         Si la procédure définie à l’al. 1 n’est pas adaptée à certaines tâches, le Conseil fédéral en réglemente l’exécution par les services fédéraux concernés.

3         La Confédération exécute les prescriptions sur les substances au sens de l’art. 9, al. 2, let. c; elle peut appeler les cantons à coopérer à l’exécution de certaines tâches.

4         Le Conseil fédéral détermine quelles sont les données sur les substances, recueillies en vertu d’autres lois fédérales, qui doivent être mises à la disposition de l’office.

Competenza esecutiva della Confederazione

1         L’autorità federale che esegue un’altra legge federale o un trattato internazionale è competente, nell’adempimento del suo compito, anche per l’esecuzione della presente legge. Prima di decidere consulta i Cantoni interessati. L’Ufficio federale dell’ambiente (Ufficio federale) e gli altri servizi federali interessati partecipano all’esecuzione conformemente agli articoli 62a e 62b della legge del 21 marzo 1997 sull’organizzazione del Governo e dell’Amministrazione.

2         Se per determinati compiti la procedura di cui al capoverso 1 è inadeguata, il Consiglio federale ne disciplina l’esecuzione da parte dei servizi federali interessati.

3         La Confederazione esegue le prescrizioni sulle sostanze (art. 9 cpv. 2 lett. c); essa può far capo ai Cantoni per determinati compiti settoriali.

4         Il Consiglio federale determina quali dati, rilevati su sostanze in base ad altre leggi federali, devono essere messi a disposizione dall’Ufficio federale.

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen ​2
III. Kommentierung ​5
A. Vollzug durch den Bund (Abs. 1) ​5
1. Massgebliche Gesetze und Verfahren ​6
2. Anhörungen ​7
3. Schnittstellen 10
B. Andere Verfahren (Abs. 2) 13
​C. ​Vorschriften über Stoffe (Abs. 3) 15
​D. ​Angaben über Stoffe (Abs. 4) 17

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Eine Regelung wie diejenige von Art. 48 GSchG ist im Gewässerschutzrecht (1991) neu. Die Abs. 1–2 der Vorschrift sind wörtlich dem Art. 41 Abs. 2–3 USG nachgebildet. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Gewässerschutz ein Teilbereich des Umweltschutzes ist (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1083). In der ursprünglichen Fassung enthielt Abs. 1 – wie auch Art. 41 Abs. 2 USG – für die Mitwirkung der Bundesstellen die Verweisung auf das RVOG noch nicht. Diese Verweisung und Abs. 2 wurden durch das Koordinationsgesetz vom 18. Juni 1999 in Art. 48 GSchG eingefügt (Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2696).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Art. 45 GSchG stellt die Vollzugskompetenzen der Kantone unter den Vorbehalt der Regelung von Art. 48 GSchG, der die Vollzugskompetenzen des Bundes abschliessend aufzählt.

3. Wesentliche Vollzugsvorschrift zu Gunsten des Bundes ist die Generalklausel in Abs. 1: Die Bundesbehörde, die ein anderes Bundesgesetz oder einen Staatsvertrag vollzieht, ist immer auch für den Vollzug des GSchG zuständig. Zweck dieser Verfahrenskonzentration ist die Nutzung vorhandener Kräfte und Erfahrung sowie die Gewährleistung einfacher Zugänge für Gesuchstellende zur Verwaltung (vgl. Botschaft USG 1979, 817). Das Umweltrecht wurde auf Bundesebene seit alters her nicht von den Umweltfachstellen, sondern von den in einem spezifischen Sachbereich zuständigen Stellen angewandt. Dieses Konzentrationsprinzip galt und gilt im Besonderen für die Behörden, die für Planung, Bau und Betrieb von Infrastrukturanlagen zuständig sind; sie sind auch für die Anwendung des Umweltrechts verantwortlich (vgl. z.B. BGE 121 II 378, 389 E. 4c/aa, Bahn 2000; BGE 124 II 293, 319 ff. E. 10d, 11, Ausbau Flughafen Zürich). Das Koordinationsgesetz hat dann im gesamten Umweltrecht für dessen Vollzug durch Bundesbehörden das Konzentrationsverfahren mit Anhörung der Fachbehörden durch die Leitbehörde und allfälligem Bereinigungsverfahren verstärkt (Marti, Bundeskoordinationsgesetz, 304; Zufferey, Coordination, 239 ff.).

4. Neben den verfahrensrechtlichen Vollzugsvorschriften von Abs. 1 weist Art. 48 GSchG dem Bund die Vollzugskompetenz im Bereich der Stoffe zu (Abs. 3 und 4). Hierin verwirklicht sich ein weiterer Schritt der Integration des Gewässerschutzrechts ins Umweltrecht, sind es doch vor allem die umweltgefährdenden Stoffe, die die Gewässer schädigen können.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Vollzug durch den Bund (Abs. 1)

5. Abs. 1 schafft überall dort Klarheit, wo der Bund in sachbezogenen Bereichen zuständig ist, sei es zu Planung, Projektierung, Bewilligung und Bau von Anlagen, sei es zu eigenständigen Sanierungsmassnahmen, Kostentragungsverfügungen oder sonstigen Anordnungen. Einerseits bewirkt die Konzentration der (Entscheid‑)Zuständigkeit bei einer Bundesbehörde eine Klärung der Aufgabenteilung innerhalb der Bundesverwaltung (vgl. Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 21). Andererseits fängt sie Lücken der (kantonalen) Vollzugskompetenz auf, die durch sachbezogene Bundeszuständigkeiten entstehen und die durch ein Anhörungsrecht der Kantone wieder geschlossen werden (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1150).

 

1.             Massgebliche Gesetze und Verfahren

6. Zu den Bundesgesetzen, die in Abs. 1 genannt werden, gehören in erster Linie die Infrastrukturgesetze des Bundes. Sie sind mit dem Koordinationsgesetz weitgehend im Sinn des konzentrierten Entscheidverfahrens geändert worden. Es handelt sich um das EBG, das SebG, das NSG, das TrG, das LFG, das BSG, das EleG, das RLG, das KEG, das WRG, das MG. Ferner von Bedeutung ist das LwG, soweit es die Verwendung von sog. Produktionsmitteln (Stoffen und Organismen, die der landwirtschaftlichen Produktion dienen, insbesondere Dünger, Pflanzenschutzmittel, Futtermittel und pflanzliches Vermehrungsmaterial) regelt (vgl. Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 23), und das Chemikalienrecht, das eine weitreichende Selbstkontrolle mit Informationspflichten, für bestimmte Stoffe ein Anmelde‑ und für Biozidprodukte und Pflanzenschutzmittel ein Zulassungsverfahren kennt. Für Pflanzenschutzmittel gilt das Zulassungsverfahren gemäss Landwirtschaftsrecht (Art. 11 Abs. 2 ChemG). Nach dem massgebenden Bundesgesetz oder Staatsvertrag richtet sich auch das anwendbare Verfahren, einschliesslich des Beschwerverfahrens (vgl. Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 20).

 

2.             Anhörungen

7. Angehört werden müssen vorweg die betroffenen Kantone, denen damit ein Mitwirkungsanspruch gewährt wird. An sie sind die Gesuche nach einer Eingangsprüfung der Unterlagen und allfälligen Aussteckungen im Gelände zu übermitteln (vgl. z.B. Art. 12 SebGArt. 18d EBGArt. 27b NSG). Für die Anhörungen der Kantone gewähren die Infrastrukturgesetze drei Monate (vgl. Art. 18d Abs. 1 EBGArt. 27b Abs. 1 NSGArt. 37d Abs. 1 LFGArt. 21b Abs. 1 RLGArt. 126d Abs. 1 MG; vgl. Zufferey, Coordination, 240), die mögliche Verlängerung ist aber spezifisch zu gewähren, und es bestehen u.U. besondere Fristen für die UVP. Für die kantonalen Verfahren schreiben die Bundesgesetze vor, dass die Gesuche in den amtlichen Publikationsorganen der Kantone und Gemeinden zu publizieren und während 30 Tagen öffentlich aufzulegen sind. Die entscheidzuständige Behörde ist an die Anträge der Kantone nicht gebunden (vgl. BGE 121 II 378, 397 E. 9a), sie sind aber zu berücksichtigen, soweit das Vorhaben dadurch nicht verhindert oder unverhältnismässig eingeschränkt wird (vgl. z.B. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 EBG, Art. 26 Abs. 3 Satz 2 NSG).

8. Für das weitere Verfahren innerhalb der Bundesverwaltung verweisen die Gesetze auf die Regelung des konzentrierten Entscheidverfahrens in den Art. 62a ff. RVOG, wie es, unter ausdrücklicher Nennung des BAFU, auch Art. 48 Abs. 1 GSchG tut. Das konzentrierte Entscheidverfahren ist der seit alters her geübten Ämterkonsultation nachgebildet (vgl. Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 41 N 18). Es wird geleitet von der in der Sache bestimmend zuständigen Behörde, der sog. Leitbehörde (s. Art. 62a Abs. 1 RVOG). Am Ende des Verfahrens steht ein Gesamtentscheid der Leitbehörde (vgl. dazu Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2596). Die Leitbehörde bestimmt die betroffenen Fachbehörden, hört sie – i.d.R. gleichzeitig – an (Anhörungspflicht), setzt ihnen für ihre Stellungnahmen eine Frist von i.d.R. zwei Monaten und entscheidet auf der Grundlage und in Kenntnis der Stellungnahmen nach einer Gesamtabwägung. An diese ist sie aber nicht gebunden; der Gesetzgeber wählte das Anhörungsmodell und verwarf das Zustimmungsmodell, bei dem die Stellungnahmen der Fachbehörden für die Leitbehörde bindend wären (vgl. Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2598). Zu den Fällen, in denen auf Anhörungen verzichtet werden kann, s. Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 31.

9. Ein Bereinigungsverfahren innerhalb der Bundesverwaltung hat stattzufinden, wenn zwischen den Stellungnahmen der Fachbehörden Widersprüche bestehen oder die Leitbehörde mit den Stellungnahmen nicht einverstanden ist (Art. 62b RVOG). Zunächst tauschen sich Sachbearbeiter formlos aus und suchen bereits eine Einigung, jedenfalls zu Punkten von geringer Tragweite (vgl. Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2600). Bei verbleibenden Differenzen führt die Leitbehörde ein Bereinigungsgespräch durch. Eine erzielte Einigung ist für sie verbindlich. Andernfalls entscheidet die Leitbehörde. Bei wesentlichen Differenzen zwischen Verwaltungseinheiten des gleichen Departements muss die Leitbehörde beim Departement eine Weisung einholen, wie zu entscheiden ist (Art. 62b Abs. 3 Satz 2 RVOG). Ist ein Departement Leitbehörde (vgl. z.B. Art. 18 Abs. 2 Bst. b EBG), so entscheidet es auch bei wesentlichen Differenzen (vgl. Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 34). Sind mehrere Departemente betroffen, so haben sie sich ins Einvernehmen zu setzen (Art. 62b Abs. 3 Satz 3 RVOG). Das Bereinigungsverfahren soll einerseits Druck auf die Leitbehörde ausüben, offene Fragen rasch zu klären, andererseits den Fachbehörden garantieren, dass ihren Entscheidungen Rechnung getragen wird (vgl. Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2599).

 

3.             Schnittstellen

10. Die Bundesbehörde, die ein anderes Bundesgesetz vollzieht, ist zum Vollzug auch des GSchG in den hauptsächlichen Verfahren – Bewilligungs‑, namentlich Plangenehmigungsverfahren – zuständig. Die Frage stellt sich, ob sie darüber hinaus diese Zuständigkeit auch für weitere Belange – z.B. die Phase des Betriebs der bewilligten Anlage bzw. für besondere Massnahmen – beanspruchen kann. Häufig geht es um gesonderte Sanierungsverfügungen und um Anordnungen der Kostenverlegung. Das BGer hielt in einem solchen Fall fest, dass sich die Zuständigkeit der Bundesbehörde dann auch auf derartige Verfügungen erstrecke, wenn zwischen dem Plangenehmigungsverfahren und dem Sanierungsverfahren ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Konkret ging es um einen belasteten Standort im Bereich Busgate Süd/Vorfeldzone Süd am Flughafen Zürich; das Sanierungsverfahren war vom kantonalen Amt in Gang gesetzt und beherrscht worden und hatte keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Plangenehmigungsverfahren; daher war die kantonale Amtsstelle für die Sanierung – und in der Folge auch für die Kostenverteilung –zuständig (BGer 1C_255/2007 vom 17. Juli 2008, E. 3.5 f. und 4; vgl. auch Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 41 N 3). Zunächst war freilich zu klären, ob die kantonale Fachstelle vor Art. 48 GSchG überhaupt selbstständig Massnahmen ergreifen konnte. Entscheidend war, dass sie faktisch die Sanierungsmassnahmen weitgehend selbstständig angeordnet und das Vorhaben auch materiell stark geprägt hat. Nicht von Belang ist es, welche Behörde auf Grund der gesetzlichen Ordnung zum Sanierungsentscheid berufen wäre. Der Wortlaut von Art. 48 Abs. 1 GSchG («Die Bundesbehörde, die ein anderes Bundesgesetz oder einen Staatsvertrag vollzieht, ist bei der Erfüllung dieser Aufgabe auch für den Vollzug des Gewässerschutzgesetzes zuständig») weist darauf hin, dass ein direkter Zusammenhang des gesonderten Verfahrens mit dem Hauptverfahren bestehen muss und dass, wenn eine kantonale Behörde die (Sanierungs‑)Verfügung erlässt, sie auch zum Vollzug des GSchG (und zum damit eng zusammenhängenden Kostenentscheid) zuständig ist (vgl. BVGer A-1999/2006 vom 26. Juni 2007, E. 6.4 f. = vorinstanzlicher Entscheid zu BGer 1C_255/2007).

11. In einem Fall, in dem es um die Kostenbeteiligung des Bundes an der Beseitigung von Altlasten einer Zivilschutzausbildungsanlage ging, prüfte das BGer, ob auf Grund von Art. 41 Abs. 2 USG – der dem Art. 48 Abs. 1 GSchG analogen Bestimmung – das zivilschutzrechtliche Verfahren auch dem Vollzug der Kostenregelung des USG dienen könne (BGer 1A.366/1999 vom 27.9.2000, URP 2000, 785). Es bejahte die Frage, indem es feststellte, dass die Kostenverteilung sich im Zusammenhang mit einer Zivilschutzanlage stellt, deren Regelung teilweise durch den Bund vollzogen wird, und dass insoweit die zuständige Bundesbehörde auch das Umweltschutzgesetz zu vollziehen hat (E. 1a, a.a.O. 789). Indessen hielt das BGer auch fest, dass Zivilschutzanlagen der normalen kantonalen baurechtlichen Regelung unterstehen und somit auch das Gewässer‑ und Umweltschutzrecht bei Zivilschutzausbildungsanlagen grundsätzlich durch die Kantone vollzogen wird (E. 3c, a.a.O. 792; vgl. auch die Kritik bei Keller, Kommentar USG, Art. 41 N 22).

12. Der Inhaber einer Kanalisation – in der Regel die Gemeinde – ist auch im Falle von Bahnanlagen verpflichtet, dieses Abwasser aufzunehmen und der zentralen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen (Art. 11 Abs. 3 GSchG). Da der Gemeinde oder dem Kanton sowohl auf Grund von Art. 18 EBG als auch von Art. 48 GSchG keine Bewilligungskompetenzen zukommen, ist die für das eisenbahnrechtliche Plangenehmigungsverfahren verantwortliche Bundesbehörde auch zur Beurteilung von Fragen des Kanalisationswesens zuständig (BGE 121 II 378, 398 E. 9c, Plangenehmigung für die SBB-Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist [BAHN 2000]). Indessen hat das UVEK als Plangenehmigungsbehörde für Bahnprojekte der SBB keine weitergehenden Kompetenzen, als sie mit dieser Aufgabe zusammenhängen. Das UVEK darf deshalb z.B. keine Sanierungsanordnungen treffen, die sich nicht mit dem Bahnbau begründen lassen. Im konkreten Fall kann es daher die Sanierung einer Altlast nur insoweit verfügen, als der Bahnbau eine Sanierung der Altlast später verunmöglicht oder erheblich erschwert. Soll im Zuge einer solchen Teilsanierung eine vollständige Sanierung durchgeführt werden, hat der Kanton (oder je nach kantonalem Recht die Standortgemeinde) seine eigenen Kompetenzen wahrzunehmen und eine entsprechende Sanierungsverfügung zu treffen (BGE 121 II 378, 415 E. 17c/aa).

 

B.            Andere Verfahren (Abs. 2)

13. Das Verfahren nach Abs. 1 ist grundsätzlich massgebend. Von ihm kann nur abgewichen werden, wenn es sich für bestimmte Aufgaben nicht eignet. Mit der Möglichkeit der Abweichung, der organisatorischen und verfahrensmässigen «souplesse» (Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 41 N 22), soll der starren Einheitlichkeit der verwaltungsinternen Vollzugsorganisation entgegengewirkt werden (Botschaft USG 1993, 1475). Zuständig für die Beurteilung der mangelnden Eignung und den Entscheid über das Ersatzverfahren ist der BR. Er hat die Regelung in Verordnungsform zu treffen.

14. Das Interesse, das die Einrichtung anderer Verfahren nahelegen kann, ist dasjenige an einer besseren Koordination oder einer wirksameren Verwaltungstätigkeit (vgl. Botschaft USG 1979, 817). Das Verfahren nach Abs. 1 ist eingerichtet worden und damit geeignet in erster Linie für Infrastrukturvorhaben. Für andere Verfahren erscheint es weniger geeignet, wie etwa für Massnahmen für die Freisetzung von gentechnologisch verändertem Saatgut (vgl. Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2648) und andere produktbezogene Kontrollverfahren (z.B. landwirtschaftliche Hilfsstoffe, Lebensmittel, waldwirtschaftliche Produkte; vgl. Botschaft USG 1993, 1475).

 

C.           Vorschriften über Stoffe (Abs. 3)

15. Die Vorschrift des GSchG 1971, dass der BR Herstellung, Anwendung, Einfuhr und Inverkehrbringen von Stoffen und Erzeugnissen, die nachteilige Wirkungen auf die Gewässer haben können, verbieten kann (Art. 23 Abs. 2 GSchG 1971), wollte der Gesetzgeber 1991 mit Art. 9 Abs. 2 Bst. c GSchG materiell beibehalten, sowie damit überhaupt das GSchG noch mehr ans USG angleichen (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1113 f.). Nach Art. 41 Abs. 1 USG obliegt der Vollzug der Vorschriften über Stoffe auch nach Umweltschutzrecht dem Bund. Es lag daher auf der Hand, die gleiche Zuständigkeit auch im Bereich des Gewässerschutzes zu begründen. Auch das Chemikalienrecht weist zahlreiche Vollzugsaufgaben dem Bund zu, wie z.B. die Beurteilung und Einstufung von Stoffen und die Zulassung bestimmter Stoffe (Art. 34 Abs. 1 Bst. a und c ChemG).

16. Dem USG (Art. 41 Abs. 1 letzter Satz USG) entnommen ist auch die Möglichkeit des Bundes, für bestimmte Teilaufgaben die Kantone beizuziehen.

 

D.           Angaben über Stoffe (Abs. 4)

17. Abs. 4 gibt dem BR die Kompetenz zu bestimmen, welche Angaben, die aufgrund anderer Bundesgesetze über Stoffe erhoben werden, dem zuständigen Bundesamt zur Verfügung zu stellen sind. Der Bundesrat kann anordnen, dass Angaben gemacht werden über Stoffe oder Organismen, welche die Umwelt gefährden können oder erstmals in Verkehr gebracht werden sollen (Art. 46 Abs. 3 USG). Indessen regelt das neue Chemikalienrecht einerseits die Melde‑ und Informationspflichten von Herstellern von Stoffen (vgl. z.B. Art. 18 ChemG), andererseits den Datenaustausch unter den Bundesstellen, die am Vollzug beteiligt sind, im Sinne des allgemeinen, umfassenden Auftrags der gegenseitigen Information (vgl. Art. 45 ChemG).

 

 

Résumé

Selon l’al. 1 de l’art. 48 LEaux, l’autorité fédérale qui exécute une autre loi fédérale (par ex. LCdF) ou un traité international est, dans l’accomplissement de cette tâche, également responsable de l’application de la LEaux. L’autorité fédérale doit consulter les cantons avant de rendre sa décision. Cette consultation, prévue par plusieurs lois fédérales, est de trois mois. Bien que l’autorité ne soit pas liée par les conclusions prises par les cantons, elle doit néanmoins en tenir compte dans la mesure où le projet n’est pas empêché ou limité de manière disproportionnée. Elle doit également consulter l’OFEV et les autres services fédéraux concernés en vertu des art. 62a ss LOGA qui prévoit une concertation de procédure. Selon l’al. 2 de l’art. 48 LEaux, si la procédure définie à l’al. 1 n’est pas adaptée à certaines tâches, le Conseil fédéral en réglemente l’exécution par les services fédéraux concernés.

 

 

Literatur: Marti Arnold, Zum Inkrafttreten des Bundeskoordinationsgesetzes und weiteren Neuerungen im Bereich des Umwelt‑, Bau‑ und Planungsrechts, in: URP 2000, 291 ff. (zit. Bundeskoordinationsgesetz); Zufferey Roger, Coordination des procédures de décision et droit de l’environnement, in: DEP 2001, 228 ss (cit. Coordination).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren vom 25. Februar 1998, BBl 1998 2591 ff. (zit. Botschaft Koordinationsgesetz 1998).

3. Abschnitt: Besondere Bestimmungen über den Vollzug

Borlat Julien

 

3. Abschnitt: Besondere Bestimmungen über den Vollzug/Section 3: Dispositions spéciales d’exécution

 

Service de la protection des eaux et police de la protection des eaux

1         Les cantons gèrent un service de la protection des eaux. Ils mettent sur pied une police de la protection des eaux et un service d’intervention en cas d’accident.

2         Le service de la protection des eaux de la Confédération est assuré par l’office.

3         La Confédération et les cantons peuvent appeler des collectivités de droit public et des particuliers à collaborer à l’exécution, notamment en matière de contrôle et de surveillance.

Gewässerschutzfachstellen und Gewässerschutzpolizei

1         Die Kantone richten Gewässerschutzfachstellen ein. Sie organisieren die Gewässerschutzpolizei und einen Schadendienst.

2         Das Bundesamt ist die Gewässerschutzfachstelle des Bundes.

3         Bund und Kantone können für den Vollzug öffentlich-rechtliche Körperschaften und Private beiziehen, insbesondere für die Kontrolle und Überwachung.

Servizio della protezione delle acque e polizia della protezione delle acque

1         I Cantoni istituiscono un servizio di protezione delle acque. Organizzano la polizia della protezione delle acque e un servizio avarie.

2         A livello federale, il servizio di protezione delle acque è l’Ufficio federale.

3         La Confederazione e i Cantoni possono, per compiti d’esecuzione, in particolare per il controllo e la sorveglianza, far capo a corporazioni di diritto pubblico e a privati.

 

Table des matières

Historique 1
II.  ​ Remarques générales 4
III. Commentaire 5
A. Service de la protection des eaux, police de la protection des eaux et service d’intervention en cas d’accident (al. 1) 6
B. Service de la protection des eaux de la Confédération (al. 2) 11
C. Collaboration des collectivités de droit public et des particuliers (al. 3) 13

 

I.              Historique

1. Tandis que la plupart des dispositions d’exécution furent reprises à quelques exceptions rédactionnelles près, sans modification de l’ancienne LPEP, l’al. 3 de l’art. 49 LEaux compte parmi celles qui furent introduites par la révision totale de 1991, en vigueur depuis le 1er novembre 1992 (Message LEaux 1987, 1172 s.).

2. Un des objectifs avoués du projet de révision totale proposé et adopté fut de s’inspirer de la structure de la LPE en vue de les unifier (Message LEaux 1987, 1104 ss). C’est ainsi que les al. 1 et 2 de l’art. 49 LEaux possèdent une structure similaire à celle de l’art. 42 LPE. L’al. 3 n’est, quant à lui, pas sans rappeler l’art. 43 LPE, mais il diverge sur deux points ainsi que nous le verrons ci-après (voir N 19).

3. Par contre, l’art. 49 LEaux ne fut pas concerné par les révisions partielles ultérieures de la LEaux.

 

II.           Remarques générales

4. L’art. 49 LEaux est la première des dispositions spéciales d’exécution (section 3). Aussi apporte-t-il des précisions par rapport aux art. 45–48 LEaux traitant de l’exécution en général par les cantons et par la Confédération (voir commentaires ad art. 45 ss LEaux).

 

III.        Commentaire

5. L’art. 49 LEaux comprend trois alinéas, dont le/la ou les destinataires varient de l’un à l’autre. Ainsi, le premier s’adresse aux cantons (chap. A), le deuxième à la Confédération (chap. B) et le troisième à la fois à la Confédération et aux cantons (chap. C).

 

A.           Service de la protection des eaux, police de la protection des eaux et service d’intervention en cas d’accident (al. 1)

6. L’al. 1 de l’art. 49 LEaux astreint les cantons à se doter d’un service de la protection des eaux, à établir une police de la protection des eaux et un service d’intervention en cas d’accident. Autrement dit, les cantons reçoivent un mandat légal. S’ils sont libres de choisir quelle procédure ils entendent mettre en place à cet effet, les cantons sont tenus de disposer des autorités voulues par le législateur: c’est donc plus le résultat (de manière analogue pour la LPE, voir Brunner, Kommentar USG, Art. 42 N 6) que le moyen qui compte. En ce qui concerne plus particulièrement la forme que doivent adopter lesdites autorités, force est de constater que ni la loi ni l’ordonnance d’exécution ne contiennent de prescriptions spécifiques. En vertu de leur autonomie d’organisation (art. 47 Cst.), les cantons ont à leur disposition un large éventail de structures: ils peuvent en effet opter pour une division, un office, un département, voire même une grande commune ou des privés en leur déléguant la tâche correspondante. Dans les faits toutefois, ils rencontreront certaines limites en ce sens que l’autorité instaurée doit être en mesure de remplir les fonctions de protection des eaux et de police de la protection des eaux (de manière analogue, Brunner, Kommentar USG, Art. 42 N 7 s.; voir également art. 46 al. 1 Cst.). Par ailleurs, quelle que soit la forme qu’un canton choisit, des problèmes de coordination surviendront, notamment entre les services de la protection des eaux, mais également avec les autres services environnementaux (de manière analogue, Brunner, Kommentar USG, Art. 42 N 7b; pour un cas concret, voir p.ex. ATF 120 Ib 400 dans le cadre duquel se posaient des questions de défrichement et de décharge contrôlée, et qui mentionne d’ailleurs la police des constructions et de la protection des eaux du canton de Bâle-Campagne). De surcroît, les cantons se doivent de pourvoir l’autorité de moyens suffisants, que ce soit en personnel ou en infrastructures et matériel, pour assumer correctement ses tâches (de manière analogue, Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 42 N 7); cela vaut également pour les ressources financières. Au final, le choix sera arrêté dans le droit cantonal respectif (Stutz, Vollzug Umweltschutz- und Gewässerschutzrecht ZH, 42).

7. Par «police de la protection des eaux», on entend une «police dont la mission consiste à assurer la surveillance des eaux et à prendre les mesures de protection nécessaires» (ChF, TERMDAT). A ce titre, elle mène des enquêtes. Elle doit être informée immédiatement par les détenteurs des installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux ainsi que par les personnes chargées d’en assurer l’exploitation ou l’entretien de toute fuite constatée conformément à l’art. 22 al. 6, 1ère phrase LEaux. La même réglementation vaut pour les substances de nature à polluer les eaux (art. 25 LEaux). Ce faisant, la police de la protection des eaux pourra intervenir aussi rapidement et efficacement que faire se peut, afin d’éviter en particulier que des preuves disparaissent. Si besoin est, un service de piquet peut être mis en place.

8. Les services d’intervention en cas d’accident, c’est-à-dire les spécialistes des services de la protection des eaux, les services du feu, la police, etc., ont pour tâche de protéger contre les dangers imminents pour les eaux ainsi que de contenir les conséquences des pollutions des eaux qui ont déjà eu lieu et d’en rechercher et éliminer les causes (Stutz, Abwasserrecht, 116 s.).

9. Dans le canton d’Argovie p.ex., c’est son Abteilung für Umwelt qui est compétente dans le domaine de la protection des eaux. Celle-ci est chargée du contrôle des eaux et de l’information des autorités et des privés (Häuptli-Schwaller, Kommentar Baugesetz AG, Art. 123 N 5).

10. S’agissant des autres cantons, nous renvoyons, en ce qui concerne la protection des eaux, à la liste correspondante établie par la Conférence des chefs des services de la protection de l’environnement (CCE, Adresses – Protection des eaux). Cette liste atteste d’une grande diversité parmi les structures choisies par les cantons, presque toutes les possibilités mentionnées plus haut étant représentées.

 

B.            Service de la protection des eaux de la Confédération (al. 2)

11. La situation est tout autre sur le plan fédéral. Le service de la protection des eaux compétent à cet échelon est directement désigné par le législateur à l’al. 2 de l’art. 49 LEaux. Il s’agit de l’OFEV. A l’interne, c’est plus précisément sa division Eaux qui est en charge. En somme, nous avons, partant, affaire à une centralisation. Celle-ci facilite la coordination avec notamment les autres domaines du droit de l’environnement (voir art. 42 al. 2 LPE; point n’est besoin au demeurant de rappeler que les pollutions des eaux et les autres interventions dont elles peuvent faire l’objet sont des atteintes au sens de l’art. 7 al. 1 LPE contre lesquelles la LPE [voir art. 1 LPE] protège lorsqu’elles sont nuisibles ou incommodantes, ou pourraient le devenir) et de la protection de la nature et du paysage (voir art. 24h LPN en relation avec art. 23 OPN).

12. Outre ses tâches de surveillance et de coordination (art. 46 LEaux), l’OFEV est chargé d’exécuter les prescriptions sur les substances au sens de l’art. 9 al. 2 let. c LEaux en pouvant appeler les cantons à coopérer à l’exécution de certaines tâches (art. 48 al. 3 LEaux) ainsi que de collaborer à l’exécution (al. 1) et lorsqu’il est concerné et que la procédure définie à l’al. 1 n’est pas adaptée à certaines tâches, à l’exécution de ces dernières lorsque l’OEaux le prévoit (al. 2), et encore d’effectuer les relevés d’intérêt national au sens de l’art. 57 al. 1 LEaux. Dans un arrêt rendu au temps de l’OFEFP (ancien OFEV) en rapport avec les cours d’eau «Geisslibach» et «Furtbach» (cantons de Thurgovie et de Zurich) et les concessions de prélèvements d’eau y relatives par l’agriculture, le TF rappelle que l’OFEFP, en tant que service de la protection des eaux de la Confédération, a bien plus pour tâche de soutenir les cantons au moyen de conseils pour l’exécution de la loi, conformément à l’art. 49 al. 2 LEaux et aux anciens al. 2 et 3 de l’art. 50 LEaux (ATF 120 Ib 233 consid. 5d), étant précisé que l’actuel al. 3 de l’art. 50 LEaux est d’une teneur quasiment identique. Pour ce faire, il pourra notamment élaborer des aides à l’exécution et des communications ou prodiguer des conseils ponctuels aux cantons.

 

C.           Collaboration des collectivités de droit public et des particuliers (al. 3)

13. L’al. 3 de l’art. 49 LEaux est indéniablement une concrétisation du principe de coopération dans le domaine de la protection des eaux et s’apparente à l’art. 43 LPE. Pour mémoire, en droit de l’environnement, le principe de coopération est concrétisé à de multiples endroits, p.ex. à l’art. 41a LPE ou encore aux art. 4 et 39 de la Loi sur le CO2 (pour des considérations générales sur ce principe, nous renvoyons notamment à Griffel, Grundprinzipien, 375 ss ainsi qu’à Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 53 ss). Notons encore que le principe de coopération s’étend, en cas de concrétisation correspondante dans la législation topique, entre autres à l’information et aux conseils (Griffel, Grundprinzipien, 384, 399). Tel est le cas de la LEaux aux art. 50 et 51 (voir commentaires ad art. 50 et 51 LEaux).

14. Le texte légal utilise plus spécifiquement la formule «appeler […] à collaborer». Une collaboration avec des particuliers ou/et avec des collectivités de droit public est souhaitable et recherchée par l’administration dans ses tâches d’exécution afin d’en augmenter l’efficacité d’une part (Message LEaux 1987, 1173), et son acceptation, d’autre part. La LEaux précise cependant un peu le spectre de la collaboration en donnant les exemples du contrôle et de la surveillance. Le Conseil fédéral prévient toutefois dans son message qu’il ne s’agit en aucun cas pour la Confédération de se décharger de pans entiers de l’exécution ou de la responsabilité (Message LEaux 1987, 1173). Force est de constater qu’«appeler … à collaborer» est entendu ici dans le sens de «déléguer des tâches» ou encore mieux dit «déléguer une partie des tâches d’un ou de plusieurs domaines d’exécution». La formulation choisie par le législateur nous paraît peu heureuse, car elle manque de précision et peut faire penser à la collaboration au sens de l’art. 41a LPE qui, elle, est obligatoire – au demeurant, et bien qu’elles nous semblent tendre davantage vers le sens voulu, la même observation peut être faite pour les versions allemande («beiziehen») et italienne («far capo»). En effet, «collaboration» sous-entend plutôt le fait de travailler avec quelqu’un: on pourrait p.ex. imaginer que la Confédération soit accompagnée par des experts du secteur privé lors du contrôle d’une installation, plutôt qu’elle soit purement et simplement remplacée par lesdits experts. La collaboration est donc en réalité une notion plus large. La doctrine évoque une analogie avec l’art. 43 LPE (Griffel, Grundprinzipien, 390; Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 55) ou se réfère exclusivement à la délégation de tâches (Thurnherr, Öffentlichkeit, 238; Stutz, Abwasserrecht, 52 s.; Stutz, Vollzug Umweltschutz‑ und Gewässerschutzrecht ZH, 46). Si on a réellement voulu limiter la collaboration à une délégation de tâches et compte tenu de la doctrine, il aurait été à notre sens plus judicieux d’utiliser une formulation plus proche de l’art. 43 LPE sur ce point.

15. La délégation de tâches de l’administration à des organismes et à des personnes de droit public ou de droit privé qui sont extérieurs à l’administration fédérale est permise sur la base de l’art. 178 al. 3 Cst., mais à la condition qu’elle repose sur une loi. Par loi, il faut entendre ici une loi au sens formel; de plus, la délégation qui y est prévue doit être spécifique à un domaine et se rapporter à un rayon de tâches précis (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 43 N 2 et les références citées). Dans le domaine de la protection des eaux, ces exigences sont remplies avec l’art. 49 LEaux.

16. Au surplus, l’al. 3 revête la forme d’une diposition potestative: la Confédération et les cantons ont la possibilité, mais non l’obligation d’appeler des collectivités de droit public et des particuliers à collaborer dans le domaine de l’exécution. En d’autres termes, ils se voient accorder une marge de manœuvre leur permettant de choisir librement s’ils entendent ou pas collaborer avec des collectivités de droit public et/ou des privés. Lorsqu’ils décident de faire usage de leur prérogative en déléguant une partie d’une tâche, ils devraient toutefois s’assurer que l’entité appelée à collaborer soit à même, voire mieux à même d’accomplir la tâche considérée que l’administration elle-même (de manière analogue, Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 8). De plus, ils doivent veiller à ce que la partie de tâche déléguée – p.ex. le contrôle des installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées ou de celles servant au traitement des engrais de ferme (art. 15 LEaux) pour les cantons – soit effectivement accomplie.

17. Du côté des collectivités de droit public et des particuliers pouvant être appelés à collaborer, il n’existe pas de droit à être appelé à collaborer (de manière analogue, Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 8a). En outre, il va de soi que les particuliers ne peuvent pas être contraints à collaborer, sauf en présence d’une base constitutionnelle ou d’une base légale (Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 9). La LEaux ne prescrit certes pas de collaboration en ces termes précis. Néanmoins, ses art. 22 et 25 prévoient entre autres que les détenteurs d’installations contenant des liquides de nature à polluer les eaux, et les détenteurs d’installations contenant des substances qui, au contact de liquides, peuvent former des liquides de nature à polluer les eaux effectuent un contrôle périodique des constructions et des appareils nécessaires à la protection des eaux. Son art. 36 oblige en outre toute entité opérant un prélèvement dans une eau à prouver à l’autorité, à l’aide de mesures ou dans certaines circonstances par calcul du bilan hydrique, le respect du débit de dotation.

18. De façon générale, lorsque le contrôle des installations est délégué, les propriétaires fonciers et les détenteurs d’installations qui feront l’objet du contrôle seront tenus de le tolérer au même titre que si cela avait été le fait des autorités d’exécution (Hunger, Sanierungspflicht, 276; voir par analogie art. 52 al. 1 LEaux).

19. Une comparaison avec l’art. 43 LPE révèle deux différences comme annoncé plus haut. Premièrement, l’al. 3 de l’art. 49 LEaux est plus précis dans la mesure où il indique que les autorités exécutives visées sont la Confédération et les cantons (pour l’art. 43 LPE où la doctrine arrive à la même conclusion, voir notamment Brunner, Kommentar USG, Art. 43 N 2, 7 ainsi que les explications données). Deuxièmement, il semble s’en démarquer en ne prévoyant non pas une délégation de tâches d’exécution, mais seulement une collaboration, mais l’interprétation historique de cette disposition et la doctrine suggèrent une collaboration limitée à la délégation de tâches.

20. La collaboration avec des organisations privées est en ce qui concerne la protection des eaux désirée en particulier «dans le domaine des liquides de nature à polluer les eaux» (Message LEaux 1987, 1173).

21. En pratique, la Confédération et les cantons concluent dans ce cadre des accords, conventions avec des collectivités de droit public ou des privés. Par souci d’exhaustivité, relevons que divers cantons ont passé des accords sectoriels d’exécution et des accords de coopération et que le canton de Genève a, pour sa part, un «contrat de rivière» calqué sur le modèle français (Ernst Basler + Partner AG, Wasserwirtschaft 2025, A2 – 2).

 

 

Zusammenfassung

Art. 49 Abs. 1 GSchG verpflichtet die Kantone, eine Gewässerschutzfachstelle einzurichten sowie die Gewässerschutzpolizei und einen Schadendienst zu organisieren. Die Kantone erhalten damit einen gesetzlichen Auftrag und müssen über die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Behörden verfügen, sind aber frei in der Wahl der Mittel, des Verfahrens und der Form dieser Behörden. Die Kantone haben die Stellen mit den erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen zu dotieren sowie der Infrastruktur und dem Material zu versorgen, die notwendig sind, um die Aufgabe korrekt auszuführen. Unter der Gewässerschutzpolizei versteht man die Polizei, deren Aufgabe in der Beaufsichtigung der Gewässer besteht und diesbezüglich erforderliche Massnahmen zur Abwendung drohender Schädigungen ergreift.

Die Gewässerschutzfachstelle des Bundes ist das BAFU (Art. 49 Abs. 2 GSchG), genauer dessen Abteilung Wasser. Deren Aufgabe sind die Aufsicht und Koordination, der Vollzug bestimmter Vorschriften sowie die Mitwirkung und Unterstützung der Kantone beim Vollzug der übrigen Gesetzgebung im Bereich des Gewässerschutzes.

Gemäss Art. 49 Abs. 3 GSchG können Bund und Kantone für den Vollzug öffentlich-rechtliche Körperschaften und Private beiziehen, insbesondere für die Kontrolle und Überwachung. Dies bedeutet, dass Bund und Kantone einen Teil der Aufgaben in einem oder mehreren Bereichen des Vollzugs delegieren können, aber nicht dazu verpflichtet sind (Kann-Vorschrift). Dabei geht es aber weder um die Überwälzung ganzer Bereiche noch um das Abschieben der Verantwortung. Die Bestimmung von Abs. 3 stellt eine Konkretisierung des umweltrechtlichen Kooperationsprinzips im Bereich des Gewässerschutzes dar.

 

 

Bibliographie: Baumann Andreas/van den Bergh Ralph/Gossweiler Martin et. al. (édit.), Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Berne 2013 (cit. Auteur, Kommentar Baugesetz AG); Ernst Basler + Partner AG, Wasserwirtschaft Schweiz 2025, Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten – Ein Diskussionsbeitrag zur Zukunftsgestaltung im Auftrag von Bundesamt für Umwelt (BAFU) und BaslerFonds, Zollikon 2007 (cit. Wasserwirtschaft 2025); Stutz Hans W., Vollzug des Umweltschutz‑ und Gewässerschutzrechts im Kanton Zürich angesichts knapper werdender Mittel, in: PBG aktuell 2005/3, 40 ss (cit. Vollzug Umweltschutz‑ und Gewässerschutzrecht ZH); Thurnherr Daniela, Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Umweltinformationen – Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts durch die Aarhus-Konvention und deren Bedeutung für das schweizerische Recht, Diss. Zürich 2003 (cit. Öffentlichkeit).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Conférence des chefs de services et offices de protection de l’environnement (CCE), Adresses – Protection des eaux, <http://www.kvu.ch/fr/addresses/protection-des-eaux>, 30.10.2014 (cit. Adresses – Protection des eaux); Chancellerie fédérale (ChF), TERMDAT, <https://www.termdat.bk.admin.ch/Search/
Search>, 28.11.2014, (cit. TERMDAT).

Wild Florian

Information und Beratung

1         Bund und Kantone prüfen die Auswirkungen der Massnahmen dieses Gesetzes und informieren die Öffentlichkeit über den Gewässerschutz und den Zustand der Gewässer; insbesondere:

a.       veröffentlichen sie die Erhebungen über den Erfolg der Massnahmen dieses Gesetzes;

b.       können sie, soweit dies von allgemeinem Interesse ist, nach Anhören der Betroffenen die Ergebnisse der Erhebungen und Kontrollen an privaten und öffentlichen Gewässern veröffentlichen (Art. 52).

2         Vorbehalten bleiben überwiegende private und öffentliche Geheimhaltungsinteressen; das Fabrikations‑ und Geschäftsgeheimnis bleibt in jedem Fall gewahrt.

3         Die Gewässerschutzfachstellen beraten Behörden und Private. Sie empfehlen Massnahmen zur Verhinderung und zur Verminderung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer.

Information et conseils

1         La Confédération et les cantons examinent les résultats des mesures prises en vertu de la présente loi et informent le public sur la protection des eaux et sur l’état de celles-ci, en particulier:

a.       ils publient les relevés relatifs aux effets des mesures prévues par la présente loi;

b.       ils peuvent publier, après avoir consulté les intéressés et pour autant que les informations concernées soient d’intérêt general, les résultats des relevés et des contrôles effectuées dans les eaux privées et dans les eaux publiques (art. 52).

2         Les intérêts prépondérants privés ou publics au maintien du secret sont réservés ; le secret de fabrication et d’affaires est protégé dans tous les cas.

3         Les services spécialisés de la protection des eaux conseillent les autorités et les particuliers. Ils recommandent des mesures visant à empêcher ou à réduire les atteintes nuisibles aux eaux.

Informazione e consulenza

1         La Confederazione e i Cantoni vagliano i risultati ottenuti con le misure attuate in virtù della presente legge e informano il pubblico sulla protezione delle acque e sullo stato di queste; in particolare:

a.       pubblicano i rilevamenti sull’esito delle misure attuate in virtù della presente legge;

b.       sentiti gli interessati, possono pubblicare i risultati dei rilevamenti e dei controlli sulle acque private e pubbliche (art. 52), per quanto tali informazioni siano di interesse generale.

2         Sono fatti salvi gli interessi preponderanti pubblici o privati che esigono l’osservanza del segreto; il segreto di fabbricazione e d’affari è in ogni caso protetto.

3         I servizi di protezione delle acque prestano consulenza alle autorità e ai privati. Raccomandano misure atte a prevenire o a diminuire gli effetti pregiudizievoli alle acque.

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II. Allgemeine Bemerkungen ​4
III. Kommentierung ​7
A. Information (Abs. 1) ​7
1. Prüfung der Auswirkungen ​7
2. Aktive Information 10
3. Passive Information 19
B. Vorbehalt der Geheimhaltung (Abs. 2) 24
​C. Beratungen der Behörden und Privaten (Abs. 3) 33
1. Beratung 33
​2. ​Empfehlungen 37

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Information der Öffentlichkeit und die Beratung von Behörden und Privaten sind seit Erlass des GSchG in Art. 50 GSchG geregelt. Der ursprüngliche Wortlaut enthielt die Wirksamkeitsprüfung und die Information der Öffentlichkeit (Abs. 1), die Beratung von Behörden und Privaten durch die Gewässerschutzfachstellen (Abs. 2) und die Empfehlungen der Gewässerschutzfachstellen (Abs. 3).

2. Mit dem Bundesbeschluss vom 27. September 2013 über die Genehmigung und die Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung, der am 1. Juni 2014 in Kraft trat, wurde der Artikel neu formuliert. Der Gesetzgeber passte den Wortlaut an die Regelung der Umweltinformation in Art. 10e USG an. Art. 52 Abs. 3 GSchG ist aufgehoben und in Art. 50 GSchG intergiert worden (vgl. Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4357).

3. Im USG ist mit der Änderung vom 27. September 2013 die Definition der Umweltinformation und – im ersten Titel – ein neues Kapitel 4 über die Umweltinformation eingefügt worden. Die Umweltinformation erhielt damit eine breite und umfassende gesetzliche Grundlage.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Die Information ist eine wichtige Basis für einen wirksamen Schutz der Gewässer. Die Öffentlichkeit muss den Zustand sowie bestehende und drohende Belastungen der Gewässer, die getroffenen Massnahmen und die bestehenden Gewässerschutzvorschriften kennen, um die erforderlichen Schutzmassnahmen beurteilen zu können. Entsprechendes Grundwissen ist auch Voraussetzung für eigenverantwortliches Handeln des Einzelnen.

5. Es ist zwischen der aktiven und der passiven Umweltinformation zu unterscheiden. Bei der aktiven Umweltinformation stellt das Gemeinwesen der Öffentlichkeit die Informationen von sich aus zur Verfügung. Die passive Umweltinformation beinhaltet ein Recht jeder Person auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei den Behörden vorhanden sind. Art. 50 GSchG regelt Pflichten der Behörden in den drei Bereichen aktive InformationBeratung und Abgabe von Empfehlungen (vgl. dementsprechend für das USG Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 6 N 2; Art. 10e USG; zur passiven Information vgl. N 19 ff.).

6. Der Gewässerschutz gehört nach Art. 7 Abs. 8 USG zur Umweltinformation. Die Anforderungen an die Information im Bereich Gewässerschutz ergeben sich damit nicht allein aus Art. 50 GSchG. Die Bestimmungen des USG sind ergänzend heranzuziehen. Der Wortlaut und die Gesetzesmaterialien von Art. 50 GSchG schliessen die ergänzende Anwendung von Art. 10e USG nicht aus. Zudem fällt die Information im Bereich Gewässerschutz in den Geltungsbereich der Aarhus-Konvention über die Umweltinformation. Nach dem Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung (vgl. Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, 48 ff.) ist diese Konvention bei der Auslegung von Art. 50 GSchG heranzuziehen.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Information (Abs. 1)

1.             Prüfung der Auswirkungen

7. Die Prüfung der Auswirkungen der gesetzlichen Massnahmen bildet eine Grundlage der Information. Der Gesetzgeber fügte diesen Auftrag während der parlamentarischen Beratung in das GSchG ein. In der ersten Beratung beschloss der Nationalrat die Prüfung des «Erfolgs» der Massnahmen des Gesetzes (AB 1989 N 1079). Nachdem der Ständerat den Prüfungsauftrag ablehnte, beschloss der Nationalrat den heutigen Wortlaut der Prüfung der «Auswirkungen» der Massnahmen des Gesetzes (AB 1990 N 599). Die Prüfung der Auswirkungen ist eine Wirksamkeitsprüfung nach Art. 170 BV, nach dem die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit überprüft werden (Vgl. Bussmann, St. Galler Kommentar, Art. 170 N 12).

8. Gegenstand der Prüfung sind Massnahmen des Gesetzes. Sie umfassen zum einen die im Gesetz und in der Gewässerschutzverordnung vorgesehenen Massnahmen. Zum andern erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch auf Massnahmen des Vollzugs des Gesetzes, für welche die Kantone oder Private zuständig sind. Die Prüfung der Auswirkungen bezweckt, Aussagen über die Wirksamkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmässigkeit der Massnahmen zu erhalten. Die Ergebnisse der Prüfung dienen den zuständigen Stellen als Grundlage für weitere Entscheidungen. So verlangt Art. 44 Abs. 1 Bst. f ParlG von den parlamentarischen Kommissionen, dass sie die Resulate von Wirksamkeitüberprüfungen berücksichtigen (vgl. auch Art. 5 RVOG).

9. Adressaten der Prüfung sind die zuständigen Stellen des Bundes und der Kantone. Es liegt in deren Ermessen, die Prioritäten der Prüfung festzulegen. Der Bund hat solche Erhebungen u.a. zur Abwasserentsorgung, zu Projekten nach Art. 62a GSchG und zu den Restwassermengen durchgeführt (vgl. BAFU, Effizienz und Effektivität, 5; für neuste Aussagen s. BAFU, Umwelt Schweiz 2015, 71 ff.).

 

2.             Aktive Information

10. Die aktive Information ist auf Bundesebene eine von Amtes wegen auszuführende Verwaltungspflicht (vgl. Art. 180 Abs. 2 BV und Art. 10 Abs. 2 RVOG; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 6 N 8 ff.; Thurnherr, Öffentlichkeit, 1634 ff.). Im Umweltbereich verlangt allgemein Art. 10e Abs. 1 USG, dass die Behörden sachgerecht über den Umweltschutz und den Stand der Umweltbelastung informieren. Art. 50 Abs. 1 GSchG hält als spezialgesetzliche Norm konkretisierend fest, dass der Bund und die Kantone die Öffentlichkeit aktiv über den Gewässerschutz und den Zustand der Gewässer informieren (vgl. Epiney/Scheyli, Aarhus-Konvention, 76).

11. Gegenstände der Information sind der Gewässerschutz und der tatsächliche Zustand der Gewässer. Zur Information über den Gewässerschutz gehört zum einen, dass die Behörden über die Gewässerschutzvorschriften, die insbesondere im GSchG, in der GSchV und in den kantonalen Einführungserlassen enthalten sind, informieren. Diese Information schliesst Angaben über die Notwendigkeit neuer Vorschriften mit ein (Botschaft GSchG 1987, 1151). Zum andern soll über gewässerrelevante Anlagen und Tätigkeiten sowie über konkrete Schutzmassnahmen und über Gefahrensituationen informiert werden. Gewässerrelevante Anlagen und Tätigkeiten sind z.B. Kläranlagen und die Verwertung von Hofdünger. Konkrete Schutzmassnahmen umfassen grundsätzlich alle zur Einhaltung der Gewässerschutzvorschriften notwendigen Massnahmen, wie z.B. die Kontrolle von gewässerrelevanten Anlagen und Einrichtungen, die Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen oder die Sicherung von angemessenen Restwassermengen. Die Information über Gefahrensituationen kann z.B. den Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten betreffen. Die Information über den tatsächlichen Zustand der Gewässer betrifft die Wasserqualität, das Wasserregime und die Gewässerstrukturen.

12. Abs. 1 spricht zwei Tatbestände der aktiven Information ausdrücklich an. Unter die Erhebungen über den Erfolg der Massnahmen des Gesetzes (Bst. a) fallen alle Wirksamkeitsprüfungen (vgl. für Beispiele N 9). Der zweite ausdrücklich genannte Tatbestand über die Ergebnisse der Erhebungen und Kontrollen an öffentlichen und privaten Gewässern ist eine Kann-Vorschrift. Diese räumt den zuständigen Behörden ein Entschliessungsermessen ein. Die Veröffentlichung der Ergebnisse muss von allgemeinem Interesse sein. Das allgemeine Interesse kann sich auf regionale oder auch lokale Verhältnisse oder bestimmte Gruppen der Bevölkerung (z.B. Fachleute) begrenzen (Brunner, Kommentar USG, Art. 47 N 19).

13. Zwei auch den Gewässerschutzbereich betreffende Tatbestände der aktiven Umweltinformation, nämlich Prüfergebnisse der Konformitätsbewertung serienmässig hergestellter Anlagen (Art. 10e Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 USG) und die Auskunftspflicht nach Art. 46 USG (Art. 10e Abs. 1 Bst. b Ziff. 3 USG), sind im USG geregelt (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 47 N 10 ff.). Anlässlich der USG-Änderung vom 27. September 2013 wurde bei der Veröffentlichung der Prüfergebnisse der Konformitätsbewertungen eine Kann-Vorschrift eingeführt, da viele Prüfberichte nur von einem sehr kleinen Publikum nachgesucht werden (Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4350). Wichtige Informationen über den Gewässerschutz finden sich auch im Schadstoff- emissionsregister (Pollutant Release and Transfer Register). Dieses Register basiert auf dem von der Schweiz ratifizierten Protokoll PRTR zur Aarhus-Konvention (vgl. Thurnherr, Öffentlichkeit, 149 ff.).

14. Zielgruppen der Information sind je nach Betroffenheit die allgemeine Bevölkerung, örtlich begrenzte Bevölkerungsgruppen oder ein bestimmtes Fachpublikum, z.B. die Landwirtschaft (vgl. Tschannen, Kommentar USG, Art. 6 N 13; Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 6 N 8). Zudem können andere Staaten Adressaten der Information sein. So verpflichtet Art. 6 der Helsinki-Konvention die Vertragsstaaten zum Austausch von Informationen (vgl. für weitere Hinweie zu internationalen Informationsverpflichtungen BAFU, Umweltinformation, 26 ff.; weitere völkerrechtliche Vereinbarungen unter SR 0.814.2; für den Bereich ausserordentliche Ereignisse vgl. Thurnherr, Öffentlichkeit, 26 sowie Art. 17 Abs. 3 GSchV).

15. Die aktive Information ist Aufgabe der zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone. Die Zuständigkeit des Bundes und der Kantone ergibt sich für die Informationen mit unmittelbarem Praxisbezug nach der Vollzugszuständigkeit gemäss Art. 45 und 48 GSchG. Für die übrige Information richtet sich die Zuständigkeit nach der Tragweite des Informationsgegenstands. Die zuständige Bundesbehörde hat über die gesamtschweizerisch bedeutenden, die im Kanton zuständige Behörde über regional bzw. lokal bedeutende Erhebungen und Erkenntnisse zu informieren (vgl. Art. 49 GSchV; Tschannen, Kommentar USG, Art. 6 N 12). Als kantonale Informationsgegenstände listet Art. 49 Abs. 2 GSchV nicht abschliessend Gewässerschutzmassnahmen und deren Wirksamkeit sowie Badeplätze, welche die Voraussetzungen an die Wasserqualität für das Baden nicht erfüllen, auf. Zuständig für die Information sind innerhalb der Verwaltung in erster Linie die Gewässerschutzfachstellen nach Art. 49 GSchG.

16. Information ist jede von einem Absender an einen Adressaten durch Nachricht, Bericht, Auskunft u.a. übermittelte Aussage (Tschannen, Kommentar USG, Art. 6 N 9 f.). Sie untersteht als behördliche Information dem Gebot der Objektivität (Häner, Information, 22). Es steht im Ermessen der zuständigen Behörden, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form sie die Information verbreiten (Thurnherr, Öffentlichkeit, 188; BAFU, Umweltinformation, 41). Der Gesetzgeber gibt einzelne Gefässe der Umweltinformation vor. Im Umweltbericht nach Art. 10f USG hat der Bundesrat dem Parlament mindestens alle vier Jahre auch über den Zustand der Gewässer Bericht zu erstatten (vgl. auch Art. 49 Abs. 1 GSchV).

17. In technischer Hinsicht sind die Umweltinformationen nach Art. 10e Abs. 4 USG wenn möglich als offene digitale Datensätze zur Verfügung zu stellen. Diese Bestimmung ist während der parlamentarischen Beratung in die Vorlage aufgenommen worden. Die Formulierung spricht das Konzept der «Open-Government-Data» an (vgl. Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4342), mit dem der freie Zugang zu von den Behörden erhobenen Daten auch zur gewerblichen Nutzung eingerichtet werden soll. Informationen sollen leicht und technisch in einfacher Form zugänglich sein. Im Vordergrund steht die Veröffentlichung der Informationen im Internet (Sidler/Bally, Convention d’Aarhus, 730). Auf Bundesebene sind nach Art. 19 VBGÖ wichtige amtliche Dokumente so rasch wie möglich auf dem Internet verfügbar zu machen.

18. Die Behörden können nur informieren, wenn sie über entsprechende Daten und Angaben verfügen. Eine entsprechende Grundverpflichtung der Mitgliedstaaten zur angemessenen Erhebung von Informationen ergibt sich aus Art. 5 der Aarhus-Konvention (Errass, Aarhus-Konvention, 69 f.; Epiney/Fasnacht/Pirker et al., Behördliche Information, 10 ff.). Die Aufgabe der Informationsbeschaffung ist grundsätzlich im gesetzlichen Auftrag zur aktiven Information enthalten. Spezielle Vorschriften gewährleisten die Datenerhebung (Art. 57 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 GSchG).

 

3.             Passive Information

19. Die passive Umweltinformation regelt den Zugang von Dritten, insbesondere von Bürgerinnen und Bürgern, zu Dokumenten der Behörden. Eine entsprechende allgemeine Regelung ist im GSchG nicht enthalten. Sie ergibt sich auch für den Bereich des Gewässerschutzes grundsätzlich aus Art. 10g USG.

20. Jede Person hat unabhängig von Wohnsitz und Nationalität sowie ohne Interessennachweis das Recht auf Zugang zu Gewässerschutzinformationen, die in amtlichen Dokumenten enthalten sind. Bei Behörden des Bundes richtet sich der Anspruch gemäss Art. 10g Abs. 2 USG nach dem Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ). Der Zugang zu amtlichen Dokumenten gehört nach Art. 3 Abs. 1 BGÖ in bestimmten Verfahren nicht zum sachlichen Geltungsbereich des BGÖ. In Verwaltungsverfahen sind für die Akteneinsicht der Parteien Art. 26–28 VwVG massgebend. Das Verfahren für den Zugang zu amtlichen Dokumenten ist in Art. 10–17 BGÖ geregelt.

21. Im GSchG hält Art. 57 Abs. 3 GSchG ausdrücklich fest, dass der Bund die Ergebnisse und die Auswertung der Erhebungen Interessierten zur Verfügung stellt. Zudem sind nach der Gewässerschutzgesetzgebung ausdrücklich öffentlich zugänglich: das Inventar über die Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen (soweit nicht Interessen der Gesamtverteidigung entgegenstehen, Art. 58 Abs. 2 GSchG), die Grundlagen der Berechnung der Abgaben für die Finanzierung der öffentlichen Abwasseranlagen (Art. 60a Abs. 4 GSchG), der regionale und der generelle (kommunale) Entwässerungsplan (Art. 4 Abs. 5 und Art. 5 Abs. 4 GSchV), der Klärschlamm-Entsorgungsplan (Art. 18 Abs. 3 GSchV), Gewässerschutzkarten (Art. 30 Abs. 2 GSchV), Inventare, Listen und Sanierungsberichte (Art. 40 Abs. 2 GSchV) und internationale Beschlüsse und Empfehlungen (Art. 51 Abs. 2 GSchV).

22. Bei kantonalen Behörden richtet sich der Anspruch nach dem kantonalen Recht. Soweit ein Kanton noch keine entsprechende Regelung erlassen hat, muss er nach Art. 10g Abs. 4 USG sinngemäss das Bundesrecht anwenden. Das Einsichtsrecht gilt auch bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten, die mit Vollzugsaufgaben betraut wurden (vgl. Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4352).

23. Soweit die Gewässerschutzinformationen Geobasisdaten des Bundesrechtes sind, richen sich die Zugänglichkeit und die Nutzung der Daten nach Art. 12 GeoIG (BAFU, Umweltinformation, 37 f.). Dabei ist in völkerrechtskonformer Auslegung der Aarhus-Konvention Rechnung zu tragen.

B.            Vorbehalt der Geheimhaltung (Abs. 2)

24. Der Vorbehalt überwiegender privater und öffentlicher Geheimhaltungsinteressen ist ein Ausnahmetatbestand der Umweltinformation. Er ist grundsätzlich sowohl für die passive als auch für die aktive Information von der Aarhus-Konvention anerkannt (vgl. Art. 4 Abs. 4 Bst. d und Art. 5 Abs. 10 der Aarhus-Konvention). Für die Information des Bundesrates ist der Vorbehalt in der Verfassung verankert (Art. 180 Abs. 2 BV). Art. 50 Abs. 2 GSchG entspricht wörtlich Art. 10e Abs. 2 USG. Veröffentlichen die Behörden Informationen im Rahmen der geltenden Öffentlichkeitsvorschriften, so sind die Anforderungen an das Amtsgeheimnis (vgl. Art. 320 StGBArt. 22 BPG​ und Art. 52 Abs. 2 GSchG) eingehalten (Tanquerel, Secret de fonction, 60; Häner, Information, 24 f.).

25. Ob im Einzelfall ein überwiegendes privates oder öffentliches Geheimhaltungsinteresse vorliegt, ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich in einer Interessenabwägung zu prüfen (vgl. Thurnherr, Öffentlichkeit, 220 f.). Für die Konkretisierung der Geheimhaltungsgründe in den Umwelterlassen sind die Gesetzgebungen über die Öffentlichkeit und den Datenschutz massgebend.

26. Das BGÖ enthält in Art. 7–9 Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip u.a. zur Gewährleistung der freien Meinungs- und Willensbildung der Behörden, der Sicherheit und ausserpolitischen Interessen, der Beziehungen zwischen Bund und Kantonen, wirtschafts-, geld- und währungspolitischer Interessen, des Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisses sowie weitere Einschränkungen und Anforderungen insbesondere zum Privatbereich von Dritten (vgl. für den Ausnahmenkatalog Cottier/Schweizer/Widmer, Handkommentar BGÖ, Art. 7; Häner/Steimen/Partsch et al., BSK DSG, Art. 7–9 BGÖ; Botschaft BGÖ, 2004 ff.).

27. Abs. 2 erwähnt ausdrücklich das Fabrikations‑ und Geschäftsgeheimnis, das in jedem Fall zu wahren ist. Diese nach der Vernehmlassung in die Vorlage eingefügte Ergänzung betont die Wahrung des Geschäfts‑ und Fabrikationsgeheimnisses (Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4333 f.). Der ausdrücklicke Vorbehalt fand sich bereits in der früheren Fassung von Art. 52 Abs. 3 GSchG und von Art. 47 Abs. 2 USG (vgl. Häner, Information, 11 ff.; Brunner, Kommentar USG, Art. 47). Seiner Wahrung im Einzelfall kommt im Rahmen der Interessenabwägung ein besonderer Stellenwert zu (Epiney/Fasnacht/ Pirker et al., Behördliche Information, 45 ff.; einschränkender u.a. Thurnherr, Öffentlichkeit, 130 ff. m.w.H.; Flückiger, Transparence, 776 f.).

28. Weder das GSchG noch das USG definieren, was unter das Geschäfts‑ und Fabrikationsgeheimnis fällt. Unter das Geschäftsgeheimnis fallen betriebswirtschaftlich relevante Kenntnisse eines Unternehmens, die nicht allgemein zugänglich sind. Das Fabrikationsgeheimnis bezieht sich speziell auf die technische Produktion eines Unternehmens. Es umfasst insbesondere Angaben über das Herstellungsverfahren und die Produktezusammensetzung. Nicht unter das Geschäfts‑ und Fabrikationsgeheimnis fallen Angaben, die für jedermann erkennbar bzw. zugänglich sind (vgl. Cottier/Schweizer/
Widmer, Handkommentar BGÖ, Art. 7 N 43; Häner, BSK DSG, Art. 7 BGÖ N 32 ff.; Thurnherr, Öffentlichkeit, 248 ff.; Epiney/Fasnacht/Pirker et al., Behördliche Information, 46 ff.). Im Weiteren setzt das Fabrikations‑ und Geschäftsgeheimnis ein schutzwürdiges Interesse voraus (Brunner, Kommentar USG, Art. 47 N 28a).

29. Betreffend den Datenschutz ist Art. 50 GSchG eine gesetzliche Grundlage (Art. 17 Abs. 1 DSG) für die Bekanntgabe von Personendaten. Personendaten dürfen im Rahmen einer behördlichen Information nur bekannt gegeben werden, wenn die Personendaten im Zusammenhang mit der Umweltinformation stehen und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes Interesse besteht (Art. 19 Abs. 1bis DSG; Ehrensperger, BSK DSG, Art. 19 N 43 ff.; BAFU, Umweltinformation, 50 ff.). Wenn es nach den Umständen des Einzelfalls unwahrscheinlich ist, dass die Bekanntgabe die Privatsphäre der betroffenen Person beeinträchtigt, ist die Veröffentlichung unproblematisch (Jöhri, Handkommentar DSG, Art. 19 N 48).

30. Informationen können urheberrechtlich geschützte Werke wie Pläne, Zeichnungen und Karten betreffen. Das BGÖ kennnt keinen generellen Vorbehalt des Urheberrechts. Der Vorbehalt in Art. 6 Abs. 2 BGÖ bezieht sich auf die Modalitäten des Zugangsrechts zu Informationen. Eingeschränkt wird damit insbesondere die Verwendung von Kopien, die ein Gesuchsteller im Rahmen der passiven Umweltinformation zur Kenntnis erhalten hat (Hauser/Bickel, Informationszugang, 320 f.; Thurnherr, Öffentlichkeit, 251 f.). Bei der aktiven Gewässerschutzinformation sind urheberrechtliche Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung im Einzelfall zu berücksichtigen.

31. Ausserhalb von Verwaltungsverfahren und soweit es nicht speziell geregelt ist, haben natürliche oder juristische Personen im Hinblick auf Geheimhaltungsinteressen keinen Anspruch auf rechtliches Gehör, bevor die zuständigen Stellen informieren (Thurnherr, Öffentlichkeit, 223 ff., 260 ff.). Für die aktive Umweltinformation verlangt Art. 50 Abs. 1 Bst. b GSchG vor der Veröffentlichung von Ergebnissen über Erhebungen und Kontrollen die vorgängige Anhörung der Betroffenen. Bei der passiven Information ist auf Bundesebene Art. 11 BGÖ massgebend. Auch in Fällen bei denen keine Anhörungspflicht besteht, kann die zuständige Behörde zur Klärung des Sachverhaltes die Betroffenen vorgängig anhören.

32. Geheimhaltungsinteressen können beim Gewässerschutz insbesondere in den Bereichen Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten, Abwasserbeseitigung (Kanalisationen, Abwasserreinigung) und Restwasser bestehen. Vice versa kann eine Veröffentlichung der Daten zur Gefahrenabwehr notwendig sein. So hat sich im Zusammenhang mit kantonalen Leitungskatastern die Frage gestellt, ob Abwasserleitungen öffentlich eingesehen werden können. Interessen der Gefahrenabwehr sprechen dafür, Interessen der inneren Sicherheit stehen der Zugänglichkeit nicht grundsätzlich entgegen (Kettiger, Leitungskataster, 169 ff.).

 

C.             Beratungen der Behörden und Privaten (Abs. 3)

1.             Beratung

33. Die Beratung ist mehr als blosse Information. Sie beinhaltet konkrete Information über Vor‑ und Nachteile verschiedener Handlungsoptionen in einer Entscheidsituation (Tschannen, Kommentar USG, Art. 6 N 18). Beratung unterstützt die Adressaten bei deren Entscheidungen, gestaltet aber selbst keine Rechtsverhältnisse. Die Beratung ist deshalb an sich nicht Gegenstand einer Feststellungsverfügung.

34. Zuständig für die Beratung sind die Gewässerschutzfachstellen der Kantone und für den Bund das BAFU (Art. 49 Abs. 1 und 2 GSchG). Welche Gewässerschutzfachstelle berät, richtet sich bei behördlichen Verfahren danach, ob der Bund oder der Kanton für das Verfahren zuständig ist. Ausserhalb von behördlichen Verfahren richtet sich die Zuständigkeit nach der Vollzugskompetenz gemäss Art. 45 und 48 GSchG. Speziell geregelt ist die Düngerberatung (Art. 51 GSchG).

35. Von sich aus nehmen die Gewässerschutzfachstellen die Beratung bei Verwaltungsverfahren, die sie selber durchführen, und bei Ämterkonsultationen, die innerhalb der Verwaltung bei Vorhaben durchgeführt werden, vor. Daneben und in den meisten Fällen erfolgt die Beratung auf konkrete Anfrage einer anderen Behörde oder von Privaten. Adressaten der Beratung können bei entsprechendem Interesse auch ausländische Behörden sein (Epiney/Fasnacht/Pirker et al., Behördliche Information, 32 f.).

36. Für besonderen Beratungsaufwand erhebt der Bund eine Gebühr (Art. 55 GSchG).

 

2.             Empfehlungen

37. Empfehlungen sind staatliche Aussagen über die Ratsamkeit bestimmter Verhaltensweisen und beziehen sich auf rechtlich zulässiges Verhalten (Tschannen, Kommentar USG, Art. 6 N 22). Sie ergehen im gesetzesfreien, nicht von Verwaltungsvorschriften abgedeckten Raum. Ein den Empfehlungen vergleichbares Instrument sind Warnungen. Letztere bezwecken in der Regel, beim Adressaten Massnahmen zur Begrenzung von möglichen Schädigungen auszulösen (vgl. Govoni, Warnung, 47). Sie sind grundsätzlich vom Begriff der «Empfehlungen» mit umfasst (Thurnherr, Öffentlichkeit, 179 ff.). So sorgt nach Art. 17 Abs. 3 GSchV die zuständige Behörde bei Abwasserreinigungsanlagen dafür, dass die von einem ausserordentlichen Ereignis betroffenen Gemeinwesen und Privaten rechtzeitig über mögliche nachteilige Einwirkungen informiert werden (vgl. für Störfälle auch Art. 13 StFV). Empfehlungen sind grundsätzlich rechtlich nicht verbindlich. Aufgrund ihres Informationsgehaltes und ihres offiziellen Charakters sind sie dennoch ein wirksames Vollzugsinstrument. Ergehen Empfehlungen der Gewässerschutzfachstellen auf der rechtlichen Grundlage ihrer Aufsicht über den Vollzug als Vollzugshilfen an nachgelagerte Behörden, so haben sie einen rechtlich qualifizierten Stellenwert. (Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 6 N 16).

38. Zuständig für den Erlass von Empfehlungen sind die Gewässerschutzfachstellen. Adressaten der Empfehlungen können die Öffentlichkeit, ein bestimmter privater Adressatenkreis oder andere Behörden sein.

39. Gegenstand der Empfehlungen sind Massnahmen zur Verhinderung oder zur Verminderung nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer. Empfehlungen sind damit in allen Bereichen des GSchG möglich. Teilweise werden die Empfehlungen bereichsübergreifend und in Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen erlassen. Beispiele von Empfehlungen des Bundes sind das Leitbild Fliessgewässer Schweiz (BUWAL/BWG, Leitbild Fliessgewässer), das Leitbild Einzugsgebietsmanagement für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz (Wasser-Agenda 21, Einzugsgebietsmanagement) oder der Wasserkompass für Gemeinden: Gemeinsam bessere Lösungen finden (BAFU, Wasserkompass).

 

 

Résumé

L’art. 50 LEaux régit l’information au public et les conseils aux autorités et aux privés. Les exigences en matière d’information dans le domaine de la protection des eaux ne sont toutefois pas uniquement réglées par cette disposition mais découlent également de certaines dispositions de la LPE (par ex. art. 10e LPE).

L’examen des mesures prises en vertu de la présente loi (al. 1) est une évaluation d’efficacité conformément à l’art. 170 Cst. L’information active, au niveau fédéral, est fournie spontanément par les autorités et le Conseil fédéral (art. 180 Cst., art. 10 al. 2 LOGA et l’art. 10al. 1 LPE). En tant que disposition légale spéciale, l’art. 50 al. 1 LEaux oblige les autorités à informer de manière objective sur la protection des eaux et sur l’état réel des eaux. L’information passive, soit l’accès aux documents des autorités (cantons et Confédération) par des tiers, n’est pas réglée par la LEaux mais par l’art. 10LPE.

La sauvegarde du secret d’intérêts prépondérants privés ou publics est une exception à l’information en matière d’environnement (al. 2). La notion d’intérêts prépondérants est concrétisée par la LTrans, qui prévoit aux art. 7 à 9 des exceptions au principe de la transparence, et par la LPD.

L’al. 3 de l’art. 50 LEaux prévoit un devoir de conseil et de recommandations aux autorités et particuliers. Le conseil comprend des informations concrètes sur les avantages et les désavantages des différents options d’actions dans un cas concret. Les recommandations sont des déclarations étatiques sur l’opportunité de suivre un comportement déterminé et qui portent sur les mesures visant à empêcher ou à diminuer les atteintes nuisibles pour les eaux. Le terme recommandations comprend également les avertissements.

 

 

Literatur: Brunner Stephan C./Mader Luzius (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Öffentlichkeitsgesetz – Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 17. Dezember 2004 (BGÖ), Bern 2008 (zit. Bearbeiter, Handkommentar BGÖ); Epiney Astrid/Fasnacht Tobias/Pirker Benedikt et al., Aktive behördliche Information in Umweltangelegenheiten – Zu Reichweite und Schranken des Rechts und der Pflicht staatlicher Behörden zur Verbreitung oder Weitergabe von Umweltinformationen unter besonderer Berücksichtigung wissenschaftlicher Untersuchungen, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern 2014 (zit. Behördliche Information); Epiney Astrid/Scheyli Martin, Die Aarhus-Konvention – Rechtliche Tragweite und Implikationen für das schweizerische Recht, Freiburg i.Üe. 2000 (zit. Aarhus-Konvention); Errass Christoph, Die Aarhus-Konvention und ihre Umsetzung ins schweizerische Recht, in: URP 2004, 47 ff. (zit. Aarhus-Konvention); Flückiger Alexandre, La transparence des administrations fédérales et cantonales à l’épreuve de la Convention d’Aarhus sur le droit d’accès à l’information environnementale, in: URP 2009, 749 ff. (zit. Transparence); Govoni Mark, Verbesserung der Warnung vor Naturgefahren – Revision der Alarmierungsverordnung, in: Sicherheit & Recht 2011, 45 ff. (zit. Warnung); Häner Isabelle, Aktive Information und passives Zugangsrecht, in: URP 2004, 3 ff. (zit. Information); Hauser Matthias/Bickel Rolf, Informationszugang im Umweltrecht und die Rechte von Urhebern – Die Rechtslage im Kanton Zürich, in: URP 2011, 299 ff. (zit. Informationszugang); Kettiger Daniel, Geheimhaltung oder Öffentlichkeit von Leitungskatastern – Das Beispiel des Raumdatenpools Kanton Luzern, in: Sicherheit & Recht 2010, 165 ff. (zit. Leitungskataster); Maurer-Lambrou Urs/Blechta Gabor P. (Hrsg.), Basler Kommentar, Datenschutzgesetz – Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl., Basel 2014 (zit. Bearbeiter, BSK DSG); Rosenthal David/Jöhri Yvonne, Handkommentar zum Datenschutzgesetz sowie weiteren, ausgewählten Bestimmungen, 2. Aufl., Zürich 2015 (zit. Bearbeiter, Handkommentar DSG); Sidler Salome/Bally Jürg, La ratification projetée par la Suisse: impact et enjeux de la Convention d’Aarhus pour le droit fédéral, in: DEP 2009, 725 ss (cit. Convention d’Aarhus); Tanquerel Thierry, Le secret de fonction, in: Tanquerel Thierry/Bellanger François (édit.), L’administration transparente, Genève/Bâle/Munich 2002, 43 ss (cit. Secret de fonction); Thurnherr Daniela, Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Umweltinformationen – Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts durch die Aarhus-Konvention und deren Bedeutung für das schweizerische Recht, Diss. Zürich 2003 (zit. Öffentlichkeit).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) vom 12. Februar 2003, BBl 2003 1963 ff. (zit. Botschaft BGÖ); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) (Hrsg.), Leitbild Fliessgewässer Schweiz – Für eine nachhaltige Gewässerpolitik, Bern 2003 (zit. Leitbild Fliessgewässer); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kettiger Daniel), Rechtliche Aspekte der aktiven Umweltinformation, Gutachten zuhanden des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Umwelt-Wissen Nr. 1003, Bern 2010 (zit. Umweltinformation); Wasser-Agenda 21 (Hrsg.), Einzugsgebietsmanagement – Leitbild für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz, Bern 2011 (zit. Einzugsgebietsmanagement); Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung vom 28. März 2012, BBl 2012 4323 ff. (zit. Botschaft Aarhus-Konvention 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Evaluation der Effizienz und Effektivität der Umweltmassnahmen in den übrigen Umweltbereichen, Kurzbericht vom 26. März 2013, Bern 2013 (zit. Effizienz und Effektivität); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Wasserkompass für Gemeinden – Gemeinsam bessere Lösungen finden, Bern 2013 (zit. Wasserkompass); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2015 – Bericht des Bundesrates, Umwelt-Zustand Nr. ub2015, Bern 2015 (zit. Umwelt 2015).

Norer Roland​ | Tschopp Simone ​

 

Düngerberatung

Die Kantone sorgen dafür, dass zum Vollzug der Artikel 14 und 27 eine Beratung eingerichtet wird.

Vulgarisation en matière d’engrais

Pour l’exécution des art. 14 et 27, les cantons veillent à ce que les exploitants soient conseillés.

Consulenza in materia di concimazione

I Cantoni provvedono affinché sia assicurata una consulenza per l’esecuzione degli articoli 14 e 27.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen ​2
III. Kommentierung ​6
A. Kantonale Düngerberatung ​6
1. Organisation ​8
2. Praxis 10
​B. ​Beratungsobligatorium 12

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Auf Vorschlag der Verwaltung und der vorberatenden Kommission nahm der Nationalrat als Zweitrat einen Art. 50a GSchG in den Gesetzesentwurf auf, welcher die Kantone als Querschnittbezug zu den Art. 10 bis 16 GSchG verpflichten wollte, im Rahmen der landwirtschaftlichen Beratung einen Düngerberatungsdienst zu betreiben (AB 1989 N 1079 f.). In der ständerätlichen Differenzbereinigung wurde die Bestimmung dann aber vorerst diskussionslos gestrichen (AB 1989 S 729). Darauf verabschiedete der Nationalrat eine überarbeitete Version, die nebst der Beratung zu Art. 14 GSchG auch eine Beratung zu Art. 27 GSchG vorsah (AB 1990 N 599). Diese schliesslich fand die Zustimmung des Ständerats und wurde zum heutigen Art. 51 GSchG (AB 1990 S 400).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Die schweizerische Landwirtschaftspolitik verfolgt zur Verwirklichung der ökologischen Anliegen eine auf drei Säulen beruhende Strategie: In erster Linie sollen Forschung, Bildung und Beratung dazu führen, dass Landwirte möglichst aus eigener Erkenntnis und Überzeugung umweltgerecht handeln. In zweiter Linie sorgen finanzielle und andere Anreize dafür, dass umweltgerechtes Handeln auch wirtschaftlich interessant ist. An letzter Stelle stehen schliesslich die Vorschriften und Auflagen der verschiedenen Regelungsgebiete (Bericht BR Landwirtschaft 1992, 259).

3. Als Massnahme des ersten Pfeilers sah bereits Art. 60 Abs. 1 der per 1. August 2005 aufgehobenen StoV die Schaffung einer Fachberatung zum Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen – darunter auch Dünger und Pflanzenbehandlungsmittel – vor. Art. 51 GSchG und der anstelle von Art. 60 StoV geschaffene Art. 20 ChemRRV reihen sich in diese Tradition ein.

4. Unter den verschiedenen, meist verwaltungsrechtlichen Instrumenten und Massnahmen zur Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes zählt die Düngerberatung als Bestandteil der Umweltinformation zum Instrumentarium der indirekten Verhaltenssteuerung (Stutz, Abwasserrecht, 43 f. und 53).

5. Inzwischen konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass sich der Wissenstransfer ökologisch mindestens genauso auswirkt wie finanzielle Anreize. In Zukunft soll ihm deshalb eine noch grössere Beachtung geschenkt werden, besteht doch die Hoffnung, die Effizienz der agrarpolitischen Massnahmen dadurch noch stark zu verbessern (BLW, Agrarbericht 2013, 6).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Kantonale Düngerberatung

6. Im Ansatz deckt sich die Bestimmung von Art. 51 GSchG (Düngerberatung) mit Art. 20 Abs. 1 ChemRRV (Fachberatung für die Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln).

7. Eine fachkundige Düngerberatung trägt nebst der Ausbildung der Landwirte an den landwirtschaftlichen Schulen viel dazu bei, die potentielle Gefahr von Gewässerverunreinigungen durch die Landwirtschaft zu minimieren. Ein besonderer Nutzen kommt dabei dem Angebot einer einzelfallbezogenen Nährstoffanalyse des Bodens zu, da gestützt darauf die Düngergaben den konkreten Bedürfnissen entsprechend dosiert werden können (Stutz, Abwasserrecht, 64).

 

1.             Organisation

8. Die Kantone sind befugt, die Düngerberatung an eine privatrechtlich organisierte Institution oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zu delegieren. Diese nimmt dann anstelle der Behörden eine öffentliche Aufgabe wahr und ist dem Kanton gegenüber für die richtige Umsetzung der Auslagerungsvereinbarung verantwortlich. Der Kanton seinerseits behält die Aufsicht über die Tätigkeit der Düngerberatungsstelle und hat diese soweit tunlich zu überwachen. Ausserdem hat er die Finanzierung der Düngerberatung sicherzustellen (Art. 20 Abs. 1 ChemRRV). Bei einer allfälligen Delegation der freiwilligen Fachberatung ist auf die Vermeidung von Konflikten mit den Zuständigkeiten für die hoheitlichen Umweltkontrollaufgaben zu achten (BAFU, Düngung, 19).

9. Weiter sind die Kantone dazu angehalten, den Erfolg ihrer Beratungsaufgaben mit vertretbarem Verwaltungsaufwand auszuwerten. In der Realität wird diese Aufgabe meist den landwirtschaftlichen Fachberatungsstellen bzw. Experten mit entsprechender Fachausbildung überbunden (BAFU, Düngung, 19).

 

2.             Praxis

10. In der Praxis sind die Beratungsstellen je nach Kanton Teil des Bildungs‑ und Beratungszentrums, des Landwirtschaftsamtes oder eines kantonalen Bauernverbandes. Seit 2005 sind die Beratungsdienste der gesamten Schweiz im BeratungsForum Schweiz (BFS) zusammengeschlossen. Namentlich in den Bereichen Forschung und Vernetzung werden sie von der von allen Kantonen und diversen landwirtschaftlichen Organisationen getragenen AGRIDEA unterstützt, die auch von Bundesmitteln profitiert.

11. In einzelnen Regionen der Schweiz sind Anstrengungen unternommen worden, um die Schaffung und Umsetzung von Düngeplänen, Betriebsspiegeln und Schlagkarteien für alle interessierten Landwirte in die landwirtschaftliche Betriebsberatung zu integrieren. Durch die örtliche und zeitliche Erfassung sämtlicher Dünger nach Art und Verwendungsmenge und dank des Einbezugs der standörtlichen Verhältnisse können so wertvolle Grundlagen für eine massvolle und umweltgerechte Düngung erlangt werden (BAFU, Düngung, 18 f.).

 

B.            Beratungsobligatorium

12. Besondere behördliche Anstrengungen werden in belasteten Gebieten unternommen, um die dort teils massiven Nährelementflüsse auf ein umweltverträgliches Mass zu senken (BAFU, Düngung, 19). Da dies nur gelingt, wenn alle, die Dünger verwenden, erfasst und beraten werden, sieht Art. 20 Abs. 2 ChemRRV in Ergänzung zu Art. 51 GSchG vor, dass die Kantone ein Beratungsobligatorium einführen können für alle Personen, die Dünger (oder Pflanzenschutzmittel) beruflich oder gewerblich verwenden. Zum betroffenen Personenkreis gehören nebst Landwirten insb. auch Mitarbeiter von Forstwirtschafts‑ und Gartenbaubetrieben. Im Rahmen der obligatorischen Beratung besteht die Pflicht, alle erforderlichen Betriebsdaten offenzulegen (Art. 20 Abs. 2 Bst. b ChemRRV).

13. Verbindliche Beratungskonzepte wurden für Gebiete mit hohem Hofdüngeraufkommen im Übrigen bei dessen Einführung zum Vollzug von Art. 62a GSchG geschaffen (BAFU, Düngung, 19). In Mastregionen von Seeeinzugsgebieten wurde mit dem Konzept zur Verminderung der Phosphorbelastung von oberirdischen Gewässern aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (BLW, BUWAL, Konzept zur Verminderung der Phosphorbelastung von oberirdischen Gewässern aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, Bern 1998, zit. in: BAFU, Düngung, Fn 15 f) primär die Reduktion derPhosphorverbindungen angestrebt, währenddem mit dem Konzept zur Verminderung der Nitaratbelastungen aus der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung (BLW, BUWAL, Konzept zur Verminderung der Nitratbelastungen aus der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung, Bern 1998, zit. in: Bafu, Düngung, Fn 15 f.) in empflindlichen Grundwassergebieten die Stickstoffbelastung gesenkt werden sollte. Diese Konzepte, welche weit über die Beratung hinausgehen, wurden zwischenzeitlich verschiedentlich umgesetzt, evaluiert und weiterentwickelt (vgl. auch BLW/BAFU/BAG, Nitratprojekte und Art. 62a GSchG N 5 ff.).

 

 

Résumé

En vertu de l’art. 51 LEaux, les cantons doivent veiller à ce que les exploitants soient conseillés, ce afin de contribuer à minimiser le danger potentiel de pollutions des eaux d’origine agricole. Les cantons peuvent déléguer cette tâche à une institution de droit privé ou à une collectivité de droit public. Ils conservent toutefois la surveillance de l’activité du service de vulgarisation en matière d’engrais et doivent dans la mesure du possible les superviser. Ils sont également chargés d’évaluer l’efficacité de ces mesures de vulgarisation, en veillant à maintenir les coûts administratifs du suivi à un niveau raisonnable. Ils peuvent en outre introduire une consultation obligatoire pour toutes les personnes employant des engrais (ou des pesticides) à titre professionnel ou commercial. Une stratégie de vulgarisation existe aussi dans le cadre de la mise en oeuvre des projets selon l’art. 62a LEaux dans les régions produisant d’importantes quantités d’engrais.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Siebter Bericht über die Lage der schweizerischen Landwirtschaft und die Agrarpolitik des Bundes vom 27. Januar 1992, BBl 1992 II 130 ff. (zit. Bericht BR Landwirtschaft 1992); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Agrarbericht 2013, Bern 2013 (zit. Agrarbericht 2013); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Gesundheit (BAG), Grundlagensammlung – Projekte nach Artikel 62a GSchG – Nitratprojekte – Stand 11. Dezember 2013, Bern 2013 (zit. Nitratprojekte).

Errass Christoph

 

Duldungs‑ und Schweigepflicht

1         Die Behörden des Bundes und der Kantone können Erhebungen an privaten und öffentlichen Gewässern durchführen. Sie können die dazu notwendigen Einrichtungen erstellen und Anlagen kontrollieren. Die Grundeigentümer und die Inhaber der Anlagen müssen den damit betrauten Personen den Zutritt gewähren und ihnen die erforderlichen Auskünfte erteilen.

2         Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Personen sowie Experten und Mitglieder von Kommissionen und Fachausschüssen unterstehen dem Amtsgeheimnis.

3         … (Aufgehoben durch Art. 2 Ziff. 2 des BB vom 27. Sept. 2013 [Aarhus-Konvention], mit Wirkung seit 1. Juni 2014 [AS 2014 1021; BBl 2012 4323]).

Libre accès et maintien du secret

1         Les services fédéraux et cantonaux peuvent effectuer des relevés dans les eaux privées et dans les eaux publiques. Ils peuvent aménager les équipements nécessaires à cet effet et procéder au contrôle des installations. Les propriétaires fonciers et les détenteurs des installations sont tenus d’accorder le libre accès aux personnes chargées de ces tâches et de leur fournir les renseignements nécessaires.

2         Les personnes chargées de l’application de la présente loi, de même que les experts et les membres de commissions et de groupes de travail, sont soumis au secret de fonction.

3         … (Abrogé par l’art. 2 ch. 2 de l’AF du 27 sept. 2013 [Conv. d’Aarhus], avec effet au 1er  juin 2014 [RO 2014 1021; FF 2012 4027]).

Obbligo di tollerare e obbligo del segreto

1         Le autorità federali e cantonali possono procedere a rilevamenti sulle acque private e pubbliche. Possono predisporre le installazioni necessarie a tale scopo e procedere al controllo degli impianti. I proprietari di fondi e i detentori degli impianti devono permettere l’accesso alle persone incaricate dell’esecuzione di questi compiti e fornire loro le informazioni necessarie.

2         Le persone incaricate dell’esecuzione della presente legge, gli esperti e i membri di commissioni e comitati tecnici sono tenuti al segreto d’ufficio.

3         … (Abrogato dal l’art. 2 n. 2 del DF del 27 set. 2013 [Convenzione di Aarhus], con effetto dal 1° giu. 2014 [RU 2014 1021; FF 2012 3841]).

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 10
A. Erhebungen an Gewässern; Duldungs‑ und Auskunftspflicht (Abs. 1) 11
1. Durchführung von Erhebungen (Satz 1) 11
​2. «Mittel» für Erhebungen (Satz 2) 18
​3. Duldungs‑ und Auskunftspflicht (Satz 3) 20
​4. Nemo tenetur se ipsum accusare 30
​B. Schweigepflicht (Abs. 2) 31

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 52 Abs. 1 GSchG 1991 entspricht beinahe wörtlich dem bundesrätlichen Art. 51 Abs. 1 E-GSchG 1987: «durchführen» statt «vornehmen» und «Anlagen kontrollieren» statt «Kontrollen von Anlagen durchführen» sind die Differenzen. Art. 52 Abs. 2 GSchG 1991 weist gegenüber Art. 51 Abs. 2 E-GSchG 1987 keine Abweichungen auf. Der bundesrätliche Entwurf von Art. 51 E-GSchG 1987 stimmte inhaltlich mit Art. 6 GSchG 1971 überein; er wurde allerdings an den Aufbau des USG angepasst, da der Gewässerschutz einen Teilbereich des Umweltschutzes darstelle (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1083, 1150). Art. 6 GSchG 1971 übernahm inhaltlich Art. 11 GSchG 1955. Die beiden Absätze gaben in den parlamentarischen Beratungen keinen Anlass zu Diskussionen (AB 1988 S 662; AB 1989 N 1080).

2. Art 52 Abs. 3 GSchG 1991 wurde von der nationalrätlichen Kommission als Abs. 2bis vorgeschlagen (AB 1989 N 1080). Der vom Nationalrat über-nommene Abs. wurde vom Ständerat in der zweiten Beratung gestrichen (AB 1989 S 729). Nachdem der Nationalrat an seinem Abs. festgehalten hatte (AB 1990 N 599), folgte ihm der Ständerat (AB 1990 S 400). Abs. 3 wurde mit dem BB über die Genehmigung und die Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung vom 27. September 2013 (AS 2014 1021) «aufgrund des engen Sachzusammenhangs in Art. 50 GSchG integriert» (Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4357). Materiell gab es zu Abs. 3 in den parlamentarischen Beratung keine Diskussionen (vgl. AB 2013 N 15; AB 2013 S 720 ff.). Art. 52 Abs. 3 GSchG 2013 ist seit dem 1. Juni 2014 aufgehoben.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Daten verschiedenster Art sind für die Umsetzung des Gewässerschutz-rechts wichtig (s.a. Brunner, Kommentar USG, Art 44 N 1 ff., 10 ff.; Botschaft GSchG 1954, 342): Daten als Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung; Daten, mit welchen im Rahmen der Aufsicht überprüft werden soll, ob die einzelnen Anlagen den (verfügten) Vorgaben des GSchG entsprechen; Daten, mit deren Veröffentlichung die Bürger für die Durchsetzung des Rechts mobilisiert werden sollen («Bürger als Vollzugsarm der Verwaltung»; siehe dazu etwa die PRTR-V); Daten für die Prüfung der Auswirkungen der Massnahmen und für die Feststellung des Gewässer-zustands (Art. 50 Abs. 1 GSchG), womit u.a. auch der Überprüfung der Wirksamkeit nach Art. 170 BV nachgekommen wird; Daten für die Grundlagenbeschaffung (Art. 57 ff. GSchG).

4. Mit der Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Umweltagentur und dem Europäischen Informations‑ und Umweltbeobachtungsnetz (vgl. Abkommen Umweltagentur und EIONET) hat sich die Schweiz verpflichtet, regelmässig Umweltdaten an die Europäische Umweltagentur zu liefern (siehe dazu etwa Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 44 N 3). Eine freiwillige Datenlieferung erfolgt zudem etwa bei Badegewässer (vgl. hierzu BAFU/BAG, Beurteilung Badegewässer, 12). Insofern sind auch diesbezüglich Daten zu erheben. Daneben hat sich die Schweiz verpflichtet, Umweltdaten für weitere Programme zu liefern (dazu etwa Bellanger/
Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 44 N 3).

5. Datenbeschaffung berührt Grundrechtspositionen (z.B. Eigentumsgarantie): Art. 52 GSchG, der u.a. mit Duldungspflicht überschrieben ist, bildet die gesetzliche Grundlage zum Eingriff in diese Grundrechte (Abs. 1; Art. 36 Abs. 1 BV). Er bezeichnet umgekehrt auch die staatliche, gesetzliche Grundlage (Art. 5 Abs. 1 BV) für die Datenbeschaffung – dies zeigt sich besonders deutlich im ersten Satz von Abs. 1, wenn nur Erhebungen an öffentlichen Gewässern betroffen sind.

6. Im Verwaltungsverfahren verpflichtet Art. 13 Abs. 1 VwVG die Parteien zur Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhalts. Darunter fallen vor allem die Auskunftspflicht, die Pflicht zur Herausgabe von Akten und die Pflicht zur Duldung von Augenscheinen (vgl. z.B. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 463). Die Mitwirkung betrifft nur Verfahren, welche die Parteien durch ihre Begehren einleiten oder worin sie selbständige Begehren stellen (Art. 13 Abs. 1 Bst. a und b VwVG). Die Mitwirkungspflicht gilt zudem nur für solche Tatsachen, welche die Privaten besser kennen als die Behörden und welche diese ohne ihre Mitwirkung gar nicht oder nicht ohne vernünftigen Aufwand erheben können (vgl. BGE 128 II 139, E. 2b). Für weitergehende Mitwirkungspflichten bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (Art. 13 Abs. 1 Bst. c VwVG). Art. 52 Abs 1 GSchG bildet eine solche (zur parallelen Vorschrift im USG vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 3). Er ist zudem im Rahmen der behördlichen Beweisbeschaffung (Art. 12 VwVG: Untersuchungsmaxime) auch Grundlage für die zusätzliche Beweisbeschaffung im Herrschafts-bereich der Privaten (vgl. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 4), auch wenn Art. 52 Abs. 1 GSchG primär als ein aufsichtsrechtliches Zwangs-instrument konzipiert ist (vgl. Kiener/Rütsche/Kuhn, Verfahrensrecht, N 683). Art. 52 Abs. 1 GSchG bildet sodann im Rahmen der Aufsicht Grund-lage, um an Beweise im Herrschaftsbereich von Privaten zu gelangen (vgl. Kiener/Rütsche/Kuhn, Verfahrensrecht, N 683).

7. Im Rahmen von Art. 46 USG wurde vom Bundesrat die Auskunftspflicht mit der Kooperationspflicht in Verbindung gebracht (vgl. hierzu Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 2a; Botschaft USG 1979, 819 zu Art. 40 USG; siehe auch Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 46 N 2), denn Umweltschutz ist grundsätzlich nur dann effektiv, wenn Staat und Private zusammenarbeiten. «Gewässerschutz ist ein Teilbereich des Umweltschutzes» (Botschaft GSchG 1987, 1083), und insofern trifft diese Aussage auch auf den Gewässerschutz zu (als Vorläufer kann Art. 2 Abs. 4 Satz 1 GSchG 1955 betrachtet werden, welcher in späteren Erlassen nicht mehr aufgenommen wurde [dazu Botschaft GSchG 1970, 439]).

8. Während Abs. 1 von der Datenbeschaffung handelt, bezieht sich Abs. 2 nur zum Teil darauf; mit der Schweigepflicht – dem zweiten «Stichwort” der Überschrift – sollen alle Personen, die mit dem Vollzug des GSchG beauf-tragt sind, dem Amtsgeheimnis unterstellt werden – Mitglieder von Behörden, Kommissionen oder Fachausschüssen, Beauftragte.

9. Art. 52 GSchG ist eine besondere Bestimmung über den Vollzug – wie auch der 3. Abschnitt des Vollzugskapitels ausdrücklich festhält. Er betrifft insofern grundsätzlich Bundes‑ und kantonaler Vollzug.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Erhebungen an Gewässern; Duldungs‑ und Auskunftspflicht (Abs. 1)

10. Der erste Absatz regelt in einem «Dreischritt» die Erhebungen an Gewässern. Die Behörde wird erstens verpflichtet und berechtigt, Erhebungen durchzuführen. Dazu sind zweitens u.a. notwendige Einrichtungen zu erstellen oder Anlagen zu kontrollieren. Die Erstellung von Einrichtungen und die Kontrolle von Anlagen berührt Grundrechtspositionen von Grundeigentümern und von Anlageinhabern; diese haben den Behörden drittens den Zutritt zu gewähren und Auskünfte zu erteilen.

 

1.             Durchführung von Erhebungen (Satz 1)

11. Die ersten beiden Sätze bilden gesetzliche Grundlage für staatliches Handeln i.S. von Art. 5 Abs. 1 BV. Sie sind zugleich auch die Rechtsgrundlagen i.S. von Art. 17 DSG für das Bearbeiten von Personendaten i.S.v. Art. 3 Bst. e DSG.

12. Die Behörden des Bundes und der Kantone können Erhebungen an Gewässern durchführen. Behörden sind jeweils die sachlich, örtlich und funktional zuständigen Verwaltungsträger des Bundes und der Kantone. Entsprechend Art. 45 GSchG sind vor allem die Kantone angesprochen; dabei kann sich eine Koordination nach Art. 46 GSchV aufdrängen. Auch wenn auf Seiten des Bundes neben dem Bundesamt für Umwelt (Art. 48 und 49 Abs. 2 GSchG) auch andere Bundesbehörden zuständig sind, sofern diese ein anderes Bundesgesetz oder einen Staatsvertrag vollziehen (Art. 48 GSchG; dazu Komm. zu Art. 48 GSchG), dürfte angesichts des notwendigen Wissens nur die Gewässerschutzfachstelle des Bundes (Art. 49 Abs. 2 GSchG) in der Lage sein, die notwendigen methodisch korrekten und damit «beweiskräftigen» Erhebungen durchzuführen (vgl. auch Art. 48 GSchV); es geht um die Kontrolle durch «sachkundige Organe» – wie die Botschaft GSchG 1954 zutreffend festhält (Botschaft GSchG 1954, 342). Behörden sind zudem die nach Art. 49 Abs. 3 GSchG vom Bund oder von den Kantonen beigezogenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten; Art. 49 Abs. 3 GSchG nennt ausdrücklich die Kontrolle und die Überwachung.

13. «Erhebungen bestehen im systematischen Erfassen, Verfolgen, Untersuchen und Bewerten einzelner oder mehrerer Faktoren bzw. Bereiche [der Gewässer] und ihrer Belastung» (Brunner, Kommentar USG, Art. 44 N 10; Hervorhebung durch Autor; siehe auch Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 44 N 8 ff.). Je nach Zweck sind die Erhebungen einmalig, periodisch, stichprobenweise oder dauerhaft (z.B. Messung des Pegelstandes; Mengenmessungen [Art. 11 Abs. 1 GSchG 1955]); die Häufigkeit der Erhebungen ergibt sich aus dem GSchG bzw. der GSchV oder aus einer behördlichen Anordung im Einzelfall (vgl. Art. 48 Abs. 2 GSchV). Erhebungen betreffen zum einen konkrete Ereignisse (Wasserverunreinigung wegen mangelnder Funktionstüchtigkeit einer Düngeraufbereitungsanlage), zum anderen flächendeckende Erhebungen (Umweltmonitoring). Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen: bei der ersten weiss man, wonach man sucht (bestimmte chemische Verbindung in Gewässern), bei der zweiten dagegen nicht (als Bsp. können Art. 50 bzw. Art. 51 FrSV genannt werden). Die Erhebungsmethoden sind Beobachtungen (Zählen, Messungen, Analyse, Berechnungen, Modellierungen), d.h. die naturwissenschaftliche Methode, mit welcher u.a. das Sein festgestellt wird; sodann fallen auch Auskünfte nach Art. 52 Abs. 1 in fine GSchG darunter; schliesslich sind nach dem breiten Erhebungsbegriff des GSchG auch Bewertungen (d.h. normative Aussagen) gemeint. Als Beispiel einer Erhebung ist das vorgeschriebene Vorgehen der Behörden bei verunreinigten Gewässern zu nennen (Art. 47 Abs. 1 Bst. a–c GSchV): Stellt die Behörde fest, dass ein Gewässer die Anforderungen an die Wasserqualität nach Anhang 2 nicht erfüllt oder dass die besondere Nutzung des Gewässers nicht gewährleistet ist, so ermittelt und bewertet sie die Art und das Ausmass der Verunreinigung (Bst. a), ermittelt sie die Ursachen der Verunreinigung (Bst. b), beurteilt sie die Wirksamkeit der möglichen Massnahmen (Bst. c). Die Erhebungen (Untersuchungen und Ermittlungen) richten sich nach den anerkannten Regeln der Technik (Art. 48 Abs. 1 GSchV); anerkannte Regeln der Technik bezeichnen das, was nach Auffassung der Mehrheit der auf dem fraglichen Gebiet tätigen Fachleute richtig ist, im Schrifttum beschrieben und an entsprechenden Fachschulen gelehrt wird und gleichzeitig in der Praxis bewährt ist (dazu grundlegend Marburger, Regeln, 145 f.; siehe auch Seiler, Technische Risiken, 160); vielfach sind es Normen privater Normenorganisationen (so etwa Art. 48 Abs. 1 GSchV). Die Gewässerschutzfachstelle des Bundes hat alleine oder mit anderen Bundesämtern und/oder Fachstellen verschiedene Methoden-anleitungen für die Untersuchungen und Beurteilungen von Gewässern herausgegeben (vgl. z.B. BAFU/EAWAG, Beurteilung Seen, passim; BAFU/BAG, Beurteilung Badegewässer, passim).

14. Die Erhebungen sind «zum Zwecke des Gewässerschutzes notwendig […]» (Art. 6 Abs. 1 GSchG 1971), mithin um «die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen» (Art. 1 Abs. 1 GSchG). Es soll damit letztlich sichergestellt werden, dass die im zweiten Titel des GSchG aufgeführten Vorschriften und die darauf abgestützten Verfügungen von den Rechtsunterworfenen beachtet werden, denn «[d]em Gesetz wird nur dann Erfolg beschieden sein können» (Botschaft GSchG 1954, 342). Angesprochen ist somit vor allem die Aufsicht; daneben ist – wie bereits erwähnt – auch das Bewilligungsverfahren betroffen. Erhebungen nach Art. 52 GSchG sind sodann auch Erhebungen für die Grundlagenbeschaffung nach Art. 57 ff. GSchG, da Art. 52 GSchG die notwendige Grundlage für Eingriffe in die Privatsphäre darstellt.

15. Erhebungen sind an Gewässern und nicht nur in Gewässern durchzuführen. Gewässerschutz ist umfassender Gewässerschutz (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1085) und hat deshalb nicht nur die Reinhaltung der Gewässer, sondern auch die Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen im Blick (Eindolung, Begradigung, Verbauung, Verlust der natürlichen oder naturnahen Art der Gewässer [vgl. Botschaft GSchG 1987, 1074, 1084, 1092 f.]); insofern ist es naheliegend, dass auch an Gewässern Daten erhoben werden (Anzahl der Eindolung, der Renaturierung; s.a. die Definition von oberirdischen Gewässern nach Art. 4 Bst. a GSchG). Sodann lassen Daten aus bzw. von Anlagen oder Einrichtungen an Gewässern oder von landwirtschaftlich bewirtschaftetem Land Rückschlüsse für den Vollzug zu (siehe z.B. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008).

16. Gewässer sind ober‑ und unterirdische Gewässer (Art. 2 GSchG i.V.m. Art. 4 Bst. a und b GSchG; dazu Komm. zu Art. 4 GSchG). Erhebungen können an privaten und öffentlichen Gewässern durchgeführt werden. Private Gewässer sind Quellen von beschränkter Mächtigkeit und lokale Grundwasservorkommen (Art. 704 ZGBBGE 97 II 333); alle anderen ober‑ und unterirdischen Wasservorkommen gelten als öffentliche Gewässer (vgl. Druey Just/Caviezel, Wasserrechte, 1632 ff.; Tschannen/Zimmerli/
Müller, Verwaltungsrecht, § 51 N 49; Rüegger, Wasserzugang, 22 ff.); dies kann auch Wasservorkommen auf privatem Grund (z.B. Überflutung: BGE 95 I 243, E. 2; s.a BGE 106 II 311, E. 3) betreffen. Ausschlaggebend sind die kantonalen Gesetzgebungen gestützt auf Art. 76 Abs. 4 BV (vgl. etwa Rüegger, Wasserzugang, 10 f.; Druey Just/Caviezel, Wasserrechte, 1634 f.).

17. Die Behörden können Erhebungen durchführen. Mit der «Kann-Formulierung» wird ein Rechtsfolgeermessen angezeigt. Damit wird den Verwaltungsbehörden bei der Anordnung von Rechtsfolgen ein Handlungsspielraum eingeräumt (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 3). Ermessen ist pflichtgemäss, d.h. verfass-ungs‑ und gesetzeskonform, auszuüben; zudem ist besonders auf Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung und die dort angelegten öffentlichen Interessen zu achten (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 26 N 11). «Kann» kann deshalb durchaus auch «Muss» bedeuten, was insbesondere Art. 57 und 58 GSchG, wonach der Bund bzw. die Kantone Erhebungen durchführen müssen, ausdrücklich festhalten.

 

2.             «Mittel» für Erhebungen (Satz 2)

18. Damit Erhebungen durchgeführt werden können, sind allenfalls notwendige Einrichtungen zu erstellen (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GSchG). Notwendig sind Einrichtungen dann, wenn nur damit methodisch korrekte Erhebungen durchgeführt werden können («die dazu notwendige[n] Einrichtungen»); damit wird dem Verhältnismässigkeitsprinzip Nachachtung verschafft. Einrichtungen sind keine Anlagen: dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut und belegen zum anderen unzählige Bestimmungen des GSchG, die jeweils zwischen Anlagen und Einrichtungen unterscheiden; so z.B. Art. 15 GSchG Marginalie, der von der Kontrolle von Anlagen und Einrichtungen handelt (s.a. Art. 16 Bst. d, Art. 61 Abs. 1 Bst. a und b , Art. 62, 64a, 84 GSchG). Anlagen sind Bauten und andere ortfeste Einrichtungen, während Einrichtungen nicht ortfest sind, wie bspw. Lagereinrichtungen, d.h. die Einrichtung einer Anlage, oder mobile Messstationen (vgl. Art. 14 Abs. 3 GSchG; s.a. Art. 7 Abs. 7 USG [zur Übernahme der USG-Terminologie Botschaft GSchG 1987, 1084]).

19. Anlagen bzw. der Umgang in Anlagen können bzw. kann auf Gewässer nachteilig einwirken (als Bsp. vgl. das Kupferdach des KKL [BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008]). Ob und inwiefern dies zutrifft, ist an Ort und Stelle zu prüfen; dabei werden Daten erhoben. Allerdings können nur die für die Erhebungen an privaten und öffentlichen Gewässern notwendigen Anlagen kontrolliert werden. Die Passage «die dazu notwendige[n]» bezieht sich m.E. nicht nur auf Einrichtungen, sondern auch auf die Anlagen. Nur für die Erhebung notwendige Anlagen sind zu kontrollieren – Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips.

 

3.             Duldungs‑ und Auskunftspflicht (Satz 3)

20. Erstellt die Behörde für ihre Erhebungen Einrichtungen oder kontrolliert sie Anlagen, so werden damit Grundrechtspositionen von Grundeigentümern oder Anlageninhabern berührt. Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 3 GSchG müssen die Grundeigentümer und die Inhaber der Anlagen den mit den Erhebungen betrauten Personen Zutritt gewähren und diesen die erforderlichen Auskünfte erteilen. Art. 52 Abs. 1 Satz 3 GSchG bildet die notwendige Grundlage, um in Grundrechtspositionen (z.B. Art. 26, 13 Abs. 2 BV) einzugreifen. Im Verbund mit den ersten beiden Sätzen, wonach Erhebungen nur zum Zweck des Gewässerschutzes durchgeführt werden dürfen, besteht zudem auch ein öffentliches Interesse zum Eingriff. Der einzelne Eingriff muss zudem verhältnismässig (geeignet, erforderlich, zumutbar) sein.

21. Adressat von Art. 52 Abs. 1 Satz 3 GSchG ist einerseits der Grundeigentümer und andererseits der Inhaber der Anlage. Diese sind Verpflichtete. Grundeigentümer sind zum einen private (natürliche oder juristische) Personen, zum anderen der Staat. In Bezug auf Grundeigentümer sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden:

·       Quellen von beschränkter Mächtigkeit und lokale Grundwasser-vorkommen sind private Gewässer; sie sind Bestandteile der Grundstücke und können nur zugleich mit dem Boden, dem sie entspringen, zu Eigentum erworben werden (Art. 704 Abs. 1 ZGB; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 51 N 49);

·       Grundeigentümer ist auch ein Privater, auf dessen Grundstück ein Gewässer i.S. von Art. 704 Abs. 1 ZGB ist, das allerdings durch den Kanton zu einem öffentlichen Gewässer erklärt worden ist (BGE 95 I 243​);

·       Grundeigentümer ist bei öffentlichen Gewässern i.d.R. der Staat (Art. 664 Abs. 2 ZGB);

·       Grundeigentümer sind auch Eigentümer von Grundstücken an Gewässern (sog. See‑ oder Flussanlieger [dazu Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 51 N 59]).

22. Inhaber ist die natürliche oder juristische Person, welche die Anlagever-hältnisse bestimmt und verantwortet. Inhaber einer Anlage ist somit, wer tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den durch das Gesetz vorgesehenen Verpflichtungen nachzukommen. Inhaber sind:

·       Grundeigentümer (Art. 674 ZGB);

·       Mieter (siehe etwa den Sachverhalt in BGE 113 Ib 62) oder Pächter von Betrieben, die Anlagen umfassen (vgl. etwa Art. 14 GSchG; siehe dazu BGE 137 II 182, E. 3.4.2);

·       Konzessionsnehmer und Dienstbarkeitsberechtigter.

23. Berechtigte sind die mit der Anlagekontrolle oder der Erstellung von Einrichtungen betrauten Personen; diesen ist Zutritt zu den Grundstücken bzw. zu den Anlagen zu gewähren. Die betrauten Personen sind die Personen der bereits oben aufgeführten sachlich, örtlich und funktional zuständigen Verwaltungsträger des Bundes und der Kantone sowie die nach Art. 49 Abs. 3 GSchG vom Bund oder von den Kantonen beigezogenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privaten. Es sind die Personen, die die einzelnen Erhebungen durchführen bzw. die einzelnen Anlagen kontrollieren.

24. Grundeigentümer und Inhaber von Anlagen werden direkt durch Gesetz (Art. 52 Abs. 1 GSchGverpflichtet. Für die Auskünfte bedarf es allerdings noch der Konkretisierung einerseits durch Verfügungen (vgl. BGer 1C_43/2007 ​vom 9. April 2008, E. 4), andererseits durch Verordnungs-vorschriften. Diese sind teilweise als Verhaltensvorschriften formuliert (z.B. Art. 14 Abs. 2 GSchV [Meldungen über den Betrieb]; Art. 17 GSchV [Meldung ausserordentlicher Ereignisse]) oder sind wiederum durch Verfügung zu konkretisieren (Art. 14 Abs. 1 GSchV: «Die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten, und die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in die öffentliche Kanalisation oder in ein Gewässer einleiten, müssen der Behörde nach deren Anordnungen melden […]» [Hervorhebung des Autors]). In der Regel bedarf es für den Zutritt keiner Konkretisierung durch Verfügungen (Ausnahme etwa bei unbewohnten geschlossenen Anlagen). Verfügungen von Behörden nach Art. 1 VwVG richten sich nach dem VwVG, solche von kantonalen Behörden nach dem jeweiligen kantonalen Verwaltungs-verfahrensrecht. Dabei sind auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben (z.B. Art. 29a, 29 Abs. 2 BV) zu berücksichtigen.

25. Damit notwendige Einrichtungen erstellt und Anlagen kontrolliert werden können, haben die Grundeigentümer und die Inhaber den Berechtigten Zutritt zu gewähren. «Zutritt gewähren» meint den ungehinderten Zutritt in die Räumlichkeiten bei Anlagen oder auf die Grundstücke bzw. auf und an die Gewässer. Der Zutritt ist zu dulden. Mit der Gewährung des Zutritts zu den Anlagen und zu den Grundstücken können die Behörden selber die notwendigen Erhebungen durchführen. Einfacher und – je nach Konstellation – verhältnismässiger ist allerdings, die erforderlichen Auskünfte einzuholen.

26. Erforderliche Auskünfte sind aufgrund der Übernahme der Terminologie des Umweltschutzgesetzes (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1084) und mit Blick auf die gleiche Passage in Art. 46 USG weit zu verstehen (vgl. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 4.2). Auskünfte sind Angaben aller Art (z.B. Abwasserproben nach Art. 13 Abs. 3 Bst. b GSchV), enthalten Informationen und machen eine Aussage über Messungen, Werte, Beobachtungen oder (auch zukünftige) Befunde (z.B. Machbarkeitsstudie [vgl. BGer 1C_43/2007 vom 9. April 2008, E. 4]; Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 13; Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 46 N 9). Auskünfte können auch in Verzeichnissen oder in Wasserproben enthalten sein, zu deren Führung bzw. Aufbewahrung Inhaber und Grundeigentümer durch generell abstrakten Erlass verpflichtet werden (vgl. Art. 13 Abs. 3 Bst. b, Art. 21 GSchV). Auskünfte können auch Personendaten i.S. von Art. 3 Bst. a DSG umfassen; für deren Bearbeitung ist daneben das DSG zu beachten (für den sachlichen Geltungsbereich s. Art. 2 Abs. 2 Bst. c DSG).

27. Auskünfte können schriftlich, mündlich, in elektronischer Form oder in Papier verlangt werden; sie können bzw. müssen einmalig, periodisch (z.B. Art. 4 PRTR-V) oder auf Verlangen (z.B. Art. 21 Abs. 1 GSchV) erteilt werden; sind die Auskünfte ungenügend, so können ergänzende Auskünfte oder – ohne spezielle Erwähnung – Abklärungen verlangt werden (z.B. Machbar-keitsstudie [vgl. BGer 1C_43/2007 ​vom 9. April 2008, E. 4]; zum Ganzen Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 13a f.). Auskünfte sind nur zu erteilen, wenn sie für die Erfüllung der Vorgaben des GSchG (vgl. Botschaft GSchG 1954, 343erforderlich sind.

28. Sind die Adressaten aus zeitlichen, technischen, organisatorischen oder anderen Gründen ungeeignet oder unfähig (auch aus einer ex ante Sicht), die für den Vollzug notwendigen Auskünfte zu erteilen, so erheben die Behörden mit ihren erstellten Einrichtungen oder durch eine eigene Anlagekontrolle die notwendigen Daten. Die Grundeigentümer und Inhaber haben deshalb – wie der Gesetzestext festhält – Zutritt zu gewähren. Dabei wandelt sich die Auskunftspflicht in eine Duldungspflicht. Insofern stellt Satz 3 bereits eine verhältnismässige Rangordnung von Massnahmen für die Datenerhebung auf. Die Kosten werden nach dem Verursacherprinzip dem Verursacher überbunden (siehe Komm. zu Art. 3GSchG, 55 GSchG).

29. Grundeigentümer und Inhaber haben nur dann Auskünfte zu erteilen und Zutritt zu gewähren, wenn dies für den Vollzug i.e.S. und i.w.S. des GSchG notwendig ist. Begehren für Auskünfte bzw. für Zutritte sind nicht stattzugeben, wenn die Auskünfte bzw. der Zutritt keine Vollzugsrelevanz aufweisen; massgebend ist dabei der Gesetzeszweck (Art. 1 GSchG) bzw. der Zweck der Norm, auf den sich die Auskunft stützt.

 

4.             Nemo tenetur se ipsum accusare

30. Die verwaltungsrechtliche Pflicht der Auskunftserteilung kann mit dem strafprozessualen Schweigerecht kollidieren (vgl. Seiler, Missverhältnis, 13 f.; Roth, nemo tenetur, N 33 in fine; Benedick, Aussagedilemma, passim; Gless, nemo tenetur, passim und insbes. 728; Geth, Mitwirkungspflichten, passim; BGE 140 II 384, E. 3.3 [dazu Fellmann/Vetterli, nemo tenetur, passim; Roth, Zum Zweiten, passim]; BGE 131 IV 36, E. 3.1). Stellt beispielsweise die Behörde bei einer Kontrolle fest, dass ein Seeanstösser feste Stoffe entgegen den Vorgaben der Bewilligung in Seen eingebracht hat (Art. 39 GSchG), so ist dieser verpflichtet bei der Sachverhaltsfeststellung nach Art. 13 VwVG mitzuwirken; gleichzeitig macht er sich nach Art. 70 Abs. 1 Bst. f GSchG strafbar. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die im Verwaltungsverfahren durch die Auskünfte erhaltenen Informationen für das Strafverfahren verwertet werden dürfen; dem steht vor allem das strafprozessuale Schweigerecht entgegen. «Nach der Praxis des EGMR ist [allerdings] nicht jede Pflicht unzulässig, Informationen zur Verfügung stellen zu müssen, die auch eine Strafsanktion nach sich ziehen können» (BGE 140 II 384, E. 3.3.2). Im Übrigen erweist sich das Case Law des EGMR nicht in allen Punkten als widerspruchsfrei (Roth, Mitwirkungspflichten, 310 ff.; Roth, nemo tenetur, N 14 ff.; Gless, nemo tenetur, 728 f., 733; Geth, Mitwirkungspflichten, 153 ff.; BGE 140 II 384, E. 3.3.3 f. mit weiteren Hinweisen). Es ist deshalb jeweils im Einzelfall zu prüfen, inwiefern verwaltungsrechtliche Auskünfte im Strafverfahren verwendet werden können (BGE 140 II 384​, E. 3.3.3 f. mit weiteren Hinweisen; Roth, nemo tenetur, N 33 ff.; Gless, nemo tenetur, 731 ff.; Geth, Mitwirkungspflichten, 156 ff., insbes. 159 ff.). Allerdings wäre der Gesetzgeber primär gehalten, entsprechende Lösungen zu implementieren (vgl. etwa Gless, nemo tenetur, 732, 734; Geth, Mitwirkungspflichten, 157).

 

B.            Schweigepflicht (Abs. 2)

31. Korrelat der in Abs. 1 behandelten Auskunftspflicht ist das Amtsgeheimnis bzw. die allgemeine Schweigepflicht (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 28). Art. 52 GSchG vereinigt beide Aspekte in einem Artikel. Abs. 2 regelt die Schweigepflicht – sowohl für die Bundes‑ als auch für die kantonale Ebene.

32. Mit dem Erlass des BGÖ im Jahre 2004 und der Umsetzung der Aarhus-Konvention u.a. im GSchG (Art. 50 GSchG) und im USG (Art. 10e ff. USG) im Jahre 2013, womit das Geheimhaltungsprinzip mit Öffentlichkeitsvorbehalt zugunsten des Öffentlichkeitsprinzips mit Geheimhaltungsvorbehalt geändert worden ist, ist der Anwendungsbereich des Amtsgeheimnis geschwunden (vgl. Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 47 N 4; Hänni, Organisationsrecht, N 200) – entsprechend den für Gewässerschutzdaten massgebenden Art. 50 GSchG und Art. 7 Abs. 8 i.V.m. Art. 10e ff. USG auch für die Kantone.

33. Mit dem Begriff des Amtsgeheimnis nimmt Art. 52 Abs. 2 GSchG Bezug auf die Formulierung von Art. 22 Abs. 1 BPG (zu weiteren Bestimmungen auf Bundesebene siehe Hänni, Organisationsrecht, Fn. 386), wonach die Angestellten dem Amtsgeheimnis unterstehen. Danach erfasst dieses «eine breite Palette von Tatsachen, welche den Angestellten des Bundes im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zur Kenntnis gelangen (können)» (Helbling, Handkommentar BPG, Art. 22 N 24). Art. 94 Abs. 1 BPV konkretisiert Art. 22 Abs. 1 BPG: Danach sind die Angestellten zur Verschwiegenheit über berufliche und geschäftliche Angelegenheiten verpflichtet, die nach ihrer Natur oder auf Grund von Rechtsvorschriften oder Weisungen geheim zu halten sind. Ähnliche Bestimmungen finden sich auf kantonaler Ebene.

34. Abweichend vom BPG erhält der Begriff des Amtsgeheimnisses nach Art. 52 Abs. 2 GSchG allerdings einen etwas anderen sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich: Er ist nicht auf «dienstliche Angelegenheiten» (vgl. Hänni, Organisationsrecht, N 191) fokussiert, sondern betrifft lediglich «gewässerschutzrechtliche Angelegenheiten»; der Geheimnisträger umfasst sodann nicht nur die am Arbeitsverhältnis beteiligten Parteien, sondern auch Experten und Mitglieder von Kommissionen und Fachausschüssen. Der Begriff des Amtsgeheimnisses nach Art. 52 Abs. 2 GSchG stellt zudem einen bundesrechtlichen Begriff dar, der auch für die Kantone verbindlich ist; insofern sind kantonale Bestimmungen nicht mehr massgebend.

35. Gegenstand der Schweigepflicht sind dementsprechend gewässerschutz­rechtliche Angelegenheiten, also Tatsachen, welche den Adressaten von Art. 52 Abs. 2 GSchG im Rahmen der Beschäftigung mit dem Gewässer-schutzrecht bekannt werden; Tatsachen, die die Adressaten als Privat-personen erfahren, unterliegen nicht der Schweigepflicht (Hänni, Organi-sationsrecht, N 191), im Gegensatz etwa zu solchen, welche die Vollzugs-behörde beispielsweise bei einer Kontrolle zufälligerweise wahrgenommen hat (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 46 N 33a). Die gewässerschutz-rechtlichen Angelegenheiten unterstehen indes nur dann der Schweige-pflicht, wenn sie nach ihrer Natur oder auf Grund von Rechtsvorschriften oder Weisungen geheim zu halten sind. Mit dem Wechsel zum Öffentlich-keitsprinzip mit Geheimhaltungsvorbehalt ist die Verwaltung als allgemein zugängliche Informationsquelle zu betrachten (vgl. Hänni, Organisations-recht, N 202): mit der in Art. 10g USG auch für das Gewässerschutzrecht geregelten passiven Umweltinformation (siehe dazu Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4341 f., 4351 f.; Errass, Aarhus-Konvention, 59 ff.) sind alle Umweltinformationen öffentlich, es sei denn die vorbehaltenen Geheimhaltungsgründe oder die besonderen Fälle nach Art. 10g Abs. 2 USG i.V.m. Art. 7 BGÖ bzw. Art. 8 BGÖ sind einschlägig (siehe z.B. Bellanger/Défago Gaudin, Commentaire LPE, Art. 47 N 23). Zusätzlich wird der Geheimhaltungsvorbehalt durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Erhebungen nach Art. 50 GSchG klarer umrissen (siehe auch Art. 7 ff., insbes. Art. 9 Abs. 2 PRTR-Verordnung). Nach Art. 7 und 8 BGÖ und Art. 4 Abs. 3 und 4 Aarhus-Konvention ergeben sich folgende Geheimhaltungsgründe (zum Ganzen auch Botschaft Aarhus-Konvention, 4354 ff.; Errass, Aarhus-Konvention, 62 ff.; Thurnherr, Öffentlichkeit, 244 ff.; Cottier/Schweizer/Widmer, Handkommentar BGÖ, Art. 7; Mahon/Gonin, Handkommentar BGÖ, Art. 8):

·       Wesentliche Beeinträchtigung der freien Meinungs‑ und Willensbildung einer dem GSchG unterstellten Behörde, eines anderen legislativen oder administrativen Organes oder einer gerichtlichen Instanz;

·       Beeinträchtigung einer zielkonformen Durchführung konkreter behörd-licher Massnahmen;

·       Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz;

·       Beeinträchtigung der aussenpolitischen Interessen oder der inter-nationalen Beziehungen der Schweiz;

·       Beeinträchtigung der Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen oder zwischen Kantonen;

·       Gefährdung der wirtschafts‑, geld‑ und währungspolitischen Interessen der Schweiz;

·       mögliche Offenbarung der Berufs‑, Geschäfts‑ oder Fabrikations-geheimnisse;

·       Vermittlung von Informationen, die der Behörde von Dritten freiwillig mitgeteilt worden sind und deren Geheimhaltung die Behörde zugesichert hat;

·       mögliche Beeinträchtigung der Privatsphäre Dritter;

·       Dokumente des Mitberichtsverfahrens;

·       Dokumente, sofern der politische oder administrative Entscheid, für den sie die Grundlage darstellen, noch nicht getroffen ist;

·       vom Bundesrat ausnahmsweise als nicht öffentlich bezeichnete amtliche Dokumente des Mitberichtsverfahrens;

·       amtliche Dokumente über Positionen in laufenden und künftigen Verhandlungen.

36. Zu beachten ist, dass in gewissen Konstellationen auch datenschutzrelevante Aspekte zu berücksichtigen sind (vgl. Art. 7 Abs. 2 BGÖ).

37. Von der Schweigepflicht nach Art. 52 Abs. 2 GSchG sind nur solche Tatsachen umfasst, die im Rahmen der Beschäftigung mit dem Gewässerschutz­recht bzw. im Zusammenhang mit dem Vollzug i.e.S. und i.w.S. des GSchG stehen. Nicht gewässerschutzrechtliche dienstliche Angelegenheiten fallen allenfalls unter Art. 22 BPG i.V.m. 94 Abs. 1 BPV oder die kantonalen Bestimmungen. Da es sich dabei nur um dienstliche Angelegenheiten handelt (vgl. Hänni, Organisationsrecht, N 191), sind Experten, Mitglieder von Kommissionen und Fachausschüssen nicht betroffen.

38. Der Begriff der Schweigepflicht nach Art. 52 Abs. 2 GSchG ist ein bundesrechtlicher Begriff; er gilt auch für die Kantone und insofern muss der Inhalt der Schweigepflicht einheitlich sein. Eine nach den Kantonen unterschiedliche Umschreibung der der Schweigepflicht unterliegenden Umweltinformationen ist deshalb nicht zulässig. Diesbezüglich wäre der Klarheit wegen eine bundesrechtliche Regelung für eine einheitliche kantonale Regelung notwendig gewesen. Demgegenüber überlässt der Gesetzgeber den Kantonen die Kompetenz (Art. 10g Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 USG), den Anspruch selber materiell zu regeln; dass sich die Kantone dabei an der Aarhus-Konvention zu orientieren hätten und damit ein einheitlicher Standard garantiert würde, verlangt lediglich die bundesrätliche Botschaft (vgl. Botschaft Aarhus-Konvention 2012, 4352) – «better regulation» wäre hier wünschenswert gewesen.

39. Adressaten der Schweigepflicht sind alle die mit dem Vollzug des GSchG beauftragten Personen sowie Experten und Mitglieder von Kommissionen und Fachausschüssen. Der personalrechtliche Begriff des Amtsgeheimnisses wird dabei auf Personen ausgedehnt, welche nicht in einem Angestellten-verhältnis zum Staat stehen, aber im Rahmen des Vollzugs (i.e.S. und i.w.S.) trotzdem von geheimen gewässerschutzrechtlichen Daten Kenntnis erhalten können. Demgemäss unterscheidet Art. 52 Abs. 2 GSchG zwischen Personen, die das GSchG einschliesslich der Ausführungs-vorschriften vollziehen, und solchen, die das GSchG nicht vollziehen, aber trotzdem mit dem Vollzug des Gewässerschutzrechtes in Berührung kommen können. Mit dem Vollzug des GSchG beauftragte Personen sind solche der Zentralverwaltung, dezentralisierter Verwaltungseinheiten (z.B. eine eigens geschaffene Anstalt für den Gewässerschutz oder ein öffentliches Unternehmen für gewisse Bereiche des Gewässerschutzes) und schliesslich Private (dazu knapp und prägnant Tschannen, Systeme, N 69 ff.). Vollzugsbehörden werden vielfach durch Experten (Gutachten), Kommissionen und Fachausschüsse (z.B. Einbezug des Verbands Schweizer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute bei der Ausarbeitung eines Anh. der GSchV) unterstützt. Sofern diese Kenntnis von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten gewässerschutz-rechtlichen Daten erlangen, unterstehen diese auch der Schweigepflicht.

40. Die Schweigepflicht kann gegenüber der hierarchisch vorgesetzten Instanz nicht geltend gemacht werden (vgl. Hänni, Organisationsrecht, N 195, 202). Anderen Verwaltungs‑ und Gerichtsbehörden gegenüber darf nur Auskunft erteilt werden, wenn eine gesetzliche Auskunfts‑ bzw. Rechtshilfepflicht besteht (dazu Hänni, Organisationsrecht, N 195; Brunner, Kommentar USG, Art. 47 N 35); gegenüber ausländischen Behörden und internationalen Organisationen ist ebenso eine gesetzlichen Grundlage notwendig (vgl. Botschaft ChemG, 789 f.). Vor Gericht bedarf es zudem einer besonderen Ermächtigung durch die zuständige Stelle nach Art. 2 BPG (Art. 94 Abs. 3 BPV).

41. Analog Art. 94 Abs. 2 BPV bleibt die Schwiegepflicht auch nach Beendigung des Arbeits‑ bzw. des Auftragsverhältnisses bestehen. Die Verletzung des Amtsgeheimnisses wird strafrechtlich geahndet. Der strafrechtliche Geheimnisbegriff ist materieller Natur; danach bezieht sich das Geheimnis «auf nicht allgemein bekannte oder zugängliche, also nur einem beschränkten Personenkreis vertraute Tatsachen, deren Schutz vor Preisgabe der Berechtigte (Geheimnisherr) will und an deren Geheimhaltung ein objektives Interesse besteht» (Flachsmann, Kommentar StGB, Art. 320 N 3; siehe auch Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 47 N 11). Insofern stimmt der Geheimnisbegriff nach Art. 52 Abs. 2 mit demjenigen nach Art. 320 StGB überein.

 

 

Résumé

Le premier alinéa de l’art. 52 LEaux traite des relevés effectués dans les eaux publiques et privées. Ces données étant d’importance majeure pour l’exécution de la LEaux, les autorités sont par conséquent tenues et habilitées à effectuer les relevés nécessaires à l’exécution de la présente loi. A ce titre, elles doivent en outre aménager les équipements nécessaires et procéder aux contrôles des installations. Les restrictions aux droits fondamentaux des propriétaires fonciers et des détenteurs d’installations ne sont admissibles que si elles satisfont aux conditions prévues en cas de restriction des droits fondamentaux à l’art. 36 Cst. Elles doivent notamment reposer sur une base légale, ce que constitue l’art. 52 al. 1 3ème phrase LEaux. Les détenteurs sont par conséquent tenus sur cette base d’accorder le libre accès aux personnes chargées de ces tâches et de leur fournir les renseignements nécessaires.

Le corolaire de l’obligation d’information de l’al. 1 est le secret de fonction prévu à l’al. 2. L’obligation de garder le secret ne porte pas sur les aspects de service mais sur les aspects concernant la protection des eaux et de surcroît étend le cercle de destinataires tenus au secret de fonction. Ainsi, au même titre que les personnes chargées de l’application de la loi, les experts et les membres de commission et de groupe de travail sont également soumis au secret de fonction. La LTrans et la mise en oeuvre de la Convention d’Aarhus dans la LPE et la LEaux ont sensiblement limité l’étendue du secret.

 

 

Literatur Benedick Gilles, Das Aussagedilemma in parallelen Verfahren, in: AJP 2011, 169 ff. (zit. Aussagedilemma); Brunner Stephan C./Mader Luzius (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Öffentlichkeitsgesetz – Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 17. Dezember 2004 (BGÖ), Bern 2008 (zit. Bearbeiter, Handkommentar BGÖ); Donatsch Andreas (Hrsg.), StGB Kommentar – Schweizerisches Strafgesetzbuch und weitere einschlägige Erlasse mit Kommentar zu StGB, JStG, den Strafbestimmungen des SVG, BetmG und AuG, 19. Aufl., Zürich 2013 (zit. Bearbeiter, Kommentar StGB); Druey Just Eva/Caviezel Gieri, Private Wasserrechte und der öffentliche Anspruch auf die Ressource Wasser, in: AJP 2013, 1631 ff. (zit. Wasserrechte); Errass Christoph, Die Aarhus-Konvention und ihre Umsetzung ins schweizerische Recht, in: URP 2004, 47 ff. (zit. Aarhus-Konvention); Fellmann Jeremias/Vetterli Luzia, «Nemo tenetur» light bei strafähnlichen Verwaltungssanktionen?, in: forumpoenale 2015, 43 ff. (zit. nemo tenetur); Geth Christopher, Aufsichtsrechtliche Mitwirkungspflichten und nemo tenetur, in: Emmenegger Susan (Hrsg.), Banken zwischen Strafrecht und Aufsichtsrecht, Basel 2014, 141 ff. (zit. Mitwirkungspflichten); Gless Sabine, Nemo tenetur se ipsum accusare und verwaltungsrechtliche Auskunftspflichten – Konflikt und Lösungsansätze am Beispiel der Schweizer Finanzmarktaufsicht, in: Fahl Christian/Müller Eckhart/Satzger Helmut et al. (Hrsg.), Festschrift für Werner Beulke zum 70. Geburtstag, Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe, Heidelberg 2015, 723 ff. (zit. nemo tenetur); Hänni Peter, Organisationsrecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band I/2, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2004 (zit. Organisationsrecht); Kiener Regina/Rütsche Bernhard/Kuhn Mathias, Öffentliches Verfahrensrecht, Zürich/St. Gallen 2012 (zit. Verfahrensrecht); Marburger Peter, Die Regeln der Technik im Recht, Köln/Berlin/Bonn/München 1979 (zit. Regeln); Portmann Wolfgang/Uhlmann Felix (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Bundespersonalgesetz (BPG) – Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BPG), Bern 2013 (zit. Bearbeiter, Handkommentar BPG); Roth Simon, Das Verhältnis zwischen verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten und dem Grundsatz «nemo tenetur se ipsum accusare» – Zusammenfassung und Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in: ZStrR 2011, 296 ff. (zit. Mitwirkungspflichten); Roth Simon, Die Geltung von nemo tenetur im Verwaltungsverfahren, in: Jusletter vom 17. Februar 2014 (zit. nemo tenetur); Roth Simon, Zum Zweiten: Die Geltung von nemo tenetur im Verwaltungsverfahren, in: jusletter vom 24. November 2014 (zit. Zum Zweiten); Rüegger Vanessa, Der Zugang zu Wasser als Verteilungsfrage – das Verhältnis zwischen dem Menschrecht auf Wasser und den Herrschafts‑ und Nutzungsrechten an Wasservorkommen, Diss. Freiburg i.Üe. 2012 (zit. Wasserzugang); Seiler Hansjörg, Das (Miss‑)Verhältnis zwischen strafprozessualem Schweigerecht und verwaltungsrechtlicher Mitwirkungs‑ und Auskunftspflicht, in: recht 2005, 11 ff. (zit. Missverhältnis); Seiler Hansjörg, Recht und technische Risiken – Grundzüge des technischen Sicherheitsrechts, Zürich 1997 (zit. Technische Risiken); Thurnherr Daniela, Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Umweltinformationen – Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts durch die Aarhus-Konvention und deren Bedeutung für das schweizerische Recht, Diss. Zürich 2003 (zit. Öffentlichkeit); Tschannen Pierre, Systeme des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Bern 2008 (zit. Systeme).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zum Bundesgesetz über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG) vom 24. November 1999, BBl 2000 687 ff. (zit. Botschaft ChemG 1999); Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung vom 28. März 2012, BBl 2012 4323 ff. (zit. Botschaft Aarhus-Konvention 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Gesundheit (BAG) (Hrsg.) (verfasst durch Schaffner Monika/Studer Pierre/Ramseier Claude), Beurteilung der Badegewässer – Empfehlungen zur Untersuchung und Beurteilung der Badewasserqualität von See‑ und Flussbädern, Umwelt-Vollzug Nr. 1310, Bern 2013 (zit. Beurteilung Badegewässer); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Schlosser Jacqueline A./Haertel-Borer Susanne/Liechti Paul et al.), Konzepte für die Untersuchung und Beurteilung der Seen in der Schweiz – Anleitung zur Entwicklung und Anwendung von Beurteilungsmethoden, Umwelt-Wissen Nr. 1326, Bern 2013 (zit. Beurteilung Seen).

Errass Christoph

 

​Zwangsmassnahmen

Die Behörden können die von ihnen angeordneten Massnahmen zwangsweise durchsetzen. Soweit das kantonale Recht keine oder keine strengeren Vorschriften enthält, ist im kantonalen Verfahren Artikel 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 anwendbar.

Mesures coercitives

L’autorité peut obtenir par voie de contrainte l’exécution des mesures qu’elle a ordonnées. Lorsque le droit cantonal ne comporte pas de prescriptions en la matière ou que ses prescriptions sont moins sévères, l’art. 41 de la loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative est applicable.

Misure coattive

Le autorità possono imporre coattivamente l’esecuzione dei provvedimenti da loro ordinati. Qualora la legislazione cantonale non preveda prescrizioni in materia, o non preveda prescrizioni più severe, nella procedura cantonale è applicabile l’articolo 41 della legge federale del 20 dicembre 1968 sulla procedura amministrativa.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
​II. Allgemeine Bemerkungen ​4
A. Voraussetzungen des Verwaltungszwangs ​8
B. Die einzelnen Zwangsmassnahmen 11
1. Exekutorische Zwangsmassnahmen 11
2. Repressive Zwangsmassnahmen 12
C. Grundsätze des Verwaltungszwangs 13
1. Verhältnismässigkeit 13
​2. Kumulationen von Zwangsmassnahmen 14
3. Zwangvollstreckungsverfahren 15
​III. ​Kommentierung 16
A.​ ​Vorbemerkung 16
​B. ​Zwangsmassnahmen (Satz 1) 17
​1. ​Angeordnete Massnahmen können zwangsweise durchgesetzt werden 17
​2. ​Zuständigkeit 22
​C. Subsidiäres Bundesrecht für die Kantone (Satz 2) 25

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1.Art. 53 GSchG 1991 entspricht wörtlich Art. 52 E-GSchG 1987 (Botschaft GSchG 1987, 266). Später wurde in Satz 2 der Verweis auf das «Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren» durch den Kurztitel «Verwaltungsverfahrensgesetz» geändert – allerdings ohne Hinweis. Der Kurztitel des VwVG wurde durch Anh. Ziff. II 3 StBOG (i.K. seit 1. Jan. 2011 [AS 2010 3291]) eingeführt. Im Parlament passierte Art. 52 E-GSchG 1987 ohne Diskussionen (vgl. AB 1988 S 662; AB 1989 N 1080).

2. Art. 52 E-GSchG 1987 entspricht materiell seinen beiden Vorläufern (Art. 7 GSchG 1971 [dazu Botschaft GSchG 1970, 446 f.] und Art. 12 GSchG 1955 [dazu Botschaft GSchG 1954, 343 zu Art. 11 E-GSchG 1954]), weshalb der Bundesrat in seiner Botschaft auch eine Kommentierung unterliess (Botschaft GSchG 1987, 1150 [beim Vollzug]).

3. Gestützt auf BGE 91 I 299 bildete Art. 12 GSchG 1955 und in der Folge auch Art. 7 GSchG 1971 u.a. Basis für die Überwälzung der bei antizipierten Ersatzvornahmen entstandenen Schadensverhütungs‑ und ‑behebungskosten auf den Störer der gewässerpolizeilichen Ordnung (vgl. Botschaft GSchG 1970, 446). Mit der Aufnahme von Art. 54 GSchG (Kosten von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen) und später Art. 3a GSchG (Verursacherprinzip) hat sich die Diskussion darüber, wer für die Kosten der antizipierten Ersatzmassnahme, welche keine Zwangsmassnahme i.S.v. Art. 53 GSchG bildet (dazu N 11), aufzukommen hat, erledigt (dazu auch Ogg, Sanktionen, 187 f.).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Die Erfüllung von Verwaltungsrecht steht weder im Belieben der Privaten noch der Behörden; der Verwaltungszwang stellt die lückenlose Verwirklichung des Verwaltungsrechts sicher (vgl. Tschannen, Systeme, N 241; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 1 und 3; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1134; Jaag, Sanktionen, N 23.3). Art. 53 Satz 1 GSchG hebt dies ausdrücklich hervor, indem die Behörden die von ihnen angeordneten Massnahmen zwangsweise durchsetzen können.

5. Art. 53 Satz 2 GSchG verweist sodann für die Kantone subsidiär auf Art. 41 VwVG. Dieser ist dort im Marginalieabschnitt «K. Vollstreckung» eingebettet, welcher noch weitere Zwangsmittel (Art. 40 VwVG), die Voraussetzungen für die Vollstreckung (Art. 39 VwVG), das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 42 VwVG) und die Rechtshilfe (Art. 43 VwVG) normiert. Art. 39 ff. VwVG regelt nur die Vollstreckung von Verfügungen (dazu Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 9 f.). Auch Art. 53 GSchG handelt nur von Verfügungen: dies legt zum einen bereits der Verweis auf Art. 41 VwVG nahe; sodann geht es zum anderen um «angeordnete Massnahmen». Mit der Kodifizierung der Verwaltungsvollstreckung in den Art. 39 ff. VwVG ist diese indes keineswegs umfassend geregelt: «Wichtige Voraussetzungen und Mittel der Verfügungsvollstreckung bleiben unerwähnt, der Gesetzeswortlaut ist einmal zu eng, einmal zu weit und gebräuchliche Systembegriffe aus der Lehre wurden nicht aufgegriffen» (Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 1; Saladin, Verwaltungsverfahrensrecht, 151).

6. «Verwaltungszwang meint die Gesamtheit der Massnahmen, durch welche das Gemeinwesen die Erfüllung verwaltungsrechtlicher Pflichten im Einzelfall unter Anwendung staatlichen Drucks erwirken kann» (Tschannen, Systeme, N 240 [im Original z.T. kursiv]; vgl. etwa auch Jaag/Häggi, Praxiskommentar VwVG, Art. 41 N 3). Unterschieden werden nach der Wirkungsweise exekutorische und repressive Zwangsmassnahmen. Exekutorische Zwangsmassnahmen gehen auf den Schutz des gesetzmässigen Zustands vor drohender Gefahr bzw. Störung oder – bei bereits verwirklichter Gefahr bzw. Störung – auf dessen Wiederherstellung (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 7; Tschannen, Systeme, N 248). Sie dienen der unmittelbaren Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Pflichten (vgl. Jaag/Häggi, Praxiskommentar VwVG, Art. 41 N 4; Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 3; Tanquerel, Droit administratif, N 1138; Jaag, Sanktionen, N 23.8). Mit repressiven Zwangsmassnahmen soll zum einen pflichtwidriges Verhalten sanktioniert und zum anderen Druck auf die Betroffenen ausgeübt werden, damit diese ihre Pflichten künftig rechtsgemäss erfüllen (vgl. Tschannen, Systeme, N 258; Jaag/Häggi, Praxiskommentar VwVG, Art. 41 N 5; siehe auch Tschannen/Zimmerli/Mül-ler, Verwaltungsrecht, § 32 N 8; Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 4; Tanquerel, Droit administratif, N 1139 ff.). Pflichtverletzungen bleiben somit bestehen, zukünftig soll aber durch Druck pflichtgemässes Erfüllen angestrebt werden.

7. Exekutorische Zwangsmassnahmen sind die Ersatzvornahme (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. a VwVG), der unmittelbare Zwang gegen Personen oder an Sachen (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. b VwVG) und die Schuldbetreibung (für den Bund Art. 40 VwVG). Repressive Zwangsmassnahmen sind administrative Rechtsnachteile (anders Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1140, die von einer Mischform zwischen exekutorischen und repressiven Massnahmen ausgehen; so auch Locher, Sanktionen, 29 ff., und seine eigene Einteilung, 119 ff.), disziplinarische Massnahmen, Verwaltungsstrafen (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. c VwVG) und als ein Unterfall davon die Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügung (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. d VwVG; anders Jaag, Sanktionen, N 23.12 und 23.24).

 

A.           Voraussetzungen des Verwaltungszwangs

8. Verwaltungszwang im hier zu behandelnden Bereich verlangt die Vollstreckbarkeit einer inhaltlich hinreichend bestimmten Sachverfügung, woraus der Verfügungsadressat klar entnehmen kann, was er zu tun hat (vgl. BGer 2C_950/2012 vom 8. August 2013, E. 4.2; 2A.711/2006​ vom 7. Juni 2007, E. 3; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 42 ff.). Art. 39 VwVG nennt gewisse Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit (vgl. Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 22): die Verfügung muss formell rechtskräftig sein (es besteht kein ordentliches Rechtsmittel mehr) oder sie ist noch nicht formell rechtskräftig, doch kommt der Beschwerde im konkreten Fall keine aufschiebende Wirkung zu. Nicht vollstreckbar ist eine Verfügung zudem, wenn sie nichtig ist, was von Amtes wegen zu beachten ist. Sodann muss die verwaltungsrechtliche Pflicht im Zeitpunkt der Vollstreckung noch durchgesetzt werden können; dies ist nicht der Fall, wenn die Pflicht bereits erfüllt ist – insofern also gar keine Säumnis vorliegt (vgl. z.B. Bendel, Rechtsfragen, 21 f.). Weitere Gründe sind etwa Stundung, Verjährung, Verwirkung, Verzicht, Fristablauf bei Befristung oder Widerruf der ursprünglichen Sachverfügung aufgrund einer geänderten Rechtslage (vgl. etwa Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 14, 22 ff.; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 46 ff., 50 ff.; Saladin, Verwaltungsverfahrensrecht, 152; Tanquerel, Droit administratif, N 1163 ff.).

9. Für den Verwaltungszwang ist in der Regel diejenige Behörde zuständig, welche auch für die Sachverfügung zuständig ist (z.B. Häfelin/Müller/
Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1143).

10. Exekutorische Zwangsmassnahmen zur Vollstreckung von Sachverfügungen bedürfen keiner besonderen gesetzlichen Grundlage; es soll nur bereits rechtskräftig Angeordnetes durchgesetzt werden. Repressive Zwangsmassnahmen verlangen stets eine besondere gesetzliche Grundlage; das angedrohte Übel ergibt sich nicht bereits aus der Sachverfügung (vgl. Tschannen, Systeme, N 259; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1144; Moor/Poltier, Droit administratif Vol. II, 116 ff.).

 

B.            Die einzelnen Zwangsmassnahmen

1.             Exekutorische Zwangsmassnahmen

11. Exekutorische Zwangsmassnahmen sind die Ersatzvornahme, der unmittelbare Zwang gegen Personen oder an Sachen sowie die Schuldbetreibung:

·       Ersatzmassnahme bedeutet, «dass die pflichtwidrig verweigerte Handlung eines Verfügungsadressaten auf Kosten des Verpflichteten durch die verfügende Behörde selbst oder durch einen beauftragten Dritten verrichtet wird» (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 21 [im Original teilweise kursiv]; für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. a VwVG). Davon betroffen können nur vertretbare Handlungen sein. Für den Verfügungsadressaten wandelt sich mit der Ersatzvornahme die ursprüngliche Realleistungspflicht zur Kostentragungspflicht (vgl. Tschannen, Systeme, N 252); im Ergebnis wird die Sachverfügung allerdings realiter vollzogen, und der Verfügungsadressat hat die Ersatzvornahme zu dulden. Die Kosten werden durch eine Kostenverfügungen festgesetzt (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. a Satz 2 VwVG). Die Ersatzvornahme muss angedroht und eine dem konkreten Einzelfall entsprechende Frist eingeräumt werden; darauf kann verzichtet werden, wenn Gefahr im Verzuge ist (vgl. für den Bund Art. 41 Abs. 3 VwVG).

Die antizipierte Ersatzvornahme, d.h. wenn die Behörde ohne vorgängige Sachverfügung Massnahmen zum Schutz des unmittelbaren bedrohten oder zur Wiederherstellung des bereits gestörten gesetzmässigen Zustands ergreift, stellt keine Zwangsmassnahme dar, fehlt doch jedenfalls eine vorgängig ergangene Sachverfügung (vgl. Tschannen/Zimmer­li/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 27 ff.; siehe auch Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 11, Art. 41 N 20).

·       Mit dem unmittelbaren Zwang gegen Personen oder an Sachen wirkt die Behörde körperlich auf Personen oder ihre Sachen ein (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 30; Tanquerel, Droit administratif, N 1185). Die mit diesen Zwangsmassnahmen angestrebte Vollstreckung einer Sachverfügung bedarf keiner besonderen gesetzlichen Grundlage; es genügt eine Pauschalermächtigung (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. b VwVG) – Ausnahme: schwerer Grundrechtseingriff (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV; in diesem Sinn wohl Jaag, Sanktionen, N 23.27). Massnahmen des unmittelbaren Zwangs können zudem bereits im Sachgesetz verankert sein; dabei dürfen diese nicht verwechselt werden mit solchen, die ergriffen werden müssen, weil die gesetzlich primär vorgesehenen Massnahmen das gesetzliche Ziel nicht erreichen (z.B. Art. 28 GSchG); mit diesen subsidiären Massnahmen werden neue Pflichten geschaffen. Die zu beachtenden Grundsätze bei der Anwendung von Zwangsmassnahmen auf Bundesebene finden sich im ZAG.

·       Verfügungen auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung sind auf dem Wege des SchKG zu vollstrecken (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1141, 1152 f.; Jaag, Sanktionen, N 23.42 ff.; Art. 40 VwVG).

 

2.             Repressive Zwangsmassnahmen

12. Repressive Zwangsmassnahmen sind administrative Rechtsnachteile, disziplinarische Massnahmen, Verwaltungsstrafen und die Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen:

·       Administrative Rechtsnachteile sind Massnahmen, durch welche die Behörde dem Bürger gewisse Vorzüge aberkennt (vgl. Tschannen, Systeme, N 259; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 39, 39 ff.). Darunter fallen die Rücknahme unrechtmässig erlangter Vorteile (z.B. Art. 66 GSchG [dazu Botschaft GSchG 1987, 1150 i.V.m. Botschaft GSchG 1970, 469]), Verweigerung von Verwaltungsleistungen, soweit eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage und ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGE 137 II 366, E. 3.2), der Widerruf begünstigender Verfügungen, der nicht zu verwechseln ist mit dem Widerruf einer fehlerhaften Verfügung (vgl. BGE 137 I 69), weshalb es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf, sowie die Anordnung polizeilicher Massnahmen (z.B. Meldeauflagen nach Art. 22 Abs. 6 GSchG), welche lediglich der Gefahrenabwehr dienen.

·       Verwaltungsstrafen (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. c VwVG) sind punitive Massnahmen gegen Personen, die verwaltungsrechtliche Pflichten verletzt haben (vgl. Tschannen, Systeme, N 262). Im GSchG finden sich ausführliche Regelungen (Art. 70 ff. GSchG; vgl. Komm. zu Art. 70 GSchG).

·       Als Auffangtatbestand (für den Bund Art. 41 Abs. 1 Bst. d VwVG) ist die Beugestrafe (Art. 292 StGB: Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen) zu nennen. Das GSchG kennt in Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG eine Spezialbestimmung (vgl. zur gleichlautenden Bestimmung in Art. 91 Abs. 2 Bst. a LFG BGer 2C_950/2012 vom 8. August 2013, E. 6.2.1; siehe z.B. auch Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1184 f.). Die Strafandrohung in der Verfügung muss unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels ergangen sein (BGE 124 IV 297, E. II.4.e). Die Verfügung muss das verlangte Verhalten genügend klar bezeichnen (vgl. BGer 2C_950/2012 vom 8. August 2013, E. 6).

·       Schliesslich wären noch die im Rahmen von Art. 53 GSchG nicht relevanten Disziplinarmassnahmen zu nennen (dazu etwa Jaag, Sanktionen, N 23.65 ff.).

 

C.           Grundsätze des Verwaltungszwangs

1.             Verhältnismässigkeit

13. Wie jedes Staatshandeln ist auch der Verwaltungszwang an das Verhältnismässigkeitsprinzip gebunden (Art. 5 Abs. 2 BV). Auf Bundesebene hält dies Art. 42 VwVG für den Verwaltungszwang ausdrücklich fest: «Die Behörde darf sich keines schärferen Zwangsmittels bedienen, als es die Verhältnisse erfordern.» Daraus folgt dreierlei (vgl. auch Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 14; Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 42 N 3, 8 ff.; Jaag, Praxiskommentar VwVG, Art. 42 N 3 ff.; Saladin, Verwaltungsverfahrensrecht, 159 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1148, 1150 f.; Dubey/Zufferey, Droit administratif, N 2273; BGer 2C_950/2012 vom 8. August 2013, E. 6.4): Die verschiedenen Zwangsmittel sind unterschiedlich streng; es ist deshalb das der Sachlage entsprechende mildeste Mittel auszuwählen. Sodann hat sich auch die Handhabung am Verhältnismässigkeitsprinzip zu orientieren; die Massnahme ist deshalb auf möglichst schonende Art durchzuführen. Schliesslich soll die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen unter Androhung der Zwangsmittel eine letzte Erfüllungsfrist einräumen (vgl. für den Bund Art. 41 Abs. 2 und 3 VwVG). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit bezieht sich nicht auf das Zwangsmittel der Schuldbetreibung (vgl. Art. 40 VwVG). Dieses richtet sich nach den Bestimmungen des SchKG (Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 42 N 5).

 

2.             Kumulationen von Zwangsmassnahmen

14. Das pflichtwidrige Verhalten des Adressaten der Sachverfügung kann Anlass für verschiedene Zwangsmassnahmen bilden. Eine Kumulation von Zwangsmassnahmen ist grundsätzlich zulässig, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen und in ihrer Summe verhältnismässig bleiben; Ausnahme bildet die Kumulation von Massnahmen mit Strafcharakter (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 20; Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 42 N 9 ff.; Jaag/Häggi, Praxiskommentar VwVG, Art. 41 N 13).

 

3.             Zwangvollstreckungsverfahren

15. Das Zwangsvollstreckungsverfahren folgt, wenn eine vollstreckbare Sachverfügung vorliegt:

·       Die Vollstreckung von repressiven Zwangsmassnahmen erfolgt in der Regel in einem besonderen Verfahren (Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren, Strafverfahren [dazu im Einzelnen: Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 45, 54, 60 ff., 70].

·       Die Vollstreckung von exekutorischen Zwangsmassnahmen erfolgt in drei Phasen (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 16; Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 41 N 2): erstens die Vollstreckungsverfügung mit der Androhung der Zwangsvollstreckung einschliesslich der Fristansetzung (dazu auch Moor/Poltier, Droit administratif Vol. II, 121 f; Tanquerel, Droit administratif, N 1146), zweitens die Mitteilung über das Wann und Wie der Vollstreckung und drittens deren Ausführung. Davon kann abgewichen werden, wenn Gefahr im Verzug ist. Schliesslich sind die Kosten in einem eigenen Verfahren zu erheben.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Vorbemerkung

16. Art. 53 GSchG betrifft entsprechend der Vollzugsregelung des GSchG die Vollstreckung von Verfügungen sowohl des Bundes als auch der Kantone; er erteilt den Behörden die Kompetenz, Verfügungen zu vollstrecken (vgl. Bendel, Rechtsfragen, 19). Auf Bundesebene stellt Art. 53 GSchG eine «Spezial»-Regelung gegenüber dem VwVG dar. Für die Kantone statuiert Art. 53 GSchG eine einheitliche gesetzliche Regelung, welche sich am VwVG orientiert; insofern findet hier eine Teilkodifikation des Verwaltungsvollstreckungsrechts für alle Kantone unter Einschluss des Bundes statt (zu diesem Problem knapp Suhr, Kodifzierung, 98 f.). Diese ist deshalb in einem gewissen Sinn ein Misstrauensvotum des Bundesgesetzgebers gegenüber den kantonalen Gesetzgebern. Historisch betrachtet mag dieser Vorwurf allenfalls berechtigt sein (siehe etwa Botschaft GSchG 1954, 343), aufgrund der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist dies nicht mehr nötig.

 

B.            Zwangsmassnahmen (Satz 1)

1.             Angeordnete Massnahmen können zwangsweise durchgesetzt werden

17. Art. 53 Satz 1 GSchG ermächtigt die Behörden, angeordnete Massnahmen zwangsweise durchzusetzen. Massnahmen sind also bereits angeordnet worden, der Pflichtige hat allerdings die gewässerschutzrechtliche Pflicht (noch) nicht erfüllt. Sie sind dann angeordnet, wenn eine konkrete Situation gegenüber einer Person (individuell-konkret), allenfalls gegenüber mehreren Personen (generell-konkret) geregelt wird. Die Anordnung der Massnahmen erfolgt somit aufgrund einer Sachverfügung oder Allgemeinsachverfügung und nicht unmittelbar gestützt auf das Gesetz.

18. Art. 53 Satz 1 GSchG erlaubt die angeordneten Massnahmen zwangsweise durchzusetzen. Damit wird auf die Zwangsmassnahmen verwiesen – allerdings nur auf die exekutorischen: so verweist die Botschaft GSchG 1987 i.V.m. den beiden Botschaften GSchG 1954 und 1970 (Botschaft GSchG 1954, 343, und Botschaft GSchG 1970, 446, i.V.m. Botschaft GSchG 1987, 1150 [beim Vollzug]) nur auf diese. Ferner werden die Verwaltungsstrafen (Art. 70 ff. GSchG) und die Beugestrafe (Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG) im GSchG selbst aufgeführt. Diese Normen gelten unabhängig von Art. 53 GSchG; es ist keine weitere Ermächtigung notwendig. Das gleiche gilt auch für die administrativen Rechtsnachteile, welche z.B. in Art. 22 Abs. 6 GSchG und Art. 66 GSchG aufgeführt sind. Da die Anwendung repressiver Zwangsmassnahmen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf, sind deshalb nur die im GSchG genannten möglich. Dies gilt sowohl für den Bund als auch für die Kantone. Diese können m.E. – abgesehen von den hier nicht relevanten disziplinarischen Zwangsmassnahmen – keine eigenen repressiven Massnahmen gestützt auf das kantonale Recht erlassen, weil diese immer einen Bezug zum Gewässerschutz haben und der Bundesgesetzgeber diesbezüglich seine Regelungskompetenz wahrgenommen hat (Art. 49 Abs. 1 BV).

19. Art. 53 Satz 1 GSchG führt nicht aus, welche exekutorischen Zwangsmassnahmen ergriffen werden dürfen: für Bundesbehörden gilt deshalb Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b VwVG; für die Kantone – wie sich aus Satz 2 ergibt (s. N 25 ff.) – grundsätzlich ebenfalls. Als exekutorische Massnahmen (dazu N 11) kommen deshalb sowohl die Ersatzvornahme als auch der unmittelbare Zwang gegen Personen oder an Sachen in Betracht, worauf bereits Art. 12 GSchG 1955 und Art. 7 GSchG 1971 hingewiesen und die beiden entsprechenden Botschaften auch hervorgehoben haben (vgl. Botschaft GSchG 1954, 343, und Botschaft GSchG 1970, 446 i.V.m. Botschaft GSchG 1987, 1150 [beim Vollzug]). Als unmittelbarer Zwang ist etwa die zeitweise Schliessung eines gewässerverunreinigenden Betriebs oder ein gewaltsames Eindringen in ein Grundstück im Rahmen des verweigerten Zutritts nach Art. 52 GSchG zu nennen. Öffentlich-rechtliche Geldforderungen sind auf dem Weg der Schuldbetreibung durchzusetzen (vgl. z.B. Wiederkehr/Richli, Verwaltungsrecht, N 3108 ff).

20. Die Einforderung von verwaltungsrechtlichen Pflichten steht nicht im Belieben der Behörden; vielmehr ist der verwaltungsrechtlichen Ordnung in gleichmässiger Weise Nachachtung zu verschaffen (vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32, N 1). Das Modalverb «können» gestattet deshalb keinen Opportunismus, sondern will auf die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips verweisen. Danach müssen Massnahmen geeignet, erforderlich und zumutbar sein. Zu berücksichtigen sind die Rangordnung der Zwangsmittel, deren Handhabung und die ausdrückliche Androhung der Zwangsmittel mit der Einräumung (Ausnahme: Gefahr im Verzuge [für den Bund Art. 41 Abs. 3 VwVG]) einer letzten Erfüllungsfrist (dazu N 13).

21. Art. 53 GSchG regelt weder die Voraussetzungen noch – mit Ausnahme einer rudimentären Regelung des Verhältnismässigkeitsprinzis – die Grundsätze des Verwaltungszwangs. Anwendbar sind deshalb die von Lehre und Rechtsprechung und aufgrund von Art. 39 ff. VwVG entwickelten Prinzipien (vgl. N 8 ff., 13 ff.).

 

2.             Zuständigkeit

22. Art. 53 GSchG berechtigt Behörden, die von ihnen angeordneten Massnahmen zwangsweise durchzusetzen. Zuständig für die Vollstreckung der «von ihnen angeordneten Massnahmen» sind somit diejenigen Behörden, die das GSchG vollziehen; es sind diejenigen staatlichen Verwaltungsträger, die die Sachverfügung erlassen oder – mit den Worten des GSchG – die die ursprünglichen Massnahmen angeordnet haben. Die oben aufgeführte Regel (N 9), wonach die zum Erlass der Sachverfügung zuständige Behörde i.d.R. auch für die Vollstreckung zuständig ist, erlaubt insofern keine Ausnahmen. Entsprechend der Vollzugsaufteilung (Art. 45 und 48 GSchG) des GSchG sind mit Behörden die kantonalen und die Bundesbehörden gemeint.

23. Die Ersatzvornahme kann die Behörde selber mit ihren Funktionären durchführen oder durch Dritte vornehmen lassen (vgl. Tschannen/Zimmerli/
Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 25; Moor/Poltier, Droit administratif Vol. II, 123; Tanquerel, Droit administratif, N 1186). Zwischen dem Pflichtigen und dem Beauftragten entstehen i.d.R. keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen; der Beauftragte ist Verwaltungshelfer (vgl. Tschannen/Zimmerli/
Müller, Verwaltungsrecht, § 5 N 10a); allerdings wäre in gewissen Fällen auch eine Auslagerung von Verwaltungsaufgaben denkbar.

24. Unmittelbarer Zwang gegen Personen oder an Sachen kann m.E. nur vom Staat wahrgenommen werden. Eine Übertragung an Vollzugshelfer bzw. eine Auslagerung an Dritte ist aufgrund von potentieller Zwangsanwendung m.E. nicht zulässig (vgl. dazu Zünd/Errass, Privatisierung, 176 f.). Für den Bund ist dabei das ZAG zu beachten. Da es der Gewässerschutzbehörden i.d.R. nicht zusteht, Zwang anzuwenden (vgl. Zünd/Errass, Privatisierung, 165 r.Sp. m.w.H.), werden auf kantonaler Ebene die Gewässerschutzbehörden durch die Polizei unterstützt (vgl. z.B. Bendel, Rechtsfragen, 22).

 

C.           Subsidiäres Bundesrecht für die Kantone (Satz 2)

25. Nach Satz 2 von Art. 53 GSchG ist im kantonalen Verfahren Art. 41 VwVG anwendbar, soweit das kantonale Recht keine oder keine strengeren Vorschriften enthält.

26. Das GSchG wird mit wenigen Ausnahmen durch die Kantone vollzogen (Art. 45 und 48 GSchG); das Verfahrensrecht ist in diesen Fällen grundsätzlich kantonales Recht (Art. 46 BV; siehe auch 43, 51 BV [Aufgaben‑ und Organisationsautonomie]). Nicht anders ist es bei der Vollstreckung von Verfügungen. Diese Grundkonzeption liegt auch Art. 53 Satz 2 GSchG zugrunde. Allerdings verlangt der Bundesgesetzgeber die Einhaltung eines gewissen Standards, welcher durch Art. 41 VwVG bestimmt wird.

27. Nach Art. 53 Satz 2 GSchG ist im kantonalen Verfahren Art. 41 VwVG anwendbar, soweit das kantonale Recht keine oder keine strengeren Vorschriften enthält. Im Einzelnen gilt Folgendes:

·       Kennt das kantonale Recht für die Vollstreckung von Verfügungen keine Bestimmung, gilt Art. 41 VwVG.

·       Kennt das kantonale Recht für die Vollstreckung von Verfügungen demgegenüber Bestimmungen, so ist Art. 41 VwVG anwendbar, wenn die kantonalen Bestimmungen nicht strenger sind als Art. 41 VwVG. Gleich streng genügt für eine Anwendung nicht, was im Hinblick auf einen einheitlichen Bundesvollzug (Art. 43a Abs. 1 BV) und unter Berücksichtigung des Umsetzungsföderalismus (Art. 46 Abs. 1 BV) m.E. zu weit geht; neuere Regelungen kennen denn auch nur die Anforderung, dass sie mindestens den Bestimmungen des Bundes entsprechen müssen (z.B. Art. 111 Abs. 3 BGG).

28. «Strengere Vorschriften», «prescriptions plus sévères», «prescrizioni più severe» sind solche, welche die Sachverfügungen besser durch Vollstreckungshandlungen verwirklichen bzw. in Bezug auf die Vollstreckung der Sachverfügungen weiter gehen bzw. effizienter sind als das VwVG. Da sich der Verweis nach Satz 1 nur auf die exekutorischen Zwangsmassnahmen bezieht, können diese strengeren Massnahmen nur im Rahmen der exekutorischen Zwangsmassnahmen liegen. Ob es solche überhaupt gibt, ist fraglich. Zudem dürften sie auch problematisch sein:

·       Zwangsmassnahmen unterstehen dem Verhältnismässigkeitsprinzip (s. N 13). Es ist deshalb die mildeste Zwangsmassnahme auszuwählen; strengere sind deshalb i.d.R. nicht notwendig, erforderlich oder zumutbar. Auch ein Verzicht auf die Androhung und die Gewährung einer letzten Erfüllungsfrist ist mit Ausnahme bei Gefahr im Verzuge nicht möglich; sie sind durch die Verwaltungsrechtsdogmatik anerkannte Ausprägungen des Verhältnismässigkeitsprinzips.

·       Auch auf die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit kann z.T. wegen der Natur der Sache, z.T. wegen Rechtsstaatlichkeitsgründen nicht verzichtet werden (vgl. Gächter/Egli, Kommentar VwVG, Art. 39 N 12, 22 ff.).

29. Alles in allem bezeichnen somit Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b sowie Abs. 3 VwVG i.V.m. der Verwaltungsdogmatik sowohl für den Bund als auch für die Kantone die notwendigen Zwangsmassnahmen.

 

 

Résumé

L’art. 53 LEaux autorise l’autorité à exécuter les mesures qu’elle a ordonnées par voie de contrainte. A cet effet, il est renvoyé aux moyens de contrainte de l’exécution forcée développés par la doctrine et la jurisprudence et sur la base des art. 40 et 41 al. 1 let. a et b PA. Les mesures de contrainte répressives ont leur fondement dans la LEaux elle-même et ne nécessitent ainsi pas d’autorisation supplémentaire pour leur application. La deuxième phrase de l’art. 53 LEaux codifie la procédure administrative exécutoire pour les cantons.

 

 

Literatur: Ackermann Schwendener Christine, Die klassische Ersatzvornahme als Vollstreckungsmittel des Verwaltungsrechts, Diss. Zürich 1999 (zit. Ersatzvornahme); Bendel Felix, Rechtsfragen des Gewässerschutzes in der Schweiz – Grundbegriffe, Verwaltungszwang, Rechtsmittel, Bern 1970 (zit. Rechtsfragen); Dubey Jacques/Zufferey Jean-Baptiste, Droit administratif général, Bâle 2014 (zit. Droit administratif); Jaag Tobias, Sanktionen, in: Biaggini Giovanni/Häner Isabelle/Saxer Urs et al. (Hrsg.), Fachhandbuch Verwaltungsrecht – Expertenwissen für die Praxis, Zürich 2015 (zit. Sanktionen); Locher Alexander, Verwaltungsrechtliche Sanktionen – rechtliche Ausgestaltung, Abgrenzung und Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien, Diss. Zürich 2013 (zit. Sanktionen); Moor Pierre/Poltier Etienne, Droit administratif, Vol. II, Les actes administratifs et leur contrôle, 3ème éd., Berne 2011 (cit. Droit administratif Vol. II); Ogg Marcel, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Diss. Zürich 2001 (zit. Sanktionen); Saladin Peter, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel 1979 (zit. Verwaltungsverfahrensrecht); Suhr Reto, Möglichkeiten und Grenzen der Kodifizierung des allgemeinen Teils des schweizerischen Verwaltungsrechts, Diss. Zürich 1974 (zit. Kodifizierung); Tanquerel Thierry, Manuel de droit administratif, Genève/Zurich/Bâle 2011 (cit. Droit administratif); Tschannen Pierre, Systeme des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Bern 2008 (zit. Systeme); Wiederkehr René/Richli Paul (Hrsg.), Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts – eine systematische Analyse der Rechtsprechung, Band I, Bern 2012 (zit. Verwaltungsrecht); Zünd Andreas/Errass Christoph, Privatisierung von Polizeiaufgaben, in: Sicherheit & Recht 2012, 162 ff. (zit. Privatisierung).

Wagner Peifer Beatrice ​

 

Kosten von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen

Die Kosten von Massnahmen, welche die Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für die Gewässer sowie zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens treffen, werden dem Verursacher überbunden.

Coûts résultant des mesures de prévention et de réparation des dommages

Les coûts résultant des mesures prises par l’autorité pour prévenir un danger imminent pour les eaux, pour établir un constat et pour réparer les dommages sont à la charge de celui qui a provoqué ces interventions.

Costo delle misure di prevenzione e di riparazione dei danni

Le spese derivanti da provvedimenti presi dalle autorità per prevenire un pericolo imminente per le acque, come anche per accertare e porre rimedio a un danno, sono accollate a chi li ha causati.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 11
​1. ​Zwangsmassnahmen und Kostenfolgen 11
2. Gewöhnliche Ersatzvornahme 15
3. Antizipierte Ersatzvornahme 18
III. Kommentierung 20
A. Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr 20
1. Abgrenzung zur polizeilichen Generalklausel 20
2. Zeitliche Dringlichkeit 23
​3. Fehlen der technischen oder rechtlichen Mittel 25
B. Feststellung und Behebung eines Schadens 26
1. Feststellungskosten 27
​2. Feststellungskosten 30
C. Kostenüberbindung auf den Verursacher 38
1. Begriff des Verursachers 38
​2. Bemessung der Kostenanteile 61
​D. ​Verjährung und Rechtsnachfolge 76
​1. ​Verjährung der Forderung des Gemeinwesens 76
​2. ​Rechtsnachfolge in die Verantwortlichkeit von Verhaltens‑ und Zustandsverursachern 81​
​E. ​Zuständigkeitsfragen 90
​1. ​Örtliche und sachliche Zuständigkeit 90
​2. ​Kostenverantwortung von Verursachern mit Sitz im Ausland 94

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 54 GSchG wurde 1991 ohne Kommentierung in der Botschaft ins Gesetz aufgenommen und vom Parlament verabschiedet, weil es sich dabei um eine Bestimmung handelte, die bereits im früheren GSchG von 1971 (AS 1972 950) enthalten war (Botschaft GSchG 1987, 1150).

2. Art. 8 GSchG 1971 hatte folgenden Wortlaut: «Die Kosten von Massnahmen, welche die zuständigen Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gewässerverunreinigung sowie zur Feststellung und zur Behebung einer Verunreinigung treffen, können den Verursachern überbunden werden.»

3. Daneben enthielt das GSchG 1971 in Art. 7 die gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Zwangsmassnahmen: «Die Kantone können die von ihnen angeordneten Massnahmen erzwingen und nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber durchführen.» Art. 7 GSchG 1971 entspricht dem heutigen Art. 53 GSchG, der die Behörden ermächtigt, zur Durchsetzung des GSchG auch Zwangsmassnahmen, einschliesslich der gewöhnlichen Ersatzvornahme, zu ergreifen.

4. Art. 7 und 8 GSchG 1971, die im Einzelnen verschiedene Abweichungen zu den heutigen Art. 53 und 54 GSchG aufweisen, hatten einen Vorgänger in Art. 12 GSchG 1955 (AS 1956 1533). Diese Bestimmung lautete: «Die Kantone können die zwangsweise Durchführung der von ihnen verlangten Massnahmen verfügen oder nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber besorgen.»

5. Im Vordergrund stand damals noch die gewöhnliche Ersatzvornahme, deren Kosten gemäss allgemeinen Grundsätzen vom Pflichtigen zu tragen sind. Die Anwendung von Art. 12 GSchG 1955 auf Fälle der antizipierten Ersatzvornahme, und insbesondere auch eine Kostenüberbindung in solchen Fällen, waren unter dem damaligen Gesetzeswortlaut nur auf dem Weg einer extensiven Auslegung möglich (Botschaft GSchG 1970, 446 f., unter Hinweis auf BGE 91 I 299).

6. Art. 12 GSchG 1955 war in diesem Sinne noch stark von den polizeirechtlichen Vorstellungen geprägt, welche zur Zeit der Entstehung des eidg. Gewässerschutzrechts im Vordergrund gestanden hatten. Mit Erlass des GSchG 1971 wurde die Pflicht zum Schutz der Gewässer verstärkt als öffentliche Aufgabe ausgestaltet. Die Kantone wurden verpflichtet, leistungsfähige Schadendienste einzurichten, um die gebotenen Vorkehrungen ergreifen zu können, welche von vornherein technisch und rechtlich nur von den polizeilichen Organen und den ihnen beigeordneten Spezialdiensten vorgenommen oder angeordnet werden konnten.

7. Damit erhielt das Störerprinzip (vgl. dazu N 38 ff.) eine erweiterte Bedeutung: Wurden die Massnahmen zur Verhinderung oder Beseitigung von Gefahren oder Störungen in zunehmendem Masse von Spezialdiensten des Gemeinwesens durchgeführt, ohne dass zuvor eine entsprechende Verfügung an einen individuellen Massnahmenpflichtigen zu erlassen war, so war Art. 8 GSchG 1971 nicht mehr rein polizeilich begründet, sondern normierte eine Art Haftpflicht zu Lasten des Verursachers (BGE 114 Ib 44, E. 2a; BGer vom 29. April 1988, E. 2a, in: BVR 1988 406; BGer vom 17. September 1987, in: SG 1987 Nr. 540). Es zeigt sich somit eine Entwicklung von der allgemeinen Ersatzvornahme mit Kostenüberbindung hin zu einer Kostenzurechnungsregel nach den Grundsätzen des Verursacherprinzips (Art. 3a GSchG) für gewässerschutzrechtliche Massnahmen, welche die Behörden im öffentlichen Interesse unmittelbar vollziehen.

8. Als 1983 das USG erlassen wurde (in Kraft seit 1. Januar 1985), nahm der Gesetzgeber mit Art. 59 den Wortlaut des damaligen Art. 8 GSchG 1971 in dieses neue Gesetz auf, ersetzte jedoch entsprechend dem unterschiedlichen Zweck des USG den Ausdruck «Abwehr einer unmittelbar drohenden Gewässerverunreinigung» durch «Abwehr einer unmittelbar drohenden Einwirkung».

9. 1987 folgte die Botschaft zum neuen, dem heutigen GSchG. Mit dieser Vorlage wurde der Wortlaut der Bestimmung über die Kosten von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen leicht abgeändert, indem nicht mehr von «drohender Gewässerverunreinigung» gesprochen wurde, sondern neu allgemeiner von einer «drohenden Gefahr für die Gewässer», und in der namentlich der behördliche Ermessensspielraum bei der Kostenüberwälzung aufgehoben wurde, indem es nun nicht mehr heisst «Die Kosten […] können den Verursachern überbunden werden», sondern verbindlich: «werden […] dem Verursacher überbunden».

10. Der Wortlaut des Art. 59 USG wurde erst später (1995, in Kraft 1. Juli 1997) in entsprechender Weise angepasst. Mit der gleichen Revision wurde der Einwirkungsbegriff des USG erweitert. Art. 7 Abs. 1 USG erfasst heute als Einwirkungen, die vom USG geregelt werden, auch «Gewässerverunreinigungen oder andere Eingriffe in Gewässer». Die Kosten von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen, die im Zusammenhang mit der Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für ein Gewässer anfallen, können demzufolge heute auch über Art. 59 USG dem Verursacher überbunden werden. Dennoch wurde Art. 54 GSchG nicht aufgehoben, wie dies beim parallelen Fall der haftungsrechtlichen Bestimmung gemacht wurde (Art. 59a USG ersetzt heute den früheren Art. 69 GSchG; vgl. die kritischen Hinweise zur fehlenden selbständigen Bedeutung des heutigen Art. 54 GSchG bei Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 34). Bei der Auslegung von Art. 54 GSchG wird in diesem Sinne die Praxis zu Art. 59 USG mitzuberücksichtigen sein.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

1.             Zwangsmassnahmen und Kostenfolgen

11. Art. 54 GSchG regelt gemäss seiner Überschrift die Kosten von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen. Im Vergleich mit dem Randtitel zum früheren Art. 8 GSchG 1971 wurde im aktuell geltenden Gesetz die Überschrift durch den Hinweis auf die Behebungsmassnahmen ergänzt. Vorher waren nur die Sicherungsmassnahmen erwähnt, obwohl der Gesetzestext selber auch Massnahmen zur Behebung von Verunreinigungen vorgesehen hatte.

12. Der Randtitel zu Art. 12 GSchG 1955 lautete demgegenüber noch «Zwangsmassnahmen». Heute sind die Zwangsmassnahmen in einem eigenen Artikel (Art. 53 GSchG) geregelt. Diese Aufteilung war auch im GSchG 1971 bereits zu finden (Art. 7: Zwangsmassnahmen).

13. Die Aufteilung der gesetzlichen Grundlagen in eine Bestimmung über die Anordnung von Massnahmen des Verwaltungszwangs einerseits und eine weitere Bestimmung über die Kostenfolgen beim unmittelbaren Gesetzesvollzug anderseits stellt gegenüber der Rechtslage 1955 nicht eine rein gesetzessystematische Neuerung dar. Unter dem GSchG 1955 war auslegungsbedürftig, ob Art. 12 nur zur eigentlichen Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen ermächtigte, oder ob damit auch die Kostenüberbindung im Falle einer unmittelbaren Ausführung polizeilicher Massnahmen aufgrund zeitlicher oder sachlicher Notwendigkeit erfasst werden sollte. Das BGer entschied 1965, dass es dem Gemeinwesen möglich sein müsse, polizeiliche Massnahmen unmittelbar anzuordnen und auszuführen, ohne den Anspruch auf Kostenersatz zu verlieren (BGE 91 I 295, E. 3a; vgl. auch BGE 94 I 403, E. 3).

14. Das BGer berief sich in diesem Entscheid auf die deutsche Verwaltungs‑ und Polizeirechtslehre, welche argumentierte, dass die Behörde bei der unmittelbaren Ausführung gewissermassen die sachliche Verfügung, die Androhung sowie die Festsetzung und Ausführung der Zwangsmassnahme in einen einzigen Akt zusammenfasse. Wenn die Polizei‑ oder Ordnungsbehörde in diesem Sinne die gebotenen Massnahmen nicht durch unmittelbaren Zwang vollziehe, sondern sie direkt und sofort ausführe, so liege eine Ersatzvornahme vor. Diese Unterscheidung sei wichtig, weil die Kosten des unmittelbaren Zwangs Polizeikosten darstellten, die vom Gemeinwesen zu tragen sind, wohingegen die Kosten, die bei einer Ersatzvornahme entstehen, vom Verpflichteten eingezogen werden können (Wacke/Drews, Polizeirecht, 299, zitiert in: BGE 91 I 295, E. 3a; BGE 94 I 403, E. 3; vgl. zur Unterscheidung von unmittelbarem Zwang und Ersatzvornahme Ogg, Sanktionen, 27 ff.).

 

2.             Gewöhnliche Ersatzvornahme

15. Art. 53 GSchG ermächtigt die Vollzugsbehörden zur zwangsweisen Durchsetzung der Massnahmen des Gewässerschutzes. Als exekutorische Zwangsmittel kommen z.B. Massnahmen wie eine Ausserbetriebsetzung von Anlagen oder ein Betretungsverbot u.a. in Frage (vgl. Hunger, Sanierungspflicht, 230), oder auch die gewöhnliche ErsatzvornahmeSoweit das kt. Recht keine eigenen Vorschriften enthält, ist Art. 41 VwVG (insb. Abs. 1 Bst. a und b) anwendbar.

16. Die in Art. 53 GSchG vorgesehenen Zwangsmittel setzen grundsätzlich voraus, dass zuvor sowohl eine Anordnung zur Durchführung der Massnahme (Sachverfügung) als auch eine Androhung der Sanktion mit Einräumung einer angemessenen Erfüllungsfrist ergangen waren (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1160 f.). Nach h.L. kann jedoch auf beides verzichtet werden, wenn Gefahr im Verzuge ist (Art. 41 Abs. 3 VwVG; vgl. zur h.L. und zu abweichenden Meinungen Ogg, Sank­tionen, 165 ff.).

17. Die Kosten der nach Art. 53 GSchG ausgeführten Zwangs­massnahmen können auf den Pflichtigen überwälzt werden, soweit es um Handlungen geht, die er selber hätte ergreifen müssen (BGE 122 II 30, E. 4a; vgl. zur Handlungsindentität Ogg, Sanktionen, 28). Diese Kostentragungspflicht gehört zum Wesen der Ersatzvornahme und erfordert keine besondere gesetzliche Grundlage (Heer, Ersatzvornahme, 144; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 90). Das in Art. 54 GSchG geregelte Verursacherprinzip mit der Möglichkeit einer Kostenaufteilung unter mehreren Verursachern kommt bei Art. 53 GSchG nicht zum Tragen (Stutz, Abwasserrecht, 117).

 

3.             Antizipierte Ersatzvornahme

18. Im Unterschied zur gewöhnlichen Ersatzvornahme gibt es bei der antizipierten Ersatzvornahme keine selbstständige Sachverfügung. Die h.L. geht bei diesem unmittelbaren Vollzug vielmehr von der Fiktion eines Zusammenfallens von Sachverfügung, Androhung, Festsetzung und Ausführung in einem einzigen Akt aus (vgl. N 14; Ogg, Sanktionen, 165; Wenger, Ersatzvornahme, 203, beide m.w.H.). Ein Rechtsschutz gegen diesen fiktiven Akt ist nicht gegeben (Ogg, Sanktionen, 167; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 107 ff.).

19. Da es somit nicht im eigentlichen Sinne um eine «Ersatz»vornahme geht, bedarf die Möglichkeit einer Kostenüberbindung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Art. 54 GSchG regelt diese Kostenfolge und ermächtigt die Behörden zugleich, solche antizipierten Ersatzvornahmen auf Kosten des Pflichtigen durchzuführen (vgl. die Botschaft GSchG 1970, 447).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr

1.             Abgrenzung zur polizeilichen Generalklausel

20. Voraussetzung für ein Eingreifen der Behörden ohne vorgängigen Erlass einer anfechtbaren Sachverfügung ist das Bestehen einer unmittelbar drohenden Gefahr für ein Gewässer.

21. Damit knüpft Art. 54 GSchG an Formulierungen an, wie sie im Zusammenhang mit der polizeilichen Generalklausel verwendet werden. Während aber die polizeiliche Generalklausel als rechtsstaatliche Grundlage an die Stelle eines Gesetzes tritt und hierfür stets eine schwere Gefahr vorausgesetzt wird (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2467), geht es bei Art. 54 GSchG um eine vom Gesetzgeber erlassene Bestimmung, welche sich auf die Kosten von Vollzugsmassnahmen bezieht, die eine gesetzliche Rechtsgrundlage haben. Eine schwere Gefahr muss hier deshalb nicht vorliegen.

22. Voraussetzung für einen unmittelbaren Gesetzesvollzug, in Abweichung von Art. 53 GSchG, ist aber die zeitliche Dringlichkeit der Massnahme oder, seitens des Pflichtigen, das Fehlen der rechtlichen und tatsächlichen Mittel, um einem Verwaltungsbefehl nachzukommen (BGE 94 I 403, E. 3).

 

2.             Zeitliche Dringlichkeit

23. Zeitliche Dringlichkeit ist gegeben, wenn davon auszugehen ist, dass bei Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Verunreinigung des Gewässers nicht mehr verhindert werden könnte. Die Ersatzvornahme ist stets subsidiär gegenüber dem ordentlichen Gesetzesvollzug (BGE 122 II 26, E. 4a). Je grösser das drohende Schadenspotential ist, umso eher sind die Behörden aber zu raschem Eingreifen berechtigt und verpflichtet (Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 26. Januar 2011, E. 3b)/dd), in: SOG 2011 Nr. 26).

24. Unmittelbar drohend bedeutet, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem zeitlich nahen Schadenseintritt auszugehen ist. Für den unmittelbaren Gesetzesvollzug genügt nicht jede konkrete Gefahr und schon gar nicht die blosse Möglichkeit eines Schadenseintritts. Die Einschätzung der Gefahrenlage erfolgt aber aus der Sicht ex ante. Erweist sich die Gefahr im Nachhinein als weniger gravierend als anfänglich vermutet, so schliesst dieser Umstand allein die Kostenüberwälzung nach Art. 54 GSchG nicht aus (Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 26. Januar 2011, E. 3b)/dd), in: SOG 2011 Nr. 26). Erweist sich jedoch ein behördlicher Einsatz ex post als eindeutig übermässig, so stellt dies einen Grund für eine Herabsetzung der Kostenforderung dar (Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 6. März 2000, E. 4, 5, in: SOG 2000 Nr. 26; Baudepartement SG, Entscheid vom 22. August 2005, E. 2), in: GVP 2005 Nr. 105).

 

3.             Fehlen der technischen oder rechtlichen Mittel

25. Losgelöst vom Erfordernis der zeitlichen Dringlichkeit sind nach h.L. und Rspr. die Behörden zu unmittelbarem Eingreifen ermächtigt, wenn der Pflichtige von vornherein nicht zur Vornahme der gebotenen Massnahmen imstande wäre, weil ihm die rechtlichen und/oder tatsächlichen Mittel fehlen (BGE 122 II 65, E. 6a; 114 Ib 44, E. 2a). Ein solcher Fall wird nicht leichthin angenommen werden können. Denn bei Fehlen zeitlicher Dringlichkeit ist dem Pflichtigen aufgrund des Grundsatzes der Subsidiarität staatlicher Eingriffe sowie des Verhältnismässigkeitsprinzips grundsätzlich Gelegenheit zu geben, geeignete Dritte zu beauftragen, auf seine Kosten die gebotenen Massnahmen auszuführen. In der Praxis dürften Fälle, in denen eine antizipierte Ersatzvornahme ohne zeitliche Dringlichkeit zulässig ist, jedenfalls selten sein (Locher, Sanktionen, 59 f.; Ogg, Sanktionen, 21 f.; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 106, 155 f.; vgl. Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 21. November 1995, E. 2, in: SOG 1995 Nr. 29).

 

B.            Feststellung und Behebung eines Schadens

26. Art. 54 GSchG sieht eine Kostenüberbindung nicht nur für Massnahmen zur Gefahrenabwehr vor, sondern auch für Massnahmen, welche die Behörden zur Feststellung und zur Behebung eines Schadens treffen. Erforderlich ist aber auch hier, dass die Voraussetzungen für einen unmittelbaren Gesetzesvollzug erfüllt sind, d.h. dass keine Zeit bleibt, um die Massnahmen vom Pflichtigen auf dem Verfügungsweg zu verlangen.

 

1.             Feststellungskosten

27. Bei den Feststellungskosten geht es vor allem um technische Massnahmen zur Untersuchung einer drohenden Gewässergefährdung oder einer bereits erfolgten Verunreinigung, wie Messungen, Probenahmen, Analysen u.a. (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 38).

28. Auch nachträgliche Rapporte oder Expertisen, die sich im Einzelfall als notwendig erweisen und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz für die Gefahrenabwehr stehen, sind den Verursachern zu belasten. Gegenstand der Feststellungsaufgabe bilden die Ermittlung des konkreten Handlungsbedarfs sowie die Abklärung der Ursachen im Hinblick auf die Eruierung der verantwortlichen Störer (Bétrix, Coûts d’intervention, 381 ff.).

29. Weitergehende Untersuchungen, z.B. im Hinblick auf eine eventuelle Notwendigkeit zusätzlicher Massnahmen zur Schaden‑ und Gefahrenprävention, sind dagegen auf dem Weg des ordentlichen Verwaltungsverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen anzuordnen.

 

2.             Behebungskosten

30. Behebungskosten entstehen nach erfolgter Gefahrenabwehr für die Wiederherstellung des polizeikonformen Zustands. Dabei geht es wiederum um Massnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Sofortmassnahmen zur Abwehr von Gefahren und weiteren Schadens stehen und die aus Dringlichkeitsgründen im Verfahren des unmittelbaren Vollzugs getroffen werden müssen. Erwähnt werden namentlich die Kosten für die Entfernung der Schadstoffe am Ort des Ereignisses sowie für Transport und Entsorgung des entfernten Materials (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 38, m.w.H.).

31. Weitergehende Massnahmen zur Wiederherstellung des natürlichen Ausgangszustandes lassen sich demgegenüber nicht über Art. 54 GSchG umsetzen bzw. finanzieren. Denn es handelt sich bei dieser Bestimmung um eine mit den Vollzugsaufgaben nach GSchG zusammenhängende Kostenregelung. In der Literatur finden sich zwar Stimmen, welche dem Art. 54 GSchG (bzw. Art. 59 USG) den Gehalt einer materiellen Haftungsnorm zuweisen wollen (Grodecki, Commentaire LPE, Art. 59 N 6, m.w.H.). Gesetzessystematisch ist Art. 54 GSchG jedoch den Vorschriften über den Vollzug zugeordnet, d.h. die kostenpflichtigen Massnahmen leiten sich stets aus einer materiellen Rechtsgrundlage her, welche im Sinne der Zielsetzungen des Gewässerschutzrechts den Schutz der Gewässer und die Verhinderung nachteiliger Einwirkungen auf diese bezweckt.

32. Erweisen sich im konkreten Fall darüber hinaus z.B. Massnahmen zur Wiederherstellung oder zum Ersatz von Schutzobjekten des Natur‑ und Heimatschutzrechts (Art. 24e NHG) oder von Rodungen (Art. 7 WaG) als geboten, so können diese nicht im Rahmen des unmittelbaren Vollzugs nach Art. 54 GSchG angeordnet werden. Das Verfahren ebenso wie die Kostenfolgen richten sich in diesen Fällen nach den massgeblichen speziellen Bestimmungen (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 40).

33. Im Einzelnen kann der Umfang der unter Art. 54 GSchG fallenden Massnahmen auslegungsbedürftig sein. Ein allzu enges Verständnis der erstattungsfähigen Kosten wird in der Lehre teilweise abgelehnt (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 40; weitere Hinweise bei Grodecki, Commentaire LPE, Art. 59 N 42). Ein bloss indirekter Zusammenhang zwischen einer behördlichen Massnahme und der Aufgabe der Schadensbehebung genügt nach h.L. und Rspr. aber nicht (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 39, m.w.H.). Die Möglichkeit einer Kostenüberbindung nach Art. 54 GSchG ist nur gutzuheissen, wenn es um Massnahmen geht, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gewässerschützenden Eingriff der Behörden durchgeführt wurden.

34. Erfordert z.B. ein Eingriff ins Erdreich zum Entfernen der gewässergefährdenden Schadstoffe nachher die Wiederauffüllung der geschaffenen Grube, so erscheint es gerechtfertigt, den unmittelbaren Zusammenhang zur Beseitigung der Störung zu bejahen, wenn die Behörden diese Massnahme aus Sicherheitsgründen unverzüglich im unmittelbaren Vollzug an Stelle des Pflichtigen durchführen (a.M. Conseil d’État VD, Entscheid vom 16. Juli 1986, zitiert bei Bétrix, Coûts d’intervention, 380 f., in welchem eine Kostenüberbindung gemäss den zivilrechtlichen Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt worden war). Auch die Kosten einer vorübergehenden Massnahme der Behörden zur Aufrechterhaltung der Trinkwasserversorgung sollten dem Verursacher einer Trinkwasserbeeinträchtigung gestützt auf Art. 54 GSchG angelastet werden können, soweit die auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen die Massnahme erfordern (Verhältnismässigkeitsgrundsatz) und Dringlichkeit gegeben ist (a.M. RR LU, der gemäss Sachverhaltszusammenfassung in BGE 102 Ib 203 für die Rückforderung dieser Kosten ein zivilrechtliches Vorgehen gefordert hatte).

35. Abzulehnen ist die Herleitung haftpflichtrechtlicher Ansprüche aus Art. 54 GSchG. Wurde z.B. durch eine Gewässergefährdung bzw. ‑verunreinigung der Fischbestand bzw. der Ertragswert des Gewässers beeinträchtigt, so richtet sich die Entschädigungspflicht nach der (zivilrechtlichen) Haftungsnorm des Art. 15 BGF, und nicht nach Art. 54 GSchG. Dabei muss für den Schadensnachweis nicht ein konkreter Ertragsausfall dargetan werden, sondern es ist auch eine bloss abstrakte Schadensberechnung möglich (BGer 1C_512/2012 vom 25. September 2013, E. 3.1).

36. Vermögensschäden, welche Dritte als direkte Folge einer Gewässerverunreinigung oder einer anderen Einwirkung auf ein Gewässer (oder auch infolge der behördlichen Abwehr‑ oder Behebungsmassnahmen, vgl. BGE 116 II 480, E. 3c) erleiden, sind ebenfalls auf dem Zivilrechtsweg, gestützt auf Art. 59a USG oder Art. 41 ff. OR, geltend zu machen (vgl. zu Art. 59a USG Wagner Pfeifer, Umweltrecht Handbuch, N 1816 ff.). Dasselbe gilt für allfällige Sach‑ oder Personenschäden.

37. Das BGer hat in BGE 122 II 26 allerdings die Durchsetzung eines entgangenen Gewinns auf dem Verfügungsweg, d.h. gestützt auf den damaligen Art. 8 GSchG 1971, gutgeheissen (entgangene landwirtschaftliche Verwertbarkeit von schwermetallbelastetem Klärschlamm). Aus dogmatischer Sicht und zur Sicherstellung der Waffengleichheit im Haftpflichtverfahren (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ist ein hoheitliches Vorgehen nach Art. 54 GSchG bei solchen zivilrechtlichen Schäden jedoch abzulehnen (kritisch auch Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 81). Art. 54 GSchG ist strikt auf die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr und der notwendigen Schadensbehebung angefallenen Kosten zu beschränken. Als öffentliche Aufgabe ist dabei auch der Schutz eines privaten Gewässers zu qualifizieren (Hunger, Sanierungspflicht, 199; Bétrix, Coûts d’intervention, 379).

C.           Kostenüberbindung auf den Verursacher

1.             Begriff des Verursachers Störerprinzip

38. Unter Art. 12 GSchG 1955 hatte sich die Massnahmen‑ und damit auch die Kostenpflicht im Falle einer Ersatzvornahme danach bestimmt, wer der verantwortliche Störer i.S. des Polizeirechts war. Danach galt als Störer, «wer eine adäquate Ursache des Schadens oder der Gefahr bildet», aber auch jeder, der bloss eine «condicio sine qua non» setzt, indem er es in Kauf nimmt, dass andern durch sein an sich nicht rechtswidriges Verhalten die Schaffung eines polizeiwidrigen Tatbestandes ermöglicht wird (BGE 94 I 403, E. 4; 91 I 295, E. 3b). Erst später fügte das BGer, abgeleitet aus der deutschen Lehre, das zusätzliche, die Kostentragungspflicht einschränkende Kriterium der Unmittelbarkeit hinzu (Caluori, Verursacherbegriff, 557, m.w.H.; vgl. N 47 ff.).

39. Mit Inkrafttreten des GSchG 1971 wurde neben dem Massnahmenpflichtigen (Art. 7) für die Kostenpflicht neu der Begriff des Verursachers ins Gesetz aufgenommen (Art. 8). Für die Bestimmung des polizeipflichtigen Störers wurde weiterhin insbesondere auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der wirksamen Wiederherstellung des polizeigemässen Zustandes abgestellt; demgegenüber kamen als kostenpflichtige Verursacher nun sämtliche Personen in Frage, welche gemäss Doktrin und Praxis für die Gefahr oder Störung mitverantwortlich waren (BGE 102 Ib 203, E. 2).

40. Die Umschreibung des Kreises der beteiligten und kostenverantwortlichen Verursacher orientiert sich allerdings ebenfalls am Störerprinzip und an der in Doktrin und Praxis allgemein anerkannten Unterscheidung zwischen Verhaltensstörer einerseits und Zustandsstörer anderseits. Verhaltensstörer ist, wer durch sein eigenes Verhalten oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgende Verhalten Dritter (Kinder, Erfüllungsgehilfen) eine polizeiwidrige Gefahr oder Störung verursacht; Zustandsstörer ist, wer über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat und für die Beseitigung von Gefahren oder Störungen verantwortlich ist, die sich aus dem polizeiwidrigen Zustand der Sache ergeben (BGE 102 Ib 203, E. 3).

41. Die Unterscheidung zwischen Verhaltens‑ und Zustandsstörern hat auch unter dem heutigen Art. 54 GSchG, bzw. unter der Parallelvorschrift des Art. 59 USG, Bestand (BGE 118 Ib 407, E. 4b, c; 121 II 378, E. 17a/bb; BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 4; 1C_146/2011 vom 29. November 2011, E. 2). Sie fand Eingang auch in die Kostenregelungen des Altlastenrechts (Art. 32d USG; BGE 131 II 743, E. 3.1), was dort allerdings teilweise kritisiert wurde. Die vorgebrachten Einwände, insbesondere dass der Zustandsstörer nicht notwendigerweise stets auch als kostenpflichtiger «Zustandsverursacher» anzusehen sei (vgl. dazu N 55 ff.), können im Einzelfall auch bei einer antizipierten Ersatzvornahme Bedeutung erlangen. In aller Regel ist die Gleichsetzung von Störer‑ und Verursacherbegriff jedoch sinnvoll, und das BGer hält denn auch weiterhin an seiner Praxis fest (vgl. zur Begründung BGE 139 II 106, E. 3.1.1–3.6).

42. Das BGer hat ferner wiederholt und trotz Kritik aus der Lehre (dazu Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2502) auch den sog. Zweckveranlasser als unmittelbaren Störer betrachtet (BGE 138 II 111, E. 5.3.3; 91 I 144, E. 2a; weitere Hinweise bei Hunger, Sanierungspflicht, 70 f.). Diese Rechtsfigur spielt im Gewässerschutz‑ und Umweltrecht jedoch keine wesentliche Rolle (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 20).

Kostenverteilung bei einer Mehrheit von Verursachern

Ermittlung der subjektiven und objektiven Anteile der beteiligten Verursacher

43. Wurde eine Massnahme nach Art. 54 GSchG durch eine Mehrheit von Störern verursacht, so ist es aufgrund der Eigenständigkeit der heutigen Kostenregelung (bzw. des früheren Art. 8 GSchG 1971) nicht zulässig, einen einzelnen Störer mit den gesamten Kosten zu belasten. Pflichtgemässes Ermessen gebietet in einem solchen Fall vielmehr eine Kostenverlegung, welche im Rahmen des Möglichen nach den allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtrechts dem subjektiven und objektiven Anteil eines jeden an der Verursachung entspricht.

44. Um diese Anteile zu ermitteln, lassen sich die in Art. 50 Abs. 2 und Art. 51 Abs. 2 OR enthaltenen Wertungen analog heranziehen. Zwar treffen die Gründe für eine zivilrechtliche Solidarhaft und für die Möglichkeit des Geschädigten, sich an irgendeinen der Solidarschuldner zu halten, für die öffentlich-rechtliche Kostenersatzpflicht nicht zu; die Gesichtspunkte, die der zivilrechtlichen Rückgriffsordnung zugrunde liegen, können dagegen auch für die Kostenverteilung unter mehreren Verursachern Geltung beanspruchen, die nach öffentlichem Recht verantwortlich werden (BGE 101 Ib 410, E. 6).

45. Seit diesem grundlegenden Urteil aus dem Jahr 1975 hat das BGer wiederholt bestätigt, dass zwischen mehreren nebeneinander haftbaren Verursachern bzw. Störern keine solidarische Haftung besteht (BGE 102 Ib 203, E. 5c; BGer vom 17. Dezember 1980, E. 2b, in: ZBl 1981, 370 ff.; BGE 107 Ia 19, E. 2b; BGer vom 12. Oktober 1990, E. 6a, in: ZBl 1991, 212 ff.; BGer vom 15. Juni 1994, E. 6a, in: URP 1994, 501 ff.). Lehre und kt. Rspr. sind dieser Gesetzesauslegung überwiegend gefolgt (Hinweise bei Cummins, Kostenverteilung, 139; Chaulmontet, Verursacherhaftungen, N 654; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2504). Das BGer relativierte seine langjährige Praxis allerdings in seinem Urteil 1A.178/2003 vom 27. August 2004, indem es darauf hinwies, dass die Überwälzung eines nicht erhältlichen Kostenanteils auf die übrigen, belangbaren Störer ‒ «obschon grundsätzlich keine Solidarhaft unter mehreren Störern besteht […] ‒ nicht von vornherein ausgeschlossen» sei (E. 4, unter Hinweis auf BGer vom 7. Oktober 1981, in: ZBl 1982, 541 ff., und BGE 118 Ib 407, E. 4c). Seither sind jedoch keine weiteren Urteile ergangen, welche Anhaltspunkte geben könnten für eine Rückkehr zur solidarischen Verantwortlichkeit, wie sie noch unter dem ganz alten Art. 12 GSchG 1955 für gesetzeskonform erachtet worden war, weil damals den Behörden ein grosser Ermessensspielraum bei der Wahl des realleistungspflichtigen und damit auch kostenpflichtigen Störers zukam (BGE 94 I 403, E. 5d).

46. Die Kostenanteile der verschiedenen beteiligten Verhaltens‑ und Zustandsstörer sind demnach einzeln zu ermitteln und eine Erhöhung der Kostenanteile einzelner Verursacher bei Nicht-Einbringlichkeit des Kostenanteils eines anderen Verursachers oder aufgrund einer zivilrechtlichen Rückgriffsmöglichkeit unter den Verursachern würde ausserhalb der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Verursacherprinzips liegen.

Verhaltensverursacher

47. Diejenige Person, die aufgrund ihres Verhaltens zur Kostentragung der Massnahme nach Art. 54 GSchG herangezogen werden soll, wird analog zum Begriff des Verhaltensstörers häufig als Verhaltensverursacher bezeichnet (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 66; BGE 139 II 106, E. 6.1). Zur Bestimmung dieses Verhaltensverursachers reicht die natürliche Kausalität nicht aus. Die Rspr. hat für Bestimmungen, welche wie Art. 54 GSchG den Verursacherbegriff ohne nähere Konkretisierung verwenden, das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung aufgestellt (BGE 138 II 111, E. 5.3.2; 131 II 743, E. 3.2, m.w.H.). Danach kommen als polizeirechtlich erhebliche Ursachen nur solche Handlungen in Betracht, die bereits selber die Grenze zur Gefahr überschritten haben; entferntere, lediglich mittelbare Verursachungen scheiden aus (BGE 114 Ib 44, E. 2a; BGer vom 7. Oktober 1981, E. 1a, in: ZBl 1982, 541 ff.).

48. Die Unmittelbarkeitstheorie weist Nähe zur Adäquanztheorie auf und führt in vielen Fällen zu gleichen Ergebnissen (BGer 1A.366/1999 vom 27. September 2000, E. 2c; 1A.277/2005 vom 3. Juli 2006, E. 5.5). Die Adäquanztheorie besagt nach h.L. und ständiger Rspr. des BGer, dass ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges gilt, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass der Eintritt dieses Erfolges durch jenes Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 123 III 110, E. 3a).

49. Nach beiden Theorien beurteilt sich die Unmittelbarkeit aus der Sicht ex post. Die Unmittelbarkeit kann deshalb in einem konkreten Fall zu bejahen sein, obwohl im Zeitpunkt des Verhaltens (Tun oder Unterlassen) noch nicht «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge» damit gerechnet werden musste, dass dieses Verhalten später einmal zu einer Gewässerverunreinigung (bzw. einer konkreten Gefahr einer solchen) führen würde. Das ist von Bedeutung, weil zwischen dem verursachenden Verhalten und der Erkennung einer Gewässergefährdung oder ‑verunreinigung mehrere Jahre verstreichen können (vgl. die Sachverhalte in BGE 114 Ib 44 und 118 Ib 407). Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist hier also nicht i.S. einer zeitlichen Nähe zu verstehen, wie dies für den unmittelbaren Vollzug gilt (dazu N 23 f.).

50. Nicht erforderlich ist, dass das Verhalten im Zeitpunkt der Verursachung gesetzeswidrig war. So ist z.B. die Lagerung wassergefährdender Flüssigkeiten ausserhalb eines Gewässers zulässig, sofern damit nicht eine konkrete Verunreinigungsgefahr verbunden ist (Art. 6 Abs. 2 GSchG). Unterlässt der Inhaber der Anlage jedoch in Missachtung seiner Sorgfaltspflichten die Ergreifung von Sicherungsmassnahmen und kommt es in der Folge zu einem Sabotageakt und dadurch zu einer unmittelbar drohenden Gewässergefährdung oder ‑verunreinigung, so ist der Anlageninhaber, neben dem Saboteur, als unmittelbarer Verhaltensverursacher zu qualifizieren (BGer vom 7. Oktober 1981, E. 3c, in: ZBl 1982, 541 ff.).

51. Es können also auch mehrere Ursachen gemeinsam den Erfolg bewirkt haben (Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 2. März 2004, E. 3.4, in: BVR 2004 446; Rey, Haftpflichtrecht, N 613 ff.; Frick, Verursacherprinzip, 61). Die Unmittelbarkeit der ersten Ursache ist nur zu verneinen, wenn durch das Verhalten des Zweit-Verursachers der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen wurde. In diesem Sinne decken sich die Unmittelbarkeits‑ und die Adäquanztheorie.

52. Ob das Erfordernis der Unmittelbarkeit erfüllt ist oder der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen wurde, kann im Einzelfall umstritten sein. So fehlt es gemäss einem Entscheid der Baudirektion ZH an der Unmittelbarkeit der Verursachung, wenn ein Erzeuger gefährlicher Abfälle diese korrekt deklariert an eine Deponie übergibt und dort in der Folge, aufgrund einer nach dem damaligen Stand der Technik noch unzureichend ausgeführten Ablagerung, eine Gewässergefährdung oder ‑verunreinigung eintritt (Baudirektion ZH, Entscheid vom 3. Mai 2000, E. 6b, in: URP 2000, 386; zustimmend Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 133 ff.; a.M. Tschannen/Frick, Verursacherbegriff, 287 ff.).

53. Das kostenbegründende Verhalten kann im Sinne der erwähnten Beispiele nicht nur in einem Tun, sondern auch in einem Unterlassen bestehen. Ein Unterlassen begründet die Verhaltenshaftung jedoch nur, wenn eine besondere Rechtspflicht zu sicherheits‑ und ordnungswahrendem Handeln besteht (Baurekursgericht ZH, Entscheid vom 22. März 2012 [BRGE IV Nr. 0047/2012], E. 3.2), in: BEZ 2012 Nr. 48). Das Gemeinwesen wird für Unterlassungen bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben – in Anlehnung an das allgemeine Staatshaftungsrecht – nur dann als Verursacher kostenpflichtig, wenn eine wesentliche Amtspflicht verletzt, eine zwingend vorgeschriebene konkrete Aufsichtsmassnahme unterlassen oder der Ermessensspielraum fehlerhaft oder in Missachtung allgemeiner Rechtsgrundsätze ausgeübt wurde (BGer 1A.366/1999 vom 27. September 2000, E. 2d, in: URP 2000, 785 ff.). Daneben kann das Gemeinwesen jedoch auch gleich wie ein Privater als Verhaltens‑ oder Zustandsverursacher kostenpflichtig werden, z.B. als Eigentümer eines Grundstücks oder als Betreiber einer Anlage (BGE 131 II 743, E. 3.3).

54. Bei einem Tun sind die Widerrechtlichkeit oder das Verschulden demgegenüber für die Kostenverantwortlichkeit nach Art. 54 GSchG grundsätzlich nicht von Relevanz (BGer 1C_146/2011 vom 29. November 2011, E. 2). Diese Kriterien fliessen jedoch bei der Bemessung der Höhe der Kostenanteile mit ein (Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 127, m.w.H.).

Zustandsverursacher

55. Neben dem Verhaltensverursacher wird nach h.L. und Rspr. auch der Zustandsverursacher mitverantwortlich für die Kostentragung. Die Kostentragungspflicht des Zustandsverursachers knüpft am Begriff des Zustandsstörers an, wie er im Polizeirecht entwickelt wurde. Danach ist diejenige Person Zustandsstörer, die über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat (BGE 139 II 106, E. 3.1.1, m.w.H.).

56. Das die Kostenverantwortlichkeit einschränkende Erfordernis der Unmittelbarkeit gilt auch für den Zustandsverursacher. Dementsprechend muss die Sache selber unmittelbar die Gefahrenquelle gebildet haben (BGE 114 Ib 44, E. 2a).

57. In der Lehre wurde die Gleichsetzung des Zustandsverursachers mit dem Zustandsstörer teilweise kritisiert, weil mit den beiden Begriffen unterschiedliche Regelungszwecke verfolgt werden und weil die Kostenüberbindung auf den Verursacher einen Kausalzusammenhang voraussetze, der beim blossen Zustandsstörer fehle (vgl. die Hinweise in BGE 139 II 106, E. 3.1.2). Dazu kommt, dass der gegenwärtige Inhaber der rechtlichen oder tatsächlichen Gewalt über die Sache nicht notwendigerweise auch selber den Zustand, von dem die Gefährdung oder der Schaden ausging, verursacht hatte. Die aktuelle Sachherrschaft über die Sache soll deshalb nach diesen Lehrmeinungen für eine Kostenauflage nicht genügen, vielmehr müsse in Anlehnung an Art. 58 OR (Haftung für Werkmägel) an «eine Sorgfaltswidrigkeit, eine objektive Ordnungswidrigkeit der beherrschten Sache oder an eine besondere Gefahrensituation» angeknüpft werden, die «vom ersatzpflichtigen Verursacher geschaffen oder unterhalten wurde». Ergänzend soll, in Anlehnung an Art. 32d USG und an Art. 62 ff. OR, auch auf die Vorteile abgestellt werden können, die dem Verursacher durch die Einwirkung oder die Sanierung erwachsen (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 30).

58. Andere Lehrmeinungen beschränken die Kritik an der Gleichsetzung von Zustandsstörer und kostenpflichtigem Zustandsverursacher weitgehend auf das Altlastenrecht, wohingegen bei der antizipierten Ersatzvornahme eine Kostenüberbindung auf den Zustandsverursacher implizit gebilligt wird, mit der Begründung, dass bei den bisher zu beurteilenden Fällen Schadensverursachung und Schadensbehebung stets in einem engen zeitlichen Zusammenhang gelegen hätten. Der aktuelle Grundstücksinhaber soll sich deshalb in solchen Fällen eine (Mit‑)Verantwortung anlasten lassen müssen, zumal wenn es in seiner Verantwortung lag, die Sache in ordnungsgemässem Zustand zu erhalten (Griffel, Anmerkungen BGer 1C_231/2012, 33, unter Bezugnahme auf Caluori, Verursacherbegriff, 556 ff.).

59. Das BGer geht demgegenüber grundsätzlich davon aus, dass derjenige, der im Zeitpunkt der Durchführung einer behördlichen Massnahme Inhaber des belasteten Grundstücks ist, immer Verursacher ist, auch wenn er das Grundstück bereits mit der Belastung erworben hatte und es ihm deshalb nicht möglich war, den Eintritt der Gefahr oder des Schadens zu vermeiden (BGE 139 II 106, E. 3.1.1). Solche Umstände, ebenso wie mögliche Vorteile, die dem Zustandsverursacher aus der Behebung einer Belastung entstehen, sind jedoch bei der Bemessung der Höhe der Kostenanteile zu berücksichtigen, was u.U. bis zum Verzicht auf eine Kostenbeteiligung führen kann (BGE 139 II 106, E. 5.6, 6.1).

60. Dieser Auslegung des BGer ist zuzustimmen. Da das Verursacherprinzip im Unterschied zum zivilen Haftpflichtrecht kein Rechtswidrigkeitserfordernis kennt, wäre es widersprüchlich, den gegenwärtigen Inhaber der rechtlichen Gewalt über die Sache grundsätzlich von einer Kostentragungspflicht zu befreien, sofern ihm nicht eine Verletzung von Sorgfaltspflichten angelastet werden kann. Die Verantwortlichkeit des Zustandsverursachers ist nicht im Unterlassen von Rechtspflichten begründet, sondern in seiner dinglichen Berechtigung selber, die neben dem Besitz und der Verfügungsmacht auch die Gefahrtragung und die Abgabelast beinhaltet. Könnte sich der Erwerber eines Grundstücks oder betrieblicher Anlagen kraft öffentlichen Rechts generell von einer Kostenverantwortlichkeit befreien, so würden damit im Ergebnis die zivilrechtlichen Gewährleistungsregelungen und die Pflicht zur Anwendung der «gewöhnlichen Aufmerksamkeit» (Art. 200 Abs. 2, Art. 221 OR) zumindest teilweise ausgehebelt. Einer angemessenen Kostenbeteiligung des reinen Zustandsverursachers steht zumindest dann nichts entgegen, wenn eine Gefahrenlage, oder womöglich eine bereits bestehende Einwirkung, im Zeitpunkt des Antritts von Nutzen und Gefahr hätte erkannt werden können ‒ und vielleicht sogar tatsächlich erkannt wurde. Insbesondere bei geschäftlich erfahrenen Grundstücks‑ und Unternehmenskäufern kann nicht allein ausschlaggebend sein, ob der Zustandsverursacher bereits im Zeitpunkt der Verursachung die Herrschaft über das Grundstück oder das Unternehmen gehabt hatte. Den unterschiedlichen Graden der Verantwortlichkeit ist i.S. der bundesgerichtlichen Rspr. im Rahmen der Bemessung der Kostenanteile Rechnung zu tragen.

 

2.             Bemessung der Kostenanteile

2.1         Allgemeine Bemessungsgrundlagen

61. Die Kosten von Ersatzvornahmen sind nach h.L. und Rspr. nicht dem öffentlichen Abgaberecht zuzuordnen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2623; vgl. BGE 105 Ib 343, E. 4b betr. gesetzliche Grundlage). Es stellt sich somit die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bemessung der staatlichen Kostenforderung zu stellen sind.

62. Gygi hatte diese Kosten noch als Verwaltungsgebühren qualifiziert (kritisch dazu Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 41). Von der Sache her besteht eine Nähe auch zu den Verfahrenskosten, wie sie für das erstinstanzliche Verfahren auf Bundesebene in Art. 13 VwVK geregelt sind. Danach können für Verfügungen, unter Vorbehalt abweichender spezieller Vorschriften des Bundesrechts, eine Entscheidgebühr und gegebenenfalls Kanzleigebühren verlangt werden und für Barauslagen Ersatz oder auch ein Vorschuss. Im Unterschied zum allgemeinen Verfahrensrecht beziehen sich bei der Ersatzvornahme die Barauslagen nicht primär auf die Beweiserhebung (Feststellungskosten), sondern es stehen die Massnahmen zur Gefahrenabwehr und/oder Schadensbehebung im Vordergrund.

63. Begrenzt werden die nach einer antizipierten Ersatzvornahme überwälzbaren Kosten durch das Kostendeckungs‑ sowie das Äquivalenzprinzip (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 41). Ausser den effektiven Auslagen darf auch der Verwaltungsaufwand in Rechnung gestellt werden (Verwaltungsgericht BE, Urteil, E. 5, in: BVR 1981 369, 374; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 96, m.w.H.).

64. Im Unterschied zu diesen abgaberechtlichen Prinzipien, die eine Maximalbegrenzung vorsehen, verlangt das Verursacherprinzip eine Vollkostenüberwälzung (Seiler, Kommentar USG, Art. 2 N 82; vgl. Komm. zu Art. 3a GSchG N 43). Vorbehalten bleibt eine Finanzierung von Kernaufgaben der Ereignisdienste nach dem Gemeinlastprinzip gemäss den kt. oder kommunalen Vorschriften (Baurekursgericht ZH, Urteil vom 9. Februar 2012 [BRGE IV Nr. 0025/2012], E. 5.3.2, in: BEZ 2012 Nr. 32). Möglich ist zudem eine Reduzierung der Haftung aus Gründen der Billigkeit (BGer vom 12. Februar 1986, E. 3, in: ZBl 1987, 301 ff.; Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 29. November 2011, E. 6b), in: SOG 2011 Nr. 26).

65. Die zahlungspflichtigen Verursacher können spezifizierte Angaben zu den veranschlagten Kosten verlangen und sie haben auch die Möglichkeit, die Notwendigkeit und die Angemessenheit der von den Behörden begründeten Kosten zu bestreiten. Die Behörde darf deshalb Rechnungen Dritter nicht ungeprüft weiter belasten, vielmehr muss sie kontrollieren, ob der geltend gemachte Betrag dem tatsächlichen Aufwand entspricht und ob die Kostenansätze im Rahmen allfälliger Tarife oder der Ansätze der entsprechenden Branche liegen (Heer, Ersatzvornahme, 146; Ackermann Schwendener, Ersatzvornahme, 97; Baudepartement SG, Entscheid vom 22. August 2005, E. 2, in: GVP 2005 Nr. 105).

66. Mussten Massnahmen unter zeitlichem Druck kurzfristig angeordnet werden, so ist der zuständigen Behörde bei der Einschätzung der Gefahrenlage ein dies berücksichtigender Ermessensspielraum einzuräumen. Die Beschwerdeinstanzen auferlegen sich deshalb bei der Überprüfung der Zweck‑ und Verhältnismässigkeit der getroffenen Massnahmen Zurückhaltung. Wurde der Grundsatz der Subsidiarität gewahrt (dazu N 23 ff.), so ist nicht beachtlich, ob der Pflichtige geringere Kosten gehabt hätte (Wenger, Ersatzvornahme, 112). Aus der Kostenrechnung zu streichen sind nur offensichtlich unnötige, leichtfertig gemachte Aufwendungen (BGE 102 Ib 203, E. 6; BGer 1A.248/2002 vom 17. März 2003, E. 2.2; 2C_482/2013 vom 26. September 2013, E. 2.1; Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 29. November 2011, E. 3b/dd), in: SOG 2011 Nr. 26).

67. Nicht nach Art. 54 GSchG überwälzt werden kann ein allfälliger über die angefallenen Auslagen hinausgehender Schaden; denn Art. 54 GSchG gewährt keine haftungsrechtlichen Ansprüche (vgl. N 35 ff.).

 

2.2         Bemessung der Anteile mehrerer Verursacher

68. Wie erwähnt, besteht zwischen mehreren beteiligten Verursachern grundsätzlich keine solidarische Haftung (vgl. zu abweichenden Urteilen des BGer N 45). Die Kostenanteile sind vielmehr im Rahmen des Möglichen für jeden einzelnen beteiligten Verursacher auf der Grundlage seines subjektiven und objektiven Anteils an der Verursachung zu bemessen (BGE 102 Ib 203, E. 5b; 101 Ib 410, E. 6). Das BGer nahm dabei wiederholt Bezug auf die haftpflichtrechtliche Rückgriffsordnung gemäss Art. 50 Abs. 2 und Art. 51 Abs. 2 OR. Danach ist durch richterliches Ermessen zu bestimmen, ob und in welchem Umfang die Beteiligten Rückgriffsansprüche gegeneinander haben. In der Regel soll derjenige den Schaden tragen, der ihn durch unerlaubte Handlung verschuldet hat; nur in letzter Linie soll haftbar werden, wer ohne eigene Schuld und ohne vertragliche Verpflichtung nach Gesetzesvorschrift haftbar ist.

69. Bei der Kostenüberbindung nach einer antizipierten Ersatzvornahme verfügt die Behörde im Vergleich mit der zivilrechtlichen Kaskadenordnung über einen noch erweiterten Ermessensspielraum. So kann sie den schuldlos mitbeteiligten Verursachern selbst dann Kostenanteile zuweisen, wenn es einen Verhaltensstörer gibt, der die Kosten durch unerlaubte Handlung verschuldet hat (vgl. Trüeb, Kommentar USG, Art. 59 N 48).

70. Nähere Angaben zur Bemessung der Verursacherquoten finden sich vor allem im Zusammenhang mit der Praxis zu den Kostenverteilungsverfügungen des Altlastenrechts (VASA-Modul «Realleistungs‑ und Kostentragungspflichten nach dem Altlastenrecht», Version vom 5. Juni 2009, nur online abrufbar, über www.bafu.admin.ch). Danach sind sowohl die Art der Verursachung (Verhaltens‑ oder Zustandsverursachung) als auch das Gewicht (Haupt‑ oder Nebenursache) von Relevanz (vgl. zu weiteren Kriterien für die Kostenverteilung Frick, Verursacherprinzip, 86 ff.). Höhere Gewalt oder grobes Drittverschulden können zur Reduktion von Beteiligungsquoten führen bzw., bei einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, auch zu einer gänzlichen Kostenbefreiung. Bei der Festlegung der Quoten geht die Praxis von einer Faustregel aus, wonach der Zustandsstörer einen Anteil von 10–30 % und der Verhaltensstörer einen Anteil von 60–90 % zu tragen hat.

71. Für das Altlastenrecht wurde diese Quotenregel inzwischen durch das BGer jedoch relativiert. Eine Kostenbeteiligung von 10 % zu Lasten von Erben (Zustandsverursacher) wurde als «exzessiv» bezeichnet, sofern ihnen nicht aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Quote ihres Rechtsvorgängers (Verhaltensverursacher) zugerechnet werden kann oder sie durch die Sanierung des Standorts einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt haben oder erlangen werden (BGE 139 II 106, E. 5.4−5.6).

72. Das Kriterium des wirtschaftlichen Vorteils ist auf die Entstehungsgeschichte des Altlastenrechts zurückzuführen (vgl. den Wortlaut des alten Art. 32d Abs. 2 USG: AS 1997 1155, 1164). Bei der antizipierten Ersatzvornahme liegt keine vergleichbare rechtliche Ausgangslage vor. Dennoch zog das BGer das Argument des wirtschaftlichen Vorteils in einem erweiterten Sinne auch im Zusammenhang mit Art. 59 USG bzw. Art. 54 GSchG heran, um einen Kostenanteil von 45 % zu Lasten des reinen Zustandsverursachers zu begründen (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 7).

73. Auch in anderen Fällen lagen die den Zustandsstörern auferlegten Quoten bei antizipierten Ersatzvornahmen in der Rechtspraxis teilweise deutlich über 30 %. Begründet wurde dies in den jeweiligen Fällen mit der Verantwortung für eigene Tank‑ oder Heizungsanlagen, welche ursächlich waren für die von den Behörden zu ergreifenden Massnahmen des Gewässerschutzes. Ein polizeiwidriges Verhalten muss dabei nicht vorgelegen haben. So wurde in einem kt. Entscheid dem Zustandsstörer aufgrund einer nicht funktionierenden Überfüllsicherung trotz fehlender Verantwortung für diesen Zustand eine Quote von 40 % zugewiesen (Baudepartement AG, Entscheid vom 20. April 1994, E. 6c, in: ZBl 1996, 128 ff.). In einem anderen kt. Entscheid wurden dem schuldlosen Zustandsstörer infolge einer aussergewöhnlichen und missverständlichen Anordnung der Einfüllstützen bei den Tankanlagen, die hauptsächlich zum Vorfall beigetragen hatte, sogar zwei Drittel der Kosten auferlegt (Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 21. November 1995, E. 5, in: SOG 1995 Nr. 29). Ist dem Zustandsstörer zusätzlich ein Verschulden anzulasten, weil er den ihm obliegenden Verpflichtungen nicht nachkam, so können ihm sogar die gesamten Kosten auferlegt werden (Direktion der öffentlichen Bauten ZH, Entscheid vom 15. Oktober 1996, in: URP 1997, 165 ff.; vgl. weitere Hinweise zur Rechtspraxis bei Wagner Pfeifer, Kostentragungspflichten, 121 ff.).

74. Den Zustandsstörer können insbesondere auch hohe Kosten treffen, wenn ein Schaden durch die Einwirkung von Naturereignissen auf seine Anlage verursacht wurde und es deshalb keinen Verhaltensstörer gibt. In Härtefällen kann bei einer solchen Sachlage eine Reduzierung oder auch gänzliche Befreiung von der Kostentragung aus Billigkeitserwägungen angezeigt sein (BGer vom 12. Februar 1986, E. 3, in: ZBl 1987, 301 ff.). Grundsätzlich wird jedoch davon ausgegangen, dass der Anlageneigentümer aufgrund seiner Sachherrschaft und der Vorteile, die er aus der Nutzung seiner Anlage zieht, für die Kosten aufkommen muss, die entstehen, wenn sich ein abstraktes Gefährdungspotential ausnahmsweise einmal realisiert (Verwaltungsgericht SO, Urteil vom 26. Januar 2011, E. 6, in: SOG 2011 Nr. 26; kritisch im Zusammenhang mit der Sanierung von Abwasserleitungen Lustenberger, Gefahrenabwehr, 384).

75. Rechnung zu tragen ist anderseits aber auch der wirtschaftlichen Tragbarkeit, insbesondere bei nicht versicherten oder versicherbaren Schäden (BGE 114 Ib 44, E. 3; BGer vom 7. Oktober 1981, E. 5, in: ZBl 1982, 541 ff.). Abzulehnen ist dagegen das «Deep Pocket-Prinzip», d.h. eine Erhöhung der Kostenanteile einzelner Verursacher einzig aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft. Die Mitberücksichtigung eines solchen Kriteriums würde eine gesetzliche Grundlage erfordern. Zudem müssten die Schranken des verfassungsrechtlichen Verhältnismässigkeitsgrundsatzes bzw. des Äquivalenzprinzips gewahrt sein (vgl. BGE 130 III 225, E. 2.3).

 

D.           Verjährung und Rechtsnachfolge

1.             Verjährung der Forderung des Gemeinwesens

76. Die Verjährung von Kostenersatzansprüchen nach Art. 54 GSchG ist im Gesetz nicht geregelt. Die Verjährbarkeit auch öffentlich-rechtlicher Forderungen ist jedoch als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt (Meier, Verjährung, 23 f., m.w.H.). Das BGer hat wiederholt entschieden, dass öffentlich-rechtliche Ansprüche einer fünfjährigen Verjährung unterliegen und nicht die kurzen einjährigen Verjährungsfristen des Haftungsrechts (Art. 60 Abs. 1 ORArt. 59c Abs. 1 USG) zur Anwendung kommen (BGer vom 10. September 1996, E. 3a, in: ZBl 1997, 524 ff.; BGE 122 II 26, E. 5; 105 Ib 6, E. 3c).

77. Die Forderung des Gemeinwesens entsteht grundsätzlich bereits mit der rechtsverbindlichen Anordnung seiner Massnahmen. Da zu diesem Zeitpunkt der Umfang des Anspruchs jedoch noch nicht bekannt ist, beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist erst zu laufen, nachdem die Abwehr‑ und Schutzmassnahmen durchgeführt sind und die Abrechnung darüber vorliegt (BGer vom 17. Dezember 1980, E. 2, in: ZBl 1980, 370 ff., 371).

78. Die Frage der Verjährung einer öffentlich-rechtlichen Forderung ist vom Richter im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens von Amtes wegen zu prüfen, wenn das Gemeinwesen Gläubiger der Forderung ist (BGE 133 II 366, E. 3.3; 101 Ib 348). Der Lauf der Verjährung kann auch bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen unterbrochen werden, jedoch setzt dies voraus, dass die Handlung, welche die Verjährung unterbrechen soll, geeignet ist, das Verfahren voranzutreiben und dass sie dem Zahlungspflichtigen zur Kenntnis gebracht wird (BGer vom 10. September 1996, E. 3d, in: ZBl 1997, 524 ff.).

79. Ein Stillstand der Verjährung kommt angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Regelung aus Gründen der Rechtssicherheit nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Ein hängiges Beschwerdeverfahren bewirkt noch nicht, dass die Verjährung stillsteht (BGer vom 10. September 1996, E. 3b, in: ZBl 1997, 524 ff.).

80. Unverjährbar ist der Anspruch des Gemeinwesens auf Abwehr oder Beseitigung des polizeiwidrigen Zustandes. Dieser Anspruch besteht, solange eine unmittelbar drohende Gewässergefährdung bzw. eine Gewässerbeeinträchtigung andauert (BGE 114 Ib 44, E. 4).

 

2.             Rechtsnachfolge in die Verantwortlichkeit von Verhaltens‑ und Zustandsverursachern

81. In den meisten Fällen gibt es in der Zeit zwischen der Verursachung einer Gewässergefährdung bzw. ‑beeinträchtigung und der Durchführung von Abwehr‑ und Beseitigungsmassnahmen keine Änderungen in Bezug auf die Personen, die als Verhaltens‑ oder Zustandsstörer verantwortlich werden. Es kann aber vorkommen, dass z.B. ein unsachgemässer Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen erst nach einigen Jahren erkannt wird und zur Ergreifung gewässerschutzrechtlicher Massnahmen führt (vgl. BGE 114 Ib 44, Sachverhalt; 118 Ib 407, Sachverhalt und E. 4b). In der Zwischenzeit kann der Inhaber der tatsächlichen oder rechtlichen Gewalt geändert haben oder ein Verhaltensstörer kann verstorben sein oder sein Unternehmen veräussert haben. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wer als Verursacher zur Kostentragung heranzuziehen ist.

82. Allgemein gilt, dass die Stellung des Zustandsstörers mit der Aufgabe seiner Gewalt über die Sache endet. Der neue Inhaber der rechtlichen oder tatsächlichen Gewalt wird mit dem Erwerb seiner Rechte zum kostenpflichtigen Zustandsverursacher, auch wenn er das Grundstück oder Unternehmen mit einer bestehenden Belastung erwarb und selber keine Möglichkeit hatte, die Belastung abzuwenden (vgl. BGE 118 Ib 407, E. 4). In solchen Fällen liegt nicht eine Rechtsnachfolge vor, vielmehr handelt es sich um eine originär entstehende Rechtsbeziehung bzw. Kostentragungspflicht (BGE 139 II 106, E. 5.3.1).

83. Anders als beim Zustandsverursacher ändert beim Verhaltensverursacher die Veräusserung der Liegenschaft oder der Betriebsanlagen nichts an der Belangbarkeit des Verhaltensstörers als Verursacher. Der Käufer des betroffenen Grundstücks oder der Anlagen wird nicht selber zum Verhaltensverursacher.

84. Gehen jedoch Aktiven im Rahmen einer Universalsukzession über, so betrifft die Rechtsnachfolge auch die mit dem jeweiligen Vermögenskomplex verbundenen Passiven. So werden bei der erbrechtlichen Universalsukzession die Schulden des Erblassers zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Nicht klar entschieden ist jedoch, ob dieser erbrechtliche Schuldübergang auch für Kostenersatzforderungen des Gemeinwesens zu gelten hat.

85. Im Zusammenhang mit einer altlastenrechtlichen Kostenverteilungsverfügung entschied das BGer, dass die Kostenverantwortlichkeit des Erblassers als Verhaltensverursacher auf die Erben übergehen könne, wenn diese die Möglichkeit hatten, die Erbschaft unter öffentlichem Inventar anzunehmen oder auszuschlagen (BGer 1A.273/2005 vom 25. September 2006, E. 5.3; BGE 139 II 106, E. 5.3.2). Das BGer prüfte dabei jedoch nicht, ob die Regeln über die Anmeldung von Forderungen gegen eine verstorbene Person für die Aufnahme ins öffentliche Inventar bei einer staatlichen Kostenersatzverfügung überhaupt zum Tragen kommen. Die im Zivilrecht geregelten Folgen der Nicht-Anmeldung (Art. 589, 590 ZGB) beziehen sich nämlich nicht eo ipso auch auf öffentlich-rechtliche Forderungen. Namentlich Steuer‑ und andere abgaberechtliche Forderungen gehen nicht kraft Erbrecht, sondern kraft öffentlich-rechtlicher Steuer‑ oder Abgabesukzession auf die Erben über (BGE 132 I 117, E. 5.1; 102 Ia 483, E. 5c, 6b/dd).

86. Anderes gilt für Verpflichtungen, die sich aus einer vom Erblasser begangenen unerlaubten Handlung herleiten. Hier gilt die solidarische Erbenhaftung (Art. 603 Abs. 1 ZGB) auch für öffentlich-rechtliche Forderungen, sofern die Erben die Erbschaft angenommen haben und im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs bereits sämtliche Sachverhaltselemente erfüllt waren, welche die Schadenersatzpflicht begründen Es genügt also, wenn das rechtswidrige Handeln (oder gegebenenfalls auch ein Unterlassen) vor dem Erbgang stattfand, wohingegen der dadurch kausal verursachte Erfolg (Gewässerverunreinigung oder konkrete Gefahr einer solchen) auch erst nach dem Erbgang eingetreten sein kann (BGE 129 V 300, E. 3.1; 103 II 330, E. 3; Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Mai 2010, E. 3.4.3, in: URP 2010, 630 ff., 642 f.).

87. Bei einer Geschäftsübernahme nach Art. 181 OR wurde der Übergang einer Verpflichtung aus dem alten Art. 8 GSchG 1971 vom BGer unabhängig davon bejaht, ob der Geschäftsübernehmer vom Bestand einer solchen Schuld Kenntnis hatte (Urteil vom 29. April 1988, E. 3a, in: BVR 1988 406. Vgl. betr. den Fall einer Absorptionsfusion das Verwaltungsgericht BE, Urteil vom 20. Mai 2010 [VG 100.2009.220], E. 3.4.3, m.w.H., in: URP 2010, 630 ff.). Grundsätzliche Aussagen zur Aufteilung der Kostenverantwortlichkeit bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen lassen sich diesem Urteil allerdings nicht entnehmen. Im erwähnten Fall spielte offenbar mit, dass das übertragende Unternehmen nach erfolgter Geschäftsübertragung eine grössere Kapitalherabsetzung durchgeführt hatte. Diesbezüglich belässt das Zivilrecht den Parteien jedoch Gestaltungsspielräume. Zudem ist die rechtsdogmatische Frage der Rechtsnachfolge ungeachtet der wirtschaftlichen Leistungskraft der beteiligten Unternehmen zu beantworten.

88. Offen ist die Frage der Rechtsnachfolge auch, wenn im Zeitpunkt der Verursachung kein Gesetzesvorstoss vorlag und der Verursacher nicht erkennen konnte, dass er die Ursache für eine spätere Gewässerverunreinigung oder ‑gefährdung legte. Eine Kostenüberbindung nach Verursacherprinzip ist trotz dieser ursprünglichen Rechtmässigkeit des Verhaltens grundsätzlich zulässig (vgl. N 50 und Komm. zu Art. 3a N 21). Die Rechtsnachfolge bzw. ein Schuldübergang kraft Universalsukzession lässt sich in diesen Fällen jedoch nicht mit den Grundsätzen der unerlaubten Handlung begründen. Die Erben oder der Geschäftsübernehmer sollten daher nur kostenpflichtig werden, wenn die staatlichen Massnahmen zur Gefahrenabwehr oder Schadensbehebung schon vor dem Erbantritt durchgeführt oder zumindest rechtskräftig angeordnet waren. Denn vorher standen «weder die Zahlungspflicht als solche noch der allfällige Forderungsbetrag fest» (vgl. BGE 132 I 117, E. 7.3).

89. Diskutiert wurden und werden solche Fragen des Übergangs von Kostenverantwortlichkeiten des Verhaltensstörers durch Universalsukzession insbesondere im Zusammenhang mit der altlastenrechtlichen Kostenregelung des Art. 32d USG. Die Lehrmeinungen sind jedoch nicht einheitlich und können auch nicht unbesehen auf die Kostenfolgen einer staatlichen Ersatzvornahme übertragen werden. Die praktische Bedeutung des Themas ist bei der Ersatzvornahme allerdings geringer als im Altlastenrecht (vgl. zur Rechtslage im Altlastenrecht Wagner Pfeifer, Risiken, 148 ff., m.w.H. auf Lehre und Rechtsprechung).

E.            Zuständigkeitsfragen

1.             Örtliche und sachliche Zuständigkeit

90. Art. 54 GSchG ist systematisch als Vollzugsvorschrift (3. Titel/1. Kapitel GSchG) dem 3. Abschnitt «Besondere Bestimmungen über den Vollzug» zugeordnet und steht damit ausserhalb der Bestimmungen zum kt. Vollzug (1. Abschnitt) bzw. zum Vollzug durch den Bund (2. Abschnitt). Grundsätzlich können demnach sowohl kt. (bzw. kommunale) als auch eidg. Behörden Massnahmen zur Abwehr unmittelbarer Gefahren oder zur Feststellung und Behebung eines Schadens treffen und die daraus resultierenden Kosten auf den Verursacher überbinden.

91. Faktisch wird die Zuständigkeit zur Anordnung von Sicherungs‑ und Behebungsmassnahmen und zur anschliessenden Kostenüberbindung in aller Regel bei einer kt. bzw. kommunalen Behörde liegen. In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit ist massgeblich, in welchem Hoheitsgebiet die abzuwehrende Gefahr bzw. der zu beseitigende Schaden liegt. Möglich ist, dass Massnahmen an verschiedenen Orten getroffen werden müssen (z.B. am Ort der Emission und am Ort der Immission). Die Koordination innerhalb der Kantone ebenso wie die grenzüberschreitende Koordination mit den Nachbarkantonen obliegt primär demjenigen Kanton, in dem die Meldung einging. Art. 10 Abs. 2, 3 USG betr. Katastrophenschutzdienste und Meldepflichten sind von den unter diese Vorschrift fallenden Anlageninhabern auch im Bereich des Gewässerschutzes zu beachten. Entsprechendes gilt für die Koordination mit dem grenznahen Ausland (vgl. das Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen).

92. Für den Kostenentscheid gilt bei kantonsübergreifenden Sachverhalten keine gesetzliche Pflicht zur Koordination; die Kostenbelastung insgesamt muss jedoch namentlich das Äquivalenzprinzip wahren.

93. Der Bund verfügt über eine Vollzugszuständigkeit, wenn Vorschriften des GSchG im Zusammenhang mit der Erfüllung einer in einem anderen Bundesgesetz oder in einem Staatsvertrag geregelten Aufgabe zu vollziehen sind. Diese in Art. 48 Abs. 1 GSchG geregelte Kompetenz ist jedoch auf eidgenössische Plangenehmigungsverfahren zugeschnitten (vgl. BVGer A-3713/2008 vom 15. Juni 2011, E. 27), und nicht auf die Behebung unmittelbar drohender Gefahrensituationen. Ist ein rasches Eingreifen geboten, so werden auch bei Betroffenheit von Bundesanlagen (z.B. Nationalstrassen, Bahnlinien, Rohrleitungsanlagen) die kt. Ereignisdienste eingreifen (vgl. BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, Sachverhalt). Der zuständigen kt. Behörde obliegt gegebenenfalls die Pflicht zur Information der Nationalen Alarmzentrale (Art. 12 Abs. 2 StFV). Die Kostenersatzverfügung wird in solchen Fällen ebenfalls durch die zuständige kt. Behörde erlassen. Für Stellungnahmen und Zustimmungen des BAFU gelten die Ansätze gemäss der eidg. Gebührenverordnung (GebV-BAFU, Anhang, Ziff. 1).

 

2.             Kostenverantwortung von Verursachern mit Sitz im Ausland

94. Art. 54 GSchG äussert sich nicht zur Anwendbarkeit gegenüber ausländischen Verursachern. Nach allgemeinen Grundsätzen gilt im öffentlichen Recht das Territorialitätsprinzip. Schweizerisches Recht wird somit angewendet, wenn sich der Sachverhalt in der Schweiz ereignet hat (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 357). Ob der Verursacher seinen Wohn‑ oder Geschäftssitz in der Schweiz hat, ist nicht massgeblich. Auch ein im Ausland ansässiger Verursacher kann nach schweizerischem Recht kostenpflichtig werden (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 4).

95. Kann die Forderung gegenüber einem Verursacher mit ausländischem Domizil nicht oder nur «mittels unverhältnismässig grosser Anstrengungen» eingetrieben werden, so ist es gemäss BGer «nicht von vornherein ausgeschlossen», den nicht erhältlichen Kostenanteil auf die übrigen belangbaren, d.h. auf die in der Schweiz ansässigen, Störer zu überwälzen (BGer 1A.178/2003 vom 27. August 2004, E. 4, 7).

96. Die Begründung einer solchen solidarischen Haftpflicht durch Verwaltungspraxis ist nicht nur unter dem Aspekt des Verursacher‑, sondern auch des Legalitätsprinzips kritisch zu würdigen. Art. 54 GSchG stellt keine genügend bestimmte gesetzliche Grundlage dar für eine Ausfallhaftung zu Lasten inländischer Mitverursacher, zumal es um Beträge in nicht bloss geringer Höhe gehen kann.

 

 

Résumé

L’art. 54 LEaux complète le principe du pollueur-payeur de l’art. 3a LEaux en permettant à l’autorité de mettre à la charge de celui qui les a causés les coûts résultant des mesures prises par celle-ci. Cette disposition permet donc à l’autorité de prendre les mesures nécessaires afin de prévenir un danger imminent, dans les cas où l’injonction à la personne qui serait tenue de prendre ces mesures est inappropriée, en raison de l’urgence de la situation ou lorsque cette personne n’a pas les moyens techniques ou juridiques d’agir elle-même. L’autorité peut également prendre les mesures techniques pour établir un constat, que ce soit pour constater une pollution déjà survenue ou pour enquêter sur un danger imminent. Elle peut enfin réparer les dommages afin de rétablir une situation conforme au droit.

Les coûts de ces mesures doivent être mis à la charge des personnes qui les ont provoquées. Le Tribunal fédéral recourt aux notions de perturbateur par comportement et de perturbateur par situation pour désigner les responsables de ces mesures. Est perturbateur par comportement, celui qui cause un dommage ou une atteinte par ses actes ou ses omissions ou de ceux d’un tiers qui se trouve sous sa responsabilité. Le perturbateur par situation est celui qui dispose de la maîtrise effective ou juridique de la chose qui a violé l’ordre public. En plus de la causalité naturelle, la jurisprudence exige que ce lien de causalité soit immédiat, c’est-à-dire que ces actes aient franchi les limites du danger. En vertu de la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, il n’y a en principe pas de solidarité entre les différents perturbateurs. Toutefois, il a considéré que lorsqu’un perturbateur ne pouvait être poursuivi, sa part des coûts pouvait être reportée sur les autres perturbateurs. Lorsqu’il y a plusieurs perturbateurs, l’autorité doit répercuter les frais d’intervention sur l’ensemble des perturbateurs en tenant compte de toutes les circonstances objectives et subjectives dans la survenance du dommage, par une application analogique des principes applicables en droit de la responsabilité civile (art. 50 al. 2 et 51 al. 2 CO). Dans un premier temps, l’autorité commencera par déterminer les parts de responsabilité. Dans la pratique, on mettra à charge du perturbateur par situation 10–30 % des frais tandis que le perturbateur par situation devra supporter 60–90 % des frais. Les autorités bénéficient toutefois d’une marge d’appréciation considérable. Dans un deuxième temps, l’autorité pourra tenir compte de considérations d’équité ou des circonstances économiques, comme par exemple la capacité financière des intéressés.

Les frais de l’art. 54 LEaux doivent être qualifiés de frais de procédure et doivent respecter le principe de la couverture des frais ainsi que le principe de l’équivalence. Ces frais sont soumis à un délai de prescription de cinq ans dès le jour de l’exécution de l’intervention et la connaissance du montant des frais par l’autorité. Alors que la qualité de perturbateur par situation peut se transmettre par succession, la qualité de perturbateur par comportement ne peut pas l’être. Toutefois, les obligations financières peuvent être acquises par succession si l’héritier ne répudie pas celle-ci et pour autant qu’il ait eu la possibilité de requérir le bénéfice d’inventaire. Conformément au principe de territorialité, l’art. 54 LEaux ne peut être appliqué qu’aux événements ayant eu lieu sur le territoire suisse.

 

 

Literatur: Ackermann Schwendener Christine, Die klassische Ersatzvornahme als Vollstreckungsmittel des Verwaltungsrechts, Diss. Zürich 1999 (zit. Ersatzvornahme); Bétrix Elisabeth, Les coûts d’intervention – difficultés de mise en œuvre, in: URP 1995, 370 ff. (zit. Coûts d’intervention); Caluori Corina, Der Verursacherbegriff im Altlastenrecht – eine kritische Analyse, in: URP 2011, 541 ff. (zit. Verursacherbegriff); Chaulmontet Sébastien, Verursacherhaftungen im Schweizer Umweltrecht – eine Grundlagenstudie, unter besonderer Berücksichtigung von Art. 32bbis USG, Diss. Freiburg i.Üe. 2008 (zit. Verursacherhaftungen); Cummins Mark, Kostenverteilung bei Altlastensanierungen – Ausgleich unter Störern und Gemeinwesen im Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem und privatem Recht, Diss. Zürich 1999 (zit. Kostenverteilung); Frick Martin, Das Verursacherprinzip in Verfassung und Gesetz, Diss. Bern 2003 (zit. Verursacherprinzip); Griffel Alain, Bundesgericht, I. öffentlich-rechtliche Abteilung, Urteil vom 29. November 2012 (1C_231/2012), BGE Publikation vorgesehen, in: URP 2013, 14 ff. (zit. Anmerkungen BGer 1C_231/2012); Heer Balthasar, Die Ersatzvornahme als verwaltungsrechtliche Sanktion, Diss. Zürich 1975 (zit. Ersatzvornahme); Locher Alexander, Verwaltungsrechtliche Sanktionen – rechtliche Ausgestaltung, Abgrenzung und Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien, Diss. Zürich 2013 (zit. Sanktionen); Lustenberger Erik, Gefahrenabwehr und Kostenpflicht am Beispiel der Sanierung privater und öffentlicher Kanalisationen, in: URP 2009, 370 ff. (zit. Gefahrenabwehr); Meier Thomas, Verjährung und Verwirkung öffentlich-rechtlicher Forderungen, Diss. Freiburg i.Üe. 2013 (zit. Verjährung); Ogg Marcel, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Diss. Zürich 2001 (zit. Sanktionen); Rey Heinz, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich 2008 (zit. Haftpflichtrecht); Tschannen Pierre/Frick Martin, Der Verursacherbegriff nach Art. 32d USG – La notion de personne à l’origine de l’assainissement selon l’art. 32d LPE – Ergebnisse eines zuhanden des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verfassten Gutachtens, in: URP 2003, 286 ff. (zit. Verursacherbegriff); Wacke Gerhard/Drews Bill, Allgemeines Polizeirecht – Ordnungsrecht der Länder und des Bundes – dargestellt für Verwaltungsbeamte und das wissenschaftliche Studium, 7. Aufl., Berlin 1961 (zit. Polizeirecht); Wagner Pfeifer Beatrice, Neue Risiken bei Fusion, Spaltung und Unternehmenskauf als Folge neuer Bewilligungs‑ und Sicherstellungspflichten für Altlasten-Grundstücke, in: SZW 2014, 136 ff. (zit. Risiken); Wenger Peter, Die verwaltungsrechtliche Ersatzvornahme gegenüber dem Bürger – eine vergleichende Darstellung des schweizerischen und deutschen Rechtszustandes, Diss. Basel 1975 (zit. Ersatzvornahme).

Dizdarevic-Hasic Azra

 

Gebühren des Bundes

1         Der Bund erhebt eine Gebühr für seine Bewilligungen und Kontrollen sowie für seine besonderen Dienstleistungen nach diesem Gesetz.

2         Der Bundesrat bestimmt die Ansätze.

Emoluments fédéraux

1         La Confédération perçoit des émoluments pour les autorisations qu’elle délivre, les contrôles qu’elle effectue, ainsi que pour les prestations spéciales qu’elle fournit conformément à la présente loi.

2         Le Conseil fédéral fixe le tarif des émoluments.

Tasse federali

1         La Confederazione riscuote una tassa per le autorizzazioni, i controlli e le prestazioni speciali che fornisce secondo la presente legge.

2         Il Consiglio federale ne fissa la tariffa.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 7
A. Gebührenpflicht (Abs. 1) 7
B. Bemessung der Gebühren 11
C. Rechtsprechung 19

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1971 enthielt keine Bestimmung betreffend die Gebührenerhebung durch den Bund. Die Bestimmung wurde im Rahmen der Totalrevision des Gewässerschutzgesetzes vom BR als Art. 54 GSchG vorgeschlagen (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1197) und in den endgültigen Gesetzestext als Art. 55 GSchG unverändert aufgenommen (vgl. BBl 1991 I 250, 266).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Art. 55 GSchG bildet die gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Gebühren durch den Bund im Anwendungsbereich des Gewässerschutzgesetzes. Die Kantone können für ihre Tätigkeit ebenfalls Gebühren erheben; dies auf Grundlage des kantonalen Rechts.

3. Gebühren sind eine Unterart von öffentlichen Abgaben. Sie gehören zu den sogenannten Kausalabgaben, welche als Gegenleistung für eine bestimmte staatliche Leistung oder einen besonderen Vorteil erhoben werden (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2625). Die Kausalabgaben unterscheiden sich von Steuern, welche «voraussetzungslos» geschuldet sind und dem Gemeinwesen unabhängig von einer spezifischen Gegenleistung oder einem besonderen Vorteil zu entrichten sind (vgl. Biaggini, Kommentar BV, Art. 127 N 5).

4. Im Abgabenbereich gilt ein strenges Legalitätsprinzip. Dieses ist in Art. 127 Abs. 1 BV ausdrücklich verankert. Auf Gesetzesebene müssen mindestens der Kreis der Abgabepflichtigen, der Gegenstand und die Bemessungsgrundlage der Abgabe festgelegt sein. Es handelt sich um ein verfassungsmässiges Individualrecht (Biaggini, Kommentar BV, Art. 127 N 3). Zwar gilt diese Bestimmung ausdrücklich für Steuern, jedoch ist sie gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts auch im Bereich der Kausalabgaben anwendbar (vgl. Biaggini, Kommentar BV, Art. 127 N 5 m.w.H. auf die Rechtsprechung; Vallender/Wiederkehr, St. Galler Kommentar, Art. 127 N 54 m.w.H.). Allerdings wurde das Legalitätsprinzip im Bereich der Kausalabgaben durch die Rechtsprechung gelockert (vgl. dazu N 11−14).

5. Im Bereich der Kausalbgaben wird generell zwischen Verwaltungs‑, Benutzungs‑ und Konzessionsgebühren unterschieden. Die Gebühren für die Bewilligungserteilung, Durchführung von Kontrollen oder besondere Dienstleistungen des Bundes nach Art. 55 GSchG sind in die Kategorie der Verwaltungsgebühren einzuordnen. Sie stellen das Entgelt für eine staatliche Tätigkeit dar (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2627).

6. Da die allgemeine Vollzugskompetenz des Gewässerschutzgesetzes bei den Kantonen liegt (vgl. Art. 45 GSchG) und der Bund den Vollzug nur insoweit übernimmt, als ihm der Vollzug aufgrund eines anderen Bundesgesetzes, einer völkerrechtlichen Vereinbarung oder eines Beschlusses obliegt (vgl. Art. 48 GSchG sowie Art. 45 Abs. 2 GSchV), ist die Bedeutung von Art. 55 GSchG mit Bezug auf Bewilligungen und Kontrollen des Bundes gering. Eine gewisse Bedeutung kommt Art. 55 GSchG in Bezug auf die Gebühren für besondere Dienstleistungen des Bundes im Rahmen von Stellungnahmen und Anhörungen (Art. 35 Abs. 3 GSchG) oder Dienstleistungen im Bereich Hydrologie (Art. 57 GSchG) zu.

III.        Kommentierung

A.           Gebührenpflicht (Abs. 1)

7. Art. 55 Abs. 1 GSchG umschreibt den Gegenstand bzw. das Objekt der Gebührenerhebung durch den Bund im Anwendungsbereich des Gewässerschutzgesetzes. Das Gesetz nennt in abschliessender Art und Weise Amtshandlungen, für welche Gebühren erhoben werden. Es sind dies Verfügungen, Kontrollen und besondere Dienstleistungen.

8. Im Rahmen ihrer Vollzugskompetenzen erlassen Bundesbehörden Verfügungen und führen Kontrollen durch (vgl. Art. 48 GSchG). Für den Begriff der Verfügung kann auf Art. 5 Abs. 1 und 2 VwVG abgestellt werden. Darunter fallen insbesondere auch sämtliche Formen von Bewilligungen. Sowohl periodische Kontrollen (vgl. z.B. Art. 15 Abs. 2 GSchG) als auch die vom Kontrollierten verursachten Kontrollen (vgl. z.B. Art. 36 GSchG) sind gebührenpflichtig (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 48 N 15).

9. Gebührenpflichtig sind auch besondere Dienstleistungen wie das Benützen hydrologischer Einrichtungen, das Erstellen von Prüfberichten sowie das Ausarbeiten von Gutachten und Expertisen durch Fachstellen (Botschaft GSchG 1987, 1151).

10. Eine Umschreibung des Gebührenpflichtigen bzw. des Subjekts findet sich nicht in Art. 55 Abs. 1 GSchG. Für die Bestimmung des Gebührenpflichtigen kommt das allgemein im Umweltrecht geltende und ausdrücklich in Art. 3a GSchG verankerte Verursacherprinzip zur Anwendung. Die Gebührenpflicht entsteht, wenn eine Amtshandlung durch einen Antrag des Einzelnen ausgelöst wird (z.B. Antrag auf Erteilung einer Bewilligung), oder die Amtshandlung von Amtes wegen vorgenommen wird, weil der Einzelne durch sein Verhalten Anlass dazu gegeben hat oder die Amtshandlung wenigstens teilweise in seinem Interesse liegt (z.B. Entzug einer Bewilligung; vgl. Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 57 N 22). Für Amtshandlungen in Form von Verfügungen und Dienstleistungen ist das Verursacherprinzip bei Gebührenerhebung durch Bundesberhörden zusätzlich in Art. 2 Abs. 1 AllgGebV ausdrücklich festgehalten.

 

B.            Bemessung der Gebühren

11. Art. 55 Abs. 2 GSchG delegiert die Bestimmung der Gebührenhöhe an den BR. Diese Delegation hält gemäss Rechtsprechung vor dem abgaberechtlichen Legalitätsprinzip Stand, soweit die Abgabenhöhe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien, d.h. das Kostendeckungs‑ und das Äquivalenzprinzip begrenzt wird und diese Schutzfunktion nicht alleine durch den Gesetzesvorbehalt erfüllt wird (vgl. BGE 140 I 176, E. 5.2 m.w.H.).

12. Damit die Gebühren das Kostendeckungsprinzip einhalten, darf der Gesamtertrag der Gebühren die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges nicht oder nur geringfügig übersteigen (vgl. BGE 140 I 176, E. 5.2). Ein Verwaltungszweig umfasst dabei die sachlich zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2637). Somit sind gewisse Schematisierungen und Pauschalisierungen zulässig (vgl. BGE 132 II 371, E. 2.1)

13. Das Äquivalenzprinzip konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip, das Gleichheitsgebot und das Willkürverbot im Abgabenbereich (vgl. BGE 140 I 176, E. 5.2 m.w.H.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2642). Es bedeutet, dass die Höhe der Gebühr im Einzelfall nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert stehen darf, den die staatliche Leistung hat und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss (BGE 135 I 130, E. 2).

14. Diese verfassungsmässigen Prinzipien dienen der Überprüfbarkeit der Gebührenhöhe auf ihre Verfassungsmässigkeit und bilden somit mit Bezug auf die Bemessung der Gebühren ein Surrogat für eine ungenügende gesetzliche Grundlage (BGE 122 I 279, E. 6a). Die Festlegung des Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstands der Abgabe (Subjekt und Objekt) muss in jedem Fall im Gesetz im formellen Sinne erfolgen (Wiederkehr/Richli, Verwaltungsrecht, N 1319; Biaggini, Kommentar BV, Art. 127 N 6).

15. Der BR machte von seiner Kompetenz Gebrauch in der GebV-BAFU. Den Gegenstand der Verordnung bilden allerdings lediglich die Gebühren für Verfügungen und Dienstleistungen des BAFU (Art. 1 Abs. 1 GebV-BAFU), während die Bemessung der Gebühren für Kontrollen des BAFU sowie der Gebühren für Amtshandlungen anderer Bundesbehörden nicht Regelungsgegenstand sind.

16. Art. 4 GebV-BAFU legt die Grundsätze der Gebührenbemessung fest. Danach werden die Gebühren entweder nach festen Gebührenansätzen (Abs. 1 Bst. a), nach Aufwand innerhalb der festgelegten Gebührenrahmen (Abs. 1 Bst. b) oder nach Aufwand (Abs. 1 Bst. c) bemessen. Für die Bemessung nach Aufwand gilt ein bestimmter Stundenansatz (Abs. 2). Die Gebührenansätze, der Gebührenrahmen und der Stundensatz werden vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) periodisch an die Teuerung angepasst (Art. 5 GebV-BAFU). Im bestimmten Rahmen sind Gebührenzuschläge bei dringlichen Ersuchen, bei ungewöhnlich hohem Aufwand sowie bei Beauftragung Dritter zulässig (Art. 6 GebV-BAFU). Damit folgt Art. 4 GebV-BAFU – mit gewissen Pauschalisierungen – dem Kostendeckungsprinzip.

17. Im Anwendungsbereich des GSchG sind Gebührensätze und ‑rahmen für Stellungnahmen des BAFU bei Anhörungen zur Bestimmung der Dotierwassermenge bei Entnahmen für Wasserkraftanlagen mit einer Bruttoleistung über 300 kW (Art. 35 Abs. 3 GSchG), bei Stellungnahmen im Rahmen des Vollzugs durch den Bund (Art. 48 Abs. 1 GSchG) sowie für Dienstleistungen im Bereich Hydrologie nach Art. 57 GSchG im Anhang der GebV-BAFU festgelegt. Im Übrigen finden die Regeln der AllgGebV Anwendung (vgl. Art. 2 GebV-BAFU).

18. Die Bemessung der Gebühren für Kontrollen des BAFU sowie für Verfügungen und Dienstleistungen anderer Bundesbehörden im Anwendungsbereich des GSchG richten sich ebenfalls nach den Regeln der AllgGebV. Gemäss Art. 4 AllgGebV werden die Gebühren so bemessen, dass das Kostendeckungsprinzip eingehalten wird.

 

C.           Rechtsprechung

19. Es exisitiert keine publizierte Rechtsprechung zu Art. 55 GSchG.

 

 

Résumé

L’art. 55 LEaux constitue la base légale pour la perception d’émoluments fédéraux dans le champ d’application de la LEaux. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, le principe de légalité s’applique également aux taxes causales, dont les émoluments font partie.

L’al. 1 de l’art. 55 LEaux définit l’objet de la perception de l’émolument. Ainsi, en vertu de cet alinéa, les émoluments peuvent être perçus par la Confédération pour les autorisations qu’elle délivre, les contrôles qu’elle effectue et pour les prestations spéciales qu’elle fournit. La détermination de l’assujetti à l’émolument se fait conformément au principe du pollueur-payeur inscrit à l’art. 3a LEaux. L’assujettissement aux émoluments se déclenche par un acte officiel suite à la requête d’un particulier (comme par ex. une demande d’autorisation) ou directement par l’autorité si le particulier, de par son comportement, a donné à l’autorité un motif d’agir ou si l’exécution est partiellement dans son intérêt.

L’al. 2 de cet article délègue la détermination du montant de la taxe au Conseil fédéral. Le Conseil fédéral a fait usage de cette compétence en adoptant l’OEmol-OFEV. L’art. 4 OEmol-OFEV fixe les principes applicables pour le calcul des émoluments. En vertu de cette disposition, les émoluments sont calculés selon des taux d’émoluments fixes, selon l’investissement dans les limites du tarif cadre ou selon l’investissement dans tous les autres cas. En outre, les dispositions sur l’OGEmol sont applicables (cf. art. 2 OEmol-OFEV).

 

 

Literatur: Wiederkehr René/Richli Paul (Hrsg.), Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts – eine systematische Analyse der Rechtsprechung, Band I, Bern 2012 (zit. Verwaltungsrecht).

Galbraith Lousia

 

Interkantonale Gewässer

1         Berührt ein ober‑ oder ein unterirdisches Gewässer das Gebiet mehrerer Kantone, so hat jeder Kanton diejenigen Massnahmen zu treffen, die zum Schutz dieses Gewässers und im Interesse der anderen Kantone notwendig sind.

2         Können sich die Kantone über die Massnahmen nicht einigen, so entscheidet der Bundesrat.

Eaux intercantonales

1         Lorsqu’une eau superficielle ou une eau souterraine est commune à plusieurs cantons, chaque canton prendra les mesures qu’imposent la protection de cette eau et les intérêts des autres cantons.

2         A défaut d’accord entre les cantons sur les mesures à prendre, le Conseil fédéral tranche.

Acque intercantonali

1         Quando acque superficiali o sotterranee toccano il territorio di più Cantoni, ciascun Cantone prende i provvedimenti che s’impongono per proteggerle, tenuto conto dell’interesse degli altri Cantoni.

2         Se i Cantoni non si accordano sulle misure da prendere, il Consiglio federale decide.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II. Allgemeine Bemerkungen ​4
III. Kommentierung ​6
A. Interkantonale Gewässer (Abs. 1) ​6
1. Gegenstand ​6
2. Massnahmen ​7
​3. ​Koordination der Massnahmen und Zusammenarbeit ​9
​B. ​Uneinigkeit (Abs. 2) 13

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Im GSchG 1955 fand sich die Bestimmung zu den interkantonalen Gewässern in Art. 7. Der erste Satz von Art. 7 Abs. 1 GSchG 1955 entsprach weitestgehend dem heutigen Art. 56 Abs. 1 GSchG. Im zweiten Satz war vorgesehen, dass der Bund interkantonale Vereinbarungen über gemeinsame Massnahmen und deren Koordination fördern sollte. Obwohl das Instrument der interkantonalen Vereinbarung als Grundlage für die Verständigung zwischen den Kantonen angesehen wurde, sollte es keine zwingende Voraussetzung für die Durchführung erforderlicher interkantonaler Massnahmen zur Sanierung von Gewässern sein. Eine formelle Vereinbarung sollte nur in denjenigen Fällen abgeschlossen werden, in denen dies notwendig war, um Verzögerungen bei der Vornahme allfälliger Massnahmen zu verhindern. Im Entwurf zum GSchG 1955 war dem Bund zudem die Genehmigung solcher Vereinbarungen vorbehalten. Diese Bestimmung wurde jedoch nicht ins Gesetz aufgenommen (Botschaft GSchG 1954, 340). Art. 7 Abs. 2 GSchG 1955 ermächtigte das Bundesgericht, im Falle von Streitigkeiten zwischen den Kantonen zu entscheiden.

2. Mit der Revision des GSchG im Jahre 1971 wurde die Bestimmung über interkantonale Gewässer in Art. 11 GSchG 1971 verschoben. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft wurde der Inhalt der alten Norm sinngemäss übernommen (Botschaft GSchG 1970, 448). Trotzdem fällt beim direkten Vergleich der beiden Normen auf, dass die Bestimmung über die Förderung von interkantonalen Vereinbarungen durch den Bundesrat eine massgebliche Änderung erfahren hat. Neu konnte der Bund gemäss Art. 11 Abs. 2 GSchG den Abschluss interkantonaler Vereinbarungen verlangen. Diese Änderung im Entwurf wurde im Zuge der nationalrätlichen Diskussion kritisiert: Die Möglichkeit, eine Vereinbarung verlangen zu können, stehe im Widerspruch zur freiwilligen Natur von Vereinbarungen (Votum Krummenacher, AB 1971 N 687 f.). Für die Änderung im Sinne des Entwurfs sprach, dass der Vollzug des alten Gewässerschutzgesetzes durch die Kantone in sehr unterschiedlichen Ausprägungen und teilweise ungenügend erfolgte (Votum Binder, AB 1971 N 688). Der neue Wortlaut wurde schliesslich vom Nationalrat angenommen. Eine weitere kleinere Änderung ergab sich zudem bei der Bestimmung zu den Streitigkeiten zwischen den Kantonen: Diese wurde mit einem Hinweis auf den massgeblichen Artikel im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege versehen (Botschaft GSchG 1970, 448).

3. Im Zuge der Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1991 wurde die Norm zu den interkantonalen Gewässern redaktionell neu formuliert und in den heutigen Art. 56 GSchG verschoben. Wiederum wurde der Inhalt der alten Norm sinngemäss übernommen (Botschaft GSchG 1987, 1150). Der Begriff der interkantonalen Vereinbarung findet sich in der neuen Bestimmung nicht mehr. Bei Streitigkeiten entscheidet gemäss Abs. 2 zudem neu der Bundesrat und nicht mehr das Bundesgericht.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Die Kompetenzverteilung gemäss Art. 45 und Art. 46 GSchG sieht vor, dass die Kantone das Gewässerschutzgesetz vollziehen, während der Bund die Aufsicht und die Koordination übernimmt. Das Verhältnis zwischen den Kantonen wird in Art. 56 GSchG geregelt (vgl. Komm. zu Art. 56 GSchG). Bereits in der Botschaft zum GSchG 1955 wurde erkannt, dass sich Gewässerverunreinigungen über Landes‑ und Kantonsgrenzen hinaus auswirken und aus diesem Grunde im Bereich des Gewässerschutzes sowohl internationale als auch interkantonale Zusammenarbeit und Koordination vonnöten ist (Botschaft GSchG 1954, 334). Art. 56 GSchG ist Ausfluss dieser Erkenntnis und regelt das Verhältnis der Kantone untereinander im Hinblick auf den Schutz von Gewässern, die auf dem Gebiet mehrerer Kantone liegen oder diese durchfliessen (Botschaft GSchG 1954, 340). Der Umgang mit interkantonalen Gewässern ist des Weiteren auch in Art. 24 BGF, in Art. 6 WRG sowie in Art. 5 WBG geregelt.

5. Zum Schutze der internationalen Gewässer bestehen zahlreiche Staatsverträge, welche die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten regeln. Die meisten dieser Abkommen schaffen eine Kommission, bestehend aus Experten und Vertretern der beteiligten Länder, welche die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Gewässerschutz übernimmt. Für den Bodensee besteht beispielsweise das Übereinkommen über den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigung vom 27. Oktober 1960. Die Kantone St. Gallen, Thurgau und Graubünden sind zusammen mit Vertretern des Bundes als Schweizer Delegation an der im Jahre 1959 gegründeten Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) beteiligt (zu den Aufgaben und Tätigkeitsbereichen der IGKB siehe Flühler/Guhl/Wyler, Bodenseeraum, 87 ff.). Der Schutz des Rheins ist im Übereinkommen zum Schutz des Rheins vom 12. April 1999 geregelt. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins übernimmt alle Aufgaben im Sinne des Übereinkommens. Ein weiteres internationales Abkommen (Abkommen Genfersee 1962) regelt den Schutz des Genfersees und bildet zugleich den Gründungsakt der Commission pour la protection des eaux du Léman (CIPEL). Zum Schutze schweizerisch-italienischer Gewässer wurde die Commissione Internazionale per la Protezione delle Acque Italo-Svizzere (CIPAIS) gegründet. Diese stützt sich auf das Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über den Schutz der schweizerisch-italienischen Gewässer gegen Verunreinigungen vom 20. Ap-ril 1972.

 

III.        Kommentierung

A.           Interkantonale Gewässer (Abs. 1)

1.             Gegenstand

6. Art. 56 Abs. 1 GSchG bezieht sich auf ober‑ oder unterirdische Gewässer, welche das Gebiet mehrerer Kantone berühren. Die Begriffe des ober‑ bzw. unterirdischen Gewässers sind im Sinne von Art. 4 Bst. a und b GSchG zu verstehen (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG). Die explizite Nennung der unterirdischen Gewässer soll sicherstellen, dass neben Seen und Flüssen auch Grundwasserströme von der Norm erfasst werden (AB S 1954 200). Ursprünglich waren im Rahmen von Art. 56 Abs. 1 GSchG nur die Interessen der Nachbarkantone zu berücksichtigen. Diese Regelung wurde insbesondere wegen der längeren Flüsse als zu eng empfunden und dahingehend geändert, dass die Anliegen aller interessierten Kantone beachtet werden müssen (AB S 1954 200).

 

2.             Massnahmen

7. Im Rahmen von Art. 56 Abs. 1 GSchG haben die Kantone Massnahmen zu treffen, die zum Schutze der interkantonalen Gewässer und der Interessen der anderen Kantone notwendig sind. Zudem enthält die Norm implizit die Pflicht der Kantone zur Zusammenarbeit untereinander und zur Koordination ihrer Massnahmen. Das BGer verweist im Zusammenhang mit Art. 56 Abs. 1 GSchG auf Art. 24bis BV 1874 (heute Art. 76 BV), wonach die Wasservorkommen unter Berücksichtigung der gesamten Wasserwirtschaft «haushälterisch genutzt und geschützt werden sollen» (BGE 120 Ib 233, E. 6c). Unter den Begriff der Massnahmen im Sinne der Gewässerschutzgesetzgebung fallen gemäss BAFU «alle zielgerichteten Tätigkeiten, die konzeptioneller, strategisch-planerischer, baulicher oder betrieblicher Natur sein können». Das Koordinationsgebot bezieht sich sowohl auf konkrete Einzelmassnahmen, als auch auf übergeordnete Planungen (BAFU, Koordination, 46 f.). Art. 56 Abs. 1 GSchG umfasst somit sämtliche Massnahmen im Sinne des Gewässerschutzgesetzes. Ein typischer Anwendungsfall von Art. 56 Abs. 1 GSchG besteht bei der Verschmutzung eines interkantonalen Gewässers: Der verursachende Kanton muss in Absprache und Zusammenarbeit mit den betroffenen Kantonen Sanierungsmassnahmen einleiten (Botschaft GschG 1954, 340).

8. Koordinationsbedürftige Massnahmen sind beispielsweise die Bewilligung der Einleitung oder Ableitung von verschmutztem Abwasser in ein Gewässer oder in die Kanalisation (Art. 7 Abs. 1 GSchG), die Erstellung eines regionalen oder generellen Entwässerungsplanes (Art. 7 Abs. 3 GSchG) oder der Bau und Betrieb von Kanalisation und Abwasserreinigungsanlagen (Art. 10 GSchG). Auch bei der Einteilung eines Gebietes in Gewässerschutzbereiche sowie bei der Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen und Grundwasserschutzarealen könnte eine Zusammenarbeit vonnöten sein (BAFU, Koordination, 46 f.).

 

3.             Koordination der Massnahmen und Zusammenarbeit

9. Art. 56 Abs. 1 GSchG beinhaltet implizit die Aufforderung an die Kantone, die obengenannten Massnahmen untereinander zu koordinieren und beim Schutz der interkantonalen Gewässer zusammenzuarbeiten (Botschaft GSchG 1954, 340). Das Bundesgericht verweist im Zusammenhang mit Art. 56 Abs. 1 GSchG auch auf eine allgemeine Pflicht der Kantone zur Zusammenwirkung (BGE 120 Ib 233, E. 6c, mit Verweis auf die Kommentierung zu Art. 3 BV von Peter Saladin, wonach das Prinzip des Föderalismus eine Pflicht der Kantone zum Zusammenwirken mit dem Bund sowie auch in der Beziehung untereinander umfasst. Diese Pflicht schliesse unter anderem die wechselseitige Information und Konsultation, die gegenseitige administrative Unterstützung und die Zusammenarbeit in der Planung ein [Saladin, Kommentar BV 1874, Art. 3 N 34]). Die Zusammenarbeit der Kantone mittels interkantonalen Verträgen hat ihre verfassungsmässige Grundlage in Art. 48 BV, wonach die Kantone «gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen» und «Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen» können. Im Raumplanungsrecht (Art. 7 RPG) besteht bereits seit längerer Zeit ein allgemeines Koordinationsgebot in Bezug auf raumwirksame Tätigkeiten. Mit Art. 46 Abs. 1 GSchV wurde ein solches konkretes Gebot speziell für den Wasserbereich geschaffen (BAFU, Koordination, 7). Die Kantone sind demnach dazu verpflichtet, die Massnahmen nach der GSchV soweit erforderlich aufeinander und mit Massnahmen aus anderen Bereichen abzustimmen sowie für eine Koordination der Massnahmen mit den Nachbarkantonen zu sorgen.

10. Das Erfordernis der interkantonalen Zusammenarbeit im Bereich des Gewässerschutzes hat auch in die Gesetzgebung einiger Kantone Einzug erhalten. Das GSchG BL hält beispielsweise in § 2 fest: «Der Kanton arbeitet beim Gewässerschutz mit den Gemeinden, den Nachbarkantonen und dem angrenzenden Ausland zusammen. Er informiert die Gemeinden und die Nachbarn über sie betreffende Angelegenheiten und sorgt wenn nötig für Koordination». Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 6 Bst. d GewG FR. Die Kantone ZH, SG und UR (u.a.) sehen in den kantonalen Erlassen explizit die Möglichkeit zum Abschluss von interkantonalen Vereinbarungen vor (Zürich: § 57 Abs. 2 EG GSchG ZH; St. Gallen: Art. 55 GSchVG SG; Uri: Art. 25 Schadenabwehrverordnung UR).

11. Die Koordination von Massnahmen unter den Kantonen erfolgt oftmals über interkantonale Vereinbarungen. Der Kanton ZH beispielsweise hat bereits früh begonnen, seine Gewässerschutzmassnahmen mit anderen Kantonen abzustimmen: Es bestehen Verträge mit den Kantone SH (1957), AG und TG (beide 1972). Diese drei Verträge haben jeweils den Bau und den Betrieb von gemeinsamen Kläranlagen zum Gegenstand und stützen sich allesamt explizit auf Art. 56 GSchG. Die Kantone BS und BL haben ein ähnliches Abkommen geschlossen, das den Bau und den Betrieb von gemeinsamen Abwasserreinigungsanlagen sowie Haftungsfragen bei durch die Einleitung verunreinigter Abwässer verursachten Schäden regelt (Art. 1, 3 und 14 Vertrag Gewässerschutz BS/BL). Ein weiteres Beispiel für die kantonale Zusammenarbeit im Gewässerschutz bilden die über 15 interkantonalen Vereinbarungen, mit denen der Kanton SG seine Gewässerschutzmassnahmen (vor allem den Bau und Betrieb von Abwasserreinigungs‑ und Kehrichtverwertungsanlagen) mit anderen Kantonen abstimmt.

12. Einige Kantone koordinieren ihre Massnahmen untereinander, ähnlich wie die Anrainerstaaten von internationalen Gewässern, über eigens dafür geschaffene, gemeinsame Stellen: Die Kantone LU, UR, SZ, OW und NW schlossen bereits 1985 gestützt auf Art. 11 GSchG 1971 (heutiger Art. 56 GSchG) eine Vereinbarung über gemeinsame Gewässerschutzvorkehren für den Vierwaldstättersee und gründeten damit die «Aufsichtskommission Vierwaldstättersee» (AKV). Die Kommission, in welcher Delegierte aller fünf Kantone vertreten sind, «fördert aktiv die Zusammenarbeit der Kantone, führt Untersuchungen durch und berät die Kantonsregierungen bezüglich Gewässerschutzmassnahmen im gesamten Einzugsgebiet des Sees» (Art. 3 Vertrag Vierwaldstättersee). Die Kantone LU, SZ und ZG koordinieren ihre Massnahmen über den Gewässerschutzverband der Region Zugersee-Küssnachtersee-Ägerisee (GVRZ), bei welchem alle Anstössergemeinden Mitglieder sind. Zum Schutz der Aare wurde 1964 von Vertretern der Kantone AG, BE und SO die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare gegründet. Es handelt sich dabei um einen Verein nach Art. 60 ff. ZGB, in dessen Vorstand jeder der drei Kantone vertreten sein muss (Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare, Statuten, 4.7).

 

B.            Uneinigkeit (Abs. 2)

13. Art. 56 Abs. 2 GSchG kommt zur Anwendung, falls sich die Kantone über Massnahmen nach Abs. 1 nicht einigen können. Diese Bestimmung ist Ausfluss von Art. 76 Abs. 5 BV, wonach der Bund entscheidet, wenn sich die Kantone über Rechte an interkantonalen Wasservorkommen uneinig sind. Es handelt sich dabei um einen Anwendungsfall der Bundesaufsicht im Sinne von Art. 44 und 49 BV (Marti, St.Galler Kommentar, Art. 76 N 25). Im Falle von Uneinigkeit soll gemäss Art. 56 Abs. 2 GSchG subsidiär der Bundesrat über die Massnahmen im Sinne des GSchG entscheiden.

14. Konflikte sind beispielsweise denkbar, wenn ein Kanton verunreinigende Stoffe in ein Gewässer einleitet, aus welchem andere Kantone ihr Trinkwasser beziehen. Solche Konflikte werden in der Regel dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend von den betroffenen Kantonen untereinander gelöst. Art. 56 Abs. 2 GSchG kommt in der Praxis somit kaum Bedeutung zu. Die bereits oben vorgestellten interkantonalen Vereinbarungen enthalten allesamt besondere Bestimmungen für das Vorgehen im Falle von Streitigkeiten. Alle Verträge schreiben zunächst bilaterale resp. multilaterale Verhandlungen vor, bevor Art. 56 Abs. 2 GSchG zur Anwendung gelangt (Art. 8 Vertrag Vierwaldstättersee; Art. 19 Vertrag Gewässerschutz BS/BL). Die Verträge des Kantons ZH sehen nach Scheitern von Verhandlungen zwischen den Kantonen die Anrufung eines Schiedsgerichtes vor (Art. 5 Vertrag Kläranlage AG/ZH).

 

 

Résumé

L’art. 56 al. 1 LEaux règle les rapports entre les cantons dans les cas où une eau est commune à plusieurs cantons. Ces derniers doivent selon cet alinéa prendre les mesures qu’imposent la protection de l’eau et qui sont dans les intérêts des autres cantons. Cela implique un devoir de coordination pour les mesures prises en vertu de la LEaux ainsi qu’une obligation de coopération pour la protection de l’eau. Dans ce cadre, les cantons concluent souvent des conventions intercantonales.

L’art. 56 al. 2 LEaux donne la compétence décisionnelle au Conseil fédéral en cas de divergences entre les cantons. Toutefois, cet alinéa ne revêt guère d’importance dans la pratique vu que les conventions intercantonales prévoient en principe des dispositions spécifiques en matière de règlement des différents.

 

 

Literatur: Flühler Nadja/Guhl Caroline/Wyler Eva, Grenzüberschreitende Kooperationsformen des Gewässerschutzes im Bodenseeraum, in: Schindler Benjamin/Tschudi Hans Martin (Hrsg.), Umwelt und Verkehr im Bodenseeraum, Zürich/St. Gallen 2013, 78 ff. (zit. Bodenseeraum).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Arbeitsgemeinschaft Zum Schutz der Aare, Statuten, <http://www.aare-asa.ch/fileadmin/website/sujet-bilder/Dokumente/Statuten_ASA_2009.pdf>, 13.6.2009 (zit. Statuten).

2. Kapitel: Grundlagenbeschaffung

Iten Berenice

 

2. Kapitel: Grundlagenbeschaffung/Chapitre 2: Etudes de base

 

Aufgaben des Bundes

1         Der Bund führt Erhebungen von gesamtschweizerischem Interesse durch über:

a.       die hydrologischen Verhältnisse;

b.       die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer;

c.       die Trinkwasserversorgung;

d.      andere Belange des Gewässerschutzes.

2         Er kann sich an der Entwicklung von Anlagen und Verfahren, mit denen der Stand der Technik im allgemeinen Interesse des Gewässerschutzes, insbesondere durch Massnahmen an der Quelle, erhöht wird, finanziell beteiligen.

3         Er stellt die Ergebnisse und die Auswertung der Erhebungen Interessierten zur Verfügung.

4         Der Bundesrat regelt die Durchführung der Erhebungen und ihre Auswertung.

5         Die Bundesstellen erlassen fachtechnische Weisungen und beraten die Erhebungsstellen. Sie können gegen Rechnung hydrologische Arbeiten für andere durchführen oder ihre Geräte für solche Arbeiten zur Verfügung stellen.

Tâches de la Confédération

1         La Confédération effectue des relevés d’intérêt national sur:

a.       les éléments du bilan hydrologique;

b.       la qualité des eaux superficielles et des eaux souterraines;

c.       l’approvisionnement en eau potable;

d.       d’autres aspects de la protection des eaux.

2         Elle peut participer financièrement au développement d’installations et de procédés permettant d’améliorer l’état de la technique dans l’intérêt général de la protection des eaux, en particulier dans le domaine de la lutte à la source.

3         Elle met les données recueillies et leur interprétation à la disposition des intéressés.

4             Le Conseil fédéral règle l’exécution des relevés et l’exploitation des données recueillies.

5         Les services fédéraux compétents publient des directives techniques et conseillent les services chargés des relevés. Ils peuvent, contre paiement, effectuer des travaux hydrologiques pour des tiers ou mettre leurs appareils à disposition pour de tels travaux.

Compiti della Confederazione

1         La Confederazione procede a rilevamenti di interesse nazionale su:

a.       le condizioni idrologiche;

b.       la qualità delle acque superficiali e sotterranee;

c.       l’approvvigionamento in acqua potabile;

d.       altri aspetti della protezione delle acque.

2         Essa può contribuire finanziariamente allo sviluppo degli impianti e dei procedimenti atti a migliorare lo stato della tecnica nell’interesse generale della salvaguardia delle acque, segnatamente con misure alla fonte.

3         Essa mette a disposizione degli interessati i dati raccolti e le relative valutazioni.

4         Il Consiglio federale disciplina l’esecuzione e la valutazione dei rilevamenti.

5         I servizi federali competenti emanano istruzioni tecniche e prestano consulenza ai servizi incaricati dei rilevamenti. Essi possono, verso pagamento, eseguire lavori idrologici per conto di terzi o mettere a disposizione le apparecchiature per tali lavori.

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 4
III. Kommentierung 7
A. Erhebungen (Abs. 1) 7
1. Pflicht des Bundes 7
2. Gesamtschweizerisches Interesse 10
3. Beispiele von Erhebungen des Bundes 11
​B. ​Beteiligung an der Entwicklung von Anlagen und Verfahren zum Gewässerschutz (Abs. 2) 17
​C. ​Information (Abs. 3) 20
​D. Durchführung und Auswertung der Erhebungen (Abs. 4) 23
E. ​Weisungen, Beratungen sowie hydrologische Arbeiten (Abs. 5) 25

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das EDI und das EVED setzten im Jahr 1979 eine Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» ein. Diese Kommission unter der Leitung von Regierungsrat W. Geiger hatte den Auftrag, die bestehende Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich der Wasserwirtschaft zu analysieren. Sie sollte beurteilen, wo und wie weit der Bund seine verfassungsmässigen Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Wasserwirtschaft nutzen soll und welche Aufgaben zweckmässiger von den Kantonen ausgeübt werden. Die Studienkommission beendete ihre Arbeit mit dem Schlussbericht vom 16. April 1980 (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980). Laut dem Bericht bestanden im Bereich Hydrologie bis anhin nur ungenügende gesetzliche Grundlagen für die Datenerhebung. Deshalb sei eine kontinuierliche, homogene und koordinierte hydrologische Datenerhebung bisher nicht gesichert gewesen. Eine solche sei jedoch für die Erfüllung der aktuellen und zukünftigen wasserwirtschaftlichen Aufgaben notwendig (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 13 f.). Der Bericht schlug deshalb vor, dass die verfassungsmässige Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der gesamtschweizerischen wasserwirtschaftlichen Grundlagenerhebung auszuschöpfen sei (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 15). Zum Inhalt der zu schaffenden Regelung der Datenerhebung empfahl der Bericht u.a., die neue Gesetzgebung solle die Kontinuität der Datenerfassung und den allgemeinen Zugriff aller Interessierten zu den Daten gewährleisten und durch Vorschriften über Erhebungs‑, Auswertungs‑ und Veröffentlichungspraktiken die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten anstreben (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 16). Wichtig sei aber insbesondere, dass die Bundesgesetzgebung regle, welche Daten der Bund und welche die Kantone erheben, wobei der Bund Daten im gesamtschweizerischen Interesse grundsätzlich selber erheben, auswerten und allgemein zugänglich machen solle (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 16 f.).

2. Sieben Jahre später verabschiedete der Bundesrat zuhanden des Parlaments eine Vorlage zur Revision des Gewässerschutzgesetzes, welche die Empfehlungen der 1979 eingesetzten Studienkommission bezüglich Datenerhebung im Bereich der Wasserwirtschaft weitgehend aufnahm. Insbesondere wurden in Art. 56 (heutiger Art. 57 GSchG) und 57 (heutiger Art. 58 GSchG) des Revisionsentwurfs Verpflichtungen zur Datenerhebung geschaffen und die Aufgaben zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt.

3. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurde der heutige Art. 57 GSchG weitgehend so belassen, wie er dem Parlament vom Bundesrat vorgelegt wurde. Einzig der geltende Abs. 2 wurde vom Nationalrat ohne weitere Diskussion neu eingefügt (AB N 1989 1080) und vom Ständerat mit einer redaktionellen Anpassung ebenfalls diskussionslos angenommen (AB S 1989 729). Art. 57 GSchG wurde seit seinem Inkrafttreten nicht geändert.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Für einen wirksamen und umfassenden Gewässerschutz sind Kenntnisse über den Zustand der Gewässer eine grundlegende Voraussetzung (Hunger, Sanierungspflicht, 226). Sie zeigen auf, wo Defizite im Gewässerschutz bestehen und ob mit bereits getroffenen Gewässerschutzmassnahmen die verfolgten Ziele erreicht werden. Erhebungen über den Gewässerschutz sind eine wichtige Grundlage für die Planung von konkreten Massnahmen zum Schutz der Gewässer und zur Steuerung der nationalen Gewässerschutzpolitik. Sie sind ausserdem notwendig für die Dokumentation des Zustands der Gewässer und deren mittel‑ und langfristiger Entwicklung sowie für Voraussagen und Alarmierungen, beispielsweise im Bereich der Hochwassersicherheit. Ohne entsprechende Grundlagen könnten Bund und Kantone sodann ihre Pflichten, die Auswirkungen der Gewässerschutzmassnahmen zu prüfen, die Öffentlichkeit über den Gewässerschutz und den Zustand der Gewässer zu informieren und Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu empfehlen (Art. 50 GSchG), nicht erfüllen.

5. Wegen der hohen Bedeutung von Grundlagenerhebungen für die gesamte Schweiz, insbesondere zur Steuerung der nationalen Gewässerschutzpolitik, nimmt der Bund, der sonst im Bereich des Gewässerschutzes vorwiegend eine koordinierende und überwachende Funktion innehat, in diesem Bereich Vollzugsaufgaben wahr. Er ist für die Erhebung, Beurteilung und Publikation von Daten über den Gewässerschutz von gesamtschweizerischem Interesse zuständig. Für die Erhebung von Daten, an denen kein gesamtschweizerisches Interesse besteht, sind gemäss Art. 58 GSchG die Kantone zuständig.

6. Eine vom Wortlaut her weitgehend mit Art. 57 GSchG übereinstimmende Bestimmung befindet sich auch im WBG (Art. 13 WBG).

 

III.        Kommentierung

A.           Erhebungen (Abs. 1)

1.             Pflicht des Bundes

7. Art. 57 Abs. 1 GSchG nennt die Bereiche, in denen der Bund Erhebungen von gesamtschweizerischem Interesse durchführen muss. Es sind dies die hydrologischen Verhältnisse, die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer, die Trinkwasserversorgung sowie andere Belange des Gewässerschutzes. Durch die explizite Nennung bestimmter Themenbereiche in den Bst. a–c wird der Bund verpflichtet, mindestens diesbezüglich Erhebungen von gesamtschweizerischem Interesse durchzuführen. Der Auffangtatbestand von Bst. d lässt es darüber hinaus zu, dass der Bund auch andere Erhebungen durchführt, welche er aus nationaler Sicht als notwendig erachtet, beispielsweise über den ökomorphologischen Zustand der Gewässer.

8. Der Begriff der Erhebungen ist dabei nicht in einem engen, nur auf Messungen bezogenen Sinn zu verstehen, sondern umfasst auch Forschungsarbeiten. Als Beispiel für Forschungsarbeiten im Bereich der Trinkwasserversorgung nennt die Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1987 Untersuchung- en über die Ursachen der Leitungskorrosion im Zusammenhang mit dem Nitratanstieg im Grundwasser (Botschaft GSchG 1987, 1152). Der Bund ist dabei als Forschungsorgan dem BG vom 14. Dezember 2012 über die Förderung der Forschung und der Innovation (SR 420.1) unterstellt.

9. Der Bund kann die erforderlichen Erhebungen selber durchführen oder Dritte wie kantonale Fachstellen, Fachverbände oder Forschungsstellen damit beauftragen.

 

2.             Gesamtschweizerisches Interesse

10. Als Beispiele von Erhebungen von gesamtschweizerischem Interesse nennt der Bundesrat in der Botschaft vom 29. April 1987 unter Bezugnahme auf den Bericht Geiger «periodisch wiederkehrende, längerfristige Beobachtungen an ausgewählten Stellen bei ober‑ und unterirdischen Gewässern, die eine Übersicht über die wichtigsten Wasservorkommen des Landes, deren Zustand und deren langfristige Veränderung erlauben, sowie Untersuchungen, die für die Schweiz im internationalen Verhältnis von Bedeutung sind» (Botschaft GSchG 1987, 1152). Generell sind Erhebungen immer dann von gesamtschweizerischem Interesse, wenn sie sich mit Themen beschäftigen, von denen nicht nur einzelne Kantone betroffen sind, wenn deren Ergebnisse für mehrere Kantone repräsentativ sind oder wenn sich daraus Instrumente entwickeln lassen, die von mehreren Kantonen anwendbar sind. Solche Erhebungen decken in der Regel auch räumlich die gesamte Schweiz oder zumindest grössere Teile der Schweiz ab. Anlass für Untersuchungen von gesamtschweizerischem Interesse kann beispielsweise sein, dass gewisse Stoffe verbreitet in Gewässern vorkommen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung des Gewässerschutzrechts Fragen geklärt werden müssen oder dass konkrete Erhebungen zur Erfüllung von internationalen Verpflichtungen des Bundes nötig sind.

 

3.             Beispiele von Erhebungen des Bundes

11. Der Bund führt in Anwendung von Art. 57 Abs. 1 GSchG sowohl ständige Erhebungsprogramme als auch Untersuchungen von spezifischen Fragestellungen im Einzelfall durch.

12. Ständige Beobachtungsprogramme sind die Nationale Daueruntersuchung der Fliessgewässer (NADUF), die Nationale Grundwasserbeobachtung (NAQUA), die Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA), das vom BAFU betriebene Basismessnetz Wasserstand und Abfluss an Oberflächengewässern sowie das ebenfalls vom BAFU betriebene Messstellennetz zur Untersuchung der Wassertemperatur, des Schwebstoffgehalts und der Trübung von Gewässern. Ebenfalls zu den ständigen Erhebungen gehören die vom Bund mitfinanzierten, jährlichen statistischen Erhebungen des Schweizerischen Verbands des Gas‑ und Wasserfaches (SVGW) zu Fragen der Trinkwasserversorgung bei den Wasserversorgern.

13. Die 1972 gegründete NADUF ist ein gemeinsames Projekt des BAFU, der Eawag und der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), das die langfristige Entwicklung der Wasserinhaltsstoffe an 18 Messstationen verfolgt. Untersucht werden Abfluss und Temperatur, pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, gelöster Sauerstoff sowie geochemisch und anthropogen beeinflusste Parameter, insb. Nährstoff‑ und Schwermetallgehalte.

14. Die NAQUA liefert seit 2002 ein landesweit repräsentatives Bild über Zustand und Entwicklung des Grundwassers in der Schweiz, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. An 100 Messstellen werden mengenmässige Erhebungen an Grundwasservorkommen durchgeführt. Langfristige Erhebungen über die Qualität des Grundwassers, insb. anhand von Parametern wie gelöster Sauerstoff, pH-Wert, Nährstoffe, anorganische und organische Spurenstoffe, werden an 50 Messstellen durchgeführt. Darüber hinaus erhebt der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen an 500 weiteren Messstellen regelmässig zahlreiche Belastungsparameter wie Stickstoffverbindungen, flüchtige organische Verbindungen oder Pflanzenschutzmittel (näheres bei BAFU, NAQUA).

15. Im Rahmen von NAWA gibt es einerseits Dauerbeobachtungen zu chemischen und biologischen Parametern an rund 100 Messstellen an Oberflächengewässern, andererseits problembezogene Spezialuntersuchungen mit zeitlich beschränkten Messprogrammen an ausgewählten Messstationen (z.B. die im Jahr 2012 durchgeführte Untersuchung zum Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer an fünf Messstellen; Näheres bei BAFU, NAWA). Da der Bund ein gesamtschweizerisches Interesse an diesen Untersuchungen hat und es bereits viele von den Kantonen betriebene Messstellen gibt, beauftragt der Bund die kantonalen Fachstellen im Sinne einer sinnvollen Nutzung der Infrastruktur und Zusammenarbeit mit einem Grossteil der Messungen.

16. Nebst den genannten Spezialuntersuchungen im Rahmen von NAWA führt der Bund zur Klärung spezifischer Fragestellungen im Einzelfall ad-hoc-Untersuchungen in Gewässern oder bei Abwasserreinigungsanlagen (ARA) durch (z.B. Untersuchungen von Stoffeinträgen aus ARA). Zum gleichen Zweck unternimmt der Bund auch Forschungsarbeiten, beispielsweise bezüglich Massnahmen zur Elimination von Mikroverunreinigungen in ARA. Um eine solche Forschungsarbeit handelte es sich auch beim Projekt «Netzwerk Fischrückgang Schweiz», das der Bund von 1998 bis 2003 zusammen mit der Eawag, den Kantonen, der chemischen Industrie, dem Schweizerischen Fischereiverband und Forschungsinstituten durchführte und dessen Zweck es war, Veränderungen an der Fischpopulation zu identifizieren, deren Ursachen zu ermitteln und Handlungsoptionen auszuarbeiten.

 

B.            Beteiligung an der Entwicklung von Anlagen und Verfahren zum Gewässerschutz (Abs. 2)

17. Art. 57 Abs. 2 GSchG gibt dem Bund die Möglichkeit, finanzielle Beiträge an die Entwicklung gewisser Anlagen und Verfahren zu leisten. Aus systematischer Sicht steht die Bestimmung an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich nicht im Kapitel über die Förderung (4. Kapitel), wo die übrigen Fördertatbestände zu finden sind. Es handelt sich bei der Bestimmung jedoch klar um einen Finanzhilfetatbestand i.S.v. Art. 3 Abs. 1 SuG. Über die Höhe der finanziellen Beteiligung des Bundes enthält Art. 57 Abs. 2 GSchG keine Angaben. Der Wortlaut lässt darauf schliessen, dass der Bund nicht die gesamten Kosten übernehmen, sondern sich lediglich finanziell beteiligen soll. Die Subventionen werden i.d.R. mittels Verträgen zwischen dem Bund und den Leistungserbringern geregelt.

18. Voraussetzung für die Kostenbeteiligung ist, dass sich das Projekt mit neuen Anlagen oder Verfahren beschäftigt, mit denen der Stand der Technik im Bereich von Gewässerschutzmassnahmen verbessert wird und dass dies im allgemeinen Interesse des Gewässerschutzes liegt. Die explizite Nennung von Massnahmen an der Quelle wiederspiegelt das generell im Umweltrecht geltende Vorsorgeprinzip (Art. 76 Abs. 2 BV), wonach nachteilige Einwirkungen von vornherein vermieden werden sollen. Mit Massnahmen an der Quelle können z.B. Schadstoffe aus dem Abwasser entfernt werden, bevor sie in ein Gewässer gelangen. Art. 57 Abs. 2 GSchG lässt jedoch auch die Förderung anderer Verfahrensentwicklungen, z.B. zur Sanierung von beeinträchtigten Gewässern, zu. Unter dem Begriff der Verfahrensentwicklung werden in der Praxis nicht nur die Entwicklung rein technischer Verfahren, sondern auch die Entwicklung von wasserwirtschaftlichen Vorgehensweisen subventioniert.

19. Bei der Einführung der Bestimmung wurde in der parlamentarischen Beratung insbesondere die Förderung von Pilotprojekten thematisiert (AB N 1989 1080).

C.           Information (Abs. 3)

20. Dass Ergebnisse und Auswertungen der Erhebungen Interessierten zur Verfügung gestellt werden, entspricht dem seit 2006 in der Schweizerischen Bundesverwaltung geltenden Öffentlichkeitsprinzip. Die Bestimmung wäre somit m.E. aus heutiger Sicht nicht mehr notwendig. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GSchG galt jedoch noch der Grundsatz, dass Akten der Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmten Fällen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

21. Zu den Ergebnissen, die öffentlich zugänglich gemacht werden müssen, gehören bei Messprogrammen die gemessenen Daten (vgl. Wortlaut frz.: «données recueillies» und italienisch: «dati raccolti») und bei Forschungsarbeiten die aus der Untersuchung hergeleiteten Schlussfolgerungen. Unter Auswertungen von Erhebungen sind beispielsweise aus den gemessenen Daten hergestellte Datenprodukte sowie zusammenfassende und interpretierende Berichte zu verstehen.

22. Das BAFU veröffentlicht die gemessenen Daten aus den ständigen Messprogrammen zusammenfassend auf seiner Internetseite, in den hydrologischen Jahrbüchern der Schweiz (z.B. BAFU, Hydrologisches Jahrbuch 2009) oder im hydrologischen Atlas der Schweiz HADES, der eine systematische Sammlung von Kartenblättern zur Hydrologie und Hydrogeologie der Schweiz enthält. Darüber hinaus werden alle geeigneten Daten im Rahmen der BGDI (Bundes Geodaten Infrastruktur) Webinfrastruktur unter dem Topic Wasser im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (vgl. <www.map.geo.
admin.ch>, besucht am 15.12.2015). Forschungsergebnisse und Auswertungen von Erhebungen werden i.d.R. in Form von Berichten veröffentlicht (z.B. BAFU, Strukturen Fliessgewässer; BAFU, Kommunales Abwasser). Es handelt sich dabei teilweise um Berichte über den Stand des Gewässerschutzes in der Schweiz i.S.v. Art. 49 Abs. 1 GSchV. Im Weiteren besteht auch die Möglichkeit, individuelle Datenprodukte vom BAFU zu bestellen sowie aktuelle hydrologische Daten über SMS abzufragen.

 

D.           Durchführung und Auswertung der Erhebungen (Abs. 4)

23. Art. 57 Abs. 4 GSchG verpflichtet den Bundesrat zur Regelung der Durchführung und Auswertung der Erhebungen. Dies entspricht der Empfehlung der Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft», wonach durch Vorschriften des Bundes über einheitliche Erhebungs‑, Auswertungs‑ und Veröffentlichungspraktiken die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten erreicht werden soll (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 16). Auf Stufe des Verordnungsrechts des Bundesrates befinden sich diesbezüglich keine detaillierten Bestimmungen, immerhin erklärt jedoch Art. 48 Abs. 1 GSchV bezüglich Untersuchungen und Ermittlungen die anerkannten Regeln der Technik, insbesondere die entsprechenden Normen des Europäischen Komitees für Normung (CEN) und andere Normen, die gleichwertige Ergebnisse liefern, für anwendbar. Bezüglich Art und Häufigkeit der Probenahmen enthält die GSchV lediglich für die Überprüfung der Einhaltung von Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser spezifische Vorschriften (Anh. 3.1 Ziff. 4 GSchV), ansonsten legt gemäss Art. 48 Abs. 2 GSchV die Behörde die Art und Häufigkeit der Probenahmen im Einzelfall fest. Demgemäss werden die spezifischen Regelungen zur Durchführung und Auswertung von Erhebungen im Rahmen der nationalen Messprogramme i.d.R. vom zuständigen BAFU in Zusammenarbeit mit den Kantonen festgelegt. Sie richten sich nach den vom BAFU als Vollzugshilfen veröffentlichten Methoden zur Untersuchung der Gewässer (vgl. Komm. zu Abs. 5 N 26 f.), welche wiederum die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.

24. Der Verzicht auf detaillierte Regelungen auf Verordnungsstufe und insbesondere der Verweis auf die anerkannten Regeln der Technik sind im Bereich der Grundlagenerhebung zum Gewässerschutz sinnvoll, weil es sich dabei einerseits um ein sehr breites Feld von verschiedenen Erhebungen handelt und somit kaum generelle Regelungen zur Durchführung und Auswertung der Erhebungen möglich sind und weil sich andererseits der Stand der Technik im Bereich der Gewässeruntersuchungen rasch weiterentwickelt.

E.            Weisungen, Beratungen sowie hydrologische Arbeiten (Abs. 5)

25. Wie schon Art. 57 Abs. 4 GSchG dient auch die Pflicht der Bundesstellen, fachtechnische Weisungen zu erlassen und die Erhebungsstellen zu beraten, der Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Der Gesetzgeber dachte insbesondere an Weisungen über Methoden und Techniken, das Bereitstellen von Auswertungsprogrammen sowie den Betrieb einer Eichstätte für Messgeräte (Botschaft GSchG 1987, 1153). Die Bundesstelle, in deren Aufgabenbereich der Erlass der entsprechenden Weisungen fällt, ist das u.a. für die Umweltbeobachtung zuständige BAFU (vgl. Art. 12 Abs. 3 Bst. b OV-UVEK).

26. Im Bereich der Erhebungen zu Oberflächengewässern sind hier insbesondere die vom BAFU veröffentlichten Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer (BUWAL, Modul-Stufen-Konzept; vgl. auch <www.modul-stufen-konzept.ch>, besucht am 15.12.2015) zu nennen. Es handelt sich dabei um eine in verschiedene Module gegliederte Vollzugshilfe, die Anleitungen für standardisierte Untersuchungen der Hydrodynamik, der Morphologie, der Wasserchemie und ‑biologie sowie der Ökotoxikologie gibt (BUWAL, Modul-Stufen-Konzept, 6). Die Publikationen enthalten Vorgaben über die Parameterwahl, das Vorgehen zur Erhebung und Auswertung der Proben sowie über die Beurteilung der Ergebnisse. Auch für die Untersuchung von Seen sind künftig entsprechende Module geplant (BAFU/Eawag, Beurteilung Seen, 12).

27. Im Bereich der Grundwasseruntersuchungen ist z.B. die Vollzugshilfe zu den Grundwasserprobenahmen (BUWAL, Grundwasserprobenahme) zu nennen. Die entsprechenden Publikationen werden i.d.R. in Verträgen zwischen dem Bund und den beauftragen Erhebungsstellen für anwendbar erklärt.

28. Die von Art. 57 Abs. 5 GSchG geforderte Beratung der Erhebungsstellen kann das BAFU beispielsweise wahrnehmen, indem es Beratungsgespräche im Einzelfall führt, schriftliche Empfehlungen abgibt, an Arbeitsgruppen und Gremien der Fachverbände teilnimmt oder Workshops und Eichversuche anbietet.

29. Da für die Grundlagenerhebung eine gewisse Infrastruktur notwendig ist und der Bund auf einigen Gebieten der Hydrologie über eine solche verfügt, ist es sinnvoll, dass der Bund seine Geräte Interessierten zur Verfügung stellen kann (Botschaft GSchG 1987, 1153). Gemäss Art. 57 Abs. 5 GSchG besteht auch die Möglichkeit der Durchführung von Arbeiten für andere. Im Rahmen von vertraglichen Abmachungen könnte dies der Bund auch ohne explizite gesetzliche Regelung tun. Der Zugewinn der Regelung besteht m.E. vor allem darin, dass der Bund solche Arbeiten explizit nicht unentgeltlich, sondern gegen Rechnung anbietet.

 

 

Résumé

L’art. 57 LEaux charge la Confédération d’effectuer les relevés d’intérêt national sur les éléments du bilan hydrologique, la qualité des eaux superficielles et des eaux souterraines, l’approvisionnement en eau potable ainsi que sur d’autres aspects de la protection des eaux. Les relevés sont toujours d’intérêt national lorsque les sujets traités touchent plus d’un canton, lorsque les données sont représentatives pour plusieurs cantons ou que les instruments développés sont applicables à plusieurs cantons. Le terme relevé comprend également les travaux de recherche. Les principaux programmes d’observations actuels sont la surveillance nationale continue des cours d’eau suisse (NADUF), l’observatoire national des eaux souterraines (NAQUA), l’observatoire national de la qualité des eaux de surface (NAWA). La Confédération peut effectuer elle-même les relevés ou mandater un tiers comme par exemple un service cantonal. La Confédération a la possibilité de participer financièrement au développement d’installations et de procédés permettant d’améliorer l’état de la technique dans l’intérêt général de la protection des eaux en vertu de l’al. 2 de l’art. 57 LEaux. La loi ne précise pas le montant de la participation de la Confédération. Toutefois, la Confédération ne peut prendre à sa charge l’entier des coûts mais peut seulement participer financièrement. Les données recueillies, ainsi que les conclusions des travaux de recherche, doivent être accessibles par le grand public en vertu de l’al. 3. Cet alinéa a perdu de son importance depuis l’introduction du principe de la publicité dans l’administration fédérale suisse.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Schlussbericht der eidgenössischen Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» vom 16. April 1980, Bern 1980 (zit. Schlussbericht Aufgabenteilung 1980); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)/Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Binderheim-Bankay Eva/Jakob Adrian/Liechti Paul), NADUF Messresultate 1977 – 1998 – Nationales Programm für die analytische Daueruntersuchung der schweizerischen Fliessgewässer, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 319, Gewässerschutz, Bern 2000 (zit. NADUF); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Praxishilfe Grundwasserprobenahme, Vollzug Umwelt Nr. 2506, Bern 2003 (zit. Grundwasserprobenahme); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kilchmann Sybille/Reinhardt Miriam/Schürch Marc et al.), Ergebnisse der Grundwasserbeobachtung Schweiz (NAQUA) – Zustand und Entwicklung 2004–2006, Umwelt-Zustand Nr. 0903, Bern 2009 (zit. NAQUA); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Hydrologisches Jahrbuch der Schweiz 2009, Umwelt-Zustand Nr. 1321, Bern 2013 (zit. Hydrologisches Jahrbuch 2009); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) (Hrsg.) (verfasst durch Schlosser Jacqueline A./Haertel-Borer Susanne/Liechti Paul et al.), Konzepte für die Untersuchung und Beurteilung der Seen in der Schweiz – Anleitung zur Entwicklung und Anwendung von Beurteilungsmethoden, Umwelt-Wissen Nr. 1326, Bern 2013 (zit. Beurteilung Seen); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Göggel Werner/Leu Christian/Kunz Manuel et al.), NAWA – Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität – Konzept Fliessgewässer, Umwelt-Wissen Nr. 1327, Bern 2013 (zit. NAWA).

Iten Berenice​

 

Aufgaben der Kantone

1         Die Kantone führen die weiteren Erhebungen durch, die für den Vollzug dieses Gesetzes erforderlich sind. Sie teilen die Ergebnisse den Bundesstellen mit.

2         Die Kantone erstellen ein Inventar über die Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen auf ihrem Gebiet. Das Inventar ist öffentlich, soweit nicht Interessen der Gesamtverteidigung die Geheimhaltung erfordern.

Tâches des cantons

1         Les cantons effectuent les autres relevés nécessaires à l’exécution de la présente loi. Ils en communiquent les résultats aux services fédéraux compétents.

2         Les cantons dressent un inventaire des nappes souterraines et des installations servant à l’approvisionnement en eau. L’inventaire est public, à moins que les intérêts de la défense nationale ne requièrent le secret.

Compiti dei Cantoni

1         I Cantoni procedono agli altri rilevamenti necessari per l’esecuzione della presente legge. Ne comunicano i risultati ai servizi federali competenti.

2         I Cantoni compilano un inventario degli impianti adibiti all’approvvigionamento idrico e delle falde freatiche del loro territorio. L’inventario è pubblico, a meno che gli interessi della difesa integrata non impongano il segreto.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen ​3
III. Kommentierung ​5
A. Kantonale Erhebungen (Abs. 1) ​5
1. Pflicht der Kantone ​5
2. Mitteilung der Ergebnisse 10
B. Inventar (Abs. 2) 12
​1. Zweck und Inhalt des Inventars 12
​2. ​Vertraulichkeit des Inventars 17

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das EDI und das EVED setzten im Jahr 1979 eine Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» ein (vgl. Komm. zu Art. 57 GSchG N 1 ff.). Die Kommission empfahl dem Bund in ihrem Schlussbericht vom 16. April 1980, gesetzliche Regelungen im Bereich der hydrologischen Datenerhebung zu schaffen und die diesbezüglichen Aufgaben zwischen Bund und Kantonen zweckmässig aufzuteilen. In Bezug auf die Wasserversorgung kam die Studienkommission zum Schluss, diese sei grundsätzlich Sache der Kantone und Gemeinden, der Bund solle jedoch im Bereich der Notstandswasserversorgung die Grundsätze auf gesetzlicher Ebene regeln. Dabei solle er u.a. die Kantone verpflichten, einen nach einheitlichen Kriterien ausgestalteten Wasserversorgungsatlas zu erstellen und die Erstellung dieses Atlasses finanziell zu unterstützen (Schlussbericht Aufgabenteilung 1980, 72). Als der BR im Jahr darauf die Botschaft zu einem BG über die wirtschaftliche Landesversorgung verabschiedete, nahm er zwar Bezug auf den Bericht Geiger und bezeichnete den Wasserversorgungsatlas als wichtiges Informations‑ und Führungsinstrument der Notstandswasserversorgung, führte den Atlas jedoch aus Kostengründen nicht in die Vorlage ein. Er verwies auf die spätere Einführung im Rahmen der Gewässerschutzgesetzgebung (BBl 1981 III 432).

2. Mit seiner Vorlage zur Revision des Gewässerschutzgesetzes vom 29. April 1987 nahm der BR dann die Empfehlungen des Berichts Geiger in Art. 56 (heutiger Art. 57) und Art. 57 (heutiger Art. 58) auf. Der Entwurf des BR zum heutigen Art. 58 GSchG wurde im Zuge der parlamentarischen Beratung nicht geändert. Die Bestimmung ist seit ihrem Inkrafttreten unverändert.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Um Massnahmen zum Schutz der Gewässer zu planen und zu treffen und um bereits getroffene Gewässerschutzmassnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, sind Kenntnisse über den Zustand der Gewässer unumgänglich (Hunger, Sanierungspflicht, 226). Für Erhebungen, die im gesamtschweizerischen Interesse liegen, ist gemäss Art. 57 Abs. 1 GSchG der Bund zuständig. Die Kantone benötigen jedoch für den Vollzug des Gewässerschutzrechts weitere, nicht im gesamtschweizerischen Interesse liegende Kenntnisse.

4. Das WBG enthält mit Art. 14 eine Bestimmung mit gleichem Wortlaut wie Art. 58 Abs. 1 GSchG.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Kantonale Erhebungen (Abs. 1)

1.             Pflicht der Kantone

5.  Die Kantone vollziehen gemäss Art. 45 GSchG das Gewässerschutzgesetz des Bundes. Dafür sind nebst den gesamtschweizerisch relevanten Erhebungen, die der Bund durchführt, auch lokale und einzelfallbezogene Kenntnisse über den Zustand der Gewässer und den Gewässerschutz notwendig. Den Kantonen verbleibt in diesem Bereich ein beträchtlicher Teil an Erhebungen (Botschaft GSchG 1987, 1153). So braucht eine Behörde beispielsweise Informationen über die Qualität eines Gewässers, in das ein Abwasser eingeleitet werden soll, um die erforderlichen Einleitanforderungen festzulegen. Die Kantone ermitteln auf der Grundlage von Gewässeruntersuchungen den Handlungsbedarf für Massnahmen zum Schutz der Gewässer und zur Verbesserung des Gewässerzustands. Untersuchungen, die nach der Realisierung von Massnahmen durchgeführt werden, ermöglichen ausserdem die Wirkungskontrolle der Massnahmen (BAFU, NAWA, 12). Die Erhebungen bilden auch eine Grundlage für die Informationspflicht der Kantone gegenüber der Öffentlichkeit nach Art. 50 GSchG und Art. 49 Abs. 2 GSchV.

6. Der Begriff der Erhebungen ist in Art. 58 GSchG wie in Art. 57 GSchG in einem weiteren, auch Forschungsarbeiten umfassenden Sinn zu verstehen (vgl. Komm. zu Art. 57 Abs. 1 GSchG N 8). Die Kantone können die Erhebungen selber durchführen oder Dritte damit beauftragen.

7. Die kantonalen Erhebungen können auf den Erwerb einzelfallbezogener Kenntnisse gerichtet sein oder ständige Programme betreffen. Ein Beispiel einer einzelfallspezifischen Erhebung ist die Ermittlung der Ursachen ungenügender Wasserqualität eines Gewässers im Hinblick auf mögliche Sanierungsmassnahmen. Bei wichtigen Gewässern kann der Bund den Kantonen gemäss Art. 64 Abs. 1 GSchG für solche Erhebungen Abgeltungen leisten. Ständige Erhebungsprogramme führen die Kantone beispielsweise über die Qualität von Badegewässern durch. Diesbezügliche Erhebungen dienen den Kantonen u.a. zur Wahrnehmung ihrer Pflicht nach Art. 49 Abs. 2 GSchV, die Öffentlichkeit über Badeplätze zu informieren, bei denen die Voraussetzungen für das Baden nicht erfüllt sind.

8. Obwohl der BR gemäss Art. 57 Abs. 4 GSchG lediglich verpflichtet ist, die Durchführung und Auswertung von Erhebungen von gesamtschweizerischem Interesse näher zu regeln, sollen sich die Erhebungen der Kantone gemäss Botschaft des BR vom 29. April 1987 ebenfalls nach den Vorschriften des Bundes richten, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen (Botschaft GSchG 1987, 1153). Die diesbezügliche Regelung in Art. 48 GSchV macht denn auch keine Unterscheidung zwischen Erhebungen des Bundes und Erhebungen der Kantone. Die Untersuchungen und Ermittlungen richten sich gemäss Art. 48 Abs. 1 GSchV nach den anerkannten Regeln der Technik, insb. den Normen des Europäischen Komitees für Normung (CEN) oder anderen Normen, die gleichwertige Ergebnisse liefern. Zur Prüfung, ob die Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser eingehalten sind, enthält Anh. 3.1 Ziff. 4 GSchV spezifische Anforderungen an die Häufigkeit der Probenahmen. In allen anderen Bereichen, wo die GSchV keine spezifischen Anforderungen an Art und Häufigkeit der Probenahmen enthält, legt die zuständige Behörde die Anforderungen gemäss Art. 48 Abs. 2 GSchV im Einzelfall fest. Als Hilfestellung für den Vollzug von Untersuchungen an Gewässern dienen den Kantonen Vollzugshilfen des BAFU, insbesondere die Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer (vgl. BUWAL, Modul-Stufen-Konzept) und die Praxishilfe Grundwasserprobenahme (vgl. BUWAL, Grundwasserprobenahme).

9. Um die notwendigen Erhebungen durchzuführen, müssen die damit betrauten Stellen zu den Gewässern und zu den zu kontrollierenden Anlagen Zutritt haben. Art. 52 Abs. 1 GSchG verpflichtet zu diesem Zweck die Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken an Gewässern und die Inhaberinnen und Inhaber von Anlagen, den zuständigen Behörden den Zutritt zu gewähren und die nötigen Auskünfte zu erteilen.

 

2.             Mitteilung der Ergebnisse

10. Die Kantone müssen die Ergebnisse ihrer Erhebungen den Bundesstellen, namentlich dem auf Bundesebene für den Umweltschutz zuständigen BAFU mitteilen. Sie können diese Pflicht wahrnehmen, indem sie dem BAFU die gemessenen Daten oder deren Auswertung regelmässig liefern.

11. Was der Bund mit den von den Kantonen gelieferten Daten macht, wird in Art. 58 GSchG nicht geregelt. Die Daten können dem Bund bei der Erfüllung seiner eigenen Aufgaben dienen, insb. der Aufsicht über den Vollzug des Gewässerschutzrechts (Botschaft GSchG 1987, 1153) und der Information der Öffentlichkeit über den Gewässerschutz und den Zustand der Gewässer gemäss Art. 50 GSchG. In der Praxis führt der Bund für chemisch-physikalische Messdaten verschiedene Datenbanken (z.B. Datenbank Gewässerzustand). Die Datenbanken erlauben bereits heute einen relativ einfachen Zugriff auf die in der Schweiz verfügbaren chemisch-physikalischen Gewässerzustandsdaten sowohl durch die interessierten Bundesstellen und die Kantone selbst, als auch durch weitere interessierte Kreise, wie Forschungsinstitute oder private Büros. In unregelmässigen Abständen wertet der Bund Daten aus den Datenbanken aus und verfasst Publikationen darüber.

 

B.            Inventar (Abs. 2)

1.             Zweck und Inhalt des Inventars

12. Art. 58 Abs. 2 GSchG verpflichtet die Kantone, ein Inventar über die Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen auf ihrem Gebiet zu erstellen. Aus der Botschaft des BR vom 29. April 1987 ist ersichtlich, dass das Inventar in erster Linie der Wasserversorgung in Notlagen dient (Botschaft GSchG 1987, 1153 f.). Das in diesem Sinne verstandene Inventar wird auch als Wasserversorgungsatlas bezeichnet (Botschaft GSchG 1987, 1153; BUWAL, Trinkwasserversorgung Notlagen, 16) und ist in Art. 8 VTN näher geregelt.

13. Der Wasserversorgungsatlas stellt eine wichtige Grundlage für die Wasserversorgung in Notlagen dar, indem er den Wasserversorgern eine Gesamtübersicht über die Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen gibt, den Katastrophen‑ und Krisenstäben als Entscheidungshilfe für die Planung und Erstellung von Notbrunnen und Notverbindungen dient, und für den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur eine wertvolle Arbeitsgrundlage bietet (BUWAL, Trinkwasserversorgung Notlagen, 16). Eine Notlage in Bezug auf die Wasserversorgung liegt gemäss Art. 3 VTN vor, wenn die normale Versorgung mit Trinkwasser erheblich gefährdet, erheblich eingeschränkt oder gar verunmöglicht ist, insb. in Folge von Naturereignissen, Störfällen, Sabotage oder kriegerischen Handlungen.

14. Was als Wasserversorgunganlage i.S.v. Art. 58 Abs. 2 GSchG gilt, zeigt die Liste der zu erfassenden Angaben von Art. 8 Abs. 1 VTN auf. Genannt werden dort u.a. laufende Brunnen, See‑ und Flusswasserfassungen, Grundwasserpumpwerke, Grundwassernotbrunnen, Reservoire und Leitungsnetze. Nebst den Anlagen sind alle Grundwasservorkommen und Quellen, die sich für die Trinkwasserversorgung in Notlagen eignen, mit Angaben zur ihrer Ergiebigkeit und Qualität im Inventar zu erfassen (Art. 8 Abs. 1 Bst. a VTN). Die Kantone müssen die Angaben gemäss Art. 8 Abs. 2 VTN kartografisch darstellen, indem sie diese in die Blätter mit Massstab 1:25’000 der Landeskarte eintragen.

15. Nebst den Inventaren nach Art. 8 VTN erstellen die Kantone Gewässerschutzkarten nach Art. 30 GSchV. Gewässerschutzkarten enthalten die Gewässerschutzbereiche, die Grundwasserschutzzonen und ‑areale sowie diejenigen Grundwasseraustritte, ‑fassungen und ‑anreicherungsanlagen, die für die Wasserversorgung von Bedeutung sind. Gesetzliche Grundlage für die Erstellung dieser Karten ist in erster Linie die Pflicht der Kantone, ihr Gebiet in Gewässerschutzbereiche einzuteilen, Grundwasserschutzzonen für die im öffentlichen Interesse liegenden Fassungen auszuscheiden und die künftige Nutzung und Anreicherung von Grundwasservorkommen mit Grundwasserschutzarealen zu sichern (Art. 19–21 GSchG). In dieser Pflicht muss auch eine Pflicht zur Publikation der Planungsergebnisse enthalten sein, da die Bereiche, Zonen und Areale ihren Schutzzweck nicht erfüllen könnten, wenn sie nicht veröffentlicht würden. Der BR hat somit mit Art. 30 GSchV eine Ausführungsvorschrift zur Veröffentlichung der Ergebnisse des planerischen Grundwasserschutzes erlassen. Daneben kann Art. 30 GSchV, zumindest in Bezug auf die Wasserversorgungsanlagen, m.E. auch auf Art. 58 Abs. 2 GSchG abgestützt werden. Im Vergleich zu den Gewässerschutzkarten ist der Wasserversorgungsatlas nach Art. 8 VTN in Bezug auf die erfassten Wasserversorgungsanlagen, Grundwasservorkommen und Quellen ausführlicher und enthält beispielsweise auch private Wasserfassungen und Quellen, die nicht genutzt werden.

16. Die Erstellung der Inventare nach Art. 58 Abs. 2 GSchG ist inzwischen in den meisten Kantonen abgeschlossen. Die Kantone wurden dafür vom Bund mit Abgeltungen in der Höhe von 40 % unterstützt, sofern die Inventare nach den Richtlinien des Bundes erstellt wurden und die Gesuche vor dem 10. November 2010 eingereicht wurden (Art. 64 Abs. 3 GSchGArt. 55 Abs. 2 GSchV). Die Richtlinien enthalten insbesondere einheitliche Vorgaben zur Erstellung und Beschriftung der Inventare, beispielsweise zur Kennzeichnung der verschiedenen Anlagentypen in der Kartenlegende.

 

2.             Vertraulichkeit des Inventars

17. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 GSchG schreibt vor, dass das Inventar über die Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen öffentlich ist, soweit nicht Interessen der Gesamtverteidigung eine Geheimhaltung erfordern. Bereits die Botschaft des BR vom 29. April 1987 macht deutlich, dass der Wasserversorgungsatlas u.a. zum Schutz vor Sabotage nicht der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Der BR fordert besondere Sorgfalt zur Beschränkung der Verbreitung «der vertraulichen Informationen über die Wasserversorgung» und nennt folgende Sicherheitsbestimmungen für das Inventar: eine Klassifizierung und Nummerierung der Blätter, eine restriktive Handhabung des Verteilers und eine Abgabe nur an namentlich bekannte Empfänger (Botschaft GSchG 1987, 1154). In diesem Sinne schreibt Art. 8 Abs. 3 VTN vor, dass die Blätter des Inventars klassifiziert und nummeriert werden müssen.

18. Im Rahmen einer Klassifizierung werden besonders schützenswerte Informationen hinsichtlich ihres Schutzstatus’ beurteilt und mit einem Klassifizierungsvermerk formell gekennzeichnet (vgl. Art. 3 Bst. f ISchV). Die ISchV gilt u.a. für die Bundesverwaltung sowie für weitere Personen, die aufgrund von Vorgaben des Bundesrechts oder aufgrund von Vereinbarungen klassifizierte Informationen bearbeiten (Art. 2 ISchV). Sie ist somit auch auf den Wasserversorgungsatlas anwendbar. Für schutzwürdige Informationen sind in der ISchV die drei Klassifizierungsstufen «geheim», «vertraulich» und «intern» vorgesehen. Informationen, deren Bekanntwerden die wirtschaftliche Landesversorgung oder die Sicherheit von wichtigen Infrastrukturanlagen beeinträchtigen kann, sind gemäss Art. 6 Abs. 1 Bst. d ISchV als «vertraulich» zu klassifizieren. Der Wasserversorgungsatlas ist in diesem Sinne «vertraulich». Dementsprechend wird er in der GeoIV mit der Zugangsstufe C für nicht öffentlich zugängliche Geobasisdaten gekennzeichnet (Anh. 1 Identifikator 66 GeoIV). Klassifizierte Informationen dürfen nur an Personen weitergegeben werden, die Kenntnis davon haben müssen (Art. 13 Abs. 2 ISchV), und es gelten erhöhte Sicherheitsanforderungen an die Bearbeitung der Informationen, insb. an deren Erstellung, Aufbewahrung, Speicherung, Übermittlung und Benützung (Art. 18 i.V.m. Anh. 1 ISchV). Ausserdem gelten erhöhte Anforderungen an Personen, die Zugang zu klassifizierten Informationen haben. Solche Personen sind beispielsweise sorgfältig auszuwählen und im Bereich des Informationsschutzes und der Informationssicherheit aus‑ und weiterzubilden (Art. 10–12 ISchV). Eine zusätzliche Sicherung nebst der Klassifizierung wird erreicht, indem alle gedruckten Exemplare der Blätter des Wasserversorgungsatlas nummeriert werden und jede Abgabe eines gedruckten Exemplars mit Angabe von Empfänger und Nummer registriert wird. So wird eine Übersicht darüber hergestellt, welche Inventarblätter sich bei welchen Empfängern befinden.

19. Die Kantone müssen die Inventarblätter gemäss Art. 8 Abs. 3 VTN dem BAFU zustellen. In der Praxis liefern die Kantone die Inventare i.d.R. als Eintragungen in den Landeskartenblättern in elektronischer Form dem BAFU, welches den Druck und die Nummerierung der Blätter übernimmt. Die gedruckten Inventare werden dann vom BAFU einerseits dem betroffenen Kanton wieder zur Verfügung gestellt, andererseits auch interessierten Bundesstellen wie dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung sowie dem SVGW abgegeben. Dabei werden jeweils die Nummern und die Empfänger der jeweiligen Inventarblätter vom BAFU erfasst und zentral gespeichert.

20. Im Gegensatz zum Wasserversorgungsatlas nach Art. 8 VTN sind die Gewässerschutzkarten gemäss Art. 30 GSchV öffentlich zugänglich, da die Mittel des planerischen Grundwasserschutzes ansonsten ihren Schutzzweck nicht erfüllen könnten (Art. 30 Abs. 2 GSchV, vgl. N 15). Die besondere Schutzwürdigkeit des Wasserversorgungsatlas rechtfertigt sich dadurch, dass dieser im Vergleich zu den Gewässerschutzkarten zusätzliche, besonders heikle Daten enthält, wie beispielsweise Angaben über das Leitungsnetz der Trinkwasserversorgung. Solche Angaben wollte der Gesetzgeber im Falle des Wasserversorgungsatlas im Interesse der inneren Sicherheit besonders schützen, weil die Anlagen mögliche Ziele zerstörerischer oder sabotierender Akte (z.B. Einspeisung von Giftstoffen in eine Leitung zu einer bestimmten Botschaft oder zu einem Bunker) darstellen (Botschaft GSchG 1987, 1154). Kettiger hält die Risiken im Bereich der inneren Sicherheit bei einem öffentlichen Zugang zu kantonalen Katastern von Leitungen der Ver‑ und Entsorgung hingegen für vernachlässigbar und sieht in einer zumindest teilweisen Öffnung solcher Kataster einen wirksamen Beitrag zur Abwehr der Gefahr von unbeabsichtigten Beschädigungen von Leitungen durch Grabarbeiten (Kettiger, Leitungskataster, 175 und 176).

 

 

Résumé

Aux termes du présent article, les cantons sont chargés d’effectuer les relevés nécessaires à l’exécution de la LEaux dans le but d’assurer une meilleure application de la LEaux et de prendre les mesures nécessaires ou d’évaluer leur impact. Les relevés doivent être définis de manière large et comprennent notamment les travaux de recherche. Les analyses et mesures qui en découlent doivent être menées d’après les règles connues de la technique (cf. art. 48 al. 1 OEaux), en particulier les normes du Comité européen de normalisation ou d’autres normes permettant d’obtenir des résultats équivalents. A l’exception de l’annexe 3.1 ch. 4 de l’OEaux relative au déversement d’eaux polluées communales dans les eaux, l’autorité fixe elle-même les prescriptions relatives au mode et à la fréquence des prélèvements. Les cantons doivent communiquer ces informations à l’OFEV.

Ils dressent en particulier un inventaire des nappes souterraines et des installations servant à l’approvisionnement en eau. Le but de cet inventaire est avant tout d’assurer l’approvisionnement en eau dans des situations de crise (art. 8 OACE). Cet inventaire peut rester confidentiel selon l’al. 2, afin de se protéger contre d’éventuels sabotages. Au-delà de cet inventaire, les cantons établissent aux termes de l’art. 30 OEaux une carte de protection des eaux qui comprend au moins les secteurs de protection des eaux, les zones de protection des eaux souterraines, les périmètres de protection des eaux souterraines ainsi que des résurgences, des captages et des installations d’alimentation artificielle importantes pour l’approvisionnement en eau. Ces cartes sont accessibles au public.

 

 

Literatur: Kettiger Daniel, Geheimhaltung oder Öffentlichkeit von Leitungskatastern – Das Beispiel des Raumdatenpools Kanton Luzern, in: Sicherheit & Recht 2010, 165 ff. (zit. Leitungskataster).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Schlussbericht der eidgenössischen Studienkommission «Aufgabenteilung Bund/Kantone im Bereich der Wasserwirtschaft» vom 16. April 1980, Bern 1980 (zit. Schlussbericht Aufgabenteilung 1980); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Erläuterungen zur Verordnung über die Trinkwasserversorgung in Notlagen, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 17, Bern 1995 (zit. Trinkwasserversorgung Notlagen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Praxishilfe Grundwasserprobenahme, Vollzug Umwelt Nr. 2506, Bern 2003 (zit. Grundwasserprobenahme); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Göggel Werner/Leu Christian/Kunz Manuel et al.), NAWA – Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität – Konzept Fliessgewässer, Umwelt-Wissen Nr. 1327, Bern 2013 (zit. NAWA).

Huber-Wälchli Veronika​

 

Ermittlung der Abflussmenge Q347

Liegen für ein Gewässer unzureichende Messergebnisse vor, so wird die Abflussmenge Q347 mit andern Methoden wie hydrologischen Beobachtungen und Modellrechnungen ermittelt.

Calcul du débit Q347

En l’absence de mesures suffisantes pour évaluer le débit d’un cours d’eau, le débit Q347 est déterminé selon d’autres méthodes, telles que l’observation d’événements hydrologiques ou la simulation.

Calcolo della portata Q347

In mancanza di misurazioni sufficienti, la portata Q347 è determinata secondo altri metodi, quali osservazioni idrologiche o su modello.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.​ Allgemeine Bemerkungen 3
A. Funktion der Bestimmung 3
B. Hydrologie in der Schweiz 5
C. Methodisches, Grundlagen 10
III. Ermittlung der Abflussmenge Q347 13
A. Zureichende Messergebnisse: Auswertung der Dauerkurve 13
B. Unzureichende Messergebnisse: Andere Methoden 15

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der E-GSchG 1984 sah in Art. 63 vor, dass bei fehlenden oder unzureichenden Messungen die massgebende Wasserführung (gemäss Art. 4 E-GSchG 1984 das Mittel der während einer Periode von zehn Jahren gemessenen natürlichen Wasserführung) mit geeigneten Methoden, wie hydrologischen Beobachtungen und Modellrechnungen, zu ermitteln sei.

2. Der Vorschlag des Bundesrats (Art. 59 E-GSchG 1987) entsprach weitgehend dem heutigen Art. 59 GSchG. Die Bestimmung erfuhr in der parlamentarischen Beratung eine unbedeutende Änderung, indem «keine oder nur unzureichende Messergebnisse» durch «unzureichende Messergebnisse» ersetzt wurde.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Funktion der Bestimmung

3. Die Definition der Abflussmenge Q347 verlangt, dass diese durch Abflussmessungen während zehn Jahren ermittelt werden muss (vgl. Komm. zu Art. 4 GSchG N 52 f.) Für gewisse Einzugsgebiete liegen Messungen über lange Perioden vor (s. N 5). In der Praxis zeigt es sich jedoch regelmässig, dass die natürliche Abflussmenge Q347 am Ort einer geplanten Wasserentnahme nicht aufgrund von Messreihen ermittelt werden kann, weil Messungen fehlen (LHG, Abflussmenge Q347, 23).

4. In solchen Fällen erlaubt Art. 59 GSchG als Alternative zu Messungen, die Abflussmenge Q347 mit anderen Methoden zu ermitteln, z.B. durch vergleichende hydrologische Studien oder mit Hilfe von wissenschaftlich ermittelten spezifischen Abflusswerten (Abflussmenge pro Zeit und pro Fläche) und geeigneten Verfahren abzuschätzen (Botschaft GSchG 1987, 1155; s. N 18 ff.; zum heutigen Vorgehen in der Praxis s. N 24).

B.            Hydrologie in der Schweiz

5. Die Entwicklung auf Bundesebene beginnt mit der Gründung der Schweizerischen Hydrometrischen Kommission im Jahr 1863. Damals begann die systematische Registrierung von Wasserständen und Abflüssen von Fliessgewässern durch den Bund (BWG/Sprea­fico/Weingartner, Hydrologie Schweiz, 52; BAFU, Hydrologisches Jahrbuch 2009, Verzeichnis der eidg. hydrometrischen Stationen einschliesslich der aufgehobenen Stationen, 59 ff., 77 ff.; s. auch www.bafu.admin.ch/wasser). Heute betreibt die Abteilung Hydrologie des BAFU (früher: Landeshydrologie und ‑geologie, Landeshydrologie, Hydrometrisches Zentralbureau) gestützt auf Art. 57 Abs. 1 Bst. a GSchG und weitere Bestimmungen (z.B. Art. 13 WBG) rund 200 Abflussmessstationen an Flüssen in der ganzen Schweiz und stellt u.a. gestützt auf Art. 57 Abs. 3 GSchG die Ergebnisse und die Auswertung der Erhebungen Interessierten zur Verfügung (s. N 7 f.). Die Abteilung Hydrologie umfasst fünf Sektionen (Hydrometrie, Hydrologische Information, Hydrologische Grundlagen Oberflächengewässer, Hydrogeologische Grundlagen und Hydrologische Voraussagen) mit rund 60 Beschäftigten.

6. Bis in die 1980er-Jahre wurden die Messstellen des Bundes vorwiegend im Hinblick auf wasserwirtschaftliche Fragestellungen erstellt und betrieben. So lieferten Messstationen des Bundes die Grundlagen für die Planung aller grossen Wasserkraftanlagen. Seither sind noch weitere Zielsetzungen hinzugekommen. Der Grossteil der Stationen ist insbesondere für die Gefahrenprävention (Hochwasservoraussage und ‑alarmierung) von grosser Bedeutung. Daneben dient das Messnetz auch eher wissenschaftlichen Zielsetzungen wie z.B. der Erhebung der hydrologischen Verhältnisse, der Beobachtung langfristiger Veränderungen des Wasserhaushaltes in ausgewählten Einzugsgebieten, Erhebungen der Umweltbelastung und der Wasserqualität sowie Untersuchung der Auswirkungen der Klimaänderung. An den Messstellen des Bundes werden heute die Pegelstände kontinuierlich gemessen und als 10-Minuten-Mittelwerte ausgegeben (Messgeräte und ‑methoden s. BWG/Spreafico/Weingartner, Hydrologie Schweiz, 47 ff.). Über eine Pegelstand-Abfluss-Beziehung werden die kontinuierlichen Abflüsse berechnet. Daraus werden alle übergeordneten Abflussdaten berechnet (Tages‑, Monats‑ und Jahresmittelwerte).

7. Die Dokumentation auf Bundesebene ist einem steten Wandel unterworfen. Von 1917 bis 2009 wurden die Messdaten der Stationen jedes Jahr im Hydrologischen Jahrbuch Schweiz als Tabellenwerk publiziert, wobei sich Inhalt und Darstellung der Jahrbücher über die Jahre gewandelt haben. Die Hydrologischen Jahrbücher ab 1996 sind als PDF vorhanden, ältere können beim BAFU bestellt werden. Heute können zahlreiche Daten und Informationen betreffend Wasser (auch für die Ermittlung der Abflussmenge Q347) im Internet abgerufen werden (www.bafu.admin.ch/wasser – Daten, Indikatoren und Karten; s. auch Komm. zu Art. 57 GSchG N 22).

8. Als Dienstleistung betreibt das BAFU, Abteilung Hydrologie, einen Datenservice Hydrologie für Fliessgewässer und Seen (Informationen unter www.bafu.admin.ch/wasser). Dort können z.B. Abflussdaten bestellt werden, seien es Tagesmittelwerte, um die Abflussmenge Q347 selber zu rechnen, oder aber direkt den Wert für Q347 einer gewünschten Periode.

9. Daneben werden, v.a. seit dem Inkrafttreten des heute geltenden GSchG, zahlreiche kantonale Abflussmessstellen an kleineren Gewässern betrieben (im Jahr 2000 rund 300). Manche Kantone geben hydrologische oder hydrografische Jahrbücher heraus (AG, BL, BS, BE, LU, SG, SO, TG, TI, UR, VD, ZH), manche publizieren hydrologische Daten im Internet. Die Betreiber von Wasserkraftwerken messen die Zuflüsse zu ihren Fassungen im Hinblick auf die monetären Leistungen an den Konzessionsgeber schon seit langem.

 

C.           Methodisches, Grundlagen

10. Über das Vorgehen zur Ermittlung der Abflussmenge Q347 mit anderen Methoden – wenn keine Abflussmessungen vorhanden sind – herrschte Ende der 1980er-Jahre noch grosse Unsicherheit (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1155 f.). Das GSchG verpflichtet jedoch die Bundesstellen, insbesondere das BAFU als Gewässerschutzfachstelle, die Kantone beim Vollzug zu unterstützen, z.B. durch Beratung (Art. 50 Abs. 3 GSchG) und durch den Erlass fachtechnischer Weisungen (Art. 57 Abs. 5 GSchG). Der Bundesrat stellte deshalb in Aussicht, die Landeshydrologie und ‑geologie werde Richtlinien bzw. Vollzughilfen (zu deren Bedeutung vgl. Vor Art. 29–36 GSchG N 66) zur Abschätzung der Abflussmenge Q347 erarbeiten.

11. Im Jahr 1992, noch vor dem Inkrafttreten des GSchG, veröffentlichte die Landeshydrologie und ‑geologie eine fachtechnische Weisung bzw. eine Vollzugshilfe zur Abschätzung der Niedrigwasserabflussmenge Q347 für Einzugsgebiete im Alpenraum, deren mittlere Höhe oberhalb von 1ʹ550 m ü.M. liegt (BUWAL, Niedrigwasserabflussmenge Q347). Für die übrigen Einzugsgebiete fehlte damals noch ein befriedigendes Abschätzverfahren. Das Bundesgericht sah in diesem für den Vollzug des GSchG nachteiligen Umstand keine Rechtfertigung, Wasserentnahmen zu bewilligen, ohne ihre Auswirkungen abzuklären und ohne auch nur zu versuchen, die Abflussmenge Q347 zu bestimmen. Es führte verschiedene Massnahmen an (Beratung durch die Gewässerschutzfachstelle des Bundes, einjährige Kurzzeitmessung, Beizug eines Sachverständigen, Treffen vorsorglicher Massnahmen), mit welchen den Vollzugschwierigkeiten begegnet werden könnte (BGE 120 Ib 233, 240 ff., E. 5c–e).

12. Im Jahr 1999 publizierte die Landeshydrologie und ‑geologie ein am Geographischen Institut der Universität Bern erarbeitetes, regional differenzierendes, gesamtschweizerisch anwendbares Abschätzverfahren für die Abflussmenge Q347 (LHG, Abflussmenge Q347, 13). Dieses Verfahren liefert im Mittel befriedigende Resultate. Die Resultate verschiedener Abschätzverfahren und Daten aus Hydrometrischen Messnetzen wurden kartographisch umgesetzt (LHG, Abflussmenge Q347, 65 f.). Die Karte «Grundlagen zur Bestimmung der Abflussmenge Q347» im Massstab 1:500ʹ000 mit einem Anhang (Tabelle mit Ergänzungen, abgedruckt in BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 107 ff.) bildet eine Synthese zwischen Mess‑ und Modellwerten. Die Karte enthält die unbeeinflussten Abflussmengen Q347, die auf mindestens drei Messjahren basieren, bestimmt an eidgenössischen, kantonalen und privaten Messstationen, sowie die Abflussmenge Q347, bestimmt an Schätzpunkten (Erklärungen zum Karteninhalt bei BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 90–93; LHG, Abflussmenge Q347, 66–78). Die Karte dient zur Grob-abschätzung (s. N 19) der Abflussmenge Q347 (LHG, Abflussmenge Q347, 80 f.; sie ist als Tafel 5.8 im Hydrologischen Atlas der Schweiz publiziert [www.hades.unibe.ch]; für weitere Unterlagen betreffend Abflussdaten s. Zusammenstellung in BAFU, Abflussregime Stufe F, 24).

 

 

III.        Ermittlung der Abflussmenge Q347

A.           Zureichende Messergebnisse: Auswertung der Dauerkurve

13. Zureichende Messergebnisse sind Abflussmessungen während zehn Jahren, wenn die Abflussverhältnisse nicht wesentlich beeinflusst sind oder aufgrund bestehender Daten rekonstruiert werden können (s. Komm. zu Art. 4 GSchG N 55 ff.). Liegen Messergebnisse für mehr als zehn Jahre oder ausschliesslich ältere Messreihen vor, ist im Einzelnen abzuklären, welche Messergebnisse – allenfalls nach Korrekturen – zu verwenden sind (s. Komm. zu Art. 4 GSchG N 62 f., 65).

14. Liegen zureichende Messergebnisse vor, wird die Abflussmenge Q347 durch Auswertung der Dauerkurve oder Dauerlinie ermittelt (s. Komm. Art. 4 GSchG N 49, 53).

 

B.            Unzureichende Messergebnisse: Andere Methoden

15. Unzureichend sind Messergebnisse, welche nicht den Anforderungen an zureichende Messergebnisse entsprechen (s. N 13). Unzureichend sind aber auch fehlende Messergebnisse.

16. In diesen Fällen ist die Abflussmenge Q347 mit andern Methoden wie hydrologischen Beobachtungen und Modellrechnungen zu ermitteln. Diese Vorgabe ist illustrativ zu verstehen. Zulässig sind auch noch andere Methoden.

17. Sind Abflussmessungen über eine Periode von weniger als zehn Jahren vorhanden, kann die Abflussmenge Q347 in gewissen Fällen (Beobachtungsdauer vier bis neun Jahre, Rekonstruktion der nicht wesentlich beeinflussten Abflussverhältnisse möglich) ebenfalls durch Auswertung der Dauerlinie ermittelt werden (Einzelheiten s. BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 80 ff., insb. Abb. 7.3, 7.4, 85 f.).

18. Sind keine Abflussmessungen über eine längere Dauer vorhanden oder wurden wesentlich beeinflusste Abflussverhältnisse gemessen und können die natürlichen Abflussverhältnisse nicht rekonstruiert werden, ist die Abflussmenge Q347 durch Abschätzungen statt Messungen zu ermitteln.

19. Die bis 1999 erarbeiteten Resultate der wissenschaftlichen Untersuchungen der Landeshydrologie und ‑geologie im Bereich Niedrigwasserabflüsse dienten als Grundlage für die Beschreibung und Bewertung der verschiedenen, auf die Praxis ausgerichteten Vorgehensweisen zur Bestimmung der Abflussmenge Q347 (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, Kap. 7, insb. 82 f., 86 ff., Abb. 7.6). Diese Verfahren sind deutlich weniger genau als die auf Messwerten beruhende Ermittlung von Q347. Eine erste Grobabschätzung erfolgt aufgrund der Karte «Grundlagen zur Bestimmung der Abflussmenge Q347» (s. N 12).

20. Anschliessend ist eine Verfeinerung der Grobabschätzung mit Hilfe folgender Verfahren (mit abnehmender Genauigkeit) vorzunehmen:

  • Nutzung der Messwerte von unterliegenden Messstationen;
  • Durchführung von Messkampagnen (Einzelmessungen bei Niedrigwasserverhältnissen, Schätzung des langjährigen Q347 durch Vergleich mit Abflusswerten von umliegenden Messstationen);
  • Bildung von regionalen Mittelwerten der spezifischen Abflussmengen q347 (Abfluss in l/s pro Fläche des Einzugsgebiets in km2) und deren Übertragung auf einen konkreten Fall;
  • Statistische Verfahren: Abschätzung aufgrund von klimatischen und physiographischen (Geologie, Bodenbeschaffenheit, Topographie, Bodennutzung) Kenngrössen des Einzugsgebietes;
  • Weitere Verfahren.

21. Die mit solchen Verfahren geschätzten Q347 müssen einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden, unter Berücksichtigung der lokalen hydrogeologischen und geologischen Besonderheiten.

22. Unbedingt notwendig ist die Überprüfung der Schätzung mit kontinuierlichen Kurzzeitmessungen während mindestens drei Jahren. Der Messzeitraum kann theoretisch auf die Jahreszeiten beschränkt werden, in denen ein niedriger Abfluss zu erwarten ist. In Einzugsgebieten im Alpenraum, deren mittlere Höhe oberhalb von 1ʹ550 m ü.M. liegt, sowie in den nival geprägten Einzugsgebieten der Alpensüdseite oberhalb ca. 1ʹ200 m ü.M. sind dies die Monate Oktober bis April. In den übrigen Gebieten der Schweiz können Niedrigwasserabflüsse jederzeit auftreten; dort müssen die Messungen ganzjährig durchgeführt werden (BUWAL, Wegleitung Restwassermengen, 89 f.). Die Beschränkung des Messzeitraums auf Zeiten mit Niedrigwasserabflüssen ist jedoch nur im Hinblick auf die Ermittlung der Abflussmenge Q347 angezeigt. Für den Vollzug von Art. 31 Abs. 2 sowie Art. 32 und 33 Abs. 1 GSchG sind möglichst zuverlässige Angaben zu den Abflussverhältnissen während des ganzen Jahres notwendig.

23. Die konventionellen Methoden zur Bestimmung der Abflussmenge Q347 sind weitgehend bekannt. Neuere Entwicklungen im In‑ und Ausland (z.B. an der Universität Bern im Auftrag des BAFU, an der WSL/SLF Davos, an der ETH, an Universitäten in Deutschland und Frankreich) betreffen in erster Linie Niederschlags-Abfluss-Modelle und deren Weiterentwicklung. Mit solchen Modellen, die sich vielfältig einsetzen lassen, u.a. zur Beantwortung wasserwirtschaftlicher Fragen wie sie sich bei der Projektierung von neuen Wasserkraftanlagen stellen, können die Abflüsse in Oberflächengewässern mit teilweise sehr guter Genauigkeit und hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung berechnet werden. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Es ist zu erwarten, dass verbesserte Modelle die Modellgenauigkeit gegenüber heute auch für kleinere Einzugsgebiete soweit verbessern, dass die Resultate für die Berechnung aller statistischen Grössen (auch z.B. Q347) verwendet werden können.

24. Hinweis für die Praxis: Als einer der ersten Schritte bei der Planung eines neuen Wasserkraftwerks sollten in der Nähe der vorgesehenen Fassungsstandorte eine oder mehrere (einfache) Abflussmessstellen eingerichtet und während der gesamten Planungsphase, die sich über mehrere Jahre erstreckt, betrieben werden. Diese Kurzzeitreihen können dann mit langjährigen Messreihen (von Messstellen des Bundes) und immer öfters mit Daten aus mathematischen Modellen in Bezug gebracht werden, um so zuverlässige Daten zu den Abflussverhältnissen in den zur Nutzung vorgesehenen Fliessgewässern zu erhalten.

 

 

Résumé

En vertu de l’art. 59 LEaux, en l’absence de mesures suffisantes pour évaluer le débit d’un cours d’eau, le débit Q347 doit être déterminé selon d’autres méthodes telles que l’observation d’événements hydrologiques ou la simulation. Le débit Q347, qui joue un rôle important pour la détermination du débit résiduel minimal (art. 31 LEaux) et pour les dérogations prévues à l’art. 32 let. a et b LEaux, est défini à l’art. 4 let. h LEaux. Lorsqu’il existe une série de mesures de dix ans d’observation au moins et que les débits non pas été influencés sensiblement ou que la reconstruction basée sur les données existantes est possible, ces données sont exploitées pour la détermination du débit Q347. En l’absence de mesures suffisantes pour évaluer le débit d’un cours d’eau, le débit Q347 est estimé. Une première estimation pour déterminer la valeur approximative du débit Q347 se fera sur la base de la carte «Eléments pour la détermination du débit Q347». Cette estimation sera affinée à l’aide de différentes procédures telles que l’utilisation de stations de mesure en aval, les campagnes de mesure, les moyennes régionales, les procédures statistiques ou d’autres procédures. Les débits Q347 qui résultent de procédures d’estimation doivent être examinés de manière critique, c’est-à-dire qu’il faudra veiller à tenir compte des particularités locales hydrologiques ou géologiques. Un contrôle à l’aide de mesures de courte durée d’au moins 3 ans est également indispensable. Aux termes de l’art. 57 al. 5 LEaux, les services fédéraux compétents publient des directives techniques.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo), Die Niedrigwasserabflussmenge Q347 – Bestimmung und Abschätzung in alpinen schweizerischen Einzugsgebieten – Eine Arbeitsanleitung, Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 18, Bern 1992 (zit. Niedrigwasserabflussmenge Q347); Landeshydrologie und –geologie (LHG) (Hrsg.) (verfasst durch Aschwanden Hugo/Kan Caroline), Die Abflussmenge Q347 – Eine Standortbestimmung, Hydrologische Mitteilungen LHG Nr. 27, Bern 1999 (zit. Abflussmenge Q347); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Estoppey Rémy/Kiefer Bernd/Kummer Manfred et al.), Wegleitung Angemessene Restwassermengen – Wie können sie bestimmt werden?, Vollzug Umwelt, Bern 2000 (zit. Wegleitung Restwassermengen); Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Spreafico Manfred/Weingartner Rolf (Hrsg.), Hydrologie der Schweiz – Ausgewählte Aspekte und Resultate, Berichte des Bundesamtes für Wasser und Geologie (BWG), Serie Wasser Nr. 7, Bern 2005 (zit. Hydrologie Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Pfaundler Martin/Dübendorfer Christina/Zysset Andreas), Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer – Hydrologie – Abflussregime Stufe F (flächendeckend), Umwelt-Vollzug Nr. 1107, Bern 2011 (zit. Abflussregime Stufe F); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Hydrologisches Jahrbuch der Schweiz 2009, Umwelt-Zustand Nr. 1321, Bern 2013 (zit. Hydrologisches Jahrbuch 2009).

Iten Berenice​

 

Mitteilungspflicht der Behörde

Bevor eine Behörde einen Eingriff bewilligt, der sich auf ein Gewässer in der Nähe einer Station für hydrologische oder andere Erhebungen auswirken kann, unterrichtet sie die für die Station zuständige Stelle.

Obligation d’informer

Avant d’autoriser une quelconque intervention qui peut avoir des répercussions sur une eau aux abords d’une station servant à relever des données hydrologiques ou autres, l’autorité en informe les services responsables de la station.

Obbligo d’informare

Prima di autorizzare qualsiasi intervento con effetti sulle acque in prossimità di una stazione per rilevamenti idrologici o d’altra natura, l’autorità informa i servizi responsabili della stazione.

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.    ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Mitteilungspflicht der Behörde 3
A. Adressat und Gegenstand der Mitteilungspflicht 3
B. Folgen der Mitteilungspflicht 6

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wurde Art. 60 GSchG ohne Diskussion angenommen. Im Vergleich zur Vorlage des Bundesrates enthält die am 24. Januar 1991 von den Räten verabschiedete Bestimmung lediglich leichte redaktionelle Anpassungen. Die Bestimmung wurde seit ihrem Inkrafttreten nicht revidiert.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Eingriffe in Gewässer selbst oder in Gewässernähe können die Wasserqualität, die Wasserführung oder die Morphologie eines Gewässers verändern und damit auch die Ergebnisse von gewässerbezogenen Erhebungen beeinflussen. Mit einer Mitteilungspflicht soll gemäss der Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1987 vermieden werden, dass der Betrieb von Erhebungsstationen gestört oder gar verunmöglicht wird, da diese Stationen häufig mit beträchtlichen Investitionen verbunden sind (Botschaft GSchG 1987, 1156).

 

 

III.        Mitteilungspflicht der Behörde

A.           Adressat und Gegenstand der Mitteilungspflicht

3. Mitteilungspflichtig nach Art. 60 GSchG ist die Behörde, die für die Bewilligung eines Eingriffs zuständig ist, der sich auf ein Gewässer in der Nähe einer Station für hydrologische oder andere Erhebungen auswirken kann. Bei Eingriffen, die eine gewässerschutzrechtliche Bewilligung brauchen, z.B. Wasserentnahmen gemäss Art. 29 GSchG oder Bauten und Anlagen in den besonders gefährdeten Bereichen gemäss Art. 19 Abs. 2 GSchG, meldet die dafür zuständige Behörde den Eingriff. Bei baulichen Eingriffen, die keine gewässerschutzrechtliche Bewilligung erfordern, meldet die nach den Vorschriften der Baugesetzgebung zuständige Behörde den Eingriff.

4. Der Begriff des Eingriffes ist in einem weiten Sinn zu verstehen, der alles umfasst, was sich auf den Betrieb einer Erhebungsstelle bzw. die in der Erhebungsstelle gewonnenen Messergebnisse auswirken kann. Beispielsweise können Wasserentnahmen und ‑einleitungen den Abfluss und die Temperatur eines Gewässers verändern und Abwassereinleitungen können sich auf den chemischen und physikalischen Zustand eines Gewässers auswirken. So werden auch diesbezügliche Messergebnisse beeinflusst. Von der Meldepflicht werden sowohl vorübergehende als auch dauerhafte Eingriffe erfasst.

5. Objekt der Mitteilungspflicht sind auch Eingriffe ausserhalb der Gewässer in der Nähe einer Erhebungsstation, wenn sie Auswirkungen auf ein Gewässer haben können. Relevant für die Frage der Mitteilungspflicht ist somit, ob sich der Eingriff auf ein Gewässer auswirken kann oder nicht. So kann sich beispielsweise ein baulicher Eingriff in der Nähe einer Grundwasserfassung auf die Quantität oder die Qualität des Grundwasservorkommens auswirken und diesbezügliche Messungen in der Grundwasserfassung beeinflussen. Gefordert ist von Art. 60 GSchG nicht, dass sich ein Eingriff tatsächlich auf das betroffene Gewässer auswirkt, sondern lediglich, dass die Gefahr dafür besteht.

 

B.            Folgen der Mitteilungspflicht

6. Die Bewilligungsbehörde muss die für die Erhebungsstation zuständige Behörde des Bundes oder des Kantons unterrichten, bevor sie den Eingriff bewilligt. Die Folgen der Mitteilung sind in Art. 60 GSchG nicht geregelt. Eine mögliche Folge ist, dass sich die Bewilligungsbehörde und die Erhebungsstelle darauf einigen, dass der Eingriff wie vorgesehen oder in einer weniger beeinträchtigenden Form bewilligt wird und die Veränderungen bei der Auswertung der Messresultate berücksichtigt werden. In Fällen, wo die voraussichtlichen Auswirkungen des Eingriffs dauerhaft so gravierend sind, dass kein sinnvoller Betrieb bzw. keine aussagekräftigen Messresultate mehr möglich sind, ist m.E. auch denkbar, dass entweder die Messstation aufgehoben oder der Eingriff nicht bewilligt wird.

 

 

Résumé

Aux termes de l’art. 60 LEaux, l’autorité qui souhaite autoriser une intervention qui peut avoir des répercussions sur une eau aux abords d’une station servant à relever des données hydrologiques ou autres, doit en informer les services responsables de la station. La notion d’intervention doit être comprise au sens large et couvre tout ce qui peut avoir un effet sur la récolte de données hydrologiques (p. ex. prélèvements et rejets d’eau). Elle couvre aussi toute intervention menée au-dehors du plan d’eau concerné qui peut avoir un effet sur ce dernier. La conséquence de ce devoir d’informer peut être la prise en compte d’éventuelles modifications dans les résultats ou la modification de l’intervention prévue. Dans les cas où les effets de l’intervention sont particulièrement graves, une interdiction de procéder à l’intervention souhaitée ou la suppression de la station de mesure est envisageable.

3. Kapitel: Finanzierung

​Jansen Luc

 

3. Kapitel: Finanzierung/Chapitre 3: Financement

 

Taxes cantonales sur les eaux usées

1         Les cantons veillent à ce que les coûts de construction, d’exploitation, d’entretien, d’assainissement et de remplacement des installations d’évacuation et d’épuration des eaux concourant à l’exécution de tâches publiques soient mis, par l’intermédiaire d’émoluments ou d’autres taxes, à la charge de ceux qui sont à l’origine de la production d’eaux usées. Le montant des taxes est fixé en particulier en fonction:

a.       du type et de la quantité d’eaux usées produites;

b.       des amortissements nécessaires pour maintenir la valeur du capital de ces installations;

c.       des intérêts;

d.      des investissements planifiés pour l’entretien, l’assainissement et le remplacement de ces installations, pour leur adaptation à des exigences légales ou pour des améliorations relatives à leur exploitation.

2         Si l’instauration de taxes couvrant les coûts et conformes au principe de causalité devait compromettre l’élimination des eaux usées selon les principes de la protection de l’environnement, d’autres modes de financement peuvent être introduits.

3         Les détenteurs d’installations d’évacuation et d’épuration des eaux constituent les provisions nécessaires.

4         Les bases de calcul qui servent à fixer le montant des taxes sont accessibles au public.

Abwasserabgaben der Kantone

1         Die Kantone sorgen dafür, dass die Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen, die öffentlichen Zwecken dienen, mit Gebühren oder anderen Abgaben den Verursachern überbunden werden. Bei der Ausgestaltung der Abgaben werden insbesondere berücksichtigt:

a.   die Art und die Menge des erzeugten Abwassers;

b.   die zur Substanzerhaltung der Anlagen erforderlichen Abschreibungen;

c.    die Zinsen;

d.   der geplante Investitionsbedarf für Unterhalt, Sanierung und Ersatz, für Anpassungen an gesetzliche Anforderungen sowie für betriebliche Optimierungen.

2         Würden kostendeckende und verursachergerechte Abgaben die umweltverträgliche Entsorgung des Abwassers gefährden, so kann diese soweit erforderlich anders finanziert werden.

3         Die Inhaber der Abwasseranlagen müssen die erforderlichen Rückstellungen bilden.

4         Die Grundlagen für die Berechnung der Abgaben sind öffentlich zugänglich.

 

Tasse cantonali sulle acque di scarico

1         I Cantoni provvedono affinché i costi di costruzione, esercizio, manutenzione, risanamento e sostituzione degli impianti per le acque di scarico che servono per scopi pubblici siano finanziati mediante emolumenti o altre tasse conformemente al principio di causalità. L’ammontare delle tasse è fissato tenendo conto in particolare:

a.       del tipo e della quantità di acque di scarico prodotte;

b.       degli ammortamenti necessari a mantenere il valore degli impianti;

c.       degli interessi;

d.       degli investimenti pianificati per la manutenzione, il risanamento e la sostituzione degli impianti nonché per il loro adattamento alle esigenze legali o per l’ottimizzazione del loro esercizio.

2         Se l’introduzione di tasse a copertura dei costi e conformi al principio di causalità dovesse pregiudicare lo smaltimento ecologico delle acque di scarico, detto smaltimento può, se necessario, essere finanziato in altro modo.

3         I detentori degli impianti per le acque di scarico devono costituire le necessarie riserve finanziarie.

4         Le basi per il calcolo delle tasse sono a disposizione del pubblico.

 

Table des matières

Historique 1
II.    ​ Remarques générales 4
III. Commentaire 13
A. Fixation des taxes (al. 1) 13
1. Objet des taxes: coûts de l’évacuation et du traitement des eaux 13
2. Tâches publiques 26
3. Taxes 38
4. Critères de fixation des taxes 46
​B. Exception au principe de causalité (al. 2) 72
​C. Constitution de provisions (al. 3) 76
​D. Accès public aux bases de calcul (al. 4) 80

 

 

I.              Historique

1. L’art. 60a LEaux n’existait pas à l’origine de la LEaux qui a été complétée lors de sa modification du 20 juin 1997 (entrée en vigueur le 1er novembre 1997). Cette révision se situe dans le cadre du paquet législatif rédigé dans l’objectif de l’assainissement des finances fédérales par l’introduction du principe de causalité tant pour les eaux que pour les déchets, en particulier sous la forme de taxes d’élimination. Auparavant, les équipements étaient largement financés par les subventions fédérales.

2. L’art. 60a LEaux est le pendant de l’art. 32a LPE instaurant une taxe sur l’élimination des déchets urbains. Les deux articles faisaient d’ailleurs l’objet du même projet de modification législative présenté par le Conseil fédéral dans son message du 4 septembre 1996 (Message LEaux 1996).

3. L’introduction de la taxe sur les eaux à évacuer n’a pas fait l’objet de grands débats ou controverses au parlement fédéral, à l’instar de la taxe sur l’élimination des déchets urbains qui a été discutée souvent en même temps. La taxe sur les eaux à évacuer n’a pas été contestée dans son principe. Il faut toutefois relever la proposition Maissen faite au Conseil des Etats et demandant de modifier l’al. 2bis en introduisant une péréquation intercantonale en cas de charge démesurée pour certaines régions, proposition qui a été retirée entretemps (BO-E 1996 1163). Quant au Conseil National, il avait d’abord adopté une modification de l’al. 4 proposée par sa commission thématique et demandant que les taxes variables couvrent au moins la moitié des coûts, avec des dérogations pour les régions touristiques (BO-N 1997 428), modification qui été retirée par après le 11 juin 1997 (BO-N 1997 1118). L’accent avait été mis sur l’adoption d’un système de principe, les cantons et communes restant compétents pour appliquer les modalités de la taxe (BO-E 1996 1163).

 

 

II.           Remarques générales

4. L’origine des taxes sur les eaux à évacuer réside dans l’obligation légale de planifier cette évacuation, ce qui renvoie en particulier aux législations en matière d’aménagement du territoire et de protection des eaux (Favre/Jungo Fabia, Chronique, 32; Karlen, Abwasserabgaben, 551; Pont Veuthey, Taxes de raccordement, 35 ss).

5. L’art. 60a LEaux représente la concrétisation du principe de causalité de l’art. 3a LEaux pour les eaux à évacuer, exception faite de son deuxième al. (financement par la collectivité) qui déroge à ce principe appelé aussi pollueur-payeur. Par ailleurs, les termes de l’art. 3a LEaux correspondent exactement à ceux de l’art. 2 LPE; cet art. 3LEaux fut du reste introduit dans le cadre de la même modification législative du 20 juin 1997.

6. Comme pour les déchets urbains, l’existence de l’art. 60a LEaux répond à la nécessité de distinguer entre la notion de détenteur des eaux à évacuer établie par la loi aux art. 10 ss LEaux (soit la collectivité publique) et celle de l’auteur à l’origine de ces eaux (soit la personne physique ou morale qui les a produites).

7. L’objet de la taxe porte sur les eaux à évacuersoit les eaux polluées (ce qui correspond aux textes allemand de «Abwasser» et italien de «acque di scarico»; le texte légal français emploie le terme «usées») ainsi que celles non polluées, du moins les eaux à évacuer relevant de la responsabilité de la collectivité publique. Les définitions de ces catégories d’eaux figurent aux art. 4 let. e et f et 3 OEaux alors que la façon dont elles doivent être traitées (épuration, infiltration et déversement) est décrite aux art. 7 et 10 LEaux ainsi que dans l’OEaux. La nuance apportée par le texte français à ce propos dans l’expression «installations d’évacuation et d’épuration» traduisant les termes allemands de «Abwasseranlagen» et italiens de «impianti per le acque di scarico» n’est donc pas suffisamment précise même si elle contient l’élément supplémentaire de l’épuration, ce qui rappelle que la taxe porte également sur la phase du traitement de l’eau.

8. La législation fait ainsi une distinction, quoique peu nette, entre l’évacuation et le traitement. Cependant, la taxe concerne bien ces deux aspects. D’autre part, elle porte également sur les eaux non polluées même si, dans la réalité, ce sont essentiellement celles polluées qui sont taxées. Pour des raisons de clarté, ne sera utilisée dans le présent commentaire que la notion d’eaux à évacuer ou d’évacuation des eaux.

9. Le but principal visé par la loi est d’assurer le financement complet des étapes de l’évacuation et du traitement des eaux polluées et non polluées. La garantie de publicité des bases de calcul prévue à l’al. 4 constitue un des moyens donnés par la loi pour atteindre ce but. Tout aussi important (la jurisprudence récente semble même le privilégier, p.ex TF 2C_816/2009 du 3 octobre 2011, in: DC 1/2012, 29 s.; TF 2C_244/2014 du 14 novembre 2014, in: OFEV, Dangers naturels, 58) est l’effet incitatif permettant de réduire la quantité d’eaux polluées et non polluées à traiter. Est aussi recherchée une optimisation de l’élimination des eaux à évacuer par une sorte de garantie de fiscalité, le ménage financier ordinaire étant peu transparent. Enfin, cette disposition présente encore un aspect incitatif économique, le principe de causalité agissant comme un obstacle à un surdimensionnement des installations et comme une incitation à une gestion parcimonieuse de l’élimination des eaux à évacuer, notamment par une meilleure séparation des eaux claires de celles polluées. Ce but incitatif joue ainsi un rôle fondamental dans le choix du critère de taxation et de son mode de calcul (voir N 68 ss).

10. Par rapport à l’art. 32a LPE (relatif à la taxe sur les déchets urbains), l’art. 60a LEaux présente une structure différente en ce qui concerne les différentes étapes de vie des installations respectives: la disposition relative aux eaux définit d’emblée les installations en énumérant les différents aspects chronologiques (construction puis exploitation puis entretien, puis rénovation) alors que l’art. 32a LPE ne les mentionne que dans le cadre des critères de calcul par une énumération à double emploi.

11. Par contre, dans l’énumération des critères de taxation, les coûts de construction ne figurent pas à l’art. 60a LEaux contrairement à l’art. 32a LPE, ce qui pourrait s’expliquer par plusieurs raisons: le législateur a envisagé d’autres moyens de financement pour la construction proprement dite des installations de STEP et canalisations (charges de préférence/participations pour plus-values et taxes de raccordement ainsi que de fortes subventions fédérales et cantonales) même si la plus grande partie de ces installations étaient déjà construites. Les taxes périodiques devaient ensuite couvrir les coûts d’entretien, d’assainissement, de remplacement ou encore d’adaptation et amélioration (voir notamment Message LEaux 1996, 1213 ss, 1228; Favre, Déchets urbains, 263; Karlen, Abwasserabgaben, 554 ss; Petitpierre-Sauvain, Pollueur-payeur, 499, 507; Stutz, Abwasserrecht, 189; VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement, 8; voir N 15 ss). Le présent commentaire ne porte que sur les taxes périodiques.

12. Il convient encore de relever que le 1er janvier 2016, date de l’entrée en vigueur de la modification de la LEaux du 21 mars 2014, l’art. 60LEaux a reçu un titre («taxes cantonales sur les eaux usées»), alors qu’existe dès cette date le nouvel art. 60LEaux «taxe fédérale sur les eaux usées» permettant de financer les mesures d’élimination des micropolluants prises par les détenteurs des plus grandes STEP mais payées par tous les producteurs d’eaux à évacuer au moyen d’une taxe perçue par la Confédération.

 

III.        Commentaire

A.           Fixation des taxes (al. 1)

1.             Objet des taxes: coûts de l’évacuation et du traitement des eaux Eaux à évacuer et à traiter

13. Les notions d’eaux à évacuer et d’eaux à traiter ont été décrites dans le paragraphe précédent des remarques générales (voir N 7).

14. Il faut relever qu’une étape du traitement des eaux polluées, celle ultime de l’élimination des déchets des STEP, échappe à l’objet de la taxe de l’art. 60a LEaux pour tomber dans celui de la taxe de l’art. 32a LPE, puisque ces résidus de l’épuration sont devenus des déchets assimilés à ceux urbains (cf. art. 31b al. 1 LPE).

Coûts

15. Ce sont essentiellement les coûts décrits aux let. b à d du premier al. de l’art. 60a LEaux, soit les dépenses liées aux installations fixes quant à leur construction, leur exploitation, leur entretien, leur assainissement, leur remplacement ou encore leur adaptation et amélioration ainsi que les amortissements et intérêts des investissements engagés. Cette énumération légale ne doit pas être considérée comme exhaustive et il faut y rajouter les coûts relevant de l’administration, y compris l’information de la population, et même ceux de la planification, soit le PREE et le PGEE, selon les art. 4 ss OEaux (OFEV, Coûts de l’assainissement, 23, 35 ss).

16. On peut ainsi logiquement distinguer entre les frais liés aux infrastructures et les coûts de l’exploitation de celles-ci. Les infrastructures correspondent aux installations énumérées de manière hétéroclite aux let. b et d du premier al. de l’art. 60a LEaux où sont d’ailleurs mélangés frais relatifs aux infrastructures et ceux d’exploitation. Ce sont essentiellement les conduites et les STEP mais également les installations correspondant au traitement des eaux non polluées (par infiltration et exutoire, etc.). Les outils de planification de l’évacuation des eaux prévus par la loi (PREE et PGEE) devraient également contenir une description de telles installations. La distinction entre infrastructures et exploitation est établie dans les directives (notamment celle précitée sur les coûts de l’assainissement ainsi que celle de la VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement, 28 s.).

17. Les différentes espèces de coûts précitées sont usuellement classées en deux catégories principales: les coûts fixes et les coûts variables.

18. La législation fédérale (de même que le message relatif à la LEaux) ne définit pas ces deux sortes de coûts, pas plus que les différentes lois cantonales (à l’exception de Fribourg et du Jura). Les publications des autorités administratives ne contiennent pas expressément ces notions. Quelques tendances et indications sont toutefois données dans la jurisprudence (TF 2C_816/2009 du 3 octobre 2011 [X SA, c. Y (FR)] in: DC 1/2012, 29 s.; TF 2P.266/2003 du 5 mars 2004, in: DEP 2004, 197 ss et RDAF 2005 601 ss) et la doctrine (notamment Karlen, Abwasserabgaben, 556; Favre, Déchets urbains, 252).

19. Selon cette conception, les coûts relevant des infrastructures, qui sont relativement indépendants de la quantité d’eaux évacuées et traitées et donc de la consommation d’eau qu’en font les citoyens, sont considérés comme des coûts fixes. Quant aux coûts d’exploitation, soit ceux des services (d’évacuation et d’élimination) et de l’entretien, qui dépendent directement du type et de la quantité des eaux à évacuer, ils sont appelés variables pour cette raison.

20. Les coûts fixes correspondent aux investissements et amortissements (y compris les intérêts bancaires liés aux emprunts) pour la construction des installations et la phase ultérieure de leur rénovation (pour laquelle la loi utilise les termes d’assainissement, de remplacement, d’adaptation et d’améliorations). S’y ajoutent les frais de planification (PREE et PGEE) et ceux administratifs (personnel, frais généraux) ainsi que l’information et le conseil de la population. S’agissant des installations d’évacuation proprement dites, soit les conduites, il faut distinguer entre celles faisant partie du réseau public de celles privées consistant en raccordements aux conduites communales. Les coûts fixes n’englobent par conséquent pas les conduites privées. Les coûts d’exploitation portent sur tous les autres frais qui entrent dans le calcul du prix au m3 d’eaux évacuées et traitées.

21. On peut par ailleurs appliquer par analogie les notions de coûts fixes et variables en matière de déchets (sauf pour leur répartition, car une partie beaucoup plus grande des coûts résulte des infrastructures relatives aux eaux, cela malgré le financement déjà apporté par les redevances fixes comme l’appel/contribution en plus-value et la taxe de raccordement).

22. Les coûts fixes liés à la construction, au renouvellement ou la transformation des égouts et STEP font l’objet d’une planification comptable établie sous la forme de tranches d’amortissements des investissements, sur le long terme.

23. Il est difficile de chiffrer la proportion entre coûts fixes et coûts variables, les législations fédérales et cantonales ne la prévoyant pas. La jurisprudence ne semble pas s’être prononcée une seule fois (elle ne s’est avancée que sur le rapport entre la taxe de base et la taxe variable).

24. Coûts fixes et coûts variables doivent être intégralement pris en compte pour la fixation des taxes périodiques. Cette exigence correspond au principe de l’autofinancement ou principe de couverture de (tous) les coûts (voir N 33 et 43).

25. Par contre, la répartition des montants composant les taxes périodiques combinées (partie de base et partie variable) ne correspondra pas nécessairement à ceux des deux catégories de coûts. Ce seront essentiellement des facteurs économiques et légaux qui imposeront une répartition sous la forme d’un pourcentage de l’ensemble de tous les coûts (voir N 53 ss).

 

2.             Tâches publiques Mandat légal aux cantons

26. Les cantons, soit la collectivité publique, sont devenus de par la loi les détenteurs des eaux à évacuer produites par les ménages ou les entreprises, en vertu des obligations posées aux art. 10 et 11 LEaux. Contrairement aux déchets (art. 32 al. 1 1ère phrase LPE), la LEaux n’a pas prévu de disposition explicite posant le principe de la responsabilité du détenteur d’eaux à évacuer pour le financement de son élimination (soit l’évacuation et le traitement). Selon l’art. 60a LEaux, les cantons doivent faire en sorte que les coûts de l’évacuation et du traitement de ces eaux soient mis à la charge de ceux qui en sont à l’origine, soit les ménages et entreprises qui les ont produites. En utilisant le mot «veiller», le législateur fédéral a donné un mandat légal aux cantons qui peuvent choisir entre exécuter eux-mêmes la tâche confiée ou la déléguer à leur tour.

27. Ce mandat légal découle d’une répartition des tâches entre Confédération et cantons. Ceux-ci sont tenus d’appliquer le droit fédéral. Ce mandat législatif constitue du droit cantonal autonome et non pas seulement une simple exécution du droit fédéral: tant le libellé des conditions fixées par l’art. 60a LEaux pour la fixation des taxes que l’interprétation jurisprudentielle des compétences cantonales plaident plutôt en faveur de droit cantonal propre. Au demeurant, cette question n’a revêtu d’importance que sous l’ancien régime des voies de droit devant le Tribunal fédéral, où, selon l’une ou l’autre des hypothèses, était recevable soit le recours de droit public (droit cantonal autonome) soit celui de droit administratif (droit cantonal d’exécution). Sous le régime nouveau de la LTF, qui a simplifié l’accès au Tribunal fédéral, les décisions cantonales sont susceptibles d’un recours en matière de droit public, quel que soit leur fondement (art. 82 et 86 al. 1 let. d LTF).

28. Le droit fédéral n’a pas fixé de délai aux cantons pour introduire des taxes d’évacuation et de traitement des eaux conformes au principe de causalité. Les premières années d’application de l’art. 60a LEaux ont servi de période transitoire accordée par la jurisprudence pour permettre d’adapter notamment les anciens règlements communaux comportant encore des taxes forfaitaires. Le droit fédéral est en fait applicable immédiatement dès son entrée en vigueur, soit le 1er novembre 1997.

Délégation du financement

29. Le mandat légal s’adressant à l’autorité cantonale, soit à une collectivité publique d’ordre étatique, cette autorité peut déléguer le financement d’abord à des collectivités publiques inférieures, soit essentiellement les communes (ou associations de communes), mais également à des particuliers (ce qui, contrairement aux déchets, est rarement le cas), ce que permet expressément l’art. 49 al. 3 LEaux, s’agissant d’une tâche d’exécution. Les modalités de la délégation sont soumises à des exigences légales particulières, l’évacuation et le traitement des eaux et leur financement relevant d’un monopole de droit attribué aux seules collectivités publiques.

30. La réglementation cantonale de la compétence du financement de l’évacuation et du traitement des eaux peut prendre deux formes distinctes, selon que le canton a fait usage pour lui-même de la compétence attribuée par le droit fédéral à titre originel ou qu’il s’est limité à fixer les principes dans une loi cadre qui contient une délégation législative aux communes. Dans la première hypothèse, la réglementation est exhaustive. Dans tous les cantons, sauf Genève (pour le réseau primaire), Bâle-Ville (pour la STEP) et Appenzell Rhodes Intérieures, les compétences de taxation ont été attribuées aux communes (le Canton d’Uri oblige les communes à s’associer en corporation sous la forme d’une société anonyme de droit public). Quant aux modes de calcul, la majorité des cantons les ont fixés dans leurs lois (aucun critère n’est fixé dans les cantons de Vaud, Lucerne, Obwald, Nidwald, Zoug, Grisons et Zurich qui se limitent à se référer au principe de causalité contenu dans le droit fédéral). Tous les cantons (sauf Genève et Bâle-Ville qui prévoient une taxe unique et variable) fixent le principe d’une taxe combinée entre une partie de base et une partie variable. Pour la taxe de base, environ la moitié des cantons ont prévu des modes de calculs, dont celui le plus fréquent est la surface du bien-fonds. Quant à la taxe variable, la majorité des cantons se réfèrent à la quantité d’eau potable consommée ainsi qu’à la charge polluante, surtout pour les entreprises. Cependant, la réglementation de détail est généralement laissée aux communes. Une partie de celles-ci ont prévu une taxe combinée, les autres n’ayant retenu qu’une taxe unique de type fixe ou variant selon la consommation d’eau potable (OFEV, Coûts de l’assainissement, 39 ss; voir aussi le rapport «OECD-Umweltprüfbericht», 86, cité par Stutz, Abwasserrecht, 193 note 720). Il faut encore relever que seuls 6 cantons (AR, BE, NE, SG, SH, VD) ont introduit une taxe sur les eaux non polluées dans leur législation (en partie par le biais de la taxe de base sur les eaux polluées).

31. Le corollaire d’une délégation législative entre autorités consiste dans le moyen de s’assurer de sa bonne application. Faire en sorte que le droit fédéral soit respecté en matière de taxes d’évacuation et de traitement des eaux se concrétise d’abord et surtout dans le moyen efficace de porter toute contestation de décision individuelle et concrète de taxation litigieuse devant les tribunaux (procédure d’opposition et recours des contribuables à l’encontre des factures qui leur sont notifiées à titre individuel). Il est douteux qu’une plainte devant le préposé fédéral à la surveillance des prix puisse avoir des effets face à une taxe communale non conforme. La surveillance par l’autorité cantonale constitue une voie intermédiaire. Dans les cantons où la compétence législative a été déléguée aux communes, le contrôle de la conformité au droit fédéral se fait d’abord par l’homologation des règlements communaux renfermant les critères de taxation et le tarif des taxes. La mise en conformité des systèmes communaux de taxation passe ainsi également par la procédure d’adoption de ces actes législatifs, moyen de surveillance cantonale ordinaire sur les communes. Est aussi possible le recours à l’exécution par substitution par l’autorité supérieure de surveillance sous la forme d’une adaptation du règlement communal ou de l’édiction d’un nouveau règlement.

Tâches non publiques

32. L’énoncé de la loi contient la réserve selon laquelle la tâche d’évacuation et de traitement des eaux pourrait ne pas être accomplie par la collectivité publique. Il s’agit des cas particuliers prévus aux art. 12 (prétraitement et autres modes de traitement qu’une station centrale) et 13 (fosses septiques, etc.) et également à l’art. 7 LEaux (déversement et infiltration).

Report des coûts de l’évacuation et du traitement des eaux sur leur producteur

33. En s’appuyant sur le principe fondamental du pollueur-payeur de l’art. 3a LEaux, l’art. 60a LEaux exige de l’autorité compétente qu’elle impute l’entièreté des coûts liés à toutes les étapes de l’évacuation et du traitement des eaux à évacuer sur ceux qui en sont à l’origine, soit ceux qui les produisent. En précisant que le financement doit se faire par des émoluments ou des taxes et non pas par des impôts ordinaires, le législateur a ajouté au principe de causalité les deux sous-principes de la couverture des frais et de l’équivalence des prestations. Objet du mandat légal donné aux cantons, ces deux sous-principes signifient bien que l’ensemble des coûts doit être entièrement et exactement couvert par l’ensemble des taxes. Pour cette raison, il ne paraît pas concevable qu’une base légale prévoie expressément que les taxes perçues ne pourront couvrir qu’une partie de l’ensemble de tous les coûts. La jurisprudence a toutefois précisé que l’on ne doit donc pas déduire de ces deux sous-principes que la taxe facturée à chaque pollueur doit toujours correspondre à la quantité précise d’eaux produites, un certain schématisme étant admis pour chaque taxation individuelle. Cette affirmation se justifie essentiellement par le fait que la loi n’exige pas que le montant des taxes soit fixé uniquement en vertu du seul critère variable du type et de la quantité d’eaux (let. a) mais également par celui portant sur les coûts fixes des infrastructures (let. b à d).

34. Le producteur d’eaux à évacuer vise toute personne physique résidant (mais pas obligatoirement domiciliée) sur le territoire d’une collectivité publique (commune) et toute entreprise qui y exerce son activité, indépendamment de son siège social. Le critère du rattachement fiscal quant au lieu est donné par la loi, soit l’endroit où les eaux à évacuer sont produites. Peu importe donc le domicile civil ou fiscal (ordinaire) du producteur-payeur.

35. Le producteur d’eaux à évacuer devrait être le seul propriétaire du bien-fonds raccordé au réseau public. Ce ne sera souvent pas le cas mais plutôt l’ensemble des habitants d’un bâtiment si les taxes ne sont pas reportées exactement sur les loyers par les propriétaires, notamment en l’absence de compteurs individuels.

36. La jurisprudence admet toutefois, comme pour les déchets, qu’une partie des taxes d’évacuation et de traitement des eaux (pour celles correspondant aux coûts fixes, soit les taxes de base) soient facturées à la personne du propriétaire-bailleur, soit la personne n’habitant pas elle-même la maison ou l’appartement loué à un tiers, alors que le locataire est le véritable producteur d’eaux à évacuer. Le propriétaire peut ne pas résider sur le territoire communal, au contraire du locataire. Cette dérogation au principe de causalité est justifiée par le fait que cette taxe de base, qui équivaut à une redevance de mise à disposition des infrastructures, peut être reportée sur le locataire par le bailleur dans le montant du bail. Dans la réalité cependant, un tel report n’apparaît pas systématiquement ni si clairement dans les contrats de baux à loyer.

Émoluments ou taxes

37. Aux termes de l’art. 60a LEaux, les instruments de financement doivent être des émoluments («Gebühren») ou d’autres taxes («Abgaben»). Selon la définition généralement admise par la doctrine, ce genre de contribution publique, qui est à distinguer de l’impôt, est qualifié de taxe causale, parce que perçue en raison d’une prestation de la collectivité publique qui profite à l’administré ou que ce dernier occasionne. Parmi les différentes catégories de taxes causales, celle de l’art. 60a LEaux est qualifiée d’émolument (administratif) car d’une part elle est dépendante des coûts et d’autre part la cause qui la constitue est générale, contrairement aux autres types de taxes causales. La taxe est le terme employé de façon usuelle. La redevance de l’art. 60a LEaux vise un double objectif, fiscal (car elle est liée à une prestation étatique) et également incitatif (car elle est un encouragement à ne pas polluer les eaux; voir N 4 ss). En raison de ces deux objectifs légaux, on pourrait qualifier cette taxe causale écologique de redevance hybride ambivalente (voir notamment Oberson, Droit fiscal suisse, 8; il faut relever l’absence de définition unifiée dans la loi et la doctrine). Cette taxe est similaire à celle introduite à l’art. 32a LPE en matière de déchets urbains.

 

3.             Taxes

Définitions

38. Cet aspect a été traité précédemment au paragraphe précédent auquel il est renvoyé (voir N 37).

Principes

39. Comme pour les déchets urbains, la perception de taxes de financement de l’évacuation et le traitement des eaux doit respecter un certain nombre de principes applicables en vertu du droit fiscal même et également fixés par la jurisprudence dans le cadre spécifique des procédures de recours engagées à l’encontre de décisions de taxation des eaux à évacuer. Il s’agit essentiellement des principes de la légalité, de l’intérêt public, de la proportionnalité, de l’égalité de traitement, de l’interdiction de l’arbitraire, de la non-rétroactivité, de la bonne foi et celui de la transparence. La brève description qui suit est faite à titre de rappel et ne porte que sur les éléments essentiels.

40. Selon le principe constitutionnel de la légalité, plus strict en matière d’impôts que pour une taxe causale, cette dernière doit reposer sur une base légale formelle, établir les éléments essentiels de l’imposition et enfin délimiter l’application de la norme dans le temps (cf. art. 127 Cst.). La base légale doit être adoptée par le pouvoir législatif fédéral, cantonal ou communal, une délégation à l’exécutif étant admise à certaines conditions (voir la parenthèse suivante). La norme doit définir le cercle des contribuables, l’objet, le montant maximum et les modalités de calcul (soit le barème ; cette dernière exigence est assouplie, en particulier dans le cadre d’une délégation à l’exécutif, en cas d’application des deux sous-principes de la couverture des frais et de l’équivalence des prestations décrits plus bas, dans le sens que le montant maximal de chaque taxe doit être prévu dans la base légale formelle). Enfin, une taxe causale ne peut pas être rétroactive dans le temps, sous réserve d’une exception lorsque certaines conditions sont réalisées. Dans ce contexte, les exigences liées au principe de la légalité apparaissent clairement respectées en ce qui concerne l’art. 60LEaux.

41. Le principe de l’économie de procédure et de la simplification administrative, édicté par la jurisprudence, découle de celui précité de la légalité. L’assouplissement de l’application du principe de la légalité a été admis en raison de l’aspect technique des taxes basées sur l’art. 60a LEaux et de la nécessité que celles-ci puissent être rapidement modifiées.

42. Le principe de l’intérêt public est respecté par l’existence du double objectif fiscal et environnemental visé par la loi.

43. Le principe général du droit administratif de la proportionnalité est aussi applicable en droit fiscal mais plus spécialement par le biais des deux sous-principes de la couverture des frais et de l’équivalence des prestations, déduits par la jurisprudence du Tribunal fédéral:

  • principe de la couverture des frais, appelé plus couramment autofinancement et défini comme tel: le produit total des taxes ne doit pas dépasser à moyen terme les coûts totaux de l’évacuation et du traitement des eaux mais il doit également ne pas être inférieur à tous ces coûts;
  • principe de l’équivalence des prestations: le montant d’une taxe doit être fixé en proportion raisonnable de la valeur de la prestation fournie par la collectivité publique en faveur de celui qui est soumis à cette taxe.

44. Le principe de l’égalité de traitement implique que des situations semblables soient traitées de façon semblable et que des situations différentes soient traitées différemment. En matière fiscale, la jurisprudence a déduit de ce principe ancré à l’art. 8 Cst. trois sous-principes: l’égalité de l’imposition, la généralité de l’imposition et la capacité contributive. Selon la doctrine et la jurisprudence, le principe de l’égalité de l’imposition est applicable aux taxes causales mais, une absolue égalité n’étant pas possible en matière fiscale, le Tribunal fédéral admet un certain schématisme. Les deux autres sous-principes ne semblent pas applicables.

45. Selon la définition usuelle, une norme est arbitraire lorsqu’elle n’est pas fondée sur des motifs sérieux et objectifs, qu’elle est dépourvue de sens et d’utilité. En matière de taxe causale écologique, la jurisprudence a considéré que ce principe de l’interdiction de l’arbitraire, pas plus que celui de l’égalité de traitement, ne fait obstacle à un certain schématisme.

 

4.             Critères de fixation des taxes

Selon la loi

En général

46. La loi (2ème phrase du premier al. de l’art. 60a LEaux, soit les let. a à d) énumère cinq différents critères de taxation. Cette liste n’étant pas exhaustive (selon la nuance donnée par les deux mots «en particulier»), on peut donc imaginer qu’un critère supplémentaire puisse s’ajouter à ceux déjà énumérés.

47. Ces critères de calcul des taxes doivent être distingués des modalités de calcul, soit les moyens permettant de fixer les montants des taxes en application de ces mêmes critères légaux.

48. Tous les critères des let. a à d doivent être pris en considération. La figuration en première position des deux critères du type et de la quantité leur accorde cependant une certaine priorité. Concrètement, cela voudrait dire qu’une taxe calculée uniquement en fonction du type et de la quantité d’eaux, donc entièrement variable et proportionnelle, ne correspond pas à la volonté du législateur, qui a voulu que soient également pris en compte le critère des coûts fixes liés aux infrastructures. A l’inverse, une taxe de type forfaitaire sans varier au moins partiellement selon la quantité, va clairement à l’encontre des exigences légales.

49. C’est par conséquent une taxe combinant les deux types de critères fixes et variables qui doit être retenue (voir N 71).

Critères du type et de la quantité

50. Le double critère du type et de la quantité d’eaux produites est le premier énuméré par la loi, à la let. a du premier al. de l’art. 60LEaux.

51. Le moyen de calcul qui permet de prendre en considération le critère du type d’eaux concerne tant les eaux polluées que celles qui ne le sont pas, car le type d’eaux peut représenter une charge polluante très différente, selon que les eaux soient météorites (p. ex. provenant des toits des bâtiments et donc faiblement polluées) ou que celles polluées soient produites par des ménages, l’industrie et l’artisanat ou encore selon les différentes activités de ces dernières (p. ex. une cave à vin par rapport à une entreprise de service). Par contre, à l’instar des déchets non urbains, les eaux à très forte charge polluante produites par certaines industries (p. ex. chimiques) ne devraient pas tomber pas sous le coup de la notion légale d’eaux à évacuer sujettes à taxe, en référence aux modes d’élimination parallèle prévus par les art. 12 et 13 LEaux.

52. Quant au critère de la quantité, il se concrétise par le volume en litres d’eaux tant à évacuer qu’à traiter (il n’y a pas de différence de volume entre ces deux étapes). Ce qui veut dire que le montant de la taxe doit être proportionnel au volume des eaux mais seulement pour une partie, étant donné l’existence des autres critères contenus aux let. b à d. Il faut relever au demeurant que le terme de volume n’est pas expressément prévu par la loi mais, variable, il correspond exactement au principe de causalité ou pollueur-payeur. Comme relevé plus haut (voir N 30), la majorité des cantons, ainsi qu’une partie des communes, utilisent comme mode de calcul la quantité d’eau potable consommée considérée comme équivalente à celle d’eaux polluées évacuées.

Critères des coûts fixes et des coûts variables

53. La tendance, et elle peut au premier abord paraître logique, consiste à calculer la partie variable de la taxe selon le critère du type et de la quantité, en l’appliquant aux coûts variables, soit ceux d’exploitation (voir N 68 ss et N 71). Quant au financement du coût (fixe) des infrastructures, il serait calculé de manière plutôt forfaitaire.

54. Comme relevé plus haut (voir N 30), environ la moitié des cantons ont prévu des critères s’appliquant au calcul de la taxe de base, dont celui le plus fréquent est la surface du bien-fonds.

55. Concernant la répartition entre les coûts fixes et les coûts variables, la législation fédérale est muette sur cette proportion. Cependant, lors des débats au Parlement en 1997 (BO 1997N 428 ss et 1118), on admettait que la taxe variable devrait représenter entre 50 et 65 % (donc la taxe de base entre 35 et 50 %) du montant des taxes périodiques encaissées, en se référant aux directives des organismes professionnels (voir N 57 ss.).

56. Quant au droit cantonal, seules deux lois fixent un chiffre mais sensiblement différent (à Fribourg, la taxe de variable doit se monter au maximum à 40 % du tout; dans le canton d’Appenzell Rhodes Intérieures, la taxe de variable doit au contraire se monter au minimum à 66 %).

Selon les directives

57. Dans sa directive sur les coûts de l’assainissement de 2003, l’OFEFP adopte le critère du m3 d’eau pour la taxe variable tout en préconisant la combinaison d’une taxe de base avec une taxe variable, afin de tenir compte des eaux pluviales (OFEV, Coûts de l’assainissement, 37 ss). Ce document, consistant pour l’essentiel en une compilation des systèmes communaux en vigueur, renvoie par ailleurs à la directive VSA/ORED de 1994, comme le fait également la doctrine en général, ce dernier document s’imposant comme celui de référence. Pour l’Office fédéral, la proportion serait de 70 % pour la taxe variable (VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement, no 2.4, 16).

58. Selon cette directive VSA/ORED (VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement, surtout les pages 24 à 30), parue presque dix ans avant celle de l’Office fédéral, la taxe périodique doit également être divisée en une taxe de base et une taxe quantitative. La partie de base, qui porte sur les coûts des infrastructures (y compris celles servant à l’évacuation des eaux pluviales), doit être calculée selon la surface du bien-fonds pondérée en fonction du type de zone. Elle peut correspondre à une fourchette de 30 à 50 % des revenus. Quant à la partie variable (représentant a contrario entre 70 à 50 % des coûts/revenus), elle concerne les frais d’exploitation et devrait être calculée selon la consommation d’eau potable (car considérée comme en rapport étroit avec la production d’eaux usées), pour les ménages. Les entreprises industrielles et artisanales (très polluantes) devraient être taxées selon le flux de pollution. La planification doit être faite à long terme (50 ans) par l’élaboration d’un plan des investissements. Du point de vue comptable, cela implique un compte des investissements et un compte de fonctionnement, les taxes étant calculées sur cette base.

59. Cette directive a été complétée en 2012 par le guide de cette même association VSA qui met l’accent sur la hauteur des amortissements liés aux coûts de l’assainissement des installations existantes. Les taxes devraient être calculées dans le cadre d’une démarche de planification comprenant un plan financier à trois modèles possibles (la variante du maintien de la valeur est préférée) car dépendant des législations cantonales en raison des aspects essentiellement économiques et financiers. Ce guide ne tranche cependant pas la question de la répartition des taxes (taxe de base et taxe variable) en considérant que cela relève des règlementations communales mais renvoie à la directive de 1994 (VSA, Guide VSA/Infrastructures communales).

60. Quant au rapport de l’Office fédéral de l’environnement de 1993 «Abwasserabgabe für die Schweiz», il ne donne aucune indication sur les critères de calcul de la taxe périodique (BUWAL, Abwasserabgabe, 1 ss).

61. Par analogie aux déchets urbains, un renvoi peut être fait à la directive de l’OFEFP sur le financement de l’élimination des déchets urbains qui préconise également une taxe combinée avec une partie de base et une partie variable selon la quantité.

Selon la jurisprudence

62. Comme pour les déchets urbains, une jurisprudence abondante, tant du Tribunal fédéral que des instances cantonales, a interprété le système légal depuis l’entrée en vigueur de l’art. 60a LEaux en 1997, en précisant les exigences de cette disposition cadre. Les principes généraux posés par l’art. 60a LEaux ne sont pas directement applicables mais doivent être concrétisés par les cantons et communes qui disposent ainsi d’une certaine marge de manœuvre et d’un pouvoir d’appréciation.

63. On peut synthétiser la jurisprudence par les points essentiels suivants:

  • les éléments de taxation doivent respecter en particulier les principes de causalité, de couverture des coûts et d’équivalence des prestations et d’égalité de traitement;
  • l’objectif visé par les taxes est double: fiscal et incitatif;
  • les taxes doivent être combinées, soit se composer d’une partie de base correspondant aux coûts fixes et d’une partie variable portant sur les coûts variables (le montant des taxes ne doit pas être entièrement proportionnel à la quantité d’eaux à évacuer produites);
  • le critère de la quantité, qui porte sur les coûts dits variables, ne peut pas être schématique mais doit être strictement proportionnel, c’est-à-dire porter seulement sur le type d’eaux à évacuer (polluées et non polluées) et la quantité (volume) exacte des eaux à évacuer (p. ex par une taxe sur la consommation d’eau potable pour les ménages et par une taxe selon le flux et le degré de pollution pour les entreprises);
  • l’absence de schématisme pour les taxes variant selon la quantité est justifiée par le principe même de causalité de l’art. 3LEaux soutenant le système de la taxe causale de l’art. 60LEaux qui, en raison de son objectif d’externalisation des coûts, ne peut être qu’individuelle;
  • l’admissibilité d’un certain schématisme n’est donnée que pour la taxe dite de base couvrant les coûts fixes (acceptation d’un caractère forfaitaire) et qui peut se concrétiser par différentes modalités (p. ex, outre la surface du bien-fonds pondérée selon la surface à bâtir, le volume des bâtiments, la valeur d’assurance-incendie, la valeur fiscale du bien-fonds, etc.);
  • la proportion entre le montant de la taxe de base et celui de la taxe variable dépend de chaque situation et des pourcentages de référence sont rarement donnés mais la tendance la plus récente est de considérer que la taxe variable devrait être supérieure à celle de base (TF 2C_995/2012 du 16 décembre 2013 [G. Vaz/Obervaz] in: DC 5/2014, 258; TF 2C_816/2009 du 3 octobre 2011, consid. 4.3.1: référence est faite à la proportion invoquée lors des débats parlementaires, soit une taxe variable entre 50 et 65 %, mais chaque cas concret peut présenter une proportion différente soit une taxe variable de 30 %, voire encore moins);
  • les eaux météoriques doivent être taxées pour elles-mêmes ou être inclues dans la taxe de base.
Selon la doctrine

64. Les quelques commentateurs qui se sont prononcés sur la question se réfèrent à la directive VSA/ORED de 1994 (VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement) pour retenir le principe d’une taxe combinée entre une partie de base couvrant les coûts fixes et une partie variable portant sur les coûts d’exploitation.

65. Le critère de la quantité et du type d’eaux à évacuer pour calculer la taxe variable est admis unanimement. De même, quant au moyen de la consommation d’eau potable et de la charge polluante.

66. Les auteurs divergent toutefois quant au pourcentage de répartition des coûts mais articulent une proportion similaire à celle de la jurisprudence, soit une taxe variable d’environ 30 à 50 %, tout en relevant que ce pourcentage ne peut être qu’une moyenne et qu’il faut tenir compte des circonstances locales particulières des particularités de chaque commune (Favre, Déchets urbains, 257, 268; Karlen, Abwasserabgaben, 557 ss). Tous les auteurs sont d’accord sur la nécessité d’un certain schématisme mais en tenant une comptabilité la plus précise possible.

67. L’analyse économique est caractéristique de l’avis de Müller qui, contrairement aux juristes, pour obtenir l’effet incitatif voulu par la loi, préconise de ne pas tenir compte des types de coûts fixes et variables car relevant de moyennes, mais de considérer les coûts plutôt sur le long terme: la taxe variable calculée selon la quantité doit porter sur les coûts à long terme, marginaux et non moyens, qu’ils soient fixes ou non, mais surtout ceux relatif aux investissements. La taxe de base sert à assurer la couverture des coûts, soit selon le but fiscal de la loi. Cet économiste préconise une méthode combinant celle de la Directive VSA/ORED de 1994 (VSA/ORED, Directive financement de l’assainissement) ainsi que le modèle bernois (prépondérance du maintien de la valeur). Invoquant la prise en compte de deux autres facteurs de répartition entre partie de base et partie variable (grandeur de la STEP et charge de pointe saisonnière), il préconise une taxe variable entre 44 et 80 %, selon les circonstances propres à chaque commune. Pour ce spécialiste, la consommation d’eau fraîche représente également le bon moyen de calcul.

Marge de manœuvre laissée aux cantons

En général

68. Des considérations précédentes, on peut d’abord retenir qu’il existe un certain pouvoir d’appréciation à disposition des autorités d’application (surtout les communes) pour le choix des modalités de taxation, essentiellement sur la façon de répartir les coûts (fixes et variables) selon les circonstances locales et sur le choix des critères de calcul des taxes de base. Il existe ainsi des grandes différences entre les systèmes établis par les communes de la Suisse entière. Aucune marge de manœuvre n’est par contre donnée pour le principe de la taxe combinée et les critères de calcul de la taxe variable (quantité et type d’eaux à évacuer).

69. La taxe de base ne peut et ne doit pas correspondre aux coûts fixes ni la taxe variable à ceux d’exploitation. En effet, l’importance des montants liés aux infrastructures peut être telle que les coûts variables d’exploitation ne représentent qu’une partie minime de l’ensemble des frais. Dans ce cas, avec une taxe variable portant sur ces coûts (calculée selon le critère variable de la quantité et le type d’eaux produites), l’obligation légale de tenir compte suffisamment de ce critère variable ne serait par conséquent pas respectée. Par ailleurs et surtout pour cette raison, la taxe doit avoir un effet incitatif global et cet objectif légal ne serait pas non plus atteint dans un tel cas. Le but fiscal de la loi est atteint par la seule couverture des coûts (qu’il s’agisse des infrastructures ou de l’exploitation de celles-ci) au moyen de la taxe de base à caractère forfaitaire. Les coûts à long terme, soit les investissements, doivent être financés par une taxe dotée d’un effet incitatif en raison même de l’ampleur des investissements à entreprendre et de la nécessité de les réduire. Or, cet effet incitatif n’est possible que par le biais d’une taxe variable selon la quantité et le type d’eaux produites. Tous ces éléments nécessitent de calculer les montants des parties de base et variable des taxes périodiques combinées de manière différente que selon la simple équivalence entre coûts fixes et taxes fixes, respectivement coûts variables et taxes variables.

70. Par ailleurs, les taxes (revenus) et les coûts (dépenses) doivent figurer sous la forme de provisions dans des comptes annuels dits autofinancés desquels sont effectués des prélèvements ou des attributions selon les besoins d’ajustement. Etant donné qu’une partie des coûts ne peuvent être connus à l’avance, lors de l’exercice annuel de l’adoption du budget, les montants des taxes à percevoir ne peuvent pas être fixés dans ce cadre de telle sorte qu’ils correspondent aux montants de ces dépenses, en grandeur et temps réels. Ils doivent faire l’objet d’une adaptation régulière à chaque exercice budgétaire, selon l’évolution prévisible des coûts. Le critère légal des investissements et des provisions implique déjà que l’on tienne compte des coûts à long terme.

En particulier

71. En conséquence de ce qui précède, la marge de manœuvre des autorités de taxation pourrait se présenter concrètement de la manière suivante:

  • structure des taxes: les taxes doivent être combinées entre un montant de base à caractère forfaitaire et une partie proportionnelle à la quantité et au type (charge polluante) des eaux à évacuer produites;
  • effet fiscal et effet incitatif: les taxes doivent être fixées non seulement en vue de l’objectif de causalité fiscale (couverture des coûts) mais également dans le but d’obtenir un effet réellement incitatif;
  • calcul des coûts comme objet des taxes combinées: les coûts doivent être évalués et planifiés selon les principes de la comptabilité analytique (comptes spécifiques autofinancés), non pas selon leur nature fixe ou variable mais selon leur caractéristique marginale (pour la taxe variable) ou moyenne (pour la taxe de base qui est destinée à couvrir les frais non couverts par la taxe variable); tous les coûts doivent également être calculés à long terme (et non à court terme); enfin, doivent également être prises en considération les circonstances communales concrètes telles que la grandeur de la STEP, la charge de pointe saisonnière, etc.
  • calcul de la taxe variable: selon la quantité (soit celle des eaux à évacuer, soit selon la consommation d’eau potable); en cas de fortes différences de type d’eaux à évacuer: selon la charge polluante (surtout pour l’artisanat et l’industrie); le montant de la taxe variable peut être fixé dans une fourchette allant de 50 à 80 % des coûts totaux (marginaux et à long terme);
  • calcul de la taxe de base: le moyen de calcul devrait être la surface du bien-fonds pondérée selon le type de zone d’affectation (autres facteurs de calcul concevables: la surface bâtie, le volume du bâtiment, le nombre de pièces du bâtiment, la valeur d’assurance-incendie, la valeur fiscale de la parcelle, l’équivalent-habitant); le montant de la taxe de base peut être fixée dans une fourchette allant de 20 à 50 % des coûts totaux;
  • eaux pluviales: elles peuvent faire l’objet d’une taxe spécifique ou intégrée dans la taxe de base.

 

B.            Exception au principe de causalité (al. 2)

72. Le but de cette disposition, dont le correspondant exact relatif aux déchets urbains est le second al. de l’art. 32a LPE, vise essentiellement les difficultés de faire adopter une augmentation des taxes importante, anticipée ou non, et nécessitée par le financement d’importants investissements d’installations. Contrairement au cas de figure des déchets, il s’agit essentiellement d’aspects financiers même si les dérogations ne peuvent donc être fondées que sur des raisons écologiques.

73. Il peut s’agir d’amortir de très grands investissements nécessités par la mise en place d’infrastructures coûteuses, par exemple dans une région habitée par une population à faible revenu.

74. Il existe plusieurs moyens de financement mais avant de recourir à la fiscalité ordinaire (impôts), il faut privilégier le système admis dans le cadre de l’art. 60a LEaux en couvrant ces coûts par les taxes forfaitaires (taxes de base). Le motif de politique sociale (familles nombreuses ou à faible revenu) ne devrait idéalement pas relever de cette exception légale car ce sont des moyens extérieurs au champ d’action de l’art. 60a LEaux qu’il faudrait utiliser pour corriger les conséquences de ces situations particulières (par exemple des déductions fiscales).

 

75. Cette disposition constitue une possibilité et non pas une obligation. De plus, la mesure engagée est de caractère provisoire et transitoire jusqu’à la perception de taxes conformes aux exigences du premier alinéa.

 

C.           Constitution de provisions (al. 3)

76. L’objectif visé par la loi est d’éviter une augmentation trop lourde des taxes causales en cas d’investissement important (ou de changement de système de financement). En effet, en raison de la limitation dans le temps des crédits (avec des plans d’amortissement généralement exigés sur dix ans) et des coûts très élevés des travaux de construction, rénovation ou remplacement des infrastructures d’évacuation et de traitement des eaux, les collectivités publiques devraient théoriquement et logiquement adapter leurs taxes en proportion, c’est-à-dire prévoir d’importantes hausses des taxes. De telles augmentations risquent d’être contestées, voire refusées, plaçant ainsi les détenteurs des installations dans une situation financière difficile et contraire au principe du pollueur-payeur.

77. La création de provisions (soit l’avance, sous forme de prêt, de moyens de financement provenant d’une autre source que de taxes causales, par exemple impôts, emprunts bancaires ou autres revenus), avant l’engagement des dépenses d’investissement, permet d’éviter une telle situation en limitant la hausse du montant de ces taxes à une hauteur acceptable politiquement. La tranche de financement non comprise dans les taxes causales sera amortie ultérieurement, en remboursement des sommes prêtées par le biais des provisions. C’est une couverture à long terme qui est ainsi visée.

78. Plutôt que de provisions, il faudrait utiliser le terme de réserves car il s’agit d’investissements prévus (OFEFP, Financement, chiffre 7, 30 ss).

79. Le principe de la couverture des frais ne permet pas que la perception de taxes causales trop élevées puisse constituer de telles réserves dans les comptes autofinancés. C’est pourtant souvent le cas étant donné que les collectivités publiques refusent, souvent en raison de la législation cantonale, de constituer formellement des provisions. Le législateur fédéral a pourtant voulu que la constitution de provisions soit obligatoire et non seulement possible (Message LEaux 1996, 1228).

D.           Accès public aux bases de calcul (al. 4)

80. Cette disposition vise un double but : garantir une transparence lors de la fixation des taxes et optimiser le système d’évacuation et de
traitement des eaux. Il y a transparence par le fait que le pollueur-payeur peut consulter non seulement les données comptables sur les coûts et les rendements des installations (pour autant que soit introduite la comptabilité analytique), mais tout élément qui a contribué à fixer les taxes. D’autre part, c’est par cette espèce de contrôle populaire que le détenteur-exploitant des installations sera incité à gérer au mieux ces dernières, selon le principe de l’économie de marché.

81. L’accès public aux bases de calcul des taxes constitue un premier élément du droit à l’information posé aux art. 50 et 52 LEaux (ces derniers correspondent, mais seulement très partiellement, aux nouveaux art. 10e à 10g de la LPE, dispositions introduites à la suite de la convention d’Aarhus, qui a posé le principe de transparence pour les informations sur l’environnement).

 

 

Zusammenfassung

Die Kosten (die Fixkosten der Infrastruktur und die variablen Kosten ihres Betriebs) der Abführung und Reinigung des verschmutzten und nicht verschmutzten Abwassers (Niederschlagswasser) müssen durch die Gemeinwesen (Kanton oder Gemeinden) mit Gebühren den Verursachern überbunden werden. Die Gebühren sollen auf einer langfristigen Basis berechnet werden und setzen sich aus einem Basisteil (zwischen 20 und 50 % der Gesamtkosten) und einem variablen Teil (zwischen 50 und 80 %; je nach Menge und Art des erzeugten Abwassers, berechnet mittels Trinkwassersverbrauchs und Verschmutzungsgrads) zusammen. Unter Anwendung des Verursacherprinzips verfolgen diese Abgaben sowohl ein fiskalisches als auch ein Förderungsziel. Diese Abgaben müssen insbesondere auch das Verhältnismässigkeitsprinzip (Kostendeckungs‑ und Äquivalenzprinzip) sowie das Gleichbehandlungsgebot beachten.

 

 

Bibliographie: Donzel Valérie, Les redevances en matière écologique, Diss. Lausanne 2002 (cit. Redevances); Favre Anne-Christine/Jungo Fabia, Chronique du droit de l’environnement, Première partie: Principes généraux, taxes et assainissements, in: RDAF 2008 I, 17 ss (cit. Chronique); Favre Anne-Christine/Meyer Lia/Engel Olivier, L’élimination des déchets urbains et l’évacuation des eaux claires et usées, ainsi que leur financement, in: RDAF 2012 I, 239 ss (cit. Déchets urbains); Karlen Peter, Die Erhebung von Abwasserabgaben aus rechtlicher Sicht, in: URP 1999, 539 ss (cit. Abwasserabgaben); Müller André, Finanzierung der kommunalen Abwasserentsorgung aus ökonomischer Sicht, in: DEP 1999, 509 ss (cit. Finanzierung kommunalen Abwasserentsorgung); Oberson Xavier, Droit fiscal suisse, 4e éd., Bâle 2012 (cit. Droit fiscal suisse); Oberson Xavier, La compétence des cantons suisses en matière de fiscalité écologique, in: Pillet Gonzague/Oberson Xavier/Maradan David et. al., Réforme fiscale écologique, Genève/Bâle/Munich 2001, 65 ss (cit. fiscalité écologique); Oberson Xavier, Les taxes écologiques et le partage des compétences de leur mise en œuvre entre la Confédération et les cantons, in: ASA 60 (1991), 225 ss (cit. partage des compétences); Petitpierre-Sauvain Anne, Le principe pollueur-payeur dans la loi sur la protection des eaux, in: DEP 1999, 492 ss (cit. Pollueur-payeur); Pont Veuthey Marie-Claire, Les taxes de raccordement – qualification et régime juridique, in: BR/DC 1997, 35 ss (cit. Taxes de raccordement); Ryser Walter/Rolly Bernard, Précis de droit fiscal suisse (impôts directs), 4ème éd., Berne 2002 (cit. Droit fiscal).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (édit.) (rédigé par Müller André/Van Nieuwkoop Renger/Walter Felix), Abwasserabgabe für die Schweiz – Lenkung, Finanzierung und Ausgleich in der Abwasserentsorgung, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 203, Gewässerschutz, Berne 1993 (cit. Abwasserabgabe); Association suisse des professionnels de la protection des eaux, Union des villes suisses (VSA)/Organisme pour les problèmes d’entretien des routes, d’épuration des eaux usées et d’élimination des déchets (Ored), Directive concernant le financement de l’assainissement au niveau des communes et de leurs groupements, mars 1994 (cit. Directive financement de l’assainissement); Office fédéral de l’environnement, des forêts et du paysage (OFEFP) (édit.) (rédigé par Röck Claudia/Chardonnens Marc/Fahrni Hans-Peter), Financement de l’élimination des déchets urbains selon le principe de causalité, Directive, L’environnement pratique, Berne 2001 (cit. Financement); Office fédéral de l’environnement (OFEV) (édit.), Coûts de l’assainissement, L’environnement pratique, informations concernant la protection des eaux n. 42, Berne 2003 (cit. Coûts de l’assainissement); Association suisse des professionnels de la protection des eaux Union des villes suisses (Vsa) (édit.), Infrastructures communales, financement durable de l’assainissement, le nouveau guide et modèle de planification, <https://www.vsa.ch/publikationen/tagungsberichte/614/>, 15.06.2012 (cit. Guide VSA/Infrastructures communales); Office fédéral de l’environnement (OFEV), Vivre avec les dangers naturels, Revue de l’environnement 2/2015, Berne 2015 (cit. Dangers naturels).

Jansen Luc

 

Taxe fédérale sur les eaux usées

1         La Confédération perçoit auprès des détenteurs de stations centrales d’épuration des eaux usées une taxe pour financer l’indemnisation des mesures destinées à éliminer les composés traces organiques visés à l’art. 61a, y compris les frais d’exécution de la Confédération.

2         Les détenteurs de stations centrales d’épuration des eaux usées qui ont pris des mesures selon l’art. 61et présenté, d’ici au 30 septembre de l’année civile, le décompte final des investissements effectués sont exemptés de la taxe à partir de l’année civile suivante.

3         Le montant de la taxe est fixé en fonction du nombre d’habitants raccordés à la station. Il ne peut excéder 9 francs par habitant et par an.

4         Le Conseil fédéral fixe le tarif en fonction des coûts prévisionnels et règle les modalités de perception de la taxe. La taxe est supprimée au plus tard le 31 décembre 2040.

5         Les détenteurs de stations imputent la taxe à ceux qui sont à l’origine de la mesure.

Abwasserabgabe des Bundes

1         Der Bund erhebt bei den Inhabern von zentralen Abwasserreinigungsanlagen eine Abgabe für die Finanzierung der Abgeltung von Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen nach Artikel 61a, einschliesslich der Vollzugskosten des Bundes.

2         Inhaber von zentralen Abwasserreinigungsanlagen, die Massnahmen nach Artikel 61a getroffen und die entsprechende Schlussabrechnung über die getätigten Investitionen bis am 30. September eines Kalenderjahres eingereicht haben, sind ab dem nachfolgenden Kalenderjahr von der Abgabepflicht befreit.

3         Die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Anzahl der an die Abwasserreinigungsanlage angeschlossenen Einwohner. Der Abgabesatz beträgt jährlich höchstens 9 Franken pro Einwohner.

4         Der Bundesrat legt den Abgabesatz aufgrund der zu erwartenden Kosten fest und regelt das Verfahren für die Erhebung der Abgabe. Die Abgabe entfällt spätestens am 31. Dezember 2040.

5         Die Inhaber der Anlagen überbinden die Abgabe auf die Verursacher.

Tassa federale sulle acque di scarico

1         La Confederazione riscuote dai detentori di stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico una tassa per finanziare l’indennità per le misure destinate a eliminare le sostanze organiche in tracce di cui all’articolo 61a, comprese le spese di esecuzione della Confederazione.

2         I detentori di stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico che hanno preso misure secondo l’articolo 61a e presentato, entro il 30 settembre dell’anno civile, il conteggio finale degli investimenti effettuati sono esentati dalla tassa a partire dall’anno civile successivo.

3         La tassa è stabilita in funzione del numero di abitanti allacciati alla stazione di depurazione delle acque di scarico. L’aliquota della tassa ammonta al massimo a 9 franchi all’anno per abitante.

4         Il Consiglio federale stabilisce l’aliquota della tassa in base ai costi previsti e disciplina la procedura di riscossione della tassa. La tassa decade al più tardi il 31 dicembre 2040.

5         I detentori delle stazioni accollano la tassa a chi ha reso necessarie le misure.

 

 

Table des matières

Historique 1
II.   ​ Remarques générales 5
III. Commentaire 11
A. Fixation de la taxe (al. 1) 11
1. Objet de la taxe: coûts de l’indemnisation des mesures d’élimination
des composés traces organiques dans les installations d’évacuation et
de traitement des eaux usées
11
2. Détenteurs de stations centrales d’épuration des eaux usées 14
3. Taxe 15
4. Perception par la Confédération 16
​B. Exemption de la taxe (al. 2) 18
C. Critères de fixation de la taxe (al. 3 et 4) 19
D. Imputation à ceux qui sont à l’origine des mesures (al. 5) 23

 

 

I.              Historique

1. Le projet de nouvel art. 60b LEaux que le Conseil fédéral avait présenté au Parlement fédéral le 26 juin 2013 trouvait sa source dans une motion de la CEATE-E (Mo. CEATE-E Financement élimination) demandant la création de bases légales pour financer l’élimination des composés traces organiques (appelés aussi micropolluants, soit des résidus de médicaments, hormones, cosmétiques et produits de nettoyage, produits phytosanitaires tels que herbicides et pesticides, etc.) présents dans les eaux polluées.

2. Cette motion, également approuvée par le Conseil national, faisait suite aux résultats de la mise en consultation par le DETEC d’un projet de modification de l’OEaux pour résoudre le problème des micropolluants dans les STEP par une étape de traitement supplémentaire, ces substances nuisant à la flore et à la faune aquatiques et menaçant les ressources en eau potable.

3. Le projet consistait essentiellement en deux articles distincts, soit celui art. 60b sur la taxe et celui 61a sur les mesures d’élimination des micropolluants et leur indemnisation. Il n’a pas fait l’objet de controverses lors des débats au Parlement, sauf sur un aspect technique lié au traitement de la nitrification/dénitrification.

4. Cette modification de la LEaux ainsi que la modification correspondante de l’OEaux (art. 51a à 51d, 52 et 52a OEaux) sont entrées en vigueur le 1er janvier 2016.

 

II.           Remarques générales

5. L’objectif environnemental visé consiste à diminuer de moitié l’apport des micropolluants dans les eaux de surface par l’optimisation des plus grandes STEP de Suisse, soit environ 100 sur les 700 existantes.

6. Contrairement au système de taxation cantonale de l’art. 60a LEaux, l’objet de la taxe voulue par l’art. 60b LEaux n’est pas directement la mesure recherchée de traitement des eaux polluées mais seulement l’indemnisation d’une telle mesure. Cette indemnisation est partielle (car prévue à 75 %) et octroyée par la Confédération, sous la forme d’un financement spécial à affectation déterminée). C’est pour cette raison que la taxe est perçue non par les cantons ou les communes mais par la Confédération, auprès des détenteurs de toutes les STEP de Suisse.

7. La centaine de STEP concernées se verront ainsi recevoir des indemnités via l’autorité cantonale mais devront par contre reverser à la Confédération des montants correspondant aux taxes destinées à rembourser ces mêmes indemnités.

8. Ni le message ni les débats parlementaires ne contiennent d’explications sur la nécessité d’un financement indirect par le biais d’un subventionnement au lieu de verser les revenus des taxes directement aux exploitants de STEP à l’instar du système de taxation de l’art. 60a LEaux. En effet, la taxe sera de toute manière perçue auprès des producteurs d’eaux polluées de toute la Suisse car il est prévu qu’elle soit répercutée sur ces destinataires finaux. Cet élément est commun aux deux systèmes de taxes fédérale et cantonale: en vertu du principe de causalité (ou dit du pollueur-payeur), toutes ces taxes seront en fin de compte payées par la population, soit les citoyens pollueurs à l’origine de toutes les mesures d’évacuation et de traitement des eaux polluées, y compris les 25 % des frais non couverts par le subventionnement fédéral (voir N 23 ss.).

9. Malgré la complexité du système bureaucratique ainsi institué, on peut imaginer que le subventionnement permettra une réalisation plus rapide, ce mode de financement portant sur des montants bien plus importants que ceux résultants de la collecte des taxes individuelles perçues auprès de chaque habitant. Les exigences de planification fédérale liées au subventionnement (cf. notamment l’art. 63 LEaux) accélèrent également le financement et par conséquent la réalisation des mesures.

10. Il faut relever un aspect particulier dans la relation de causalité entre la taxe de l’art. 60b LEaux et la mesure qu’elle finance indirectement: tous les habitants de Suisse raccordés à une STEP sont soumis à la taxe, même si cette dernière installation n’est pas équipée des mesures de traitement spécifique contre les micropolluants. De telles mesures ont en effet été prévues seulement pour les plus grandes STEP du pays, soit celles des régions fortement urbanisées de Suisse, donc polluant le plus. La justification réside dans le fait que toute la population nationale profite de la réduction de ces micropolluants. Néanmoins, une telle solidarité occulte l’incohérence environnementale en résultant de ne pas imposer ces mesures de protection à l’ensemble de toutes les STEP de la Suisse mais de les limiter à une partie seulement.

 

 

III.        Commentaire

A.           Fixation de la taxe (al. 1)

1.             Objet de la taxe: coûts de l’indemnisation des mesures d’élimination des composés traces organiques dans les installations d’évacuation et de traitement des eaux usées

11. Contrairement à ceux relevant de l’art. 60a LEaux, les coûts visés par l’art. 60b LEaux portent uniquement sur les montants des indemnités versées selon l’art. 61a LEaux (mais il faut encore y rajouter les «frais d’exécution de la Confédération» selon l’art. 60b al. 1 LEaux in fine). Ils correspondent ainsi indirectement aux coûts dits fixes mais non pas variables (sur ces notions, voir commentaire ad Art. 60a LEaux N 15 ss.), occasionnés par la seule mise en place des infrastructures concernées par la lutte contre les micropolluants, mesures décrites aux let. a et b du premier al. de l’art. 61a LEaux (soit seulement l’investissement et non pas en plus l’exploitation). En l’état actuel de la technique, ces infrastructures consistent essentiellement en l’ozonation ou en la filtration à travers de la poudre de charbon actif.

12. Selon le message du Conseil fédéral (Message LEaux 2013, 4979), l’hypothèse de la let. b correspond aux frais de raccordement des conduites à une autre STEP dotée des installations et équipements servant à l’élimination des micropolluants et remplaçant l’actuelle qui doit être désaffectée selon la planification.

13. Tous les autres coûts non couverts par le subventionnement fédéral et les taxes fédérales en découlant devront être couverts par les taxes cantonales de l’art. 60a LEaux, en raison du principe de causalité (incluant le sous-principe de la couverture des frais) applicable en matière de traitement des eaux.

 

2.             Détenteurs de stations centrales d’épuration des eaux usées

14. L’évacuation et le traitement des eaux polluées par des micropolluants constituent des tâches publiques au sens de ce concept contenu à l’art. 60a LEaux. Les détenteurs des STEP sont ainsi les collectivités publiques, selon l’organisation de chaque canton, soit quasiment toujours des communes ou associations de communes (voir commentaire ad art. 60a LEaux N 26 ss.).

 

3.             Taxe

15. La motion de la CEAT-E a demandé du Conseil fédéral que le financement soit fait selon le principe de causalité (ou pollueur-payeur). Même si ce principe aurait pu être respecté par l’introduction d’une taxe sur les produits contenant des substances à l’origine de micropolluants, le Conseil fédéral a proposé de reprendre le même système de redevance publique (ou taxe causale écologique) que celui de l’art. 60a LEaux (Message LEaux 2013, 4974 ss). Pour le détail de ce système de taxe, voir commentaire ad art. 60a LEaux N 37.

 

4.             Perception par la Confédération

16. Le droit fédéral relatif à la taxe fédérale est, du point de vue normatif, directement applicable par l’autorité d’exécution (la Confédération), contrairement à la taxe sur les eaux selon l’art. 60a LEaux qui nécessite des dispositions de droit matériel cantonal (et communal) complémentaire au droit fédéral pour pouvoir être perçue. Ces modalités d’application (cercle des assujettis, assiette de la taxe, critères de calcul), sont réparties entre la loi fédérale (soit l’art. 60b LEaux) et son ordonnance d’application (soit les art. 51a à 51d OEaux).

17. Selon l’art. 51c OEaux, l’autorité fédérale chargée de percevoir la taxe est l’OFEV. L’Office fédéral peut toutefois déléguer cette tâche aux autorités cantonales aux conditions prévues à l’al. 2 de cette même disposition.

 

B.            Exemption de la taxe (al. 2)

18. C’est pour respecter le principe de l’égalité de traitement qu’il a été prévu d’exempter du paiement de la taxe les détenteurs de STEP qui ont déjà mis en place les installations destinées aux mesures anti-micropolluants (voir le début du premier al. de l’art. 61a LEaux; cf. aussi Message LEaux 2013, 4977), moyennant présentation d’un décompte final des investissements. Cet élément est à mettre en relation avec l’échéance de la fin 2040 pour la suppression de la taxe (art. 60b al. 4 LEaux) ainsi que celle de la fin 2035 (art. 61a al. 2 LEaux) mettant fin au versement des indemnités. Il est donc escompté que les mesures anti-micropolluants puissent être réalisées à la fois assez rapidement et également de manière définitive. Cette situation est différente de celle prévalant pour les taxes sur les installations principales concernées par l’art. 60a LEaux et qui devront continuellement être remises à jour.

 

C.           Critères de fixation de la taxe (al. 3 et 4)

19. Comme exposé précédemment (voir N 5 ss.), la taxe couvre indirectement (par le biais des subventions fédérales) les frais d’investissement, soit uniquement les coûts fixes et non ceux variables relevant de l’exploitation.

20. Pour ce type de coûts, contrairement à l’art. 60a LEaux, le critère de taxation est fixé par la loi, soit le nombre d’habitants raccordés à une STEP.

21. La loi même fixe le montant maximum de la taxe individuelle à 9 francs, alors que, en s’appuyant sur une estimation des besoins en financement, c’est un montant de 8 francs qui est prévisible. La fourchette de la marge de manoeuvre est donc assez réduite et le peu de variabilité prévisible du montant de la taxe lui donne un caractère forfaitaire marqué. Les deux principes fondamentaux de taxation imposables aux taxes cantonales de l’art. 60a LEaux, soit la proportionnalité et l’effet incitatif à moyen et long terme, ne trouvent ainsi pas d’application pour ces taxes fédérales. Cependant, comme il s’agit de taxes à caractère fixe, puisque destinées à couvrir des infrastructures seulement et donc des coûts fixes, et de surcroît avec un montant restant très modique, les exigences découlant du principe de causalité sont moins fortes, comme l’admet d’ailleurs la jurisprudence pour les taxes dites «de base» au sens de l’art. 60a LEaux (cf. les critères préconisés pour ces dernières de l’équivalent-habitant, du bien-fonds pondérée selon le type de zone d’affectation, de la surface bâtie, du volume du bâtiment, du nombre de pièces du bâtiment, de la valeur d’assurance-incendie, etc.; pour plus de détails, il est renvoyé au commentaire de l’art. 60a LEaux).

22. A la différence de la taxe cantonale de l’art. 60a LEaux, celle fédérale est limitée dans le temps (selon l’échéance de la réalisation des mesures anti-micropolluants; voir N 18); elle est également est nettement individuelle alors que la taxe de base cantonale selon l’art. 60a LEaux est dans les faits calculée de manière collective (généralement par ménage).

 

D.           Imputation à ceux qui sont à l’origine des mesures (al. 5)

23. Selon une interprétation littérale de l’al. 5, les destinataires finaux de la taxe seraient les seules personnes directement à l’origine des mesures contre les micropolluants apportées aux installations et équipements visés, soit les habitants rattachés à seulement une partie (le septième) de toutes les STEP suisses. Or, la volonté du législateur a toujours été de mettre la taxe à la charge de l’ensemble des habitants de Suisse, étant établi que les substances rejetées par ceux-ci se retrouvent dans toutes les eaux du pays (Message LEaux 2013, 4973, 4980). C’est bien dans ce sens qu’il faut comprendre le cercle des destinataires effectifs de la taxe: le lien de causalité découlant du principe du pollueur-payeur relie tous les producteurs de micropolluants comme étant la cause de leur élimination au coût de cette dernière (même si cette étape de traitement supplémentaire n’est réalisée que dans certaines STEP de Suisse).

24. A défaut de taxe fédérale, donc frappant tous les habitants raccordés de Suisse, seule aurait été astreinte à une taxe la population locale desservie par les STEP équipées du traitement anti-micropolluants (Message LEaux 2013, 4970, 4973). Cet assujettissement aurait découlé de l’application de la taxe cantonale selon l’art. 60a LEaux.

25. Du point de vue rédactionnel, à l’instar de l’art. 60a, il aurait été plus exact et moins ambigu de remplacer le terme «mesure» par «pollueurs», soit les personnes qui sont à l’origine de la production des micropolluants, c’est-à-dire toute la population suisse. Le texte allemand qui utilise le terme «Verursacher» est d’ailleurs plus proche de cet objectif légal que ceux français et italien.

26. Le principe de causalité n’est que partiellement appliqué par le système de taxe fédérale puisque celle-ci ne couvre que le 75 % de tous les coûts de la lutte contre les micropolluants. Les 25 % restants doivent logiquement, pour respecter ce principe de causalité sous-tendant les deux art. 60a LEaux et 60LEaux, être couverts par la taxe cantonale.

 

 

Zusammenfassung

Die Infrastrukturen, die der Eliminierung organischer Spurenstoffen dienen, befinden sich in den grössten Abwasserreinigungsanlagen der Schweiz und werden vom Bund zu 75 % abgegolten. Zur Finanzierung dieser Abgeltung werden ab 1. Januar 2016 Kausalabgaben bei allen Einwohnern der Schweiz erhoben (ähnlich denjenigen des Art. 60a GSchG, aber direkt anwendbar). Die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Anzahl an die Abwasserreingungsanlage angeschlossenen Einwohner; der Abgabesatz beträgt jährlich höchstens CHF 9 pro Einwohner. Der Bund erhebt die Abgaben bei allen Inhabern von zentralen Abwasserreinigungsanlagen der Schweiz bis zur Fertigstellung der Investitionen jedoch maximal bis Ende 2040. Die Inhaber der Abwasserreinigungsanlagen müssen diese Abgaben auf die Verursacher der Abwässer überbinden.

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Motion CEATE-E (10.365) «Substances en traces dans les eaux usées. Financement de leur élimination selon le principe du pollueur-payeur» du 17 août 2010 (cit. Mo. CEATE-E Financement élimination).

4. Kapitel: Förderung

Fehr-Bosshard Delia​ | Stocker Lukas

 

4. Kapitel: Förderung/Chapitre 4: Mesures d’encouragement

 

Inhaltsübersicht

​Entstehungsgeschichte ​1
A.  ​ Subventionen unter Art. 24bis und 24quater BV 1874 ​2
B. Subventionen unter dem GSchG 1971 ​6
C. Subventionen unter dem GSchG 1991 ​7
D. Subventionen unter dem GSchG ​8
E. Auswirkungen des NFA auf die Subventionen ​9
II. Allgemeine Bemerkungen 12
III. Kommentierung 18
​A. ​Subventionsrechtliche Anforderungen auf Bundesebene 18
​1. ​Begriffsdefinitionen und Zweckbestimmung 19
​2. ​Voraussetzungen zur Gewährung von Subventionen 27
​3. ​Gesetzmässigkeitsprinzip im Subventionsrecht 30
​4. ​Budgetvorbehalt und Prioritätenordnung 32
​5. ​Verfahren der Begründung und Inhalt des Subventionsverhältnisses 36
​6. ​Rechtsfolge der Nichterfüllung der Aufgabe 49
​7. ​Rechtsmittelweg 52
​B. ​Ausblick 53

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Verfassungsgrundlage des Gewässerschutzes bildet heute Art. 76 BV. Art. 76 BV enthält die Regelungsziele des Wasserrechts (Abs. 1), nämlich die haushälterische Nutzung, der Schutz der Wasservorkommen und die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers. Diese Zielbestimmungen bilden Auslegungshilfe für das gesamte Wasserecht des Bundes (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 2). Art. 76 BV enthält zwar keinen ausdrücklichen Leistungsauftrag des Bundes, «doch ist die Förderung der Verfassungsanliegen im Gesetzgebungsauftrag inbegriffen» (Marti, St. Galler Kommentar, Art. 76 N 25).

 

A.           Subventionen unter Art. 24bis und 24quater BV 1874

2. Der heutigen Fassung von Art. 76 BV gingen Art. 24bis und Art. 24quater BV 1874 voraus (s. zur Entstehungsgeschichte Biaggini, Kommentar BV, Art. 76 N 1 ff.). Vor Art. 24bis und Art. 24quater BV 1874 existierte auf Bundesebene nur ein beschränkter Gewässerschutz. Art. 25 BV 1874 gab dem Bund die Gesetzgebungskompetenz über die Ausübung der Fischerei. Das gestützt darauf am 21. Dezember 1888 erlassene Bundesgesetz über die Fischerei enthielt in Art. 21 das Verbot, Stoffe ins Wasser zu leiten, welche den Fisch- oder Krebsbestand schädigen könnten. Die Gewässerverschmutzung durch private und gewerbliche Abwässer konnte damit aber nicht vermindert werden (Botschaft Schutz und Gewässer 1953, 11 ff.; Hunger, Sanierungspflicht, 196).

3. Art. 24bis aBV (in den Fassungen von 1908 und 1975) hatte als Wasserwirtschaftsartikel die Wasserkraftnutzung aber auch Schutzinteressen zum Gegenstand und verschaffte dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung im Bereich des Wasserhaushalts (vgl. Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 376). Zum qualitativen Schutz der Gewässer trat mit dem Wasserwirtschaftsartikel deren quantitativer Schutz hinzu, d.h. die Verpflichtung, Bestimmungen zum Schutz angemessener Restwassermengen zu erlassen (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, N 378.).

4. Art. 24quater BV 1874 wurde 1953 als Umweltschutzartikel in die Bundesverfassung aufgenommen und befasste sich mit dem Gewässerschutz (Hunger, Sanierungspflicht, 195 f.). Als Folge der neuen Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde 1955 das erste Gewässerschutzgesetz erlassen (Inkrafttreten am 1. Januar 1957; vgl. Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 127 f.). Umstritten waren insbesondere die Subventionsbestimmungen (vgl. dazu ausführlich Schindler, Rechtsfragen, 473 ff.). In der ausserparlamentarischen Kommission zur Begutachtung des neuen Gewässerschutzgesetzes konnten sich die Mitglieder über die Ausgestaltung allfälliger Bundesbeiträge nicht einigen (Botschaft Schutz der Gewässer 1953, 18 f.). Eine Sanierungspflicht fehlte im neuen Gesetz weiterhin und die vorhandene Subventionsbestimmung wurde restriktiv ausgelegt (Hunger, Sanierungspflicht, 196). Der Gewässerschutz und insbesondere der Bau von Abwasserreinigungsanlagen blieb ohne Subventionen unzureichend (vgl. Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 999 ff.). Um den Bau von Abwasserreinigungsanlagen parallel zu den Revisionsbemühungen kurzfristig zu fördern, revidierte der Bundesrat am 2. Februar 1962 die Vollziehungsverordnung. Dadurch wollte er verhindern, dass der Bau von Abwasserreinigungsanlagen bis zu einer Revision des GSchG eingestellt wird (Hunger, Sanierungspflicht, 196 f.).

5. Veranlasst durch die Motion des Ständerats Rohner im Jahr 1965 revidierte der Bundesrat die Art. 24bis und Art. 24quater BV 1874 und verankerte die Gesetzgebungskompetenz im Gewässerschutz in einem neuen Art. 24bis BV 1874. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde auf das ganze Gebiet des Wasserhaushaltes ausgeweitet. Der Bund wurde beauftragt, Bestimmungen zur Erhaltung der Wasservorkommen und deren Schutz gegen Verunreinigung sowie die Sanierung der Gewässer aufzustellen (Botschaft Wasserwirtschaft 1972, 1148 ff.; Hunger, Sanierungspflicht, 197 f.; Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, N 999 ff.).

 

B.            Subventionen unter dem GSchG 1971

6. Auch das GSchG 1971 regelte nur den qualitativen Gewässerschutz, d.h. den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung («alle andern schädlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen des Wassers gleichgestellt», Art. 2 Abs. 2; vgl. Art. 4 Bst. d des geltenden GSchG; Marti/Griffel/Rausch, Umweltrecht, N 373). Mit dem in Art. 8 GSchG 1971 (heute Art. 3a GSchG) verankerten Verursacherprinzip konnten dem Verursacher zumindest die Kosten einer antizipierten Ersatzvornahme überbunden werden. Zur Förderung des Gewässerschutzes sah Art. 17 Abs. 1 GSchG 1971 die Pflicht zum Bau von Kanalisationen und Abwasserreinigungsanlagen vor. Die Erteilung von Baubewilligungen wurde neu von der Gewährleistung des Kanalisationsanschlusses abhängig gemacht (Art. 19 und Art. 20 GSchG 1971; Hunger, Sanierungspflicht, 197 f.; Hänni, Umweltschutzrecht, 63, 268, 438 m.w.H.). Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes durften nur noch erteilt werden, sofern der Gesuchsteller ein sachlich begründetes Bedürfnis nachweisen konnte (Art. 20 Satz 1 GSchG 1971). Damit kam dem GSchG 1971 grosse Bedeutung für die Raumplanung zu (Marti/Griffel/Rausch, Umweltrecht, N 400). Zur Sanierung von bestehenden Einleitungen verpflichtete Art. 16 GSchG 1971 die Kantone, dafür zu sorgen, dass verunreinigende Einleitungen innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch längstens innert zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, den Erfordernissen des Gewässerschutzes angepasst oder aufgehoben werden (Hunger, Sanierungspflicht, 197 f.). Bundessubventionen sollten die gesteckten Gewässerschutzziele innert der gesetzten Frist erreichen (Beschleunigungswirkung) und gleichzeitig einen Finanzausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Regionen bewirken (Ausgleichswirkung; BUWAL, Abwasserabgabe, 37 f., vgl. zur Bedeutung der Bundessubventionen zwischen den 1970er und den 1990er Jahren Grafik 3‑3; Subventionsbericht 2008, 6307).

C.           Subventionen unter dem GSchG 1991

7. Die Initiative «zur Rettung unserer Gewässer» führte zum Gegenvorschlag in Form des revidierten GSchG. Die Volksinitiative verlangte die Umsetzung der Anforderungen von Art. 24bis BV 1874 an den quantitativen Gewässerschutz (Restwassermengen). Volk und Stände lehnten die Initiative ab und nahmen den Gegenvorschlag in Form des revidierten GSchG an. Das revidierte GSchG 1991 regelte sowohl den qualitativen als auch den quantitativen Gewässerschutz (Hunger, Sanierungspflicht, 198 f.; vgl. Marti, St.Galler Kommentar, Art. 76 N 1 ff.) und enthielt neuformulierte Subventionsbestimmungen (s. dazu die Komm. zu Art. 61 ff. GSchG).

D.           Subventionen unter dem GSchG

8. Die allgemeinen Subventionsbestimmungen des GSchG wurden im Rahmen der Sanierung des Bundeshaushaltes aufgrund der Mittelknappheit der öffentlichen Hand geändert (Stutz, Abwasserrecht, 189). Dies führte zu einer massiven Reduktion der Subventionen (vgl. bereits BUWAL, Abwasserabgabe, 38; Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993, 298). Um die Abwasserentsorgung nicht zu gefährden, wurde mit der Änderung des GSchG vom 20. Juni 1997 ein uneingeschränktes Verursacherprinzip verankert (Art. 3a GSchG; Favre/Meyer/Engel, Déchets urbains, 243 f.). Zudem wurde die Finanzierung einer verursachergerechten Abwasserbeseitigung sichergestellt (vgl. Art. 60a GSchG; Favre/Meyer/Engel, Déchets urbains, 243 f.). Die Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV) löste die Allgemeine Gewässerschutzverordnung von 1972 ab (Hunger, Sanierungspflicht, 198 ff.).

 

E.            Auswirkungen des NFA auf die Subventionen

9. Bereits die Bundesverfassung von 1848 enthielt einen Subventionsartikel (Art. 21) zur Unterstützung der öffentlichen Werke im Interesse des Landes durch den Bund (vgl. Rey, Subventionen, m.w.H.). Die Subventionsbestimmungen auf Bundesebene wurden vor allem mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) angepasst. Der im Rahmen der NFA geänderte Art. 46 Abs. 2 BV sieht vor, dass der Bund spezifisch auf die Umsetzung von Bundesrecht gerichtete Programme finanziell unterstützen kann (vgl. dazu auch Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 5 und 19 ff. und zur Programmvereinbarung N 42 ff.).

10. Das GSchG wurde in der Folge gestrafft und die jeweiligen Kompetenzen und Finanzierungsverantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen geklärt (s. dazu ausführlich Lienhard/Kettiger, Handlungsbedarf, 12 ff.). Der Bund sollte auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtungen einen Teil der Kosten zur Reduktion des Stickstoffs bei Abwasserreinigungsanlagen weiterhin übernehmen. Aufgrund der Reduktion der bisherigen Bundesabgeltungen von 50 % der Investitionskosten erfolgte auch eine Änderung von Art. 61 GSchG (Botschaft NFA 2002, 2451).

11. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen wird neu durch Programmvereinbarungen ergänzt, in welchen die Partner die Ziele gemeinsam festlegen. Der Bund leistet Beiträge zur Erreichung der vereinbarten Umweltziele (EFD/KdK, Schlussbericht Finanzausgleich, 25).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

12. Der Gewässerschutz ist eine sogenannte Verbundaufgabe, welche der Bund und die Kantone gemeinsam vornehmen (EFD/KdK, Schlussbericht Finanzausgleich, 23).

13. Die Schweiz ist bestrebt, Stickstoffeinträge in die Nordsee zu reduzieren, durch Massnahmen in Abwasserreinigungsanlagen und in der Landwirtschaft im Rheineinzugsgebiet. Die Einrichtungen werden gemäss Art. 61 GSchG vom Bund subventioniert. Gemäss Art. 62a GSchG leistet der Bund Abgeltungen für Massnahmen der Landwirtschaft zur Verhinderung von Emissionen von Stoffen (Stickstoff, Phosphor) in ober‑ und unterirdische Gewässer. Der Bund bezahlte in den Jahren 2001, 2002 und 2003 2,2 Millionen, 3,6 Millionen bzw. 4,0 Millionen Franken (Botschaft NFA 2005, 6187).

14. Die Belastung der Gewässer durch Nähr‑ und Schmutzstoffe hat bis 2013 stark abgenommen und die Wasserqualität von Seen und Flüssen hat sich dank der Abwasserreinigung und dem Anschluss von 97 % der Schweizer Bevölkerung an zentrale Kläranlagen deutlich verbessert (BAFU, Umwelt 2013, 17, 44).

15. Rund ein Viertel aller Flüsse und Bäche und viele Seeufer in der Schweiz sind aber in einem ökologisch schlechten Zustand. und die Lebensbedingungen für Wasserlebewesen haben sich auch aufgrund des Temperaturanstiegs vieler Flüsse und Bäche (z.B. durch die Einleitung von erwärmtem Abwasser) verschlechtert (BAFU, Umwelt 2013, 17, 44; vgl. auch BAFU, Strukturen Fliessgewässer).

16. Zwar hat trotz Bevölkerungswachstum der Wasserverbrauch in der Schweiz seit 1975 abgenommen. Der Klimawandel wird aber den Wasserbedarf in der Landwirtschaft voraussichtlich erhöhen (BAFU, Umwelt 2013, 44). Die Schweiz deckt ihren Trinkwasserbedarf zu 80 % aus Grundwasser und zu 20 % aus Seen. Die Hälfte des Grundwassers ist von so guter Qualität, dass es auch ohne Behandlung direkt ins Trinkwassernetz eingespeist werden kann. Trotzdem werden die gesetzlichen Anforderungswerte für Nitrat und Pflanzenschutzmittel im Grundwasser nicht überall eingehalten. Dabei gilt die Landwirtschaft als Hauptverursacherin dieser Belastungen (BAFU, Umwelt 2013, 17). Fremdstoffe im Grundwasser führen bereits in geringen Konzentrationen zu sehr hohen volkswirtschaftlichen Kosten bei der Trinkwasseraufbereitung (BAFU, Umwelt 2013, 44). Mikroverunreinigungen (z.B. hormonaktive Substanzen), welche die heutigen Abwasserreinigungsanlagen passieren, wirken sich nachteilig auf Ökosysteme aus und können schon in geringsten Konzentrationen die Nutzung als Trinkwasser beeinträchtigen (BAFU, Umwelt 2013, 17). Der Bund möchte die Mikroverunreinigungen in den Oberflächengewässern reduzieren, indem Abwasserreinigungsanlagen selektiv mit zusätzlichen Reinigungsstufen erweitert werden (BAFU, Umwelt 2013, 45; vgl. dazu N 53 ff.).

17. Für die Revitalisierung der Fliessgewässer und die Reduktion der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung mussten die Kantone ihre strategischen Planungen bis Ende 2014 abschliessen. Das BAFU ging aber schon 2013 davon aus, dass das Interesse der Kantone an Revitalisierungsprojekten den zur Verfügung stehenden Finanzrahmen überschreiten wird (BAFU, Umwelt 2013, 17). Auch für das BAFU steht der Entscheid der Schweiz, aus der Atomenergie auszusteigen, und der dabei anvisierte Ausbau der Wasserkraftnutzung in einem Spannungsverhältnis zur Aufgabe, naturnahe Lebensräume und Landschaften zu erhalten und wiederherzustellen (BAFU, Umwelt 2013, 17).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Subventionsrechtliche Anforderungen auf Bundesebene

18. Im Bund regelt das BG vom 5. Oktober 1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (SuG) als Rahmenerlass die Grundzüge und allgemeinen Voraussetzungen für alle im Bundesrecht gewährten Subventionen. Das SuG dient nicht als eigenständige gesetzliche Grundlage für die Betragsgewährung, es ist aber bei der Ausgestaltung und Handhabung spezialgesetzlicher Vorschriften zu beachten (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 20 f.).

1.             Begriffsdefinitionen und Zweckbestimmung

19. Subventionen sind geldwerte Leistungen eines Gemeinwesens an ein anderes Gemeinwesen oder eine Privatperson für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe.

20. Bundessubventionen werden nur an Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung ausgerichtet (Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 14), im Falle der Artikel 61 ff. GSchG sind die Empfänger grundsätzlich die Kantone.

21. Subventionen kommen sowohl eine Verhaltenslenkungs‑ als auch eine Motivationsfunktion zu (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 1). Der Verhaltenslenkung dienen Subventionen, indem sie eine Tätigkeit auslösen oder unterstützen sollen, an der ein ausgewiesenes öffentliches Interesse besteht. Bei Subventionen des Bundes an die Kantone spielt auch der bundestaatliche Finanzausgleich eine Rolle (Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 10).

22. Das SuG unterscheidet zwischen zwei Kategorien von Subventionen: Finanzhilfen und Abgeltungen. Finanzhilfen sind geldwerte Vorteile, die Empfängern ausserhalb der Bundesverwaltung gewährt werden, um die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten (d.h. privaten) Aufgabe zu fördern oder zu erhalten (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 SuG). Geldwerte Vorteile sind insbesondere nicht rückzahlbare Geldleistungen, Vorzugsbedingungen bei Darlehen, Bürgschaften sowie unentgeltliche oder verbilligte Dienst‑ und Sachleistungen (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 SuG).

23. Demgegenüber bezeichnen Abgeltungen Leistungen zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich aus der Erfüllung bundesrechtlich vorgeschriebener Aufgaben oder öffentlich-rechtlicher, vom Bund übertragener Aufgaben ergeben (Art. 3 Abs. 2 SuG). Dazu gehören auch die in Art. 61 ff. GSchG vorgesehenen Abgeltungen. Mit diesen Umweltsubventionen sollen in diesen Bereichen positive ökonomische Anreize geschaffen werden (Stutz, Abwasserrecht, 151).

24. Ermessens‑ und Anspruchssubventionen unterscheiden sich im Handlungsspielraum der Behörden: Beiträge, deren Ausrichtung im Ermessen der Behörden liegen, werden in Lehre und Rechtsprechung auch Ermessenssubventionen (als Gegenteil zu Anspruchssubventionen) genannt. Auf Ermessenssubventionen besteht kein Anspruch (BVGer C-1194/2011 vom 20. Dezember 2012, E. 3.6 f. m.w.H.). Die Ausrichtung liegt im Entschliessungsermessen der Behörden. Immerhin hat die Behörde auch bei Ermessenssubventionen, unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der Ermessensausübung, die zweckmässigste Lösung zu treffen. Sie ist zudem an die allgemeinen Grundsätze des rechtsstaatlichen Handelns gebunden (Art. 5 BV) und muss insbesondere das Willkürverbot und das Rechtsgleichheitsgebot beachten (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 11 f.; Schärer, Subventionen, 202).

25. Anspruchssubventionen begründen einen Rechtsanspruch auf die Subvention, sofern der Empfänger die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zusprechung erfüllt. Ein bundesrechtlicher Anspruch wird dann bejaht, wenn die Voraussetzungen eines Beitrages in einem Erlass erschöpfend umschrieben sind und der Entscheid über die Ausrichtung des Beitrags nicht dem Ermessen der Verwaltung anheimgestellt ist (BVGer B-5075/2007 vom 16. April 2008, E. 4.2.1 m.w.H.). Die Behörde verfügt über kein Entschliessungsermessen beim Entscheid, ob überhaupt Subventionen gewährt werden, sondern höchstens über ein Auswahlermessen bei der Festsetzung der Beitragshöhe (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 9 ff. m.w.H.).

26. Förderungssubventionen werden ex ante gewährt um sicherzustellen, dass eine Aufgabe überhaupt in Angriff genommen wird. Demgegenüber werden Erhaltungssubventionen bei bereits ausgeübten Tätigkeiten gesprochen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 14 f.).

2.             Voraussetzungen zur Gewährung von Subventionen

27. Damit der Bund überhaupt Subventionen sprechen kann, muss er im relevanten Regelungsbereich zuständig sein. Dabei genügt es, wenn der Bund im fraglichen Bereich über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt. Im Gewässerschutzbereich bildet grundsätzlich Art. 76 BV diese Verfassungsgrundlage (vgl. N 1 ff.).

28. Als Grundlage und Schranke staatlichen Handelns gilt auch in der Leistungsverwaltung das Recht (Art. 5 Abs. 1 BV). Zur Ausrichtung von Subventionen ist daher eine gesetzliche Grundlage notwendig (vgl. N 30 ff.).

29. Die Subventionen müssen im Rahmen der erforderlichen Kredite gesprochen werden. Die Subventionierung muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 3 f.).

3.             Gesetzmässigkeitsprinzip im Subventionsrecht

30. Das Legalitätsprinzip gilt auch in der Leistungsverwaltung und damit grundsätzlich auch für Subventionen (Art. 5 Abs. 1 und Art. 164 Abs. 1 Bst. e BV; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 18 ff.). Eine Differenzierung erfolgt aber hinsichtlich Normstufe und Normdichte: Bei Anspruchssubventionen muss aus dem Gesetz ersichtlich sein, welche Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf die Subvention bestehen. Auf Stufe des formellen Gesetzes sind der Zweck der Beitragsgewährung, der Kreis der Berechtigten und der Bemessungsrahmen zu regeln. Demgegenüber genügt es bei Ermessensubventionen, wenn die Möglichkeit der Subventionsgewährung für einen bestimmten förderungswürdigen Zweck im formellen Gesetz verankert ist (Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 5; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 19). Zur Wahrung der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit bedürfen regelmässig wiederkehrende Subventionsleistungen einer detaillierten rechtssatzmässigen Normierung (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 19).

31. Bestimmungen über Abgeltungen an die Kantone können nur erlassen werden, wenn das Bundesrecht bei der Aufgabenübertragung über Rahmenvorschriften hinausgeht (Art. 9 Abs. 2 Bst. a SuG). Der rein administrative Vollzug von Bundesrecht durch die Kantone stellt noch keine «bundesrechtlich vorgeschriebene Aufgabe» dar i.S.v. Art. 3 Abs. 2 SuG (Art. 9 Abs. 2 Bst. b SuG; vgl. Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 11). Eine Kostenüberbindung an die von der Aufgabenerfüllung Begünstigten oder diese Verursachenden muss ausgenützt sein (Art. 9 Abs. 2 Bst. c SuG). Eine Sonderbehandlung gilt für Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantone (vgl. N 42 ff.).

4.             Budgetvorbehalt und Prioritätenordnung

32. Eine Prioritätenordnung kommt dann zum Einsatz, wenn die Finanzhilfen und Abgeltungen nach der jeweiligen Spezialgesetzgebung nur im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt werden oder kein Rechtsanspruch auf die Finanzhilfe besteht (Art. 13 Abs. 1 SuG) und die eingereichten oder erwarteten Gesuche die verfügbaren Mittel übersteigen (Art. 13 Abs. 2 SuG; Schärer, Subventionen, 211; vgl. zur Prioritätenordnung bei der kostendeckende Einspeisevergütung für Elektrizität aus erneuerbaren Energien, Hettich/Walther, Rechtsfragen, 161 f., 165 ff.). Ein Budgetvorbehalt muss im Spezialgesetz vorgesehen sein, um einen gesetzlich verankerten Subventionsanspruch im Einzelfall von den vom Parlament bewilligten Krediten abhängig zu machen (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 24).

33. Die Prioritätenordnung stellt eine besondere Art der Verwaltungsverordnung dar, welche die möglichen Subventionsfälle in eine bestimmte Rangordnung bringen soll – orientiert am Zweck des Subventionserlasses (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 4a, in: ZBl 100 [1999], 166 ff.; Schärer, Subventionen, 213 ff.). Ziel ist die Sicherstellung der rechtsgleichen Behandlung der Subventionsempfänger (Botschaft SuG 1986, 406). Verwaltungsverordnungen enthalten nicht verbindliche Rechtssätze, sondern allgemeine Dienstanweisungen generell-abstrakter Natur (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 4a, in: ZBl 100 [1999], 166 ff.; BGE 121 II 473, E. 2b; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 123 ff.). Da sie nicht vom verfassungsmässigen Gesetzgeber stammen, sondern von einer Verwaltungsbehörde, können sie keine von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Bestimmungen vorsehen (BGE 120 Ia 343, E. 2a m.w.H.). Sie stellen aber immerhin Meinungsäusserungen über die Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung dar. Die in Verwaltungsverordnungen vorgenommene Auslegung des Gesetzes unterliegt der richterlichen Nachprüfung. Verwaltungsverordnungen werden bei der richterlichen Entscheidung mitberücksichtigt, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (BGE 121 II 473, E. 2b; 109 Ib 205, E. 2; 117 Ib 225, E. 4b). Die Prioritätenordnungen stellen daher besondere Verwaltungsverordnungen dar, da Art. 13 Abs. 4 SuG selbst vorsieht, dass die Prioritätenordnungen interessierten Kreisen bekannt zu geben sind. Damit rückt die Prioritätenordnung nahe an die Rechtsverordnung heran (Schärer, Subventionen, 216).

34. Bei Prioritätenordnungen für Subventionen ist zu berücksichtigen, dass der Subventionsbehörde weites Ermessen in der Frage zusteht, welche Projekte dringlich sind und deshalb subventioniert werden sollen. Daher prüft das BGer die Prioritätenordnungen zurückhaltend und beschränkt sich auf die Beurteilung, ob die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten sind und das Rechtsgleichheitsgebot beachtet wird (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 4a, in: ZBl 100 [1999], 166 ff.).

35. Gesuche um Finanzhilfen, welche aufgrund der Prioritätenordnung nicht innert einer angemessenen Frist berücksichtigt werden können, werden mit Verfügung abgewiesen (Art. 13 Abs. 5 SuG). Demgegenüber werden Gesuche um Abgeltungen, die einstweilen nicht berücksichtigt werden können, dennoch umfassend geprüft (Art. 13 Abs. 6 SuG). Sind die Abgeltungsvoraussetzungen erfüllt, spricht die zuständige Behörde eine Leistung dem Grundsatz nach zu und legt den Zeitraum fest, in dem die Abgeltung ausgerichtet wird (Art. 13 Abs. 6 SuG). Die Abweisung braucht jedoch nicht endgültig zu sein, sondern der abgewiesene Bewerber kann das Gesuch später neu einreichen, wenn die bewilligten Kredite und die Prioritätenordnung seiner Auffassung nach die Berücksichtigung seines Gesuchs erlauben (Botschaft SuG 1986, 406). Während bei Finanzhilfen die Abweisung des Gesuchs die Folge ist, wenn die Prioritätenordnung die Zusprechung im Rahmen des Kredites nicht erlaubt, ist die Leistung bei Abgeltungen grundsätzlich zuzusprechen (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3a). Nur ein zeitlicher Aufschub ist möglich. Die privilegierte Behandlung von Abgeltungsansprüchen beruht darauf, dass derjenige, der zu einer Tätigkeit verpflichtet ist, für die Abgeltungen gesetzlich vorgesehen sind, auch ein Recht darauf hat, dass sein Gesuch berücksichtigt wird (Botschaft SuG 1986, 406 f.). Immerhin können die Subventionsbehörden den Zeitpunkt, in welchem dem Gesuch endgültig entsprochen wird, über die Kredite und die Prioritätenordnung innerhalb des gesetzlich belassenen zeitlichen Erfüllungsspielraums bestimmen (Botschaft SuG 1986, 406 f.).

5.             Verfahren der Begründung und Inhalt des Subventionsverhältnisses Verfahrenseinleitung durch Subventionsgesuch

36. Subventionen werden auf Gesuch hin gewährt. Der Kanton hat ein Gesuch um globale Abgeltung basierend auf dem GSchG beim zuständigen Bundesamt einzureichen (Art. 59 GSchV). Zuständig für Programmvereinbarungen für Abgeltungen an Abwasseranlagen sowie an die Planung und Durchführung von Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern ist das BAFU, für Abgeltungen an Massnahmen der Landwirtschaft das BLW (Art. 60 Abs. 1 GSchV). Das Gesuch um Finanzhilfen und Abgeltungen im Einzelfall wird beim BAFU eingereicht (Art. 61c GSchV).

37. Das BAFU erlässt Richtlinien über die Angaben und Unterlagen zum Gesuch (Art. 61c Abs. 2 GSchV).

38. Nach Gesuchseinreichung folgt ein Verwaltungsverfahren (nach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen von Art. 7 ff. VwVG), das mit Erlass einer Verfügung oder mit Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags endet (Kiener, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 49–52 N 19).

Verfügung

39. Im Allgemeinen werden Subventionen durch Verfügung gewährt, ein verwaltungsrechtlicher Vertrag ist aber dann nicht ausgeschlossen, wenn die zuständige Behörde über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt oder wenn bei Finanzhilfen ausgeschlossen werden soll, dass der Empfänger einseitig auf die Erfüllung seiner Aufgabe verzichtet (Art. 16 Abs. 2 SuG; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 28 f.; vgl. für den Gewässerschutz Art. 61d GSchV). Für eine Ablehnung von Subventionsgesuchen ist eine Verfügung nötig (Art. 16 Abs. 5 SuG). Auch nachträgliche (ex post) Subventionen sind mittels Verfügung zu gewähren und nicht mittels Vertrag (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1099; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 29).

40. Die zuständige Behörde bezeichnet in der Verfügung die Rechtsgrundlage, die Art und den Betrag der Finanzhilfe oder Abgeltung (Art. 17 Abs. 1 SuG). Sie bestimmt die anrechenbaren Kosten, den Prozentsatz und den Höchstbetrag der Leistung, sofern der Betrag nicht endgültig festgesetzt werden kann. Sie legt den Zeitpunkt fest, in dem die Subvention zur Auszahlung fällig wird und definiert, wie lange ein Objekt an den Zweck gebunden ist, für den die Finanzhilfe oder Abgeltung ausgerichtet wird (Art. 17 Abs. 2 SuG).

41. Bei vorgängiger Verfügung, bevor der Empfänger seine Aufgabe erfüllt hat, legt die zuständige Behörde zudem die Einzelheiten der zu erfüllenden Aufgabe, den Zeitraum, in dem die Aufgabe erfüllt werden muss und alle Auflagen fest, um sicherzustellen, dass die Leistung zweckentsprechend verwendet und die Aufgabe kostengünstig, zeit‑ und zweckgerecht erfüllt wird (Art. 17 Abs. 3 SuG; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 26 f.). Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der Spezialgesetzgebung, im GSchG insbesondere aus Art. 61 ff. (vgl. dazu die Komm. zu Art. 61 ff. GSchG).

Programmvereinbarung

42. Subventionen an die Kantone wie in Art. 61 ff. GSchG werden in der Regel aufgrund von Programmvereinbarungen – nach der hier vertretenen Auffassung in der Form von verwaltungsrechtlichen Verträgen (vgl. die Abgrenzung bei Wiget, Programmvereinbarung, 142) – gewährt (Art. 9 Abs. 2 Bst. d und Art. 16 Abs. 3 SuG). Auch im Bereich der Revitalisierung der Gewässer erfolgen die Abgeltungen im Rahmen von Programmvereinbarungen; Abgeltungen an besonders aufwändige Projekte können mittels Verfügung einzeln gewährt werden (Art. 62b Abs. 2 GSchG; BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, 3).

43. Art. 46 Abs. 2 BV führte das Instrument der Programmvereinbarung zur Erhöhung der Wirksamkeit in der Umsetzung von Bundesrecht durch die Kantone ein (Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 21 f.). Daneben sieht auch Art. 20a SuG das Instrument und seine Ausgestaltung vor (vgl. auch Baumgartner/Beljean/Widmer, Finanzhaushalt, N 107). In Programmvereinbarungen legen die Subventionsbehörde und der Antragssteller für mehrere Jahre die gemeinsam zu erreichenden strategischen Programmziele fest, regeln die Beitragsleistung des Bundes sowie die Einzelheiten der Berichterstattung, der Finanzaufsicht, der Folgen der mangelhaften Erfüllung etc. (Art. 20a Abs. 1 f. SuG; vgl. die Mustervereinbarung in BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, 20 ff.; Wiget, Programmvereinbarung; vgl. dazu als Beispiel die Programmvereinbarung (öffentlich-rechtlicher Vertrag) gemäss Artikel 20a SuG zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kanton Bern betreffend die Programmziele im Bereich Gewässerrevitalisierung 2012–2015; Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 20).

44. Das BAFU zieht nach Ablauf der ersten Programmperiode 2008–2011 eine erfolgreiche Bilanz: Die Erfahrungen der ersten Programmperiode 2008–2011 hätten gezeigt, dass sich das Instrument der Programmvereinbarungen im Umweltbereich grundsätzlich bewährt. Der Paradigmenwechsel von der Subventionierung einzelner Projekte zur Steuerung und Finanzierung anhand umfassender, mehrjähriger Programmvereinbarungen habe die strategische Steuerung durch den Bund gestärkt und gleichzeitig den Kantonen mehr Handlungsspielräume für die operative Umsetzung der vereinbarten Ziele und damit auch für eigene kantonale Schwerpunktsetzungen verschaffen. Gleichzeitig bestünden aber noch Verbesserungspotentiale zur Effizienzsteigerung (BAFU, 11. Newsletter Programmvereinbarungen).

45. Der verwaltungsrechtliche Vertrag bedarf der Schriftform (Art. 19 Abs. 1 SuG; s. zur Entstehung verwaltungsrechtlicher Verträge im Allgemeinen Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1102 ff.). Nach den Vertragsverhandlungen stellt die Behörde dem Gesuchsteller einen befristeten Antrag. Bezieht sich der Antrag auf eine Programmvereinbarung und berührt er die Interessen von Gemeinden, so unterbreitet der Kanton den Antrag den Gemeinden zur Stellungnahme (Art. 19 Abs. 2 SuG). Die Behörde eröffnet den Antrag auch den beschwerdeberechtigten Dritten. Diese sowie der Gesuchsteller können innert 30 Tagen eine anfechtbare Verfügung verlangen (Art. 19 Abs. 3 SuG).

Rechte und Pflichten

46. Bei der Zuerkennung einer Subvention sind alle wesentlichen Elemente des Subventionsverhältnisses im Einzelfall, d.h. die einzelnen Rechte und Pflichten, festzulegen. Aus dem Zweck der Subvention ergeben sich auch die Voraussetzungen und Obliegenheiten, denen der Subventionsempfänger zu genügen hat. Der Empfänger der Subvention hat Anspruch auf Überweisung der Geldleistungen oder des geldwerten Vorteils (vgl. zum Zeitpunkt der Auszahlung Art. 23 SuG). Das BAFU richtet die Beiträge nach Fortschritt des Projektes aus (Art. 61d Abs. 2 GSchV).

47. Mit der Beitragsgewährung sind aber auch Pflichten verbunden (Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 46 N 32 SuG). Der Beitragsempfänger ist insbesondere an den Beitragszweck gebunden (vgl. auch Art. 25 und 27 SuG).

48. Die Programmvereinbarung gilt als erfüllt, wenn die Leistungs‑ und Qualitätsziele am Ende der Vereinbarungsdauer vollständig erreicht und die Beiträge ausbezahlt sind. Neben der ordentlichen Beendigung des Subventionsverhältnisses durch Erfüllung kann das Verhältnis auch durch Widerruf der Subventionsverfügung beendet werden (Art. 30 SuG). Ein Rücktritt ist unter analogen Voraussetzungen möglich (Art. 31 SuG).

6.             Rechtsfolge der Nichterfüllung der Aufgabe

49. Bei einem durch Verfügung begründeten Rechtsverhältnis ist eine rechtliche Durchsetzung der richtigen Aufgabenerfüllung nicht ohne weiteres möglich (vgl. aber zur Ersatzvornahme Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1154 ff.). Erfüllt der Empfänger seine Aufgabe nicht oder wird ein subventioniertes Objekt zweckentfremdet oder veräussert, kommt als Sanktion vor allem die Kürzung oder Streichung des Beitrags in Frage und der Empfänger ist zur Rückerstattung verpflichtet (Art. 28 und 29 SuG). Eine Rückerstattungspflicht besteht auch bei einer Ausrichtung, die auf falschen Angaben beruht (Art. 30 f. SuG).

50. Beim Vertrag kann der Subventionsgeber auf die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen bestehen, und es stehen ihm die entsprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten des öffentlichen Rechts zur Verfügung (Botschaft SuG 1986, 411).

51. Ist die Erfüllung des Kantons unvollständig bzw. werden eines oder mehrere Ziele des Programms im vereinbarten Zeitraum nicht erreicht und führen weder Nachbesserungen noch allfällige Anpassungen zur Programmerfüllung, so fordert der Bund zu Unrecht bezogene Leistungen in angemessener Weise zurück (Art. 66 GSchG). Art. 61b und Art. 61e GSchV regeln die Möglichkeiten bei mangelhafter Erfüllung und Zweckentfremdung der Anlage. Die Rückforderung richtet sich nach Art. 23 ff. und insbesondere Art. 28 SuG (BAFU, Handbuch NFA, 27 f.).

7.             Rechtsmittelweg

52. Der Rechtsschutz richtet sich im Subventionsrecht des Bundes nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Art. 35 Abs. 1 SuG). Dies gilt auch für Abgeltungen nach Art. 61 ff. GSchG (Art. 67 GSchG).

B.            Ausblick

53. Die in jüngster Zeit gemessene Konzentration einiger organischer Spurenstoffe (Mikroverunreinigungen) beeinträchtigen die Fischgesundheit, gefährden die Fortpflanzung der Fische und schädigen andere Wasserlebewesen (BAFU, Kommunales Abwasser; Botschaft GSchG 2013, 5550; vgl. auch N 16 ff.).

54. Mit Massnahmen bei ausgewählten zentralen Abwasserreinigungsanlagen soll der Eintrag von Mikroverunreinigungen in die Gewässer verringert werden. Dazu hat das UVEK von Ende 2009 bis Ende April 2010 eine Anhörung zur Änderung der GSchV durchgeführt (BAFU, Medienmitteilung Mikroverunreinigungen; BAFU; Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2009; BAFU, Entwurf Änderung GSchV 2009). In den Stellungnahmen wurde grösstenteils anerkannt, dass das Problem der Mikroverunreinigungen über einen Ausbau ausgewählter ARA gelöst werden muss (BAFU, Auswertung Anhörung Änderung GSchV, 1 f.).

55. Die Vorlage sah vor, die Investitionen von etwa CHF 1,2 Mrd. durch die betroffenen Anlagebetreiber bzw. ihnen angeschlossene Einwohner und Einwohnerinnen zu finanzieren (Bericht Mo. UREK‑S; BAFU, Auswertung Anhörung Änderung GSchV; vgl. Rosenstiel/Ort, Massnahmen in ARA; Ecoplan/BG Ingenieure und Berater AG, Schlussbericht Finanzierung). Kantone und weitere Betroffene kritisierten, dass die Ausbaufinanzierung durch die angeschlossenen Einwohner nicht verursachergerecht sei, da die gesamte Bevölkerung die Gewässer mit organischen Spurenstoffen belastet. Zentrale Forderung im Rahmen der Anhörung war damit eine möglichst verursachergerechte und gesamtschweizerische Finanzierungslösung (BAFU, Finanzierung Massnahmen, 2; BAFU, Auswertung Anhörung Änderung GSchV). Das Parlament hat dem Bundesrat den Auftrag erteilt, für die Eliminierung dieser Mikroverunreinigung eine verursachergerechte Finanzierung zu erarbeiten (Botschaft GSchG 2013, 5550). Die Vorlage sieht die Einführung einer gesamtschweizerischen Abwasserabgabe zur Finanzierung von Massnahmen der Abwasserreinigungsanlagen vor. Der Bund wird ermächtigt, bei allen Inhabern von Abwasserreinigungsanlagen eine Abgabe auf Basis der jeweils angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner zu erheben (Art. 60b GSchG). Zum zielorientierten Ausbau der Abwasserreinigungsanlagen wird eine zweckgebundene Spezialfinanzierung geschaffen. Aus dieser Spezialfinanzierung gewährt der Bund Abgeltungen von 75 % an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Elimination der Mikroverunreinigungen in den Abwasserreinigungsanlagen (Art. 61a Abs. 3 GSchGBotschaft GSchG 2013, 5553 f.). Die Abgeltung eines hohen Anteils der Investitionskosten sei gerechtfertigt, da lediglich eine begrenzte Anzahl Abwasserreinigungsanlagen von einem Ausbau und den damit verbundenen höheren Investitions‑ und Betriebskosten betroffen ist (Botschaft GSchG 2013, 5554). Die beantragte Änderung des GSchG wurde vom Ständerat und vom Nationalrat am 21. März 2014 angenommen und ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten (s. dazu auch Komm. zu Art. 61 ff. GSchG sowie Komm. zu den neuen Art. 60b und 61a GSchG).

 

 

Résumé

L’art. 76 Cst. est aujourd’hui la base légale constitutionnelle de la protection des eaux ainsi que des subventions qui lui sont liées. Il a remplacé les art. 24bis et 24quater de la Cst. 1874 qui déléguaient à la Confédération la compétence nécessaire pour légiférer. Les dispositions relatives aux subventions se développèrent constamment dans les diverses versions de la LEaux en 1971, 1991 et 1997. L’assainissement du budget fédéral ainsi que la RPT conduisirent à une réorganisation des dispositions relatives aux subventions. Les conventions-programme entre la Confédération et les cantons sont aujourd’hui au premier plan, afin de fixer les objectifs à atteindre ainsi que les subventions à verser par la Confédération. Ces subventions peuvent être revendiquées pour autant que les exigences légales sont remplies, soit les exigences générales du droit des subventions de la Confédération, ainsi que celles spécifiques à la LEaux pour chaque catégorie particulière de subventions. Il existe toutefois une réserve à ce droit d’exiger la subvention. En effet, même si un canton remplit les conditions, il est possible qu’il reçoive sa contribution en fonction d’un ordre des priorités si les moyens nécessaires pour verser la subvention concernée manquent.

 

 

Literatur: Baumgartner Urs/Beljean Tobias/Widmer Marianne, Finanzhaushalt, in: Lienhard Andreas (Hrsg.), Finanzrecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band X, Basel 2011, 171 ff. (zit. Finanzhaushalt); Ecoplan/BG Ingenieure und Berater AG, Finanzierung der Elimination von Mikroverunreinigungen im Abwasser – Auslegeordnung und Vertiefung einzelner Finanzierungsvarianten, Schlussbericht vom 18. Oktober 2011 im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU, Bern 2011 (zit. Schlussbericht Finanzierung); Favre Anne-Christine/Meyer Lia/Engel Olivier, L’élimination des déchets urbains et l’évacuation des eaux claires et usées, ainsi que leur financement, in: RDAF 2012 I, 239 ss (cit. Déchets urbains); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Umweltschutzrecht); Hettich Peter/Walther Simone, Rechtsfragen um die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Elektrizität aus erneuerbaren Energien, in: ZBl 112 (2011), 143 ff. (zit. Rechtsfragen); Lienhard Andreas/Kettiger Daniel, Gesetzgeberischer Handlungsbedarf der Kantone im Umweltrecht als Folge der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) – Untersuchung in den Bereichen Umwelt, Wald, Natur‑ und Landschaftsschutz sowie Hochwasserschutz, Studie im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern 2006 (zit. Handlungsbedarf); Rey Alfred, Subventionen, in: Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (Hrsg.), Historisches Lexikon der Schweiz, Band XII, Basel 2013 (zit. Subventionen); Rosenstiel Ralf/Ort Christoph, Massnahmen in ARA zur weitergehenden Elimination von Mikroverunreinigungen, Kostenstudie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU, Winterthur 2008 (zit. Massnahmen in ARA); Schärer Barbara, Subventionen des Bundes zwischen Legalitätsprinzip und Finanzrecht, Diss. Bern 1992 (zit. Subventionen); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht I, 3. Aufl, Zürich 2009 (zit. Umweltrecht I); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen vom 15. Dezember 1986, BBl 1987 I 369 ff. (zit. Botschaft SuG 1986); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Müller André/Van Nieuwkoop Renger/Walter Felix), Abwasserabgabe für die Schweiz – Lenkung, Finanzierung und Ausgleich in der Abwasserentsorgung, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 203, Bern 1993 (zit. Abwasserabgabe); Botschaft über die Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt vom 4. Oktober 1993, BBl 1993 IV 293 ff. (zit. Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993); Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 14. November 2001, BBl 2002 2291 ff. (zit. Botschaft NFA 2002); Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD)/Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) – Schlussbericht über die Ausführungsgesetzgebung, Bern 2004 (zit. Schlussbericht Finanzausgleich); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Handbuch NFA im Umweltbereich – Mitteilung des BAFU als Vollzugsbehörde an Gesuchsteller, Umwelt-Vollzug Nr. 0808, Bern 2008 (zit. Handbuch NFA); Subventionsbericht 2008 des Bundesrats vom 30. Mai 2008, BBl 2008 6229 ff. (zit. Subventionsbericht 2008); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung (GSchV) – Entwurf vom 18. November 2009, Bern 2009 (zit. Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2009); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Entwurf Änderung GSchV vom 18. November 2009, <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/docum
ents/1878/Vorlage.pdf>, Bern 2009 (zit. Entwurf Änderung GSchV 2009); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Mikroverunreinigungen: Änderungen der Gewässerschutzverordnung in der Anhörung, Medienmitteilung, <https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=30514>, 3.12.
2009 (zit. Medienmitteilung Mikroverunreinigungen); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Eintrag von organischen Spurenstoffen in die Gewässer – Änderung der Gewässerschutzverordnung (GSchV) – Auswertung der Anhörung zur Änderung der GSchV, Bern 2010 (zit. Auswertung Anhörung Änderung GSchV); Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S), Motion Ständerat (UREK-S) (10.3635 s) «Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser» – Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie vom 24. Januar 2011 (zit. Bericht Mo. UREK-S); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Finanzierung der Massnahmen gegen Mikroverunreinigungen im Abwasser – Änderung des Gewässerschutzgesetzes, Informationsblatt Nr. 10, Bern 2012 (zit. Finanzierung Massnahmen); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Umwelt Schweiz 2013, Umwelt-Zustand Nr. 1070, Bern 2013 (zit. Umwelt 2013); Bundesamt für Umwelt (BAFU), 11. Newsletter Programmvereinbarungen im Umweltbereich, <http://www.bafu.admin.ch/recht/13276/13277/13288/index.html?lang=de>, 2.9.2013 (zit. 11. News-letter Programmvereinbarungen).

Fehr-Bosshard Delia​ | Stocker Lukas

 

Stickstoffelimination bei Abwasseranlagen

1         Der Bund gewährt den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und auf der Grundlage von Programmvereinbarungen globale Abgeltungen an die Erstellung und Beschaffung von:

a.       Anlagen und Einrichtungen zur Stickstoffelimination bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen, soweit sie der Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen dienen, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezwecken;

b.       Kanalisationen, die anstelle von Anlagen und Einrichtungen nach Buchstabe a erstellt werden.

2         Die Höhe der Abgeltungen richtet sich nach der Menge Stickstoff, die durch die Massnahmen nach Absatz 1 eliminiert wird.

Elimination de l’azote dans les installations d’évacuation et d’épuration des eaux

1         Dans les limites des crédits accordés et sur la base de conventions-programmes, la Confédération alloue aux cantons des indemnités globales pour la mise en place des installations et équipements suivants:

a.       installations et équipements servant à l’élimination de l’azote dans les stations centrales d’épuration des eaux usées, dans la mesure où ils permettent de respecter des accords internationaux ou des décisions d’organisations internationales visant à lutter contre la pollution des eaux en dehors de Suisse;

b.       égouts permettant de renoncer aux installations et équipements prévus à la let. a.

2         Le montant des indemnités est fixé en fonction de la quantité d’azote éliminée grâce aux mesures prévues à l’al. 1.

Eliminazione dell’azoto negli impianti per le acque di scarico

1         Entro i limiti dei crediti stanziati e sulla base di accordi di programma, la Confederazione accorda ai Cantoni indennità globali per la costruzione e l’acquisto di:

a.       impianti, installazioni e apparecchiature per l’eliminazione dell’azoto nelle stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico, in quanto servano ad adempire accordi di diritto pubblico internazionale o decisioni di organizzazioni internazionali miranti a garantire la qualità delle acque fuori della Svizzera;

b.       canalizzazioni costruite in sostituzione degli impianti, delle installazioni e delle apparecchiature giusta la lettera a.

2         Le indennità sono stabilite in funzione della quantità di azoto eliminato mediante i provvedimenti di cui al capoverso 1.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 10
III. Kommentierung 11
A. Kredite und globale Abgeltungen des Bundes für die Erstellung (Abs. 1) 11
B. Anlagen und Einrichtungen zur Stickstoffelimination (Bst. a) 16
C. Kanalisationen (Bst. b) 21
D. Höhe der Abgeltung (Abs. 2) 22
IV. Änderung GSchG vom 1. Januar 2016 23

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Finanzierung der Abwasserreinigung war seit jeher ein neuralgischer Punkt der schweizerischen Gewässerschutzbestrebungen und gab bis heute immer wieder Anlass zu langwierigen Auseinandersetzungen. Bereits beim Erlass des BG vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG 1955, aufgehoben durch Art. 45 Abs. 2 GSchG 1971) wurde in den Kommissionen, innerhalb der Bundesverwaltung und schliesslich auch in den Räten intensiv über die Frage diskutiert, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen Bundesbeiträge an die Erstellung von Abwasserreinigungsanlagen (ARA) entrichtet werden sollten (Votum Zigerli, AB 1954 N 260 f., 279 ff.; Votum Müller, AB 1954 S 201; Botschaft GSchG 1954, 341). Durchgesetzt hatte sich die Formulierung, dass Bundesbeiträge nur ausnahmsweise zu leisten seien, und auch nur dann, wenn besondere Verhältnisse es erforderten und sich Kantone und Gemeinden im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung beteiligen würden (Art. 9 Abs. 1 GSchG 1955). Die dazugehörige Vollziehungsverordnung vom 28. Dezember 1956 zum BG vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (VV GSchG 1956; AS 1956 1539) setzte die Gesetzesbestimmung wortgetreu um und formulierte entsprechend enge Voraussetzungen für die Ausrichtung von Bundessubventionen. In den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes floss lediglich ein einziger Bundesbeitrag, die Auswirkungen dieser Subventionsbestimmung blieben damit vorerst bescheiden. Zwar wurden verschiedene Faktoren genannt, welche mitursächlich für die spärlich fliessenden Bundesmittel waren. So fehlten in vielen Kantonen entsprechende gesetzliche Grundlagen und es herrschte ein Mangel an Fachleuten. Hauptursache für die geringen Unterstützungszahlungen des Bundes an Abwasserreinigungsanlagen war jedoch der Umstand, dass der Bund nur ausnahmsweise Beiträge leisten konnte (EFV, Bundessubventionen, 46). Die dem Gesetz ursprünglich zugrunde gelegte Idee der weitgehend selbsttragenden Finanzierung der Gewässerreinigungsmassnahmen von Kantonen, Gemeinden und Privaten erwies sich somit als unrealistisch (Botschaft GSchG 1970, 432; Jaag, Bedrohung, 67 f.; Schindler, Rechtsfragen, 474 f.).

2. Die Ausbautätigkeit nahm erst zu, als sich der Bundesrat aufgrund einer Reihe von parlamentarischen Vorstössen veranlasst sah, die Subventionsvoraussetzungen in der VV GschG 1956 mit Bundesratsbeschluss vom 2. Februar 1962 (AS 1962 96) zu revidieren. Durch eine extensive Auslegung des Begriffs «ausnahmsweise» wurde ein Subventionsschlüssel geschaffen, aufgrund dessen neu über 90 % der Gemeinden, was ungefähr zwei Drittel der Bevölkerung der damaligen Schweiz entsprach, gegenüber Bundesbeiträgen anspruchsberechtigt wurden. Zusammen mit einer in gewissen Kantonen grosszügigeren Subventionspraxis kurbelten die neuen Bundessubventionsbestimmungen den Bau von Gewässerschutzanlagen spürbar an (Schindler, Rechtsfragen, 475 ff.; EFV, Bundessubventionen, 47; Botschaft GSchG 1970, 432; Jaag, Bedrohung, 68; Geschäftsführungsbericht 1965, 129; Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, N 999; Matthey-Doret, Bundesaufgaben, 256). So waren am 1. Januar 1966 178 Abwasserreinigungsanlagen in Betrieb, 63 Anlagen befanden sich im Bau und 77 waren baureif. Nach Vollendung dieser Anlagen waren ca. 53 % der Gesamtbevölkerung an Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen (EFV, Bundessubventionen, 47; Geschäftsführungsbericht 1965, 129). Der finanzielle Beitrag des Bundes blieb jedoch insgesamt weiterhin bescheiden, die Kosten der öffentlichen Abwassersanierungen inkl. Quartierkanalisationen beliefen sich von 1960–1970 auf ungefähr CHF 3,4 Mrd., wovon der Bund jährlich CHF 15 Mio. an Beiträgen leistete, was gemessen an den Gesamtkosten etwa 4 % ausmachte (Botschaft GSchG 1970, 425).

3. Das GSchG 1955 wurde durch den Erlass vom 8. Oktober 1971 totalrevidiert. Wie bereits sein Vorgänger war das GSchG 1971 ebenfalls primär darauf gerichtet, im ganzen Land die Abwassersanierung zu verwirklichen und brachte gegenüber der alten Beitragsregelung zwei wesentliche Neuerungen. Einerseits erhöhte der Gesetzgeber den Subventionssatz (Art. 44 Abs. 2 der allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972), andererseits wurde der Umfang der beitragsberechtigten Anlagen ausgeweitet. Neu leistete der Bund insbesondere Beiträge an Hauptsammelkanäle innerhalb des Baugebiets und Abfallbeseitigungsanlagen wie Ölverbrennungs- und Kehrichtanlagen (zu Letzteren, s. die Komm. zu Art. 62 GSchG N 1 ff.; Hänni, Umweltschutzrecht, 438; vgl. Votum Hofmann, AB 1971 S 117; Art. 33 und Anh. 2 und 3 GSchG 1971; Botschaft GSchG 1970, 465). Der Gesetzgeber hielt dabei am Modell der Kapitalsubventionen fest, das Finanzierungssystem wurde also nicht geändert (Votum Hofmann, AB 1971 S 117, vgl. zu den diskutierten Finanzierungsalternativen Schindler, Rechtsfragen, 481 ff.). Art. 16 Abs. 1 GSchG 1971 setzte den Kantonen zur Umsetzung der Abwassersanierungsvorgaben eine zehnjährige Frist, womit bis 1982 eigentlich alle verunreinigenden Einleitungen hätten saniert sein sollen. Es zeichnete sich indes ab, dass diese Umsetzungsfrist zu kurz bemessen worden war, so wurden 1980 erst ca. 60 % der Abwässer durch Reinigungsanlagen behandelt, weshalb die Frist um weitere fünf Jahre verlängert wurde (Art. 16 Abs. 1 GSchG 1971 i.d.F. vom 20. Juni 1980), wobei sich später auch diese Frist als zu kurz erweisen sollte und weitere Nachfristen gewährt werden mussten. Die Totalrevision bewirkte eine deutliche Zunahme der Bundesbeiträge für Abwassersanierungen, so richtete der Bund ab Mitte der 1970er Jahren jährlich über CHF 200 Mio. an Beiträgen aus, was zu einer Erhöhung des Anteils der Bevölkerung auf über 80 % im Jahr 1987 führte, deren Abwässer gereinigt wurden (Botschaft GSchG 1987, 1073 f.; vgl. Walter, Bedrohte Natur, 169).

4. Verschiedene Entwicklungen führten zu Beginn der 1990er Jahren zu einer schrittweisen Neuausrichtung des Finanzierungssystems von Abwasserreinigungsanlagen. So rückten durch die Erfolge im qualitativen Gewässerschutz vermehrt andere Herausforderungen, wie die damalige Situation auf dem Gebiet des Restwassers oder bei den technischen Eingriffen, in den Fokus der politischen Agenda. Ebenfalls von grosser Bedeutung war die zunehmende Verschlechterung der Bundesfinanzen und damit zusammenhängend ein Umdenkungsprozess bei der Kostentragung der Abwasserreinigung, insbesondere hin zu einer verursachergerechten Kostentragung (Botschaft GSchG 1987, 1074Botschaft GSchG 1996, 1219, 1222, 1229; Favre/Meyer/Engel, Déchets urbains, 244; Wittmann, Subventionsabbau, 23; Schatz, Bund, 18, Stutz, Abwasserrecht, 189). Es kam in der Folge zu einem sukzessiven Abbau der finanziellen Leistungen des Bundes an Abwasserreinigungsanlagen. Durch das Inkrafttreten des GSchG entfielen bspw. die Beiträge an Abwasserkanäle und durch das BG vom 18. März 1994 über die Sanierungsmassnahmen 1993 (Sanierungsmassnahmen 1993) wurden die Subventionstatbestände von Kläranlagen und Normaleinrichtungen solcher Anlagen abgeschafft. Wiederum andere Bereiche erfuhren eine Verschärfung der Subventionsvoraussetzungen (Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, N 1001; Botschaft GSchG 1996, 1219). Das Verursacherprinzip zur Finanzierung der Abwasserreinigung wurde mit der Teilrevision des Gewässerschutzgesetzes vom 20. Juni 1997 (GSchG i.d.F. vom 20. Juni 1997; AS 1997 2243) eingeführt, wodurch das alte Beitragssystem mit seinen Subventionstatbeständen fast vollständig abgeschafft wurde, gewisse Übergangsfristen blieben indes auch hier erhalten (Rausch/Marti/Griffel, Umweltrecht, 43; s. auch die Schlussbestimmungen N 8 ff.).

5. Der Abbau der Bundessubventionen gestaltete sich indes als eine äusserst komplizierte Angelegenheit, denn der Grossteil der Ende der 1980er Jahre noch nicht erschlossenen Bevölkerung wohnte gemäss Bundesrat in abgelegenen Gebieten, welche die gesetzten Fristen für Subventionen nicht haben einhalten können. Um diese Gebiete und finanziell schwache Kantone nicht zu benachteiligen und zur Vermeidung von Härtefällen wurden deshalb immer wieder Fristverlängerungen für die Umsetzung und damit verbunden Verlängerungen der Beitragszahlungen durch den Bund gewährt. Erschwerend kam hinzu, dass die jeweils absehbaren Beitragskürzungen die Kantone dazu bewogen, unter dem älteren bzw. günstigeren Regime noch um Abgeltungen für Abwasseranlagen nachzusuchen. So erhöhten sich bspw. im Vorfeld der Sanierungsmassnahmen 1993 die Verpflichtungen des Bundes um CHF 587 Mio. auf CHF 1,37 Mrd. (Botschaft GSchG 1987, 1175Botschaft GSchG 1996, 1219 ff.).

6. Das GSchG i.d.F. vom 20. Juni 1997 führte dazu, dass Subventionsbeiträge lediglich noch zur Stickstoffelimination bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen, soweit diese der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen dienten, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezweckten sowie an die kommunale und regionale Entwässerungsplanung, ausgerichtet wurden (BUWAL, Abgeltungen Abwasseranlagen, 5; Art. 61 GSchG i.d.F. vom 20. Juni 1997). Die zurückhaltende Gewährung von Beiträgen an die Stickstoffelimination bei Abwasserreinigungsanlagen wurde durch den Bundesrat damit begründet, dass die Kostenwirksamkeit der Stickstoffelimination deutlich ungünstiger sei als in anderen Massnahmebereichen wie z.B. in der Landwirtschaft (s. hierzu Art. 62b GSchGBotschaft GSchG 1996, 1225). Die Abgeltungen betrugen 50 % der anrechenbaren Kosten für Anlagen und Einrichtungen und 35 % für Kanalisationen. Art. 52 Abs. 2 GSchV i.d.F. vom 28. Oktober 1998 legte dabei fest, dass maximal CHF 120’000 pro Tonne Stickstoff, die jährlich reduziert wurde, ausgerichtet werden durfte.

7. Die heute geltende Fassung wurde durch das BG vom 6. Oktober 2006 über die Schaffung und die Änderung von Erlassen zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) (AS 2007 5779) eingefügt. Eine wesentliche Neuerung war das Instrument der Programmvereinbarung. Der Subventionstatbestand blieb grundsätzlich derselbe, neu war lediglich die Gewährung der globalen Abgeltungen im Rahmen von Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen. Die Höhe der Abgeltungen war somit nicht mehr im Gesetz festgelegt, sondern lediglich das Kriterium für deren Bemessung (die reduzierte Menge an Stickstoff) (EFD/KdK, Schlussbericht Finanzausgleich, 111; Botschaft NFA 2005, 6189). Als Motive für die Einführung von Programmvereinbarungen wurden die Einräumung von Gestaltungsspielräumen, eine verstärkte Wirkungsorientierung und der Grundgedanke des partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Bund und Kantonen genannt (Botschaft NFA 2005, 2345 ff., Bussmann, Subventionierung, 239).

8. Neben den schweizerischen spielen auch bestimmte internationale Entwicklungen für die Entstehungsgeschichte von Art. 61 GSchG eine wichtige Rolle. Auf europäischer Ebene war insbesondere der Erlass der Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser (EG – Kommunale Abwasserrichtlinie; ABl. Nr. L 135/40 vom 30. Mai 1991) von Bedeutung. Die Richtlinie verpflichtete die betroffenen Nordseeanliegerstaaten, bei allen Anlagen über 10ʹ000 Einwohnerwerten die Stickstoffelimination einzuführen, Nicht-EU-Staaten wurden aufgefordert, adäquate Massnahmen zu treffen (Sieber, Stickstoffeinträge, 32). Ebenfalls von Bedeutung ist das 1998 in Kraft getretene Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Konvention), welchem die Schweiz beitrat. Darin verpflichten sich die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Massnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Meeresverschmutzung des Nordostatlantiks (Art. 2 OSPAR-Konvention). Die für OSPAR-Mitglieder gültige PARCOM-Empfehlung 88/2 legt ein generelles Reduktionsziel von 50 % für Stickstoffeinträge fest. Gemäss Art. 13 Abs. 5 OSPAR-Konvention sind Empfehlungen indes nicht bindend. Auch der Umstand, dass das UVEK gestützt auf Art. 51 Abs. 1 GSchV i.V.m. Bst. a derselben Bestimmung die PARCOM-Empfehlung 88/2 genehmigte und sie so quasi ins schweizerische Recht überführte, ändert nichts an der fehlenden Verbindlichkeit. Gemäss Art. 2 Abs. 2 der Verordnung des UVEK vom 10. Januar 2000 über die Genehmigung internationaler Beschlüsse und Empfehlungen (SR 814.201.81) sind nämlich die genehmigten Empfehlungen im Gegensatz zu den genehmigten Beschlüssen nicht verbindlich. Den zuständigen Behörden wird lediglich empfohlen, die Empfehlungen beim Vollzug von Umweltschutzvorschriften zu berücksichtigen.

9. Die Schweiz erklärte sich indes im Zusammenhang mit diesen Vereinbarungen sowie im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung bereit, angemessen zur Reduktion der Stickstoffbelastung der Nordsee beizutragen, sie liess jedoch offen, wie dies geschehen werde (Botschaft GSchG 1996, 1224 f.). Eine Erfolgskontrolle 1995 machte deutlich, dass im Gegensatz zu Phosphor das angestrebte Reduktionsziel von 50 % im Zeitraum von 1985 bis 1995 beim Stickstoff bei weitem nicht erreicht wurde (Sieber, Stickstoffeinträge, 33). Um die gesetzten Ziele dennoch zu erreichen, beschloss der Bundesrat am 31. Oktober 2001 eine Änderung der GSchV und legte fest, dass die Kantone im Einzugsgebiet des Rheins bis anfangs 2002 in einer Planung festzulegen hatten, wie ab dem Jahr 2005 aus Abwasserreinigungsanlagen 2’600 Tonnen Stickstoff weniger eingeleitet werden konnten als 1995 (Anh. 3.1 Ziff. 3 Nr. 2 Abs. 2 GSchV).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

10. Die Bestimmung fällt in den Geltungsbereich des Subventiongesetzes (Art. 2 Abs. 1 SuG; s. auch Vor Art. 61–66 GSchG N 18), zu beachten sind insbesondere Art. 9 f. SuG und Art. 11 bis 40 SuG, solange das GSchG nichts Abweichendes vorschreibt (Art. 2 Abs. 2 SuG; Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, 321).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Kredite und globale Abgeltungen des Bundes für die Erstellung (Abs. 1)

11. Bei Abgeltungen handelt es sich gemäss Art. 3 Abs. 2 SuG um Leistungen an Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich aus der Erfüllung bundesrechtlich vorgeschriebener Aufgaben oder aus der Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden sind, ergeben (Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, 318). Die Abgeltungen werden in Form von A-fonds-perdu-Beiträgen global entrichtet, was den Kantonen im Unterschied zu Einzelbeiträgen einen grösseren Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Vorgaben lässt (vgl. Wild, Programmvereinbarungen, 352). Die Gesuche sind vom Kanton beim BAFU einzureichen. Die Höhe der globalen Abgeltungen wird zwischen dem BAFU und dem betroffenen Kanton ausgehandelt (Art. 52 Abs. 3 GSchVArt. 59 f. GSchG).

12. Übersteigen die eingereichten oder zu erwartenden Gesuche die verfügbaren Mittel, muss das UVEK als zuständiges Departement eine Prioritätenordnung erstellen (Art. 22 i.V.m. Art. 13 SuG). Die von den eidg. Räten gemäss Art. 65 GSchG durch einfachen Bundesbeschluss bewilligten Kredite im Bereich Abwasser und Abfall überstiegen in den letzten Jahren jeweils die geleisteten Beiträge, weshalb keine Priorisierung nötig war (vgl. EFV, Voranschlag Bundesbeschlüsse 2011, 208; EFV, Voranschlag Bundesbeschlüsse 2012, 209; EFV, Voranschlag Bundesbeschlüsse 2013, 213; EFV, Voranschlag Bundesbeschlüsse 2014; 207). Art. 65 GSchG i.V.m. Art. 60 GSchV sehen eine Zusicherung der globalen Bundesbeiträge auf vier Jahre vor, für die Auszahlung gilt dagegen weiterhin das Jährlichkeitsprinzip (Wild, Programmvereinbarungen, 358, vgl. auch Vor Art. 61–66 GSchG N 42 ff.).

13. Die Programmvereinbarungen (zum Begriff ausführlich: Wiget, Programmvereinbarung, 111 ff.) werden zwischen Bund und Kantonen abgeschlossen. Sie legen die gemeinsam zu erreichenden strategischen Programmziele fest und regeln die Beitragsleistung des Bundes sowie, im Einvernehmen mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die Einzelheiten der Finanzaufsicht (Art. 20a Abs. 1 SuG). Im Gegensatz zum früheren System, als der Bund einzelne Projekte in Abhängigkeit der Kosten subventionierte, schliesst der Bund somit neu mit den Kantonen Programmvereinbarungen ab und leistet Beiträge zur Erreichung der vereinbarten Umweltziele (EFD/KdK, NFA, 25 ff.). Werden die vorgesehenen Leistungen durch Gemeinden erbracht, vergütet der Kanton die entstandenen Kosten mindestens entsprechend dem Anteil der Bundesbeiträge an den Gesamtkosten (Art. 20a Abs. 3 SuG). Ausserdem bestehen gewisse Berichterstattungs‑ und Kontrollpflichten (Art. 61a GSchV). Werden Vorgaben nicht wie vereinbart umgesetzt, hat das BAFU die Möglichkeit, die Tranchenzahlungen ganz oder teilweise zurückzubehalten. Ebenfalls möglich sind bei mangelhafter Leistungserbringung Nachbesserungsansprüche und schliesslich können unter gewissen Umständen nachträglich die entrichteten Beträge zurückgefordert werden (Art. 61b GSchV).

14. Die Abgeltungen sind an die Erstellung und Beschaffung der Anlagen zu leisten. Damit hängt die Frage der anrechenbaren Kosten zusammen, die vergütet werden sollen. Gemäss Art. 58 Abs. 1 GSchV sind nur Kosten anrechenbar, die tatsächlich entstanden und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlich sind. Dazu gehören auch die Kosten für Pilotanlagen, nicht aber Gebühren und Steuern (Art. 58 Abs. 2 GSchV). Welche Kosten in welchem Umfang im Bereich der Abwasseranlagen abgegolten werden, bestimmt sich nach den vom BAFU erlassenen Richtlinien und wird im Rahmen der Programmvereinbarung mit dem betroffenen Kanton anschliessend konkret ausgehandelt (Art. 60 Abs. 4 i.V.m. Art. 52 Abs. 3 GSchV; vgl. zur früheren Rechtslage: BUWAL, Abgeltungen Abwasseranlagen, passim). Nicht anrechenbar sind insbesondere Kosten für den Betrieb und den Unterhalt der Anlagen (vgl. Kiener, Kommentar USG, Art. 52 N 21).

15. Die soeben erwähnten Richtlinien über die Programmvereinbarungen hat das BAFU basierend auf Art. 60 Abs. 4 GSchV erlassen. Das vom BAFU herausgegebene Handbuch Programmvereinbarungen enthält indes keine Ausführungen zu Art. 61 GSchG. Dies liegt daran, dass die gemäss Anh. 3.1 Ziff. 3 Nr. 2 Abs. 2 GSchV bis 2005 zu erfolgenden Stickstoffreduktionen erfolgreich durchgeführt wurden und damit zurzeit keine weiteren Subventionstatbestände für Abwasserreinigungsanlagen bestehen (vgl. Botschaft NFA 2005, 6186).

 

B.            Anlagen und Einrichtungen zur Stickstoffelimination (Bst. a)

16. Abgeltungen werden an Anlagen und Einrichtungen (zu diesen beiden Begriffen: Komm. zu Art. 15 GSchG N 20 ff.) zur Stickstoffelimination bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen (zum Begriff: Komm. zu Art. 10 GSchG N 24 f.) geleistet, soweit diese der Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen dienen, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezwecken.

17. Im Gewässerschutz ist die Schweiz an mehreren völkerrechtlichen Verträgen beteiligt. So bestehen etwa Abkommen zur Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten zum Schutz der schweizerischen Grenzgewässer, wie das Übereinkommen vom 27. Oktober 1960 über den Schutz des Bodensees gegen Verunreinigung (SR 0.814.283), das Abkommen vom 16. November 1962 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffend den Schutz der Gewässer des Genfersees gegen Verunreinigung (SR 0.814.281) sowie das Abkommen vom 20. April 1972 zwischen der Schweiz und Italien über den Schutz der schweizerisch-italienischen Gewässer gegen Verunreinigung (SR 0.814.285). Ebenfalls zu erwähnen sind das Übereinkommen vom 12. April 1999 zum Schutz des Rheins (SR 0.814.284) und die Internationale Nordseeschutzkonferenz, bei welcher die Schweiz ebenso Mitglied ist wie beim OSPAR-Übereinkommen (Sieber, Stickstoffeinträge, 31 f., BAFU, Stickstoffflüsse, 28 f.). Da die Schweiz über den Rhein mit dem Meer verbunden ist und auch über eine eigene Hochseeflotte verfügt, wurden auch verschiedene Abkommen der International Maritime Organisation (IMO) unterzeichnet. So wurden im Rahmen der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) und der IMO weitere multilaterale Übereinkommen auf dem Gebiet des Gewässerschutzes abgeschlossen bzw. ratifiziert (Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, 1025 f.).

18. Beiträge können dann gewährt werden, wenn sie der «Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen dienen, welche die Reinhaltung von Gewässern ausserhalb der Schweiz bezwecken». Die Bestimmung will die Gewässer wie Flachmeere ausserhalb der Schweiz schützen und diesbezügliche völkerrechtliche Bestrebungen unterstützen (vgl. Botschaft GSchG 1996, 1224). Der Wortlaut der Bestimmung verlangt jedoch nicht, dass die Schweiz direkt durch die entsprechenden Verträge bzw. Beschlüsse zur Einhaltung konkreter Vorgaben o.ä. verpflichtet wird. Es wird vielmehr die Unterstützung von internationalen Bestrebungen zum Schutz der Gewässer ermöglicht, unabhängig davon, ob die Schweiz nun selbst diesbezüglich verbindliche Zusagen gemacht hat oder nicht.

19. In diesem Zusammenhang ist auf die Praxis der Bundesbehörden zu verweisen. Die Leistung von Beiträgen an Abwasserreinigungsanlagen zur Reduktion von 2’600 Tonnen Stickstoff zum Schutz der Nordsee (Anh. 3.1 Ziff. 3 Nr. 2 Abs. 2 GSchV) wurden völkerrechtlich nicht verbindlich zugesichert. Die Schweiz war nämlich völkerrechtlich nicht verpflichtet, die PARCOM-Empfehlung 88/2 einzuhalten (s. N 8; ungenau BAFU, Stickstoffflüsse, 29, wo von einem verbindlichen Ziel gesprochen wird), zudem war die Schweiz weder Teil der Europäischen Union, wodurch für sie die EG – Kommunale Abwasserrichtlinie keine zwingende Wirkung hatte, noch können die Beschlüsse der Rheinkommission direkte Rechtswirkungen für die Mitglieder erzeugen (Rheinschutz 2000, 314). Man hatte sich lediglich im Rahmen des OSPAR-Übereinkommens zur Durchführung von Massnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Meeresverschmutzung des Nordostatlantiks verpflichtet, ohne jedoch konkrete Reduktionsziele bei den Stickstoffeinträgen in die Gewässer zu nennen (Art. 2 OSPAR-Konvention). Die Reduktion von 2’600 Tonnen Stickstoff zum Schutz der Nordsee wurde somit autonom beschlossen und vollzogen.

20. Beitragsberechtigt sind grundsätzlich sämtliche Kantone. Es ist möglich, aus sachlichen Überlegungen wie bspw. ökologischen Gründen (vgl. die Komm. zu Art. 63 GSchG N 17 ff.) den Kreis der Berechtigten auf bestimmte Gebiete zu beschränken. So waren zur Reduktion der Stickstoffeinträge in die Nordsee Kantone im Rheineinzugsgebiet unterhalb der Seen beitragsberechtigt (Botschaft NFA 2005, 6189; BUWAL, Planung Kantone), der Ausschluss der Kantone oberhalb des Bodensees wurde mit den stickstoffreduzierenden Fähigkeiten des Sees begründet.

C.           Kanalisationen (Bst. b)

21. Bst. b präzisiert, dass anstelle von Anlagen und Einrichtungen nach Art. 61 Abs. 1 Bst. a GSchG auch Kanalisationen beitragsberechtigt sind. Die Kanalisationen dienen in diesem Zusammenhang als Verbindungsleitungen zu einer in der Nähe liegenden ARA (Ziel-ARA) (Botschaft GSchG 2013, 5559). Die separate Nennung der Kanalisationen lässt sich wohl damit erklären, dass in Art. 61 Abs. 3 GSchG i.d.F. vom 20. Juni 1997 für Kanalisationen der tiefere Abgeltungssatz von 35 % gegenüber 50 % bei Anlagen und Einrichtungen nach Bst. a gegolten hatte.

 

D.           Höhe der Abgeltung (Abs. 2)

22. Die Höhe der globalen Abgeltungen richtet sich grundsätzlich nach der jährlich reduzierten Anzahl Tonnen Stickstoff (Art. 52 Abs. 1 GSchV; Wild, Programmvereinbarung, 353), wobei unter gewissen Umständen, nämlich soweit zur Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder von Beschlüssen internationaler Organisationen notwendig, zudem Umfang und Komplexität der Massnahmen berücksichtigt werden können (Art. 52 Abs. 2 GSchV). Im Gegensatz zur früheren Regelung werden in der GSchV keine fixen Beitragszahlen mehr genannt, sondern die Beträge sind im Rahmen der Programmvereinbarungen auf Grundlage der Richtlinien des BAFU (BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen) auszuhandeln.

 

 

IV.        Änderung GSchG vom 1. Januar 2016

23. Organische Spurenstoffe (Mikroverunreinigungen) wie Medikamente, Hormone, Biozide etc. werden heute in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen nicht oder nur teilweise entfernt und gelangen so mit dem biologisch gereinigten Abwasser in die Gewässer. Bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 % wurden bei Untersuchungen organische Spurenstoffe in Konzentrationen gemessen, welche die Fortpflanzung und Entwicklung empfindlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen beeinträchtigen können (Botschaft GSchG 2013, 5552). Insbesondere die Furcht, dass sich zukünftig immer mehr solche Stoffe in den Gewässern ablagern und in Kombination miteinander schädliche Auswirkungen haben könnten, veranlasste den Bund zum Handeln und damit zu einer Anpassung des GSchG (vgl. Votum Bäumle, AB 2014 N 5). Die Referendumsfrist zur Änderung des GSchG ist am 10. Juli 2014 unbenützt abgelaufen. Der Bundesrat hat beschlossen, die Änderungen auf den 1. Januar 2016 in Kraft zu setzen (AS 2014 3327). Neu sollen demnach ARA mit mehr als 80’000 angeschlossenen Einwohnern und ARA mit mehr als 24’000 angeschlossenen Einwohnern im Einzugsgebiet von Seen zu baulichen Massnahmen zur Behandlung von Mikroverunreinigungen verpflichtet werden. Bei ARA mit mehr als 8’000 angeschlossenen Einwohnern bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 %, der nicht von organischen Spurenstoffen gereinigt ist, können die Kantone bestimmen, welche ausgebaut werden müssen. Schliesslich können die Kantone in begründeten Ausnahmefällen den Ausbau von anderen ARA mit mehr als 1’000 angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohnern beantragen, die in ökologisch sensiblen Gebieten liegen oder die an für die Trinkwasserversorgung wichtigen Gewässern liegen (Botschaft GSchG 2013, 5558, von Däniken, Abwasserreinigung, 13). In begründeten Ausnahmefällen können die Kantone von einem Ausbau der ARA absehen, und zwar dann, wenn der Nutzen für die Ökosysteme und die Trinkwasserversorgung vernachlässigbar klein ist (Botschaft GSchG 2013, 5558). Insgesamt sollen so ca. 100 der 700 ARA in der Schweiz zu baulichen Massnahmen verpflichtet werden (Botschaft GSchG 2013, 5552).

24. Die notwendigen baulichen Massnahmen müssen innerhalb von 20 Jahren nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen begonnen werden, wobei rückwirkend auch Massnahmen abgeltungsberechtigt sind, die bereits ab dem 1. Januar 2012 ausgeführt wurden, sofern sie gemäss den neuen Anforderungen der GSchV nötig werden (Art. 61a Abs. 2 GSchGBotschaft GSchG 2013, 5561). Die neu vom Bund gewährten Abgeltungen sollen 75 % der anrechenbaren Kosten decken, welche bei Anlagen, Einrichtungen und Kanalisationen zur Elimination von organischen Spurenstoffen entstehen (Art. 61a Abs. 3 GSchG). Zur Finanzierung wird eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe eingeführt werden. Der Bund wird dabei ermächtigt, bei allen Inhabern von ARA eine Abgabe auf Basis der an die ARA angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner zu erheben (Art. 60b Abs. 1 GSchG). Die Höhe der Abgabe wird zu Beginn der Erhebung den maximalen Abgabesatz von CHF 9 betragen, wobei zu einem späteren Zeitpunkt der Beitrag reduziert werden kann (Art. 60b Abs. 3 und 4 GSchG; Botschaft GSchG 2013, 5553 f., 5556). In Versuchsreihen haben sich gemäss BAFU zwei Verfahren zur Beseitigung von Mikroverunreinigungen bewährt, einerseits die Ozonierung, andererseits die Verwendung von Aktivkohle (von Däniken, Abwasserreinigung, 13).

25. Durch das Inkraftreten der neuen Bestimmungen ändert sich auch die Sachüberschrift von Art. 61 GSchG. Sie lautet neu «Stickstoffelimination bei Abwasserablagen» statt wie bisher «Abwasseranlagen» (AS 2014 3327).

26. Für weitere Ausführungen vgl. Komm. zum neuen Art. 61GSchG.

 

Résumé

En vertu de l’art. 61 al. 1 LEaux, les indemnités sont versées sous la forme de contributions à fond perdu globales sur la base des conventions-programmes pour la mise en place des installations et équipements servant à l’élimination de l’azote dans les stations centrales d’épuration des eaux usées. Les indemnités sont uniquement allouées lorsqu’elles permettent de respecter des accords internationaux ou des décisions d’organisations internationales visant à lutter contre la pollution des eaux en dehors de la Suisse. Toutefois, le texte de l’art. 61 LEaux ne requiert pas que la Confédération prenne des engagements concrets qui l’obligent juridiquement dans le cadre des accords internationaux ou lors des décisions d’organisations internationales pour que les subventions selon l’art. 61 al. 1 LEaux soient allouées. Le montant des indemnités globales est fixé en principe en fonction de tonnes d’azote éliminées chaque année (cf. art. 52 al. 1 OEaux). Le montant exact est négocié avec l’OFEV dans le cadre de la convention-programme sur la base des directives édictées par cette autorité. Vu qu’actuellement il n’y a pas d’objet de subventionnement pour les installations servant à l’évacuation et à l’épuration des eaux usées, il n’y a pas non plus de règlementation concernant l’art. 61 LEaux dans les directives de l’OFEV (Manuel sur les conventions-programmes).

Afin de pouvoir purifier les eaux des composés organiques en trace, il faudrait à l’avenir prendre des mesures constructives sur environ 100 des 700 installations de traitement des eaux usées que comptent actuellement la Suisse. Selon le principe de causalité, ces mesures constructives doivent être financées par une taxe prélevée par la Confédération aux habitants ou habitants raccordés.

 

 

Literatur: Bussmann Werner, Wirkungsorientierte Subventionierung – das Beispiel der Programmvereinbarungen, in: LeGes 2007, 239 ff. (zit. Subventionierung); Favre Anne-Christine/Meyer Lia/Engel Olivier, L’élimination des déchets urbains et l’évacuation des eaux claires et usées, ainsi que leur financement, in: RDAF 2012 I, 239 ss (cit. Déchets urbains); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Umweltschutzrecht); Jaag Otto, Das Wasser und seine Bewirtschaftung, in: NZZ-Schriften zur Zeit 12, Die Bedrohung unseres Lebensraums, Zürich 1969, 53 ff. (zit. Bedrohung); Matthey-Doret Alfred, Aufgaben des Bundes auf dem Gebiete des Gewässerschutzes in der Schweiz, in: Walther Karl August (Hrsg.), Wasser – bedrohtes Lebenselement, Zürich 1964, 254 ff. (zit. Bundesaufgaben); Schatz Ruedi, Wie kann der Bund sparen?, in: NZZ 27.11.1976, 17 f. (zit. Bund); Sieber Ulrich, Internationale Umweltabkommen und nationales Umweltrecht zur Begrenzung von Stickstoffeinträgen in die Gewässer, in: Schriftenreihe der FAL 43 (2003), 30 ff. (zit. Stickstoffeinträge); Vallender Klaus A./Hettich Peter/Lehne Jens, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung – Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs‑ und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 4. Aufl., Bern 2006 (zit. Wirtschaftsfreiheit); von Däniken Alexander, Abwasserreinigung wird teurer, in: NLZ 10.3.2014, 14 (zit. Abwasserreinigung); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II); Walter François, Bedrohliche und bedrohte Natur – Umweltgeschichte der Schweiz seit 1800, Zürich 1996 (zit. Bedrohte Natur); Wild Florian, Programmvereinbarungen nach NFA im Umweltbereich, in: LeGes 2009, 351 ff. (zit. Programmvereinbarungen); Wittmann Walter, Marktwirtschaftlicher Subventionsabbau – Reform der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen, in: NZZ 29.11.1990, 23 (zit. Subventionsabbau).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bericht des schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1965, Bern 1966 (zit. Geschäftsführungsbericht 1965); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) (Hrsg.) (verfasst durch Stocker Paul et al.), Allgemeine Überprüfung der Bundessubventionen: Bericht der vom Bundesrat eingesetzten Expertengruppe, Bern 1966 (zit. Bundessubventionen); Botschaft betreffend das Übereinkommen zum Schutz des Rheins vom 3. November 1999, BBl 2000 312 ff. (zit. Rheinschutz 2000); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Planung der Kantone im Einzugsgebiet des Rheins, wie ab dem Jahre 2005 aus Abwasserreinigungsanlagen 2600 Tonnen Stickstoff weniger eingeleitet werden als 1995, Bern 2002 (zit. Planung Kantone); Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD)/Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) – Schlussbericht über die Ausführungsgesetzgebung, Bern 2004 (zit. Schlussbericht Finanzausgleich); Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD)/Konferenz der Kantonsregierungen (Kdk) (Hrsg.), Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen – NFA, Bern 2007 (zit. NFA); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag Bundesbeschlüsse 2011, Bern 2010 (zit. Voranschlag Bundesbeschlüsse 2011); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag Bundesbeschlüsse 2012, Bern 2011 (zit. Voranschlag Bundesbeschlüsse 2012); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag Bundesbeschlüsse 2013, Bern 2012 (zit. Voranschlag Bundesbeschlüsse 2013); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag Bundesbeschlüsse 2014, Bern 2013 (zit. Voranschlag Bundesbeschlüsse 2014); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Heldstab Jürg/Leippert Fabio/Biedermann Roger et al.), Stickstoffflüsse in der Schweiz 2020 – Stoffflussanalyse und Entwicklungen, Umwelt-Wissen Nr. 1309, Bern 2013 (zit. Stickstoffflüsse).

​Märkli Benjamin​

 

Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasseranlagen

1         Der Bund gewährt den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und der verfügbaren Mittel Abgeltungen an die Erstellung und die Beschaffung von:

a.       Anlagen und Einrichtungen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei zentralen Abwasserreinigungsanlagen, soweit sie zur Einhaltung der Vorschriften über die Einleitung von Abwasser in Gewässer erforderlich sind;

b.       Kanalisationen, die anstelle von Anlagen und Einrichtungen nach Buchstabe a erstellt werden.

2         Die Abgeltungen werden gewährt, wenn mit der Erstellung oder Beschaffung der Anlagen, Einrichtungen oder Kanalisationen nach dem 1. Januar 2012 und und innerhalb von 20 Jahren ab Inkrafttreten der Änderung vom 21. März 2014 des vorliegenden Gesetzes begonnen wurde.

3         Die Abgeltungen betragen 75 Prozent der anrechenbaren Kosten.

Elimination des composés traces organiques dans les installations d’évacuation et d’épuration des eaux

1         Dans les limites des crédits accordés et des moyens disponibles, la Confédération alloue aux cantons des indemnités pour la mise en place des installations et équipements suivants:

a.       installations et équipements servant à l’élimination de composés traces organiques dans les stations centrales d’épuration des eaux usées, dans la mesure où ils sont nécessaires pour respecter les prescriptions sur le déversement d’eaux usées dans les eaux;

b.       égouts permettant de renoncer aux installations et équipements prévus à la let. a.

2         Les indemnités sont allouées lorsque la mise en place des installations, des équipements et des égouts a commencé après le 1er janvier 2012 et dans un délai de 20 ans à compter de l’entrée en vigueur de la modification du 21 mars 2014 de la présente loi.

3         Les indemnités se montent à 75 % des coûts imputables

Eliminazione delle sostanze organiche in tracce negli impianti per le acque di scarico

1         Entro i limiti dei crediti stanziati e dei mezzi disponibili, la Confederazione accorda ai Cantoni indennità per la costruzione e l’acquisto di:

a.       impianti, installazioni e apparecchiature per l’eliminazione delle sostanze organiche in tracce nelle stazioni centrali di depurazione delle acque di scarico, in quanto siano necessari per rispettare le prescrizioni sull’immissione delle acque di scarico nelle acque;

b.       canalizzazioni costruite in sostituzione degli impianti, delle installazioni e delle apparecchiature giusta la lettera a.

2         Le indennità sono accordate se la costruzione o l’acquisto degli impianti, delle installazioni, delle apparecchiature o delle canalizzazioni sono iniziati dopo il 1° gennaio 2012 ed entro 20 anni dall’entrata in vigore della modifica del 21 marzo 2014 della presente legge.

3         Le indennità ammontano al 75 per cento dei costi computabili.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II. Allgemeine Bemerkungen ​7
III. Kommentierung ​8
A. Die Abgeltung (Abs. 1) ​8
1. Rechtsnatur der Abgeltung ​8
2. Verfahren der Abgeltung ​9
​3. ​«Anlagen und Einrichtungen» (Bst. a) 12
​4. ​Kanalisationen (Bst. b) 17
​B. Zeitrahmen der Abgeltung (Abs. 2) 19
​C. ​Höhe der Abgeltung (Abs. 3) 22

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Bestimmung wurde mit der Änderung vom 21. März 2014 (AS 2014 3327) erstmals ins GSchG aufgenommen: Eine Vorgängernorm hat sie nicht. Da organische Spurenstoffe (dazu N 7) erst allmählich als Gefahr erkannt wurden (z.B. im Rahmen des NFP 50 «Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme»), entstand erst relativ spät ein Regulierungsbedarf. Das UVEK schickte am 18. November 2009 einen Entwurf zur Änderung der GSchV (SR 814.201) in die Anhörung. Dieser Entwurf sah insbesondere Kriterien für die Reinigung des Abwassers von organischen Spurenstoffen vor, wobei die Finanzierung allein den Abwasserverbänden oblegen hätte (UVEK, Bericht Eintrag, 8). In der Anhörung wurde das Regelungsziel weitgehend begrüsst, während die Finanzierung kritisiert wurde (Botschaft GSchG 2013, 5552 f.).

2. In einer Motion der UREK-S (10.3635 s «Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser» vom 24. Januar 2011; vgl. dazu UREK-N, Bericht Finanzierung sowie AB 2010 S 911 und AB 2011 N 397) wurde der Bundesrat beauftragt, die Rechtsgrundlage für eine möglichst verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Mikroverunreinigungen zu schaffen.

3. In seinem Entwurf zur Änderung des GSchG vom 26. Juni 2013 (BBl 2013 5569; Geschäftsnummer 13.059) machte der Bundesrat einen Vorschlag zur Finanzierung mittels einer Abgabe (dazu die Komm. zu Art. 60b GSchG N 1) und zur Verwendung der erhobenen Beiträge (vgl. AB 2013 S 1102 ff.; AB 2014 N 1 ff.).

4. Der vorliegende Artikel entspricht inhaltlich unverändert dem Vorschlag des Bundesrats. Nicht durchgedrungen ist ein Minderheitsantrag im Nationalrat, der auch Beiträge für «Anlagen und Einrichtungen zur Nitrifikation oder Denitrifikation» ausrichten wollte. Als Begründung führte die Mehrheit zusammen mit dem Bundesrat an, dass bis 1997 bereits derartige Abgeltungen ausgerichtet worden seien. Die Kantone, die den Ausbau damals versäumt hätten, sollten nun nicht nachträglich die alte Subvention wieder einführen können (vgl. z.B. Votum Leuthard [Bundesrätin], AB 2014 N 8).

5. Die Referendumsfrist für die Änderung ist am 10. Juli 2014 unbenutzt abgelaufen. Der Bundesrat hat die Änderung auf den 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt.

6. Parallel dazu hat das UVEK einen Vorschlag für die erforderlichen Detailbestimmungen durch eine Änderung der GSchV vom 23. Dezember 2014 bis zum 31. März 2015 in die Anhörung geschickt. Einem überarbeiteten Entwurf hat der Bundesrat am 4. November 2015 zugestimmt und die Änderung der GSchV grösstenteils per 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt. Eine Ausnahme gilt für die Bestimmungen über den Ausbau sehr kleiner ARA, die erst per 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt wurden, um den Ausbau grösserer Anlagen zu priorisieren (BAFU, Bericht GSchV 2015, 16).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

7. Organische Spurenstoffe sind Substanzen, die typischerweise in sehr geringen Konzentrationen auftreten (im µg/L- oder ng/L-Bereich) und sich bereits dann schädlich auswirken. Sie werden deshalb auch als Mikroverunreinigungen bezeichnet. Es handelt sich dabei um Wirkstoffe z.B. aus Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln, Kosmetika, Waschmitteln oder Konservierungsstoffen, die vorwiegend aus dem Abwasser von Privathaushalten oder der Industrie in die ARA gelangen (vgl. etwa Ivashechkin, Spurenstoffe, 4 ff.; Stutz, Abwasserrecht, 203 ff.). Dort können sie nicht ausreichend ausgesondert werden. Messwerte zeigen, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, eine für die Wasserflora und -fauna beeinträchtigende Konzentration in Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10%. Ebenfalls werden Mikroverunreinigungen in ufernahen Trinkwasserfassungen, welche an solchen Fliessgewässern gelegen sind, gemessen (Botschaft GSchG 2013, 5552). Die Auswirkungen von organischen Spurenstoffen auf die aquatischen Ökosysteme sind noch nicht umfassend erforscht. Bekannt ist aber, dass etwa hormonaktive Substanzen zur Verweiblichung männlicher Fischen führen können. Die Belastung der Gewässer mit organischen Spurenstoffen könnte über das Trinkwasser auch für den Menschen gefährlich werden (Botschaft GSchG 2013, 5552; Ivashechkin, Spurenstoffe, 31 f.; vgl. zum Ganzen auch Götz/Kase/Hollender, Mikroverunreinigungen, passim, insb. 22 ff.).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Die Abgeltung (Abs. 1)

1.             Rechtsnatur der Abgeltung

8. Eine Abgeltung ist eine Unterart der Subventionen (Art. 3 Abs. 2 SuG; Mächler, in: FHB Verwaltungsrecht, N. 21.23); es sind auf die vorliegende Abgeltung die Bestimmungen des SuG anwendbar (so auch Botschaft GSchG 2013, 5565 f.). Abgeltungen dienen der Milderung finanzieller Lasten, die sich aus der Erfüllung einer bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgabe (dazu N 15) ergibt (Art. 3 Abs. 2 Bst. a SuG; Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, 318).

 

2.             Verfahren der Abgeltung

9. Berechtigt zum Bezug der Abgeltung sind formell die Kantone («Der Bund gewährt den Kantonen…»; ebenso Art. 52a Abs. 1 GSchV). Sie bestimmen, welche ARA gemäss den Anforderungen der GSchV ausgebaut werden müssen (dazu N 15) und koordinieren den Ausbau zwischen den verschiedenen ARA in räumlicher und zeitlicher Hinsicht (dazu auch Abs. 1 E-UeB GSchV). Die betroffenen ARA können beim Kanton bis zum 30. September eines Kalenderjahres (Art. 51b Bst. b GSchV) ein Gesuch für die Bundesabgeltung einreichen, in dem sie die gemäss GSchG zu erstattenden Kosten (dazu N 22 ff.) auflisten. Der Kanton prüft das Gesuch und beantragt gestützt darauf bis zum 31. Oktober desselben Kalenderjahres (Art. 51b Bst. b GSchV) seinerseits die Abgeltung beim Bund (Botschaft GSchG 2013, 5566; BAFU, Bericht GSchV 2015, 15).

10. Der Bund richtet entsprechend diesem Gesuch die Abgeltung an die Kantone aus, welche sie an die ARA weiterleiten. Damit kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es die Kantone sind, die zwischen den verschiedenen ARA inner‑ und interkantonal zu koordinieren haben. Im Interesse kongruenter Zuständigkeiten ist es daher richtig, auch die Finanzierung über diesen Zwischenschritt bei den Kantonen anzugliedern.

11. Die Rechtsform, in die eine Entscheidung über die Ausrichtung oder Ablehnung der Abgeltung zu kleiden ist, wäre die Verfügung (Art. 16 Abs. 1 und 5 SuG). Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach Art. 61c ff. GSchV (Botschaft GSchG 2013, 5561). Anknüpfend an die Form der Verfügung ist auch der Rechtsschutz ausgestaltet, es sind mithin die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege einschlägig (Art. 35 SuG; vgl. ferner Mächler, in: FHB Verwaltungsrecht, N 21.65 ff.).

 

3.             «Anlagen und Einrichtungen» (Bst. a)

12. Die Anlagen und Einrichtungen, die zum Bezug der Abgeltung berechtigen, sind nur diejenigen, die unmittelbar zur Erreichung der in der GSchV festgelegten Ziele notwendig sind. Es sind dies also Massnahmen, die direkt der Elimination der organischen Spurenstoffe dienen (freilich inkl. Nachbehandlungen, etwa gemäss BAFU, Bericht GSchV 2015, 3, Verfahren zur Abtrennung von Feststoffen oder Verfahrensstufen mit biologischer Aktivität). Dadurch sind insbesondere Massnahmen zur sog. Nitrifikation oder Denitrifikation ausgeschlossen (BAFU, Bericht GSchV 2015, 3). Dies entspricht auch dem klaren Willen des Gesetzgebers, denn im Nationalrat wurde ausführlich darüber diskutiert. Vertreter aus einzelnen Kantonen verlangten, auch den Ausbau der Nitrifikation oder Denitrifikation zu subventionieren, was von der Mehrheit deutlich abgelehnt wurde, da eine solche Abgeltung bereits bestanden hatte und man sie nicht über diesen Umweg wieder einführen wollte (AB 2014 N 5 und 7 ff.).

13. Abgegolten werden ferner nur die Erstellungskosten, nicht die Kosten für den Betrieb der so erstellten Anlagen. Diesen Mehrkosten (so nimmt etwa insbesondere der Stromverbrauch zu) wird freilich dadurch Rechnung getragen, dass die ARA, welche den Ausbau bereits vorgenommen haben, von der Abgabe befreit werden, mit der die Abgeltung finanziert wird (Art. 60b Abs. 2 GSchG; Botschaft GSchG 2013, 5556 u. 5558; ferner Komm. zu Art. 60b GSchG N 18).

14. Bereits der Text des Gesetzes («soweit sie […] erforderlich sind») macht deutlich, dass nur zweckmässige und wirtschaftliche Ausgaben erstattet werden sollen (Botschaft GSchG 2013, 5554). Dies wird weiter konkretisiert durch Art. 63 GSchG und Art. 14 Abs. 1 SuG (vgl. Komm. zu Art. 63 GSchG N 6 ff.).

15. Es muss nur ein Teil (ca. 100) der ca. 700 ARA ausgebaut werden. Die genauen Anforderungen werden in der GSchV festgelegt. Grundsätzlich sind Anlagen auszubauen, die mehr als 80’000 angeschlossene Einwohnerinnen und Einwohner haben. Im Einzugsgebiet von Seen beträgt der Grenzwert 24’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Daneben können die Kantone einzelne, an Fliessgewässern liegende ARA mit mehr als 8’000 Einwohnerinnen und Einwohnern auswählen, in begründeten Ausnahmefällen auch schon solche mit mehr als 1’000 (Botschaft GSchG 2013, 5558). In der GSchV sind diese Grenzwerte im Anh. 3.1 Ziff. 2 Nr. 8 festgelegt (ausführlich dazu BAFU, Bericht GSchV 2015, 18 ff.) und ergänzt um eine Bestimmung in Anh. 2 Ziff. 11 Abs. 1 Bst. f, die als Generalklausel für die Gewässerqualität mit Blick auf die organischen Spurenstoffe festhält, dass die durch den Menschen in die Gewässer eingebrachten Stoffe die Fortpflanzung, Entwicklung und Gesundheit von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen nicht beeinträchtigen dürfen. Es handelt sich dabei also um eine qualitative Vorschrift gegen die Beeinträchtigung aquatischer Ökosysteme, die in späteren Schritten weiter konkretisiwert werden soll (BAFU, Bericht GSchV 2015, 16).

16. Bevor die kantonale Behörde eine Anordnung bzgl. Ausbau einer ARA für Massnahmen zur Elimination organischer Spurenstoffe trifft, muss sie das BAFU anhören (Art. 52a Abs. 4 GSchV). Dieses prüft die Massnahme auf ihre Tauglichkeit und insb. auf die Vereinbarkeit mit den bundesrechtlichen Anforderungen. So wird bereits im Vorfeld eine Aussage darüber getroffen, ob die Abgeltung ausgerichtet werden kann. Erst nach der Zusage kann die Abgeltung ausgerichtet werden (Art. 26 SuG). So wird Rechts‑ und Planungssicherheit für Bund, Kantone und Betreiber der ARA geschaffen (BAFU, Bericht GSchV 2015, 15).

 

4.             Kanalisationen (Bst. b)

17. Anstatt eine Anlage und Einrichtung nach Bst. a zu erstellen, ist es auch möglich, dass eine Kanalisation erstellt wird, um die Abwässer einer ARA zuzuführen, wenn diese die bundesrechtlichen Anforderungen (dazu N 15) auch nach dem Anschluss erfüllt (Botschaft GSchG 2013, 5559; BAFU, Bericht GSchV 2015, 3). Fällt die Ziel-ARA selbst, also diejenige, in die das Abwasser per Kanalisation eingeleitet wird, nicht unter die Kriterien der GSchV, die die Aufrüstung verlangen, so muss sie keine Massnahmen ergreifen. Die Kanalisation kann in diesen Fällen aber dennoch subventioniert werden (BAFU, Bericht GSchV 2015, 15).

18. Es werden höchstens diejenigen Kosten übernommen, wie sie auch bei der Aufrüstung der Anlage selbst entstanden wären (Art. 52a Abs. 3 GSchV; vgl. auch Botschaft GSchG 2013, 5559). Zu beachten ist, dass es sich bei der in Bst. b angesprochenen Abgeltung nur um die Beiträge des Bundes zur Erstellung der Kanalisation handelt. Es versteht sich von selbst, dass allfällige Ausgleichszahlungen zwischen den beteiligten ARA resp. den Trägergemeinwesen für die «Übernahme» des Abwassers davon unberührt und ohne Einfluss darauf bleiben.

 

B.            Zeitrahmen der Abgeltung (Abs. 2)

19. Die Massnahmen zur Elimination organischer Spurenstoffe sind innerhalb von 20 Jahren umzusetzen (Botschaft GSchG 2013, 5558). Aus diesem Grund ist auch die Abgeltung auf diesen Zeitraum beschränkt (Botschaft GSchG 2013, 5567). Wenn bereits vor Inkrafttreten der Bestimmung mit dem Ausbau begonnen wurde, kann die Abgeltung auch rückwirkend bis zum 1. Januar 2012 ausgerichtet werden (Botschaft GSchG 2013, 5561). Voraussetzung dafür ist, dass der Ausbau gemäss den bundesrechtlichen Vorgaben (vgl. N 15) nötig wird, d.h., dass die Anforderungen der GSchV erfüllt sind. Da dies dem Art. 84 GSchG i.d.F. vom 24. Januar 1991 widersprochen hätte, wurde letzterer aufgehoben.

20. Für die Leistung der Abgeltung erteilt der Bund eine Zusicherung (Art. 26 SuG). Wenn der Ausbau nicht innert fünf Jahren erfolgt ist, d.h. der Bau abgeschlossen und die Anlage in Betrieb genommen wurde, verfällt die Zusicherung (Art. 52a Abs. 2 GSchV; dazu BAFU, Bericht GSchV 2015, 14).

21. Die Abgeltung erfolgt nicht erst nach Abschluss der Arbeiten, sondern kann in Teilzahlungen entsprechend dem Baufortschritt geleistet werden. Diese Teilzahlungen setzen voraus, dass eine Kostenabrechnung über die erbrachte Teilleistung eingereicht und vom Bund kontrolliert wurde. Bei der Schlusszahlung wird zusätzlich eine Dokumentation des Werks verlangt (Botschaft GSchG 2013, 5566).

 

C.           Höhe der Abgeltung (Abs. 3)

22. Die Gesamtkosten des Ausbaus werden vom Bund auf CHF 1.2 Mrd. geschätzt, verteilt über die 20 Jahre, in denen der Ausbau stattfindet (Botschaft GSchG 2013, 5566). Diese Kosten sind beträchtlich und fallen aufgrund des nur punktuellen Erfordernisses zum Ausbau vor allem in dicht besiedelten Regionen an, weshalb mit der Abgeltung ein Ausgleich im Sinne des Verursacherprinzips (resp. einer Annäherung daran) angestrebt wird. Die jährlichen Ausgaben des Bundes belaufen sich auf ca. CHF 45 Mio. (Botschaft GSchG 2013, 5566).

23. Abgeltungsberechtigt sind nur die Kosten, die tatsächlich entstanden sind (Art. 58 GSchV) und unmittelbar für die zweckmässige, wirtschaftliche Erfüllung erforderlich sind (vgl. insb. auch N 14 und 18). Gebühren und Steuern sind nicht anrechenbar (Botschaft GSchG 2013, 5561).

24. Die Abgeltung des Bundes ist in ihrer Höhe auf 75 % der Kosten beschränkt. Dieser Anteil ist eher hoch, doch wird dies damit gerechtfertigt, dass die ausgebauten ARA höhere Betriebskosten haben, welche sie in der Folge selbst tragen müssen (Botschaft GSchG 2013, 5554 und 5561). Auf eine globale Subventionierung im Rahmen einer Programmvereinbarung wurde verzichtet, da sie aufgrund der klaren Vorgaben als nicht sinnvoll erachtet wurde (Botschaft GSchG 2013, 5566).

25. Zu beachten ist schliesslich, dass die Abgabe «im Rahmen der bewilligten Kredite und der verfügbaren Mittel» erfolgt. Gemeint ist damit die Spezialfinanzierung (vgl. zur Planung des Vermögensstandes der Finanzierung Botschaft GSchG 2013, 5562 f.). Aufgrund der koordinierenden Tätigkeit des Bundes ist nicht von Überschneidungen oder sonstigen Problemen auszugehen; würden aber die bewilligten Kredite die Mittel übersteigen, so wäre Art. 13 SuG anwendbar und der Bund hätte eine entsprechende Prioritätenordnung aufzustellen (dazu Mächler, in: FHB Verwaltungsrecht, N 21.37).

 

Résumé

Les indemnités qui visent à atténuer les charges financières qui résultent de l’accomplissement des tâches prescrites par le droit fédéral doivent obéir aux conditions générales fixées à l’art 63 LEaux et à celles de l’art. 61a LEaux. Les cantons sont les bénéficiaires des indemnités allouées par la Confédération. Ceux-ci déterminent quelles sont les STEP qui doivent prendre des mesures pour éliminer les composés traces organiques et ils coordonnent les travaux d’optimisation des STEP.

Les indemnités sont attribuées par voie de décision selon la procédure prévue aux art. 61c ss OEaux. Elles ne peuvent être allouées qu’aux installations et équipements nécessaires pour atteindre les objectifs fixés par l’OEaux. De plus, elles ne doivent couvrir que les coûts de construction initiaux et non les frais d’exploitation.

En lieu et place d’une installation et d’un équipement au sens de la let. a de l’art. 61a al. 1 LEaux, il est aussi possible de mettre en place des égouts afin de conduire les eaux usées à une STEP pour autant que les exigences fédérales soient également respectées après le raccordement.

Les mesures d’élimination des composés traces organiques doivent être exécutées dans un délai de 20 ans.

 

 

Literatur: Götz Christian/Kase Robert/Hollender Juliane, Mikroverunreinigungen – Beurteilungskonzept für organische Spurenstoffe aus kommunalem Abwasser, Studie imAuftrag des BAFU, Dübendorf 2006 (zit. Mikroverunreinigungen); Ivasheckin Pavel, Elimination organischer Spurenstoffe aus kommunalem Abwasser, Diss. Aachen 2006 (zit. Spurenstoffe); Mächler August, Subventionsrecht, in: Biaggini Giovanni/Häner Isabelle/Saxer Urs et al. (Hrsg.), Fachhandbuch Verwaltungsrecht – Expertenwissen für die Praxis, Zürich 2015 (zit. FHB Verwaltungsrecht); Vallender Klaus A./Hettich Peter/Lehne Jens, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung – Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs‑ und Wirtschaftsverwaltungsrechts, 4. Aufl., Bern 2006 (zit. Wirtschaftsfreiheit).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Eintrag von organischen Spurenstoffen in die Gewässer, Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung (GSchV), Bern 2009 (zit. Bericht Eintrag); UREK-N, Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser vom 24. Januar 2011, Bericht zur Mo. UREK-S 10.3635 s (zit. Bericht Finanzierung); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Erläuternder Bericht zur Änderung der Gewässerschutzverordnung (Referenz/Aktenzeichen M473-0796) vom 12. Oktober 2015, nicht amtlich publ. Fassung (zit. Bericht GSchV 2015).

​Fehr-Bosshard Delia​​ | Stocker Lukas​

 

Abfallanlagen

1         Der Bund leistet den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Entsorgung von Sonderabfällen, wenn diese Anlagen und Einrichtungen von gesamtschweizerischem Interesse sind.

2         Er leistet den finanziell schwachen und mittelstarken Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Behandlung oder Verwertung von Siedlungsabfällen, wenn der erstinstanzliche Entscheid über die Erstellung der Anlage vor dem 1. November 1997 getroffen ist. Der Bundesrat kann diese Frist für Regionen, die noch nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügen, bis spätestens 31. Oktober 1999 verlängern, wenn die Umstände es erfordern.

2bis      Der Anspruch auf Bundesbeiträge nach Absatz 2 bleibt erhalten, wenn:

a.       der erstinstanzliche Entscheid über die Erstellung einer Anlage innerhalb der verlängerten Frist getroffen wurde;

b.       aus technischen Gründen, die nicht dem Kanton angelastet werden können, eine neue Anlage bewilligt werden muss;

c.       der neue erstinstanzliche Entscheid vor dem 1. November 2005 getroffen wird; und

d.      mit dem Bau vor dem 1. November 2006 begonnen wird.

3         … (Aufgehoben durch Ziff. II 33 des BG vom 20. März 2008 zur formellen Bereinigung des Bundesrechts, mit Wirkung seit 1. Aug. 2008; AS 2008 3437; BBl 2007 6121).

4         Die Abgeltungen betragen:

a.       25 Prozent der anrechenbaren Kosten für Anlagen und Einrichtungen nach den Absätzen 1 und 2;

b.       … (Aufgehoben durch Ziff. II 33 des BG vom 20. März 2008 zur formellen Bereinigung des Bundesrechts, mit Wirkung seit 1. Aug. 2008; AS 2008 3437; BBl 2007 6121).

Installations d’élimination des déchets

1         Dans la limite des crédits accordés, la Confédération alloue aux cantons des indemnités pour la mise en place d’installations et d’équipements servant à l’élimination de déchets spéciaux si ces installations et équipements sont d’intérêt national.

2         Dans la limite des crédits accordés, elle alloue aux cantons à faible ou moyenne capacité financière des indemnités pour la mise en place d’installations et d’équipements servant au traitement et à la valorisation des déchets urbains, si la décision de première instance relative à la réalisation de l’installation est prise avant le 1er novembre 1997. Pour les régions qui ne disposent pas encore des capacités d’élimination suffisantes, le Conseil fédéral peut, si les circonstances l’exigent, proroger ce délai jusqu’au 31 octobre 1999.

2bis      Le droit aux indemnités fédérales au sens de l’al. 2 demeure aux conditions suivantes:

a.       la décision de première instance relative à la réalisation d’une installation a été prise dans le respect du délai prorogé;

b.       une nouvelle installation doit être autorisée pour des raisons techniques non imputables au canton;

c.       la décision de première instance relative à la réalisation de la nouvelle installation est délivrée avant le 1er novembre 2005;

d.       la construction débute avant le 1er novembre 2006.

3         … (Abrogé par le ch. II 33 de la LF du 20 mars 2008 relative à la mise à jour formelle du droit fédéral, avec effet au 1er août 2008; RO 2008 3437; FF 2007 5789).

4         Les indemnités se montent à:

a.       25 % des coûts imputables pour les installations et équipements prévus aux al. 1 et 2;

b.       … (Abrogée par le ch. II 33 de la LF du 20 mars 2008 relative à la mise à jour formelle du droit fédéral, avec effet au 1er août 2008; RO 2008 3437; FF 2007 5789).

Impianti per i rifiuti

1         Entro i limiti dei crediti stanziati, la Confederazione assegna ai Cantoni indennità per la costruzione e l’acquisto di impianti, installazioni e apparecchiature destinati allo smaltimento di rifiuti speciali qualora tali infrastrutture siano d’interesse nazionale.

2         Entro i limiti dei crediti stanziati, la Confederazione assegna ai Cantoni con capacità finanziaria debole o media indennità per la costruzione e l’acquisto di impianti, installazioni e apparecchiature destinati al trattamento o al riciclaggio di rifiuti urbani, se la decisione di prima istanza sulla costruzione dell’impianto è presa prima del 1° novembre 1997. Per regioni che non dispongono ancora della capacità necessaria, il Consiglio federale può prorogare tale termine, al più tardi fino al 31 ottobre 1999, sempreché le circostanze lo richiedano.

2bis      Il diritto alle indennità federali secondo il capoverso 2 permane se:

a.       la decisione di prima istanza relativa alla realizzazione di un impianto è stata presa entro il termine prorogato;

b.       per ragioni tecniche che non possono essere imputate al Cantone, dev’essere autorizzato un nuovo impianto;

c.       la nuova decisione di prima istanza è presa prima del 1° novembre 2005; e

d.       la costruzione inizia prima del 1° novembre 2006.

3         … (Abrogato dal n. II 33 della LF del 20 mar. 2008 concernente l’aggiornamento formale del diritto federale, con effetto dal 1° ago. 2008; RU 2008 3437; FF 2007 5575)

4         Le indennità ammontano:

a.       al 25 per cento dei costi computabili per gli impianti, le installazioni e le apparecchiature giusta i capoversi 1 e 2;

b.       … (Abrogata dal n. II 33 della LF del 20 mar. 2008 concernente l’aggiornamento formale del diritto federale, con effetto dal 1° ago. 2008; RU 2008 3437; FF 2007 5575).

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 8
III. Kommentierung 9
​A. Abgletungen an Anlagen und Einrichtungen zur Entsorgung von Sonderabfällen (Abs. 1.) ​9
B. Abgeltungen an Anlagen und Einrichtungen zur Behandlung oder Verwertung von Siedlungsabfällen (Abs. 2) 15
C. Anspruch auf Bundesbeiträge (Abs. 2bis) 16
D. Abs. 3 und Abs. 4 Bst. b (aufgehoben) 17
​E ​Höhe der Abgeltungen (Abs. 4 Bst. a) 18

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der Bund interessierte sich zuerst im Zusammenhang mit dem Gewässerschutz für die Abfallpolitik (Kiener, Kommentar USG, Art. 52 N 11). Die Beteiligung des Bundes an der Abfallbeseitigung wurde massgeblich durch das 1967 eingereichte Volksbegehren für den Schutz der Gewässer vorangetrieben. Die Initiative forderte vom Bund die Gewährung von niedrigverzinslichen Darlehen u.a. für Abfallbeseitigungsanlagen. Bis dahin konnte bei Kehrichtanlagen nur der Kostenanteil, der von der allfälligen Mitbehandlung von Klärschlamm herrührte, subventioniert werden (Botschaft GSchG 1970, 463). In den parlamentarischen Beratungen zum GSchG 1971 war die Subventionierung der Kehrichtbeseitigung nicht unumstritten. So wurde neben generellen Vorbehalten zu weiteren Ausgaben bspw. auch moniert, dass die Abfallbeseitigung eigentlich eine Aufgabe der Gemeinden darstelle (Votum Heimann, AB 1971 S 152). Die Erkenntnis, dass unzureichende Kehrichtbeseitigungen erheblichen Anteil an der Gewässerverschmutzung hatten, konnte schliesslich die Mehrheit der Ratsmitglieder überzeugen (Votum Stucki, AB 1971 S 153). Mit dem Erlass des GSchG 1971 wurde ein ganzer Katalog an beitragsberechtigten Abfallbeseitigungsanlagen eingeführt. Bundesbeiträge wurden gewährt an Anlagen zur Schlammbeseitigung bzw. ‑verwertung, Anlagen zur Beseitigung bzw. Verwertung fester Abfälle, Anlagen zur Verwertung, Beseitigung oder Vernichtung von Stoffen, die nicht in Kanalisationen oder Abwasserreinigungsanlagen abgegeben werden durften (wie Ölverbrennungsanlagen) und Einrichtungen, Geräte und Massnahmen zur Beseitigung wassergefährdender Stoffe und zur Sanierung von Gewässern (Art. 33 Abs. 1 Bst. b GSchG 1971). Die Beitragsvergabe orientierte sich stark am gewählten System bei den Abwasserreinigungsanlagen, indes wurden etwas tiefere Beitragssätze ausgerichtet (Art. 33 Abs. 3 GSchG 1971 sprach von höchstens 50 % der Kosten für Abwasseranlagen und höchstens 40 % der Kosten für Abfallbeseitigungsanlagen nach Art. 33 Abs. 1 Bst. b GSchG 1971; vgl. Komm. zu Art. 61 GSchG N 3).

2. Der Ausbau der Anlagen verlief auch aufgrund mangelnder gesetzlicher Befugnisse auf kantonaler und auf Bundesebene wenig koordiniert. Ausserdem führte die Einkalkulierung sowohl eines starken Wachstums der Abfallmengen als auch einer Reserve für Betriebsstörungen zu einer grossen Überkapazität in den Verbrennungsanlagen (Bundesamt für Umweltschutz, Leitbild Abfallwirtschaft, 21). Art. 27 Abs. 2 GSchG 1971, welcher die Kantone beauftragte, dafür zu sorgen, dass feste Abfälle aus Haushalt, Gewerbe und Industrie gesammelt und durch geordnetes Deponieren, Kompostieren, Verbrennen oder auf andere Weise schadlos beseitigt werden, konnte diese Entwicklungen zu wenig steuern. Die Bestimmung wurde mit Einführung des USG gestrichen. Darüber hinaus schuf das USG in Art. 30 ff. die notwendigen Grundlagen für eine verbesserte Zusammenarbeit und Koordinierung bei der Abfallbeseitigung und ermöglichte so unter Leitung des BUWAL eine verbesserte interkantonale Koordination in der Planung der Abfallbehandlung (Bundesamt für Umweltschutz, Leitbild Abfallwirtschaft, 22; Botschaft USG 1979, 776 f.; BUWAL, Interkantonale Koordination, passim). Die im Gewässerschutzgesetz enthaltene Regelung der Subventionsberechtigung beim Bau von Abfallbeseitigungsanlagen blieb dagegen durch den Erlass des USG unberührt (Botschaft USG 1979, 831 f.).

3. Wie die Beiträge an Abwasserreinigungsanlagen gerieten auch die Subventionen an die Abfallbeseitigung zunehmend unter den Spardruck des Bundes (vgl. Komm. zu Art. 61 GSchG N 4). Mit dem Erlass des GSchG richtete der Bund noch Beiträge an die Verwertung und Beseitigung von Klärschlamm sowie von Sonderabfällen, worunter Stoffe zu verstehen waren, die nicht in die Kanalisation geleitet oder in die Abwasserreinigungsanlagen gegeben werden durften (Art. 61 Abs. 1 Bst. d GSchG i.d.F. vom 24. Januar 1991). Weiterhin Beiträge an Anlagen zur Beseitigung oder Verwertung fester Abfälle und Einrichtungen zum Schutz von Gewässern bei Abfalldeponien erhielten nur noch finanziell mittelstarke und schwache Kantone, sofern mit der Erstellung innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde (Art. 61 Abs. 2 GSchG i.d.F. vom 24. Januar 1991). Im Rahmen des BG vom 18. März 1994 über die Sanierungsmassnahmen 1993 (Sanierungsmassnahmen 1993) kam es zu weiteren Beitragskürzungen. Neu wurden nur noch Anlagen zur Entsorgung von Sonderabfällen von gesamtschweizerischem Interesse subventioniert. Keine Beiträge wurden damit an Anlagen für Sonderabfälle mit nur regionaler Bedeutung ausgerichtet. Der Bundesrat argumentierte unter dem damaligen Spardruck, dass ein Rückzug des Bundes zumutbar sei, da durch die vermehrte Anwendung des Verursacherprinzips genügend Mittel zur Finanzierung solcher Anlagen zur Verfügung stünden (Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993, 306 f.).

4. Wie im Bereich der Abwasserreinigung stellten auch die beabsichtigten Beitragskürzungen für die Abfallbeseitigung den Bund vor gewisse Probleme (vgl. Komm. zu Art. 61 GSchG N 5). Der Bund lag bei den Subventionszahlungen zudem teilweise in Verzug, was sich vor allem dort ungünstig auswirkte, wo Beitragsansprüche an den Beginn der Erstellung von Anlagen geknüpft wurden (wie bspw. bei Art. 61 Abs. 2 und 3 GSchG i.d.F. vom 1. August 1994). Mit Fristverlängerungen wurde versucht, mögliche Benachteiligungen von finanziell schwächeren Kantonen zu verhindern. Ein weiteres Anliegen war die Vermeidung von Härtefällen, welche etwa dadurch entstehen konnten, dass aufgrund von Einsprachen Baubewilligungen nicht rechtzeitig vorlagen und somit der Baubeginn soweit verzögert wurde, dass die im Gesetz vorgeschriebenen Fristen nicht mehr eingehalten werden konnten (Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993, 306 f.; Botschaft GSchG 1996, 1219 f.).

5. Der Bund setzte trotz einer prekären finanziellen Lage die Vorgabe, die Finanzierung einer nachhaltigen Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung sicherzustellen (Botschaft GSchG 1996, 1219). Um dieses Ziel trotz Spardruck umsetzen zu können, wurde das Verursacherprinzip auch im Gewässerschutz eingeführt, was einen massiven Abbau bei den Subventionen für die Entsorgungsanlagen zur Folge hatte (vgl. Komm. zu Art. 61 GSchG N 4). Gleichzeitig wurde das USG unter anderem mit einem Artikel über die grundsätzlich verursachergerechte und kostendeckende Finanzierung der Entsorgung des Siedlungsabfalls und mit der Pflicht zum wirtschaftlichen Betrieb der Entsorgungsanlagen ergänzt (Art. 31b Abs. 2, Art. 32a USG). Die 1997 durchgeführte Teilrevision des GSchG und USG stellte damit die Finanzierung der Entsorgung des Abwassers und der Siedlungsabfälle auf eine neue Grundlage. (Brunner, Kommentar USG, Entstehung und Entwicklung N 62; Karlen, Neues Umweltrecht, 44).

6. Die heute gültige Form von Art. 62 Abs. 1 GSchG wurde durch die Änderung vom 20. Juni 1997 eingefügt, welche die Regelung von Art. 61 Abs. 1 Bst. f GSchG i.d.F. vom 1. August 1994 unverändert übernahm (Botschaft GSchG 1996, 1231). Die Regelung erwies sich als sinnvoll, da es sich gemäss Erfahrungen gezeigt habe, dass die Erstellung von Anlagen zur Behandlung von Sonderabfällen aus Haushalten oder Gewerbe häufig auf grosse Schwierigkeiten stosse. Dies gelte gemäss Bundesrat ganz besonders dann, wenn gesamtschweizerisch nur wenige Anlagen notwendig seien. Die Bestimmung ermöglichte damit dem Bund mit Subventionen eine wirksame Starthilfe zu geben und gleichzeitig die notwendige Koordination auszuüben (Botschaft GSchG 1996, 1231). Mit der Teilrevision des GSchG vom 20. Juni 1997 wurden zudem Beiträge an die Klärschlammbeseitigung bzw. Verbrennung abgeschafft (Botschaft GSchG 1996, 1226 f.).

7. Die Ausbautätigkeit bei Abfallbeseitigungsanlagen und die hierfür notwendigen Beitragsleistungen des Bundes wurden immer wieder durch Änderungen in der Umweltschutzgesetzgebung beeinflusst. So wurde beispielsweise auf den 1. Januar 2000 die direkte Ablagerung brennbarer Abfälle verboten und Art. 11 TVA verpflichtete die Kantone, dafür zu sorgen, «dass Siedlungsabfälle, Klärschlamm, brennbare Anteile von Bauabfällen und andere brennbare Abfälle, soweit sie nicht verwertet werden können, in geeigneten Anlagen verbrannt werden», was eine Abkehr von der Beseitigung der Abfälle über Kehrichtkompostwerken und Deponien hin zu Verbrennungsanlagen zur Folge hatte (Fahrni, Abfallplanung, 33; Kettler, Abfall, 4). Eine andere Wechselbeziehung bestand etwa mit der Subventionierung von Abwasseranlagen (vgl. Komm. zu Art. 61 GSchG N 3 f.). Durch die Ausbautätigkeit bei der Abwasserreinigung und der dadurch starken Zunahme der Kläranlagenzahl vergrösserte sich über die Jahre auch zwangläufig die anfallende Menge Klärschlamm. Wurde in den 1970er Jahren noch ca. 70 % des Klärschlamms als Dünger eingesetzt, geriet diese Verwertung zunehmend in die Kritik (Carrard, Klärschlammproblem, 56). Zwar enthält unbehandelter Klärschlamm wichtige Pflanzennährstoffe wie Phosphor und Stickstoff, darüber hinaus aber auch eine ganze Reihe von Schadstoffen und Krankheitserregern aus Industrie, Gewerbe und Privathaushalten. Zu Zeiten von Tierseuchen wie BSE wurden deshalb etwa Befürchtungen laut, die hierfür verantwortlichen Prionen könnten mit Klärschlamm verbreitet werden. Im Anschluss an eine breite wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung und deren möglichen Folgen änderte der Bundesrat per 1. Mai 2003 die Stoffverordnung (StoV). Klärschlamm durfte somit nicht mehr als Dünger auf Futter‑ und Gemüseflächen verwendet werden, bei den übrigen düngbaren Flächen gewährte die Verordnung eine Übergangsfrist bis 2006, wobei die Kantone diese Frist um höchstens zwei Jahre verlängern konnten. Da der Klärschlamm damit nicht mehr als Dünger verwendet werden durfte, war er gemäss der Technischen Verordnung über Abfälle (Art. 11 TVA) in geeigneten Anlagen zu verbrennen respektive umweltverträglich thermisch zu behandeln (BUWAL, Klärschlammentsorgung, 7 ff.; vgl. Kettler, Abfall, 4). Dies verlangte vom Bund und den Kantonen und weiteren involvierten Parteien Massnahmen zur Erhöhung der Trocknungs‑ und Entsorgungskapazitäten (vgl. zum Ganzen: BUWAL, Klärschlammentsorgung, 7 ff.).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

8. Art. 62 GSchG fällt in den Geltungsbereich des Subventionsgesetzes (Art. 2 Abs. 1 SuG), zu beachten sind insbesondere Art. 9 f. SuG und Art. 11 bis 40 SuG, solange das GSchG nichts Abweichendes vorschreibt (Art. 2 Abs. 2 SuG) (Vallender/Hettich/Lehne, Wirtschaftsfreiheit, 321). Ausserdem können im Rahmen von Art. 52 USG ebenfalls Beiträge an Abfallanlagen ausgerichtet werden, und zwar in Form von durch den Bund übernommenen Bürgschaften (zum Verhältnis der beiden Bestimmungen: Kiener, Kommentar USG, Art. 52 N 11).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Abgeltungen an Anlagen und Einrichtungen zur Entsorgung von Sonderabfällen (Abs. 1)

9. Der Bund leistet gemäss Art. 61 Abs. 1 GSchG «den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Entsorgung von Sonderabfällen, wenn diese Anlagen und Einrichtungen von gesamtschweizerischem Interesse sind» (zu den Begriffen bewilligte Kredite und Abgeltungen vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 23, 32; Komm. zu Art. 61 GSchG N 11 f.).

10. Die Sachüberschrift von Art. 61 GschG spricht von Abfallanlagen, weshalb vorliegend Art. 3 Abs. 4 TVA analog herangezogen werden kann, welcher Abfallanlagen als Anlagen definiert, in denen Abfälle behandelt werden. Zu den Begriffen Anlagen und Einrichtungen kann im Übrigen auf das in Komm. zu Art. 15 GSchG N 20 ff. Gesagte verwiesen werden. Das USG kann zur Bestimmung des Begriffs Entsorgung ebenfalls analog herangezogen werden. Nach Art. 7 Abs. 6bis USG gilt als Entsorgung die Verwertung oder Ablagerung sowie die Vorstufen Sammlung, Beförderung, Zwischenlagerung und Behandlung von Abfällen. Als Behandlung gilt dabei «jede physikalische, chemische oder biologische Veränderung der Abfälle» (vorliegend der Sonderabfälle). Gemäss Wortlaut der Bestimmung sind Beiträge an die Erstellung und Beschaffung der Anlagen zu leisten, nicht jedoch an die Betriebs‑ und Unterhaltskosten der Anlage (vgl. Kiener, Kommentar USG, Art. 52 N 21).

11. Zu den gesamtschweizerischen Interessen ist Folgendes anzumerken. Da gemäss Bundesrat die Erstellung von Anlagen zur Behandlung von Sonderabfallen aus Haushalten oder Gewerbe häufig auf grosse Schwierigkeiten stosse, nämlich besonders dann, wenn gesamtschweizerisch nur wenige Anlagen notwendig seien, ermögliche Art. 62 Abs. 1 GSchG dem Bund, mit Subventionen eine wirksame Starthilfe zu geben und gleichzeitig die notwendige Koordination auszuüben (Botschaft GSchG 1996, 1231). Die Trennlinie, wann eine Anlage nicht nur im lokalen oder regionalen, sondern im gesamtschweizerischen Interesse liegt, ist schwierig zu ziehen. Die Behörden haben im Einzelfall zu entscheiden, wobei ihnen diesbezüglich ein grosser Ermessensspielraum zufällt (vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 24 f.).

12. Die Normen zum Schutz der Gewässer äussern sich nicht zum Begriff der Sonderabfälle. Die Begriffsbestimmung wird erst durch eine systematische Betrachtungsweise der Umweltschutzgesetzgebung ermöglicht. Gemäss Art. 30f USG handelt es sich bei Sonderabfällen um Abfälle, deren umweltverträgliche Entsorgung besondere Massnahmen erfordert. Eine weitere Präzisierung findet sich in Art. 3 Abs. 2 TVA i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Bst. 2 VeVA, wonach Sonderabfälle als Abfälle zu verstehen sind, «deren umweltverträgliche Entsorgung auf Grund ihrer Zusammensetzung, ihrer chemisch-physikalischen oder ihrer biologischen Eigenschaften auch im Inlandverkehr umfassende besondere technische und organisatorische Massnahmen erfordert». Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Abfällen ist somit die unmittelbare Gefährlichkeit, welche sich aufgrund der chemischen bzw. physikalischen Eigenschaften oder der spezifischen Zusammensetzung der Abfälle ergibt (Brunner, Kommentar USG, Art. 30f N 27). Auskunft zur Frage, bei welchen Abfällen es sich konkret um Sonderabfälle handelt, gibt das im Anh. 1 der Verordnung des UVEK vom 18. Oktober 2005 über Listen zum Verkehr mit Abfällen festgehaltene Abfallverzeichnis. Keine Sonderabfälle im vorliegenden Sinn sind etwa radioaktive Abfälle oder in die Kanalisation einleitbares Abwasser (vgl. Brunner, Kommentar USG, Art. 30f N 28).

13. Art. 53 GSchV bestimmt schliesslich, dass Abgeltungen für beitragsberechtigte Abfallanlagen bei Projekten an die Planung, die erstmalige Erstellung und die Erweiterung einzeln geleistet werden. Allfällige weitere materielle Anforderungen an die gewässerschutzrechtlich subventionierten Abfallanlagen ergeben sich aus dem USG bzw. der TVA (BGer 2A.433/1995 vom 3. Oktober 1996, E. 3 in: URP 1997, 29; Seiler, Kommentar USG, Art. 3 N 51).

14. Im Gegensatz zu Art. 61 Abs. 1 GSchG werden bei Art. 62 Abs. 1 GSchG keine globalen Abgeltungen im Rahmen von Programmvereinbarungen entrichtet, sondern die Beiträge werden einzeln ausgerichtet. Das Verfahren richtet sich dabei nach Art. 61c–61f GSchV.

B.            Abgeltungen an Anlagen und Einrichtungen zur Behandlung oder Verwertung von Siedlungsabfällen (Abs. 2)

15. Der Bund leistete gestützt auf Art. 62 Abs. 2 GSchG den finanziell schwachen und mittelstarken Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Behandlung oder Verwertung von Siedlungsabfällen. Die hierfür massgeblichen Fristen (1. November 1997 bzw. 31. Oktober 1999) sind abgelaufen (Kiener, Kommentar USG, Art. 52 N 11).

 

C.           Anspruch auf Bundesbeiträge (Abs. 2bis)

15. Abs. 2bis geht auf eine parlamentarische Initiative (02.462) des Tessiner Ständerats Filippo Lombardi zurück. Anlass für die Initiative waren Probleme bei der Erstellung der KVA im Kanton Tessin. Der Kanton Tessin schloss mit einem deutschen Konsortium einen Vertrag zum Bau einer neuen Anlage ab und erteilte hierzu eine Baubewilligung innerhalb der von Art. 62 Abs. 2 GSchG festgelegten Frist. Das deutsche Konsortium war jedoch nicht in der Lage, den Vertrag zu erfüllen, weshalb der Kanton Tessin in der Folge vom Vertrag zurücktrat und eine neue Ausschreibung durchführen musste. Für das neue Projekt wurde eine neue Baubewilligung nötig, welche jedoch nicht mehr innerhalb der von Art. 62 Abs. 2 GSchG festgelegten Frist eingereicht werden konnte (Bericht UREK-S Kehrichtverbrennungsanlage, 8027 f.). Der auf den 1. Oktober 2006 in Kraft getretene Abs. 2bis ermöglichte es nun, den Bau der Kehrichtverbrennungsanlage im Kanton Tessin mit Bundesbeiträgen in der Höhe von rund CHF 50 Mio. zu unterstützen (Griffel, Entwicklungen 2006, 7). Die Anlage wurde 2010 in Giubiasco fertiggestellt und in Betrieb genommen (Alpiq, Kehrichtverbrennungsanlage). Da die Anlage im Kanton Tessin die einzige war, welche die in Art. 2bis verlangten Voraussetzungen erfüllte, hat die Bestimmung grundsätzlich keine Bedeutung mehr und könnte wohl gestrichen werden (Bericht UREK-S Kehrichtverbrennungsanlage, 8035).

 

D.           Abs. 3 und Abs. 4 Bst. b (aufgehoben)

17. Abs. 3 wurde mit der Änderung des GSchG vom 20. Juni 1997 eingefügt. Der Bund konnte den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Kosten der kantonsübergreifenden Abfallplanung leisten, wenn die Gesuche vor dem 1. November 2002 eingereicht wurden. Da der Absatz heute keine Bedeutung mehr hat, wurde er im Rahmen einer formellen Bereinigung des Bundesrechts zusammen mit Abs. 4 Bst. b, welcher die Abgeltungshöhe des Bundes an die Planungskosten nach Abs. 3 regelte, aufgehoben (Botschaft Bereinigung 2007, 6157).

E.            Höhe der Abgeltungen (Abs. 4 Bst. a)

18. Abgegolten werden gemäss Abs. 4 Bst. a 25 % der anrechenbaren Kosten für Anlagen und Einrichtungen nach Abs. 1 und 2. Die Abgeltungen für Abfallanalgen werden gemäss Art. 53 GSchV «bei Projekten an die Planung, die erstmalige Erstellung und die Erweiterung einzeln geleistet». Art. 58 Abs. 1 GSchV bestimmt, dass nur Kosten anrechenbar sind, welche «tatsächlich entstanden sind und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlich sind». Auch dazu gehören Kosten für Pilotanlagen, nicht aber insbesondere Gebühren und Steuern (Art. 58 Abs. 1 und 2 GSchV). Weiter sind für die Höhe der anrechenbaren Kosten die Bestimmungen des SuG zu beachten.

 

 

Résumé

La Confédération alloue aux cantons selon l’art. 62 al. 1 LEaux des indemnités pour la mise en place d’installations et d’équipements servant à l’élimination de déchets spéciaux si ces installations et équipements sont d’intérêt national. La notion de déchets spéciaux se détermine selon la liste des déchets de l’annexe 1 de l’ordonnance du DETEC concernant les listes pour les mouvements de déchets du 18 octobre 2005. La notion d’intérêt national est quant à elle plus difficile à définir laissant à l’autorité une marge d’appréciation importante lors de la procédure d’octroi des subventions. En vertu de l’art. 62 al. 4 LEaux, 25 % des coûts imputables pour les installations et équipements sont indemnisés. L’art. 62 al. 2, 2bis, 3 et 4 let. b LEaux ont soit été abrogés (al. 3 et 4 let. b), soit perdu de leur importance vu que les délais sur lesquels ils se fondent sont arrivés à échéance (al. 2 et 2bis).

 

 

Literatur: ALPIQ, Modernste Kehrichtverbrennungsanlage der Schweiz nimmt offiziellen Betrieb auf, <http://www.alpiq-intec.ch/news-storys/storys/stories.jsp?story=tcm:122-75187>, 9.9.2010 (zit. Kehrichtverbrennungsanlage); Carrard Michel, Das Klärschlammproblem am Wendepunkt, in: Schweiz. Bundesamt für Umweltschutz, Bundesamt für Umweltschutz 1971–1981 – Artikelfolge zum zehnjährigen Bestehen, Bern 1981, 55 ff. (zit. Klärschlammproblem); Fahrni Hans-Peter, Abfallplanung und Entsorgungspflicht, in: URP 1999, 16 ff. (zit. Abfallplanung); Griffel Alain, Raumplanungs‑, Bau‑ und Umweltrecht – Entwicklungen 2006, Bern 2007 (zit. Entwicklungen 2006); Karlen Peter, Neues Umweltrecht und seine Auswirkungen auf das Bauen, in: BR/DC 1998, 39 ff. (zit. Neues Umweltrecht); Kettler Rolf, Eine kurze Geschichte des Abfalls, Bern 2000 (zit. Abfall); Vallender Klaus A./Hettich Peter/Lehne Jens, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung – Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs‑ und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 4. Aufl., Bern 2006 (zit. Wirtschaftsfreiheit).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umweltschutz (Hrsg.), Leitbild für die schweizerische Abfallwirtschaft, in: Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 51, Bern 1986 (zit. Leitbild Abfallwirtschaft); Botschaft über die Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt vom 4. Oktober 1993, BBl 1993 IV 293 ff. (zit. Botschaft Sanierungsmassnahmen 1993); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Interkantonale Koordination der Planung von Abfallbehandlungsanlagen, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 228, Bern 1994 (zit. Interkantonale Koordination); Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S), Parlamentarische Initiative «Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) des Kantons Tessin» – Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 4. September 2003, BBl 2003 8025 ff. (zit. Bericht UREK-S Kehrichtverbrennungsanlage); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Laube André/Vonplon Armin), Klärschlammentsorgung in der Schweiz – Mengen‑ und Kapazitätserhebung, Umwelt-Materialien Nr. 181, Bern 2004 (zit. Klärschlammentsorgung).

Norer Roland​ | Tschopp Simone

 

Massnahmen der Landwirtschaft

1         Der Bund leistet im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an Massnahmen der Landwirtschaft zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen, wenn:

a.       die Massnahmen zur Erfüllung der Anforderungen an die Wasserqualität der ober- und unterirdischen Gewässer erforderlich sind;

b.       der betreffende Kanton die Gebiete, in denen die Massnahmen erforderlich sind, bezeichnet und die vorgesehenen Massnahmen aufeinander abgestimmt hat;

c.       die Massnahmen wirtschaftlich nicht tragbar sind.

2        Die Höhe der Abgeltungen richtet sich nach den Eigenschaften und der Menge der Stoffe, deren Abschwemmung und Auswaschung verhindert wird, sowie nach den Kosten der Massnahmen, die nicht durch Beiträge nach dem Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998 oder nach dem Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur‑ und Heimatschutz abgegolten werden.

3         …(Aufgehoben durch Ziff. II 23 des BG vom 6. Okt. 2006 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), mit Wirkung seit 1. Jan. 2008; AS 2007 5779; BBl 2005 6029).

4         Das Bundesamt für Landwirtschaft gewährt die Abgeltungen als globale Beiträge auf der Grundlage von Programmvereinbarungen, die mit den Kantonen für jedes Gebiet abgeschlossen werden, in dem Massnahmen erforderlich sind. Für die Beurteilung, ob die Programme einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten, hört es das Bundesamt für Umwelt an. Die Kantone sprechen die Abgeltungen den einzelnen Anspruchsberechtigten zu.

Mesures prises par l’agriculture

1         Dans les limites des crédits approuvés, la Confédération alloue des indemnités pour les mesures prises par l’agriculture afin d’empêcher le ruissellement et le lessivage de substances, lorsque:

a.       ces mesures sont nécessaires pour satisfaire aux exigences posées à la qualité des eaux superficielles et souterraines;

b.       le canton concerné a délimité les secteurs dans lesquels les mesures doivent être prises et a harmonisé les mesures prévues;

c.       ces mesures ne sont pas supportables du point de vue économique.

2         Le montant des indemnités est fixé en fonction des propriétés et de la quantité des substances dont le ruissellement et le lessivage sont empêchés, ainsi que des coûts des mesures qui ne sont pas indemnisées par des contributions selon la loi du 29 avril 1998 sur l’agriculture ou selon la loi fédérale du 1er juillet 1966 sur la protection de la nature et du paysage.

3         … (Abrogé par le ch. II 23 de la LF du 6 oct. 2006 sur la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT), avec effet au 1er janv. 2008; RO 2007 5779; FF 2005 5641).

4         L’Office fédéral de l’agriculture alloue les indemnités sous la forme de contributions globales, sur la base de conventions-programmes qui sont conclues avec les cantons pour chaque secteur dans lequel les mesures doivent être prises. Il consulte l’Office fédéral de l’environnement pour juger si les programmes prévus garantissent une protection des eaux adéquate. Les cantons allouent les indemnités aux ayants droit.

Provvedimenti presi dall’agricoltura

1         Entro i limiti dei crediti stanziati, la Confederazione assegna indennità per provvedimenti presi dall’agricoltura per prevenire il convogliamento e il dilavamento di sostanze, se:

a.       i provvedimenti sono necessari a soddisfare le esigenze relative alla qualità delle acque superficiali e sotterranee;

b.       il Cantone interessato ha designato le zone in cui sono necessari i provvedimenti e ha armonizzato i provvedimenti previsti;

c.       i provvedimenti non sono economicamente sostenibili.

2         Le indennità sono stabilite in funzione delle proprietà e della quantità di sostanze di cui si previene il convogliamento e il dilavamento, nonché dei costi dei provvedimenti che non sono indennizzati mediante i contributi secondo la legge del 29 aprile 1998 sull’agricoltura o secondo la legge federale del 1° luglio 1966 sulla protezione della natura e del paesaggio.

3         … (Abrogato dal n. II 23 della LF del 6 ott. 2006 (Nuova impostazione della perequazione finanziaria e della ripartizione dei compiti tra Confederazione e Cantoni), con effetto dal 1° gen. 2008; RU 2007 5779; FF 2005 5349).

4         L’Ufficio federale dell’agricoltura accorda le indennità come contributi globali sulla base di accordi di programma conclusi con i Cantoni per ogni zona in cui sono necessari provvedimenti. Per valutare se i programmi previsti assicurano un’adeguata protezione delle acque, consulta l’Ufficio federale. I Cantoni attribuiscono le indennità ai singoli aventi diritto.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen ​5
III. Kommentierung 10
A. Massnahmen zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen (Abs. 1) 14
B. Höhe der Abgeltungen (Abs. 2) 18
C. Programmvereinbarungen (Abs. 4) 22

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Ausrichtung von Beiträgen an zielgerichtete Massnahmen der Landwirtschaft in sensiblen Grundwassergebieten wurde erstmals vom Nationalrat im Rahmen der Beratung der GSchG-Revision 1997 vorgeschlagen. U.a. aufgrund der Schnittstellenproblematik zur Landwirtschaftsgesetzgebung wurde die Angelegenheit dann jedoch über die Mo. UREK-S Bodenbewirtschaftung vom 22. Mai 1997 in die Agrarpolitik 2002 integriert. In deren Zuge wurden neue Bestimmungen für eine Kostenbeteiligung des Bundes an Massnahmen, welche bei der Bodenbewirtschaftung zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen aus Umweltschutzgründen getroffen werden müssen, im GSchG und LwG eingefügt.

2. Die Schaffung eines gewässerschutzrechtlichen Instrumentes wurde als notwendig erachtet, weil man annahm, dass die freiwilligen ökologischen Leistungen, welche mit Direktzahlungen abgegolten werden, nicht ausreichen, um die Gewässerschutzziele überall zu verwirklichen. Mit Art. 62a GSchG sollte deshalb eine Grundlage für die nötigenfalls auch zwangsweise Durchsetzung eines offenen Kreises von Massnahmen geschaffen werden, die im Interesse einer flächendeckenden Reinhaltung der Gewässer erforderlich bzw. lokal am besten geeignet sind (AB 1997 S 430).

3. Nebst dem Zustand der einheimischen Gewässer, welcher sich bis zur Einführung von Art. 62a GSchG bereits deutlich verbessert hatte, war auch die staatsvertragliche Bindung an das Aktionsprogramm Rhein 2000 von 1987 ausschlaggebend dafür, dass nach zusätzlichen Instrumenten des qualitativen Gewässerschutzes gesucht wurde und dass der Bund in die Kostenpflicht genommen werden sollte; immerhin ist er mit dem Beitritt zum Aktionsprogramm Rhein 2000 die Verpflichtung eingegangen, mitzuhelfen, die Phosphor‑ und Stickstoffeinträge über den Rhein in die Nordsee um 50 % zu senken.

4. Mit der NFA mussten die Abs. 2–4 revidiert werden. Dabei wurde die anfängliche Mischfinanzierung von Bewirtschaftungsmassnahmen per 1. Ja-nuar 2008 zulasten des Bundesbudgets aufgegeben und die Programmvereinbarung zwischen Bund und Kantonen für strukturelle Eingriffe als neues Führungsinstrument eingeführt. Auch die Höhe der Bundesbeiträge wurde neu geregelt, während an der Aufteilung der Kosten für strukturelle Massnahmen auf Bund, Kantone und Landwirte sowie am Grundsatz der Ausrichtung von Globalentschädigungen festgehalten wurde (Botschaft NFA 2005, 6181 ff.). Die ursprünglich in Abs. 3 enthaltene Bestimmung, wonach Beiträge nach LwG und NHG im Rahmen der Abgeltung nach GSchG anzurechnen sind, wurde dem neuen System angepasst und in Abs. 2 integriert.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

5. Art. 62a GSchG sieht eine gesonderte Entschädigungsordnung für planerische Massnahmen des Gewässerschutzes in der Landwirtschaft vor. Wie sich schon aus der Entstehungsgeschichte ergibt, liegt die Regelung damit an einer Schnittstelle zwischen Gewässerschutz und Agrarpolitik.

6. Über Art. 62a GSchG beteiligt sich der Bund finanziell an Massnahmen, welche in Ergänzung zu den verschiedenen gewässerschutzrechtlichen Instrumenten der direkten Verhaltenssteuerung in den Zuströmbereichen Zu und Zo nach Art. 19 Abs. 1 GSchG i.V.m. Anh. 4 Ziff. 212 GSchV ergriffen werden müssen, wenn die allgemeinen Instrumente aufgrund der bestehenden Vorbelastung zur Erreichung der Ziele des qualitativen Gewässerschutzes nicht ausreichen. In diesem Sinne ergänzt Art. 62a GSchG die Art. 19, 29 sowie 31 GSchG und den Anh. 4 Ziff. 212 GSchV.

7. Keinen Einfluss hat Art. 62a GSchG hingegen auf spezielle planerische Massnahmen zum Schutz der Gewässer in der Landwirtschaft, wenn sich deren Ziel bereits mittels Massnahmen erreichen lässt, die durch Direktzahlungen abgegolten werden, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Massnahmen (ausnahmsweise) hoheitlich angeordnet werden. Diesfalls treten die Direktzahlungen des Bundes anstelle einer gesonderten Entschädigung nach Art. 62a GSchG.

8. Die Einführung von Art. 62a GSchG fusst auf der Erkenntnis, dass die Kostenwirksamkeit der Stickstoffelimination in der Landwirtschaft deutlich günstiger ist als z.B. im Bereich der Abwasserreinigung, weshalb in der Landwirtschaft mit kleineren volkswirtschaftlichen Kosten ein grösserer Umweltgewinn erzielt werden kann (Botschaft GSchG 1996, 1225).

9. Bis 2010 wurden unter der Ägide von Art. 62a GSchG 31 Projekte intitiiert, teilweise abgeschlossen oder um eine weitere Laufzeit verlängert (zum Konzept vgl. Nitratprojekte). Zwar wurde nun mit den national ausgerichteten Ressourceneffizienzbeiträgen nach Art. 76 LwG unter der Agrarpolitik 2014–2017 ein neues landwirtschaftsrechtliches Instrument geschaffen, welches neben den bewährten Beiträgen für regionale/branchenspezifische Projekte nach Art. 77a LwG positive Auswirkungen auf den qualitativen Gewässerschutz haben dürfte (Botschaft Agrarpolitik 2014–2017, 2222 f.), dennoch ging der Gesetzgeber davon aus, dass auch weiterhin Bedarf nach einer gewässerschutzrechtlichen Abgeltungsmöglichkeit von regionalen Massnahmen zum Schutz vor Abschwemmungen und Auswaschungen besteht (Botschaft Agrarpolitik 2014–2017, 2299).

 

III.        Kommentierung

10. Art. 62a GSchG legt i.V.m. Art. 54 GSchV detailliert fest, unter welchen Voraussetzungen Bundesbeiträge an Massnahmen zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen gewährt werden (BGer 1A.138/2004 vom 7. April 2005, E. 4.9). Nebst den spezialgesetzlichen Anforderungen muss sowohl für die Massnahme als auch für die Entschädigung den allgemeinen Grundsätzen entsprechend eine hinreichende gesetzliche Grundlage bestehen, ein öffentliches Interesse nachgewiesen werden, und es ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (Maurer, Bodennutzung, 623).

11. Das Bundesrecht regelt lediglich die Abgeltung des Bundes an die Kantone. In der Umsetzung bedeutet dies, dass das Bundesamt mit der zuständigen kantonalen Instanz eine Programmvereinbarung abschliesst, die ein Subventionsverhältnis zwischen Bund und Kanton begründet. Dritte Leistungserbringer sind von der Programmvereinbarung dagegen nicht direkt berührt. Vielmehr ist eine kantonale Ausführungsgesetzgebung erforderlich, welche die Zuständigkeiten zum Abschluss der Programmvereinbarung, die Art und Weise der mit dem Bund vereinbarten Leistungserbringung und die Verteilung der im Zeitpunkt der weiteren Verwendung nunmehr kantonalen Mittel regelt. Bei der Ausgestaltung dieser Ausführungsgesetzgebung geniessen die Kantone einen grossen Ermessensspielraum. Insb. steht es ihnen frei, die Leistungserbringung bereits in der Ausführungsgesetzgebung an Gemeinden oder Private zu delegieren und mit kantonalen Subventionstatbeständen zu verbinden. Behält der Kanton die Leistungserbringung jedoch sich selber vor, muss eine spätere Beauftragung von Privaten auf dem Weg der Submission erfolgen (Wild, Programmvereinbarungen, 353 f.).

12. Je nach Ausgestaltung der kantonalen Ausführungsbestimmungen erfolgt die hoheitliche Anordnung der Massnahmen gegenüber den Grundeigentümern und Bewirtschaftern in Form einer Einzelverfügung, einer Allgemeinverfügung oder als Planungsakt. Im Vorfeld sollte jedoch stets versucht werden, mit den betroffenen Landwirten direkt eine Bewirtschaftungsvereinbarung abzuschliessen, welche rechtlich als verwaltungsrechtlicher Vertrag zu qualifizieren sein wird (Maurer, Bodennutzung, 623).

13. Im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung der Subventionen nach Art. 62a GSchG ist zu beachten, dass Nutzungbeschränkungen durch den Staat wegen Art. 26 Abs. 2 BV nur gegen vollständige Entschädigung zulässig sind, soweit die Intensität einer materiellen Enteignung erreicht wird. Ist eine bestimmungsgemässe, wirtschaftlich sinnvolle und gute Nutzung des Grundstückes nicht mehr möglich und handelt es sich nicht bloss um polizeilich motivierte Nutzungseinschränkungen ist deshalb darauf zu achten, dass die Umsetzung der Massnahmen entweder freiwillig ist oder nach enteignungsrechtlichen Ansätzen voll entschädigt wird (vgl. dazu auch Maurer, Bodennutzung, 617 und 627; Fritzsche, Entschädigungspflicht, 236).

A.           Massnahmen zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen (Abs. 1)

14. Je nachdem, ob die Massnahme zum Schutz einer Grundwasserfassung oder zum Schutz eines Oberflächengewässers getroffen werden soll, wird ein Zuströmbereich Zu oder Zo definiert. Die landwirtschaftliche Bodennutzung kann je nach den konkreten Bedürfnissen im gesamten Zuströmbereich stark eingeschränkt werden. So kann angeordnet werden, dass Pflanzenschutzmittel und Dünger nur noch mit Einschränkungen verwendet werden dürfen, dass die acker‑ und gemüsebauliche Produktionsfläche zu beschränken ist, dass einer bestimmten Kulturwahl, Fruchtfolge oder einem Anbauverfahren Vorzug zu geben ist, dass im Herbst auf den Wiesenumbruch zu verzichten ist, dass kein Dauergrünland mehr in Ackerland umgewandelt werden darf, dass eine Verpflichtung zu dauernder Bodenbedeckung besteht oder dass besonders geeignete technische Hilfsmittel, Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsmethoden einzusetzen sind (Anh. 4 Ziff. 212 GSchV).

15. Dabei ist nachzuweisen, dass die Massnahmen zur Erfüllung der Anforderungen an die Wasserqualität erforderlich sind (Art. 62a Abs. 1 Bst. a GSchG), dass mithin zur Erreichung des anvisierten Ziels keine geringeren Nutzungseinschränkungen ausreichen. Auch dürfen keine isolierten Massnahmen angeordnet werden, sondern diese haben aufeinander abgestimmt zu sein (Art. 62a Abs. 1 Bst. b GSchG). Dieses Kriterium stellt sicher, dass allfällige Synergien zwischen verschiedenen Massnahmen genutzt werden, um die Eingriffsschwere jeder einzelnen Massnahme möglichst gering zu halten. Das letzte Kriterium schliesslich, dass die Massnahmen wirtschaftlich nicht tragbar sind (Art. 62a Abs. 1 Bst. c GSchG), wird vom BLW dahingehend ausgelegt, dass Beiträge gesprochen werden, wenn diese notwendigen Bewirtschaftungsänderungen zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Diese Praxis des BLW ist in der Literatur wegen Widersprüchen zur Entschädigungsregelung in den vom Zuströmbereich ebenfalls umfassten Grundwasserschutzzonen auf Kritik gestossen (Maurer, Bodennutzung, 632).

16. Der Wirtschaftlichkeitsbegriff von Art. 62a Abs. 1 Bst. c GSchG ist sodann nicht identisch mit jenem von Art. 63 GSchG, welcher u.a. verlangt, dass die vorgesehene Lösung wirtschaftlich ist, da es dort nämlich um das Kosten-Nutzenverhältnis für den Gewässerschutz und nicht für die Landwirtschaft geht (s. Komm. zu Art. 63 N 39 ff. GSchG). Der gewässerschutzrechtliche Nutzen ist nach der Praxis des BLW nur gegeben, wenn das Massnahmenpaket mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Erreichung des Sanierungsziels (sprich der Unterschreitung der numerischen Anforderungen der GSchV) geeignet ist.

17. Zu den Massnahmen, welche konkret in Gebieten mit hohem Hofdüngeraufkommen gestützt auf Art. 62a GSchG realisiert wurden, gehört z.B. ein verbindliches Beratungskonzept für Phosphat in Mastregionen von Seeeinzugsgebieten und Stickstoff in empfindlichen Grundwassergebieten (BAFU, Düngung, 19).

 

B.            Höhe der Abgeltungen (Abs. 2)

18. Nach den allgemeinen Grundsätzen richtet sich die Höhe der globalen Bundesbeiträge einerseits nach bereichsspezifischen Kriterien und andererseits immer auch nach der Wirksamkeit der Massnahmen (Wild, Programmvereinbarungen, 353).

19. Zu den bereichsspezifischen Kriterien gehören bei Art. 62a GSchG vorab die Eigenschaften und die Menge der Stoffe, deren Abschwemmung und Auswaschung verhindert wird, wobei bei der Menge auf die Anzahl Kilogramm dieser Stoffe abgestellt wird (Art. 54 Abs. 1 GSchV). Weiter ist im Sinne eines bereichsspezifischen Kriteriums zu berücksichtigen, ob Massnahmen bereits nach dem LwG oder NHG subventioniert werden. Diese Kosten können dann im Rahmen von Art. 62a GSchG nicht noch einmal berücksichtigt werden. Für Massnahmen, welche Änderungen der Betriebsstrukturen zur Folge haben, werden dagegen sowohl Investitions‑ als auch Desinvestitionskosten berücksichtigt (Art. 54 Abs. 2 GSchV).

20. Die Wirksamkeit der Massnahmen umfasst die Qualität der Leistung (Ergebnis) und die Qualität der Leistungserbringung (Prozess). Kein Kriterium für die Höhe der globalen Bundesbeiträge ist die Finanzkraft der Kantone. Dieses wurde bei der Einführung des NFA gestrichen, da es zu Verzerrungen bei der Wirkung der Beitragsgewährung geführt hatte (Wild, Programmvereinbarungen, 353).

21. Der Bund leistet sodann bloss einen (Haupt‑)Kostenanteil. Die restlichen Mittel müssen die Kantone, Gemeinden, Wasserversorger und andere Sponsoren bereitstellen. Im Jahr 2000 beliefen sich die Bundesgelder für sämtliche laufenden Projekte auf knapp CHF 1.1 Mio. während die eingesetzten kantonalen Gelder ca. CHF 200’000 ausmachten (Maurer, Bodennutzung, 643). Die altrechtlichen Verpflichtungen sind Ende 2010 ausgelaufen und die dadurch freigewordenen Mittel seither allesamt aufgrund dem NFA entsprechenden Vereinbarungen vergeben worden (Wild, Programmvereinbarungen, 357).

C.           Programmvereinbarungen (Abs. 4)

22. Grundlage des im Zuge der Neugestaltung des Finanzausgleiches revidierten Zusammenarbeits‑ und Finanzierungsmodells bildet Art. 46 Abs. 2 BV, welcher vorsieht, dass der Bund und die Kantone miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt. Der Bund konzentriert sich dabei auf die strategische Ebene und führt ein Controlling über die Programmerfüllung durch, währenddessen die Kantone mehr Verantwortung und grössere Handlungsspielräume bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben erhalten, indem sie auf der operativen Ebene festlegen können, wie sie die Ziele erreichen wollen (Wild, Programmvereinbarungen, 352).

23. Die Abgeltungen und Finanzhilfen werden von den Kantonen den einzelnen Anspruchsberechtigten zugesprochen, und zwar in Anwendung von Art. 16 Abs. 2 Bst. a bzw. Abs. 3 SuG mittels öffentlich-rechtlicher Verträge, da die zuständige Behörde über einen erheblichen Ermessenspielraum verfügt. Entsprechend sieht Art. 62a Abs. 4 GSchG denn auch ausdrücklich vor, dass das BLW mit den Kantonen Programmvereinbarungen für jedes Gebiet verhandelt und abschliesst. Deren Rahmen hat das BLW im Gesamtkonzept N i.S. einer Vollzugshilfe abgesteckt.

24. Eine Verfügung des Programms durch das BLW nach Art. 16 Abs. 1 SuG kommt immerhin dann in Frage, wenn die Verhandlungen scheitern und keine Programmvereinbarung zustande kommt. Ebenso können die Kantone oder berechtigte Dritte vom BLW den Erlass einer Verfügung verlangen, wenn sich vor Abschluss der Programmvereinbarung Streitigkeiten ergeben (Wild, Programmvereinbarungen, 353). Der Rechtsschutz richtet sich in allen Fällen nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Art. 35 Abs. 1 SuG). Für Streitigkeiten aus einer abgeschlossenen Programmvereinbarung bedeutet dies insb., dass erstinstanzlich Klage beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben ist (Art. 35 Bst. a VGG).

25. In der Programmvereinbarung wird festgelegt, welche strategischen Programmziele gemeinsam erreicht werden und wie hoch der globale Beitrag des Bundes ausfällt. Die Verhandlungsspielräume ergeben sich dabei einerseits direkt aus den Vorgaben von Art. 62a GSchG, Art. 54 und Art. 59 ff. GSchV und andererseits aus der Höhe der tatsächlich verfügbaren finanziellen Mittel. Aufgrund des Gleichbehandlungsgebots sind die Kantone bei der Ausgestaltung der Programmvereinbarungen grundsätzlich gleich zu behandeln, ohne dass jedoch sachlich gerechtfertigte Differenzierungen verboten wären. Solche können sich insb. aufgrund von quantitativ und qualitativ unterschiedlichen Leistungsangeboten der Kantone ergeben und bei Art. 62a GSchG in gesteigertem Masse aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation bei den chronischen Gewässerverschmutzungen.

26. Da der Verhandlungsprozess zeitlich aufwendig ist, und gestützt auf Art. 19 Abs. 2 SuG insb. die Gemeinden oder andere beschwerdeberechtigte Dritte einzubinden sind, muss er rechtzeitig – d.h. mindestens ein Jahr vor Beginn der Programmperiode – in Gang gesetzt werden. Nach Abschluss der Verhandlungen haben sowohl der Kanton als auch beschwerdeberechtigte Dritte die Möglichkeit, innert 30 Tagen seit Eröffnung – sei dies durch Spezialnotifikation oder summarische Publikation im Bundesblatt – eine beschwerdefähige Verfügung zum Inhalt des Antrages auf Abschluss der Programmvereinbarung zu verlangen.

27. Art. 62a Abs. 1 GSchG sieht ausdrücklich vor, dass die Bundesbeiträge im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt werden. Damit die globalen Bundesbeiträge mehrjährig zugesichert werden können, statuiert Art. 65 Abs. 2 GSchG, dass jeweils ein vierjähriger Verpflichtungskredit verabschiedet wird; dies obschon die Programmdauer für Massnahmen der Landwirtschaft nach Art. 60 Abs. 3 GSchV in der Regel sechs Jahre und in der Praxis häufig fünf Jahre beträgt. Die Auszahlungen erfolgen jährlich, grundsätzlich in zwei Tranchen, nachdem der Kanton Rechenschaft über den Fortgang des Projekts abgelegt hat (Wild, Programmvereinbarungen, 358).

28. Während der gesamten Laufzeit haben die Kantone in einem Jahresbericht den Fortschritt des Projekts inhaltlich und finanziell darzulegen. Der Jahresbericht wird jeweils verbunden mit dem Antrag auf Ausrichtung des für das Programmjahr vereinbarten Bundesbeitrags. Der ebenfalls vorgeschriebene Halbzeitbericht enthält neben den Angaben des ordentlichen Jahresberichts Aussagen über fachliche und methodische Erkenntnisse, die der Vorbereitung der nächsten Programmphase dienen. Der Schlussbericht bildet schliesslich den abschliessenden Soll/Ist-Vergleich und dient in quantitativer und qualitativer Hinsicht der Beurteilung der Zielerreichung (Wild, Programmvereinbarungen, 358 f.).

29. Die Folgen der mangelhaften Erfüllung der Programmvereinbarung ergeben sich aus Art. 61b GSchV und bestehen namentlich im Zurückbehalten der Tranchenzahlung oder in einer Nachbesserung. Werden die Mängel nicht behoben, werden die Bundesbeiträge schliesslich zurückgefordert.

30. Ändern sich die Rahmenbedingungen während der Programmperiode so, dass die Erfüllung der Programmvereinbarung über Gebühr erschwert oder erleichtert wird, definieren die Vertragsparteien den Vereinbarungsgegenstand gemeinsam neu oder lösen die Programmvereinbarung vorzeitig auf. Wird eine vereinbarte Leistung durch vom Kanton nicht zu vertretende Umstände unerfüllbar, so kann er im Sinne einer Alternativerfüllung den auf diese Leistung entfallenden Bundesbeitrag unter Umständen auch einer vergleichbaren alternativen Leistung zuführen (Wild, Programmvereinbarungen, 360).

 

 

Résumé

L’art. 62LEaux prévoit un régime de compensation spécifique pour les mesures de planification de protection des eaux dans l’agriculture. La règle se situe ainsi à la frontière entre la protection des eaux et la politique agricole.

La Confédération participe au financement de mesures qui, en complément des différents instruments de protection des eaux, doivent être prises afin d’influer directement le comportement lorsque les instruments généraux ne suffisent pas.

Cette disposition se base sur la constatation que la rentabilité des mesures d’élimination de l’azote est meilleure dans l’agriculture que dans d’autres domaines tels que l’épuration des eaux, de sorte que l’on peut obtenir avec des coûts économiques moindres des bénéfices conséquents pour l’environnement.

L’art. 62a LEaux fixe, en lien avec l’art. 54 OEaux, les conditions selon lesquelles des subventions pour les mesures empêchant le ruissellement et le lessivage des substances peuvent être accordées.

Le droit fédéral règle seulement les indemnités de la Confédération aux cantons. L’Office fédéral de l’agriculture doit par conséquent conclure avec l’autorité cantonale compétente une convention-programme. En fonction des dispositions d’exécution cantonales, les décisions de la puissance publique concernant les mesures contre les propriétaires et les exploitants de terre agricole sont octroyées sous forme de décisions individuelles, de décisions de portée générale ou d’actes de planification. Le montant des indemnités est fixé en fonction de critères sectoriels et de l’efficacité des mesures. La Confédération ne verse qu’une quote-part des principaux coûts. Les fonds restants sont, dès lors, couverts par les cantons, les communes, les responsables de l’approvisionnement en eau ou d’autres sponsors.

Les conventions-programmes mentionnées à l’art. 62a al. 4 LEaux fixent les objectifs stratégiques à atteindre en commun et régissent la contribution de la Confédération. Le processus de négociation doit être mis en place suffisamment tôt, c’est à dire au moins une année avant le début de la période de la convention-programme étant donné que le processus de négociation peut prendre du temps, en particulier lorsque les communes sur la base de l’art. 19 al. 2 LSu ou d’autres tiers susceptibles de recours doivent être consultés. Pendant toute la durée de la convention-programme, les cantons doivent établir des rapports rendant compte des avancées de leurs projets. Les conséquences de l’exécution imparfaite de la convention-programme sont la rétention des paiements échelonnés ou la correction de l’exécution (cf. art. 61b OEaux). Si pendant la durée de la convention les conditions générales changent dans une mesure facilitant ou compliquant excessivement l’exécution de la convention, les parties à la convention programme redéfiniront conjointement l’objet de la convention-programme ou la résilieront prématurément.

 

 

Literatur: Fritzsche Christoph, Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung infolge der Festsetzung von Gewässerräumen, in: URP 2014, 218 ff. (zit. Entschädigungspflicht); Maurer Hans, Beschränkung und Lenkung der landwirtschaftlichen Bodennutzung und Entschädigungsfragen, in: URP 2002, 616 ff. (zit. Bodennutzung); Wild Florian, Programmvereinbarungen nach NFA im Umweltbereich, in: LeGes 2009, 351 ff. (zit. Programmvereinbarungen).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Motion UREK-S (97.3244) «Bodenbewirtschaftung. Aenderung des Gewässerschutzgesetzes und des Landwirtschaftsgesetzes» vom 22. Mai 1997 (zit. Mo. UREK-S Bodenbewirtschaftung); Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014–2017 (Agrarpolitik 2014–2017) vom 1. Februar 2012, BBl 2012 2075 ff. (zit. Botschaft Agrarpolitik 2014–2017); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Gesundheit (BAG), Grundlagensammlung – Projekte nach Artikel 62a GSchG – Nitratprojekte – Stand 11. Dezember 2013, Bern 2013 (zit. Nitratprojekte).

Fritzsche Christoph​

 

Revitalisierung von Gewässern

1             Der Bund gewährt den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und auf der Grundlage von Programmvereinbarungen Abgeltungen als globale Beiträge an die Planung und Durchführung von Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern.

2             Für besonders aufwendige Projekte können den Kantonen die Abgeltungen einzeln gewährt werden.

3             Die Höhe der Abgeltungen richtet sich nach der Bedeutung der Massnahmen für die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen der Gewässer sowie nach der Wirksamkeit der Massnahmen.

4             Keine Beiträge werden an den Rückbau einer Anlage geleistet, wenn der Inhaber dazu verpflichtet ist.

5             Den Bewirtschaftern des Gewässerraums werden die Abgeltungen gemäss Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998 für die extensive Nutzung ihrer Flächen entrichtet. Das Landwirtschaftsbudget sowie der entsprechende Zahlungsrahmen werden zu diesem Zweck aufgestockt.

Revitalisation des eaux

1             Dans les limites des crédits accordés et sur la base de conventions-programmes, la Confédération alloue aux cantons des indemnités sous la forme de contributions globales pour la planification et la mise en oeuvre de mesures destinées à revitaliser les eaux.

2             Des indemnités peuvent être allouées aux cantons au cas par cas pour des projets particulièrement onéreux.

3             Le montant des indemnités est fixé en fonction de l’importance des mesures pour le rétablissement des fonctions naturelles des eaux et en fonction de leur efficacité.

4             Aucune contribution n’est versée pour le démantèlement d’une installation auquel le détenteur est tenu de procéder.

5             Les exploitants de l’espace réservé aux eaux sont indemnisés selon la loi du 29 avril 1998 sur l’agriculture pour l’exploitation extensive de leurs surfaces. Le budget et le plafond des dépenses agricoles sont augmentés en conséquence.

Rivitalizzazione delle acque

1             Entro i limiti dei crediti stanziati e sulla base di accordi di programma, la Confederazione accorda ai Cantoni, sotto forma di contributi globali, indennità per la pianificazione e l’attuazione di misure di rivitalizzazione delle acque.

2             Per progetti particolarmente onerosi, le indennità possono essere accordate singolarmente.

3             Le indennità sono stabilite in funzione dell’importanza delle misure ai fini del ripristino delle funzioni naturali delle acque, nonché dell’efficacia delle misure stesse.

4             Non sono versati contributi per lo smantellamento di impianti al quale il detentore è tenuto a procedere.

5             Chi sfrutta lo spazio riservato alle acque è indennizzato secondo la legge del 29 aprile 1998 sull’agricoltura per lo sfruttamento estensivo delle proprie superfici. Il preventivo agricolo e il relativo limite di spesa sono aumentati a tal fine.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1​
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen ​3
III. Kommentierung 10
A. Globalbeiträge an Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern (Abs. 1) 10
1. Objekt der Beiträge 10
2. Programmvereinbarung als Grundlage von Beiträgen 14
3. Finanzierung 35
B. Abgeltungen für besonders aufwändige Projekte (Abs. 2) 45
​1. Kriterien 45
​2. ​Abgrenzungsfragen 47
C. Höhe der Abgeltungen (Abs. 3) 49
​1. Grundsatz 49
2. Globale Abgeltungen 50
3. Abgeltungen für Einzelprojekte 61
4. Anrechenbare Kosten 65
D. Massnahmen ohne Beiträge 66
1. Rückbau einer Anlage (Abs. 4) 66
​2. Massnahmen des naturnahen Wasserbaus 67
​3. ​Abgeltungen an die Bewirtschafter (Abs. 5) 69

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der Subventionstatbestand von Art. 62b GSchG wurde mit Änderung vom 11. Dezember 2009 (Renaturierung, in Kraft seit 1. Januar 2011; AS 2010 4285; BBl 2008 8043, 8079) in das GSchG aufgenommen. Dies hatte die Streichung von Art. 7 WBG zur Folge, dessen Regelung die Möglichkeit von Finanzhilfen für Renaturierungsprojekte vorsah (vgl. Komm. zu Art. 7 WBG N 4 f.). Gemäss der neuen Bestimmung im GSchG werden nun Abgeltungen statt Finanzhilfen gewährt, da die Kantone die subventionierten Massnahmen im Rahmen einer bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgabe (Art. 38a GSchG) treffen müssen (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8063).

2. Abs. 5 (Abgeltung zugunsten der landwirtschaftlichen Bewirtschafter) fand erst im Rahmen der Parlamentarischen Beratung Eingang in das Gesetz. Der Nationalrat wollte ursprünglich, gemäss seiner Kommission, auch für renaturierungsbedingte Überschwemmungsschäden Abgeltungen ausrichten (AB N 2009 659), schloss sich aber im Differenzbereinigungsverfahren dem Ständerat an (Verzicht darauf; AB N 2009 1913 f.).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Gemäss Art. 38a GSchG «sorgen» die Kantone für die Revitalisierung von Gewässern, d.h. sie planen diese und führen sie durch oder können mit diesen Aufgaben auch die Gemeinden betrauen. Weil sie dadurch eine vom Bund übertragene Aufgabe erfüllen, erhalten die Kantone nach Massgabe von Art. 62b GSchG Bundesbeiträge.

4. Art. 62b GSchG regelt die Finanzierung von Revitalisierungen nur in den Grundsätzen. Details sind in Art. 54und 54b GSchV festgehalten. Abs. 1 der Gesetzesbestimmung hält fest, dass der Bund den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite und auf der Grundlage von Programmvereinbarungen Abgeltungen als globale Beiträge an die Planung und Durchführung von Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern gewährt. Für besonders aufwändige Projekte ist in Abs. 2 eine separate Finanzierung vorgesehen. In Abs. 3 wird in allgemeinen Grundsätzen festgehalten, wonach sich die Höhe der pauschal oder einzeln zu gewährenden Abgeltungen richtet. Gemäss Abs. 4 werden an den Rückbau einer Anlage keine Beiträge geleistet, wenn der Inhaber dazu verpflichtet ist. Abs. 5 schliesslich verweist hinsichtlich der Abgeltungen für Bewirtschafter auf das Landwirtschaftsgesetz.

5. Die Bundesbeiträge werden überwiegend als Globalbeiträge im Rahmen von Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen ausgerichtet (Art. 62b Abs. 1 GSchG). Dies entspricht der Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) gemäss BB vom 3. Oktober 2003 (angenommen in der Volksabstimmung vom 28. November 2004, vom Bundesrat in Kraft gesetzt auf den 1. Januar 2008). Mit dem erwähnten BB wurde unter anderem auch Art. 46 Abs. 2 BV geändert. Die geänderte Bestimmung lautet:

6. «Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.»

7. Durch solche Programmvereinbarungen sollen die Kantone mehr Entscheidungs‑ und Handlungsspielräume bei der Umsetzung der Vorgaben auf operativer Ebene erhalten. Damit sollen die Effizienz des Einsatzes von Bundesmitteln und die Effektivität der Aufgabenerfüllung erhöht werden. Zudem kommt darin der Grundgedanke partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Bund und Kantonen zum Ausdruck (Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 21). Mit Recht ist die Programmvereinbarung als «zentrales Element der neuen Zusammenarbeits‑ und Finanzierungsformen» bezeichnet worden (EFD/KdK, NFA Faktenblatt 10, 2), das den Gemeinschafts‑ oder Verbundcharakter der anvisierten Aufgabe zum Ausdruck bringt.

8. Die Programmvereinbarung ist als Instrument vor allem für Aufgabenbereiche gedacht, zu deren Erfüllung Bund und Kantone gemeinsam die finanzielle Verantwortung tragen (Verbundaufgaben), was unter anderem auch für den Gewässerschutz zutrifft (Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 22; vgl. zu den Verbundaufgaben ausführlich Wiget, Programmvereinbarung, 100 ff.).

9. Nach Art. 46 Abs. 2 BV ist es für den Bund und die Kantone nicht Pflicht, die gemeinsame Finanzierung des durch die Kantone umzusetzenden Bundesrechts nach einer bestimmten Vorlage zu bewältigen. Sie haben lediglich die Möglichkeit, sich neuer Zusammenarbeits‑ und Finanzierungsmodelle zu bedienen. Die Formulierung («können») legt dies dar (Wiget, Programmvereinbarung, 99). Von dieser Möglichkeit wird mit Art. 62b GSchG (ebenso wie mit Art. 61 GSchG [Abwasseranlagen] und Art. 62a [Massnahmen der Landwirtschaft]) Gebrauch gemacht.

 

III.        Kommentierung

A.           Globalbeiträge an Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern (Abs. 1)

1.             Objekt der Beiträge

Beiträge an die Planung von Massnahmen

10. «Planung» meint in diesem Zusammenhang nicht die Projektierung einzelner Massnahmen, sondern die Entwicklung eines schlüssigen, flächendeckenden Konzepts, mit dem langfristige Ziele erreicht werden können (BAFU; Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 4 und 21; BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 16; vgl. Komm. zu Art. 38a N 21). Die Rechtsgrundlagen für diese Planungen finden sich in Art. 38a Abs. 2 GSchG und – konkretisierend – in Art. 41d GSchV.

Beiträge an die Durchführung von Massnahmen

11. Der Bund gewährt auch Beiträge an die Durchführung von Massnahmen. Unter «Durchführung» wird die Ausführung der Revitalisierungsmassnahmen verstanden.

12. Beiträge an die Durchführung sind an eine vorausgehende Planung geknüpft: Seit dem 1. Januar 2016 werden Abgeltungen für die Durchführung der Massnahmen nur gewährt, wenn der betroffene Kanton eine den Anforderungen von Art. 38a Abs. 2 GSchG und Art. 41d GSchV entsprechende Planung erstellt hat (Art. 54b Abs. 5 GSchV i.V.m. Abs. 4 der Übergangsbestimmung zur Änderung der GSchV vom 4. Mai 2011).

13. In der NFA-Periode 2012–2015 standen die Ergebnisse der kantonalen Revitalisierungsplanung noch nicht zur Verfügung. Während dieser Übergangsperiode wurden andere Kriterien zur Bemessung der Höhe der Abgeltungen des Bundes an die Massnahmen herangezogen (BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 12).

 

2.             Programmvereinbarung als Grundlage von Beiträgen

Vorbemerkungen

14. Beiträge werden aufgrund von Programmvereinbarungen gewährt (Art. 62 Abs. 1 GSchG; vgl. N 5 ff. zu den Programmvereinbarungen) Details über das Vorgehen bei Programmvereinbarungen über die erforderlichen Angaben und Unterlagen sind im «Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich», insbesondere im Teil Revitalisierung, Teil 11, geregelt, welches das BAFU als Richtlinien im Sinne von Art. 60 Abs. 4 GSchG erlassen hat.

15. In der Programmperiode 2012–2015 hatten die Kantone vorrangig die strategische Revitalisierungsplanung für Fliessgewässer anzugehen, die dem BAFU bis Ende 2013 zur Stellungnahme zu unterbreiten und bis Ende 2014 zu verabschieden war (Art. 41d Abs. 3 GSchV). Sobald eine standardisierte Methode zur Beurteilung der Ufermorphologie sowie ein Modul «Revitalisierungen von stehenden Gewässern – strategische Planung» der Vollzugshilfe «Renaturierung der Gewässer» vorliegt, kann mit der Planung für stehende Gewässer begonnen werden (BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, 11).

Rechtsform

16. In Bezug auf die Rechtsform von Programmvereinbarungen lässt Art. 46 Abs. 2 BV verschiedene Möglichkeiten offen. Die Programmvereinbarung kann verfassungsrechtlich sowohl als öffentlich-rechtlicher Vertrag, als auch als mitwirkungspflichtige Verfügung ausgestaltet werden (Egli, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 23, auch zum Folgenden). In der Botschaft NFA 2007 wird ausgeführt, dass die Programmvereinbarung zwar stark konsensuale Elemente enthalte, doch eine Sonderstellung einnehme, womit sie neben der Verfügung und dem Vertrag als eigenständige Rechtsform zu verstehen sei (Botschaft NFA 2007, 726). Dementsprechend nennt Art. 16 SuG, der die Rechtsform der Gewährung von Finanzhilfen und Abgeltungen regelt, neben der Verfügung (Abs. 1) und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag (Abs. 2) auch die Programmvereinbarungen als eigenständige Rechtsform (Abs. 3).

17. Im Zusammenhang mit der Revitalisierung von Gewässern erfolgen die Programmvereinbarungen primär in Form öffentlich-rechtlicher Verträge, wobei sich das Verfahren nach Art. 19 SuG, der Inhalt dagegen nach Art. 20a SuG richtet (vgl. Art. 19 Abs. 2 SuG).

Gegenstand

18. Die Programmvereinbarungen legen die gemeinsam zu erreichenden strategischen Programmziele fest und regeln die Beitragsleistung des Bundes sowie, im Einvernehmen mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die Einzelheiten der Finanzaufsicht (Art. 20a SuG). Damit sind die Hauptelemente der Programmvereinbarungen umschrieben, nämlich die Ziele, die Finanzbeiträge des Bundes und die Finanzaufsicht. Analoge Umschreibungen finden sich in Art. 60 Abs. 1 und 2 GSchV.

19. Gemäss Art. 20a Abs. 2 SuG erstreckt sich die Programmvereinbarung in der Regel über mehrere Jahre. Für die Revitalisierung von Gewässern sind 4 Jahre festgelegt (Art. 60 Abs. 3 Bst. b GSchV).

20. Die strategischen Programmziele sind Konkretisierungen der Ziele und Grundsätze, die in den bundesrechtlichen Grundlagen über die Erfüllung der betreffenden Aufgabe geregelt sind. Sie betreffen also die Strategie auf Stufe Umsetzung des Bundesrechts. Die Programmvereinbarungen sollen sich nicht auf die operationelle Erreichung der vereinbarten Programmziele erstrecken. Die operationelle Verantwortung bleibt vielmehr den Kantonen vorbehalten (vgl. Art. 38a Abs. 1 GSchG: «Die Kantone sorgen […]»). Somit darf die Konkretisierung der bundesrechtlich umschriebenen Aufgabenerfüllung im Rahmen einer Programmvereinbarung nicht so weit gehen, dass die Gestaltungsfreiheit der Kantone für die operationelle Umsetzung beeinträchtigt wird (Botschaft NFA 2005, 6131).

21. Im Bereich der Revitalisierung haben sich die strategischen Programmziele primär am Begriff sowie an den Zielen und Zwecken der Revitalisierung (Art. 4 Bst. m; Art. 38a Abs. 1 bzw. 41d GSchV) zu orientieren.

22. Im Rahmen des Controllings überwacht der Bund die Leistungserbringung und damit die Erfüllung der Vertragsziele. Die Programmvereinbarungen legen fest, wie dies geschehen soll. Die Finanzkontrolle umfasst sowohl die Rechts‑ als auch die Wirkungskontrolle. Die Einzelheiten sind jeweils im Einvernehmen mit der EFK zu regeln. Art. 20a Abs. 2 SuG klärt die Rolle der EFK im Bereich der Programmvereinbarungen, ohne dass die gleiche Bestimmung in den verschiedenen Spezialgesetzen wiederholt werden müsste. Zugleich bleibt das Konsensprinzip gewahrt. Ziel ist die einheitliche Steuerung der Finanzaufsicht im Sinne einer Best Practice. Dementsprechend sind die Aufsichtsregeln für die einzelnen Bereiche der Programmvereinbarungen standardisiert (Botschaft NFA 2005, 6132; vgl. zu den Revitalisierungen BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11). Sie sind nach Art. 20a Abs. 1 SuG in die Programmvereinbarungen aufzunehmen. Vgl. zum Inhalt der Programmvereinbarung BAFU, Handbuch Programmvereinbarung, Teil 1 mit Anhang A2 (Mustervereinbarung) sowie Teil 11, 8 f.

Verfahren

23. Mit der Einführung von Programmvereinbarungen entfällt die bisherige direkte Beziehung zwischen den Leistungserbringern und Beitragsempfängern und dem Bund. Partner des Bundes und damit Empfänger der Bundesbeiträge sind neu die Kantone, die ihrerseits die Beziehungen zu den Leistungserbringern, etwa den Gemeinden zu regeln haben (vgl. Art. 38a Abs. 1 GSchG). Zuständige Verwaltungseinheit des Bundes ist das BAFU (Art. 60 Abs. 1 Bst. a GSchV).

24. Das Gesuch um globale Abgeltungen wird vom Kanton beim BAFU eingereicht (Art. 59 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 Bst. a GSchV). Das Gesuch muss Angaben enthalten über die zu erreichenden Programmziele, die zur Zielerreichung voraussichtlich notwendigen Massnahmen und deren Durchführung sowie die Wirksamkeit der Massnahmen (Art. 59 Abs. 2 GSchV).

25. Nach den Vertragsverhandlungen stellt das BAFU dem Kanton einen befristeten Antrag zu (Art. 19 Abs. 2 SuG).

26. Berührt die Programmvereinbarung die Interessen von Gemeinden, so unterbreitet der Kanton sie diesen Gemeinden zur Stellungnahme. Damit wird dem Anliegen der Gemeinden und Städte Rechnung getragen, dass der Bund die Kantone zur Anhörung der Gemeinden verpflichtet, sofern diese Leistungserbringer sind (Botschaft NFA 2005, 6129 und 6298). Ausnahmsweise kann stellvertretend für die einzelnen Gemeinden allenfalls auch der kantonale Gemeindeverband angehört werden. Damit wird nichts präjudiziert über die Frage, ob einzelne Gemeinden als «beschwerdeberechtigte Dritte» im Sinn von Art. 19 Abs. 3 SuG zu qualifizieren sind (Botschaft NFA 2005, 6129, vgl. N 30 ff.). Aktuell wird der Einbezug der Gemeinden insbesondere dann, wenn diese für die Revitalisierung der Gewässer zuständig sind (vgl. Komm. zu Art. 38a GSchG N 15).

27. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 SuG ist nicht so zu verstehen, dass die Gemeinden erst nach Abschluss der Vertragsverhandlungen einbezogen werden sollen oder gar dürfen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Kantone ihre Gemeinden, soweit sie betroffen sind, schon vor Abschluss der Vertragsverhandlungen einbeziehen (Wiget, Programmvereinbarung, 181; Botschaft NFA 2005, 6131, auch zum Folgenden). Zu beachten ist hier auch die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. BBl 2004 79 ff., in Kraft seit dem 1. Juni 2005). Diese enthält ausdrücklich eine direkt anwendbare Garantie der Anhörung der Gemeinden durch den Kanton in allen Angelegenheiten, welche die Gemeinden direkt betreffen (vgl. Art. 4 Abs. 6 der Charta; zur direkten Anwendbarkeit: BBl 2004 89 sowie Genehmigungsbeschluss vom 15. De-zember 2004, AS 2005 2391).

28. Der Antrag des BAFU entspricht bei erfolgreichen Verhandlungen dem gemeinsam ausgehandelten Resultat. Erfolgt die unterschriftsmässige Zustimmung zur Vereinbarung innerhalb der gesetzten Frist, so ist die Programmvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zustande gekommen (BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, 20).

29. Die Bundesbehörde ist frei in der Wahl der Fristansetzung, das Gesetz legt keine Frist fest. Nimmt der Kanton den Antrag allerdings nicht innert der gesetzten Frist an oder verlangt er eine anfechtbare Verfügung gemäss Art. 30 SuG (innert 30 Tagen), so erlässt der Bund die finalisierte Programmvereinbarung in der Form einer anfechtbaren Verfügung (Wiget, Programmvereinbarung, 176 f.). Die Verfügung ersetzt diesfalls den nicht zustande gekommenen Vertrag.

30. Dasselbe Recht zum Verlangen einer anfechtbaren Verfügung steht auch den beschwerdeberechtigten Dritten zu, an welche der Kanton den Antrag zuzustellen hat (Art. 19 Abs. 3 SuG). Wird vom Recht Gebrauch gemacht, erfolgt anstelle des öffentlich-rechtlichen Vertrages wiederum eine Verfügung (vgl. zum Verfahren des Vertragsabschlusses im Detail Wiget, Programmvereinbarung, 173 ff.; BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 1, 4 ff.).

Rechtsschutz

31. Der Rechtsschutz richtet sich auf Bundesebene grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Art. 35 Abs. 1 SuGBGE 122 V 189, E. 4c). Gegen die Verfügung ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig (Art. 33 Bst. d VGG; Art. 48 f. VwVG). Dessen Entscheid kann an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 82 ff. BGG).

32. Als beschwerdeberechtigte Dritte gelten primär die betroffenen Gemeinden, wenn sie Leistungen erbringen und daher Anspruch auf Vergütung durch den Kanton nach Art. 20a Abs. 3 SuG haben. Daneben sind auch diejenigen Personen oder Organisationen beschwerdeberechtigt, welche durch die angefochtene Verfügung berührt sind und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben. Damit deckt sich der Parteibegriff bzw. die Beschwerdebefugnis nach SuG mit derjenigen des Beschwerdeverfahrens nach VwVG (REKO EVD vom 30. August 1995, E. 3., in: VPB 1996 Nr. 51).

33. Das Bundesgericht lässt Drittbeschwerden gegen Subventionsverfügungen grundsätzlich zu. Wo es allerdings nicht um Grundrechtsschutz geht, muss der Drittbeschwerdeführer jedenfalls einen unmittelbaren Nachteil erleiden; eine Drittbeschwerde pro Verfügungsadressat ist nur ausnahmsweise zulässig (BVGer C-6178/2010 vom 7. Mai 2013, E. 3.2; Wiederkehr/Richli, Verwaltungsrecht, N 1608).

34. Zu beachten ist allerdings, dass in der Programmvereinbarung strategische Programmziele festgelegt werden, während die operative Planung und grundeigentümerverbindliche Umsetzung von Revitalisierungen durch die Kantone im kantonalrechtlichen Verfahren erfolgt (vgl. Art. 38a Abs. 1 und 2). Private werden daher kaum Zugang zum Beschwerdeverfahren haben.

 

3.             Finanzierung

Abgeltungen

35. Bei der finanziellen Unterstützung für die Revitalisierung von Gewässern durch den Bund handelt es sich um Abgeltungen (Art. 62b Abs. 1 GSchG). Abgeltungen sind Leistungen an Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich ergeben aus der Erfüllung von bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgaben oder öffentlich-rechtlichen Aufgaben, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden sind (Art. 3 Abs. 2 SuG).

36. Abgeltungen stehen im Gegensatz zu «Finanzhilfen», welche geldwerte Vorteile sind, die Empfängern ausserhalb der Bundesverwaltung gewährt werden, um die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten Aufgabe zu fördern oder zu erhalten (Art. 3 Abs. 1 SuG). Bemessung und Verfahren der Abgeltungen richten sich im Einzelnen nach Art. 54a, 54b, 58 und 59–61b GSchV. Ergänzend sind die Bestimmungen des SuG anwendbar.

Im Rahmen der bewilligten Kredite

37. Der Bund gewährt den Kantonen Abgeltungen «im Rahmen der bewilligten Kredite» (Art. 62b Abs. 1 GSchG).

38. Den Kantonen steht ein Rechtsanspruch auf Beiträge zu. Dies ergibt sich schon aus dem Gehalt von Art. 46 Abs. 2 BV, wonach der Bund die Programme «finanziell unterstützt». Die Kantone haben folglich die Umsetzung von Bundesrecht nicht alleine zu finanzieren, sondern Bund und Kantone nehmen die Finanzierung der Erfüllung der Bundesaufgabe gemeinsam wahr (Wiget, Programmvereinbarung, 99). Davon geht auch Art. 62b GSchG aus, wonach der Bund Abgeltungen «gewährt». Es handelt sich um eine «Anspruchssubvention», die kein Entschliessungsermessen über die Frage zulässt, ob Beiträge zu leisten sind oder nicht (vgl. Wiget, Programmvereinbarung, 234). Beiträge sind zwingend zu leisten; verhandelbar im Sinne von Art. 54a Abs. 2 und Art. 54b Abs. 2 GSchG ist nur die Höhe.

39. Der Passus «im Rahmen der bewilligten Kredite» nimmt darauf Bezug, dass die Abgeltungen nicht gebundene Ausgaben sind, da sie im GSchG und in der GSchV zwar im Grundsatz vorgeschrieben werden, aber hinsichtlich des Umfangs der Abgeltungen noch erheblicher Spielraum besteht (vgl. dazu Von Wyss, St. Galler Kommentar, Art. 159 N 17).

40. Übersteigen die Eingaben von Projekten die gesamt verfügbaren Mittel des Rahmenkredits, erfolgt die Mittelzuteilung auf die Kantone auf Grund der plausibilisierten Kantonseingaben und eines objektiven Masses, das den Kanton in einen schweizweiten Kontext stellt (Anteil eines Kantons am mit Hilfe der Flussordnungszahlen FLOZ nach Strahler gewichteten Gewässernetz und der «Belastung» des Kantons mit Gebieten; vgl. BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, 10).

41. Im SuG ist das Vorgehen umschrieben, wenn die eingereichten oder zu erwartenden Gesuche die verfügbaren Mittel übersteigen. Diesfalls erstellen die zuständigen Departemente (hier also das BAFU) eine Prioritätenordnung, nach der die Gesuche beurteilt werden. Der Bundesrat kann anordnen, dass ihm bestimmte Prioritätenordnungen zur Genehmigung vorgelegt werden (Art. 13 Abs. 2 SuG). Die Kantone sind vor der Festlegung der Prioritätenordnung anzuhören, wenn es um Finanzhilfen und Abgeltungen geht, die ausschliesslich ihnen gewährt oder von ihnen ergänzt werden (Abs. 3). Die Prioritätenordnungen sind den interessierten Kreisen bekannt zu geben (Abs. 4). Die zuständige Behörde (das BAFU) weist Gesuche um Finanzhilfen, die aufgrund der Prioritätenordnung nicht innert einer angemessenen Frist berücksichtigt werden können, mit Verfügung ab (Abs. 5). Gesuche um Abgeltungen, die aufgrund der Prioritätenordnung einstweilen nicht berücksichtigt werden können, werden von der zuständigen Behörde dennoch umfassend geprüft. Sind die Abgeltungsvoraussetzungen erfüllt, spricht die zuständige Behörde eine Leistung dem Grundsatz nach zu und legt den Zeitraum fest, in dem die Abgeltung ausgerichtet wird (Abs. 6).

Verfahren

42. Die Abgeltungen werden aus allgemeinen Bundesmitteln finanziert. Die Räte haben Art. 62b GSchG mit qualifiziertem Mehr (AB N 2009 659) bzw. einstimmig (AB S 2009 792) verabschiedet, und damit die Ausgabenbremse für neue, wiederkehrende Ausgaben von mehr als CHF 2 Mio. (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) diesbezüglich gelöst.

43. Werden im Rahmen von Programmvereinbarungen vorgesehene Leistungen durch Gemeinden erbracht, so vergütet der Kanton den Gemeinden die entstandenen Kosten mindestens entsprechend dem Anteil der Bundesbeiträge an den Gesamtkosten (Art. 20a Abs. 3 SuG). Die Abgeltungen werden in Tranchen ausbezahlt (Art. 61 GSchV).

44. Der Kanton erstattet dem BAFU jährlich Bericht über die Verwendung der pauschal ausbezahlten globalen Abgeltungen (Art. 61 und 61a GSchV). Art. 61b GSchV regelt das Vorgehen bei mangelhafter Leistungserfüllung und Zweckentfremdung von Anlagen oder Einrichtungen, an welche Abgeltungen ausgerichtet worden sind (vgl. zur Höhe der Abgeltungen N 49 ff.).

B.            Abgeltungen für besonders aufwändige Projekte (Abs. 2)

1.             Kriterien

45. Für besonders aufwendige Projekte ist eine Einzelsubventionierung vorgesehen (Art. 62b Abs. 2 GSchG). Art. 54b Abs. 3 GSchV präzisiert, unter welchen Bedingungen Projekte als besonders aufwendig gelten und damit einzeln unterstützt werden können. Es sind dies Massnahmen, die (alternativ) mehr als CHF 5 Mio. kosten (Bst. a), einen kantonsübergreifenden Bezug aufweisen oder Landesgrenzgewässer betreffen (Bst. b), Schutzobjekte oder Objekte nationaler Inventare berühren (Bst. c), in besonderem Masse eine komplexe oder spezielle fachliche Beurteilung erfordern (Bst. d) oder unvorhergesehen waren (Bst. e). Die gleichen Kriterien gelten im Übrigen für die Einzelsubventionierung von Hochwasserschutzmassnahmen (Art. 2 Abs. 2 WBV).

46. Das letzte (alternative) Kriterium, nämlich jenes der Unvorhersehbarkeit soll sicherstellen, dass Projekte, die aufgrund eines Unwetters oder einer aus anderen Gründen nicht einplanbaren Gegebenheit sofort an die Hand genommen werden müssen und nicht in die vierjährige Planung aufgenommen werden könnten, ohne Anpassung und entsprechende Neuverhandlung der Programmvereinbarung subventioniert werden können.

2.             Abgrenzungsfragen

47. Die Beurteilung, ob eine Massnahme anhand der fünf vorgegebenen Kriterien als aufwendig betrachtet werden kann und deshalb im Verfahren der Einzelverfügung zu behandeln ist oder ob sie als nicht aufwendige Massnahme in die Programmvereinbarung Eingang findet, obliegt dem BAFU als der gemäss Art. 61d GSchV für die Einzelverfügungen zuständigen Behörde.

48. Die Voraussetzungen sind mit unbestimmten Rechtsbegriffen formuliert, weshalb dem BAFU ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht. Da der Abschluss der Programmvereinbarung zu den Massnahmen ohne besonderen Aufwand gemäss Art. 54b Abs. 1 GSchV gemeinsame Sache des Kantons und des BAFU ist, wird diese Beurteilung auch im Rahmen der Verhandlungen zur Programmvereinbarung eine Rolle spielen. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollen Projekte vom Bund gesondert beurteilt und mittels Einzelverfügung behandelt werden, die tatsächlich von übergeordnetem Interesse sind oder sonst aus wichtigen Gründen nicht in die Programmvereinbarung aufgenommen und damit operativ in die Verantwortung des Kantons übergeben werden können. Die Kriterien in Art. 54b Abs. 3 GSchV sollen dies gewährleisten (BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 28; vgl. zur Abgrenzung konkretisierend BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, 17).

C.           Höhe der Abgeltungen (Abs. 3)

1.             Grundsatz

49. Die Höhe der globalen Abgeltungen richtet sich sowohl bei den Globalbeiträgen (Art. 62b Abs. 1 GSchG) wie auch bei der Finanzierung von Einzelprojekten (Art. 62b Abs. 2 GSchG) nach der Bedeutung der Massnahmen für die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen der Gewässer sowie nach der Wirksamkeit der Massnahmen (Art. 62b Abs. 3 GSchG). Damit erfolgt die Subventionierung wirkungsorientiert gemäss den Grundsätzen der NFA (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8057).

 

2.             Globale Abgeltungen

Abgeltungen für die Planung von Massnahmen

50. Die Finanzierung der Planung für die Planung von Massnahmen wird in Art. 54a GSchV präzisiert. Berechnungsgrundlage ist die Länge der Fliessgewässer bzw. Seeufer, die in die Planung nach Art. 41d GSchV einbezogen wurden (Abs. 1). Mit diesem einzigen, abschliessenden Kriterium wird der in Art. 62b GSchG enthaltene unbestimmte Gesetzesbegriff der «Bedeutung der Massnahmen» für den Bereich der Planung sehr vereinfachend, wohl aber zweckmässig umgesetzt.

51. Die Planung wird in Form von Standardpreisen pro km Fliessgewässer (bzw. Uferlänge bei stehenden Gewässern), für die geplant wird, abgegolten. Dabei werden zwei Schritte unterschieden, die auch separat subventioniert werden.

52. Der erste Schritt besteht aus der Erhebung bzw. Aktualisierung des ökomorphologischen Zustands der Fliessgewässer mit der Methode «Ökomorphologie Stufe F» des Modul-Stufen Konzepts (inkl. Durchgängigkeitsstörungen) und dessen kartographischer Darstellung. Im zweiten Schritt werden die Gewässerabschnitte nach den in Art. 41d GSchV genannten Grundlagen und Kriterien hinsichtlich der zu treffenden Massnahmen priorisiert und diese Priorisierung wird ebenfalls kartographisch dargestellt. Schritt eins wird nur dann abgegolten, wenn auch Schritt zwei erfolgt, also die Planung letztlich fertiggestellt wird (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 27; vgl. im Detail BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, 8).

Abgeltungen für die Durchführung von Massnahmen

53. Die Höhe der globalen Abgeltungen an die Durchführung von Massnahmen zur Revitalisierung von Gewässern (Art. 62b Abs. 1 GSchG) richtet sich nach Art. 54b Abs. 1 GSchV.

54. Diese Bestimmung definiert den Rahmen für die Finanzierung von Revitalisierungsmassnahmen. Neben der Länge des revitalisierten Gewässerabschnitts oder des Gewässerabschnittes, der durch die Beseitigung von Hindernissen zusätzlich vernetzt wird (Bst. a), werden auch die Gewässerbreite (Breite der Gerinnesohle) und die Breite des (davon abhängigen) Gewässerraums berücksichtigt (Bst. b und c), da die Leistungen und Kosten der Revitalisierungsmassnahmen mit der Gewässerbreite in der Regel steigen.

55. Anstelle der Kriterien nach Bst. a und b kann sich die Höhe der Abgeltungen an Revitalisierungen, die vor dem 31. Dezember 2019 durchgeführt werden, nach dem Umfang der Massnahmen richten (Übgbest. GSchV vom 4. Mai 2011, Abs. 3, geändert per 1. Januar 2016 gemäss Ziff. 4 der Verordnung vom 28. Januar 2015 über Anpassungen des Verordnungsrechts im Umweltbereich, insbesondere hinsichtlich der Programmvereinbarungen für die Programmperiode 2016–2019).

56. Massnahmen mit einem hohen Nutzen für die Natur und Landschaft im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand (vorrangige Revitalisierungen gemäss Teilergebnis der Planung, vgl. Komm. zu Art. 38a GSchG N 29) sowie einer Gewässerraumbreite, die den minimalen Raumbedarf gemäss Art. 41a Abs. 1 und 2 bzw. Art. 41b Abs. 1 GSchV überschreitet, werden mit erhöhten Beiträgen abgegolten (vgl. Bst. d).

57. Berücksichtigt werden weiter der Nutzen einer Revitalisierung für die Erholung (Bst. e) und die Qualität der Massnahmen (Bst. f). Die Details (Grundbeitrag 35 % mit Zuschlägen bis insgesamt 80 %) ergeben sich aus BAFU, Handbuch Programmvereinbarung, Teil 11, 8 f. Damit orientiert sich das BAFU an der Spannbreite von Art. 54b Abs. 4 GSchV, auch wenn diese entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung nur auf die Gewährung von Abgeltungen im Einzelfall (also ausserhalb globaler Abgeltungen) anwendbar ist.

58. Mit diesen Kriterien soll ein Anreiz geschaffen werden, dass Massnahmen, die für naturnahe Fliessgewässer mit typenspezifischer Eigendynamik bzw. naturnahe Stillgewässer besonders förderlich sind, vorrangig umgesetzt werden. Massnahmen, die gemäss kantonaler Revitalisierungsplanung einen grossen Nutzen für die Natur und die Landschaft im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand haben, werden vom Bund stärker finanziell unterstützt als Massnahmen mit einem geringen Nutzen (BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 12).

«Aushandeln» der Höhe von Abgeltungen

59. Gemäss den inhaltlich gleich lautenden Bestimmungen in Art. 54a Abs. 2 und Art. 54b Abs. 2 GSchV wird die Höhe der globalen Abgeltungen zwischen dem BAFU und dem betreffenden Kanton ausgehandelt. Dieses «Aushandeln» wird im Rahmen der Programmvereinbarungen vorgenommen (Art. 60 Abs. 2 Bst. c GSchV).

60. Der Ausdruck «ausgehandelt» ist unglücklich gewählt. Was auf den ersten Blick als Handeln im Rahmen eines türkischen Bazars erscheint, hat nach klaren rechtlichen Vorgaben zu erfolgen. Es gelten die Vorgaben in Art. 62 Abs. 3 GSchG sowie Art. 54a Abs. 1 und Art. 54b Abs. 1 GSchV. Der Bund ist insbesondere auch gebunden an die fachspezifischen Erläuterungen in BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teile 1 und 11. Das Ermessen im Einzelfall wird durch diese Publikation des BAFU eingeschränkt. Keine Rolle spielt insbesondere die Finanzkraft des Kantons. Massgebend sind vielmehr ausschliesslich Kriterien, die im konkreten Aufwand und dem konkreten Nutzen für die Planung und Durchführung der Revitalisierung ihre Grundlage haben.

 

3.             Abgeltungen für Einzelprojekte

61. Der Beitrag an die anrechenbaren Kosten für die einzeln subventionierten Massnahmen betragen zwischen 35 und 80 % und richtet sich nach den in Art. 54b Abs. 1 GSchV genannten Kriterien (vgl. N 53 ff.).

62. Die UREK-S hatte in ihrem Bericht «durchschnittlich 65 Prozent der Kosten» an Bundessubventionen für einzelne Massnahmen für angemessen gehalten (eine entsprechende Zahl fehlte allerdings im Entwurf; vgl. Votum Lombardi, Kommissionssprecher, AB S 791 f.). 65 % schienen dem Bundesrat indessen zu hoch, weshalb er die Formulierung beantragte «bis zu 65 Prozent».

63. Die in der Verordnung nun genannte Spannbreite von 35–80 % nähert sich der Auffassung der UREK-S an. In diesem Rahmen hat sich der Bundesbeitrag nach Massgabe der in Art. 54 Abs. 1 (globale Abgeltungen) und Abs. 3 (Abgeltungen im Einzelfall) zu bewegen. Ein im Grundsatz hoher Prozentteil an Bundessubventionen ist zielführend, weil der Druck, Revitalisierungen durchzuführen, im Vergleich zu anderen Aufgaben eher klein ist. In den Räten war abschliessend die Meinung vorherrschend, dass sich der Bundesbeitrag bei durchschnittlich 65 % bewegen sollte.

64. Einzelheiten richten sich nach BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, 5 ff. Danach wird von einem Grundbeitrag von 35 % ausgegangen, der in bestimmten Fällen erhöht wird. Die höchsten Fördersätze werden ausschliesslich für Projekte gewährt, die einen sehr hohen Nutzen für die Natur und Landschaft im Verhältnis zum voraussichtlichen Aufwand (vorrangige Revitalisierungen gemäss Teilergebnis der Planung, vgl. Erläuterungen zu Art. 41d GSchV) aufweisen und bei denen die gewährte Gewässerraumbreite den minimalen Raumbedarf gemäss Art. 41a Abs. 1 und 2 und Art. 41 Abs. 1 GSchV überschreitet. Die niedrigsten Fördersätze erhalten Projekte, die zwar den ökologischen Projektanforderungen genügen, diese aber nicht übersteigen.

 

4.             Anrechenbare Kosten

65. Anrechenbar sind nur Kosten, die tatsächlich entstanden sind und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlich sind (Art. 58 Abs. 1 GSchV). Bei der Revitalisierung von Gewässern sind ausdrücklich auch die Kosten für den erforderlichen Landerwerb anrechenbar (BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, Teil 11, Anh. A3, gilt für Einzelprojekte, ist aber auch für Projekte im Rahmen einer Programmvereinbarung anwendbar).

D.           Massnahmen ohne Beiträge

1.             Rückbau einer Anlage (Abs. 4)

66. Ist der Inhaber einer Anlage, die ein Gewässer beeinträchtigt, verpflichtet, diese rückzubauen, so sind die Kosten vom Inhaber zu tragen, und an den Kanton werden keine Abgeltungen für die Herstellung der rechtmässigen Zustands bzw. der natürlichen Funktionen des beeinträchtigten Gewässers ausgerichtet (Art. 62b Abs. 4 GSchV; vgl. Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8063). Das ist etwa der Fall, wenn eine Eindolung defekt ist und sie nach Massgabe von Art. 38 GSchG nicht ersetzt werden darf (vgl. zu den Voraussetzungen Komm. zu Art. 38 GSchG N 18 ff.).

 

2.             Massnahmen des naturnahen Wasserbaus

67. Nach Art. 62b GSchG werden Beiträge an die «Revitalisierung von Gewässern» geleistet. Nicht subventionsberechtigt nach dieser Bestimmung sind demgegenüber Massnahmen zur Einhaltung von Anforderungen an den naturnahen Wasserbau im Rahmen des Hochwasserschutzes, wie sie in Art. 4 WBG vorgeschrieben sind (Art. 54b Abs. 6 GSchV). Diese Massnahmen werden nach Art. 6 WBG bzw. den konkretisierenden Bestimmungen in der WBV im analogen Verfahren subventioniert (vgl. Komm. zu Art. 6 WBG N 49 ff.). Nach Art. 2 WBV beträgt der Beitrag an die Kosten der Massnahmen zwischen 35 und 45 %. Wird ein Kanton durch ausserordentliche Schutzmassnahmen, namentlich nach Unwetterschäden, erheblich belastet, so kann der Beitrag ausnahmsweise auf höchstens 65 % der Kosten der Massnahmen erhöht werden.

68. Nur Massnahmen, die über einen naturnahen Wasserbau hinausgehen, z.B. eine Gewässerraumbreite aufweisen, die den minimalen Raumbedarf gemäss Art. 41a Abs. 1 und 2 GSchV überschreitet, erhalten eine Zusatzfinanzierung nach GSchG. Solche Projekte werden sowohl in die Programmvereinbarung für Massnahmen des Hochwasserschutzes als auch in diejenige für Revitalisierungsmassnahmen aufgenommen (BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 29).

 

3.             Abgeltungen an die Bewirtschafter (Abs. 5)

69. Den Bewirtschaftern des Gewässerraums werden die Abgeltungen gemäss LwG für die extensive Nutzung ihrer Flächen entrichtet (Art. 62b Abs. 5 GSchG). Da die extensiv genutzten Flächen innerhalb des Gewässerraums als Biodiversitätsförderflächen gemäss dem Landwirtschaftsgesetz gelten (Art. 68 Abs. 5 GSchG), erhalten die betroffenen Landwirte dafür Beiträge nach Art. 70a und 73 LwG sowie Art. 55 ff. DZV (vgl. Komm. zu Art. 36GSchG N 167Art. 68 GSchG N 30).

70. Zur Finanzierung der Biodiversitätsförderflächen werden das Landwirtschaftsbudget und der entsprechende Zahlungsrahmen aufgestockt. Das ist die verpflichtende Aussage von Abs. 5. In der Folge wurde das Landwirtschaftsbudget um jährlich CHF 20 Mio. erhöht.

 

 

Résumé

L’art. 62b LEaux règle le financement des mesures de revitalisation des eaux. En vertu de l’al. 1, la Confédération alloue aux cantons des subventions versées sous formes d’indemnisations au sens de l’art. 3 al. 2 LSu pour la planification et la mise en œuvre des mesures destinées à revitaliser les eaux. Ces contributions globales sont réglées par les conventions-programmes passées entre la Confédération et les cantons. Les détails de la procédure pour l’octroi d’indemnités globales sont réglés aux art. 59 ss OEaux.

Pour des projets particulièrement onéreux, qui remplissent les conditions de l’art. 54 al. 3 OEaux, des indemnités au cas par cas peuvent être allouées aux cantons (art. 62b al. 2 LEaux). Selon l’art. 61OEaux, la décision appartient à l’OFEV, qui dispose d’une certaine marge d’appréciation. En principe, le montant des indemnités est fixé en fonction de l’importance des mesures pour le rétablissement des fonctions naturelles des eaux et en fonction de leur efficacité (art. 62b al. 3 LEaux). L’art. 54OEaux précise cet alinéa en disposant que le montant des indemnités globales est calculé en fonction de la longueur des cours d’eau ou des rives qui sont intégrés dans la planification en vertu de l’art. 41d OEaux et que celui-ci est négocié entre l’OFEV et le canton lors de la convention-programme (art. 60 al. 2 let. c OEaux). L’art. 54b OEaux définit le cadre pour la détermination du montant des indemnités globales pour le financement de mesures de revitalisation. Le montant est également dans ce cas négocié entre l’OFEV et le canton concerné dans le cadre de la convention-programme (art. 54b al. 2 OEaux). Les indemnisations sont calculées selon les critères de l’al. 1 de l’art. 54b al. 4 OEaux et leur montant peut varier entre 35 et 80 % des coûts imputables (art. 54b al. 4 OEaux).

Seules les mesures de revitalisation des eaux seront indemnisées. Dès lors, ne donnent pas droit à des indemnités les mesures destinées à garantir un aménagement des eaux proche de l’état naturel dans le cadre de la protection contre les crues, tel qu’il est prescrit par l’art. 4 LACE et l’art. 37 LEaux (art. 54b al. 6 OEaux). De plus, les coûts dûs au démantèlement d’une installation auquel le détenteur est tenu de procéder doivent être pris en charge par le détenteur et ne peuvent donc pas faire l’objet de subventions (art. 62b al. 4 LEaux).

 

 

Literatur: Wiederkehr René/Richli Paul (Hrsg.), Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts – eine systematische Analyse der Rechtsprechung, Band I, Bern 2012 (zit. Verwaltungsrecht).

 

 

Materialien und amtliche Publiktionen: Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD)/Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen – NFA – Neue Zusammenarbeits‑ und Finanzierungsformen Bund – Kantone, NFA Faktenblatt 10, Bern 2004 (zit. NFA Faktenblatt 10); Botschaft zur Festlegung des Ressourcen‑, Lasten‑ und Härteausgleichs sowie zum Bundesgesetz über die Änderungen von Erlassen im Rahmen des Übergangs zur NFA vom 8. Dezember 2006, BBl 2007 645 ff. (zit. Botschaft NFA 2007).

Favre Anne-Christine

 

Planification de l’assainissement des éclusées et du régime de
charriage

1         Dans les limites des crédits accordés, la Confédération alloue aux cantons des indemnités pour la planification visée à l’art. 83b, pour autant que cette dernière lui soit soumise le 31 décembre 2014 au plus tard.

2         Les indemnités se montent à 35 % des coûts imputables.

Planung der Sanierung bei Schwall und Sunk sowie des Geschiebehaushalts

1         Der Bund gewährt den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an die Planung gemäss Artikel 83b, sofern diese bis zum 31. Dezember 2014 beim Bund eingereicht wird.

2         Die Abgeltungen betragen 35 Prozent der anrechenbaren Kosten.

Pianificazione del risanamento dei deflussi discontinui e del bilancio in materiale detritico

1             Entro i limiti dei crediti stanziati, la Confederazione accorda ai Cantoni indennità per la pianificazione di cui all’articolo 83b, sempreché quest’ultima le sia presentata entro il 31 dicembre 2014.

2         Le indennità ammontano al 35 per cento dei costi computabili.

 

Inhaltsübersicht

Historique ​1
II. Remarques générales ​9
III. Commentaire 13
A. Indemnisation de la planification (al. 1) 13
1. Généralités 13
2. Les conditions formelles 14
3. Les conditions matérielles 15
​B. ​Montant des indemnités (al. 2) 18

 

 

I.              Historique

1. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060), déposée le 3 juillet 2006, proposant un nouvel art. 76a Cst., visait notamment à introduire un régime tendant à l’assainissement des cours d’eau influencés sensiblement par les prélèvements d’eau, en proposant l’atténuation des effets nuisibles des éclusées et la réactivation du régime de charriage.

2. Le Conseil fédéral, dans son message, relevait les disparités cantonales, s’agissant de la problématique des effets des éclusées (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5244), et les coûts économiques très importants que ces mesures pourraient générer (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5249, 5252). Il n’a pas jugé utile de proposer un contre-projet de loi.

3. Le 4 octobre et le 6 décembre 2007, les Chambres fédérales ont approuvé une motion (Motion Epiney Renaturation), puis une initiative parlementaire, sur proposition de la CEATE-E, tendant à l’élaboration d’un contre-projet indirect par une modification de la législation fédérale.

4. Ce contre-projet a été déposé par la CEATE-E, dans son rapport du 12 août 2008, et vise notamment l’atténuation des effets nuisibles des éclusées en aval des centrales hydroélectriques ainsi que le maintien du régime de charriage (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315 ss). Outre les questions liées aux droits acquis et à l’indemnisation des mesures auprès des propriétaires touchés, la CEATE-E a évalué les incidences financières pour les cantons, au regard de la planification nécessaire des mesures, sur une durée de 20 ans (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7319 s et 7332) ; elle a proposé un financement de la planification cantonale par la Confédération à hauteur de 35 %, à l’instar du régime de planification des mesures de protection des eaux (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7322, 7327).

5. Les mesures de planification globale à prendre par les cantons (art. 83b LEaux), sous le contrôle de la Confédération, sont apparues comme le pivot d’une garantie quant à l’efficacité des objectifs visés par les art. 39a et 43a LEaux, et quant à l’assurance d’égalité de traitement entre les différents détenteurs d’installations sur l’ensemble du territoire (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7321).

6. Dans son avis du 19 septembre 2008, le Conseil fédéral a approuvé le contre-projet, sans remarque particulière, sur la question de l’obligation de planification à charge des cantons, si ce n’est que le financement de ces mesures – estimé à environ 5 millions de francs au total – tombait sous le coup du régime du frein aux dépenses relevant de l’art. 159 al. 3 let. b Cst. de telle sorte qu’il nécessitait une approbation de la majorité des membres du Conseil national et du Conseil des Etats (Avis du Conseil fédéral protection et utilisation, 7347).

7. L’art. 62c LEaux a été adopté sans discussion par les Chambres fédérales.

8. L’initiative populaire (07.060) a été retirée.

 

II.           Remarques générales

9. L’art. 62c LEaux invite les cantons à planifier les mesures concernant l’assainissement des éclusées et le maintien d’un régime de charriage. Il est à mettre directement en relation avec les obligations qui découlent des art. 39a et 43a LEaux; mais il vise aussi les mesures à adopter sur la base de la législation sur la pêche, en particulier des art. 10 LFSP et 9b OLFP, qui concernent la protection de la faune piscicole (les mesures sont notamment destinées à assurer la libre migration des poissons). Ces dispositions invitent les détenteurs d’installations hydroélectriques – nouvelles comme existantes –, à prévenir les atteintes précitées, le cas échéant, par des mesures d’assainissement.

10. L’assainissement des installations existantes nécessite une planification que les cantons doivent mettre en place tant au regard du régime de la protection des eaux (art. 83b LEaux) que de celui de la législation sur la pêche, qui a été adapté en conséquence (art. 9b et annexe 4 OLFP).

11. Les obligations découlant des dispositions précitées sont en lien avec l’exploitation d’installations hydroélectriques, raison pour laquelle leurs coûts sont à imputer entièrement au consommateur, conformément au principe de causalité des coûts (art. 74 al. 2 Cst., 3a LEaux et 3 al. 3 LEne). Le financement des mesures d’assainissement requises par l’art. 83a LEaux est ainsi assuré par le biais d’une contribution de 0,1 centime sur le prix du kWh payé par le consommateur (art. 15abis et 15b LEne), prélevée par la société nationale du réseau de transport Swissgrid, en même temps que d’autres suppléments selon l’art. 15b al. 1 LEne.

12. Le législateur a distingué le régime de financement précité des opérations de planification, qui incombent aux cantons et pour lesquelles une indemnisation partielle de la Confédération est prévue. C’est dans ce contexte que s’inscrit la subvention prévue par l’art. 62c LEaux, qui constitue ainsi la contrepartie à l’obligation faite aux cantons de planifier les mesures précitées dans un délai de 4 ans dès l’entrée en vigueur du régime; c’est sur la base de cette planification que seront échelonnées les mesures proprement dites, à court et moyen terme, dans le délai d’exécution de 20 ans prescrit par la loi (art. 83a et 83b LEaux).

 

III.        Commentaire

A.           Indemnisation de la planification (al. 1)

1.             Généralités

13. L’indemnisation dont il est question à l’art. 62c LEaux s’inscrit au chapitre des mesures d’encouragement à l’exécution de la législation sur la protection des eaux (ch. 4 LEaux). Elle constitue une indemnité au sens de l’art. 3 al. 2 LSu, dans la mesure où il s’agit de contribuer au financement de frais liés à l’accomplissement d’une tâche relevant du droit fédéral.

 

2.             Les conditions formelles

14. Le versement d’indemnités aux cantons est subordonné à deux conditions formelles :

  • Une première est liée au régime du frein à l’endettement de la Confédération: dans la mesure où la charge financière de la Confédération a été estimée à plus de 2 millions de francs de charges récurrentes (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7336), le principe du frein aux dépenses établi par l’art. 159 al. 3 let. b Cst. est applicable, et le crédit accordé à la Confédération doit être approuvé par la majorité des membres du Conseil national et du Conseil des Etats. Dans les limites de ce crédit accordé, la Confédération alloue ensuite aux cantons des indemnités pour la planification des mesures dont il a été question ci-dessus.
  • Une seconde est liée au délai dans lequel les cantons doivent présenter leur planification, qui est fixé au 31 décembre 2014 au plus tard, soit 4 ans après le 1er janvier 2011, date d’entrée en vigueur du régime. Il s’agit d’une condition sine qua non pour l’obtention de l’indemnité fédérale. Le délai précité (qui découle de l’art. 83b al. 2 LEaux) concerne la présentation de la planification et non son approbation proprement dite.

 

3.             Les conditions matérielles

15. Sur le plan matériel, les cantons devront veiller à ce que les mesures envisagées reposent sur une planification adéquate, assurent une protection des eaux, soient conformes à l’état de la technique et soient économiques (art. 63 LEaux).

16. Ces règles ne sont pas particulièrement précises et la législation n’indique pas les conséquences d’un refus d’approbation par l’autorité fédérale. Toutes les données concernant l’ampleur des assainissements ne pourront vraisemblablement pas être rassemblées dans le délai de 4 ans imparti pour la planification. Il faut cependant se souvenir que les mesures d’assainissement proprement dites – dont le financement ne relève plus de la subvention dont il est question à l’art. 62c LEaux – seront soumises ultérieurement à une consultation de l’Office fédéral de l’environnement (art. 83b al. 3 LEaux et 41g al. 2 OEaux) et que l’examen des variantes d’un projet d’assainissement a lieu généralement à ce moment-là. La planification requise par l’art. 83b LEaux a essentiellement un objectif de recensement et d’échelonnement des travaux (voir les art. 41f et 42b et l’Annexe 4a OEaux). Un rapport intermédiaire doit être remis à l’OFEV le 30 juin 2013, s’agissant des problématiques liées aux éclusées, et le 31 décembre 2013, en ce qui concerne le régime de charriage (annexe 4a OEaux). La planification proprement dite doit être soumise à cette même autorité d’ici au 31 décembre 2014 au plus tard. Le contenu du rapport intermédiaire et du rapport de planification est détaillé dans l’annexe 4a OEaux; par ailleurs, l’Office fédéral de l’environnement a donné des consignes aux cantons (OFEV, Rapport explicatif, 24).

17. La législation sur la pêche a pour sa part été complétée afin de préciser des obligations semblables à celles indiquées ci-dessus. Les autorités cantonales sont tenues de soumettre une planification des mesures, sur la base des art. 10 LFSP et 9b OLFP, dans le même délai que celui prévu à l’art. 83b al. 2 LEaux, soit d’ici au 31 décembre 2014; cependant, un rapport intermédiaire doit être soumis à l’Office fédéral de l’environnement d’ici au 31 décembre 2012, recensant les centrales hydrauliques existantes – comme leurs installations annexes – et indiquant différentes données quant aux entraves causées à la migration des poissons et la nécessité de prendre des mesures d’assainissement (annexe 4 OLFP). Le contenu des mesures que doit comprendre cette planification est détaillé dans l’annexe 4 OLFP.

B.            Montant des indemnités (al. 2)

18. Le montant de l’indemnité de la Confédération – lié, on l’a vu, à la planification des mesures relatives aux obligations découlant des art. 39a et 43a LEaux, et 10 LFSP – est fixé de manière précise par la loi, à hauteur de 35 %.

19. Cela signifie qu’il incombe aux cantons de mettre en place un mécanisme de financement pour la part de 65 % non rétribuée par la Confédération pour cette tâche (Jansen, Protection des eaux, 137 s.).

20. Contrairement au système d’indemnisation lié à d’autres mesures (telles celles relatives à la revitalisation des eaux [art. 62b al. 1 LEaux]) qui incluent également une étape de planification (art. 41d, 54a et 54b OEaux), aucune convention-programme n’est nécessaire pour l’obtention de la subvention relative à la planification dont les cantons ont la charge en vertu de l’art. 83b LEaux.

 

 

Zusammenfassung

Gemäss Art. 62c GSchG gewährt der Bund den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen für Massnahmen zur Reduktion nachteiliger Einwirkungen durch Schwall und Sunk, zum Erhalt des Geschiebehaushalts und zum Schutz der Fischfauna.

Die Abgeltung durch den Bund ist auf 35 % der anrechenbaren Kosten festgelegt und hängt von zwei formellen Bedingunngen ab. Einerseits muss der Kredit von der Mehrheit der Bundesversammlung gewährt werden. Andererseits muss die Planung bis zum 31. Dezember 2014 beim Bund eingereicht worden sein.

 

 

Bibliographie: Jansen Luc, Renaturation et adaptation du droit cantonal aux nouvelles dispositions de la législation fédérale sur la protection des eaux, in: DEP 2012, 126 ss (cit. Protection des eaux).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007); Motion Epiney (07.3311) «Renaturation des cours d’eau. Contre-projet à l’intiative populaire ‹Eaux vivantes›» du 6 juin 2007 (cit. Motion Epiney Renaturation); L’Office fédéral de l’environnement (OFEV), Rapport explicatif du 20 avril 2011, A) Initiative parlementaire Protection et utilisation des eaux (07.492) – Modification des ordonnances sur la protection des eaux, l’aménagement des cours d’eau et l’énergie, de même que de l’ordonnance relative à la loi fédérale sur la pêche, Berne 2011 (cit. Rapport explicatif).

Fehr-Bosshard Delia | Stocker Lukas​

 

Allgemeine Voraussetzungen für die Gewährung der Abgeltungen

Die Abgeltungen werden nur geleistet, wenn die vorgesehene Lösung auf einer zweckmässigen Planung beruht, einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleistet, dem Stand der Technik entspricht und wirtschaftlich ist.

Conditions générales d’octroi des indemnités

Les indemnités ne sont versées que si les mesures envisagées reposent sur une planification adéquate, assurent une protection efficace des eaux, sont conformes à l’état de la technique et sont économiques.

Condizioni generali per la concessione di indennità

Le indennità sono assegnate soltanto se la soluzione prevista risponde a una pianificazione efficace, garantisce una protezione adeguata delle acque, è conforme allo stato della tecnica ed è economica.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
​II. ​ ​Allgemeine Bemerkungen 3​
III. Kommentierung ​6
A. Zweckmässige Planung ​6
B. Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes 17
C. Stand der Technik 22
​D. ​Wirtschaftlichkeit 39

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Als Gegenvorschlag zur Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» vom 9. Oktober 1984 schlug der Bundesrat die Revision des GSchG 1971 vor (Botschaft GSchG 1987, 1062 f.; vgl. auch Vor Art. 61–66 GSchG). Der frühere Art. 33 Abs. 2 GSchG 1971 setzte voraus, dass auch die Kantone Beiträge für Gewässerschutzmassnahmen gewähren. Da mit den revidierten Bestimmungen ausschliesslich die Kantone verpflichtet wurden, die notwendigen Gewässerschutzmassnahmen zu treffen, haben auch nur die Kantone einen Anspruch auf die Leistungen des Bundes (Botschaft GSchG 1987, 1157 f.; vgl. zur Entstehungsgeschichte der Subventionsbestimmungen im GSchG Vor Art. 61–66 GSchG).

2. Der Wortlaut der Bestimmung stammt aus der am 1. November 1992 in Kraft getretenen Fassung des GSchG in Art. 62 Abs. 1 (Botschaft GSchG 1987, 1199). Die heutige Fassung besteht seit 1. November 1997, als der frühere Art. 62 Abs. 2 GSchG zum eigenständigen Art. 63 GSchG wurde (Botschaft GSchG 1996, BBl 1996 IV 1217).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Neben den in Art. 63 GSchG und in der jeweiligen Detailbestimmung des GSchG (Art. 61 ff.) enthaltenen Voraussetzungen für die Ausrichtung von Abgeltungen gelten die allgemeinen Vorgaben des Subventionsrechts auf Bundesebene sowie die Anforderungen an das rechtsstaatliche Handeln im Allgemeinen (vgl. Vor Art. 61–66 GSchG).

4. Die Subventionsbehörde des Bundes muss selbstverständlich auch prüfen, ob ein Projekt auch in anderer Hinsicht bundesrechtskonform ist (z.B. in Bezug auf die Forderungen des Umweltschutzes, einer rationellen Energieverwendung oder des Natur‑ und Landschaftsschutzes [Botschaft GSchG 1987, 1158]).

5. Die Anforderungen des Art. 63 GSchG gelten auch für die neuen Abgeltungen gemäss revidiertem GSchG für die Finanzierung von Massnahmen bei Abwasserreinigungsanlagen zur Elimination von organischen Spurenstoffen (Botschaft GSchG 2013, 5554).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Zweckmässige Planung

6. Das allgemeine Verwaltungsrecht verwendet den Begriff «Zweckmässigkeit» in verschiedenen Bereichen: Im Bereich der Ermessensausübung verlangt das pflichtgemässe Ermessen eine Angemessenheit bzw. Zweckmässigkeit (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 441). Staatliche Massnahmen werden unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit ebenfalls anhand ihrer Zweckmässigkeit geprüft (siehe z.B. zum Gebot einer zweckmässigen und rationellen Verwaltung, Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 618; Urteil des Verwaltungsgerichts SG B 2012/69/B 2012/70 vom 19. Dezember 2013, E. 2.2.1). Beim Entscheid über den Erlass einer Verfügung oder den Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Vertrages zur Regelung einer Angelegenheit spielt der Aspekt der Zweckmässigkeit eine Rolle. Es kann unter gewissen Voraussetzungen als zweckmässiger erscheinen, ein Verwaltungsrechtsverhältnis durch Vertrag statt durch Verfügung zu regeln (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1069).

7. Das Kriterium der Zweckmässigkeit kommt im GSchG und in der GSchV an verschiedenen Stellen vor: Die kantonale Behörde entscheidet über die zweckmässige Beseitigung von Abwasser, das für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht geeignet ist (Art. 12 Abs. 2 GSchG).

8. Baubewilligungen für Neu‑ und Umbauten dürfen ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen nur erteilt werden, wenn die zweckmässige Beseitigung des verschmutzten Abwassers durch besondere Verfahren gewährleistet ist (Art. 17 Bst. b GSchG). Für den Fall, dass Abwasser sich für die Behandlung in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage nicht eignet, muss die zweckmässige Beseitigung gewährleistet sein (Bst. c). Der Anschluss von verschmutztem Abwasser an die öffentliche Kanalisation ausserhalb von Bauzonen gilt als zweckmässig, wenn er sich einwandfrei und mit normalem baulichem Aufwand herstellen lässt (Art. 12 Abs. 1 Bst. a GSchV). Die Kantone sorgen für die Erstellung von generellen Entwässerungsplänen, die in den Gemeinden einen sachgemässen Gewässerschutz und eine zweckmässige Siedlungsentwässerung gewährleisten (Art. 5 Abs. 1 GSchV).

9. Die Bewilligungsbehörde kann die Anforderungen an die Bewilligung zur Einleitung von Industrie‑ oder anderem Abwasser in die öffentliche Kanalisation erleichtern, wenn dies für den Betrieb der Abwasserreinigungsanlage zweckmässig ist (Art. 7 Abs. 3 Bst. c GSchV). Wer Industrieabwasser ableitet, muss insbesondere dafür sorgen, dass verschmutztes Abwasser weder verdünnt noch mit anderem Abwasser vermischt wird. Die Verdünnung oder Vermischung ist nur erlaubt, wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist und dadurch nicht mehr Stoffe, die Gewässer verunreinigen können, abgeleitet werden als bei getrennter Behandlung (Anhang 3.2 Ziff. 1 Abs. 2 Bst. c GSchV).

10. Es ist verboten, feste und flüssige Abfälle mit dem Abwasser zu entsorgen, ausser wenn dies für die Behandlung des Abwassers zweckmässig ist (Art. 10 Bst. a GSchV).

11. Bei der Festlegung der Grundwasserschutzzonen umfasst die Zone S1 zur Verhinderung der Beschädigung oder Verschmutzung von Grundwasserfassungen und ‑anreicherungsanlagen sowie deren unmittelbaren Umgebung, die Grundwasserfassung oder –Anreiche-rungsanlage, den durch den Bohr‑ oder Bauvorgang aufgelockerten Bereich sowie, soweit zweckmässig, die unmittelbare Umgebung der Anlagen (Anhang 4 Ziff. 122 Abs. 1 und 2 GSchV). Die Grundwasserschutzareale werden so ausgeschieden, dass die Standorte der Grundwasserfassungen und ‑Anreicherungsanlagen zweckmässig festgelegt und die Grundwasserschutzzonen entsprechend ausgeschieden werden können (Anhang 4 Ziff. 13 GSchV).

12. Nach Art. 14 Abs. 1 SuG sind nur solche Aufwendungen anrechenbar, die für die zweckmässige Erfüllung der Aufgabe unbedingt erforderlich sind. Im Bereich der Bundesbeiträge im Gewässerschutz sind nur Kosten anrechenbar, die tatsächlich entstanden sind und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlich sind. Im Wasserbau bedarf es eines überzeugenden Konzepts, «das den Verlauf und die Wirkungen eines Ereignisses integral über das gesamte potenziell betroffene Gebiet hinweg betrachtet» (Hepperle, Naturgefahren, 53). Als anrechenbar und damit als Teil der zweckmässigen Erfüllung gelten auch die Kosten für Pilotanlagen und, bei Revitalisierungen von Gewässern, die Kosten des erforderlichen Landerwerbs (Art. 58 Abs. 1 GSchV).

13. Im Bereich des Hochwasserschutzes umfasst die Voraussetzung der zweckmässigen Planung für die Leistung von Bundesbeiträgen an Hochwasserschutzprojekte insbesondere folgende Teilgehalte: Die Abstimmung und Koordination mit anderen Interessen und Partnern ist sichergestellt; Doppelsubventionen sind ausgeschlossen; die Arbeiten liegen im öffentlichen Interesse; die Kostenbeteiligung orientiert sich an der Interessenlage; bei Zielkonflikten sind die getroffenen Wertungen begründet und das Projekt erfüllt die gesetzlichen Anforderungen der gesamten Bundesgesetzgebung (BWG, Wegleitung Hochwasserschutz, 27).

14. Bei einer Abfalldeponie verstösst der erst nachträglich erfolgende Einbau einer fachgerechten Abdichtung und Entwässerung gegen die Grundsätze der zweckmässigen Planung und der Wirtschaftlichkeit (Urteil des BGer vom 3. Oktober 1996, in: BR 1997, 95).

15. Das Gebot der Zweckmässigkeit kommt in vielen Regelungsbereichen vor, nicht nur im Gewässerschutz: Auch die Aufgabe der Raumplanung besteht darin, die zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens sicherzustellen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 932). Wohn‑ und Arbeitsgebiete müssen einander zweckmässig zugeordnet und durch das öffentliche Verkehrsnetz erschlossen werden (Art. 3 Abs. 3 Bst. a RPG).

16. Die Gerichte üben (auch in anderen Bereichen) Zurückhaltung bei der Prüfung der Ermessensausübung von Behörden: So prüft bspw. das Bundesverwaltungsgericht nur zurückhaltenddie Zweckmässigkeit einer durch den Verordnungsgeber angeordneten Massnahme: Das Bundesverwaltungsgericht kann prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützt oder Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn‑ oder zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt aber der Verordnungsgeber die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, sich zu deren wirtschaftlichen oder politischen Sachgerechtigkeit zu äussern (BVGer A‑718/2013 vom 27. De-zember 2013 m.w.H.).

B.            Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes

17. Der sachgemässe Gewässerschutz ist bei der Planung, beim Unterhalt und bei der Erneuerung von Abwasseranlagen im Rahmen der generellen Entwässerungsplanung zu gewährleisten (BAFU, Wegleitung Grundwasserschutz, 68).

18. Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden (Art. 15 Abs. 1 GSchG).

19. Die Kantone sorgen für die Erstellung eines regionalen Entwässerungsplanes, wenn zur Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes in einem begrenzten, hydrologisch zusammenhängenden Gebiet die Gewässerschutzmassnahmen der Gemeinden aufeinander abgestimmt werden müssen (Art. 4 Abs. 1 GSchV). Die Kantone sorgen für die Erstellung von generellen Entwässerungsplänen, die in den Gemeinden einen sachgemässen Gewässerschutz und eine zweckmässige Siedlungsentwässerung gewährleisten (Art. 4 Abs. 1 GSchV).

20. Die Behörde überprüft periodisch, ob die in den Bewilligungen festgelegten Anforderungen weiterhin einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten (Art. 15 Abs. 1 Bst. b GSchV).

21. Zur Gewährleistung eines sachgemässen Gewässerschutzes gehört auch eine angemessene Sanktionsregelung des Kantons bei Verstössen (vgl. den Hinweis auf eine kantonale Sanktionsregel bei Maurer, Bodennutzung, Fn. 37). Für die Beurteilung, ob die Programme der Kantone einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten, hört das BLW das BAFU an (Art. 62a Abs. 4 GSchG).

 

C.           Stand der Technik

22. Der Begriff «Stand der Technik» bezeichnet im Haftpflichtrecht das vom Recht geforderte sachgemässe, richtige Verhalten (Brunner, Technische Normen, 161 f.). Der Begriff wird sowohl im schweizerischen Umweltrecht als auch in der Gesetzgebung anderer Länder und in internationalen Gewässerschutzübereinkommen verwendet (BUWAL, Strassenabwasserbehandlungsverfahren, 9). Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auf Bundesebene auch in anderen Bereichen des Umweltrechts eine Rolle spielt.

23. So nennt bspw. das USG den Stand der Technik als Voraussetzung zur Gewährung von Abgeltungen von Massnahmen im Bereich der Untersuchung und Sanierung von abfallbelasteten Standorten (Art. 32e Abs. 4 USG). Als Stand der Technik gilt im USG, was technisch und betrieblich möglich ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Fossil-thermische Kraftwerke dürfen nur erstellt und betrieben werden, wenn sich deren Betreiber dem Bund gegenüber verpflichten u.a. das Kraftwerk nach dem aktuellen Stand der Technik zu betreiben (Art. 22 Abs. 1 Bst. b CO2-Gesetz). Die EnV verlangt zur Unterstützung von Massnahmen zur sparsamen und rationellen Energienutzung sowie zur Nutzung von Abwärme und erneuerbaren Energien u.a., dass die Massnahme dem Stand der Technik entspricht (Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. a EnV). Fluglärmimmissionen werden grundsätzlich durch Berechnungen nach dem anerkannten Stand der Technik ermittelt (Art. 38 Abs. 2 LSV). Auch im Bereich der Altlastensanierung müssen Untersuchungs‑, Überwachungs‑ und Sanierungsmassnahmen dem Stand der Technik entsprechen (Art. 4 AltlV). In der LRV wird der Stand der Technik zur Bestimmung des maximal zulässigen Werts von Feststoffpartikel bei den Emissionen von Baumaschinen (Art. 31 Abs. 2 LRV) und für die Anforderungen an Messverfahren sowie Prüfabläufe von Partikelfiltersystemen genannt (Art. 32 Abs. 2 LRV).

24. Das Kriterium des Stands der Technik tritt im GSchG und in der GSchV an verschiedenen Stellen auf, wird aber als dynamische Verweisungsnorm auch dort nicht im Detail präzisiert (BAFU, Stand der Technik, 6; vgl. dazu auch Stutz, Herausforderungen; Stutz, Abwasserrecht, 125 ff.; Wagner Pfeiffer, Umweltrecht II, N 860 ff., 876 f.; Brunner, Nutzbarmachung technische Normen, 28 f.): Gemäss Art. 22 Abs. 3 und 4 GSchG dürfen Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten nur von Personen erstellt, geändert, kontrolliert, befüllt, gewartet, entleert und ausser Betrieb gesetzt werden, die auf Grund ihrer Ausbildung, Ausrüstung und Erfahrung gewährleisten, dass der Stand der Technik eingehalten wird; nach Art. 27 Abs. 1 GSchG sind Böden entsprechend dem Stand der Technik so zu bewirtschaften, dass die Gewässer nicht beeinträchtigt werden. Der Bund kann sich gemäss Art. 57 Abs. 2 GSchG an der Entwicklung von Anlagen und Verfahren, mit denen der Stand der Technik im allgemeinen Interesse des Gewässerschutzes, insbesondere durch Massnahmen an der Quelle, erhöht wird, finanziell beteiligen.

25. Art. 13 Abs. 1 GSchG verlangt Verfahren nach dem Stand der Technik für die Abwasserbeseitigung ausserhalb des Bereichs öffentlicher Kanalisationen. Art. 14 Abs. 2 GSchG hält für Betriebe mit Nutztierhaltung fest, dass Hofdünger entsprechend dem Stand der Technik landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden muss. Nach Art. 9 Abs. 2 GSchV muss Abwasser aus der Aufbereitung von Hofdüngern, der hors-sol-Produktion und ähnlichen pflanzenbaulichen Verfahren umweltverträglich und entsprechend dem Stand der Technik landwirtschaftlich oder gartenbaulich verwertet werden. Nach Anhang 3.2 Ziffer 1 GSchV muss, wer Industrieabwasser ableitet, bei Produktionsprozessen und bei der Abwasserbehandlung die nach dem Stand der Technik notwendigen Massnahmen treffen, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Auf Verordnungsstufe findet sich an dieser Stelle eine Präzisierung des Stands der Technik im Gewässerschutzrecht (Mettler, Stand der Technik, 37): Massnahmen müssen nach dem Stand der Technik insbesondere dafür sorgen, dass «so wenig abzuleitendes Abwasser anfällt und so wenig Stoffe, die Gewässer verunreinigen können, abgeleitet werden, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist» (Anhang 3.2 Ziffer 1 Abs. 2 Bst. a GSchV). Der Begriff «Stand der Technik» setzt sich daher aus den Begriffen «technisch und betrieblich möglich» und «wirtschaftlich tragbar» zusammen (Mettler, Stand der Technik, 37).

26. Was der Stand der Technik umfasst, regelt das GSchV aber nur punktuell. Damit bei der Einleitung von Industrieabwasser (verschmutztem Abwasser aus Branchen, Prozessen und Anlagen) in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation der Stand der Technik eingehalten ist, müssen insbesondere normierte Anforderungen an Durchlauf‑ und Kreislaufkühlung, Baustellen, Fassaden‑ und Tunnelreinigung, Deponien, Kiesaufbereitung, Fischzuchtanlagen und Schwimmbecken eingehalten werden (Anhang 3.3 Ziffer 1 f. GSchV). In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich im Entscheid Urdorf festgehalten, dass der «Stand der Technik eine ständige Weiterentwicklung erfährt und Massnahmen, die diesem noch vor kurzem entsprochen hätten, bald als überholt angesehen würden». Aus diesem Grund könne vom Verpflichteten (hier der Inhaber eines Betriebs) auch verlangt werden, sich über neue Behandlungsmethoden zu informieren, entsprechende Versuche durchzuführen und der zuständigen Behörde darüber Bericht zu erstatten (Urteil des Verwaltungsgerichts ZH VB.2005.00059 vom 11. Mai 2005, E. 3, in: URP 2005, 746 f.; Botschaft USG 1979, 823).

27. Für das technische Anforderungsniveau verlangt das Gewässerschutzrecht zumindest «ein bestimmtes technologisches Niveau bzw. ein[en] fortschrittlicher[n] Entwicklungsstand» und dass sich Verfahren in der Praxis bewährt haben (Urteil des Verwaltungsgerichts BE VGE 100.2008.23260 vom 12. Januar 2009, E. 4.4, in: URP 2009, 656; BAFU, Stand der Technik, 9). Es ist aber gemäss Lehre nicht erforderlich, dass ein neues Verfahren bereits allgemein anerkannt ist (Mettler, Stand der Technik, 38 m.w.H.).

28. In der LRV gelten Massnahmen zur Emissionsbegrenzung als technisch und betrieblich möglich, die bei vergleichbaren Anlagen im In‑ oder Ausland erfolgreich erprobt sind oder bei Versuchen erfolgreich eingesetzt wurden und nach den Regeln der Technik auf andere Anlagen übertragen werden können (Art. 4 Abs. 2 LRV). Damit ein neues Verfahren die Anforderung an den Stand der Technik erhöht, muss es in Bezug auf die Emissionsverminderung wirksamer als bisher dem Stand der Technik entsprechende Verfahren sein (Kohler, Verhältnismässigkeitsprinzip, 305).

29. Bewilligungsbehörden können anordnen, dass ein bewilligter Betrieb eine Anpassung an den Stand der Technik vornimmt. Diese Beurteilung bemisst sich insbesondere nach folgenden Kriterien (BAFU, Stand der Technik, 11): Einhaltung der Anforderungen der bestehenden Einleitungsbewilligung; internationale Verpflichtungen mit Fristen zur Anwendung des Standes der Technik, innerhalb derer die Einleitungsbewilligungen anzupassen sind; Dringlichkeit aufgrund der ungenügenden Wasserqualität des Gewässers; Störungen beim Betrieb der Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage; Erfüllbarkeit der verlangten Anforderungen durch die Abwasserreinigungsanlage; unverhältnismässige Verunreinigungen der Gewässer, die mit dem neuen Stand der Technik massgebend verringert werden könnte; Betriebs‑ oder Produktionsumstellungen in absehbarer Zeit, die eine Anpassung an den Stand der Technik sinnvoll erscheinen lassen; Alter der Anlage und Abschreibung; Absichten, die Produktionsprozesse in absehbarer Zeit aufzugeben. Eine Veranlassung zur Anpassung an den Stand der Technik muss ausreichend begründet werden können und darf keine Verlagerung der Emissionen in andere Bereiche und keine unverhältnismässig hohen Energiekosten ohne Nutzen für die Umwelt zur Folge haben.

30. Mit der Voraussetzung des Stands der Technik im GSchG und GSchV wollte der Gesetz‑ und Verordnungsgeber erreichen, dass Fortentwicklungen der technischen Möglichkeiten in der Praxis laufend umgesetzt werden können, ohne dass jeweils eine formelle Rechtsänderung nötig ist (vgl. Stutz, Abwasserrecht, 107; BAFU, Stand der Technik, 9).

31. Das Kriterium der betrieblichen Möglichkeit deutet darauf hin, dass eine Massnahme nur dann als dem Stand der Technik entspricht, wenn sie in einer Anlage nach den spezifischen Gegebenheiten sinnvoll in die Arbeits‑ und technischen Abläufe integriert werden kann (Mettler, Stand der Technik, 38).

32. Daneben muss kumulativ auch die wirtschaftliche Tragbarkeit vorliegen, damit eine Massnahme zum Stand der Technik gehört (Mettler, Stand der Technik, 38).

33. Dieses Kriterium ist verbreitet im GSchG und in der GSchV: Der Bund leistet im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen an Massnahmen der Landwirtschaft zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung von Stoffen, wenn kumulativ die Massnahmen zur Erfüllung der Anforderungen an die Wasserqualität der ober‑ und unterirdischen Gewässer erforderlich sind, der betreffende Kanton die Gebiete, in denen die Massnahmen erforderlich sind, bezeichnet und die vorgesehenen Massnahmen aufeinander abgestimmt hat und die Massnahmen wirtschaftlich nicht tragbar sind (Art. 62a Abs. 1 GSchG).

34. Die Inhaber von Abwasserreinigungsanlagen, die Abwasser in ein Gewässer einleiten, und die Inhaber von Betrieben, die Industrieabwasser in eine Abwasserreinigungsanlage ableiten, müssen zur Verminderung des Risikos einer Gewässerverunreinigung durch ausserordentliche Ereignisse die geeigneten und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen treffen (Art. 16 Abs. 1 GSchV).

35. Bevor eine Behörde eine Spülung oder Entleerung eines Stauraumes bewilligt, stellt sie sicher, dass die Sedimente anders als durch Ausschwemmung entfernt werden, wenn dies umweltverträglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 42 Abs. 1 GSchV).

36. Wer Industrieabwasser ableitet hat insbesondere dafür sorgen, dass so wenig abzuleitendes Abwasser anfällt und so wenig Stoffe, die Gewässer verunreinigen können, abgeleitet werden, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Anhang 3.2 Ziffer 1 Abs. 2 Bst. a GSchV).

37. Die wirtschaftliche Durchführbarkeit ist aber nicht identisch mit individueller betriebswirtschaftlicher Vertretbarkeit oder Zumutbarkeit (BAFU, Stand der Technik, 9). In Anlehnung an Art. 4 Abs. 1 und 3 LRV beurteilt sich die wirtschaftliche Tragbarkeit einer Massnahme vielmehr nach der ökonomischen Durchführung bzw. Zumutbarkeit im Hinblick auf die Liquidität eines durchschnittlichen und wirtschaftlich gesunden Modellbetriebs der betreffenden Branche (Mettler, Stand der Technik, 38 f. m.w.H., BAFU, Stand der Technik, 9).

38. Der Bund konkretisiert den Stand der Technik mittels Vollzugshilfen (BAFU, Gewässerschutzbestimmungen, 48, 73), z.B. die Vollzugshilfe des ASTRA zum Stand der Technik für Strassenabwasserbehandlungsverfahren (ASTRA, Strassenabwasserbehandlungsverfahren) und des BUWAL zum Stand der Technik bei der Einleitung von Abwässer aus Kehrichtverbrennungsanlagen (BUWAL, Kehrichtverbrennungsanlagen). Die Entscheidungen sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall zu treffen (zur weiteren Übersicht über die Kasuistik zum Stand der Technik siehe Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012). Die Revision des GSchG 2014 zur Elimination von Mikroverunreinigung erhöht den Stand der Technik der Abwasserreinigungsanlagen in dieser Hinsicht (Föry, Abwasserreinigung).

D.           Wirtschaftlichkeit

39.Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit ist an verschiedenen Stellen im GSchG verankert: Die Kantone sorgen für die Erstellung öffentlicher Kanalisationen und zentraler Anlagen zur Reinigung von verschmutztem Abwasser aus bestehenden Gebäudegruppen ausserhalb von Bauzonen, für welche die besonderen Verfahren der Abwasserbeseitigung (Art. 13 GSchG) keinen ausreichenden Schutz der Gewässer gewährleisten oder nicht wirtschaftlich sind (Art. 10 Abs. 1 Bst. b GSchG). Die Kantone sorgen für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen (Art. 10 Abs. 1bis GSchG). Sie sorgen für die Revitalisierung von Gewässern und berücksichtigen dabei den Nutzen für die Natur und die Landschaft sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich aus der Revitalisierung ergeben (Art. 38a Abs. 1 GSchG).

40. Verbreiteter im Gewässerschutzrecht ist der Begriff der wirtschaftlichen Tragbarkeit (vgl. bereits zum Stand der Technik N 22 ff.).

41. Das BAFU (vormals BUWAL) hat die Beitragsberechtigung verschiedener Aufwendungen eines Projekts (im Bereich Schutzbauten und Gefahrengrundlagen) in einer Richtlinie näher erläutert. Ganz oder teilweise beitragsberechtigt sind insbesondere (Ingenieur‑)Honorare, technische Dienstleistungen der Kantons‑ und Gemeindeverwaltung und die damit verbundenen Kosten für Personal, Bauarbeiten, die örtliche Bauleitung und der Lohn des Klärwerkpersonals, Objektschutzmassnahmen, Schadensabgeltung, Haftpflichtversicherung der Bauherrschaft für Spezialarbeiten, Erwerb von Land und Liegenschaft, Verlegung von Bauten und Anlagen. Insbesondere nicht beitragsberechtigt sind administrative Leistungen des Kantons und der Gemeinden, mobile Schutzmassnahmen, Ableitung von Grundwasser und von Regenwasser, Messeinrichtungen, Infoveranstaltungen und die nach der Abnahme der Anlage entstehenden Kosten, insbesondere für die Betriebseinfahrphase (BUWAL, Abgeltungen Abwasseranlagen, 15 f.; BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, 144 f.).

 

 

Résumé

Les conditions générales d’octroi des indemnités de l’art. 63 LEaux s’appliquent en plus des dispositions sur les subventions fédérales et celles de la LEaux. En vertu de cette disposition, les indemnités ne sont versées que si les mesures envisagées reposent sur une planification adéquate. Bien que le critère de l’adéquation figure dans le droit administratif général et dans le droit de la protection des eaux à maintes reprises, il n’y a qu’une maigre jurisprudence quant à son contenu en droit de la protection des eaux. Les mesures envisagées doivent également assurer une protection efficace de l’eau. Les cantons doivent en autre établir un régime de sanctions adéquat pour les infractions. Les mesures doivent être conformes à l’état de la technique. L’état de la technique est une notion très large qui doit permettre de prendre en considération un niveau de développement avancé. Par exemple, la procédure doit en pratique déjà avoir prouvé son efficacité pour appartenir à l’état de la technique. Il n’est toutefois pas nécessaire que la procédure soit généralement acceptée. Les mesures doivent enfin être économiques. Ce critère n’a pas été concrétisé par la jurisprudence. Il existe toutefois des directives de l’OFEV qui contiennent des points de repère sur les coûts déterminants.

 

 

Literatur: Brunner Andreas, Technische Normen in Rechtsetzung und Rechtsanwendung, Diss. Basel 1991 (zit. Technische Normen); Brunner Andreas, Möglichkeiten der Nutzbarmachung von technischen Normen in Rechtssätzen und Vollzugshilfen, Rechtsgutachten im Auftrag des BAFU, Reinach 2008 (zit. Nutzbarmachung technische Normen); Föry Désirée, Bessere Abwasserreinigung – Verschärfung im Gewässerschutz, in: NZZ 4.3.2014, 11 (zit. Abwasserreinigung); Kohler Simone, Vorsorgliche Emissionsbegrenzung und Kanalisationsanschlusspflicht im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips, in: URP 2010, 297 ff. (zit. Verhältnismässigkeitsprinzip); Maurer Hans, Beschränkung und Lenkung der landwirtschaftlichen Bodennutzung und Entschädigungsfragen, in: URP 2002, 616 ff. (zit. Bodennutzung); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Abwässer aus Kehrichtverbrennungsanlagen – Empfehlungen für die Untersuchung und Beurteilung, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 43, Bern 2004 (zit. Kehrichtverbrennungsanlagen); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Gassner Anita), Gewässerschutzbestimmungen in der Landwirtschaft – Ein internationaler Vergleich, Umwelt-Wissen Nr. 0618, Bern 2006 (zit. Gewässerschutzbestimmungen); Bundesamt für Strassen (ASTRA)/Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Steiner Michele/Goosse Patrice/Rutz Felix et al.), Strassenabwasserbehandlungsverfahren: Stand der Technik, Dokumentation ASTRA 88002, Bern 2010 (zit. Strassenabwasserbehandlungsverfahren).

​Fehr-Bosshard Delia​ | Stocker Lukas​

 

Grundlagenbeschaffung, Ausbildung und Aufklärung

1         Der Bund kann den Kantonen im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen leisten für die Ermittlung der Ursachen der ungenügenden Wasserqualität eines wichtigen Gewässers im Hinblick auf die Sanierungsmassnahmen.

2         Er kann Finanzhilfen an die Ausbildung von Fachpersonal und an die Aufklärung der Bevölkerung gewähren.

3         Er kann die Erstellung kantonaler Inventare über Wasserversorgungsanlagen und Grundwasservorkommen im Rahmen der bewilligten Kredite durch Abgeltungen sowie durch eigene Arbeiten unterstützen, wenn:

a.       diese Inventare nach den Richtlinien des Bundes erstellt werden; und

b.       die Gesuche vor dem 1. November 2010 eingereicht werden.

4         Die Leistungen des Bundes betragen höchstens 40 Prozent der Kosten.

Etudes de base, formation et information

1         Dans les limites des crédits accordés, la Confédération peut allouer aux cantons des indemnités pour des recherches portant sur les causes de l’insuffisance qualitative d’une eau importante, en vue de déterminer les mesures d’assainissement à prendre.

2         Elle peut allouer des aides financières pour la formation de personnel spécialisé et pour l’information de la population.

3         Dans les limites des crédits accordés, elle peut soutenir, par des indemnités et par ses propres travaux, l’établissement des inventaires cantonaux des installations pour l’approvisionnement en eau et des inventaires des nappes souterraines, pour autant que:

a.       ces inventaires soient dressés selon les directives de la Confédération;

b.       les requêtes soient déposées avant le 1er novembre 2010.

4         Les prestations de la Confédération ne peuvent dépasser 40 % des coûts.

Studi di base, formazione e informazione

1         Entro i limiti dei crediti stanziati, la Confederazione può assegnare ai Cantoni indennità per ricerche sulle cause della insufficiente qualità di acque importanti, al fine di stabilire le misure di risanamento necessarie.

2         Essa può assegnare aiuti finanziari per la formazione di personale specializzato e per l’informazione della popolazione.

3         Entro i limiti dei crediti stanziati, essa può sostenere mediante indennità e lavori condotti per proprio conto la compilazione di inventari cantonali degli impianti per l’approvvigionamento in acqua, nonché delle falde freatiche, purché:

a.       gli inventari siano allestiti conformemente alle direttive federali; e

b.       le domande siano presentate prima del 1° novembre 2010.

4             Le prestazioni della Confederazione ammontano al massimo al 40 per cento dei costi.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen 5
III. Kommentierung 6
A. Abgeltungen für die Ermittlungen der Ursachen ungenügender
Wasserqualität (Abs. 1)
6
B. Finanzhilfen an die Ausbildung von Fachpersonal und Aufklärung der
Bevölkerung (Abs. 2)
10
C. Abgeltungen für die Erstellung kantonaler Inventare (Abs. 3) 12
D. Obergrenze Leistungen des Bundes (Abs. 4) 14

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Gestützt auf Art. 10 GSchG 1955 förderte der Bund «durch eigene Arbeiten und durch Unterstützung der Tätigkeit Dritter die Forschung und Versuche zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung sowie die systematische Untersuchung von Seen und Flussgebieten». Im Gegensatz zur Subventionierung von Abwasseranlagen hatte sich der Bund bei der finanziellen Unterstützung dem Gewässerschutz dienenden Forschung und Versuchen sowie der systematischen Untersuchung von Seen und Flüssen stets aufgeschlossen gezeigt (Schindler, Rechtsfragen, 477; vgl. Komm. zu Art. 61 N 1; 62 GSchG N 1). Die Hauptaufgabe kam der an die ETH angeschlossenen Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz zu, aber auch Arbeiten von Kantonen, Gemeinden, Fachverbänden oder Privaten wurden unterstützt. Ausserdem wurden Forschungsprogramme zur Entwicklung von Verbrennungsanlagen für Abfälle aufgestellt (Schindler, Rechtsfragen, 477).

2. Die Bestimmung wurde in Art. 34 GSchG 1971 übernommen und durch weitere Subventionstatbestände ergänzt. So leistete der Bund neu Beiträge an die siedlungswasserwirtschaftliche Planung, die allgemeine Aufklärungstätigkeit und an den Bau von Gewässerschutzlaboratorien. Zudem wurden Beiträge an die Ausbildung von Fachpersonal ausgerichtet, da der damalige Mangel in vielen Kantonen an geschulten Gewässerschutzfachpersonen als eine zentrale Ursache für das langsame Voranschreiten der erforderlichen Massnahmen für den Gewässerschutz galt (Botschaft GSchG 1970, 468 f.). Weitere Änderungen brachte die Einführung des SuG, welches bestimmte, dass Beiträge nach Art. 33 und 34 GSchG 1971 im Rahmen der bewilligten Kredite zu leisten sind (Art. 35 GSchG 1971 i.d.F. vom 5. Oktober 1990).

3. Die GSchG-Revision vom 24. Januar 1991 brachte bezüglich Unterstützungsleistungen an die Kantone bei Untersuchungen gewisse Kürzungen (Botschaft GSchG 1987, 1159 f.). Gemäss Art. 64 Abs. 1 Bst. a und b GSchG 1991 konnte der Bund neu noch Beiträge an die Ermittlung der Ursachen der ungenügenden Wasserqualität eines wichtigen Gewässers im Hinblick auf die Sanierungsmassnahmen sowie zur Bestimmung nutzbarer Grundwasservorkommen von wesentlicher Bedeutung leisten. Beibehalten wurde das Engagement des Bundes bei der Ausbildung von Fachpersonal und der Aufklärung der Bevölkerung. Neu eingeführt wurde eine klare Rechtsgrundlage für die Beteiligung des Bundes an der Erstellung des Wasserversorgungsatlasses (Art. 64 Abs. 2 und 3 GSchG 1991 i.d.F. vom 24. Januar 1991Botschaft GSchG 1987, 1160).

4. Die geltende Fassung wurde durch die NFA eingefügt. Dabei kam es zu einer weiteren Reduktion von Subventionstatbeständen und einer zeitlichen Befristung der Beitragsberechtigung von Bundesbeiträgen (Botschaft NFA 2005, 6190).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

5. Die Bestimmung fällt in den Geltungsbereich des Subventiongesetzes (Art. 2 Abs. 1 SuG), zu beachten sind insbesondere Art. 9 f. SuG und Art. 11 bis 40 SuG, solange das GSchG nichts Abweichendes vorschreibt (Art. 2 Abs. 2 SuG; Vallender/Lehne/Hettich, Wirtschaftsfreiheit, 321). Verschiedene Erlasse im Umweltrecht beinhalten ebenfalls Bestimmungen betreffend Forschung, Ausbildung und Information. Das NHG kennt mit Art. 14a Abs. 1 NHG bspw. ebenso wie das USG mit Art. 49 Abs. 1 und 2 USG Bestimmungen über Beiträge an Forschung und Ausbildung, auch das WaG enthält Bestimmungen über Bundesbeiträge für die Ausbildung, Forschung und Entwicklung (Art. 29 und 31 WaG) und im BGF finden sich ebenfalls Bestimmungen zu Bundesbeiträgen, bspw. an die Forschung (Art. 12 Abs. 1 Bst. b BGF) (Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 49 N 6; BAFU, Rechtsgutachten biodiversitätsrelevante Gesetzgebung, 61).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Abgeltungen für die Ermittlungen der Ursachen ungenügender Wasserqualität (Abs. 1)

6. Der Bund kann im Rahmen der bewilligten Kredite Abgeltungen leisten. Der Gesetzgeber gewährt dem Bund durch die Verwendung einer Kann-Bestimmung und eines Kreditvorbehalts bei der Ausrichtung der Beiträge finanzpolitische Flexibilität (Kiener, Kommentar USG, Art. 49 N 7; Botschaft SuG 1986, 405 f., 418 f.; zu den Begriffen: bewilligte Kredite und Abgeltungen kann auf Vor Art. 61–66 GSchG N 23, 32 und Komm. zu Art. 61 GSchG N 11 f. verwiesen werden). Beitragsempfänger ist der Kanton. Die Abgeltungen werden gemäss Art. 64 Abs. 1 GSchG i.V.m. Art. 55 Abs. 1 GSchV einzeln und durch Verfügung gewährt und geleistet, soweit die Projekte den Zustand des Gewässers und dessen Zuflüsse betreffen (BAFU, Handbuch Programmvereinbarungen, 24). Die Zahlungen richten sich nach Art. 61c–61f GSchV und werden vom BAFU gewährt. Bei mangelhafter Erfüllung oder Zweckentfremdung kann das BAFU Massnahmen nach Art. 61e GSchV ergreifen. Es können Beiträge zurückbehalten werden, die Unterlassung oder Rückgängigmachung der Zweckentfremdung verlangt und schliesslich die Beiträge zurückgefordert werden. Ausserdem bestehen nach Art. 61f i.V.m. Art. 61a GSchV auch bei im Einzelfall ausgerichteten Abgeltungen gewisse Berichterstattungspflichten der Kantone und Kontrollpflichten des BAFU (vgl. auch Komm. zu Art. 66 GSchG N 4). Die Abgeltungen betragen 30 % und werden an die tatsächlich entstandenen und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlichen Kosten entrichtet. Dazu gehören auch die Kosten für Pilotanlagen, ebenfalls Abgeltungen ausgerichtet werden an Voruntersuchungen (Art. 55 Abs. 2 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 GSchV; BLW, Bundesbeiträge Wasserqualität).

7. Die Abgeltungen können geleistet werden zur «Ermittlung der Ursachen der ungenügenden Wasserqualität eines wichtigen Gewässers im Hinblick auf die Sanierungsmassnahmen». Bei den Gewässern kann es sich sowohl um Oberflächengewässer als auch Grundwasser handeln. Als Beispiel für Oberflächengewässer wurde die damalige Zuflussuntersuchung beim Neuenburgersee erwähnt, welche aufgrund des sich damals verschlechternden Seezustandes dazu diente, Lücken im Sanierungskonzept zu schliessen und die günstigsten Massnahmen zu ermitteln. Beim Grundwasser wird darauf verwiesen, dass Kenntnisse über dessen Vorkommen die Grundlage für einen wirksamen Schutz bilden würden. Der Bund unterstützt deshalb die Ermittlung systematischer Basisinformationen (Botschaft GSchG 1987, 1159 f.). Von einem «wichtigen Gewässer» sprechen die Bundesbehörden bei einem Zuströmbereich (ZU) von durchschnittlich rund 10 ha, einer Entnahmemenge von rund 50 l/min oder dem Bedarf von rund 350 Personen (BAFU, Pauschalabgeltungen Hydrogeologie).

8. Art. 64 Abs. 1 GSchG ist vor allem im Zusammenhang mit Art. 62a GSchG von Bedeutung. So führte der Bundesrat aus, dass im Rahmen von Art. 64 Abs. 1 GSchG u.a. Vorarbeiten im Zusammenhang mit den Abgeltungen für Massnahmen der Landwirtschaft abgegolten werden sollen (Botschaft NFA 2005, 6190). Dabei sind etwa folgende Untersuchungen grundsätzlich abgeltungsberechtigt: hydrogeologische Untersuchungen zur Bestimmung des Zuströmbereichs (ZU), die Kartierung des Risikos der Nitratauswaschung, die Ausscheidung von Projektgebieten, die Inventarisierung und kartographische Darstellung der heutigen Situation der Bodenbewirtschaftung im Projektgebiet sowie die Simulation der Nitratauswaschung im Ist‑ und im Soll‑Zustand (BLW, Bundesbeiträge Wasserqualität).

9. Nicht über Art. 64 GSchG abgegolten werden können etwa Vertragsverhandlungen mit Landwirten, die Ausarbeitung der Soll‑Bewirtschaftung, Berechnungen der Ertragsausfälle, die landwirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Beratung der betroffenen Landwirte, die Erarbeitung von neuen Bewirtschaftungsplänen, das Durchführen von Informationsveranstaltungen, die Koordinierung und Zusammenstellung des Projektdossiers oder Projektumsetzungen und ‑evaluationen (BLW, Bundesbeiträge Wasserqualität).

B.            Finanzhilfen an die Ausbildung von Fachpersonal und Aufklärung der Bevölkerung (Abs. 2)

10. Abs. 2 bestimmt, dass der Bund Finanzhilfen an die Ausbildung von Fachpersonal und an die Aufklärung der Bevölkerung gewähren kann (zum Begriff der Finanzhilfe, vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 22). Beitragsberechtigt sind gemäss Wortlaut im Vergleich zu Art. 64 Abs. 1 GSchG nicht nur die Kantone, die Gesuchstellung steht somit auch Privaten und Gemeinden offen. Die Bestimmung wird durch Art. 56 GSchV präzisiert. Art. 56 Abs. 1 GSchV bestimmt, dass die Finanzhilfen für die Ausbildung von Fachpersonal bis zu 25 % der Kosten beträgt bzw. bis zu 40 % der Kosten, wenn das Vorhaben im Verhältnis zur Anzahl der voraussichtlich Teilnehmenden besonders aufwendig ist. Finanzhilfen für die Aufklärung der Bevölkerung können dann gewährt werden, wenn das Vorhaben von gesamtschweizerischer Bedeutung ist und die Aufklärungsunterlagen für die Verbreitung in der ganzen Schweiz zur Verfügung gestellt werden (Art. 56 Abs. 2 GSchV). Gemäss Art. 56 Abs. 2 GSchV betragen die Finanzhilfen für die Aufklärung der Bevölkerung bis zu 40 % der Kosten für die Erstellung von Unterlagen und bis zu 20 % der Kosten für die Durchführung von Informationskampagnen.

11. Die Finanzhilfen für die Ausbildung von Fachpersonal und die Aufklärung der Bevölkerung werden vom BAFU einzeln gewährt (Art. 56 Abs. 4 GSchV). Ebenfalls zu beachten sind Art. 61c–61f GSchV.

 

C.           Abgeltungen für die Erstellung kantonaler Inventare (Abs. 3)

12. Die Kantone haben gemäss Art. 58 Abs. 2 GSchG ein Inventar über die Wasserversorgungsanlagen und das Grundwasservorkommen auf ihrem Gebiet zu erstellen (vgl. hierzu Komm. zu Art. 58 GSchG N 12 ff.). Der Bund kann die Kantone im Rahmen der bewilligten Kredite durch Abgeltungen sowie durch eigene Arbeiten bei der Erstellung unterstützen, wenn diese Inventare nach den Richtlinien des Bundes erstellt und die Gesuche vor dem 1. November 2010 eingereicht werden. Die Abgeltungen betragen 40 % der anrechenbaren Kosten (Art. 55 Abs. 2 GSchV).

13. Die für die Gesuchstellung massgebliche Frist ist abgelaufen, weshalb die Bestimmung grundsätzlich gestrichen werden könnte.

 

D.           Obergrenze Leistungen des Bundes (Abs. 4)

14. Gemäss Abs. 4 betragen die Leistungen des Bundes höchstens 40 % der Kosten. Teilweise werden in der GSchV aber auch tiefere Höchstsätze genannt, wie in Art. 55 Abs. 2 GSchV, wo Abgeltungen für die Grundlagenbeschaffung 30 % betragen oder Art. 56 Abs. 3 Bst. a GSchV, welcher bestimmt, dass die Finanzhilfen für die Aufklärung der Bevölkerung bei der Durchführung von Informationskampagnen 20 % der Kosten betragen.

 

Résumé

Selon l’art. 64 LEaux, la Confédération peut, dans les limites des crédits accordés, allouer des indemnités aux cantons. Le législateur permet à la Confédération, par l’utilisation d’une disposition facultative et de réserve quant aux crédits disponibles, une flexibilité budgétaire lors du paiement des subventions. Le bénéficiaire des subventions est le canton. Les indemnités peuvent être allouées pour des recherches portant sur les causes de l’insuffisance qualitative d’une eau importante (superficielle ou souterraine) en vue de déterminer les mesures d’assainissement à prendre. Selon les autorités fédérales, une eau est importante lorsque cela correspond à une aire (ZU) moyenne d’environ 10 ha, à un débit de prélèvement d’environ 50 l/min ou à la consommation d’environ 350 personnes.

L’al. 2 de l’art. 64 LEaux prévoit que la Confédération peut allouer des aides financières pour la formation du personnel spécialisé et pour l’information de la population. Cette disposition est précisée à l’art. 56 OEaux. Vu que les délais de l’al. 3 ont expiré, la disposition peut donc par principe être biffée. Selon l’al. 4, les prestations de la Confédération ne peuvent dépasser 40 % des coûts. Les dispositions de l’OEaux prévoient des taux plus bas (par ex. art. 55 al. 2 OEaux).

 

 

Literatur: Vallender Klaus A./Hettich Peter/Lehne Jens, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung – Grundzüge des Wirtschaftsverfassungs‑ und Wirtschaftsverwaltungsrechts, 4. Aufl., Bern 2006 (zit. Wirtschaftsfreiheit).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen vom 15. Dezember 1986, BBl 1987 I 369 ff. (zit. Botschaft SuG 1986); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Zimmermann Willi/Keel Alois), Rechtsgutachten zu den Schwächen in der biodiversitätsrelevanten Gesetzgebung und entsprechenden Verbesserungsmöglichkeiten, Zürich 2010 (zit. Rechtsgutachten biodiversitätsrelevante Gesetzgebung); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Pauschalabgeltungen Hydrogeologie, <www.blw.admin.ch/themen/00421/00427
/00437/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCEdYR_gWym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A–>, 20.5.2010 (zit. Pauschalabgeltungen Hydrogeologie); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Ermittlung der Ursachen der ungenügenden Wasserqualität: Bundesbeiträge, 14.4.2014 (zit. Bundesbeiträge Wasserqualität).

Fehr-Bosshard Delia​​ | Stocker Lukas​

 

Risikogarantie

Der Bund kann für Erfolg versprechende neuartige Anlagen und Einrichtungen eine Risikogarantie übernehmen. Diese darf 60 Prozent der anrechenbaren Kosten nicht übersteigen.

Garantie contre les risques

La Confédération peut accorder une garantie contre les risques relatifs aux installations et équipements qui recourent à des techniques nouvelles prometteuses. Cette garantie ne dépassera pas 60 % des coûts imputables.

Garanzia contro i rischi

La Confederazione può assumere una garanzia contro i rischi per gli impianti, le installazioni e le apparecchiature promettenti e innovativi. La garanzia non deve superare il 60 per cento dei costi computabili.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 3
A. Voraussetzungen 3
1. Erfolgsversprechende neuartige Anlagen und Einrichtungen 4
2. Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe 5
3. Keine Firmengarantien erhältlich 6
​B. ​Umfang 7
​C. ​Verfahren 8

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. 1991 wurde die Bestimmung aus der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 mit der GSchG-Revision ins GSchG überführt. Die ursprünglich in Art. 63 GSchG (1971) verankerte Bestimmung sah vor, dass die Risikogarantie nach Finanzkraft der Kantone abgestuft ist (Botschaft GSchG 1987, 1159). Mit Änderung des GSchG vom 20. Juni 1997 wurde die aktuelle Fassung des Art. 64a GSchG geschaffen (Botschaft GSchG 1996; vgl. zur Entstehungsgeschichte der Subventionsbestimmungen im Gewässerschutz im Allgemeinen Vor Art. 61–66 GSchG N 1 ff.).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Das Institut der Risikogarantie ermöglicht für erfolgversprechende neuartige Anlagen und Einrichtungen Risiken einzugehen, die in der Regel nicht auf andere Weise abgedeckt werden können. Die Gewährung einer Risikogarantie soll für den Bund nur dann finanzielle Konsequenzen haben, wenn der erhoffte Erfolg ausbleibt (Botschaft GSchG 1987, 1159; vgl. zum privatrechtlichen Verständnis von «Garantie» Pestalozzi, BSK OR I). Tatsächlich sind nur wenige Fälle bekannt, in denen in der Vergangenheit eine Risikogarantie gewährt wurde und eine Kostendeckung schlussendlich zum Zuge kam.

 

III.        Kommentierung

A.           Voraussetzungen

3. Eine Risikogarantie kann für erfolgversprechende neuartige Anlagen und Einrichtungen, mit denen eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird, gewährt werden, soweit Firmengarantien nicht erhältlich sind (Art. 57 Abs. 1 GSchV).

 

1.             Erfolgsversprechende neuartige Anlagen und Einrichtungen

4. Die Neuartigkeit der Anlagen und Einrichtungen impliziert, dass sie in der Schweiz zumindest noch nicht etabliert und verbreitet sein können (vgl. zur Diskussion um den Stand der Technik auch Komm. zu Art. 63 GSchG N 22 ff.). Auch ohne zum Stand der Technik zu gehören, muss die neuartige Anlage und Einrichtung dennoch erfolgsversprechend sein. Dies ist vom Gesuchsteller in den Gesuchsunterlagen darzulegen. Gemäss Praxis des BAFU werden dokumentierte positive Erfahrungen zu äquivalenten Anlagen oder Einrichtungen im Ausland bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten miteinbezogen.

 

2.             Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe

5. Art. 57 GSchV spricht im Gegensatz zu Art. 64a GSchG von der zu erfüllenden öffentlichen Aufgabe, die im Gewässerschutz in den bekannten Bereichen für Gewässerschutzmassnahmen des Gemeinwesens anzusiedeln ist (vgl. die einzelne Beitragsregelung in Vor Art. 61–66 GSchG).

 

3.             Keine Firmengarantien erhältlich

6. Der Gesuchsteller hat darzulegen, welche Garantien aus den Werkverträgen mit den Leistungserbringern vorliegen (z.B. Mängelhaftung, Bankgarantien). Praxisgemäss erfragt das BAFU die Informationen zu solchen Garantien beim Gesuchsteller explizit, wenn sie nicht aus den Gesuchsunterlagen hervorgehen.

 

B.            Umfang

7. Die Risikogarantie gilt für die Kosten, die für die Behebung von Mängeln oder nötigenfalls für die Neuerstellung der Anlagen und Einrichtungen in den ersten fünf Jahren nach Inbetriebnahme aufgewendet werden müssen, soweit sie nicht vom Inhaber verursacht worden sind (Art. 57 Abs. 2 GSchV). Die durch Firmengarantien gedeckten Kosten können nicht Gegenstand der anrechenbaren Kosten der Risikogarantie sein. Die anrechenbaren Kosten reduzieren sich in diesem Umfang. Die Risikogarantie beträgt mindestens 20 %, höchstens jedoch 60 % der anrechenbaren Kosten (Art. 57 Abs. 3 GSchV).

 

C.           Verfahren

8. Für das Verfahren gelten die Art. 61c und 61d GSchV sinngemäss (Art. 57 Abs. 3 GSchV). Ein entsprechendes Gesuch im Einzelfall ist daher ebenfalls beim BAFU einzureichen (Art. 61c Abs. 1 GSchV). In den bekannten Fällen trat der Kanton als Gesuchsteller auf. Es ist aber aufgrund des Wortlauts des Gesetzes zumindest nicht ausgeschlossen, dass eine Risikogarantie direkt der Gesuchstellerin (z.B. Gemeinde) gewährt wird.

9. Das BAFU entscheidet mittels Verfügung oder schliesst mit dem Beitragsempfänger einen Vertrag ab (Art. 61d Abs. 1 GSchV). Das Instrument der Programmvereinbarungen ist im Wortlaut der Bestimmung nicht angelegt und eignet sich für die Risikogarantie nach Art. 64a GSchG nicht. Soweit ersichtlich, ist eine Programmvereinbarung bisher auch nicht zum Einsatz gekommen. Das BAFU richtet die Beiträge nach Fortschritt des Projektes aus (Art. 61d Abs. 2 GSchV).

 

Résumé

Une garantie contre les risques peut être accordée aux installations et équipements qui recourent à des techniques nouvelles prometteuses, pour autant que les risques liés ne puissent pas être couverts d’une autre façon, c’est-à-dire qu’il n’y ait pas de garantie du fournisseur et que les coûts respectent les exigences fixées au art. 57 ss OEaux. L’octroi d’une garantie pour les risques de la Confédération (au canton) a seulement des conséquences financières si le succès attendu ne se réalise pas. De surcroît, la garantie fédérale est limitée à 60 % des coûts imputables. En pratique, on ne connait que peu de cas où une garantie pour les risques a été reconnue et où celle-ci a bénéficié d’une couverture des frais.

 

 

Literatur: Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfang (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I – Art. 1–529 OR, 5. Aufl., Basel 2011 (zit. Pestalozzi, BSK OR I).

Fehr-Bosshard ​Delia​ | Stocker Lukas​

 

Finanzierung

1         Die Bundesversammlung bewilligt mit einfachem Bundesbeschluss einen befristeten Rahmenkredit für die Zusicherung von Beiträgen.

2         Sie bewilligt jeweils für vier Jahre mit einfachem Bundesbeschluss die Mittel für die Zahlung der Abgeltungen, die in Anwendung von Artikel 13 Absatz 6 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 dem Grundsatz nach zugesichert worden sind.

3         Sie bewilligt mit einem mehrjährigen Verpflichtungskredit den Höchstbetrag, bis zu dem der Bund Risikogarantien nach Artikel 64a übernehmen darf.

Financement

1         L’Assemblée fédérale vote, par voie d’arrêté fédéral simple, un crédit-cadre de durée limitée pour l’octroi des subventions.

2             Elle accorde par un arrêté fédéral simple, pour une durée de quatre ans, les crédits destinés au paiement des indemnités qui ont été octroyées à titre provisoire en application des dispositions de l’art. 13, al. 6, de la loi du 5 octobre 1990 sur les subventions.

3             Elle vote un crédit d’engagement pluriannuel jusqu’à concurrence duquel la Confédération peut accorder une garantie conformément à l’art. 64a.

Finanziamento

1             L’Assemblea federale stanzia mediante decreto federale semplice un credito quadro limitato nel tempo per l’assegnazione dei contributi.

2             Essa stanzia di volta in volta per quattro anni, con decreto federale semplice, i mezzi destinati al pagamento delle indennità per le quali è stata assegnata una prestazione di massima in applicazione dell’articolo 13 capoverso 6 della legge del 5 ottobre 1990 sui sussidi.

3             Essa stanzia un credito d’impegno pluriennale fino a concorrenza del quale la Confederazione può assumere garanzie contro i rischi giusta l’articolo 64a.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
A. Bewilligung Rahmenkredit für Beiträge (Abs. 1) ​2
B. Bewilligung Mittel für Abgeltungen (Abs. 2) ​3
C. Bewilligung Verpflichtungskredit für Risikogarantien (Abs. 3) ​8
II. Allgemeine Bemerkungen ​9
III. Kommentierung 13
​A. Bewilligung Rahmenkredit für Beiträge (Abs. 1) 14
​B. Bewilligung Mittel für Abgeltungen (Abs. 2) 19
​C. ​Bewilligung Verpflichtungskredit für Risikogarantien (Abs. 3) 24

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Beschlussfassung über die für Beiträge, Abgeltungen und Risikogarantien notwendigen Mittel obliegt der Bundesversammlung (Art. 65 Abs. 1 GSchG). Der Entwurf zum SuG sah auch einen Art. 35 GSchG vor, wonach die Bundesversammlung jeweils mit dem Voranschlag die Höchstbeträge festsetzt, bis zu denen im Voranschlagsjahr Zusicherungen von Beitragen abgegeben werden dürfen (Botschaft SuG 1986, 456). Mit der Gesetzesrevision vom 24. Januar 1991 wurde der Art. 65 GSchG zur Beschlussfassung über die Finanzierung eingefügt (Botschaft GSchG 1987, 1200). Zur allgemeinen Entstehungsgeschichte der Subventionsbestimmungen im Gewässerschutzgesetz vgl. Vor Art. 61–66 GSchG.

 

A.           Bewilligung Rahmenkredit für Beiträge (Abs. 1)

2. Der am 24. Januar 1991 eingefügte Art. 65 Abs. 1 GSchG 1991 sah vor, dass die Bundesversammlung jeweils mit dem Voranschlag den Höchstbetrag festsetzt, bis zu dem im Voranschlagsjahr Abgeltungen nach Art. 61 GSchG zugesichert werden dürfen. Das System der jährlichen Festlegung des Maximalbetrags der Abgeltungen wurde durch die NFA eingeführt. Da Programmvereinbarungen mehrjährig sind, wurden im neuen Abs. 1 von Art. 65 GSchG befristete, mehrjährige Rahmenkredite vorgesehen (Botschaft NFA 2005, 6191).

 

B.            Bewilligung Mittel für Abgeltungen (Abs. 2)

3. 1991 wurde Art. 65 Abs. 3 GSchG 1991 eingefügt, wonach das EDI eine Prioritätenordnung erstellt, sofern die eingereichten oder zu erwartenden Gesuche die verfügbaren Mittel übersteigen. Nach dieser Prioritätenordnung sollen Gesuche beurteilt werden. Den Vollzugsbehörden kommt bei Grundsatzentscheiden nach Art. 13 Abs. 6 SuG ein weiter Spielraum zu hinsichtlich des festzulegenden Zeitpunkts für die endgültige Berücksichtigung eines Gesuches (vgl. Prioritätenordnung und Budgetvorbehalt in Vor Art. 61–66 GSchG N 32 ff.).

4. In der früheren Fassung von Art. 84 Abs. 1 und 2 GSchG (1991) war vorgesehen, dass für Anlagen und Einrichtungen, mit deren Erstellung noch nach altem Recht begonnen wurde, jährlich mit dem Voranschlag ein Höchstbetrag für entsprechende Abgeltungen festgesetzt werden soll. Das Bundesgericht stellte zumindest in Frage, ob es noch mit dem Zweck einer Subvention vereinbar sein kann, wenn die Abgeltung erst lange Zeit nach Erfüllung der in Frage stehenden Aufgabe ausgerichtet wird (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166, 170; Botschaft GSchG 1996, 1232). Die besagten Anlagen und Einrichtungen haben sich allesamt zumindest bereits im Bau befunden, und dennoch ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Abgeltungen lediglich aufgrund jährlicher Kredite zuzusprechen sind. Dadurch kam es systembedingt zu Verzögerungen bei bereits erstellten subventionsberechtigten Anlagen und Einrichtungen (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166, 170; vgl. Komm. zu Art. 84).

5. 1996 hat der Bundesrat zur Beseitigung der unbefriedigenden Situation einen neuen Art. 65 Abs. 2 GSchG vorgeschlagen, wonach das Parlament zusätzlich zu den gewöhnlichen Zusicherungskrediten jeweils für vier Jahre Kredite bewilligt, um die Abgeltungen zu bezahlen, welche in Anwendung von Art. 13 Abs. 6 SuG dem Grundsatz nach zugesichert worden sind (Botschaft GSchG 1996, 1232; BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166, 170). Weiterhin kann die tatsächliche Auszahlung nur im Rahmen der vom Parlament bewilligten Zahlungskredite erfolgen (Botschaft GSchG 1996, 1232).

6. Die Revision 1996 sah die rechtliche Grundlage für das Instrument des mehrjährigen Zahlungsrahmens vor. Mit diesem Instrument sollten die mittels Grundsatzverfügungen vor Inkrafttreten der Revisionsvorlage eingegangenen Verpflichtungen mittelfristig abgebaut werden. Der bisherige Art. 63 Abs. 3 (Prioritätenordnung) wurde ohne Nachteil gestrichen, da die Regelung bereits in Art. 13 Abs. 2 SuG enthalten ist (Botschaft GSchG 1996, 1217, 1332).

7. Seit der Inkraftsetzung der NFA 2008 kommen Verpflichtungskredite insbesondere im Zusammenhang mit Programmvereinbarungen zur Anwendung (vgl. Baumgartner/Beljean/Widmer, Finanzhaushalt, N 107).

 

C.           Bewilligung Verpflichtungskredit für Risikogarantien (Abs. 3)

8. Bereits Art. 65 Abs. 2 des GSchG i.d.F. vom 24. Januar 1991 sah vor, dass die Bundesversammlung mit einem mehrjährigen Verpflichtungskredit den Höchstbetrag bewilligt, bis zu dem der Bund Risikogarantien übernehmen darf. Aus systematischen Gründen wurde der frühere Art. 65 Abs. 2 GSchG 1991 mit Änderung vom 20. Juni 1997 zu Art. 65 Abs. 3 GSchG 1997 (Botschaft GSchG 1996, 1232).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

9. Zu den allgemeinen Bemerkungen vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 1 ff. und 12 ff.

10. Ende 1994 haben die Kantone zahlreiche Subventionsgesuche für Abwasseranlagen eingereicht, um die damaligen günstigen Bestimmungen zu nutzen. Mit der Änderung des Gewässerschutzgesetzes 1997 wurde eine Reduktion der Subventionstatbestände beschlossen. Am 31. Dezember 2010 betrugen die bestehenden Verpflichtungen des Bundes für Abwasser‑ und Abfallanlagen CHF 89 Mio. Diese Verpflichtungen sollten bis zum Jahr 2014 abgebaut werden (Eidgenössische Finanzverwaltung, Voranschlag 2012 2B, 350).

11. Für Abwasser‑ und Abfallanlagen bspw. bestand 2010–2013 ein bewilligter Zahlungsrahmen von CHF 119 Mio. (Eidgenössische Finanzverwaltung, Voranschlag 2012 2A, 218). Für 2014–2017 wurde ein Zahlungsrahmen von CHF 41 Mio. beantragt (Eidgenössische Finanzverwaltung, Voranschlag 2014 2A, 217).

12. Für Abgeltungen an Massnahmen der Revitalisierung sah der Voranschlag 2012 einen Verpflichtungskredit von CHF 155 Mio. für die Jahre 2012–2015 vor (Eidgenössische Finanzverwaltung, Voranschlag 2012 2A, 202).

 

III.        Kommentierung

13. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Gewährung von Beiträgen vgl. Komm. zu Art. 63; für die Voraussetzungen der einzelnen Abgeltungen vgl. Komm. zu Art. 616262a62b62c und 63.

 

A.           Bewilligung Rahmenkredit für Beiträge (Abs. 1)

14. Bundesbeschlüsse enthalten nicht rechtsetzende Bestimmungen (Art. 163 Abs. 2 BVArt. 25 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 1 ParlG; Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1819, 1836 ff.). Sie sind vorgesehen für Beschlüsse der Bundesversammlung, für die keine andere Form vorgeschrieben ist (Art. 163 Abs. 2 BV; Kiener, Bundesversammlung, N 61; Kley, Instrumentarium, N 36 f.).

15. Beim einfachen Bundesbeschluss gemäss Art. 65 Abs. 1 GSchG handelt es sich um unselbständige einfache Bundesbeschlüsse aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung im GSchG.

16. Erforderlich sind immer gleichlautende Beschlüsse beider Räte oder ein Beschluss der vereinigten Bundesversammlung (Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1836; Tschannen, Staatsrecht, § 45 N 46). Einfache Bundesbeschlüsse unterstehen nicht dem Referendum (Art. 163 Abs. 2 BV).

17. Der Rahmenkredit ist ein Verpflichtungskredit (siehe N 24) mit delegierter Spezifikationsbefugnis: Innerhalb der vorgesehenen Zweckbestimmung und bis zum von der Bundesverwaltung bewilligten Kreditbetrag kann der Bundesrat bzw. die zuständige Verwaltungseinheit einzelne Verpflichtungen in Tranchen ausscheiden (Art. 10 Abs. 5 FHV; Baumgartner/Beljean/Widmer, Finanzhaushalt, N 106; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 53 N 14).

18. Im Umweltbereich und Gewässerschutz ist ein vierjähriger Rahmenkredit von 2012–2015 vorgesehen (vgl. BAFU, Medienmitteilung Rahmenkredite m.w.H.).

B.            Bewilligung Mittel für Abgeltungen (Abs. 2)

19. Zum einfachen Bundesbeschluss vgl. N 14.

20. Das finanzpolitische Steuerungs‑ oder Lenkungsinstrument des Kreditvorbehalts bei Subventionen, auf die grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (Botschaft SuG 1986, 406), führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen der gesetzlichen Grundlage, die grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die Subvention begründet, und dem Finanzrecht, das diesen Rechtsanspruchs unter Umständen aufhebt oder suspendiert (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3c, in: ZBl 100 [1999], 166, 171; Schaerer, Subventionen, 197; vgl. Prioritätenordnung und Budgetvorbehalt in Vor Art. 61–66 GSchG N 32).

21. Die Bundesversammlung ist nicht verpflichtet, die beantragten Kredite auch tatsächlich zu sprechen. Der allfällige Rechtsanspruch auf die Subvention steht unter der Suspensivbedingung der Kreditbewilligung. Mangels verfügbarer Kredite kann auch ein Rechtsanspruch auf die Beiträge nicht mehr geltend gemacht werden. Die Lehre fordert aber für den Bereich der Finanzhilfen, dass dann, wenn über Jahre hinweg keine Kredite mehr gesprochen werden, die Rechtsgrundlagen geändert werden. Ansonsten sei der Vorwurf berechtigt, dass die Rechtsgrundlagen ausgehöhlt würden (Schärer, Subventionen, 196 f. m.w.H.).

22. Art. 13 Abs. 6 SuG führt bei Abgeltungen dazu, dass die Beitragsgewährung lediglich zeitlich hinausgeschoben werden kann. Ein weiterer finanzpolitischer Spielraum besteht nicht (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3c, in: ZBl 100 [1999], 166, 171). Im Falle einer rechtlichen Pflicht zur Erfüllung einer Aufgabe besteht auch ein Anspruch darauf, dass das Gesuch innert nützlicher First berücksichtigt wird (Schärer, Subventionen, 200 m.w.H.).

23. Auch nach Ansicht des Bundesgerichts steht es nicht völlig im Belieben der Bundesversammlung, ob die für die Abgeltungen nach Art. 65 Abs. 2 GSchG vorgesehenen und erforderlichen Kredite überhaupt gesprochen werden (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3c, in: ZBl 100 [1999], 166, 171). Vom Empfänger der Abgeltungen darf kein unzumutbarer Zeitraum des Abwartens verlangt werden. Eine Handlungspflicht insbesondere für die Bundesversammlung ergibt sich gemäss Bundesgericht zumindest dann, wenn sich abzeichnet, dass der Bund den Verpflichtungen aufgrund der unzureichend gesprochenen Kredite auf lange Dauer nicht mehr gerecht werden kann (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3c, in: ZBl 100 [1999], 166, 171 f.). Zwölf Jahre als Zeitraum, der nach dem Auszahlungsplan des Bundes zum Abbau der Subventionsrückstände erforderlich ist, erscheinen nach Ansicht des Bundesgerichts zwar als «recht lange». Ein eigentlicher Ermessensmissbrauch liege aber noch nicht vor, «zumal Bundesrat und Bundesversammlung den heutigen engen finanzpolitischen Spielraum in Rechnung stellen dürfen» (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3c, in: ZBl 100 [1999], 166, 171 f.).

C.           Bewilligung Verpflichtungskredit für Risikogarantien (Abs. 3)

24. Für über das Voranschlagsjahr hinaus wirkende finanzielle Verpflichtungen, wie die Risikogarantie gemäss Art. 64a GSchG, sind Verpflichtungskredite einzuholen (Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, 1533). Durch den entsprechenden Beschluss des Bundesversammlung wird der Bund ermächtigt, bis zum festgesetzten Höchstbetrag für das betreffende Vorhaben finanzielle Verpflichtungen wie die Risikogarantie einzugehen (vgl. zum Verpflichtungskredit auch Art. 21 FHG; Baumgartner/Beljean/Widmer, Finanzhaushalt, N 103 ff.).

 

 

Résumé

L’Assemblée fédérale vote, par voie d’arrêté fédéral simple, un crédit-cadre de durée limitée pour l’octroi des subventions ainsi que, pour une durée de quatre ans, les crédits destinés au paiement des indemnités qui ont été octroyées à titre provisoire en application de l’art. 13 al. 6 LSu (Art. 65 al. 1 et al. 2 LEaux). Même si l’Assemblée fédérale n’est pas tenue d’accorder effectivement ces crédits, la décision financière n’est pas complètement à la discrétion de cette dernière. Selon le Tribunal fédéral, il est par exemple nécessaire d’agir quand il devient évident que la Confédération ne peut remplir ses obligations de paiement. De même, selon la doctrine, les bases légales doivent être modifiées si aucun crédit n’est octroyé pendant plusieurs années. L’art. 13 al. 6 LSu conduit simplement au report de l’octroi des subventions. Si le demandeur a une obligation de fournir des informations, l’autorité doit répondre à sa demande dans un délai raisonnable. Quant à l’octroi de crédits d’engagement pluriannuels, la Confédération peut accorder une garantie jusqu’à concurrence de ce crédit selon l’art. 64LEaux.

 

 

Literatur: Baumgartner Urs/Beljean Tobias/Widmer Marianne, Finanzhaushalt, in: Lienhard Andreas (Hrsg.), Finanzrecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band X, Basel 2011, 171 ff. (zit. Finanzhaushalt); Kiener Regina, Die Bundesversammlung als Parlament des Bundes, in: Biaggini Giovanni/Gächter Thomas/Kiener Regina (Hrsg.), Staatsrecht, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, 206 ff. (zit. Bundesversammlung); Kley Andreas, Demokratisches Instrumentarium, in: Biaggini Giovanni/Gächter Thomas/Kiener Regina (Hrsg.), Staatsrecht, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, 341 ff. (zit. Instrumentarium); Schaerer Barbara, Subventionen des Bundes zwischen Legalitätsprinzip und Finanzrecht, Diss. Bern 1992 (zit. Subventionen).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen vom 15. Dezember 1986, BBl 1987 I 369 ff. (zit. Botschaft SuG 1986); Bundesrat/Generalsekretariat UVEK/Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bundesrat genehmigt vierjährige Rahmenkredite im Umweltbereich, Medienmitteilung, <http://www. uvek.admin.ch/dokumenta
tion/00474/00492/index.html?lang=de&msg-id=39924>, 30.6.2011 (zit. Medienmitteilung Rahmenkredite); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag der Verwaltungseinheiten, 2012 – Zahlen, Band 2A, <http://www.efv.admin.ch/d/downloads/finanzberichterstattung/budget/2012/VA1
2-Band2A_d.pdf> (zit. Voranschlag 2012 2A); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag der Verwaltungseinheiten, 2012 – Begründungen, Band 2B, <http://www.efv.admin.
ch/d/downloads/finanzberichterstattung/budget/2012/VA12-Band2B_d.pdf> (zit. Voranschlag 2012 2B); Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), Voranschlag 2014, Verwaltungseinheiten Zahlen, Band 2A, <http://www.efv.admin.ch/d/downloads/finanzberichterstattung/budget/2014/VA14_Band_
2A_d.pdf>, besucht am 25.3.2014 (zit. Voranschlag 2014 2A).

Fehr-Bosshard Delia​​ | Stocker Lukas​

 

Rückforderung

1         Zu Unrecht bezogene Leistungen des Bundes werden zurückgefordert. Dies gilt auch, wenn eine Anlage oder eine Einrichtung zweckentfremdet wird.

2         Die Ansprüche des Bundes verjähren fünf Jahre nach ihrer Entstehung.

Restitution

1         Les prestations fédérales indûment reçues doivent être restituées. Il en va de même lorsqu’une installation ou un équipement est détourné de son affectation première.

2         Le droit de la Confédération de requérir la restitution se prescrit par cinq ans à compter du jour où il a pris naissance.

Restituzione

1         Le prestazioni federali indebitamente ottenute devono essere restituite. Ciò vale anche se un impianto o un’installazione viene distolto dal suo scopo.

2         Il diritto della Confederazione alla restituzione si prescrive in cinque anni a contare dal giorno in cui è sorto.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 3
​A. ​Unrechtmässig bezogene Leistungen (Abs. 1) ​4
​1. ​Ersatzvornahme im Allgemeinen ​5
​2. ​Nachfristansetzung im GSchG ​7
​3. Rückforderung im Allgemeinen ​8
​4. ​Rückforderungen gemäss GSchG 10
​5. ​Verzinsung gemäss SuG 12
​6. ​Verfahren 13
​B. ​Verjährung (Abs. 2) 15

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 66 GSchG wurde mit der Revision des GSchG eingeführt (Botschaft GSchG 1987, 1200). Zur allgemeinen Entstehungsgeschichte der Subventionsbestimmungen im Gewässerschutzgesetz vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 1 ff.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Gemäss BAFU mussten dem Bund in der ersten Programmperiode 2008–2011 lediglich CHF 15 Mio. infolge nicht ausreichender Leistungserbringung zurückbezahlt werden. Dies betraf insbesondere die Programme Schutzbauten sowie Lärm‑ und Schallschutzmassnahmen, d.h. Programme, deren Umsetzung massgeblich von Baubewilligungsverfahren abhängig ist (BAFU, 11. Newsletter Programmvereinbarungen). Zu den allgemeinen Bemerkungen vgl. Vor Art. 61–66 GSchG.

 

III.        Kommentierung

3. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Gewährung von Beiträgen vgl. Komm. zu Art. 63 GSchG, für die Voraussetzungen der einzelnen Leistungen vgl. Komm. zu Art. 616262a62b62c63 und 64 GSchG.

A.           Unrechtmässig bezogene Leistungen (Abs. 1)

4. Art. 66 GSchG sieht die Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Leistungen im Gewässerschutz vor (vgl. auch die entsprechenden Bestimmungen im allgemeinen Subventionsrecht Art. 23 ff. SuG). Art. 61b und Art. 61e GSchV regeln die Möglichkeiten bei mangelhafter Erfüllung und Zweckentfremdung der Anlage. Die Feststellung der Zielerreichung von Programmvereinbarungen erfolgt durch gemeinsames Programmcontrolling von Bund und Kanton (BAFU, Handbuch NFA, 21 f.). Dass der Kanton Leistungspflichten nicht oder nur mangelhaft erfüllt bzw. Anlagen zweckentfremdet, kann der Bund – bzw. die Fachabteilungen des BAFU – insbesondere über Stichproben während sowie nach der Programmperiode auf Projekt‑ oder Massnahmenebene feststellen (BAFU, Handbuch NFA, 21 f.).

 

1.             Ersatzvornahme im Allgemeinen

5. Bei der Subventionsgewährung über einen verwaltungsrechtlichen Vertrag kann der Subventionsgeber auf die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen bestehen, und es stehen ihm die entsprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten des öffentlichen Rechts zur Verfügung (Botschaft SuG 1986, 411).

6. Bei Nichterfüllung der Pflichten steht als exekutorische Sanktion grundsätzlich die Ersatzvornahme zur Verfügung. Eine Ersatzvornahme bei Pflichtverletzung ist im Allgemeinen auch ohne explizite gesetzliche Grundlage zulässig, «weil sie sich bereits aus den bestehenden gesetzlich festgeschriebenen Rechten und Pflichten ergibt und keine neuen Verpflichtungen begründet» (Wiget, Programmvereinbarung, 210 f.). Die Ersatzvornahme muss aber angedroht werden und der Pflichtige eine letzte Erfüllungsfrist erhalten, in welcher er allenfalls auch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Stellung nehmen kann (Wiget, Programmvereinbarung, 210 f.; vgl. aber zur antizipierten Ersatzvornahme Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1162).

 

2.             Nachfristansetzung im GSchG

7. Im Gewässerschutzrecht ist die Nachfristansetzung explizit vorgesehen für den Fall der unvollständigen Pflichterfüllung durch den Kanton (Art. 61b Abs. 2 GSchV). Ist die Erfüllung (durch den Kanton) unvollständig bzw. wird eines oder mehrere Ziele des Programms im vereinbarten Zeitraum nicht erreicht, so kann der Bund vom Empfänger unter Ansetzung einer Frist Nachbesserung verlangen (Art. 61b Abs. 2 GSchV). Das BAFU spricht sich dafür aus, die Nachfrist in der Regel nicht über einem Jahr anzusetzen. Dabei ist klarzustellen, dass der Bund für Nachbesserungen keine weiteren Beiträge leistet. Die Pflicht zur Nachbesserung entfällt, wenn der Kanton nachweist, dass die vereinbarte Leistung aufgrund unverschuldeter äusserer Umstände nicht erbracht werden konnte (BAFU, Handbuch NFA, 27 f.).

 

3.             Rückforderung im Allgemeinen

8. Die Rückforderung einer grundlos erbrachten Leistungen gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 186 f.; Wiederkehr/Richli, Verwaltungsrecht, N 667). Es ist anerkannt, dass Zuwendungen zurückgefordert werden können, die aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich wegfallenden Grund erfolgten (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 187). Gegenüber privaten Empfängern werden Verweigerung, Kürzung oder Rückforderung von Subventionen als mögliche administrative Rechtsnachteile im Falle der Pflichtverletzung angeordnet (Schuhmacher, Verwaltungsstrafrecht, 291). Diese können gerade Private härter treffen, als andere verwaltungsrechtliche Sanktionen (Uhlmann, Entwicklungen, 435). Administrative Nachteile sind eine Mischform zwischen exekutorischen und repressiven Massnahmen. Die verletzte Pflicht kann dadurch zwar nicht durchgesetzt, aber der rechtmässige Zustand doch wiederhergestellt werden (BVGer B-5348/2012 vom 25. Juli 2013, E. 3.4.1). Ein Teil der Lehre zählt den administrativen Rechtsnachteil deshalb zu den repressiven Verwaltungssanktionen (vgl. BVGer B-6373/2010 vom 20. April 2011, E. 3.3.2; BVGer B-4137/2010 vom 17. September 2010, E. 7.3; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, § 32 N 39; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1134a ff.; BVGer B-5348/2012 vom 25. Juli 2013, E. 3.4.1 m.w.H.).

9. Als administrative Rechtsnachteile kommen gegenüber Kantonen auch finanzielle Druckmittel des Bundes in Betracht, bspw. das Verweigern, Aussetzen oder Zurückfordern von Subventionen, wenn ein Kanton die an die Subventionen geknüpften Bedingungen und Auflagen nicht befolgt (Wiget, Programmvereinbarung, 211). Die Lehre befürwortet, dass die Verweigerung von staatlichen Leistungen selbst dann möglich sein soll, wenn sie nicht besonders im Gesetz vorgesehen ist. Die Verweigerung sei zulässig, wenn ein enger Sachzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Leistungsverweigerung bestehe (Wiget, Programmvereinbarung, 211; Häfelin/
Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N 1213).

 

4.             Rückforderungen gemäss GSchG

10. Im Gewässerschutzrecht ist die Rückforderung der Leistungen bei Nichterfüllung der Programmvereinbarungen explizit vorgesehen (Art. 66 GSchG i.V.m. Art. 61b Abs. 4 GSchV). Führen weder Nachbesserungen noch allfällige Anpassungen zur Programmerfüllung, so fordert der Bund zu Unrecht bezogene Leistungen in angemessener Weise zurück (Art. 66 Abs. 1 GSchG). Eine Rückerstattungspflicht besteht auch bei einer Ausrichtung, die auf falschen Angaben beruht (Art. 30 f. SuG). Art. 61b und Art. 61e GSchV regeln die Möglichkeiten bei mangelhafter Erfüllung und Zweckentfremdung der Anlage. Die Rückforderung richtet sich nach Art. 23 ff. und insbesondere Art. 28 f. SuG (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1095 ff.).

11. Der Kanton hat lediglich Anspruch auf Bundesbeiträge, die proportional zur erreichten Leistung sind. Gemäss Art. 28 Abs. 3 SuG kann in Härtefällen auf eine Rückforderung ganz oder teilweise verzichtet werden. U.U. ist eine Verrechnung mit Zahlungen im Rahmen einer nächsten Programmperiode möglich (BAFU, Handbuch NFA, 27 f.).

 

5.             Verzinsung gemäss SuG

12. Gemäss allgemeinem Rechtsgrundsatz sind öffentlich-rechtliche Geldfor-derungen (mit Beginn eines Verzugs) zu verzinsen (Häfelin/Müller/ Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 191). Das SuG sieht explizit vor, dass im Falle der Rückforderung wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung trotz Mahnung, jährlich 5 % Zins seit der Auszahlung erhoben werden (Art. 28 Abs. 1 und 2 SuG). Bei einer zu Unrecht gewährten Subvention in Verletzung von Rechtsvorschriften oder aufgrund eines unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalts und kumulativ schuldhaftem Handeln des Empfängers wird ebenfalls ein Zins von jährlich 5 % seit der Auszahlung erhoben (Art. 30 Abs. 3 SuG).

 

6.             Verfahren

13. Die Leistungspflicht zur Rückerstattung muss per Verfügung angeordnet werden (Weissenberger/Hirzel, Suspensiveffekt, 72).

14. Gegen den Entscheid über die Rückforderung von Subventionen im Allgemeinen steht der übliche Rechtsmittelweg zur Verfügung (Art. 32 ff. VGG, Art. 82 BGG). Verfügungen der zuständigen Bundesbehörden sind vor Bundesverwaltungsgericht überprüfbar (BVGer C-6387/2007 vom 23. Juni 2009, E. 1.4.3 und 1.5). Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts können vor Bundesgericht mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Subvention bestand. Der Ausschlussgrund von Art. 83 Bst. k BGG kommt nicht zum Tragen (BGer 2C.139/2012 vom 30. Mai 2012, E. 1.1.1; BGer 2C.76/2012 vom 1. Oktober 2012, E. 1.1.1 mit Verweis auf BGer 2C.650/2009 vom 22. Februar 2010, E. 1.2, BGer 2C.233/2008 vom 18. März 2008, E. 2.1,). Bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen z.B. aufgrund von Verträgen steht die Klage ans Bundesgericht gemäss Art. 120 Abs. 1 Bst. b BGG offen (Waldmann, BSK BGG, Art. 120 N 16; vgl. zu verschiedenen Anfechtungs‑ und Klagekonstellationen bei Programmvereinbarungen Wiget, Programmvereinbarung, 239 ff.).

 

B.            Verjährung (Abs. 2)

15. Auch die Verjährung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz und kommt unabhängig von einer konkreten gesetzlichen Regelung zur Anwendung (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 189). Es ist grundsätzlich anerkannt, dass mangels Spezialregelung für einmalige Leistungen eine zehnjährige, für periodische eine fünfjährige Verjährungsfrist gilt (Wiederkehr/Richli, Verwaltungsrecht, N 670 m.w.H.).

16. Die in Art. 66 Abs. 2 GSchG vorgesehene Verjährungsfrist von fünf Jahren entspricht der Regelung im Subventionsgesetz (Art. 32 Abs. 1 SuG; vgl. die Heranziehung zum Vergleich mangels anderweitiger gesetzlicher Verjährungsfrist im Urteil des Kantonsgerichts JU vom 4. April 1999, E. 2d, in: RJJ 1999 259, 266).

17. Der Fristenlauf beginnt mit Entstehung der Forderung und unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnis des Bundes vom Bestehen der Forderung (Meier, Verjährung, 153, 346; Kantonsgericht JU, Urteil vom 4. April 1999, in: RJJ 1999, 259, 266).

 

 

Résumé

L’octroi d’une subvention est lié à des obligations de prestations concrètes à charge du canton concerné. Seule l’exécution de ces obligations permet le versement de la subvention. Une division spécifique de l’OFEV est chargée d’examiner si ces obligations sont remplies au moyen d’échantillonnages et de contrôles.

En cas de besoin, l’OFEV fixe un délai raisonnable, en principe d’un an, permettant l’exécution des obligations non remplies (art. 61b al. 2 OEaux). Si ces obligations ne sont pas remplies, ou remplies de manière insatisfaisante ou si une installation ou un équipement est détourné de son affectation première, la Confédération peut exiger la restitution des prestations indûment perçues. Dans ce cas, un intérêt annuel de 5 % est dû à compter du jour du paiement (art. 28 al. 1 et 2 LSu). Contre la décision de restitution des subventions, les voies de recours usuelles sont ouvertes.

Selon l’al. 2 de l’art. 66 LEaux, le droit de la Confédération de requérir la restitution se prescrit par cinq ans à compter du jour où il a pris naissance. La prescription commence avec la naissance de la créance indépendamment du moment où la Confédération a pris connaissance de l’existence de celle-ci.

 

 

Literatur: Meier Thomas, Verjährung und Verwirkung öffentlich-rechtlicher Forderungen, Diss. Freiburg i.Üe. 2013 (zit. Verjährung); Schuhmacher Christian, Kantonale Ebene, Erscheinungsweisen und Kritik des Verwaltungsstrafrechts des Kantons Zürich, in: Rüssli Markus/Hänni Julia/Häggi Furrer Reto (Hrsg.), Staats‑ und Verwaltungsrecht auf vier Ebenen – Festschrift für Tobias Jaag, Zürich 2012, 289 ff. (zit. Verwaltungsstrafrecht); Uhlmann Felix, Entwicklungen im Verwaltungsrecht – Le point sur le droit administratif, in: SJZ 108 (2012), 434 ff. (zit. Entwicklungen); Weissenberger Philippe/Hirzel Astrid, Der Suspensiveffekt und andere vorsorgliche Massnahmen – ausgewählte Fragen am Beispiel des Beschwerdeverfahrens vor Bundesverwaltungsgericht, in: Hähner Isabelle/Waldmann Bernhard (Hrsg.), Brennpunkte im Verwaltungsprozess, Zürich 2013, 61 ff. (zit. Suspensiveffekt); Wiederkehr René/Richli Paul (Hrsg.), Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts – eine systematische Analyse der Rechtsprechung, Band I, Bern 2012 (zit. Verwaltungsrecht).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen vom 15. Dezember 1986, BBl 1987 I 369 ff. (zit. Botschaft SuG 1986); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Handbuch NFA im Umweltbereich – Mitteilung des BAFU als Vollzugsbehörde an Gesuchsteller, Umwelt-Vollzug Nr. 0808, Bern 2008 (zit. Handbuch NFA); Bundesamt für Umwelt (BAFU), 11. Newsletter Programmvereinbarungen im Umweltbereich, <http://www.bafu.
admin.ch/recht/13276/13277/13288/index.html?lang=de>, 2.9.2013 (zit. 11. Newsletter Programmvereinbarungen).

5. Kapitel: Verfahren

Schindler Benjamin​ | Tschumi Tobias​

 

5. Kapitel: Verfahren/Chapitre 5: Procédure

 

Rechtspflege

Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Voies de droit

La procédure de recours est régie par les dispositions générales de la procédure fédérale.

Rimedi giuridici

La procedura di ricorso è retta dalle disposizioni generali sull’amministrazione della giustizia federale.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Kommentierung 7
​A. ​Allgemeines ​7
​B. ​Beschwerdeverfahren vor eidgenössischen Rechtsmittelinstanzen 15
​C. ​Anforderungen an die kantonalen Rechtsmittelverfahren 20
D. Ideelle Verbandsbeschwerde 26

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der ursprüngliche Entwurf des GSchG 1955 enthielt noch keine Vorschriften über den Rechtsschutz, sodass gemäss der damaligen allgemeinen Regelung der BR letztinstanzliche Rekursinstanz gewesen wäre. Verworfen wurde der von der aussenparlamentarischen Kommission eingebrachte Vorschlag, wonach eine Kommission mit Vertretern aus Wissenschaft, Technik, Gemeinden und interessierten Wirtschaftskreisen als letzte Rekursinstanz hätte eingesetzt werden sollen (Schindler, Rechtsfragen, 492 f.). Eingang ins Gesetz fand schliesslich eine Bestimmung, welche vorsah, dass gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanzen, die in Anwendung des GSchG ergingen, innert 30 Tagen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben werden konnte. Die Bestimmung hielt ausdrücklich fest, dass das BGer auch die Möglichkeit haben soll, die Angemessenheit der angefochtenen Entscheide zu überprüfen.

2. Im Zuge der Totalrevision des GSchG vom 6. Oktober 1971 wurde die Bestimmung über den Rechtsschutz neu formuliert, ohne dabei inhaltliche Änderungen vorzunehmen. Grund für die Neuformulierung war die zuvor erfolgte Ausdehnung der Zuständigkeit des Bundesgerichts als verwaltungsgerichtliche Instanz mittels Einführung einer Generalklausel (AS 1969 767). Der Rechtsweg ans BGer gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide in Anwendung des GSchG und seiner Ausführungsvorschriften war damit bereits aufgrund der allgemeinen Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege eröffnet (Botschaft OG 1965, 1303 ff.). Weil die explizite Bezeichnung der zulässigen Rechtsmittel im GSchG dadurch entbehrlich wurde, beschränkte sich Art. 10 GSchG 1971 auf eine generelle Verweisung auf die «allgemeinen Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege». In Abweichung von diesen allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege erklärte Art. 10 GSchG 1971 die Angemessenheitskontrolle durch die eidgenössischen Beschwerdeinstanzen weiterhin ausdrücklich für zulässig (Botschaft GSchG 1970, 447 f.).

3. Anlässlich der Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 4. Oktober 1991 (AS 1992 288) wurde die Angemessenheitskontrolle durch das BGer mittels Streichung des zweiten Satzes von Art. 10 GSchG 1971 per 15. Februar 1992 ausgeschlossen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Bst. m Verordnung vom 15. Januar 1992 über die teilweise Inkraftsetzung der Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, AS 1992 337). Begründet wurde dieser Schritt mit dem Argument, dass eine Angemessenheitskontrolle den allgemeinen Regeln für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor BGer widerspreche und keine zwingenden Gründe für eine Spezialregelung im Bereich des GSchG ersichtlich seien (Botschaft OG 1991, 494 f., 552).

4. Mit Erlass von Art. 67 des neuen GSchG 1991, in Kraft seit dem 1. November 1992, wurde die Rechtspflegebestimmung des GSchG 1971 ohne inhaltliche Änderung übernommen. Die neue Bestimmung verwies aber nicht mehr auf die «allgemeinen Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege», sondern konkret auf die «Bundesgesetze […] über das Verwaltungsverfahren und über die Organisation der Bundesrechtspflege». Während Art. 67 GSchG anlässlich der Beratungen im SR ohne Diskussionen auf Zustimmung stiess (AB S 1988 664), wurde bei der Beratung im NR trotz Zustimmung darauf hingewiesen, dass mit der vorgeschlagenen Formulierung für den Bereich des GSchG kein umfassendes Verbandsbeschwerderecht bestehe (AB N 1989 1085, Votum Rebeaud; vgl. zu den weitgehend unbegründeten Befürchtungen N 11, 28).

5. Mit Erlass des GTG wurde Art. 67 GSchG der allgemeinen Rechtspflegebestimmung des USG (Art. 54 USG i.d.F. AS 2003 4803) angeglichen (Botschaft USG 2000, 2424). Im Weiteren wurde die Zuständigkeit für die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen des BUWAL und des BLW, die auf das GSchG abgestützt sind, von den Departementen auf verwaltungsunabhängige Rekurskommissionen übertragen.

6. Anlässlich der Totalrevision der Bundesrechtspflege von 2005, in Kraft seit 1. Januar 2007, mit der die Rekurskommissionen des Bundes in das neugeschaffene BVGer überführt wurden, wurde der aktuelle Wortlaut von Art. 67 GSchG eingeführt. Dieser besteht nunmehr aus einer schlichten Verweisung auf die «allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege» (AS 2006 2197). Von den Räten nicht übernommen wurde der Vorschlag des BR, wonach dieser für Beschwerden gegen Verfügungen Dritter, die Vollzugsaufgaben des BAFU im Bereich des Gewässerschutzes wahrnehmen, das BAFU als erste Beschwerdeinstanz hätte vorsehen können (AB 2003 S 878, AB 2004 N 1658).

 

 

II.           Kommentierung

A.           Allgemeines

7. Art. 67 GSchG hält unter dem Titel «Rechtspflege» fest, dass sich das «Beschwerdeverfahren» nach den «allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege» richtet. Damit bringt Art. 67 GSchG zum Ausdruck, was ohnehin aufgrund der allgemeinen bundesrechtlichen Rechtspflegeordnung gilt. Die Bestimmung ist daher rein deklaratorischer Natur. Die Existenz von Art. 67 GSchG erklärt sich im Wesentlichen aus dessen Entstehungsgeschichte, die auf die Zeit vor der Totalrevision der Bundesrechtspflege zurückgeht, zu der die Instanzenzüge vor den Rechtspflegeorganen des Bundes und die zulässigen Rechtsmittel noch nicht vereinheitlicht waren.

8. Art. 67 GSchG bezieht sich nach seinem Wortlaut ausschliesslich auf Beschwerdeverfahren. Die Bestimmung findet mithin keine Anwendung auf das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren und das Klageverfahren. Im Weiteren ergibt sich aus der Entstehtungsgeschichte, dass durch Art. 67 GSchG nur verwaltungsrechtliche Beschwerdeverfahren erfasst werden sollen, nicht aber (verwaltungs‑)strafrechtliche Beschwerdeverfahren (vgl. Art. 67 GSchG i.d.F. AS 1992 1860, der ausdrücklich nur auf das VwVG und das BG über die Organisation der Bundesrechtspflege [aufgehoben] verwies, nicht aber auf das VStrR und das BG über die Bundesstrafrechtspflege [aufgehoben]).

9. Auch in den Anwendungsbereich von Art. 67 GSchG fällt die sog. «Vollzugsklage» Dritter, wobei es sich um eine Rechtsverweigerungs‑ oder Rechtsverzögerungsbeschwerde i.S.v. Art. 94 BGG im Falle des Untätigbleibens einer Behörde handelt (Gächter, Sanierungspflichten, 775 f.; Trüeb, Rechtsschutz, 205 ff.; Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Vorbem. zu Art. 54–57 N 33). Voraussetzung für die Erhebung einer «Vollzugsklage» ist, dass die säumige Behörde aufgrund des Gesetzes zum Tätigwerden verpflichtet ist und dass der antragsstellenden Partei im Fall des Erlasses einer Verfügung Parteistellung zukommen würde (Art. 49 VwVG bzw. Art. 89 i.V.m Art. 111 Abs. 1 BGG). Mit der «Vollzugsklage» kann bei der zuständigen Rechtsmittelinstanz aber keine Entscheidung in der Sache selbst erwirkt werden, sondern nur die verbindliche Weisung an die Vorinstanz, eine Verfügung zu erlassen. Hauptanwendungsfeld der «Vollzugsklage» im Umweltrecht sind die Sanierungsmassnahmen, doch dürfte der Einsatz dieses Instruments im Bereich des Gewässerschutzes regelmässig an der Hürde der besonderen individuellen Betroffenheit scheitern (vgl. Seiler, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 54–57 N 33). Legislatorische Nachlässigkeit kann mit der Vollzugsklage nicht gerügt werden (Trüeb, Rechtsschutz, 211).

10. Die Verweisung in Art. 67 GSchG auf die «allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege» erfasst nach Gesagtem nur diejenigen Bestimmungen, die das verwaltungsrechtliche Beschwerdeverfahren regeln. Damit gemeint sind das BGG, das VGG sowie das VwVG inklusive die dazugehörigen Ausführungserlasse.

11. Die Verweisung in Art. 67 GSchG ist insofern umfassend, als sie auf sämtliche allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, die das verwaltungsrechtliche Beschwerdeverfahren regeln, verweist. Allerdings sind diese allgemeinen Bestimmungen nur subsidiär anwendbar. Art. 67 GSchG schliesst m.a.W. nicht aus, dass im Bereich des Rechtsschutzes gegen Rechtsakte in Anwendung des GSchG aufgrund der lex-specialis-Regel auch andere spezialgesetzliche Bestimmungen als Art. 67 GSchG anwendbar sind (vgl. Loretan, Kommentar USG, Art. 54 N 48 und Trüeb, Rechtsschutz, 12). So sieht z.B. das GSchG mit Art. 67a selbst eine spezialgesetzlich verankerte Behördenbeschwerde des BAFU vor (vgl. Komm. zu Art. 67GSchG N 7); zudem können Verletzungen des GSchG auch im Rahmen der auf Art. 55 USG oder Art. 12 NHG gestützten spezialgesetzlichen ideellen Verbandsbeschwerderechte gerügt werden (s. N 26 ff.).

12. Das GSchG wird mehrheitlich durch kantonale Behörden vollzogen (Art. 45 i.V.m. Art. 48 GSchG). Art. 67 GSchG betrifft indessen grundsätzlich nur das Beschwerdeverfahren vor den Rechtsmittelinstanzen des Bundes, denn die aufgrund von Art. 67 GSchG anzuwendenden allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege regeln im Wesentlichen nur das Verfahren vor den eidgenössischen Rechtsmittelinstanzen. Allerdings enthalten die bundesrechtlichen Rechtspflegebestimmungen auch Vorschriften, die punktuelle Anforderungen an den Rechtsschutz durch die kantonlen Rechtsmittelinstanzen aufstellen. Insofern wirkt sich Art. 67 GSchG mittelbar auch auf die kantonalen Verfahren aus (s. N 20 ff.).

13. Im Übrigen richtet sich auch das Rechtsmittelverfahren vor kantonalen Instanzen nicht nur im autonomen Wirkungsbereich der Kantone, sondern auch im Bereich des delegierten Vollzugs von Bundesrecht nach kantonalem Verfahrensrecht. Für den Rechtsschutz vor kantonalen Rechtsmittelinstanzen sind daher grundsätzlich die kantonalen Verwaltungsrechtspflegeerlasse massgeblich (Kley, Anforderungen, 148; Loretan, Kommentar USG, Art. 54 N 10). Daran möchte Art. 67 GSchG nichts ändern, obschon der Wortlaut der Bestimmung dies nicht klar zum Ausdruck bringt.

14. Als spezialgesetzliche Rechtspflegebestimmung erfasst Art. 67 GSchG nur diejenigen Rechtsmittelverfahren, die sich gegen eine Entscheidung oder einen Erlass in Anwendung des GSchG oder seiner Ausführungsbestimmungen richten. Darunter fallen auch Beschwerden gegen eine Verfügung oder eine Entscheidung, die zu Unrecht nicht auf das GSchG oder seine Ausführungserlasse gestützt wurden oder die sich nur teilweise darauf und sich teilweise auf anderes eidgenössisches, kantonales oder kommunales Recht stützen.

B.            Beschwerdeverfahren vor eidgenössischen Rechtsmittelinstanzen

15. Soweit eidgenössische Behörden für den Vollzug des GSchG zuständig sind (Art. 48 GSchG), kann gegen deren erstinstanzlichen Verfügungen Beschwerde ans BVGer wegen Verletzung des GSchG erhoben werden (Art. 31 VGG i.V.m Art. 5 VwVGArt. 33 Bst. d VGG). Zulässig ist die Beschwerde auch gegen Verfügungen von Anstalten und Betrieben des Bundes sowie von Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit diese Vollzugsaufgaben im Bereich des GSchG wahrnehmen (Art. 33 Bst. e und h VGG).

16. Weil Art. 37 VGG die Bestimmungen des VwVG im Verfahren vor BVGer für anwendbar erklärt, soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Beschwerdeverfahren vor BVGer grösstensteils nach dem VwVG. Das BVGer verfügt zwar grundsätzlich über eine umfassende Kognition (Art. 49 VwVG). Die für ein Gericht atypische Angemessenheitskontrolle wird aber durch das BVGer im Rahmen der sog. «Ohne-Not-Praxis» – inbesondere bei der Beurteilung technischer Fachfragen und örtlicher Gegebenheiten – regelmässig nur mit Zurückhaltung ausgeübt (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1050; Schindler, Kommentar VwVG, Art. 49 N 8 ff.). Hinsichtlich der Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens vor BVGer sei hier auf die Spezialliteratur verwiesen (z.B. Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren, 23 ff.; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 812 ff.; Rhinow/Koller/
Kiss et al., Prozessrecht, N 1498 ff.).

17. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (ÖRA) vor BGer ist gegen Entscheide des BVGer (Art. 86 Abs. 1 Bst. a BGG) sowie gegen Entscheide letztinstanzlicher kantonaler Instanzen (Art. 86 Abs. 1 Bst. d BGG) zulässig, soweit damit Verletzungen von Bundesrecht, insbesondere des GSchG, geltend gemacht werden (Art. 82 Bst. a i.V.m. Art. 95 Bst. a BGG). Auch kantonale Erlasse (Gesetze, Dekrete, Verordnungen, interkantonale Verträge), insbesondere kantonale Ausführungserlasse zum GSchG, können wegen Verletzung der Bestimmungen des GSchG mit Beschwerde in ÖRA angefochten werden (Art. 82 Bst. b BGG).

18. Voraussetzungen und Verfahrensmodalitäten der Beschwerde in ÖRA sind im BGG geregelt. Neben den spezifischen Bestimmungen über die Beschwerde in ÖRA (Art. 82 ff. BGG) sind insbesondere auch die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des BGG (Art. 29 ff. BGG) sowie die Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren (Art. 90 ff. BGG) anwendbar. Die Kognition des BGer im Verfahren der Einheitsbeschwerde ist grundsätzlich auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Dazu gehören insbesondere auch die Kontrolle der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen sowie die Überprüfung von Interessenabwägungen und Ermessensentscheidungen auf Rechtsfehler (zu den Rechtsfehlern der Interessenabwägung Tschannen, Kommentar RPG, Art. 3 N 35 ff.; zur rechtsfehlerhaften Ermessensausübung Schindler, Kommentar VwVG, Art. 49 N 26). Die mangelhafte Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung i.S.v. Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Überprüfung reiner Ermessensfragen durch das BGer ist dagegen nicht zulässig (Kölz/Häner/
Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1576). Weitere Einzelheiten des Verfahrens der Einheitsbeschwerde in ÖRA sind der Spezialliteratur zu entnehmen (z.B. Mosimann, Prozessieren, 199 ff.; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverwahren, N 1373 ff.; Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 1853 ff.).

19. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG kann vor BGer gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen ergriffen werden, soweit keine Beschwerde in ÖRA zulässig ist (Art. 113 BGG). Weil aber keiner der Ausschlussgründe für die Beschwerde in ÖRA (Art. 83 BGG) unmittelbar den Anwendungsbereich des eidgenössischen Gewässerschutzrechts betrifft, kommt der subsidiären Verfassungsbeschwerde im Anwendungsbereich von Art. 67 GSchG keine praktische Bedeutung zu.

C.           Anforderungen an die kantonalen Rechtsmittelverfahren

20. Weil gegen Verfügungen kantonaler Behörden wegen Verletzung des GSchG stets Beschwerde ans BGer geführt werden kann (s. N 17), haben die dem bundesgerichtlichen Verfahren vorangehenden kantonalen Rechtsmittelverfahren zusätzlich zu den verfassungs‑ bzw. konventionsrechtlichen Garantien (BV, EMRK und UNO-Pakt II) auch bestimmten, im VwVG und BGG verankerten bundesgesetzlichen Anforderungen zu genügen. Diese Vorschriften sollen die Einhaltung der übergeordneten Verfahrens‑ und Justizgarantien sicherstellen, die Einheit des Verfahrens gewährleisten sowie das Verbot der Vereitlung des Bundesrechts konkretisieren, wobei sich diese Ziel teilweise überlagern (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, 107 ff.). Der Grundsatz der Verfahrenseinheit strebt einen möglichst naht‑ und reibungslosen Übergang des Verfahrens von der kantonalen auf die eidgenössische Rechtsmittelinstanz an. Das Vereitelungsverbot untersagt den Kantonen, durch den Erlass kantonaler Vorschriften die Durchsetzung des Bundesrechts übermässig zu erschweren oder gar zu vereiteln.

21. Art. 111 BGG verlangt, dass im kantonalen Verfahren die Beschwerdelegitimation (Abs. 1) und die Kognition der Rechtsmittelinstanzen (Abs. 3) mindestens im gleichen Umfang gewährleistet sind wie im nachgelagerten bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren. Die Kantone sind daher insbesondere zur Gewährleistung eines Beschwerderechts im Mindestumfang von Art. 89 BGG verpflichtet (Thurnherr, Verwaltungsrechtspflege, 226).

22. Die Kantone müssen obere Gerichte als unmittelbare Vorinstanzen des BGer einsetzen (Art. 86 Abs. 2 BGG). Ausnahmen sind nur für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter zulässig (Art. 86 Abs. 3 BGG).

23. In den kantonalen Rechtsmittelverfahren, die mit Beschwerde ans BGer weitergezogen werden können, muss der Sachverhalt mindestens einmal frei geprüft und das Recht von Amtes wegen angewendet werden (Art. 110 BGG).

24. Art. 112 BGG regelt die Eröffnung der Entscheide, die der Beschwerde ans Bundesgericht unterliegen.

25. Im Verfahren vor letzten kantonalen Instanzen, die gestützt auf öffentliches Recht des Bundes nicht endgültig verfügen, sind schliesslich die Bestimmungen des VwVG über die Eröffnung, Begründung und Publikation von Entscheiden (Art. 34–38 und Art. 61 Abs. 2 und 3 VwVG) sowie über die aufschiebende Wirkung (Art. 55 Abs. 2 und 4 VwVG) anwendbar (Art. 1 Abs. 3 VwVG).

 

D.           Ideelle Verbandsbeschwerde

26. Das GSchG selbst enthält kein spezialgesetzliches Verbandsbeschwerderecht. Verletzungen des GSchG können aber gestützt auf die im USG und im NHG verankerten ideellen Verbandsbeschwerderechte geltend gemacht werden (vgl. N 11).

27. Nach Art. 55 Abs. 1 Bst. a USG können gesamtschweizerische Organisationen, die sich dem Umweltschutz widmen, Beschwerde erheben gegen Verfügungen der kantonalen Behörden oder der Bundesbehörden, welche die Planung, Errichtung und Änderung von Anlagen betreffen, die gemäss Art. 10a USG der UVP unterliegen. Als Beschwerdegrund sind Verletzungen des Umweltrechts zulässig. Dieses ist in einem weiten Umfang zu verstehen und umfasst insbesondere auch die Bestimmungen des GSchG (Loretan, Kommentar USG, Art. 55 N 27; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 990; BGE 118 Ib 206, E. 8c; 118 Ib 301, E. 1c; weitere Anwendungsfälle).

28. Mit dem Verbandsbeschwerderecht nach Art. 12 Abs. 1 Bst. b NHG können gesamtschweizerische Organisationen, die sich dem Naturschutz, dem Heimatschutz, der Denkmalpflege oder verwandten ideellen Zielen widmen, Verfügungen anfechten, welche in Erfüllung einer Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 NHG ergangen sind (vgl. zum Begriff der Bundesaufgabe Zufferey, Kommentar NHG, Art. 2 N 6 ff.). Eine solche Bundesaufgabe liegt aber nur dann vor, wenn deren Erfüllung «mit gewissen Auswirkungen auf die Natur und das Landschaftsbild verbunden ist» (Zufferey, Kommentar NHG, Art. 2 N 13). Mit Blick auf den Gewässerschutz zieht das BGer den Kreis der Bundesaufgaben mit Auswirkungen auf die Natur und das Landschaftsbild relativ weit und scheint die Anwendung sämtlicher bundesrechtlicher Gewässerschutzbestimmungen dazuzurechnen (BGE 139 II 271, E. 9.2; BGer 1C_262/2011 vom 15. November 2012, E. 1.1; vgl. auch Maurer, Kommentar NHG, Allg. Teil, N 33 ff.).

 

 

Résumé

Sous l’intitulé «voies de droit», l’art. 67 LEaux dispose que la procédure de recours est réglée par les dispositions générales de la procédure fédérale. Cette disposition a une portée purement déclaratoire. Bien que la LEaux est principalement exécutée par les autorités cantonales, l’art. 67 LEaux ne s’applique que devant les autorités de recours fédérales. Néanmoins, les autorités cantonales doivent respecter les exigences minimales imposées par la LTF. Les cantons sont en particulier tenus de garantir la qualité pour recourir dans les minimas prévus par l’art. 89 LTF ou d’instituer des tribunaux supérieurs en vertu de l’art. 86 al. 2 LTF. L’art. 67 LEaux renvoie également aux règles générales de la procédure fédérale qui ne doivent toutefois être appliquées qu’à titre subsidiaire. Lorsque les autorités fédérales pour l’application de la LEaux sont compétentes (art. 48 LEaux), un recours au TAF peut être soulevé contre la décision de l’autorité (art. 31 LTAF et 33 let. d LTAF). Le recours en matière de droit public du TF est ouvert contre les décisions du TAF (art. 86 al. 1 let. a LTF) ainsi contre les décisions des autorités cantonales (art. 86 al. 1 let. d LTF), pour autant que le recours soit formée pour violation du droit fédéral, en particulier de la LEaux (art. 95 LTF). La LEaux ne prévoit aucun droit de recours pour les organisations de protection de l’environnement. Ces organisations peuvent toutefois se fonder sur les recours prévus par la LPE (art. 55 al. 1 let. a LPE) et la LPN (art. 12 al. 1 let. b LPN).

 

 

Literatur: Gächter Thomas, Durchsetzung von Sanierungspflichten mittels Rechtsverweigerungsbeschwerde, in: URP 2005, 775 ff. (zit. Sanierungspflichten); Kley Andreas, Anforderungen des Bundesrechts an die Verwaltungsrechtspflege der Kantone bei der Anwendung von Bundesverwaltungsrecht, in: AJP 1995, 148 ff. (zit. Anforderungen); Moser André/Beusch Michael/Kneubühler Lorenz, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl., Basel 2013 (zit. Prozessieren); Mosimann Hans-Jakob, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Geiser Thomas/Münch Peter/Uhlmann Felix et al. (Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht, 4. Aufl., Basel 2014, 199 ff. (zit. Prozessieren); Rhinow René/Koller Heinrich/Kiss Christina et al., Öffentliches Prozessrecht – Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Aufl., Basel 2014 (Prozessrecht); Thurnherr Daniela, Die Verwaltungsrechtspflege im Spannungsfeld zwischen kantonaler Autonomie und Vereinheitlichung, in: BJM 2013, 217 ff. (zit. Verwaltungsrechtspflege); Trüeb Hans Rudolf, Rechtsschutz gegen Luftverunreinigung und Lärm – das Beschwerdeverfahren bei Errichtung und Sanierung ortsfester Anlagen im Geltungsbereich des Umweltschutzgesetzes, Diss. Zürich 1989 (zit. Rechtsschutz).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde vom 24. September 1965, BBl 1965 II 1265 ff. (zit. Botschaft OG 1965); Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege sowie die Änderung des Bundesbeschlusses über eine vorübergehende Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts vom 18. März 1991, BBl 1991 II 465 ff. (zit. Botschaft OG 1991); Botschaft zu einer Änderung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG) vom 1. März 2000, BBl 2000 2391 ff. (zit. Botschaft USG 2000).

Schindler Benjamin​ | Tschumi Tobias​

 

Behördenbeschwerde

1         Das Bundesamt ist berechtigt, gegen Verfügungen der kantonalen Behörden in Anwendung dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen die Rechtsmittel des eidgenössischen und des kantonalen Rechts zu ergreifen.

2         … (Aufgehoben durch Anhang Ziff. 92 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007; AS 2006 2197; BBl 2001 4202)

Droit de recours des autorités

1         L’office est habilité à user de toutes les voies de recours prévues par le droit fédéral et le droit cantonal contre les décisions rendues par des autorités cantonales en application de la présente loi ou de ses dispositions d’exécution.

2         … (Abrogé par le ch. 92 de l’annexe à la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal administratif fédéral, avec effet au 1er janv. 2007; RO 2006 2197; FF 2001 4000)

Diritto di ricorso delle autorità

1         L’Ufficio federale può impugnare le decisioni delle autorità cantonali in applicazione della presente legge e delle sue disposizioni d’esecuzione con i rimedi giuridici del diritto federale e del diritto cantonale.

2         … (Abrogato dal n. 92 dell’all. alla L del 17 giu. 2005 sul Tribunale amministrativo federale, con effetto dal 1° gen. 2007; RU 2006 2197; FF 2001 3764)

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 3
III. Kommentierung 11
A. Beschwerdevoraussetzungen 11
B. Prozessuale Besonderheiten 16
C. Würdigung 21

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 67a GSchG wurde durch das Koordinationsgesetz vom 18. Juni 1999 ins GSchG eingefügt. Motiv dafür waren die Bestrebungen des Gesetzgebers, in allen Bereichen des eidgenössischen Umweltrechts, das durch die Kantone vollzogen wird, ein einheitliches und umfassendes Beschwerderecht zugunsten des für die Kontrolle des kantonalen Vollzugs zuständigen Bundesamts einzuführen (Botschaft Koordinationsgesetz 1998, 2649). Art. 67a GSchG i.d.F. AS 1999 3071 enthielt neben der eigentlichen Gesetzesgrundlage für das Behördenbeschwerderecht des Bundesamts gegen Verfügungen kantonaler Behörden (Abs. 1) auch eine Bestimmung, welche die letzten kantonalen Instanzen dazu verpflichtete, ihre Verfügungen, die beim Bundesrat oder beim Bundesgericht anfechtbar waren, sofort und unentgeltlich dem beschwerdeberechtigten Bundesamt zu eröffnen (Abs. 2). Diese die kantonalen Behörden treffende Mitteilungspflicht bildet eine unerlässliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des Behördenbeschwerderechts, da dieses von der beschwerdeberechtigten Behörde nur dann ausgeübt werden kann, wenn sie von den anfechtbaren Entscheiden überhaupt Kenntnis erlangt.

2. Im Zuge der Totalrevision der Bundesrechtspflege wurde Art. 67a Abs. 2 GSchG ersatzlos aufgehoben (AS 2006 2272; Botschaft Bundesrechtspflege 2001, 4455), da nunmehr eine entsprechende Mitteilungspflicht der kantonalen Behörden bereits aufgrund der allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege besteht: Die Verordnung des Bundesrats über die Eröffnung letztinstanzlicher kantonaler Entscheide in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. November 2006 (SR 173.110.47) sieht in Art. 1 Bst. c vor, dass Entscheide, die mit Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten vor BGer angefochten werden können, den beschwerdeberechtigten Bundesbehörden sofort und unentgeltlich zu eröffnen sind.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Die Behördenbeschwerde gemäss Art. 67a GSchG ist funktionell ein Instrument der Bundesaufsicht über den dezentralisierten Vollzug des Bundesrechts (zu weiteren Instrumenten der Bundesaufsicht im Bereich der kantonalen Vollzugszuständigkeit Biaggini, Verwaltungsrecht, 158 ff.; Brunner, Kommentar USG, Art. 38 N 7 ff.). Sie kann daher nur gegen Verfügungen kantonaler Behörden ergriffen werden; gegen Verfügungen von Bundesbehörden ist sie dagegen nicht zulässig (vgl. N 11). Mit der Behördenbeschwerde soll – präventiv wie reaktiv – die richtige, bundesweit einheitliche, kohärente und wirksame Anwendung des Bundesrechts in den Kantonen sichergestellt werden. Der Bund soll dort eingreifen können, wo die Gefahr droht, dass die bundesrechtlich festgelegten Interessen von Kantonen, Gemeinden oder anderen öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgern unterhalb der Bundesebene übergangen werden (Häner, Beteiligte, 450).

4. Träger des Behördenbeschwerderechts nach Art. 67a GSchG ist das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Die von Art. 67a GSchG verwendete Bezeichnung «Bundesamt» bezieht sich auf die in Art. 48 Abs. 1 GSchG eingeführte Abkürzung für «Bundesamt für Umwelt» (zur Verwendung von Abkürzungen in Bundeserlassen mittels Klammertechnik vgl. BK, GTR 2013, N 35 ff.).

5. Das BAFU kann im Rahmen der Behördenbeschwerde nach Art. 67a GSchG gegen kantonale Verfügungen sowohl die eidgenössischen als auch die kantonalen Rechtsmittel ergreifen. Dank dieses «integralen Beschwerderechts» (Häner, Beteiligte, N 973) kann das Bundesamt bereits frühzeitig in ein kantonales Verfahren eingreifen und auf eine Korrektur von Verletzungen des eidgenössischen Gewässerschutzrechts hinwirken. Andererseits bietet die Möglichkeit der Bundesbehörden, kantonale Rechtsmittel zu ergreifen, den Vorteil, dass die Kantone selbst über ihre eigenen Gerichte eventuelle Verletzungen von Bundesrecht korrigieren können (Botschaft Bundesrechtspflege 2001, 4350).

6. Im Behördenbeschwerdeverfahren vor eidgenössischen Gerichten sind die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege anwendbar (vgl. Komm. zu Art. 67 GSchG). Vor kantonalen Rechtsmittelinstanzen hingegen richtet sich das Verfahren grundsätzlich nach den Vorschriften des kantonalen Verfahrensrechts, da der Grundsatz der Wahrung und Schonung der kantonalen Verfahrensautonomie – obgleich in abgeschwächter Form – auch im Bereich des delegierten Vollzugs des Bundesverwaltungsrechts gilt (Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 201; Biaggini, Verwaltungsrecht, 54, Fn. 126). Allerdings ergeben sich aus der Natur der integralen Behördebeschwerde als föderales Aufsichtsinstrument des Bundes bestimmte Anforderungen an das kantonale Verfahren, die auf die Beschwerdevoraussetzungen und die Bedeutung der Verfahrensmaximen einwirken (N 16 ff.). Die damit verbundenen Eingriffe in die kantonale Verfahrensautonomie werden in der Lehre mehrheitlich als unproblematisch erachtet (Biaggini, Verwaltungsrecht, 211; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1495).

7. Das Beschwerderecht eines Bundesamts gegen kantonale Entscheide bedarf stets einer speziellen Gesetzesgrundlage. Art. 67a GSchG ist daher für das Behördenbeschwerderecht zugunsten des BAFU konstitutiv. Während der Bundeskanzlei und den Departementen des Bundes direkt gestützt auf Art. 89 Abs. 2 Bst. a BGG ein Behördenbeschwerderecht gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zusteht (allgemeine Behördenbeschwerde), gilt dies für die den Departementen des Bundes unterstellten «Dienststellen» nur, «soweit das Bundesrecht es vorsieht». Im Weiteren sieht Art. 89 Abs. 2 Bst. d BGG vor, dass Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt, zur Beschwerdeerhebung berechtigt sind. Ob die spezialgesetzliche Ermächtigung des BAFU zur Behördenbeschwerde nach Art. 67a GSchG auf Bst. a oder Bst. d des Art. 89 Abs. 2 BGG abgestützt wird, erscheint unklar, ist aber von geringer praktischer Bedeutung (vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1497).

8. Das BAFU darf das Instrument der Behördenbeschwerde nur dann ergreifen, wenn dessen Einsatz verhältnismässig ist (Art. 5 Abs. 2 BV). Dem BAFU dürfen insbesondere keine milderen Aufsichtsmittel zur Verfügung stehen, um die einheitliche und wirksame Umsetzung des Bundesrechts in den Kantonen sicherzustellen. Daraus folgt, dass das BAFU grundsätzlich vor dem Einlegen einer Behördenbeschwerde die betroffene kantonale Behörde im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Weisung auf den Missstand im Vollzug hinweisen und ihr die Möglichkeit der eigenständigen Berichtigung einräumem muss (BJ, Bundesaufsicht, E. II.D.2; BJ, Surveillance fédéral, E. XIII.c). Das Ergreifen eines vorgängigen Aufsichtsmittels ist allerdings dann nicht mehr zweckmässig, wenn die zu beanstandende Entscheidung nicht mehr in Wiedererwägung gezogen werden kann, also insbesondere in denjenigen Fällen, in denen das BAFU erst mit Zustellung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids von der Entscheidung Kenntnis nimmt (vgl. N 2).

9. Aus föderalistischen Gründen soll die Behördenbeschwerde sodann nur soweit ergriffen werden, als die vom Bund zu wahrenden öffentlichen Interessen und Aufgaben betroffen sind und bei deren Umsetzung kein erheblicher Entscheidungsspielraum zugunsten der Kantone besteht (Häner, Beteiligte, N 981). Die den kantonalen Verwaltungsbehörden durch Verfassung und Gesetz zugewiesene Vollzugsverantwortung und Gestaltungsspielräume sollen durch das Instrument der Behördebeschwerde nicht ausgehöhlt werden (Biaggini, Verwaltungsrecht, 54 f.; Kaegi-Diener, St. Galler Kommentar, Art. 46 N 34). Eine scharfe Abgrenzung zwischen dem Zuständigkeitsbereich des Bundes und dem kantonalen Autonomiebereich gestaltet sich aber in vielen Fällen nicht einfach (vgl. zu den Voraussetzungen kantonaler Rechtsetzungsfreiräume Ruch, St. Galler Kommentar, Art. 42 N 16 ff.).

10. Neben dem Beschwerderecht nach Art. 67GSchG, das auf die Überwachung des Vollzugs des eidgenössischen Gewässerschutzrechts beschränkt ist, räumen auch andere Gesetze des Bundesumweltrechts dem BAFU ein spezialgesetzliches Beschwerderecht ein, das den richtigen und einheitlichen Vollzug des jeweiligen Bundesgesetzes durch die kantonalen Behörden sicherstellen soll (z.B. Art. 56 Abs. 1 USG, Art. 46 Abs. 2 WaGArt. 12g Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 NHGArt. 29 Abs. 1 GTG).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Beschwerdevoraussetzungen

11. Gemäss Wortlaut von Art. 67a Abs. 1 GSchG können einzig «Verfügungen der kantonalen Behörden in Anwendung dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen» Anfechtungsobjekt der Behördenbeschwerde sein. Eingeschlossen sind darin auch kommunale Verfügungen (Walker Späh, Behördenbeschwerde, 10). Sodann können gestützt auf Art. 67a GSchG auch kantonale bzw. kommunale Verfügungen, die zu Unrecht nicht auf das GSchG oder seine Ausführungserlasse gestützt wurden oder die sich nur teilweise darauf und teilweise auf anderes eidgenössisches, kantonales oder kommunales Recht stützen, angefochten werden (vgl. Loretan, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 56 N 8). Dagegen können generell-abstrakte kantonale Erlasse wie z.B. die Ausführungserlasse zum GSchG gestützt auf Art. 67a Abs. 1 GSchG nicht direkt angefochten werden. Ebenso wenig ist es dem BAFU gestattet, Verfügungen anderer Bundesbehörden anzufechten. Gemäss dem Grundsatz, dass die Verwaltungsinstanzen desselben Gemeinwesens möglichst nicht gegeneinander prozessieren sollen (Kölz/Häner/
Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 978), sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesämtern grundsätzlich über den Weg der gemeinsamen Aufsichtsinstanz zu bereinigen (Häner, Beiteiligte, N 992; Loretan, Kommentar USG, Art. 56 N 12).

12. Für die Zulässigkeit einer Behördenbeschwerde nach Art. 67a GSchG wird nicht vorausgesetzt, dass neben der Behörde auch ein von der angefochtenen Entscheidung betroffener Privater Beschwerde führt. Vielmehr handelt es sich bei der Behördenbeschwerde um ein selbständiges Beschwerderecht, das auch dann ergriffen werden kann, wenn die beteiligten Privaten ausdrücklich keine Beschwerde erheben (Seiler, Handkommentar BGG, Art. 89 N 45).

13. Sodann stellt die formelle Beschwer – im Gegensatz zum Individualrechtsschutz – keine Voraussetzung der Behördenbeschwerde dar: Eine Beteiligung des Bundesamts am vorinstanzlichen Verfahren wird nicht vorausgesetzt (BGE 136 II 359, E. 1.2). Es steht dem BAFU grundsätzlich frei, zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt es einem Verfahren über mehrere Instanzen als Partei beitreten möchte (Ehrenzeller, BSK BGG, Art. 111 N 13; vgl. zu den prozessualen Konsequenzen N 17). Dies entspricht dem aufsichtsrechtlichen Charakter der Behördenbeschwerde (Loretan, Kommentar USG Ergänzungsband, Art. 56 N 10; Keller, Kommentar NHG, Art. 12b N 8).

14. Sowohl beim Individualrechtsschutz als auch bei der allgemeinen Beschwerde öffentlich-rechtlicher Körperschaften wird als Anfechtungsinteresse vorausgesetzt, dass der Private bzw. das Gemeinwesen eine Betroffenheit in «eigenen» Interessen geltend machen kann. Demgegenüber dient die Behördenbeschwerde – wie auch die ideelle Verbandsbeschwerde – allein der Wahrung des allgemeinen, öffentlichen Interesses (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1494). Zur Begründung der Beschwerdeberechtigung des BAFU gemäss Art. 67a Abs. 1 GSchG genügt daher grundsätzlich bereits ein abstraktes Anfechtungsinteresse, welches in der richtigen Anwendung des eidgenössischen Gewässerschutzrechts besteht. Allerdings liegt nach der Praxis des BGer ein hinreichendes Anfechtungsinteresse nicht schon dann vor, wenn einzig eine vom konkreten Fall losgelöste abstrakte Frage des objektiven Rechts aufgeworfen wird. Das BGer verlangt, dass «ein mit Blick auf die einheitliche Anwendung des Bundesrechts in vergleichbaren Fällen zureichendes Interesse an der Beurteilung der aufgeworfenen Probleme besteh[t]. Dies ist praxisgemäss (insbesondere) dann der Fall, wenn dem Gericht eine neue Rechtsfrage unterbreitet oder eine konkret drohende und nicht anders abwendbare bundesrechtswidrige Rechtsentwicklung verhindert werden soll» (BGE 135 II 338, E. 1.2.1).

15. Beim Behördenbeschwerderecht stimmen die zulässigen Rügen bzw. Beschwerdegründe mit dem Anfechtungsinteressen überein (Loretan, Kommentar USG, Art. 56 N 15). Zulässig sind alle Rügen, mit denen eine Nichtanwendung oder unzutreffende Anwendung des eidgenössischen Gewässerschutzrechts geltend gemacht wird. Behördenbeschwerden, mit denen einzig eine Verletzung von verfassungsrechtlichen Bestimmungen gerügt wird, deren Ursache nicht in der Verletzung des GSchG oder seiner Ausführungserlasse liegt, sollen dagegen nicht möglich sein (vgl. Seiler, Handkommentar BGG, Art. 89 N 44 m.H. auf das Protokoll der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 8./9.7.2001, 29).

 

B.            Prozessuale Besonderheiten

16. Was die Bedeutung der Verfahrensmaximen betrifft, so weist die Behördenbeschwerde im Vergleich zu den Rechtsmitteln, die in erster Linie dem Individualrechtsschutz dienen, einige Besonderheiten auf. Grund dafür ist ihre «zwitterhafte Rechtsnatur» (Biaggini, Verwaltungsrecht, 212). Diese besteht darin, dass sich die Behördenbeschwerde zwar einerseits formell gegen eine Verfügung richtet, die ein individualrechtliches Verhältnis regelt, sie andererseits aber zur Hauptsache nicht einen individualrechtlichen, sondern einen bundesstaatlichen Zweck verfolgt. Das Prozessthema ist – im Gegensatz zum Individualrechtsschutz – nicht auf das Verhältnis zwischen dem Gemeinwesen und einem Privaten beschränkt, sondern umfasst auch und vor allem das Vollzugsverhältnis zwischen dem Bund und dem betreffenden Kanton. Mit Eintritt des Bundesamtes in das Beschwerdeverfahren erweitert sich damit der Prozessgegenstand und der Schwerpunkt des Verfahrens verschiebt sich von einer individualrechtlichen hin zur einer aufsichtsrechtlichen Funktion (vgl. zum Ganzen Biaggini, Verwaltungsrecht, 212 f.).

17. Um ihre Aufsichtsfunktion wirksam wahrnehmen zu können, muss es der beschwerdeberechtigten Bundesbehörde auch bei späterem Verfahrenseintritt möglich sein, eine Überprüfung von Fragestellungen zu verlangen, die im kantonalen Verfahren bislang nicht umstritten waren (BGE 136 II 359, E. 1.2). Der Streitgegenstand wird durch das allfällig vorangehende Rechtsmittelverfahren nicht beschränkt (Loretan, Kommentar USG, Art. 56 N 6). Dies stellt eine Abweichung vom Grundsatz dar, wonach sich der Streitgegenstand im Verlauf des Rechtsmittelverfahrens nur verengen, nie aber erweitern kann (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1019).

18. Soweit die Bundesbehörde neue Anträge stellt, mit denen sie eine Abänderung des angefochtenen Entscheids zuungunsten des ursprünglichen Verfügungsadressaten verlangt, muss diesem im Sinne des rechtlichen Gehörs gestattet sein, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, zu denen erst die neuen Begehren Anlass geben (BGE 136 II 359, E. 1.2). Dies bedeutet, dass das normalerweise umfassend geltende Novenverbot im Behördenbeschwerdeverfahren nur eingeschränkte Geltung hat (Ehrenzeller, BSK BGG, Art. 111 N 14).

19. Typischerweise befindet sich der erstinstanzliche Verfügungsadressat bei einer Behördenbeschwerde in der Rolle des Beschwerdegegners. Die Abänderung eines angefochtenen Entscheids zuungunsten des ursprünglichen Verfügungsadressaten dürfte daher nicht zu einem Abweichen von der Bindungswirkung der Parteibegehren (Art. 107 Abs. 1 BGG) führen. Denn Ausgangspunkt der Bindungswirkung sind die Rechtsbegehren der beschwerdeführenden Partei, und nicht diejenigen des Beschwerdegegners (Meyer/Dormann, BSK BGG, Art. 107 N 2; Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 1680).

20. Hinsichtlich der Überprüfungbefugnis (Kognition) der Rechtsmittelinstanzen bestehen bei der Behördenbeschwerde keine Besonderheiten. Auch im Verfahren der Behördenbeschwerde ergibt sich die Kognition der Rechtsmittelinstanzen grundsätzlich aus dem «Spiegelbild» der aufgrund der anwendbaren kantonalen bzw. bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften zulässigen Beschwerdegründe (Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren, N 1027, N 1543; Rhinow/Koller/Kiss et al., Prozessrecht, N 1585; Schindler, Kommentar VwVG, Art. 49 N 2).

 

C.           Würdigung

21. Die Behördenbeschwerde des BAFU nach Art. 67a GSchG erweist sich insgesamt als ein sinnvolles Instrument zur Gewährleistung eines korrekten und einheitlichen Vollzugs des eidgenössischen Gewässerschutzrechts durch die Kantone. Es «stärkt auf subtile und weitgehend unproblematische Weise die bundesstaatliche Verwaltungsaufsicht» (Biaggini, Verwaltungsrecht, 211) bzw. stellt «ein wirksames und aus rechtsstaatlicher Sicht ideales Aufsichtsmittel» (BJ, Bundesaufsicht, E. II.D.3.b) dar.

22. Obschon das BAFU das Instrument der Behördenbeschwerde im gesamten Bereich des Umweltrechts pro Jahr nur in ein bis zwei Fällen und damit sehr zurückhaltend einsetzt (Botschaft Volksinitiative Verbandsbeschwerde 2007, 4359; Tanquerel, Recours des offices fédéraux, 775), entfaltet bereits das Wissen um die Möglichkeit einer Behördenbeschwerde durch das BAFU gegenüber Entscheiden der kantonalen Vollzugsbehörden eine nicht zu unterschätzende disziplinierende Präventivwirkung (gl. M. Loretan, Kommentar USG, Art. 56 N 23).

 

 

Résumé

Le droit de recours des autorités de l’art. 67LEaux est un instrument de la surveillance fédérale dans l’exécution décentralisée du droit fédéral.

Le titulaire de ce droit de recours est l’OFEV. Il ne peut toutefois utiliser cet instrument que lorsque l’intervention est conforme au principe de proportionnalité, lorsque des intérêts publics à préserver et tâches de la Confédération sont touchés et seulement au moment de leur mise en œuvre, il n’existe aucune marge d’appréciation étendue au profit des cantons.

Aux termes de l’art. 67LEaux, l’objet du recours ne peut être que les décisions rendues par des autorités cantonales en application de la présente loi ou de ses dispositions d’exécution. Il s’agit d’un droit de recours autonome, qui peut en conséquence aussi être utilisé, lorsque les privés concernés n’ont expressément pas formé de recours. De plus, l’autorité peut recourir même si elle n’a pas participé à la procédure devant l’autorité précédente. Elle ne doit pas non plus démontrer un intérêt digne de protection spécifique. Le recours doit toutefois selon le TF se rapporter à un cas particulier revêtant une certaine importance relative à l’exécution uniforme du droit fédéral.

Le droit de recours des autorités a une nature juridique hybride. Le recours est certes formellement intenté à l’encontre d’une décision qui règle une situation de droit d’un particulier, mais il poursuit néanmoins un but étatique fédéral. Il se révèle être un instrument utile pour la sauvgarde d’une exécution correcte et uniforme du droit fédéral de la protection des eaux par les cantons. Il a toutefois principalement un effet préventif.

 

 

Literatur: Biaggini Giovanni, Theorie und Praxis des Verwaltungsrechts im Bundesstaat – Rechtsfragen der «vollzugsföderalistischen» Gesetzesverwirklichung am Beispiel des schweizerischen Bundesstaates, Habil. Basel 1994 (zit. Verwaltungsrecht); Häner Isabelle, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess – Unter besonderer Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsprozesses im Bund, Habil. Zürich 2000 (zit. Beteiligte); Rhinow René/Koller Heinrich/Kiss Christina et al., Öffentliches Prozessrecht – Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Aufl., Basel 2014 (Prozessrecht); Seiler Hansjörg/von Werdt Nicolas/Güngerich Andreas et al., Stämpflis Handkommentar, Bundesgerichtsgesetz (BGG) – Bundesgesetz über das Bundesgericht, Bern 2007 (zit. Bearbeiter, Handkommentar BGG); Tanquerel Thierry, Le recours des offices fédéraux en matière d’aménagement du territoire et de l’environnement, in: Bovay Benoît/Nguyen Minh Son (Hrsg.), Mélanges en l’honneur de Pierre Moor – Théorie du droit – Droit administratif – Organisation du territoire, Bern 2005, 761 ff. (zit. Recours des offices fédéraux); Walker Späh Carmen, Behördenbeschwerde – Ein Instrument zu Gunsten der Umwelt, in: PBG aktuell 2006/3, 5 ff. (zit. Behördenbeschwerde).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren vom 25. Februar 1998, BBl 1998 2591 ff. (zit. Botschaft Koordinationsgesetz 1998); Bundesamt für Justiz (BJ), Surveillance fédérale – Notion et modalités, Avis de droit de l’Office fédéral de la justice du 10 novembre 1998, in: VPB 2000 Nr. 24, 307 ff. (zit. Surveillance fédérale); Bundesamt für Justiz (BJ), Bundesaufsicht im Strassenverkehr, Einzelne Fragen zur Aufsicht des Bundes über die Einhaltung bundesrechtlicher Normen, Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 31. August 2004 im Auftrag der Bundesaufsicht im Strassenverkehr, in: VPB 2005 Nr. 1, 18 ff. (zit. Bundesaufsicht); Botschaft zur Volksinitiative «Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz!» vom 8. Juni 2007, BBl 2007 4347 ff. (zit. Botschaft Volksinitiative Verbandsbeschwerderecht 2007); Bundeskanzlei (BK), Gesetzestechnische Richtlinien (GTR), 2. Aufl., Bern 2013 (zit. GTR 2013).

Marti Arnold

 

Landumlegung, Enteignung und Besitz

1         Soweit der Vollzug dieses Gesetzes es erfordert und sofern ein freihändiger Erwerb ausser Betracht fällt, können die Kantone Landumlegungen anordnen. Bund und Kantone können die notwendigen Rechte im Enteignungsverfahren erwerben. Sie können diese Befugnis Dritten übertragen.

2         Das Enteignungsverfahren kommt erst zur Anwendung, wenn die Bemühungen für einen freihändigen Erwerb oder für eine Landumlegung nicht zum Ziele führen.

3         Die Kantone können in ihren Ausführungsvorschriften das Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung als anwendbar erklären; sie sehen vor, dass:

a.       die Kantonsregierung über streitig gebliebene Einsprachen entscheidet;

b.       der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission das abgekürzte Verfahren bewilligen kann, wenn sich die von der Enteignung Betroffenen genau bestimmen lassen.

4         Für Werke, die das Gebiet mehrerer Kantone beanspruchen, ist das eidgenössische Enteignungsrecht anwendbar. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation entscheidet über die Enteignung.

5         Die genutzten Flächen des Gewässerraums bleiben soweit wie möglich im Besitz der Landwirte. Sie gelten als Biodiversitätsförderflächen.

Remembrement, expropriation et possession

1         Si l’exécution de la présente loi l’exige et qu’une acquisition de gré à gré n’est pas possible, les cantons peuvent ordonner des remembrements. La Confédération et les cantons peuvent acquérir les droits nécessaires par voie d’expropriation. Ils peuvent transférer le droit d’expropriation à des tiers.

2         La procédure d’expropriation ne devient applicable que s’il n’a pas été possible d’atteindre l’objectif visé au moyen d’une acquisition de gré à gré ou d’un remembrement.

3         Dans leurs dispositions d’exécution, les cantons peuvent déclarer applicable la loi fédérale du 20 juin 1930 sur l’expropriation et prévoir que:

a.       le gouvernement cantonal statue sur les oppositions non réglées;

b.       le président de la Commission fédérale d’estimation peut autoriser l’application de la procédure sommaire lorsqu’il est possible de déterminer exactement les personnes touchées par l’expropriation.

4         La législation fédérale sur l’expropriation s’applique aux ouvrages qui se situent sur le territoire de plusieurs cantons. Le Département fédéral de l’environnement, des transports, de l’énergie et de la communication statue sur les expropriations.

5         Toute surface exploitée dans l’espace réservé aux eaux reste, dans la mesure du possible, en possession de l’agriculteur. Elle est considérée comme une surface de promotion de la biodiversité.

Ricomposizione particellare, espropriazione e possesso

1         Se l’esecuzione della presente legge lo esige, i Cantoni possono ordinare ricomposizioni particellari, sempreché un acquisto a trattative private non entri in linea di conto. La Confederazione e i Cantoni possono acquistare i diritti necessari mediante espropriazione. Possono delegare tale facoltà a terzi.

2         La procedura d’espropriazione è applicabile soltanto se sono falliti i tentativi di acquistare i diritti necessari mediante trattative private o ricomposizione particellare.

3         Nelle loro prescrizioni esecutive, i Cantoni possono dichiarare applicabile la legge federale del 20 giugno 1930 sull’espropriazione; essi prevedono che:

a.       il governo cantonale decida sulle opposizioni rimaste controverse;

b.       il presidente della Commissione federale di stima possa autorizzare la procedura abbreviata, qualora le persone colpite dall’espropriazione possano essere esattamente determinate.

4         La legislazione federale sull’espropriazione è applicabile alle opere situate sul territorio di più Cantoni. Il Dipartimento federale dell’ambiente, dei trasporti, dell’energia e delle comunicazioni decide sulle espropriazioni.

5         Le superfici sfruttate dello spazio riservato alle acque restano per quanto possibile in possesso degli agricoltori. Sono considerate superfici per la promozione della biodiversità.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte ​1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen ​6
A. Art. 68 GSchG als Landerwerbsnorm für den Gewässerschutz ​6
B. Verhältnis zur materiellen Enteignung ​8
C. Vorbehalt von Spezialvorschriften ​9
III. ​Kommentierung 12
A. Freihändiger Erwerb, Landumlegung und Enteignung (Abs. 1) 12
1. Bedürfnis, Voraussetzungen und Arten des Landerwerbs 12
​2. Freihändiger Erwerb 16
3. Landumlegung 17
4. Formelle Enteigung 20
​B. Subsidiarität des Enteigungsverfahrens (Abs. 2 23
​C. ​Anwendbares Enteignungsrecht (Abs. 3) 26
​D. ​Kantonsübergreifende Werke (Abs. 4) 28
​E. ​Verbleib des Gewässerraums im Besitz der Landwirte (Abs. 5) 29

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Bereits im ersten Gewässerschutzgesetz fand sich eine Bestimmung über die Enteignung (Art. 13 GSchG 1955), wonach die Kantonsregierung Gemeinden und privaten Unternehmen das Enteignungsrecht für die Erstellung der erforderlichen (Abwasser‑)Anlagen gewähren konnte (Abs. 1). Die Kantone wurden hierbei ermächtigt, in ihren Ausführungsbestimmungen das Bundesenteignungsrecht (EntG) anwendbar zu erklären, wobei über streitige Einsprachen und die Plangenehmigung aber die Kantonsregierung (nicht der Bundesrat) entscheiden sollte (sofern nicht mehrere Kantone beteiligt oder betroffen sind) und die Anwendung des abgekürzten Verfahrens erleichtert wurde (Abs. 2). Für Gemeinschaftswerke, welche das Gebiet mehrerer Kantone betreffen, sollte demgegenüber – mit den Einschränkungen des Abs. 2 – von Gesetzes wegen das EntG zur Anwendung gelangen (Abs. 3). Der BR wollte ursprünglich das Verfahren gemäss EntG in allen Fällen vorschreiben (vgl. Botschaft GSchG 1954, 342 zu Art. 10 E-GSchG 1954).

2. Im Gewässerschutzgesetz von 1971 wurde der Wortlaut der bisherigen Enteignungsvorschrift in der neuen Bestimmung von Art. 9 GSchG 1971 im Wesentlichen übernommen, aber die Möglichkeit der Enteignung ausdrücklich auch auf die neu geschaffenen Schutzzonen ausgedehnt und die Delegationsmöglichkeit auf Korporationen und Zweckverbände erweitert (Abs. 1); überdies wurde der Entscheid über strittige Einsprachen bei Bundeszuständigkeit nun dem in der Sache zuständigen Departement zugewiesen (Abs. 3; vgl. dazu auch Botschaft GSchG 1970, 480 zu Art. 9 E-GSchG 1970 und Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 347 ff., N 4 ff.).

3. Im heute geltenden Gewässerschutzgesetz von 1991 wurde der Enteignungsartikel in Anlehnung an das zuvor erlassene Umweltschutzgesetz neu formuliert, aber inhaltlich nur wenig verändert (Art. 68 GSchG). Immerhin wurde das Enteignungsrecht neu auch dem Bund eingeräumt und es wurde die Übertragung desselben generell «an Dritte» ermöglicht (Abs. 1; vgl. dazu Botschaft GSchG 1987, 1083 f.; zum Bedürfnis eines Enteignungsrechts des Bundes namentlich im Hinblick auf eine Ersatzvornahme durch den Bund Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 356, N 39; vgl. im Übrigen zu diesen beiden Änderungen auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 3, 21 f.). Die dem USG entsprechende Erweiterung der direkten Anwendbarkeit des EntG auf Gemeinschaftswerke unabhängig davon, ob das Gebiet mehrerer Kantone betroffen ist (Abs. 3), wurde mit der USG-Revision von 1995 wieder rückgängig gemacht (vgl. dazu Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 27). Der Entscheid über die Ausübung des Enteignungsrechts bei kantonsübergreifenden Werken wurde aufgrund der Verschiebung der GSchG-Fachbehörde (des BAFU bzw. des früheren BUWAL) ins UVEK gestützt auf Art. 16 Abs. 3 PublV dem UVEK übertragen (vgl. dazu auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 28).

4. Eine bedeutsame Änderung und Erweiterung der Enteignungsvorschrift von Art. 68 GSchG erfolgte durch die GSchG-Revision vom 11. Dezember 2009 (neue Renaturierungsvorschriften als indirekter Gegenvoschlag zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser»). Ein zentraler Punkt dieser Revision bestand darin, für wichtige Gewässerabschnitte eine Renaturierung (Revitalisierung) vorzusehen und einen mit Nutzungseinschränkungen verbundenen Gewässerraum festzulegen (vgl. dazu den Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8043 ff.). Da namentlich für die vorgesehenen Revitalisierungen das nötige Land zur Verfügung stehen muss, aber grossflächige Enteignungsmassnahmen vermieden werden sollten, schlug die UREK-S vor, als mildere Variante die Anordnung von Landumlegungen durch die Kantone vorzusehen (vgl. zum Vorschlag einer entsprechenden Erweiterung der Sachüberschrift und der Anfügung eines neuen Abs. 4 Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8064). In der parlamentarischen Beratung wurde der Enteignungsartikel auf Vorschlag der UREK-N hin wesentlich angereichert und mit landwirtschafts‑ und eigentumspolitischen Anliegen verbunden. So sollten an erster Stelle (mit entsprechender Erwähnung auch im Sachtitel von Art. 68 GSchG [«Nutzung, Landumlegung und Enteignung»]) Aussagen zur Nutzung des Gewässerraums durch die Landwirte gemacht und überdies das Verhältnis zwischen Landumlegung und Enteignung sowie zwischen formeller und materieller Enteignung geregelt werden (vgl. den Antrag der UREK-N vom 31. März 2009, AB 2009 N 660, und dazu Votum Nordmann, AB 2009 N 639). Im Rahmen der Differenzbereinigung wurde hierauf verzichtet, aber ausdrücklich das Primat des freihändigen Erwerbs und eine eigentliche Subisidiaritäts‑Stufenordnung für die Zulässigkeit der Enteigung im Gesetzestext verankert (Subsidiarität der Enteignung gegenüber freihändigem Erwerb und Landumlegung; heute Art. 68 Abs. 1 und 2 GSchG). Überdies wurde angeordnet, dass die genutzten Flächen des Gewässerraums soweit wie möglich im Besitz der Landwirte bleiben und als ökologische Ausgleichsflächen gelten sollten (heute Art. 68 Abs. 5 GSchG). Als neue Sachüberschrift wurde der Titel «Landumlegung, Enteignung und Besitz» gewählt (vgl. zur Differenzbereinigung namentlich den im Wesentlichen von beiden Räten übernommenen Antrag der UREK-S vom 18. Mai 2009, AB 2009 S 878 f., sowie die zusätzliche Änderung von Art. 68 Abs. 1 GSchG gemäss Antrag der UREK-N vom 20. Oktober 2009 und dazu AB 2009 N 1914 f., sowie AB 2009 S 1114 [insb. Votum Lombardi]).

5. Mit der Änderung des Landwirtschaftsgesetzes im Rahmen der Agrarpolitik 2014–2017 wurde der bisherige Begriff «ökologische Ausgleichsfläche» entsprechend der erweiterten Zielsetzung der Biodiversitätsstragie des Bundes durch den Begriff «Biodiversitätsförderflächen» ersetzt (vgl. Art. 70a Abs. 2 Bst. c LwG), was eine entsprechende Anpassung der Begriffsverwendung auch in Art. 68 Abs. 5 GSchG zur Folge hatte (vgl. dazu Botschaft Agrarpolitik 2014–2017, 2075 ff., insb. 2202, 2276).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Art. 68 GSchG als Landerwerbsnorm für den Gewässerschutz

6. Art. 68 GSchG bildete ursprünglich die allgemeine Vorschrift für den Fall einer erforderlichen formellen Enteignung (zwangsweiser Entzug von Eigentumsrechten gegen Entschädigung) beim Vollzug des Gewässerschutzrechts, wobei ZulässigkeitGegenstand und Verfahren einer solchen Enteigung geregelt wurden. Bezüglich des Verfahrens und der sich im Zusammenhang mit der Enteigung stellenden Detailfragen beschränkte sich die Regelung freilich grundsätzlich stets darauf, die Anwendung des Bundesenteignungsgesetzes zu ermöglichen bzw. für bestimmte Fälle vorzusehen (vgl. heute Abs. 3 und 4; zu neuen Fragen und zur geplanten Revision des Bundesenteignungsgesetzes Marti, Grundsätze, 141 ff.). Insbesondere wird die Bestimmung der Enteignungsschädigung im Rahmen der Wertgarantie von Art. 26 Abs. 2 BV ganz dem kantonalen bzw. eidgenössischen Enteigungsrecht überlassen (vgl. dazu Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar, Art. 26 N 72 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2105 ff., 2194 ff.). Als Modell für die Formulierung von Art. 68 GSchG diente wie in anderen umweltrechtlichen Erlassen Art. 58 USG, der seinerseits auf Enteignungsartikel der früheren Gewässerschutzgesetze zurückging. Die entsprechenden Vorschriften sollen die Handlungsfreiheit des zuständigen Gemeinwesens bei der Erfüllung der vorgeschriebenen öffentlichen Aufgaben sicherstellen (vgl. dazu N 3 und Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 1 f., 4). Insoweit kann denn auch für die Auslegung und Anwendung von Art. 68 GSchG auf Lehre und Rechtsprechung zu Art. 58 USG und ähnlichen Bestimmungen in andern umweltrechtlichen Erlassen zurückgegriffen werden. Allerdings kam dem Art. 68 GSchG von Anfang an grössere Bedeutung zu als Art. 58 USG, der weitgehend als Auffangnorm fungiert (Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 5, 29), da das Gewässerschutzrecht die Erstellung spezifischer Werke (namentlich Abwasser-Reinigungsanlagen und Abwasser-Leitungen) sowie den Schutz von Trinkwasserfassungen erfordert, wofür das nötige Land bzw. die entsprechenden Rechte nicht immer freihändig erworben werden können.

7. Eine über die blosse Schaffung einer Rechtsgrundlage für die formelle Enteigung hinausgehende Bedeutung kommt Art. 68 GSchG nun seit der Revision des GSchG von 2009 zu. Nicht nur wurde das Verhältnis von freihändigem Erwerb, Landumlegung und Enteignung im Sinne einer ausdrücklichen Subsidiaritäts-Stufenordnung neu geregelt (Abs. 1 und 2), sondern es wurde zusätzlich auch eine Anordnung bezüglich der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen des neu geschaffenen Gewässerraumes angefügt (Abs. 5; vgl. dazu N 4). Hierbei handelt es sich freilich nicht um eine eigentliche Nutzungsvorschrift, sondern um eine landwirtschafts‑ und eigentumspolitisch motivierte Anordnung, weshalb als neue Sachüberschrift zu Recht «Landumlegung, Enteignung und Besitz», nicht «Nutzung, Landumlegung und Enteignung» gewählt wurde (vgl. auch N 4 und N 29 f.). Beide Neuerungen betreffen namentlich die vorgesehene Revitalisierung von wichtigen Gewässerstrecken und die Ausscheidung des Gewässerraums, dürften aber für andere Fragen des Landbedarfs nach GSchG – ausser eventuell im Zusammenhang mit der Ausscheidung von Gewässerschutz-Schutzzonen – kaum von Bedeutung sein (vgl. auch N 12, 17, 19).

 

B.            Verhältnis zur materiellen Enteignung

8. Keine Regelung enthält Art. 68 GSchG zur Frage der materiellen Enteignung (sog. enteignungsähnlicher Eingriff durch Verfügungs‑ oder Nutzungsbeschränkungen ohne Übergang von Eigentumsrechten) im Zusammenhang mit Massnahmen nach GSchG. Ob dieser Tatbestand vorliegt und welche Entschädigungsfolgen sich hieraus ergeben, leiten Lehre und Rechtsprechung – soweit ausdrückliche Regelungen fehlen – aus Art. 26 Abs. 2 BV bzw. bei Folgen raumplanerischer Massnahmen aus Art. 5 Abs. 2 RPG ab (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2176 ff.; Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar, Art. 26 N 65 ff.; zur Abgrenzung von formeller und materieller Enteignung auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 18). Eine Priorität der materiellen gegenüber der formellen Enteignung (Entschädigung statt Landübernahme) wie sie die UREK-N vorschlug (vgl. dazu N 4), besteht nicht und würde auch kaum Sinn machen. Vielmehr ist eine formelle Enteigung (Überführung des Eigentums in den Besitz des Staates oder eines vom Staat ermächtigten Dritten) anstelle blosser einschränkender Nutzungsvorschriften nur zulässig, wenn sie für den Vollzug erforderlich ist und ein freihändiger Erwerb oder eine Landumlegung nicht möglich ist bzw. nicht zum Ziel führt (vgl. dazu N 20 ff.). Umgekehrt bilden blosse Nutzungsbeschränkungen (ohne Eigentumsübergang) grundsätzlich nur dann eine materielle Enteignung, wenn ein besonders schwerer Eingriff ins Eigentum vorliegt, namentlich den Entzug einer unmittelbar möglichen baulichen Nutzung durch eine staatliche Eigentumsbeschränkung ohne Eigentumsübergang, welche anders als weniger weit gehende öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen aber nicht entschädigungslos hingenommen werden muss (vgl. dazu und zu den Ausnahmen Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar, Art. 26 N 59 ff.; Häfelin/Müller/
Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2176 ff., 2208 sowie N 9). Dem Anliegen der UREK-N (Schutz der landwirtschaftlichen Bewirtschafter) wurde daher zu Recht nur mit der Vorschrift von Art. 68 Abs. 5 GSchG Rechnung getragen, wonach die genutzten Flächen des Gewässerraums soweit wie möglich im Besitz der Landwirte bleiben (vgl. dazu N 29 f.).

 

C.           Vorbehalt von Spezialvorschriften

9. Einzelne Bestimmungen des GSchG enthalten Spezialvorschriften zur formellen und materiellen Enteignung in einzelnen Anwendungsbereichen des GSchG. So sieht im Bereich des planerischen Schutzes des Grundwassers Art. 20 Abs. 2 Bst. c GSchG vor, dass die Inhaber von Grundwasserfassungen für allfällige Entschädigungen von Eigentumsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Ausscheidung von Grundwasserschutzzonen aufkommen müssen und Art. 21 Abs. 2 GSchG hält fest, dass die Kantone Entschädigungen von Eigentumsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Ausscheidung von Grundwasserarealen auf die späteren Inhaber von Grundwasserfassungen und Anreicherungsanlagen überwälzen können. In beiden Fällen handelt es sich um Entschädigungen aus materieller Enteignung, wobei für Verfahren und Rechtsschutz nach herrschender Auffassung mangels besonderer Bestimmungen das kantonale Recht massgebend ist (offen ist, ob die erwähnten Regeln auch für freiwillig bezahlte Entschädigungen gelten). Eine materielle Enteignung ist in der Regel allerdings nicht gegeben, da die entsprechenden planerischen Schutzmassnahmen des GSchG polizeilich motiviert sind (Quell‑ und Grundwasserschutz) und in der Landwirtschaftszone ein Verbot der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung überdies keinen schwerwiegenden Eigentumseingriff darstellt (vgl. für die Ausscheidung von Grundwasser-Schutzzonen den Grundsatzentscheid BGE 106 Ib 330 ff., BGer 1A.147/1989 vom 20. Juni 1990, in: ZBl 1991, 557 ff., sowie Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 358 ff., N 45 ff. zu den entsprechenden Bestimmungen des GSchG 1971). Sofern eine bestehende Nutzung verboten wird oder eine Auszonung von baureifem oder grob erschlossem Land erfolgt, können allerdings auch rein polizeilich motivierte Nutzungsbeschränkungen eine materielle Enteignung bewirken (so bejaht in BGE 106 Ib 336 ff. [Ausscheidung einer Grundwasserschutzzone zum Schutz eines Grundwasserpumpwerkes]; differenzierend zu den einzelnen GSchG-Schutzzonen Henny, Protection des eaux, 186 f.). Daneben enthält Art. 20 Abs. 2 Bst. b GSchG aber auch eine Spezialbestimmung zur formellen Enteigung: Danach müssen die Inhaber von Grundwasserfassungen die erforderlichen dinglichen Rechte erwerben. Damit wird jedoch nur die Entschädigungspflicht besonders zugewiesen; im Übrigen gilt für Zulässigkeit, Gegenstand und Verfahren der Enteigung Art. 68 GSchG (vgl. dazu Art. 20 GSchG N 25 und insbesondere Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 355 f., N 34 ff. zur entsprechenden früheren Bestimmung des GSchG 1971; vgl. auch N 21 f.).

10. Ebenfalls besonders geregelt ist die Enteignung von Wassernutzungsrechten im Bereich der Sanierung von Wasserentnahmen aufgrund der Restwasservorschriften. Entsprechende Sanierungen sollen in einer ersten Stufe nur soweit gehen, dass keine Entschädigungspflicht begründet wird. Bei Fliessgewässern in Landschaften oder Lebensräumen, die in nationalen oder kantonalen Inventaren aufgeführt sind, oder wenn dies andere überwiegende öffentliche Interessen erfordern, sind jedoch weitergehende Sanierungsmassnahmen erforderlich. Das Verfahren für die Feststellung der Entschädigungspflicht und die Festsetzung der Entschädigung richtet sich hierbei nach dem EntG (vgl. Art. 80 Abs. 1 und 2 und für erst geplante Wasserentnahmen Art. 83 Abs. 1 und 2 GSchG). Nach herrschender Auffassung handelt es sich hierbei in der Regel um eine materielle Enteignung und nur in Ausnahmefällen um eine formelle Enteignung. Aufgrund der Verweisung auf das EntG richten sich Verfahren und Rechtsschutz nach dem Bundesrecht, wobei dies aufgrund der zitierten Spezialbestimmungen auch für den Ausnahmefall einer formellen Enteignung gilt (vgl. dazu Art. 80 GSchG N 56 ff. und Riva, Wohlerworbene Rechte, 193 ff., 218 ff.).

11. Keine besondere Regelung enthält das GSchG für Entschädigungsfragen im Zusammenhang mit der Ausscheidung von Gewässerräumen gemäss Art. 36a GSchG. Das Vorliegen und die allfälligen Folgen einer materiellen Enteignung beurteilt sich somit – wie erwähnt (N 8) – nach allgemeinen Grundsätzen. Da dem Gewässerraum nicht nur eine polizeiliche (Hochwasserschutz; Gefahrenprävention), sondern auch eine raumplanerische und ökologische Funktion zukommt, kann er – insbesondere bei Eintritt der vollständigen Unüberbaubarkeit eines Baugrundstücks – eine materielle Enteignung bewirken. Die eingeschränkte Nutzbarkeit von Landwirtschaftsland wird dagegen aufgrund der bereits bisher bestehenden Einschränkungen (Gewässerschutzvorschriften und Naturschutz im Uferbereich) und der erhältlichen Direktzahlungen (vgl. dazu N 30) kaum je zu einer materiellen Enteignung führen. Für Verfahren und Rechtsschutz zur Geltendmachung einer allfälligen materiellen Enteigung gilt hierbei mangels besonderer Vorschriften das kantonale Recht (vgl. dazu Fritzsche, Entschädigungspflicht, 226 ff., insb. 233 ff.; 238 ff.; Fritzsche, Entschädigungspflicht Volltext, 39 ff., insb. 49, 54 f., 62 f.; Henny, Protection des eaux, 190).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Freihändiger Erwerb, Landumlegung und Enteignung (Abs. 1)

1.             Bedürfnis, Voraussetzungen und Arten des Landerwerbs

12. Der Landerwerb spielt für die Errichtung der zum Vollzug des Gewässerschutzrechts erforderlichen Anlagen (insb. Abwasserreininungsanlagen und Abwasserleitungen), deren Standorte häufig durch die gegebenen geographischen und siedlungsplanerischen Verhältnissen stark vorbestimmt werden, eine grosse Rolle. Gar von entscheidender Bedeutung ist der Landerwerb für die neu vorgeschriebene Renaturierung wichtiger Gewässerstrecken, zumal hiefür relativ umfangreiche Revitalisierungsflächen benötigt werden (vgl. dazu Maurer, Revitalisierung, 450; BAFU, Revitalisierung Fliessgewässer, 20, 31). Die blosse planerische Ausscheidung von Gewässerräumen mit eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit benötigt demgegenüber keinen Landerwerb, kann aber unter bestimmten Umständen zu einer materiellen Enteignung führen (vgl. dazu N 11). Zu berücksichtigen ist beim Landerwerb an Gewässern deren besondere eigentumsrechtliche Situation. So besteht nach Art. 664 Abs. 2 ZGB und den kantonalen Ausführungsgesetzen eine gesetzliche Vermutung, dass die oberirdischen Gewässer (Seen, Flüsse, Bäche) im öffentlichen Eigentum des Kantons oder der Gemeinden stehen, wobei mangels einer anderen Abgrenzung der mittlere Wasserstand die Grenze zwischen dem öffentlichen Eigentum und dem privaten Eigentum der Anstösser bildet (vgl. dazu auch Maurer, Revitalisierung Volltext, 11).

13. Zwangsmassnahmen im Hinblick auf einen Landerwerb (die Anordnung einer Landumlegung oder die Einleitung eines Enteignungsverfahrens) sind nur zulässig, «soweit der Vollzug dieses Gesetzes es erfordert». Dieser präzise Wortlaut schliesst es aus, Art. 68 GSchG herbeizuziehen, soweit es um den Vollzug anderer Gesetze (z.B. des USG, des NHG oder des WBG) geht, und meint den Vollzug im engeren Sinn, also vor allem das Bereitstellen der nötigen Infrastruktur (Bauten und Anlagen), d.h. insbesondere von Abwasser-Reinigungsanlagen und Abwasser-Leitungen, aber auch der Landbedarf für die Revitalisierung von Gewässerstrecken (vgl. auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 9 f.). Bei Bauten und Anlagen, welche anderen Zwecken dienen und für die ein spezialgesetzlicher Enteignungstitel besteht (z.B. Wasserbaumassnahmen für den Hochwasserschutz nach Art. 17 WBG oder Anlagen der Wasserkraftnutzung nach Art. 19 oder Art. 46 WRG), kann dieser Titel auch für Gewässerschutzmassnahmen (z.B. für die Revitalisierung von Gewässern oder die Errichtung von Fischstegen) verwendet werden, wobei Art. 68 Abs. 1 GSchG nur subsidiäre Bedeutung zukommt (vgl. Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 15 f.). Bei kombinierten Projekten (z.B. Hochwasserschutz und Revitalisierung) dürfte für die Bestimmung des anwendbaren Enteignungsrechts darauf abzustellen sein, in welchem Bereich der Schwerpunkt des Projekts liegt.

14. Der Bedarfsnachweis für eine Enteignung ist im Übrigen in geeigneter Form zu erbringen, namentlich anhand der Entwässerungsplanung gemäss Art. 5 GSchV für Abwasseranlagen bzw. der Revitalisierungsplanung nach Art. 41d Abs. 2 GSchV für Revitalisierungsprojekte (vgl. auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 16).

15. In Art. 68 Abs. 1 GSchG wird im Sinne einer gesetzlichen Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips die ausdrückliche Subsidiaritäts-Stufenordnung für den Erwerb des für den Vollzug des Gewässerschutzrechts nötigen Landes festgehalten (freihändiger Erwerb – Landumlegung – formelle Enteignung), welche bei der Revision des GSchG vor allem aus eigentumspolitischen Gründen eingeführt wurde (vgl. N 4, 7), aus den vorerwähnten Gründen (grosser Landbedarf für Revitalisierungen) aber für den Vollzug des revidierten Gewässerschutzrechts auch eine besondere Bedeutung erhält und diese – namentlich auch durch die Anordnung von Landumlegungsverfahren – erleichtern kann (vgl. dazu auch N 23 ff.). Eine entsprechende Stufenordnung für den Landerwerb besteht schon seit längerer Zeit für den Nationalstrassenbau (vgl. Art. 31 ff. NSG) und in ähnlicher Form seit der Einführung des Bundeskoordinationsgesetzes auch für den Eisenbahnbau (Art. 18v EBG). Der Vorteil des Landumlegungsverfahrens gegenüber der Enteigung besteht namentlich darin, dass Aufteilung und Nutzung des Bodens rationeller geordnet, der Landverlust auf mehr Eigentümer verteilt und auch vom Staat selber Land in das Unternehmen eingeworfen werfen kann (vgl. auch Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 384, N 26).

 

2.             Freihändiger Erwerb

16. An erster Stelle steht gemäss Art. 68 Abs. 1 GSchG der freihändige Landerwerbwelcher – abgesehen von einem vorteilhaften Preisangebot – namentlich durch das Anbieten von Realersatz erleichtert werden kann und im Hinblick auf die Realisierung von Projekten ohne Zweifel am schnellsten zum Ziel führt. Soweit dies für die Aufgabenerfüllung genügt, können auch nur Dienstbarkeiten (z.B. Durchleitungsrechte) freihändig erworben werden. Selbst für die Flussrevitalisierung kann es bei kleineren Fliessgewässern genügen, anstelle des Erwerbs des vollen Eigentums an den erforderlichen Flächen eine unselbständige Personaldienstbarkeit (für die Revitalisierung und Beibehaltung des Gewässers mit extensiver Nutzung im Uferbereich) zu Gunsten des Kantons zu errichten (vgl. Maurer, Revitalisierung Volltext, 11 [heute ist aber für einen entsprechenden Dienstbarkeitsvertrag aufgrund von Art. 781 Abs. 3 i.V.m. Art. 732 Abs. 1 ZGB eine öffentliche Beurkundung nötig]; muss zwangsweise vorgegangen werden, kann der Kanton aber wohl angesichts der zu befürchtenden Duchsetzungsprobleme das Volleigentum beanspruchen; vgl. dazu auch N 21). Die Errichtung einer blossen Dienstbarkeit hat den Vorteil dass die Fläche des belasteten Grundstücks gleich bleibt und vom Eigentümer weiterhin im Rahmen der bestehenden Vorschriften genutzt werden kann. Im Baugebiet ist allerdings zu beachten, dass offene Gewässerflächen bei der Bestimmung der baulichen Ausnützung eines Grundstücks meist nicht angerechnet werden können, was zur Erleichterung von Revitalisierungsmassnahmen aber geändert werden kann (vgl. dazu und zu den eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten entlang von Gewässern Maurer, Revitalisierung Volltext, 12 ff.). Im Landwirtschaftsgebiet sind die Vorschriften des bäuerlichen Bodenrechts (BGBB) zu beachten, wobei aber der Erwerb durch den Kanton oder eine Gemeinde zum Zweck des Hochwasserschutzes und der Revitalisierung von Gewässern keiner Bewilligung nach BGBB mehr bedarf (Art. 62 Bst. h. BGBB; zum früheren Recht Maurer, Revitalisierung Volltext, 16 ff). Zur Problematik einer Bevorzugung oder Benachteiligung gegenüber andern Eigentümern beim freihändigem Erwerb vgl. Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 382, N 25).

 

3.             Landumlegung

17. Falls ein freihändiger Erwerb des Eigentums oder einer erforderlichen Dienstbarkeit nicht möglich ist, ermächtigt Art. 68 Abs. 1 GSchG die Kantone, zur Deckung des Landbedarfs eine Landumlegung anzuordnen. Landumlegungen sind allerdings – anders als der freiwillige Tausch von Parzellen – aufwändige und langwierige Verfahren, welche sich in der Regel nur bei grösserem Landbedarf lohnen. Sie kommen daher insbesondere bei grösseren Flussrevitalisierungen in Frage, wo es darum geht, die für die vorgesehenen wasserbauliche Massnahmen, insbesondere die Gewässerbettaufweitung erforderlichen Flächen, welche nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können, durch den Staat zu erwerben und das verbleibende Landwirtschaftsland unter den betroffenen Grundeigentümern angemessen zu verteilen. Im Falle einer solchen Gewässer-Revitalisierungen kommt Art. 68 Abs. 1 GSchG insofern auch eine besondere Bedeutung zu, als die Kantone zwar regelmässig Landumlegungsverfahren kennen (namentlich landwirtschaftliche Güterzusammenlegungen und Baulandumlegungen; vgl. dazu auch Art. 703 ZGB und Art. 20 RPG sowie Hänni, Umweltschutzrecht, 255 ff.), bisher jedoch meistens die Rechtsgrundlagen fehlen, welche die behördliche Anordnung einer Landumlegung allein zum Zweck einer Gewässerrevitalisierung ermöglichen. Die vorliegende Bestimmung ermächtigt die Kantone nun aber, eine solche Landumlegung direkt gestützt auf das Bundesrecht anzuordnen (vgl. dazu auch Maurer, Revitalisierung Volltext, 19). Die Bestimmung erfüllt somit eine ähnliche Funktion wie Art. 20 RPG, mit welcher der Bund dieses Instrument für die Realisierung der Nutzungspläne zur Verfügung stellte.

18. Grundsätzlich handelt es sich bei der Möglichkeit, eine Landumlegung anzuordnen, um einen blossen Verfahrensgrundsatz, wobei die Kantone Zuständigkeit und Verfahren regeln müssen (namentlich für den Einleitungsbeschluss, vorzeitige Besitzeinweisung, die Festsetzung des Umlegungsperimeters, die Bewertung des Landes, die Neuzuteilung sowie die Kataster‑ und Dientsbarkeitsbereinigung). Da die Verfahren bei landwirtschaftlichen Güterzusammenlegungen und bei Baulandumlegungen sehr kompliziert und langwierig sind, empfielt sich die Schaffung eines einfachen Verfahrens (Anordnung und Durchführung der Landumlegung durch eine Behörde; vgl. auch Regierungsrat ZH, Weisung zu E‑WsG ZH, § 109, 110 f.; anders Art. 31 ff. NSG und dazu Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 385 N 27 [Anlehnung an Verfahren der Güter‑ und Waldzusammenlegung bzw. der Baulandumlegung]). Mangels besonderer Regelungen im kantonalen Recht kann eine Landumlegung wohl von der zuständigen kantonalen Vollzugsbehörde auch direkt gestützt auf Art. 68 Abs. 1 GSchG angeordnet und durchgeführt werden, doch müssten dann wohl im Sinne einer Lückenfüllung die Regeln bestehender Landumlegungsverfahren als subsidiäres Recht herbeigezogen werden. Eventuell kann eine Landumlegung von den betroffenen Grundeigentümern auch freiwillig beschlossen werden, wie dies etwa bei der Landumlegung nach Art. 18v EBG und auch bei landwirtschaftlichen Güterzusammenlegungen und bei Baulandumlegungen meist ausdrücklich vorgesehen ist. Diesfalls sollte aber darauf geachtet werden, dass eine zügige Durchführung sichergestellt ist (vgl. ähnlich für die Landumlegung nach Art. 20 RPG Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Art. 20 N 3, 10 ff.).

19. Die Landumlegung stellt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung dar. Sie ist daher nur zulässig, soweit sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Die gesetzliche Grundlage bildet bei entsprechenden Anordnungen zum Vollzug des Gewässerschutzrechts Art. 68 Abs. 1 GSchG, aufgrund dessen auch das öffentliche Interesse an einer entsprechenden Massnahme grundsätzlich ausgewiesen ist. Das überwiegende öffentliche Interesse bzw. die Verhältnismässigkeit der vorgesehenen Landumlegung muss aber im einzelnen Fall anhand des konkreten Projekts, also namentlich eines Revitalisierungsprojekts oder eines Projekts zur Sicherung einer Gewässerschutzzone, nachgewiesen werden. Bei der Durchführung der Landumlegung ist sodann der Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) zu beachten, d.h. Vor‑ und Nachteile der Umlegung sind angemessen unter den beteiligten Grundeigentümern zu verteilen. Ein Vorteil der Landumlegung kann insbesondere in der durch eine Revitalisierung erfolgten landschaftlichen Aufwertung eines Gebietes bestehen, der Nachteil in der Verkleinerung des Grundstücks oder dem Wegfall einer bisher möglichen Nutzung. Eine Landumlegung kann den Tatbestand eines enteignungsähnlichen Eingriffs erfüllen, sofern kein voller Realersatz geleistet wird. Für die wertmässige Differenz zwischen altem Bestand und der Neuzuteilung ist daher aufgrund von Art. 26 Abs. 2 BV im Rahmen des Landumlegungsverfahrens gegebenenfalls volle Entschädigung zu leisten (vgl. dazu Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, Art. 20 N 7; Hänni, Umweltschutzrecht, 257 f., 290 ff.; vgl. auch Regierungsrat ZH, Weisung zu E‑WsG ZH, § 108, 110 f).

 

4.             Formelle Enteigung

20. Neben dem freihändigen Erwerb und der Landumlegung sieht Art. 68 Abs. 1 GSchG ausdrücklich vor, dass Bund und Kantone die notwendigen Rechte (Eigentum oder beschränkte dingliche Rechte) auch auf dem Wege der (formellen) Enteignung erwerben und «diese Befugnis» (gemeint aufgrund der unmittelbaren Bezugnahme wohl ausschliesslich das Enteignungsrecht gemäss Satz 2, nicht auch das Recht zur Anordnung einer Landumlegung gemäss Satz 1) auch Dritten übertragen können. Diese Bestimmung bildet die erforderliche Grundlage für die Erteilung des Enteignungsrechts, was als schwerwiegende öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung eine klare Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn erfordert, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein muss und nur gegen volle Entschädigung möglich ist (vgl. dazu Vallender/Hettich, St. Galler Kommentar zur BV, Art. 26 N 39 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2096 ff.). Während sich die nötige gesetzliche Grundlage und das generelle öffentliche Interesse an den zum Vollzug des Gewässerschutzrechts erforderlichen Enteignungsmassnahmen aus Art. 68 Abs. 1 GSchG ergibt, muss das überwiegende öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit des Eingriffs im konkreten Fall nachgewiesen werden (vgl. dazu N 12 ff.) und die Entschädigung gegebenenfalls in einem besonderen Verfahren festgesetzt werden (vgl. dazu N 26 ff.).

21. Im Enteignungsverfahren erworben werden können im Übrigen nur «die notwendigen Rechte». Darunter fallen grundsätzlich alle Rechte, die unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehen, d.h. neben dem Grundeigentum insbesondere beschränkte dingliche Rechte und obligatorische Rechte sowie wohlerworbene Rechte des öffentlichen Rechts (vgl. dazu auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 17). Die Notwendigkeit des Erwerbs der betreffenden Rechte muss sodann im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein, weshalb beispielsweise für die Erstellung von blossen Leitungen ein Durchleitungsrecht als Dienstbarkeit genügt, während für eigentliche Bauten und Anlagen das Grundeigentum beansprucht werden darf (vgl. dazu Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 19 f.). Unter Bauten und Anlagen, für welche grundsätzlich (vorbehältlich einer Interessenabwägung und Verhältnismässigkeitsprüfung im Einzelfall) das volle Eigentum enteignet werden darf, sind insbesondere bauliche Eingriffe in die Gewässer und Geländeveränderungen für den Hochwasserschutz oder die Revitalisierung zu verstehen. Zu den letzteren gehören etwa Dämme, Vorländer, Hochwasserrückhaltebereiche, naturnahe Flächen wie Magerstandorte, Ruderalflächen, Hecken, Ufergehölze oder Amphibienteiche entlang von Fliessgewässern. Im Grundwasserfassungsbereich (Zone S1) darf zur Sicherung der Wasserversorgung bzw. im Interesse einer möglichst uneingeschränkten Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens das Grundeigentum als solches enteignet werden (BGer 1A.313/1996 vom 12. April 1996, E. 3, in: ZBl 1997, 323 ff.). Ähnliches dürfte für eine öffentliche Versickerungsanlage i.S.v. Art. 7 Abs. 2 GSchG gelten.

22. Enteignungsberechtigt sind aufgrund von Art. 68 Abs. 1 GSchG der Bund und die Kantone, wobei sie diese Befugnis auch Dritten übertragen können. Die Enteignungsbefugnis des Bundes kann insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn ausnahmsweise der Bund selber für den Vollzug des Gewässerschutzes zuständig ist (z.B. bei Infrastrukturanlagen nach Bundeskoordinationsgesetz; vgl. auch Art. 48 GSchG) oder bei Ersatzvornahmen im Rahmen der Bundesaufsicht (vgl. auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 21 und oben N 3). Soweit Vollzugsaufgaben (z.B. im Bereich der Abwasserentsorgung) an Dritte (Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, aber auch an eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts) ausgelagert werden, kann diesen auch das Enteignungsrecht übertragen werden (vgl. dazu und zum erforderlichen Übertragungsakt Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 22 f.).

 

B.            Subsidiarität des Enteigungsverfahrens (Abs. 2)

23. Art. 68 Abs. 2 GSchG schreibt für die Wahl des Enteignungsverfahrens im Sinne der erwähnten Subsidiaritäts‑Stufenordnung vor, dass dieses erst dann zur Anwendung kommen kann, wenn die Bemühungen für einen freihändigen Erwerb oder für eine Landumlegung nicht zum Ziele führen (vgl. dazu N 16 ff.). Eine gleichlautende Bestimmung findet sich schon seit längerer Zeit auch in Art. 30 Abs. 2 NSG, weshalb für die Auslegung und Anwendung von Art. 68 Abs. 2 GSchG Lehre und Rechtsprechung zu dieser NSG‑Bestimmung herbeigezogen werden können. Danach kann der Vorbehalt des freihändigen Erwerbs und der Landumlegung nur den Charakter einer allgemeinen Richtlinie haben und nicht formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit des Enteignungsverfahrens bilden. Eine strengere Auslegung dieser Vorschrift wäre sehr schwierig zu handhaben und könnte in der Praxis zu verschiedenen Unzukömmlichkeiten führen. Das Nichteinhalten der vorgesehenen Stufenordnung für den Landerwerb kann daher nach herrschender Auffassung einer Enteignung im Einspracheverfahren auch nicht entgegengehalten werden (vgl. Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 381 f., N 23 f. zum NSG [mit verschiedenen weiteren Hinweisen]). Überdies können sich heikle Fragen der Abgrenzung und des Zusammenspiels von Landumlegungs‑ und Enteignungsverfahren ergeben (vgl. dazu Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 385 f., N 28 ff. [mit verschiedenen weiteren Hinweisen]).

24. Um dem gesetzgeberischen Willen zum Durchbruch zu verhelfen (Vorrang der Landumlegung), erscheint es trotz dieser einschränkenden Bemerkungen sinnvoll, für die Anwendung des Landumlegungsverfahren anstelle des Enteignungsverfahrens durch die kantonalen Ausführungsvorschriften oder die Praxis gewisse Kriterien zu schaffen, in welchen Fällen das Landumlegungs‑ anstelle des Enteignungsverfahrens zur Anwendung gelangen muss (vgl. für den Nationalstrassenbau auch Art. 31 Abs. 1 NSG und dazu Hess/Weibel, Kommentar EntG, Bd. II, 384, N 26). Ein Landumlegungsverfahren ist – wie erwähnt (N 17 ff.) – für die Eigentümer weniger einschneidend als eine formelle Enteignung, aber sehr aufwändig und zeitraubend. Es soll daher nur dann durchgeführt werden, wenn es sich auch lohnt (insbesondere bei grösseren Flussrevitalisierungen; vgl. auch N 17 ff.). Im Recht des Kantons Zürich ist daher vorgesehen, eine Landumlegung dann durchzuführen, wenn die betroffenen Grundeigentümer durch die Abtretung von Land erheblich belastet werden, und die Kosten der Landumlegung in einem günstigen Verhältnis zum Verkehrswert der Erwerbsflächen stehen (vgl. dazu und zur Auslegung dieser Voraussetzungen Regierungsrat ZH, Weisung zu E‑WsG ZH, § 107, 110 f.).

25. Da die Anordnung einer Landumlegung durch den Bund in Abs. 1 nicht vorgesehen ist und namentlich zur Durchführung einer Ersatzvornahme, für welchen Fall dem Bund das Enteignungsrecht insbesondere eingeräumt wird (vgl. dazu N 3, 22), auch nicht geeignet ist, dürfte die Subsidiaritätsvorschrift von Art. 68 Abs. 2 GSchG nur für den Normalfall, nämlich die Enteignung durch die Kantone zum Zwecke des Vollzugs des Gewässerschutzrechts gelten, nicht aber für den Ausnahmefall, dass der Bund zur Durchsetzung des Gewässerschutzrechts selber Land oder beschränkte dingliche Rechte erwerben muss.

 

C.           Anwendbares Enteignungsrecht (Abs. 3)

26. Wird das Enteignungsrecht durch ein Bundesgesetz auf die Kantone übertragen, wie dies in Art. 68 Abs. 1 GSchG geschehen ist, wird häufig für die Enteignung auch das Bundesenteignungsrecht (EntG) anwendbar erklärt. Im Umwelt‑ und Wasserbaurecht besteht jedoch – um das Verfahren für die Kantone zu erleichtern – eine andere Regelung. Sofern nicht ein grenzüberschreitendes Werk vorliegt (vgl. dazu N 28), ist ohne gegenteilige Bestimmung das kantonale Enteignungsrecht anwendbar. Die Kantone können jedoch das Bundesenteignungsrecht (EntG) in ihren Ausführungsvorschriften (nicht von Fall zu Fall wie in der Konstellation von Art. 119 EntG) als anwendbar erklären, was jedoch nur vereinzelt geschehen ist (vgl. Art. 58 USGArt. 68 GSchG, Art. 17 WBG und dazu Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 24 f, sowie Komm. zu Art. 17 WBG, N 30 ff. [mit Hinweisen auf die Regelungen in den einzelnen Kantonen]). Die Voraussetzungen der Enteignung beurteilen sich hierbei grundsätzlich stets nach dem anwendbaren materiellen Bundesrecht (im Bereich des Gewässerschutzes also nach Art. 68 GSchG; vgl. auch BGer 1A.313/1996 vom 12. April 1996, E. 1, in: ZBl 1997, 323 ff.), während für das Verfahrensrecht, aber auch für damit eng zusammenhängende materiell-rechtliche Fragen (z.B. Zulässigkeit vorbereitender Handlungen) mangels Anwendbarkeitserklärung des Bundesenteignungsrecht kantonales Recht zur Anwendung gelangt (vgl. dazu Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 25).

27. Sofern ein Kanton für Enteignungen im Bereich des Vollzugs von Gewässerschutzrecht das Bundeseinteignungsrecht anwendbar erkärt, sind gemäss Art. 68 Abs. 3 GSchG folgende Abweichungen gegenüber dem EntG vorzusehen: Anstelle eines Departement des Bundes entscheidet die Kantonsregierung über streitig gebliebene Einsprachen (Bst. a). Überdies kann der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission in jedem Fall das abgekürzte Verfahren (persönliche Anzeige statt öffentliche Planauflage) bewilligen, wenn sich die von der Enteignung Betroffenen genau bestimmen lassen, ohne dass weitere einschränkende Voraussetzungen erfüllt sein müssen (Bst. b; vgl. dazu Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 26). Die Anwendbarkeitserklärung des Bundesenteignungsgesetzes hat im Übrigen insbesondere zur Folge, dass nicht kantonale Rechtsschutzorgane (kantonale Schätzungskommission, Verwaltungsgericht) für die Durchführung und Überprüfung des Enteignungsverfahrens zuständig sind, sondern eine eidgenössische Schätzungskommission in Funktion tritt und anschliessend das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden muss. Letztinstanzlich entscheidet in jedem Fall das Bundesgericht auf Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hin (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 2143 ff.).

 

D.           Kantonsübergreifende Werke (Abs. 4)

28. Soweit im Rahmen des Vollzugs des Gewässerschutzrechts ein Werk geschaffen wird, welches das Hoheitsgebiet mehrerer Kantone beansprucht, schreibt Art. 68 Abs. 4 GSchG zwingend die Anwendbarkeit des Bundesenteignungsrechts (EntG) vor, da es nicht sinnvoll und auch nicht zulässig erscheint, dass in einem solchen Fall jeder Kanton ein separates Enteignungsverfahren durchführt (vgl. auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 27 f., und Komm. zu Art. 17 WBG, N 71 ff.). Im Sinne von Art. 3 Abs. 1 EntG wird hierbei der Entscheid über die Ausübung des Enteignungsrechts dem in der Sache zuständigen Departement (UVEK) zugewiesen. Über streitig gebliebene Einsprachen entscheidet ohnehin das betreffende Departement (Art. 50 und 55 EnG; vgl. auch Loretan, Kommentar USG, Art. 58 N 28; Komm. zu Art. 17 WBG, N 72, 74).

 

E.            Verbleib des Gewässerraums im Besitz der Landwirte (Abs. 5)

29. Die Vorschrift, dass die genutzten Flächen des Gewässerraums soweit wie möglich im Besitz der Landwirte bleiben sollen (Art. 68 Abs. 5 Satz 1 GSchG), stellt keine Nutzungsvorschrift, sondern in Fortführung bzw. Präzisierung des bereits durch die Subsidiaritäts-Stufenordnung von Abs. 1 und 2 zum Ausdruck gebrachten Gedankens eine landwirtschafts‑ und eigentumspolitisch motivierte Anordnung dar (Schutz der bisherigen landwirtschaftlichen Bewirtschafter; vgl. auch N 7.). Hieraus ergibt sich auch, dass kein absoluter Anspruch auf Beibehaltung der bisher von Landwirten genutzten Flächen besteht, sondern eine Landumlegung oder gar eine formelle Enteigung vorbehalten bleibt, wenn Land für öffentliche Zwecke, namentlich für eine vorgesehene Revitalisierung zwingend benötigt wird. Nach Möglichkeit soll aber auch im Falle einer Revitalisierung möglichst viel Land weiterhin landwirtschaftlich bewirtschaftet werden können, allerdings nur im Sinne einer extensiven Landwirtschaft (vgl. dazu auch N 4 f.). Art. 68 Abs. 5 GSchG spricht sodann ausdrücklich nur von «Besitz». Es genügt somit nach dieser Vorschrift grundsätzlich auch, dass das vom Gemeinwesen zwecks Durchführung einer Revitalisierung erworbene Land an den früheren Bewirtschafter verpachtet wird, soweit eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung weiterhin möglich und sinnvoll ist (vgl. dazu N 4, 8 a.E.; eine solche Rückverpachtung wird auch für den erleichterten Erwerb von ökologisch wertvollem Land durch das Gemeinwesen im Rahmen des Aktionsplans Biodiversität vorgesehen; vgl. dazu die Antwort des BR auf die Frage 15.5130 von N Aebi). Ob und inwieweit ein durchsetzbarer Anspruch des bisherigen Bewirtschafters auf Zuteilung von Pachtland besteht, wird die Praxis entscheiden müssen. Die im Gewässerraum bestehenden Nutzungseinschränkungen bzw. ‑möglichkeiten werden im Übrigen rechtssetzungstechnisch richtig in den Vorschriften zum Gewässerraum geregelt (vgl. Art. 36a Abs. 3 GSchG und Art. 41c GSchV).

30. Aufgrund des bestehenden Regelungskonzepts bzw. der grundsätzlich rein eigentums‑ und besitzrechtlichen Bedeutung von Art. 68 GSchG hat es das Parlament zu Recht abgelehnt, die im Gewässerraum allein zulässige extensive Landwirtschaft in Art. 68 Abs. 5 GSchG durch den Zusatz «sie … sind nicht als offene Ackerflächen zu bewirtschaften» zu definieren (AB 2009 N 1914 f.). Eher gerechtfertigt erscheint es dagegen, Art. 68 Abs. 5 GSchG noch als Anknüpfungspunkt für eine landwirtschafts‑ bzw. finanzrechtlich motivierte Anordnung zu verwenden. So sollen nach dem heute bestehenden zweiten Satz von Art. 68 Abs. 5 GSchG die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Gewässerraum als «ökologische Ausgleichsflächen» bzw. heute als «Biodiversitätsförderflächen» gelten (vgl. zu dieser neuen Umschreibung N 5), womit die Bewirtschafter bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen Anspruch auf Direktzahlungen nach der Direktzahlungsverordnung haben. Diese Regelung hatte eine Erhöhung des Agrarbudgets des Bundes um CHF 20 Mio. pro Jahr zur Folge (vgl. dazu BAFU, Erläuternder Bericht Änderung GSchV 2011, 4 und Fritzsche, Entschädigungspflicht Volltext, 14 f., 53 f.).

 

 

Résumé

Tout comme dans d’autres domaines du droit de l’environnement, l’art. 58 LPE a servi de modèle pour l’art. 68 LEaux. Par conséquent, s’agissant de l’interprétation et de l’application de l’art. 68 LEaux, il est renvoyé à la jurisprudence et à la doctrine relative à l’art. 58 LPE.

L’art. 68 LEaux règle la relation entre la possession, le remembrement et l’expropriation en instaurant une hiérarchie de subsidiarité (al. 1 et 2). Selon cette disposition, l’acquisition de gré à gré vient en premier lieu qui peut avoir lieu sous forme de compensation en nature. A la place d’une acquisition de la pleine propriété, l’acquisition d’une servitude est également possible.

Le canton peut, en deuxième lieu, ordonner des remembrements afin de couvrir les besoins en terrain. Les remembrements donnent lieu à des procédures longues et coûteuses, qui ne s’avèrent donc en principe utiles que lors de grands besoins en terrains. De plus, en tant que restriction de droit public à la propriété, le remembrement n’est admissible que pour autant qu’il repose sur une base légale suffisante (cf. art. 68 LEaux), qu’il soit dans l’intérêt public et qu’il respecte le principe de proportionnalité.

A part l’acquisition de gré à gré et le remembrement, l’art. 68 LEaux prévoit expressément que la Confédération et les cantons peuvent acquérir les droits nécessaires par la voie de l’expropriation formelle. Le droit d’expropriation peut être transférer à des tiers. L’intérêt public supérieur, ainsi que la proportionnalité de la restriction doivent être analysés au cas par cas.

Sauf disposition spécifique contraire, le droit d’expropriation cantonal s’applique pour autant que l’ouvrage se situe sur un seul canton. Les cantons peuvent toutefois dans leurs dispositions d’exécution déclarer applicable la LEx. En revanche, lorsqu’un ouvrage se situe sur le territoire de plusieurs cantons, l’art. 68 al. 4 LEaux dispose que la LEx doit être appliquée à cet ouvrage.

L’al. 5 de l’art. 68 LEaux qui prévoit que toute surface exploitée reste, dans la mesure du possible, en possession de l’agriculteur, constitue une disposition motivée par la politique agricole ainsi que par la politique de la propriété. Il en résulte qu’il n’existe aucun droit absolu au maintien des surfaces exploitées jusqu’à présent, ce qui ressort expressément du terme «possession» utilisé à l’al. 5. Il suffit donc que la terre expropriée soit affermée aux anciens exploitants.

 

 

Literatur: Fritzsche Christoph, Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung infolge der Festsetzung von Gewässerräumen, in: URP 2014, 218 ff. (zit. Entschädigungspflicht); Fritzsche Christoph, Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung infolge der Festsetzung von Gewässerräumen, Gutachten zuhanden der Bauddirektion des Kantons Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) vom 9. Juli 2013 (zit. Entschädigungspflicht Volltext); Hänni Peter, Planungs‑, Bau‑ und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl., Bern 2008 (zit. Umweltschutzrecht); Henny Jean-Michel, Protection des eaux et agriculture, BlAR 2015, 179 ff. (zit. Protection des eaux); Hess Heinz/Weibel Heinrich, Das Enteignungsrecht des Bundes – Kommentar zum Bundesgesetz über die Enteignung, zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen und zur Spezialgesetzgebung des Bundes, Bern 1986 (zit. Kommentar EntG); Marti Arnold, Grundsätze und Begriffe: Formelle und materielle Enteignung, volle Entschädigung, erscheint in: BlAR 2015, 141 ff. (zit. Grundsätze); Maurer Hans, Revitalisierung der Gewässer, Volltext des in: URP 2008, 441 ff. in gekürzter Fassung abgedruckten Fachbeitrags, <http://www.maurer-anwalt-zuerich.ch/pdf-anwalt-zuerich/Revitalisierung-2008.pdf> (zit. Revitalisierung Volltext).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014–2017 (Agrarpolitik 2014–2017) vom 1. Februar 2012, BBl 2012 2075 ff. (zit. Botschaft Agrarpolitik 2014–2017); Regierungsrat ZH, Weisung des Regierungsrats des Kantons Zürich zu einem neuen Wassergesetz vom 28. Januar 2015 (zit. Weisung zu E-WsG ZH).

4. Titel, aufgehoben

Savary Fiona

 

Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 21. Dez. 1995, mit Wirkung seit 1. Juli 1997 (AS 1997 1155; BBl 1993 II 1445).

Abrogé par le ch. 2 de l’annexe à la LF du 21 déc. 1995, avec effet au 1er juil. 1997 (RO 1997 1155; FF 1993 II 1337).

Abrogato dal n. 2 dell’all. alla LF del 21 dic. 1995, con effetto dal 1°gen. 2014 (RU 1997 1155; FF 1993 II 1213).

 

 

Inhaltsübersicht

E​ntstehungsgeschichte 1
II.   ​ Aufhebung der Norm 4

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der Wortlaut des Art. 69 GSchG lautete vor dessen Aufhebung folgendermassen:

4. Titel Haftpflicht

Art. 69

1       Der Inhaber eines Betriebes oder einer ortsfesten oder beweglichen Anlage, mit denen besondere Gefahren für die Gewässer verbunden sind, haftet für den Schaden, der durch entsprechende Einwirkungen entsteht.

2       Er wird von der Haftpflicht befreit, wenn er nachweist, dass der Schaden durch höhere Gewalt oder durch grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht worden ist.

3       Die Artikel 42–47, 50, 51, 53 und 60 des Obligationenrechts sind anwendbar.

4       Bund, Kantone und Gemeinden haften ebenfalls nach den Absätzen 1–3.

5       Der Bundesrat kann für die Inhaber bestimmter Betriebe oder Anlagen eine Haftpflichtversicherung vorschreiben.

6       Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für Nuklearschäden im Sinne des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983.

2. Der Art. 69 GSchG 1991 sollte die in der Lehre als systemfremde, reine Erfolgshaftung kritisierte Bestimmung des Art. 36 GSchG 1971 ersetzen, welcher bis dahin in keinem publizierten Urteil zur Anwendung gelangt war (Botschaft GSchG 1987, 1160). Die neue Haftpflichtnorm sollte als klassische Gefährdungshaftung ausgestaltet werden und nur für Betriebe, Anlagen und Einrichtungen gelten, von welchen qualifizierte Risiken für die Gewässer ausgehen (Botschaft GSchG 1987, 1161). Auf eine gesetzliche Aufzählung solcher Betriebe, Anlagen und Einrichtungen wurde bewusst verzichtet, da eine solche zu starr wäre und zwangsläufig unvollständig bliebe (Botschaft GSchG 1987, 1162). Weiterhin sollte jedoch die allgemeine Verschuldenshaftung aus Art. 41 OR zur Anwendung kommen für Schäden, welche vorsätzlich oder fahrlässig durch einen Verstoss gegen eine allgemeine oder im Gesetz spezifizierte Sorgfaltspflicht verursacht werden (Botschaft GSchG 1987, 1161). Die neue Haftpflichtnorm sollte zudem der Tendenz zur Vereinheitlichung der Gefährdungshaftung, insbesondere im Umweltrecht, entsprechen (Botschaft GSchG 1987, 1161). Der Art. 69 GSchG 1991 statuierte eine strenge Kausalhaftung, welche für die Haftung auf die besondere Gefahr von Betrieben und Anlagen für die Gewässer abstellte (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59a N 18).

3. Der an Art. 36 Abs. 2 GSchG 1971 angelehnte Art. 69 Abs. 2 GSchG 1991 enthielt die drei klassischen Entlastungsgründe der höheren Gewalt, des groben Selbstverschuldens des Geschädigten und des groben Verschuldens eines Dritten, welche jeweils in Relation zum konkreten Gefahrenpotential gesetzt werden müssen (Botschaft GSchG 1987, 1162). Der Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen des OR über unerlaubte Handlungen wurde in Art. 69 Abs. 3 GSchG 1991 aus dem Art. 36 Abs. 3 GSchG 1971 übernommen (Botschaft GSchG 1987, 1163). Ausserdem stellte Art. 69 Abs. 4 GSchG 1991 klar, dass die Haftpflichtnorm des GSchG auch für Schäden gilt, welche durch Betriebe oder Einrichtungen eines Gemeinwesens verursacht werden (Botschaft GSchG 1987, 1163 f.). Durch Art. 69 Abs. 5 GSchG 1991 erhielt der Bundesrat die Kompetenz, für bestimmte Betriebe, Anlagen oder Einrichtungen ein Haftpflichtversicherungsobligatorium vorzusehen (Botschaft GSchG 1987, 1164). Der Vorbehalt zugunsten der Haftung aus dem Kernenergiehaftpflichtgesetz wurde durch Art. 69 Abs. 6 GSchG 1991 normiert und entsprach der Regelung aus Art. 36 Abs. 6 GSchG 1971 (Botschaft GSchG 1987, 1165).

 

 

II.           Aufhebung der Norm

4. Mit der Änderung des Umweltschutzgesetzes vom 21. Dezember 1995 wurde durch Anh. Ziff. 2 die Haftpflichtbestimmung des GSchG 1991 aufgehoben. Der Einwirkungsbegriff nach Art. 7 Abs. 1 USG umfasste neu auch Gewässerverunreinigungen, weshalb die damals neu eingeführten Haftpflichtbestimmungen Art. 59a und Art. 59b USG auch die Gefährdung der Gewässer erfassten. Dadurch wurde Art. 69 GSchG 1991 überflüssig (Botschaft USG 1993, 1553). Bereits 1987 war angekündigt worden, dass die Haftpflichtbestimmung des GSchG allenfalls nur übergangsmässig gelten solle (Botschaft GSchG 1987, 1161).

5. Die Haftpflichtnorm Art. 59USG lehnt sich stark an Art. 69 GSchG 1991 an, indem sie dessen Abs. 2–4 praktisch unverändert übernimmt und den Geltungsbereich von Abs. 1 auf Schäden ausweitet, welche aus einer besonderen Gefährdung der Umwelt (und nicht mehr bloss der Gewässer) entstanden sind (Botschaft USG 1993, 1549). So sieht Art. 59a Abs. 1 USG wie der als Vorbild dienende Art. 69 Abs. 1 GSchG 1991 eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung vor (Botschaft USG 1993, 1549).

6. Art. 69 GSchG 1991 war in der Praxis wie schon die Vorgängerbestimmung Art. 36 GSchG 1971 nur von geringer Bedeutung, da kein Entscheid bekannt ist, der einen Ersatzanspruch gestützt auf diese Haftungsnormen geschützt hätte (Trüeb, Kommentar USG, Art. 59a N 18).

 

 

Résumé

Cette disposition sur la responsabilité civile avait été conçue comme une classique responsabilité pour risque qui ne s’appliquait qu’aux entreprises et installations présentant un danger qualifié pour les eaux. La responsabilité aquillienne basé sur l’art. 41 CO s’appliquait en outre pour tout dommage provoqué intentionnellement ou par négligence (violation d’un devoir de diligence général ou prévu spécifiquement par une loi).

L’art. 69 LEaux 1991 fut abrogé par la révision de la LPE du 21 décembre 1995 étant donné que la nouvelle définition des atteintes selon l’art. 7 al. 1 LPE englobait également la pollution des eaux. Les dispositions des art. 59a et 59b LPE concernaient dès lors aussi la mise en danger des eaux.

5. Titel, Strafbestimmungen

Eichenberger Katinka

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Anmerkungen zum Allgemeinen Teil StGB 2
III. Überblick über das Strafverfahren 15
IV. Anmerkungen zu Konkurrenzfragen 27

 

I.      Entstehungsgeschichte

1. Der Ursprung der im GSchG verankerten Strafbestimmungen findet sich im BGF 1889, welches in Art. 31 Abs. 2 GSchG für Verunreinigungen von Fischgewässern Bussen zwischen CHF 50 und 400 vorsah (Botschaft GSchG 1954, 343). Mit dem GSchG 1957 wurden Widerhandlungen gegen das Gesetz, die gestützt darauf erlassenen Ausführungsbestimmungen und die erlassenen Einzelbestimmungen mit Strafe bedroht, wobei bei Vorsatz Bussen bis CHF 20’000 und bei Fahrlässigkeit Bussen bis CHF 5’000 vorgesehen waren (Art. 15 Abs. 1 GSchG 1957Botschaft GSchG 1954, 343 f.). Mit dem GSchG 1971 wurde der strafrechtliche Schutz mit der Schaffung von Vergehenstatbeständen für schwerwiegende Verstösse und einer strengeren Ahndung von Fahrlässigkeit neben der Qualifikation sämtlicher Verstösse gegen das Gesetz als Übertretungen verschärft (Art. 37 ff. GSchG 1971; Botschaft GSchG 1970, 473 f.). Zudem wurden nicht mehr nur Beeinträchtigungen, sondern auch Gefährdungen der Gewässer mit Strafe bedroht (Art. 37 und 38 GSchG 1971Botschaft GSchG 1970, 474). Diese Ausgestaltung der Strafbestimmungen wurde im GSchG 1991 in den Art. 70 und 71 im Wesentlichen beibehalten (Botschaft GSchG 1987, 1164 ff.). Vgl. dazu auch die Komm. zu Art. 70 GSchG N 1 ff. und 71 GSchG N 1 ff.

II.   Anmerkungen zum Allgemeinen Teil StGB

2. Gemäss Art. 333 StGB kommen die allgemeinen Bestimmungen des StGB (Art. 1–110 und Art. 333–401 StGB) im Bereich des Nebenstrafrechts insoweit zur Anwendung, als die Nebenstrafgesetze nicht selbst abweichende Bestimmungen enthalten. In Art. 73 GSchG wurde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Mit einem Verweis auf Art. 6 und 7 VStrR enthält Art. 73 GSchG Regelungen zur Täterschaft und Strafverfolgung bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben.

3. Die Strafbestimmungen des GSchG sind nach Deliktsarten in Vergehens‑ (Art. 70 GSchG) und Übertretungstatbestände (Art. 71 GSchG) unterteilt. Die schwerwiegendsten Verstösse sind in Art. 70 GSchG einzeln aufgeführt und wurden als Vergehen qualifiziert. Demgegenüber dient Art. 71 GSchG als Auffangtatbestand, indem alle anderen Widerhandlungen gegen das Gesetz und gegen gestützt auf das Gesetz erlassene Einzelverfügungen als Übertretung geahndet werden. Somit sind jegliche Widerhandlungen gegen das GSchG und gegen gestützt auf das Gesetz erlassene Einzelverfügungen in strafrechtlicher Hinsicht relevant. Damit signalisiert der Gesetzgeber unmissverständlich, dass dem Rechtsobjekt «Gewässer» ein hoher Stellenwert zukommt.

4. Das GSchG stellt die vorsätzliche und die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe. Sowohl Art. 70 als auch Art. 71 GSchG verlangen in Abs. 1 Vorsatz bei der Tatbegehung, wobei Eventualvorsatz gemäss Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB genügt. Vorsätzlich begeht die Tat, wer sie «mit Wissen und Willen» ausführt (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei muss sich der Vorsatz auf sämtliche objektiven Merkmale beziehen, welche das Unrecht dieses Straftatbestandes kennzeichnen (Niggli/Maeder, BSK StGB I, Art. 12 N 22; Trechsel/Pieth, Praxiskommentar StGB, Art. 12 N 5). Mit Eventualvorsatz handelt nach der ständigen Rechtsprechung des BGer, wer den tatbestandsmässigen Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGer 6B_344/2008 vom 6. März 2009, E. 3.2; BGE 133 IV 1, E. 4.1131 IV 1, E. 2.2 m.w.H.; Niggli/Maeder, BSK StGB I, Art. 12 N 52 m.w.H.; Trechsel/Pieth, Praxiskommentar StGB, Art. 12 N 13 m.w.H.). Die Abs. 2 von Art. 70 und Art. 71 GSchG behandeln die fahrlässige Tatbegehung. Diese liegt vor, wenn der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 StGB). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB).

5. Der Versuch (Art. 22 StGB) ist bezüglich der Vergehen gegen das GSchG (Art. 70 GSchG) strafbar. Bei Übertretungen wird der Versuch nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft (Art. 105 Abs. 2 StGB). Das GSchG enthält keine entsprechende Erklärung, weshalb der Versuch bezüglich der Übertretungen des GSchG (Art. 71 GSchG) nicht strafbar ist.

6. Die Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) und die Anstiftung (Art. 24 StGB) sind bezüglich der Vergehen gegen das GSchG (Art. 70 GSchG) strafbar. Bei Übertretungen wird die Gehilfenschaft nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft (Art. 105 Abs. 2 StGB). Das GSchG enthält in Art. 71 Abs. 3 GSchG eine entsprechende Regelung, weshalb die Gehilfenschaft zu den Übertretungen des GSchG (Art. 71 GSchG) strafbar ist. Die Anstiftung zu den Übertretungen des GSchG (Art. 71 GSchG) ist ebenfalls strafbar (Art. 104 und e contrario Art. 105 Abs. 2 StGB).

7. Bei den Vergehen reicht der Strafrahmen bei vorsätzlicher Begehung von einem Tagessatz Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe (Art. 70 Abs. 1 GSchG). Bei Fahrlässigkeit reicht der Strafrahmen von einem Tagessatz bis zu 180 Tagessätzen Geldstrafe (Art. 70 Abs. 2 GSchG). Für die Übertretungen ist bei Vorsatz eine Busse bis CHF 20’000 (Art. 71 Abs. 1 GSchG) und bei Fahrlässigkeit eine Busse bis CHF 10’000 vorgesehen (Art. 71 Abs. 2 GSchG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 StGB). Zudem besteht die Möglichkeit von gemeinnütziger Arbeit als Sanktion (Art. 107 i.V.m. Art. 37 StGB).

8. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann die für die Vergehen gegen das GSchG ausgesprochene Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder gemeinnützige Arbeit bedingt (Art. 42 StGB) oder teilbedingt (Art. 43 StGB) ausgesprochen, d.h. der Vollzug dieser Strafen kann ganz oder teilweise aufgeschoben werden. In diesen Fällen ist eine Probezeit festzusetzen (Art. 44 StGB). Dabei kann eine bedingte Strafe mit einer unbedingten Geldstrafe oder Busse verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug einer Geld‑ oder Freiheitsstrafe gewähren möchte, ihm aber dennoch mit der Auferlegung einer zu bezahlenden Geldstrafe oder Busse einen spürbaren Denkzettel verabreichen will (BGE 134 IV 1, E. 4.5.2).

9. Die Strafe ist nach dem Verschulden des Täters zu bemessen. Es sind das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).

10. Gemäss Art. 70 StGB können Vermögenswerte, die durch eine Straftat erlangt wurden, eingezogen werden. Die Ausgleichseinziehung erfasst den deliktisch erlangten Vermögenswert in natura. Hinter ihr steht das sozialethische Gebot, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen soll (Baumann, BSK StGB I, Art. 70/71 N 3). Sind die Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, kann gemäss Art. 71 StGB auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe erkannt werden. Damit soll verhindert werden, dass derjenige begünstigt wird, dem es gelingt, das durch die Straftat Erlangte zu veräussern oder zu verbrauchen, bevor es beschlagnahmt werden kann (Baumann, BSK StGB I, Art. 70/71 N 15). Diese Möglichkeiten bestehen grundsätzlich auch gegenüber Dritten (Art. 70 Abs. 2 und 71 Abs. 1 StGB; Baumann, BSK StGB I, Art. 70/71 N 56 und 68). Damit lassen sich die mit Widerhandlungen gegen das GSchG oft einhergehenden Vermögensvorteile, sei es durch Einsparungen oder Gewinne, ausgleichen und eine Bereicherung der Täterschaft oder Dritter vermeiden (vgl. Komm. zu Art. 70 GSchG N 5).

11. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung der vorsätzlich begangenen Vergehen gegen das GSchG (Art. 70 Abs. 1) beträgt für Tatbegehungen vor dem 1. Januar 2014 (AS 2006 3497) sieben Jahre und für Tatbegehungen nach dem 1. Januar 2014 (AS 2013 4417) zehn Jahre (Art. 97 Abs. 1 Bst. c StGB).

12. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung der fahrlässig begangenen Vergehen gegen das GSchG (Art. 70 Abs. 2 GSchG) beträgt sowohl vor als auch nach dem 1. Januar 2014 (AS 2006 3497; AS 2013 4417) sieben Jahre (Art. 97 Abs. 1 Bst. c bzw. d StGB).

13. Die Vollstreckung der gestützt auf das GSchG ausgesprochenen Freiheitsstrafen verjährt zwischen fünf und 15 Jahren (Art. 99 Abs. 1 Bst. d und e StGB).

14. Die Verjährungsfristen für die Verfolgung und Vollstreckung der Übertretungen betragen drei Jahre (Art. 109 StGB). In Bezug auf die Verfolgung ist diese Frist unter Berücksichtigung der z.T. komplexen (technischen) Materie und der Schwierigkeit von Strafuntersuchungen in arbeitsteiligen Betrieben zu kurz bemessen (vgl. dazu Ettler, Kommentar USG, Vorbem. zu Art. 60–62 N 24 und 26 ff.). Angesichts dieser kurzen Verjährungsfrist wäre es zu begrüssen, von einem Wechsel der Untersuchungsbehörde von der Staatsanwaltschaft zur Übertretungsstrafbehörde abzusehen, wenn nach einer Einstellung einer Untersuchung wegen Vergehen nur noch Übertretungen übrig bleiben. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz eine Überweisung von der Staatsanwaltschaft an die Übertretungsstrafbehörde – anders bei der umgekehrten Konstellation in Art. 357 Abs. 4 StPO – nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. Riklin, BSK StPO, Art. 357 N 13; a.M. Schmid, StPO Praxiskommentar, Art. 357 N 13 i.V.m. Art. 320 N 2).

 

 

III.   Überblick über das Strafverfahren

15. Art. 45 GSchG überträgt den Kantonen den Vollzug der Strafbestimmungen. Ihnen obliegt es, für einen wirkungsvollen Vollzug zu sorgen.

16. Das Strafverfahren richtet sich nach der StPO. Auf das Wesentlichste beschränkt, sehen die Zuständigkeiten für die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gegen das GSchG und die Einsprache‑ und Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ergangene Entscheide, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wurde, wie folgt aus:

17. Zuständig für die Verfolgung der Widerhandlungen gegen das GSchG im Sinne von Art. 70 und 71 GSchG sind die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Übertretungsstrafbehörden (Art. 12 StPO).

18. Zuständig für die Beurteilung der Widerhandlungen gegen das GSchG im Sinne von Art. 70 und 71 GSchG können die Übertretungsstrafbehörde im Übertretungsstrafverfahren (Art. 357 StPO), die Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren (Art. 352 ff. StPO) oder das erstinstanzliche Gericht im erstinstanzlichen Hauptverfahren (Art. 328 ff. StPO) sein.

19. Dabei kann die Verfolgung und Beurteilung der Übertretungen i.S.v. Art. 71 GSchG Verwaltungsbehörden übertragen werden (Art. 17 Abs. 1 StPO).

20. Gegen die von Verwaltungsbehörden ergangenen Entscheide bezüglich Übertretungen kann innert zehn Tagen Einsprache erhoben werden (Art. 357 i.V.m. Art. 354 StPO). Entschliesst sich die Verwaltungsbehörde an ihrem Entscheid festzuhalten, überweist sie diesen an das erstinstanzliche Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens (Art. 357 i.V.m. Art. 356 Abs. 1 StPO).

21. Gegen die von der Staatsanwaltschaft erlassenen Strafbefehle kann bei der Staatsanwaltschaft innert zehn Tagen schriftlich Einsprache erhoben werden (Art. 354 StPO). Entschliesst sich die Sta555atsanwaltschaft an ihrem Strafbefehl festzuhalten, überweist sie die Akten dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens (Art. 356 StPO).

22. Gegen die Urteile der erstinstanzlichen Gerichte bezüglich Übertretungen und Vergehen, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wurde, kann Berufung erhoben werden (Art. 398 Abs. 1 StPO). Dabei sind die Rügemöglichkeiten eingeschränkt, wenn nur Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils waren (Art. 398 Abs. 3 und 4 StPO). Gegen die Entscheide der Berufungsinstanz kann Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht erhoben werden (Art. 78 ff. BGG).

23. Einige Kantone stärken in ihren kantonalen Ausführungsgesetzen zum GSchG ihre Stellung, indem sie sich und/oder den Gemeinden in den Strafverfahren bezüglich Widerhandlungen gegen das GSchG die Rechte einer Partei einräumen (z.B. § 39 Abs. 3 EG UWR AG, Art. 33 Abs. 2 kGSchG NW; § 48 Abs. 2 EGzGSchG SZ).

24. Zudem sehen zahlreiche Kantone die Mitteilung von Polizeirapporten und Strafurteilen o.ä. im Zusammenhang mit Widerhandlungen gegen das GSchG an eine zentrale Stelle vor (z.B. Art. 43 KGV BE; Art. 39 KGSchG GR; Art. 112 OPE JU; Art. 33 kGSchG NW; § 48 EGzGSchG SZ; Art. 131 LALIA TI; § 52 EG GSchG ZH).

25. Sämtliche nach dem GSchG ergangenen Urteile, Strafbescheide der Verwaltungsbehörden und Einstellungsbeschlüsse sind dem BAFU einzusenden (Art. 3 Ziff. 17 Mitteilungsverordnung 2004).

26. Alle gestützt auf die Gewässer‑, Umwelt‑, Natur‑ und Heimatschutzgesetzgebung ausgesprochenen rechtskräftigen Entscheide, die Kürzungen von Direktzahlungen nach sich ziehen könnten, sind gemäss Anh. 8 Ziff. 2.11.2 DZV von der Entscheidbehörde gestützt auf Art. 183 LwG dem kantonalen Landwirtschaftsamt und auf Verlangen dem BLW und dem BAFU zu melden. Damit wird sichergestellt, dass die zuständigen Behörden von allfälligen Verstössen wissen und die Kürzung von Direktzahlungen veranlassen können.

Anmerkungen zu Konkurrenzfragen

27. Die Strafbestimmungen des GSchG weisen diverse Schnittstellen mit strafrechtlichen Bestimmungen anderer Gesetze auf. Verwirklicht der Täter durch sein Verhalten mehrere Straftatbestände, so stellt sich die Frage, wie diese Vorschriften zueinander stehen. Man unterscheidet zwischen echter und unechter Konkurrenz. Bei der unechten Konkurrenz erfüllt der Täter durch eine oder mehrere Handlungen zwar mehrere Straftatbestände, jedoch verdrängt der Tatbestand, der den deliktischen Gehalt der Tat erschöpfend erfasst und abgilt, den oder die anderen, weshalb nur ersterer anwendbar ist (Stratenwerth, Straftat, § 18 N 1; Ackermann, BSK StGB I, Art. 49 N 49 m.w.H.). Bei der echten Konkurrenz erfüllt der Täter durch sein Verhalten verschiedene Tatbestände, die nicht im Ausschlussverhältnis stehen (Stratenwerth, Straftat, § 19 N 1; Ackermann, BSK StGB I, Art. 49 N 72 m.w.H.). Es gibt kein sicheres Kriterium, anhand dessen sich sagen lässt, ob ein Tatbestand allein Anwendung findet oder zwei Tatbestände nebeneinander zum Zuge kommen. Letztlich handelt es sich um eine Entscheidung des Gesetzgebers, der zwischen zwei Tatbeständen echte oder unechte Konkurrenz anordnen kann (BGE 122 I 257, E. 6a). Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber in Art. 72 bezüglich der Konkurrenz zwischen den Widerhandlungen gegen das GSchG und Art. 234 StGB (vgl. Komm. zu Art. 72 GSchG N 6) klar zum Ausdruck gebracht. Ansonsten ist in jedem einzelnen Fall durch eine Auslegung der konkret in Frage kommenden Straftatbestände festzustellen, ob echte oder unechte Konkurrenz vorliegt (BGE 122 I 257, E. 6a); BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, E. 2d); BSK StGB I‑Ackermann, Art. 49 N 72). In den Kommentierungen zu den Art. 70 und 72 GSchG werden einige Konkurrenzfragen ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt (s. Komm. zu Art. 70 GSchG N 38Komm. zu Art. 72 GSchG N 6).

 

Résumé

Les dispositions pénales de la LEaux sont subdivisées en délits (art. 70 LEaux) et en contraventions (art. 71 LEaux). L’art. 71 LEaux est une disposition subsidiaire.

La LEaux sanctionne celui qui commet intentionnellement ou par négligence des infractions. La tentative est punissable en matière de délits (art. 70 LEaux) alors que pour les contraventions, la tentative n’est punissable que dans les cas expressément prévus par la loi (art. 105 al. 2 CP). Ainsi, en l’absence de règles dans la LEaux, la tentative n’est pas punissable en matière de contraventions contrairement à la complicité et à l’investigation qui sont punissables en matière de délits et de contraventions (art. 71 al. 3 LEaux; art. 104 et a contrario 105 al. 2 CP).

Selon l’art. 45 LEaux, l’application des dispositions pénales incombe aux cantons. La procédure pénale est régie par le CPP. Les autorités cantonales sont tenues de communiquer à l’OFEV l’ensemble des jugements, prononcés administratifs et ordonnances de non-lieu rendus en application de la LEaux (Art. 3 chif. 17 de l’Or     donnance réglant la communication de 2004).

Le législateur a parfois prévu qu’il y aura concours parfait ou imparfait entre deux infractions définies par la loi comme par ex. à l’art. 72 LEaux.

 

 

Literatur: Schmid Niklaus, Schweizerische Strafprozessordnung – Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013 (zit. Praxiskommentar StPO); Stratenwerth Günter, Schweizerisches Strafrecht – Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl., Bern 2011 (zit. Straftat); Trechsel Stefan/Pieth Mark, Schweizerisches Strafgesetzbuch – Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013 (zit. Praxiskommentar StGB).

Anderegg Martin

 

Vergehen

1             Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich:

  1. Stoffe, die das Wasser verunreinigen können, widerrechtlich mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einbringt, versickern lässt oder ausserhalb eines Gewässers ablagert oder ausbringt und dadurch die Gefahr einer Verunreinigung des Wassers schafft (Art. 6);
  2. als Inhaber von Anlagen, die wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten, die nach diesem Gesetz notwendigen baulichen und apparativen Vorrichtungen nicht erstellt oder nicht funktionsfähig erhält und dadurch das Wasser verunreinigt oder die Gefahr einer Verunreinigung schafft (Art. 22);
  3. behördlich festgelegte Dotierwassermengen nicht einhält oder die zum Schutz des Gewässers unterhalb der Entnahmestelle angeordneten Massnahmen nicht trifft (Art. 35);
  4. ein Fliessgewässer widerrechtlich verbaut oder korrigiert (Art. 37);
  5. ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen einer erteilten Bewilligung Fliessgewässer überdeckt oder eindolt (Art. 38);
  6. ohne Bewilligung der kantonalen Behörde oder entgegen den Bedingungen einer erteilten Bewilligung feste Stoffe in einen See einbringt (Art. 39 Abs. 2);
  7. ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen einer erteilten Bewilligung Kies, Sand oder anderes Material ausbeutet oder vorbereitende Grabungen dazu vornimmt (Art. 44).2         Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.

Délits

1         Sera puni d’une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d’une peine pécuniaire celui qui, intentionnellement:

a.   aura de manière illicite introduit dans les eaux, directement ou indirectement, des substances de nature à les polluer, aura laissé s’infiltrer de telles substances ou en aura déposées ou épandues hors des eaux, créant ainsi un risque de pollution pour les eaux (art. 6);

b.   en sa qualité de détenteur d’une installation contenant des liquides de nature à polluer les eaux, n’aura pas, conformément à la présente loi, installé les appareils et aménagé les constructions nécessaires à la protection des eaux ou ne les aura pas maintenus en état de fonctionner, polluant ainsi l’eau ou créant un risque de pollution (art. 22);

c.   n’aura pas respecté le débit de dotation fixé par l’autorité ou n’aura pas pris les mesures prescrites afin de protéger le cours d’eau à l’aval du prélèvement (art. 35);

d.  aura, de manière illicite, endigué ou corrigé un cours d’eau (art. 37);

e.   aura, sans autorisation ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation, couvert ou mis sous terre un cours d’eau (art. 38);

f.    aura, sans autorisation de l’autorité cantonale ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation, introduit des substances solides dans un lac (art. 39, al. 2);

g.   aura, sans autorisation ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation, exploité du gravier, du sable ou d’autres matériaux ou entrepris des fouilles préliminaires à cette fin (art. 44).

2             Si l’auteur a agi par négligence, la peine sera une peine pécuniaire de 180 jours-amende au plus.

Delitti

1         È punito con una pena detentiva fino a tre anni o con una pena pecuniaria chiunque, intenzionalmente:

a.   illecitamente, direttamente o indirettamente, introduce nelle acque, lascia infiltrare oppure deposita o spande fuori dalle acque sostanze atte a inquinarle e con ciò provoca un pericolo d’inquinamento delle acque (art. 6);

b.   come detentore di impianti contenenti liquidi inquinanti, omette di prendere le misure di natura edile e di predisporre le apparecchiature necessarie secondo la presente legge, o non provvede alla loro manutenzione e con ciò inquina le acque o fa insorgere un pericolo di inquinamento (art. 22) ;

c.   non rispetta la portata di dotazione stabilita dalle autorità, oppure omette di prendere le misure ordinate per proteggere le acque a valle del prelievo (art. 35);

d.  argina o corregge illecitamente un corso d’acqua (art. 37);

e.   senza esserne autorizzato dall’autorità cantonale o contrariamente alle condizioni fissate nell’autorizzazione, procede alla copertura di un corso d’acqua o alla sua messa in galleria (art. 38);

f.    senza esserne autorizzato dall’autorità cantonale o contrariamente alle condizioni fissate nell’autorizzazione, introduce sostanze solide in un lago (art. 39 cpv. 2);

g.   senza esserne autorizzato dall’autorità cantonale o contrariamente alle condizioni fissate nell’autorizzazione, estrae ghiaia, sabbia o altro materiale, o intraprende lavori di scavo a tale scopo (art. 44).

2         Se l’autore ha agito per negligenza, la pena è una pena pecuniaria fino a 180 aliquote giornaliere.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 5
III. Kommentierung 10
A. Einleitungssatz (Abs. 1) 10
B. Einbringen, Versickern lassen, Ablagern oder Ausbringen von wassergefährdenden Stoffen (Bst. a) 12
1. Schutzobjekt 13
2. Täterschaft 16
3. Stoffe, die das Wasser verunreinigen können 17
​4. Mittelbares oder unmittelbares Einbringen oder Versickern lassen 21
5. Ablagern oder Ausbringen ausserhalb eines Gewässers und Schaffung einer konkreten Gefahr 29
6. Widerrechtlichkeit 36
​7. ​Konkurrenzen 38
​C. ​Inhaber von Anlagen, die notwendige Vorrichtungen nicht erstellen oder funktionstüchtig halten (Bst. b) 41
​1. Schutzobjekt 41
​2. Täterschaf 42
​3. ​Inhaber von Anlagen, die wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten 43
​4. ​Nicht Erstellen und funktionsfähig Erhalten der notwendigen baulichen und apparativen Vorrichtungen ​46
​5. ​Verunreinigung oder Gefahr einer Verunreinigung 47
​D. Nichteinhaltung der Dotierwassermenge (Bst. c)​ 48
​1. ​Schutzobjekt 48
​2. ​Täterschaft 49
​3. Nichteinhalten der behördlich festgelegten Dotierwassermenge und Nichttreffen der angeordneten Massnahmen 50
​E. ​Widerrechtliche Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern (Bst. d) 54
​1. ​Schutzobjekt 54
​2. Täterschaft 55
3. Verbauung und Korrektion 56
4. Widerrechtlichkeit 58
F. Überdeckung und Eindolung ohne oder entgegen Bedingungen der Bewilligung (Bst. e) 59
1. Schutzobjekt 59
2. Täterschaft 60
​3. ​Überdecken oder Eindolen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung 61
​G. ​Einbringen von festen Stoffen in einen See ohne oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung (Bst. f) 66
​1. ​Schutzobjekt 66
​2. ​Täterschaft 67
​3. ​Einbringen von festen Stoffen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung 68
​H. ​Ausbeutung von Material ohne oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung (Bst. g) 74
​1. ​Schutzobjekt 74
​2. ​Täterschaft 76
​3. ​Ausbeutung ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung 77
​4. Vorbereitende Grabungen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen
der Bewilligung
​I. ​Fahrlässigkeit (Abs. 2) 84

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Das GSchG 1955 enthielt in Art. 15 eine einzige Strafbestimmung. Die Strafsanktion stand lediglich auf der Stufe der Übertretung, was in den praktischen Auswirkungen nicht zu befriedigen vermochte. Im Kampf gegen die Verunreinigung der Gewässer war mit blossen Übertretungsstrafen allein nicht mehr auszukommen (Botschaft GSchG 1970, 473). Auf die vorhandenen Mängel und die ungenügende Strafdrohung des GSchG 1955 wies beispielsweise Nationalrat Sauser im März 1963 bei der Begründung seines Postulates «Verschärfung der Strafbestimmungen beim Gewässerschutz» mit Nachdruck hin (AB 1963 N 241 ff.). Dass der Gewässerschutz mit schärferen Strafen durchgesetzt werden muss, war unbestritten. Als erste Massnahme legte das Departement des Innern in zwei Kreisschreiben vom Frühjahr 1963 und vom September 1965 den kantonalen Behörden eine Verschärfung der Strafpraxis nahe. Auch aus den gesetzlichen Vorarbeiten zum GSchG 1971 geht hervor, dass gerade das Gewässerschutzstrafrecht eine starke Waffe im Kampf gegen die gravierendsten Schädigungen der Gewässer hätte sein sollen (Stumm, Strafrechtliche Judikatur, 1).

2. Die Nachteile von Art. 15 GSchG 1955, insbesondere die der Bedeutung des Rechtsguts Wasser in keiner Weise gerecht werdende Strafdrohung, veranlassten den Gesetzgeber des GSchG 1971, die gravierendsten Gewässerbeeinträchtigungen auf Vergehensstufe zu regeln (Piraccini, Vergehenstatbestände, 20 f.; vgl. auch Stumm, Strafrechtliche Judikatur, 4 ff.). Das GSchG 1971 behandelte in den Art. 37 und 38 eine Anzahl schwerwiegender Verletzungen von Verhaltensvorschriften, die in den meisten Fällen zu Verunreinigungen der Gewässer führten oder zumindest eine grosse Gefahr der Verunreinigung enthielten (Botschaft GSchG 1987, 1165).

3. Beim Erlass des geltenden GSchG bestand kein Anlass, die Strafbestimmung des GSchG 1971 inhaltlich zu ändern. Hingegen brachten es die neuen Vorschriften über die Sicherung angemessener Restwassermengen und über die Verhinderung anderer nachteiliger Einwirkungen auf die Gewässer mit sich, dass die Strafbestimmungen entsprechend ergänzt werden mussten (Botschaft GSchG 1987, 1165).

4. In der parlamentarischen Beratung war Art. 70 GSchG, mit Ausnahme eines Antrages bezüglich maximaler Bussenhöhe, unbestritten (AB 1989 N 1088, AB 1989 S 729). Die Räte stimmten dem Entwurf des Bundesrates diskussionslos zu. Seit dem Inkrafttreten sind der Einleitungssatz (Abs. 1) sowie der Abs. 2 als Folge der Gesamterneuerung der Allgemeinen Bestimmungen (Erstes Buch) des StGB angepasst worden (vgl. dazu N 11, N 84).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

5. Das Gewässerschutzstrafrecht und insbesondere Art. 70 GSchG sollten eigentlich dazu dienen, den Vollzug zu verstärken (vgl. auch N 1). Widerhandlungen gegen die gesetzliche Ordnung sind zu sanktionieren; wer gegen Verhaltenspflichten des GSchG, beispielsweise verwaltungrechtliche Verbote, verstösst, soll nach dem Willen des Gesetzgebers strafrechtlich belangt werden. In der Praxis muss aber festgestellt werden, dass der Beitrag der gewässerschutzrechtlichen Strafbestimmungen zu einem wirksamen Vollzug bisher eher bescheiden geblieben ist. Entscheidend ist dabei vor allem, dass die verhängten Strafen oft zu tief ausfallen (vgl. auch Huber-Wälchli, Vollzug Umweltrecht, 852). Die Strafen betragen heute häufig nur wenige 100 Franken. Bereits 1970 stellte der Bundesrat fest, die Strafen der schweizerischen Richter und Administrativbehörden würden sich nach wie vor im unteren Bereich der Möglichkeiten bewegen (Botschaft GSchG 1970, 431). Diese Feststellung ist in der Analyse der strafrechtlichen Judikatur im Gewässerschutz, die 1988 mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds durchgeführt wurde, bestätigt worden (Stumm, Strafrechtliche Judikatur, 17). Die noch im Rahmen des GSchG 1971 geäusserte Kritik, Gewässerverunreinigungen würden als blosse Kavaliersdelikte behandelt und zu milde bestraft (Stumm, Strafrechtliche Judikatur, 1), ist auch heute teilweise noch berechtigt. Beispielsweise wird in der von Interface im Auftrag des BAFU durchgeführten Studie «Stärkung des Vollzugs im Umweltbereich» vom Juli 2013 festgestellt, das strafrechtliche Instrumentarium zur Durchsetzung des Vollzugs scheine wenig griffig zu sein. Bussen hätten vielfach nur symbolischen Charakter (Interface, Vollzug, 109, 141). Immerhin ist aber auch festzuhalten, dass beispielsweise die Strafbehörden des Kantons St. Gallen bei gravierenden Widerhandlungen gegen das GSchG schon verschiedentlich Freiheitsstrafen ausgesprochen haben. Bemerkenswert ist auch, dass die Instrumente der Einziehung von Vermögenswerten bzw. der Ersatzforderungen nach Art. 70 f. StGB (vgl. Vor Art. 70–73 GSchG N 4; Alkalay, Umweltstrafrecht, 33; Heine, Reform des Umweltstrafrechts, 101) häufig wirksamer sind als die ausgesprochenen Strafen (Huber-Wälchli, Vollzug Umweltrecht, 852). Beispielsweise wurde

  • ein Unternehmer, der u.a. belastetes Inertstoffmaterial als Hinterfüllung bei einem Mehrfamilienhaus verwendete und dadurch auch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung schuf, zu einer Ersatzforderung von CHF 49’000 verpflichtet und zu einer Busse von CHF 5’000 verurteilt; allerdings auch wegen Widerhandlungen gegen das USG (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 3. Juni 2013);
  • eine Bauunternehmung, die unter anderem Baustellenabwasser unbehandelt in ein Gewässer einleitete und so die Kosten für die notwendigen Gewässerschutzmassnahmen einsparte, zu einer Ersatzforderung von CHF 8’500 verpflichtet und zu einer Busse von CHF 5’000 verurteilt; allerdings auch wegen Widerhandlungen gegen das USG (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 28. März 2012);
  • ein Grundeigentümer, der bei der Installation einer Erdwärmesonde anfallendes Bohrwasser nicht ordnungsgemäss mit Mulden entsorgte, sondern dieses durch einen Landwirt auf dessen Liegenschaften austragen liess, was in der Folge zu einer Gewässerverschmutzung führte, zu einer Ersatzforderung von CHF 4’000 verpflichtet und zu einer Busse von CHF 1’000 verurteilt (Bussenverfügung der Staatsanwaltschaft SG vom 25. Juni 2010);
  • ein Landwirt, der Bohrwasser auf seinen Liegenschaften austrug, was in der Folge zu einer Gewässerverschmutzung führte, zu einer Ersatzforderung von CHF 1’000 verpflichtet und zu einer Busse von CHF 500 verurteilt (Bussenverfügung der Staatsanwaltschaft SG vom 25. Juni 2010);
  • ein Verantwortlicher eines Betriebes, der gewerbliche Abfälle über die Kanalisation entsorgte und so Entsorgungskosten sparte, zu einer Ersatzforderung von CHF 7’000 verpflichtet und zu einer Busse von CHF 4’000 verurteilt (Kreisgericht U., Kt. SG, Urteil vom 2. Dezember 2004).

6. Das Gewässerschutzstrafrecht ist heute Teil des Nebenstrafrechts, was sich gelegentlich im nur mässigen Engagement der Strafjustiz bemerkbar macht (vgl. Ettler, Kommentar USG, Vor Art. 60–62 N 15 m.H.). Ein Lösungsansatz im Hinblick auf eine Verstärkung des Vollzugs könnte die Aufnahme des Umweltstrafrechts und damit auch des Gewässerschutzstrafrechts ins Hauptstrafrecht sein (vgl. dazu auch Interface, Vollzug, 142). Die Aufnahme von schweren Umweltbelastungen mit potentiell gefährlichen Auswirkungen als Straftatbestände ins StGB hätte Signalwirkung. Wie die internationale Erfahrung gezeigt hat, werden Verstösse gegen solche Straftatbestände von den Umweltvollzugs‑ und den Strafverfolgungsbehörden ihrer aufgewerteten Bedeutung entsprechend behandelt und von den Bürgern nicht mehr als blosse Kavaliersdelikte wahrgenommen (Heine, Reform des Umweltstrafrechts, 112 f.).

7. In Art. 70 GSchG werden als Vergehenstatbestände nur solche Verstösse erfasst, die von einer bestimmten Tragweite sind und die Gewässer in der Regel in schwerwiegender Weise beeinträchtigen (Botschaft GSchG 1987, 1165). Als wichtigste Bestimmung ist Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG zu nennen, der Verstösse gegen das generelle Verunreinigungsverbot (Art. 6 GSchG) mit Strafe bedroht (Keller, Vollzug, 415). In der Praxis kommt es auch regelmässig zu Strafverfahren, in denen es um die Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Bst. b GSchG geht. Strafverfahren, die Widerhandlungen gegen die Art. 70 Abs. 1 Bst. c bis g GSchG zum Inhalt haben, sind selten.

8. In Art. 70 GSchG wird zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tatbegehung unterschieden (vgl. Vor Art. 70–73 GSchG N 2 f.). Bei vorsätzlichen Widerhandlungen sind Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, bei fahrlässigen Widerhandlungen Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen, möglich.

9. Versuch, Gehilfenschaft und Anstiftung sind bezüglich der Vergehen gegen Art. 70 GSchG strafbar (vgl. Vor Art. 70–73 GSchG N 3).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Einleitungssatz (Abs. 1)

10. Art. 70 GSchG steht unter dem Randtitel «Vergehen». Vergehen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind (Art. 10 Abs. 3 StGB). Dementsprechend sieht Art. 70 Abs. 1 GSchG als Strafandrohung für die vorsätzliche Tatbegehung (vgl. Vor Art. 70–73 GSchG N 2 f.) Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.

11. Am 1. Januar 2007 trat die Gesamterneuerung der Allgemeinen Bestimmungen (Erstes Buch) des StGB in Kraft (AS 2006 3459 ff.). Kernstück der Gesamterneuerung war die Einführung eines neuen Sanktionensystems. Das bisherige Recht sah als Strafarten Zuchthaus, Gefängnis, Haft und Busse vor; das revidierte StGB kennt als Strafarten Freiheitsstrafe, gemeinnützige Arbeit, Geldstrafe und Busse. Ab dem 1. Januar 2007 mussten die Strafandrohungen der einzelnen Straftatbestände an das neue Sanktionensystem angepasst werden. In diesem Zusammenhang erliess der Gesetzgeber in Art. 333 Abs. 2–5 StGB sogenannte Transformationsregeln, die zunächst und bis zum 1. August 2010 auch auf Art. 70 GSchG angewandt wurden. Anlässlich einer Revision des Gentechnikgesetzes benutzte der Gesetzgeber dann die Gelegenheit, das GSchG sowie weitere Erlasse an die Systematik und die Terminologie des neuen Sanktionensystems anzupassen (vgl. Griffel/Rausch, Kommentar USG Ergänzungsband, Vor Art. 60–62 N 2 ff.). Mit dieser Anpassung, die am 1. August 2010 in Kraft trat, wurde die frühere Strafandrohung, welche auf Gefängnis oder Busse lautete, ersetzt (vgl. Botschaft Gentechnikgesetz 2009, 5450).

B.            Einbringen, Versickern lassen, Ablagern oder Ausbringen von wassergefährdenden Stoffen (Bst. a)

12. Die Verknüpfung des verwaltungsrechtlichen Verunreinigungsverbotes (Art. 6 GSchG) mit einem Straftatbestand (Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG) wurde vom GSchG 1971 übernommen (dort Art. 14 und 37 GSchG 1971). Anders als Art. 37 Abs. 1 Unterabsätze 1 und 2 GSchG 1971 ist Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG offensichtlich zusammengefasst worden. Das Ergebnis dieser redaktionellen Straffung ist unbefriedigend, da der Wortlaut von Abs. 1 Bst. a mehrdeutig und damit auslegungsbedürftig ist (Stutz, Abwasserrecht, 118; vgl. auch N 21 ff. und N 29 ff.).

 

1.             Schutzobjekt

13. Schutzobjekte von Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG sind oberirdische und unterirdische Gewässer (vgl. Art. 2 und Art 4 Bst. a und b GSchG), welche dem natürlichen Wasserkreislauf unterworfen sind (Hunger, Sanierungspflicht, 232 m.H.).

14. Wasser, welches in Kanalisationen und zentrale Abwasserreinigungsanlagen fliesst, stellt kein Gewässer im Sinn des GSchG dar (BGE 120 IV 300, E. 3a107 IV 63, E. 2; Piraccini, Vergehenstatbestände, 23 ff., 46 ff.; Stutz, Abwasserrecht, 70). Jedoch kann auch das Einbringen eines wassergefährdenden Stoffes in die Kanalisation oder in die Kläranlage eine strafbare Handlung darstellen, insbesondere wenn der Stoff in der Kläranlage nicht abzubauen ist und deshalb in den Vorfluter gelangt (BGE 120 IV 300, E. 3a). Es liegt dann eine mittelbare Gewässerverschmutzung vor (vgl. N 21 ff.).

15. Wo beispielsweise ein verunreinigender Stoff dank rechtzeitigem Eingreifen in der Kläranlage mit besonderen Mitteln gebunden werden kann, so dass er nicht in den Vorfluter gelangt, liegt eine versuchte Widerhandlung vor, sofern der Täter vorsätzlich gehandelt hat (BGE 120 IV 300, E. 3a107 IV 63, E. 2).

 

2.             Täterschaft

16. Beim Gewässerverunreinigungsverbot von Art. 6 GSchG handelt es sich um eine Verhaltenspflicht, die sich an jedermann richtet (Stutz, Abwasserrecht, 114 m.H.). Als Täter kommt jedermann in Frage, der gegen diese Verhaltenspflicht verstösst.

 

3.             Stoffe, die das Wasser verunreinigen können

17. Als Stoffe, die das Wasser verunreinigen können, kommen feste, flüssige oder gasförmige Stoffe in Frage; ihre Eigenschaft, Wasser verunreinigen zu können, ist entscheidend (Hunger, Sanierungspflicht, 232 m.H.; vgl. auch Piraccini, Vergehenstatbestände, 129).

18. Eine solche Verunreinigung liegt nach Art. 4 Bst. d GSchG bei einer nachteiligen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderung des Wassers vor. Als «nachteilig» zu qualifizieren ist jede messbare Mehrbelastung gegenüber dem Ausgangszustand, d.h. unabhängig vom ursprünglichen Reinheitsgrad des Wassers (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2 m.H., in: URP 2009, 634 ff.). Die Gewässerschutzgesetzgebung verbietet jede Verunreinigung im Sinn von Art. 4 Bst. d GSchG, die nicht ausdrücklich erlaubt ist. Es gilt das gewässerschutzrechtliche Reinhaltungsgebot (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, E. 2.2 m.H., in: URP 2009, 634 ff.).

19. In der Botschaft GSchG 1987 werden Gülle, Mistwässer und Silosäfte als Stoffe, die Wasser verunreinigen können, aufgezählt (Botschaft GSchG 1987, 1109). Dabei handelt es sich allerdings bloss um eine beispielhafte Aufzählung (BGer 1A.51/2005 vom 29. November 2005, E. 2.3). Bereits die strafrechtliche Praxis zeigt, dass die verschiedensten Stoffe geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, so beispielsweise:

  • Jauche (BGE 78 IV 170; BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, in: URP 2009, 166 ff.; BGer 6B_477/2013 vom 12. September 2013, in: URP 2015, 116 ff.);
  • Mist, Mistsickerwasser und Silosäfte (BGer 1C_390/2008 vom 15. Juni 2009, in: URP 2009, 634 ff.);
  • Öl (BGer 6S.520/2001 vom 27. September 2002, in: URP 2003, 279, E. 1.2; OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.; BGE 107 IV 63101 IV 41998 IV 204);
  • Pflanzenschutzmittel (BGE 120 IV 300, E. 3b/bb);
  • quecksilberhaltiges Wasser, das in die öffentliche Kanalisation abgeleitet wird (BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, in: URP 2002, 114 ff.;
  • ein Stahltresor, der nicht aus rostfreiem Stahl besteht (BGE 104 IV 43, E. 2a; vgl. dazu auch Heine, Reform des Umweltstrafrechts, 100 f.);
  • stark ätzendes Reinigungsmittel, das in ein Gewässer eingebracht wurde, auch wenn ein Teil des gewässerverunreinigenden Stoffes, der im Bachbett weissliche Rückstände bildete, wieder aus dem Bach – der gerade kein Wasser führte – entfernt werden konnte (BGer 6B_607/2010 vom 5. November 2010, in: URP 2011, 154 ff., 157, E 4.3);
  • Betonmehl, das auf einer Baustelle bei Betonfräsarbeiten anfällt und in einen Schlammsammler abgeleitet wird, der in der Meteorwasserkanalisation eingesetzt ist (OGer ZH, Urteil vom 19. Dezember 2013);
  • zementhaltiges Baustellenabwasser, das in einen Bach eingeleitet wird (Strafbescheid der Staatsanwaltschaft SG vom 22. Juni 2010);
  • bleihaltige Farbrückstände, die über ein Waschbecken in die Kanalisation gelangen und auf der Kläranlage nicht vollständig abgebaut werden können (Bussenverfügung der Staatsanwaltschaft SG vom 20. November 2007);
  • Rasenmarkierfarbe, die via Meteorwasserschacht entsorgt wird und in einen Bach gelangt (Bussenverfügung der Staatsanwaltschaft SG vom 2. November 2010);
  • Fahrräder, die von einer Brücke in einen Fluss geworfen werden (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 25. April 2013);
  • Köpfe von gewilderten Hirschen, ein Rucksack mit dem Aufbruch eines Hirsches sowie ein Jagdgewehr, die im Rhein entsorgt werden (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 29. Mai 2013);
  • Inertstoffmaterial, das u.a. Chrom VI enthält und als Hinterfüllung bei einem Mehrfamilienhaus verwendet wird (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 3. Juni 2013);
  • Milch, die beim Befüllen eines Milchtankwagens überläuft und via Meteorwassersystem in einen Bach gelangt (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 10. März 2014).

20. Die Formulierung «Stoffe, die Wasser verunreinigen können» weist darauf hin, dass nicht in jedem Einzelfall der Nachweis geführt werden muss, Wasser sei tatsächlich verunreinigt worden. Es genügt, die wasserverunreinigenden Eigenschaften eines Stoffes abstrakt zu bestimmen (Stutz, Grundwasserschutz, 674).

 

4.             Mittelbares oder unmittelbares Einbringen oder Versickern lassen

21. Nach Art. 6 Abs. 1 GSchG ist es untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen. Ein Verstoss gegen dieses Verbot hat strafrechtliche Folgen.

22. Einbringen bedeutet das Beifügen schädlicher Stoffe in festem, flüssigem oder gasförmigem Aggregatzustand (Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, N 849 m.H.).

23. Unmittelbares Einbringen liegt vor, wenn wassergefährdende Stoffe direkt, also ohne Zwischenstufe, dem Gewässer beigefügt werden. So beispielsweise beim Einleiten, Einlassen, Eingiessen, Hineinfliessen‑ oder ‑tropfenlassen oder aber beim Einwerfen, Hineinrutschen oder Hineinkippen (Piraccini, Vergehenstatbestände, 65; Stutz, Abwasserrecht, 114, Fn. 433; Hunger, Sanierungspflicht, 233).

24. Mittelbares Einbringen liegt vor, wenn wasserverunreinigende Stoffe über die Kanalisation in die Gewässer gelangen (Schindler, Rechtsfragen, 463; Hunger, Sanierungspflicht, 233) oder wenn sie auf das Erdreich geschüttet werden und durch dieses hindurch in das Grundwasser gelangen (BGE 101 IV 419, E. 5; Piraccini, Vergehenstatbestände, 65 f.). Mittelbar im Sinne des GSchG wird dann etwas in ein Gewässer eingebracht, wenn dem Gewässer Verunreinigungsstoffe nicht direkt, sondern über den Umweg einer Zwischenstufe (z.B. Erdreich, Kanalisation, Drittstoffe) beigefügt werden. Zudem muss die Kausalität erstellt sein (Piraccini, Vergehenstatbestände, 67 f.).

25. Mit dem Wort «mittelbar» wird einzig und allein die Art des Einbringens der gefährlichen Stoffe konkretisiert. Das Wort bezieht sich nicht auf die Täterschaft (OGer ZH, Urteil vom 4. April 2001, in: URP 2001, 965 ff.).

26. Wird der Grenzwert eines wassergefährdenden Stoffes am Ort der Einleitung in ein Gewässer nicht erreicht, sondern lediglich in Zuleitungsschächten auf einem nahen Betriebsgelände, so ist das objektive Tatbestandselement des «mittelbaren oder unmittelbaren Einbringens in ein Gewässer» nicht erfüllt (OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, in: URP 2003, 769 ff.; Huber-Wälchli/Keller, Rechtsprechung 2003–2012, 274).

27. Ein Versickernlassen ist dann gegeben, wenn eine Flüssigkeit auf das Erdreich ausgeschüttet wird, in dieses eindringt und so in den Untergrund gelangt. Wo die wassergefährdende Flüssigkeit auf befestigten, flüssigkeitsundurchlässigen Boden ausfliesst und nicht ins Erdreich, sondern in eine Kanalisation gerät, kann von einem Versickernlassen nicht die Rede sein (BGE 107 IV 63, E. 4).

28. Beim widerrechtlichen, unmittelbaren oder mittelbaren Einbringen von wasserverunreinigenden Stoffen in ein Gewässer oder beim Versickernlassen solcher Stoffe muss eine konkrete Gefahr für das Gewässer nicht nachgewiesen werden. Es genügt der Nachweis, dass Stoffe, die Wasser verunreinigen können, widerrechtlich mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer gelangten oder in den Untergrund versickerten (Stutz, Abwasserrecht, 119 ff.; Stutz, Grundwasserschutz, 674 f.; Hunger, Sanierungspflicht, 234). In der Strafpraxis wird dies häufig zu wenig beachtet und zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG immer der Nachweis einer konkreten Gefahr verlangt (vgl. OGer ZH, Urteil vom 13. Januar 2003, E. 5, in: URP 2003 769 ff., 773; OGer TG, Urteil vom 4. November 2004 [SBR.2004.29], in: RBOG 2004 Nr. 25). Tatbestandsmässig ist aber allein das widerrechtliche Einbringen oder Versickernlassen von verunreinigenden Stoffen (Stutz, Abwasserrecht, 119 m.H.). Ob das Einbringen oder Versickernlassen tatsächlich zu nachteiligen Einwirkungen auf das Gewässer führt, ist nicht relevant. Art. 6 Abs. 1 GSchG verlangt ohne Rücksicht auf die allenfalls durch das Einbringen oder Versickernlassen drohende Beeinträchtigung des Gewässers, dass die wasserverunreinigenden Stoffe nicht in das Gewässer gelangen (Stutz, Abwasserrecht, 115).

 

5.             Ablagern oder Ausbringen ausserhalb eines Gewässers und Schaffung einer konkreten Gefahr

29. Gemäss Art. 6 Abs. 2 GSchG ist es untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, ausserhalb eines Gewässers abzulagern oder auszubringen, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Verunreinigung des Wassers entsteht. Dieses verwaltungsrechtliche Verbot wird mit strafrechtlichen Mitteln unterstützt; eine Widerhandlung gegen das Verbot hat strafrechtliche Konsequenzen.

30. In einem Entscheid vom 29. Mai 1981 verstand das BGer unter Ablagern das endgültige Deponieren oder Niederlegen fester Stoffe ausserhalb des Gewässers (BGE 107 IV 63, E. 4; vgl. auch Piraccini, Vergehengstatbestände, 91). Eine ähnliche Umschreibung kennt auch das USG. Dort wird als Ablagern das endgültige Unterbringen von Abfällen in nicht mehr geringfügigem Umfang verstanden, nicht jedoch ein bloss vorübergehendes Abstellen oder Zwischenlagern (Tschannen, Kommentar USG, Art. 30e N 9).

31. Im GSchG spielt es – im Gegensatz zum USG – keine Rolle, ob ein wassergefährdender Stoff, der eine Gefahr für die Gewässer darstellt, endgültig oder nur vorübergehend abgelagert wurde (Stutz, Abwasserrecht, 115, N 436). Auch eine vorübergehende Ablagerung kann Wasser verunreinigen, weshalb es nicht auf die Dauer ankommen kann, sondern auf die Gefährdung (Hunger, Sanierungspflicht, 233). Beispielsweise kommt es in der Praxis regelmässig zu strafrechtlich relevanten Gefährdungen von Gewässern, weil Mist ausserhalb des befestigten Mistlagers auf dem Feld zwischengelagert wird und dabei die einschlägige Vollzugshilfe (BAFU/BLW, Umweltschutz Landwirtschaft, Ziff. 5.4) nicht beachtet wird.

32. Unter dem Begriff des Ausbringens von wasserverunreinigenden Stoffen wird das Versprühen oder Verregnen solcher Stoffe auf landwirtschaftlichen Flächen verstanden (Stutz, Abwasserrecht, 115, N 437; Hunger, Sanierungspflicht, 233).

33. Bei den Tatbeständen des Ablagerns oder Ausbringens von wasserverunreinigenden Stoffen ausserhalb eines Gewässers ist der Nachweis einer konkreten Gefahr einer Verunreinigung des Wassers erforderlich. Es handelt sich um konkrete Gefährdungsdelikte (Stutz, Abwasserrecht, 118 ff.; Stutz, Grundwasserschutz, 674 f.; Hunger, Sanierungspflicht, 234). Eine abstrakte Gefährdung genügt nicht (BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, E. 3, in: URP 2009, 166 ff.). Von einer konkreten Gefahr im Sinne dieser Bestimmung ist auszugehen, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsguts besteht (BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, E. 3, in: URP 2009, 166 ff.; 6S.520/2001 vom 27. September 2002, in: URP 2003, 279, E. 1.2; BGE 124 IV 114, E. 1; 123 IV 128, E. 2a). Im Einzelfall sind somit insbesondere Stoffeigenschaften und ‑mengen, Lage des Gewässers und vorhandene Schutzvorkehren zu berücksichtigen (vgl. Stutz, Abwasserrecht, 115; Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, N 852).

34. Beispielsweise wird mit der Einleitung von stark alkalischem Fräsabwasser in einen Schlammsammlerschacht, der in einer Meteorwasserkanalisation eingesetzt ist, eine erhebliche Möglichkeit der Verschmutzung eines Gewässers und damit eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GSchG geschaffen. Somit liegt ein tatbestandsmässiges Verhalten i.S.v. Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG vor (OGer ZH, Urteil vom 19. Dezember 2013).

35. In einem Entscheid vom 12. September 2013 hatte das BGer die Verunreinigungsgefahr durch Ausbringen von stickstoffhaltigem Dünger zu beurteilen (BGer 6B_477/2013 vom 12. September 2013, in: URP 2015, 116 ff.). Stickstoffhaltige Dünger dürfen – sofern keine besonderen Bedürfnisse des Pflanzenbaus vorliegen – nur zu Zeiten ausgebracht werden, in denen die Pflanzen den Stickstoff aufnehmen können (Ziff. 3.2.1 Abs 1 ChemRRV). Bei Tagesmitteltemperaturen unter 5° Celsius können die Pflanzen keinen Nährstoff aufnehmen bzw. benötigen diesen nicht. X. hatte am 3. Januar 2011 stickstoffhaltige Jauche ausgebracht, obwohl die Tagesmitteltemperaturen in den Tagen vor dem Ausbringen der Jauche durchschnittlich unter dem Gefrierpunkt lagen. Nach Auffassung des BGer ist dadurch eine konkrete Verunreinigungsgefahr geschaffen worden. Da die Pflanzen keinen Nährstoff aufnehmen konnten, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Stoffe beim nächsten Niederschlag ausgewaschen und ins Grundwasser gelangen würden.

 

6.             Widerrechtlichkeit

36. Damit die Strafbarkeit eintritt, muss das Einbringen, Versickernlassen, Ablagern oder Ausbringen der wasserverunreinigenden Stoffe widerrechtlich erfolgen. Aus dem entsprechenden Hinweis in Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG kann geschlossen werden, dass auch legale Formen von Gewässergefährdungen oder ‑verunreinigungen existieren (vgl. Piraccini, Vergehengstatbestände, 44 N 8, 152 ff.).

37. Die in Art. 6 GSchG aufgeführten Verbote sind grundsätzlicher Art. Allerdings lässt das GSchG in engen Grenzen Ausnahmen von diesen Verboten zu. Beispielsweise darf verschmutztes Abwasser, das behandelt worden ist, mit Bewilligung der kantonalen Behörde in ein Gewässer eingeleitet oder versickert werden (Art. 7 Abs. 1 GSchG). Zudem ist es technisch unumgänglich, dass bei Starkregenereignissen nicht behandeltes kommunales Abwasser über Regenwasserüberläufe direkt in ein Oberflächengewässer entlastet wird (vgl. Stutz, Abwasserrecht, 115 f. mit weiteren Beispielen).

 

7.             Konkurrenzen

38. Die Frage nach der Konkurrenz zwischen Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG und den Strafbestimmungen des USG kann nicht generell beantwortet werden. Vielmehr muss diese Frage in jedem einzelnen Fall je nach den verschiedenen in Frage kommenden Straftatbeständen in differenzierter Weise gelöst werden (BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, E. 2d, in: URP 2002, 114 ff.).

39. Das BGer beurteilte die Ableitung von quecksilberhaltigem Wasser in die öffentliche Kanalisation lediglich als Widerhandlung gegen das GSchG. Es kam entgegen der Vorinstanz zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keinen Straftatbestand des Art. 60 Abs. 1 USG erfüllt hat (BGer 6S.531/2001 vom 18. Januar 2002, in: URP 2002, 114 ff.).

40. Wer beispielsweise mit Dünger oder Pflanzenschutzmitteln in und an Oberflächengewässern unvorsichtig umgeht und eine Gewässerverunreinigung verursacht, missachtet zugleich ein gestützt auf Art. 29 USG erlassenes und durch Art. 60 Abs. 1 Bst. e USG mit Strafe bedrohtes Verbot; dieses ist zum Zweck verbesserter Sicherheit vor Gefahren chemischer Stoffe erlassen worden. Somit werden in Idealkonkurrenz die entsprechenden Strafbestimmungen beider Gesetze erfüllt (Ettler, Kommentar USG, Vor Art. 60–62 N 37; Hunger, Sanierungspflicht, 234). Falls Gewässer durch Organismen verunreingt werden, liegt ebenfalls Idealkonkurrenz zu den Straftatbeständen des USG vor (Ettler, Kommentar USG, Art. 60 N 79, 91).

 

C.           Inhaber von Anlagen, die notwendige Vorrichtungen nicht erstellen oder funktionstüchtig halten (Bst. b)

1.             Schutzobjekt

41. Schutzobjekte von Art. 70 Abs. 1 Bst. b GSchG sind oberirdische und unterirdische Gewässer (vgl. dazu die Ausführungen in N 13; Piraccini, Vergehenstatbestände, 164).

 

2.             Täterschaft

42. Täter ist der Inhaber von Anlagen, die wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten (vgl. N 43), der gegen die in Art. 22 Abs. 1 GSchG umschriebenen Verhaltenspflichten verstösst (vgl. N 46) und dadurch das Wasser verunreinigt oder die Gefahr einer Verunreinigung schafft (vgl. N 47).

 

3.             Inhaber von Anlagen, die wassergefährdende Flüssigkeiten enthalten

43. Als Inhaber gilt die natürliche oder juristische Person, die faktisch die Verhältnisse bestimmt und verantwortet, unter denen eine bestimmte Anlage betrieben wird. Die sachenrechtlichen Verhältnisse des Inhabers (Eigentum, Besitz usw.) sind dabei nicht entscheidend. Beim Inhaber handelt es sich um die Person, welche die effektive Herrschaft über einen Betrieb oder eine Anlage ausübt und die in der Lage ist, die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der Gewässer vor den dabei drohenden Gefahren zu treffen (BGE 119 Ib 492, E. 4b/bb m.H. [= Pra 83 Nr. 269, E. 4b/bb m.H.]). Entscheidend ist, dass der Inhaber die tatsächliche oder rechtliche Herrschaft über die Anlage hat und somit in der Lage ist, den widerrechtlichen Zustand zu beseitigen. Inhabereigenschaften kommt beispielsweise dem Verantwortlichen im Betrieb, dem Mieter oder dem Pächter zu (Hunger, Sanierungspflicht, 235 m.H.; Piraccini, Vergehenstatbestände, 165 ff. m.H.).

44. Im Zusammenhang mit der Definition der wassergefährdenden Flüssigkeiten kann auf die entsprechende Umschreibung in der Verordnung über den Schutz der Gewässer vor wassergefährdenden Flüssigkeiten vom 1. Juli 1998 (VWF; AS 1998 2019) verwiesen werden, obwohl die VWF bereits am 1. Januar 2007 aufgehoben wurde (AS 2006 4291 ff.). Als wassergefährdende Flüssigkeiten gelten demzufolge Flüssigkeiten, die Wasser physikalisch, chemisch oder biologisch nachteilig verändern können (KVU, Glossar Tankanlagen 2011, 9; Wagner Pfeifer, Umweltrecht II, N 878). Sie werden eingeteilt in die Klasse A, wenn sie in kleinen Mengen Wasser verunreinigen können (z.B. Heizöl, Benzin) und in die Klasse B, wenn sie in grossen Mengen Wasser verunreinigen können (z.B. Essigsäure). Immer als Flüssigkeiten der Klasse A einzustufen sind solche, die umweltgefährliche Eigenschaften im Sinne von Art. 6 der ChemV aufweisen. Weitere Details können dem Hilfsmittel des BAFU «Klassierung wassergefährdender Flüssigkeiten» vom 9. März 2009 zur harmonisierten Einteilung von wassergefährdenden Flüssigkeiten in die Klassen A oder B entnommen werden (BAFU, Klassierung).

45. Anlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten sind insbesondere Anlagen für das Lagern wassergefährdender Flüssigkeiten (z.B. Tankanlagen), Umschlagplätze für wassergefährdende Flüssigkeiten (z.B. Tankstellen), Betriebsanlagen, deren wassergefährdende Flüssigkeiten sich in einem Produktionssprozess befinden und Kreisläufe mit wassergefährdenden Flüssigkeiten, die den Gewässern, dem Boden oder dem Untergrund Wärme entziehen oder diese abgeben (KVU, Merkblatt Art. 22; KVU, Glossar Tankanlagen 2011).

 

4.             Nichterstellen und funktionsfähig Erhalten der notwendigen baulichen und apparativen Vorrichtungen

46. Der Inhaber hat zunächst dafür zu sorgen, dass die zum Schutz der Gewässer notwendigen baulichen und apparativen Vorrichtungen erstellt werden. Bauliche Vorrichtungen umfassen bspw. Schutzbauwerke, Abdichtungen aus Kunststoff, innere Doppelwände, Beschichtungen und Laminate als Schutz gegen Korrosion von aussen und Einrichtungen zu Lageranlagen; als apparative Vorrichtungen gelten insbesondere Füllsicherungen und Leckanzeigesysteme (vgl. dazu KVU, Glossar Tankanlagen 2011, 3 f.). Der Inhaber hat die Pflicht, diese Vorrichtungen funktionsfähig zu erhalten; er hat also dafür besorgt zu sein, dass die Vorrichtungen regelmässig kontrolliert und einwandfrei betrieben und gewartet werden (vgl. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 GSchG). Kommt der Inhaber diesen gesetzlichen Pflichten nicht nach, so ist der objektive Vergehenstatbestand des Art. 70 Abs. 1 Bst. b GSchG noch nicht erfüllt. Vielmehr muss kumulativ noch eine Gewässerverunreinigung oder die Gefahr einer Verunreinigung hinzutreten (vgl. auch Piraccini, Vergehenstatbestände, 175).

 

5.             Verunreinigung oder Gefahr einer Verunreinigung

47. Neben der Missachtung der in Art. 22 Abs. 1 Satz 1 GSchG statuierten Pflichten wird der Eintritt einer Gewässerverunreinigung oder ‑gefährdung vorausgesetzt, damit der Vergehenstatbestand erfüllt ist. Dabei genügt eine abstrakte Gefährdung nicht; es handelt sich hier um ein konkretes Gefährdungsdelikt (Piraccini, Vergehenstatbestände, 176 f.; vgl. auch Komm. zu Art. 22 GSchG, Ziff. III/G). Von einer konkreten Gefahr im Sinne dieser Bestimmung ist auszugehen, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsguts besteht (BGer 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009, E. 3, in: URP 2009, 166 ff.; 6S.520/2001 vom 27. September 2002, E. 1.2, in: URP 2003, 279; BGE 124 IV 114, E. 1123 IV 128, E. 2a).

 

D.           Nichteinhaltung der Dotierwassermenge (Bst. c)

1.             Schutzobjekt

48. Schutzobjekt sind die Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung i.S.v. Art. 4 Bst. i GSchG.

 

2.             Täterschaft

49. Als Täter kommt insbesondere der Konzessionär in Frage, der die in der Konzession festgelegte Dotierwassermenge (vgl. dazu auch Art. 54 Bst. b WRG) nicht einhält. Täter kann zudem der Adressat einer Sanierungsverfügung sein, die gestützt auf Art. 80 GSchG erlassen wurde. Dieser hat i.d.R. Zugriff zur Anlage und ist in der Lage, sowohl die Dotierwassermenge einzustellen, als auch die anderen angeordneten Massnahmen zu treffen (Hunger, Sanierungspflicht, 282).

 

3.             Nichteinhalten der behördlich festgelegten Dotierwassermenge und Nichttreffen der angeordneten Massnahmen

50. Nach Art. 35 Abs. 1 GSchG bestimmt die Behörde im Einzelfall die Dotierwassermenge und die anderen Massnahmen, die zum Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle notwendig sind.

51. Die Dotierwassermenge ist nach Art. 4 Bst. l GSchG die Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimmten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird.

52. Unter den «anderen Massnahmen zum Schutz der Gewässer unterhalb der Entnahmestelle» i.S.v. Art. 35 Abs. 1 GSchG sind die Alternativmassnahmen i.S.v. Art. 31 Abs. 2 GSchG zu verstehen (Eckert, Restwassermengen, 109 m.H.).

53. Hält jemand die behördlich festgelegte Dotierwassermenge nicht ein oder trifft die zum Schutz des Gewässers unterhalb der Entnahmestelle angeordneten Massnahmen nicht, macht er sich strafbar.

 

E.            Widerrechtliche Verbauung und Korrektion von Fliessgewässern (Bst. d)

1.             Schutzobjekt

54. Schutzobjekt sind die natürlichen und die schon verbauten (vgl. dazu Botschaft GSchG 1987, 1141) Fliessgewässer.

 

2.             Täterschaft

55. Als Täter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen (vgl. Art. 73 GSchG) in Frage, die Fliessgewässer widerrechtlich verbauen oder korrigieren. Täter ist bspw. der Eigentümer eines an ein Fliessgewässer angrenzendes Grundstück, der, um Land zu gewinnen, widerrechtliche Eingriffe am Gewässer vornimmt.

 

3.             Verbauung und Korrektion

56. Unter Verbauung und Korrektion sind Eingriffe zu verstehen, die eine Stabilisierung, Veränderung oder Verlegung des Gewässers bewirken. Dabei kann es sich um punktuelle Eingriffe (z.B. einzelne Sohlenschwellen), aber auch um weitergehende Massnahmen (Sohlen‑ und Uferpflästerung, Begradigung mäandrierender Gewässerabschnitte usw.) handeln (Botschaft GSchG 1987, 1141).

57. Fliessgewässer dürfen nur unter bestimmten, in Art. 37 Abs. 1 GSchG genannten Voraussetzungen verbaut oder korrigiert werden. Das Gesetz lässt die Verbauung oder Korrektion nur in fünf Fällen zu, nämlich wenn:

  • der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten dies erfordert;
  • es für die Schiffbarmachung nötig ist;
  • es für eine im öffentlichen Interesse liegende Nutzung der Wasserkraft nötig ist;
  • es für die Errichtung einer Deponie nötig ist, die nur am vorgesehenen Standort errichtet werden kann und auf der ausschliesslich unverschmutztes Aushub‑, Abraum‑ und Ausbruchmaterial abgelagert wird;
  • dadurch der Zustand eines bereits verbauten oder korrigierten Gewässers im Sinn des GSchG verbessert werden kann (vgl. dazu auch Komm. zu Art. 37 GSchG).

 

4.             Widerrechtlichkeit

58. Damit die Strafbarkeit eintritt, muss die Verbauung oder Korrektion des Fliessgewässers widerrechtlich erfolgen, da es – wie oben in Ziff. 3 gesehen – auch legale Formen der Verbauung oder Korrektion gibt. Widerrechtlichkeit ist beispielsweise dann gegeben, wenn Verbauungen oder Korrektionen eines Fliessgewässers erfolgen, ohne dass ein streng begründeter Fall (Botschaft GSchG 1987, 1141) i.S.v. Art. 37 Abs. 1 GSchG vorliegt. Der Tatbestand ist bereits mit der Vornahme der verbotenen Handlung erfüllt. Eine Gefahr muss nicht vorliegen.

F.             Überdeckung und Eindolung ohne oder entgegen Bedingungen der Bewilligung (Bst. e)

1.             Schutzobjekt

59. Schutzobjekt sind die Fliessgewässer, die vor technischen Eingriffen (Überdeckung oder Eindolung) geschützt werden sollen. Solche Eingriffe haben zahlreiche negative Auswirkungen. Als Folge von Eindolungen werden Gewässer dem Wasserhaushalt eines Gebietes entzogen, Wechselwirkungen zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser verschwinden und mikroklimatische Einflüsse fallen dahin. Die Selbstreinigungskraft eingedolter Gewässer ist äusserst gering. Zudem zerschneiden eingedolte Abschnitte einen Gewässerlauf und unterbinden bspw. die tierische Wanderung vom Unter‑ zum Oberlauf. Schliesslich haben Eindolungen schwerwiegende Nachteile für den Natur‑ und Landschaftsschutz, die es zu verhindern gilt (Botschaft GSchG 1987, 1143 f.). Auch Überdeckungen von Gewässern können schwerwiegende Auswirkungen haben. Bspw. kann die Beschattung eines Gewässers die Flora nachteilig beeinflussen, was den Stoffwechsel im Gewässer und die Nahrungskette beeinträchtigen kann.

 

2.             Täterschaft

60. Als Täter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen (vgl. Art. 73 GSchG) in Frage, die Fliessgewässer überdecken oder eindolen, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Bewilligung zu sein. Täter ist beispielsweise der Landwirt, der Bäche eindolt, um seine Liegenschaft besser bewirtschaften zu können. Falls eine Bewilligung erteilt wurde, kann jene Person Täter sein, die beim Überdecken oder Eindolen entgegen den Bedingungen der erteilten Bewilligung handelt.

 

3.             Überdecken oder Eindolen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung

61. Eine Eindolung liegt vor, wenn ein offenes Gewässer bspw. in Röhren oder Rechteckprofile gelegt wird. Wird hingegen über das natürliche Gewässerprofil eine Baute oder Anlage (bspw. eine Betonplatte) gelegt, spricht man von einer Überdeckung (Baudepartement SG, JuMi).

62. Aus Art. 38 GSchG ergibt sich, dass Fliessgewässer weder überdeckt noch eingedolt werden dürfen; es besteht ein generelles Verbot. Allerdings kann die Behörde in bestimmten Fällen Ausnahmen von diesem Verbot bewilligen. Die Ausnahmegründe sind in Art. 38 Abs. 2 GSchG abschliessend aufgezählt. Liegt keiner dieser Ausnahmegründe vor, so darf keine Ausnahme vom Überdeckungs‑ oder Eindolungsverbot gewährt werden.

63. Da jedes Überdecken oder Eindolen von Fliessgewässern ohne Bewilligung verboten ist, muss eine Gefahr nicht vorliegen. Folglich wird der Vergehenstatbestand von Art. 70 Abs. 1 Bst. e GSchG bereits erfüllt, wenn die verbotene Handlung vorgenommen wird.

64. Falls die Voraussetzungen für eine Überdeckungs‑ oder Eindolungsbewilligung gegeben sind, hat die Behörde in der Bewilligung die notwendigen Massnahmen festzulegen (z.B. genaue Länge der Eindolung, Schutz vor Hochwasserereignissen). Wer sich nicht an diese Massnahmen hält, macht sich i.S.v. Art. 70 Abs. 1 Bst. e GSchG strafbar, da gegen die Bedingungen einer erteilten Bewilligung gehandelt wird. Im Zusammenhang mit dem verwendeten und wenig präzisen Begriff «Bedingungen» kann auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden (vgl. N 81).

65. Strafbar gemacht hat sich beispielsweise der Landwirt, der einen offenen Bach auf einer Länge von rund 20 m eingedolt und eine bestehende Eindolung von rund 10 m Länge mit neuen Rohrleitungen ersetzt hat (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 26. März 2007).

G.           Einbringen von festen Stoffen in einen See ohne oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung (Bst. f)

1.             Schutzobjekt

66. Schutzobjekt sind die Seen und insbesondere die Flachwasserzonen. Dank ihrer speziellen Eigenschaften werden in dieser Zone die von künstlichen und natürlichen Zuflüssen eingebrachten Schmutzstoffe zu einem grossen Teil abgebaut; es ist die eigentliche Reinigungszone des Sees. Auch beherbergt diese Zone den grössten Teil der Tier‑ und Pflanzenwelt des Sees (Botschaft GSchG 1987, 1144).

 

2.             Täterschaft

67. Als Täter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen (vgl. Art. 73 GSchG) in Frage, die feste Stoffe in einen See einbringen, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Bewilligung zu sein. Falls eine Schüttungsbewilligung erteilt wurde, kann jede Person Täter sein, die beim Einbringen der festen Stoffe entgegen den Bedingungen der erteilten Bewilligung handelt. Namentlich die Verantwortlichen von Bauunternehmungen, die mit der Schüttung beauftragt sind, können Täter sein.

 

3.             Einbringen von festen Stoffen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung

68. Gemäss Art. 39 Abs. 1 GSchG dürfen keine festen Stoffe in Seen eingebracht werden, auch wenn sie Wasser nicht verunreinigen können. Grundsätzlich sind also keine Schüttungen in Seen möglich. Seen sollen vor allem nicht mehr als Deponien genutzt werden (Brunner, Uferbereich, 752 m.H.; BUWAL, Schüttungen, 1).

69. Das Einbringen fester Stoffe (Schüttungen) kann allerdings in zwei Fällen ausnahmsweise durch die kantonale Behörde bewilligt werden (vgl. Art. 39 Abs. 2 GSchG):

  • falls durch die Schüttung eine Flachwasserzone verbessert werden kann;
  • eine Ausnahmebewilligung ist zudem möglich für standortgebundene Bauten in überbauten Gebieten, wenn überwiegende öffentliche Interessen eine Schüttung erfordern und sich der angestrebte Zweck anders nicht erreichen lässt (vgl. Brunner, Uferbereich, 752 ff. m.H.). Ein Beispiel für eine solche Ausnahme ist das Erstellen eines öffentlichen, landseitig nicht realisierbaren Uferwegs (Botschaft GSchG 1987, 1145).

70. Nicht jedes Einbringen von festen Stoffen in Seen ist rechtlich gesehen eine Schüttung und der strengen Bewilligungspflicht von Art. 39 GSchG unterstellt. Als Schüttung ist jede durch Einbringen fester Stoffe angestrebte Terrainveränderung des Seegrundes bzw. Uferbereichs, die nicht lediglich Hilfsfunktionen hat, zu betrachten, nicht hingegen das Einbringen etwa von Beton lediglich zum Bau oder zur Sicherung von Anlagen (Brunner, Uferbereich, 754 m.H.). Beispielsweise kann auch das Wegwerfen von Kleinabfällen in einen See nicht als unbefugtes Einbringen fester Stoffe in Seen bezeichnet werden (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 17. Mai 2006 zu Mo. Mathys Strafbestimmung).

71. Da jedes Einbringen von festen Stoffen, auch wenn sie das Wasser nicht verunreinigen können, ohne Bewilligung untersagt ist, muss eine Gefahr nicht vorliegen. Folglich wird der Vergehenstatbestand von Art. 70 Abs. 1 Bst. f GSchG bereits erfüllt, wenn die verbotene Handlung vorgenommen wird.

72. Selbst wenn eine Seeschüttung ausnahmsweise bewilligt wird, stellt eine solche Schüttung für das Gewässer ein heikles Vorhaben dar. Die damit verbundene Umweltbelastung hängt von zahlreichen Faktoren ab, insbesondere von der Art des Einbringens des Materials (vgl. dazu BUWAL, Schüttungen, 2 ff.). In der Schüttungsbewilligung sind daher die erforderlichen Massnahmen zum Schutz des Gewässers anzuordnen, beispielsweise ist vorzuschreiben, dass nur unverschmutztes Material verwendet werden darf. Die Beachtung der Schüttungsbewilligung hat hohe Priorität; wer sich nicht an die in der Bewilligung angeordneten Massnahmen zum Schutz des Gewässers hält, macht sich i.S.v. Art. 70 Abs. 1 Bst. f GSchG strafbar.

73. Im Zusammenhang mit dem verwendeten und wenig präzisen Begriff «Bedingungen» kann auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden (vgl. N 81).

 

H.           Ausbeutung von Material ohne oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung (Bst. g)

1.             Schutzobjekt

74. Der Abbau von Kies, Sand und anderem Material kann die Grundwasserqualität und ‑quantität nachhaltig gefährden. Beim Abbau werden der Boden und die schützende Deckschicht entfernt, wodurch das Grundwasser in erhöhtem Masse den oberflächlichen Einwirkungen ausgesetzt wird (BAFU, Grundwasserschutz, 81). Als Massnahme zum Schutz des Grundwassers wird daher in Art. 44 GSchG eine Bewilligungspflicht für die Materialausbeutung statuiert. Die Bewilligungspflicht gilt flächendeckend, also nicht nur in den besonders gefährdenden Bereichen, sondern auch in den übrigen Bereichen (BAFU, Grundwasserschutz, 55 f.). Schutzobjekt von Art. 70 Abs. 1 Bst. g GSchG ist somit das Grundwasser generell.

75. Schutzobjekt können aber auch die Fliessgewässer sein, deren Geschiebehaushalt durch Materialausbeutungen nicht nachteilig beeinflusst werden darf (vgl. Art. 44 Abs. 2 Bst. c GSchG und Art. 43 GSchV).

 

2.             Täterschaft

76. Als Täter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen (vgl. Art. 73 GSchG) in Frage, die Material ausbeuten oder vorbereitende Grabungen dazu vornehmen, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Bewilligung zu sein. Ferner kann jene Person Täter sein, die zwar über die erforderliche Bewilligung verfügt, aber bei der Ausbeutung des Materials oder den vorbereitenden Grabungen dazu entgegen den Bedingungen der erteilten Bewilligung handelt. In Frage kommen beispielsweise die Verantwortlichen einer Kiesunternehmung.

 

3.             Ausbeutung ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung

77. Unter dem Begriff Materialausbeutung ist der Abbau von mineralischen Rohstoffen zu verstehen, wie Kiesabbau, Sand‑ und Tongewinnung, Lehmgruben und Steinbrüche (BAFU, Grundwasserschutz, 81). Eine solche Ausbeutung erfordert aufgrund von Art. 44 Abs. 1 GSchG immer eine Bewilligung.

78. Wer Kies, Sand oder anderes Material ohne Bewilligung ausbeutet, erfüllt den Vergehenstatbestand von Art. 70 Abs. 1 Bst. g GSchG. Der Tatbestand ist bereits mit der Vornahme der verbotenen Handlung erfüllt. Eine Gefahr muss nicht vorliegen (vgl. Piraccini, Vergehenstatbestände, 111).

79. Während nach Art. 32 Abs. 1 GSchG 1971 noch eine kantonale Bewilligung erforderlich war, so ist nach dem Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 GSchG nicht mehr vorgeschrieben, dass die Bewilligungserteilung durch eine kantonale Behörde erfolgen muss. Es wäre aber wenig sinnvoll, diese Kompetenz den Gemeinden zu übertragen (vgl. Bose, Schutz Grundwasser, 94 m.H.). Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens sind insbesondere die hydrogeologischen Verhältnisse im Detail abzuklären und allenfalls notwendige Gewässerschutzmassnahmen anzuordnen (BAFU, Grundwasserschutz, 81). Beispielsweise kann zum Schutz des Grundwassers verfügt werden, dass

  • eine schützende Materialschicht belassen werden muss; diese ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zu bemessen;
  • die Ausbeutungsfläche so begrenzt wird, dass die natürliche Grundwasserneubildung gewährleistet ist;
  • der Boden nach der Ausbeutung wieder so hergestellt wird, dass seine Schutzwirkung der ursprünglichen entspricht.

80. Nach dem Abbau des Materials stellt sich das Problem der Wiederauffüllung. Jede aufgefüllte Grube birgt ein Risiko für die Grundwasserqualität (BAFU, Grundwasserschutz, 81). In der Ausbeutungsbewilligung sind daher Anforderungen an die Qualität des Auffüllmaterials festzulegen.

81. Wer sich nicht an solche in der Ausbeutungsbewilligung angeordnete Massnahmen zum Schutz des Grundwassers hält, beutet Material entgegen den Bedingungen aus und macht sich i.S.v. Art. 70 Abs. 1 Bst. g GSchG strafbar. Dabei ist der hier verwendete Begriff «Bedingungen» wenig präzis. In der Regel wird es sich eher um Auflagen als um Bedingungen handeln. Häufig wird als Bedingung bezeichnet, was eigentlich eine Auflage ist. Ob eine Bedingung oder Auflage vorliegt, beurteilt sich nicht so sehr nach der Bezeichung der Nebenbestimmung, sondern vor allem nach deren Sinn und Zweck (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 915).

82. Nach Art. 70 Abs. 1 Bst. g GSchG strafbar gemacht haben sich beispielsweise

  • der Kiesunternehmer, der zwar über eine Ausbeutungsbewilligung mit einer erlaubten Abbaumenge von 6’900 m3 verfügte, effektiv aber rund 10’000 m3 ausbeutete (Kreisgericht U., Kt. SG, Urteil vom 20. November 2006);
  • der Landwirt, der ohne Bewilligung rund 20 m3 Kies aus einem Fluss entnahm und dieses für die Erstellung seines Vorplatzes verwendete (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft SG vom 12. Dezember 2011).

 

4.             Vorbereitende Grabungen ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen der Bewilligung

83. Nicht nur die eigentliche Materialausbeutung, sondern bereits auch vorbereitenden Grabungen dazu, gelten als bewilligungspflichtig (vgl. Art. 44 Abs. 1 GSchG). Wer ohne Bewilligung oder entgegen den Bedingungen einer erteilten Bewilligung vorbereitende Grabungen vornimmt, macht sich im Sinn von Art. 70 Abs. 1 Bst g GSchG strafbar.

 

I.              Fahrlässigkeit (Abs. 2)

84. Bei fahrlässiger Tatbegehung (vgl. dazu Vor Art. 70–73 GSchG N 3 f.) i.S.v. Art. 70 Abs. 2 GSchG ist die Strafdrohung Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Bis zur 2007 in Kraft getretenen StGB-Revision lautete die Strafandrohung Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse (Botschaft Gentechnikgesetz 2009, 5450).

 

 

Résumé

L’art. 70 LEaux qualifie de délits diverses violations à la LEaux. La tentative, la complicité ainsi que l’instigation sont également pénalement punissables. En vertu de la let. a de l’art 70 al. 1 LEaux, celui qui introduit directement ou indirectement dans les eaux des substances de nature à polluer, qu’il ait laissé infiltrer de telles substances ou qu’il en ait déposées et épandues hors des eaux sera puni d’une peine privative de trois ans au plus ou d’une peine pécuniaire. Cette lettre protège tant les eaux superficielles que les eaux souterraines mais non les eaux venant des canalisations ou des stations d’épuration. La notion de pollution est définie à l’art. 4 let. d LEaux. Pour que l’élément objectif de l’infraction soit réalisé, une mise en danger concrète est nécessaire, un risque abstrait ne suffisant pas. Peu importe toutefois que le bien juridique soit effectivement lésé. Il est ainsi suffisant de déterminer si ces substances sont de nature à polluer les eaux. La question du concours entre les dispositions pénales de la LEaux et celles de la LPE doit être traitée au cas par cas.

La let. b de l’art. 70 al. 1 LEaux réprime de la même peine le détenteur d’une installation contenant des liquides de nature à polluer les eaux, qui n’aura pas, conformément à la présente loi, installé les appareils et aménagé les constructions nécessaires à la protection des eaux ou ne les aura pas maintenus en état de fonctionner, polluant ainsi l’eau ou créant un risque de pollution. Par détenteur, on entend celui qui a la maîtrise effective sur l’installation et qui est en mesure de prendre les mesures nécessaires. La situation du détenteur au regard du droit privé n’est donc pas déterminante. Afin que l’état de fait soit réalisé, il ne suffit pas que le détenteur n’ait pas rempli ses obligations. Il faut en plus qu’une pollution ou un risque de pollution soit établie.

La let. c de l’art. 70 al. 1 LEaux punit celui qui n’aura pas respecté le débit de dotation fixé par l’autorité ou n’aura pas pris les mesures prescrites afin de protéger le cours d’eau à l’aval du prélèvement. Cette lettre s’applique aux cours d’eau à débit permanent (art. 4 let. i LEaux). L’auteur peut être le concessionnaire ou le destinataire des mesures d’assainissement selon l’art. 80 LEaux. La let. c est à lire en parallèle avec l’art. 35 LEaux qui prescrit que l’autorité fixe le débit de dotation et les autres mesures nécessaires pour protéger les cours d’eau en aval.

Aux termes de l’art. 70 al. 1 let. d LEaux, sera puni celui qui aura, de manière illicite, endigué ou corrigé un cours d’eau. Les biens protégés sont non seulement les cours d’eau naturels, mais également les cours d’eau déjà aménagés. Par correction ou endiguement, on entend toutes les atteintes qui touchent à la stabilité, au changement ou au transfert des eaux. Les seules modifications autorisées sont celles qui respectent les conditions de l’art. 37 al. 1 LEaux. L’état de fait est donc réalisé dès la construction de la correction ou de l’endiguement.

L’art. 70 al. 1 let. e LEaux réprime celui qui aura, sans autorisation ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation, couvert ou mis sous terre un cours d’eau. Entrent dans le champ d’application de cette lettre, les cours d’eau qui doivent être protégés des modifications techniques (cf. art. 38 LEaux).

Selon la let. f de l’art. 70 al. 1 LEaux, sera sanctionné celui qui aura, sans autorisation de l’autorité cantonale ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation, introduit des substances solides dans un lac. L’autorité peut néanmoins autoriser l’introduction de substances solides à certaines conditions (art. 39 al. 2 LEaux).

La dernière lettre de l’art. 70 al. 1 LEaux dispose que celui qui aura, sans autorisation ou en violation des conditions énoncées dans l’autorisation exploité du gravier, du sable ou d’autres matériaux ou entrepris des fouilles préliminaires à cette fin sera puni de trois ans de peine privative de liberté au plus ou d’une peine pécuniaire. Cette lettre protège tant les eaux souterraines que les cours d’eau. Même si le texte ne l’indique pas, l’autorisation doit être demandée à l’autorité cantonale.

Selon l’al. 2 de l’art. 70 LEaux, l’infraction peut être commise par négligence. Toutefois, dans ce cas, la peine ne devrait pas excéder six mois selon l’al. 2.

 

 

Literatur: Alkalay Michael, Umweltstrafrecht im Geltungsbereich des USG, Zürich 1992 (zit. Umweltstrafrecht); Brunner Ursula, Bauen im Uferbereich – schützen die Schutznormen?, in: URP 1996, 744 ff. (zit. Uferbereich); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Heine Günter, Reform des Umweltstrafrechts – Internationale Entwicklung und nationaler Stand, in: URP 2011, 95 ff. (zit. Reform des Umweltstrafrechts); Huber-Wälchli Veronika, Zum Vollzug des Umweltrechts im Kanton Graubünden – Bericht aus der Praxis, in: URP 2011, 819 ff. (zit. Vollzug Umweltrecht); Interface Politikstudien Forschung Beratung, Stärkung des Vollzugs im Umweltbereich – Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Abteilung Recht, Luzern 2013 (zit. Vollzug); Keller Peter M., Elemente eines wirksamen Vollzugs des Umweltrechts, in: URP 2011, 397 ff. (zit. Vollzug); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Stumm Andrea, Analyse der strafrechtlichen Judikatur im Gewässerschutz, Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes «Grundlegende Probleme des schweizerischen Wasserhaushalts» (NFP 02), Zürich 1988 (zit. Strafrechtliche Judikatur); Stutz Hans W., Gelockerter Grundwasserschutz? – Zum Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Juni 2009 (1C_390/2008) betreffend Gewässerschutz; Sanierung eines Laufhofs für Rinder (Pfäffikon ZH), in: URP 2009, 673 ff. (zit. Grundwasserschutz); Wagner Pfeifer Beatrice, Umweltrecht II, 2. Aufl, Zürich 2006 (zit. Umweltrecht II).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Wüest Alfred/Ramisch Felix/Hefti Daniel), Unverschmutztes Aushub‑ und Abbruchmaterial: Schüttungen in Seen im Rahmen des GSchG, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 32, Bern 1999 (zit. Schüttungen); Motion Mathys (06.3138) «Einführung einer Strafbestimmung für das Wegwerfen von Müll» vom 24. März 2006 (zit. Mo. Mathys Strafbestimmung); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Klassierung wassergefährdender Flüssigkeiten – Stand 9. März 2009 (I061-0918), Bern 2009 (zit. Klassierung); Botschaft zur Änderung des Gentechnikgesetzes (Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft) vom 1. Juli 2009, BBl 2009 5435 ff. (zit. Botschaft Gentechnikgesetz 2009); Baudepartement SG, Juristische Mitteilungen 2009, Band III, Nr. 5, <http://www.sg.ch/home/bauen__raum___umwelt/recht/juristische_mitteilungen.html>, 18.4.2014 (zit. JuMi); Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz (KVU), Glossar für Tankanlagen vom November 2011 (zit. Glossar Tankanlagen 2011); Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz (KVU), Merkblatt zur Präzisierung des Artikels 22 GSchG, November 2011 (zit. Merkblatt Art. 22); Bundesamt für Umwelt (BAFU)/Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (Hrsg.), Nährstoffe und Verwendung von Düngern in der Landwirtschaft – Ein Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft, Umwelt-Vollzug Nr. 1225, Bern 2012 (zit. Umweltschutz Landwirtschaft).

Anderegg Martin

 

Übertretungen

1         Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:

a.       in anderer Weise diesem Gesetz zuwiderhandelt;

b.       einer unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn gerichteten Einzelverfügung zuwiderhandelt.

2         Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.

3         Gehilfenschaft ist strafbar.

4         … (Aufgehoben durch Ziff. II 2 des BG vom 19. März 2010, mit Wirkung seit 1. Aug. 2010; AS 2010 3233; BBl 2009 5435).

Contraventions

1         Sera puni d’une amende de 20 000 francs au plus celui qui, intentionnellement:

a.       aura de toute autre manière contrevenu à la présente loi;

b.       aura contrevenu à une décision d’espèce à lui communiquée sous commination des peines prévues par le présent article.

2         La peine sera l’amende si l’auteur a agi par négligence.

3         La complicité est punissable.

4         … (Abrogé par le ch. II 2 de la LF du 19 mars 2010, avec effet au 1er août 2010; RO 2010 3233; FF 2009 4887).

Contravvenzioni

1         È punito con la multa fino a 20 000 franchi chiunque, intenzionalmente:

a.       contravviene altrimenti alla presente legge;

b.       contravviene a una singola decisione comunicatagli sotto comminatoria delle pene previste nel presente articolo.

2         Se l’autore ha agito per negligenza, la pena è della multa.

3         La complicità è punibile.

4         … (Abrogato dal n. II 2 della LF del 19 mar. 2010, con effetto dal 1° ago. 2010; RU 2010 3233; FF 2009 4721).

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.   ​ Allgemeine Bemerkungen 9
III. Kommentierung 13
A. Ingress (Abs. 1) 13
B. Andere Widerhandlungen gegen dieses Gesetz (Bst. a) 15
  C. Widerhandlung gegen eine Einzelverfügung (Bst. b) 25
D. Fahrlässigkeit (Abs. 2) 32
E. Gehilfenschaft (Abs. 3) 33
​F. Versuch nicht strafbar 34
G. Gemeinnützige Arbeit 35

 

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 71 GSchG geht auf Art. 15 Abs. 1 GSchG 1955 zurück. Jene Bestimmung stellte Widerhandlungen gegen dieses Gesetz und die gestützt darauf erlassenen Ausführungsbestimmungen und Einzelverfügungen unter Strafe. Bewusst wurde darauf verzichtet, die einzelnen Bestimmungen, denen der Strafschutz gewährt werden soll, ausdrücklich zu nennen. Vielmehr wurde eine Lösung vorgezogen, nach der Wiederhandlungen gegen das Gesetz ganz allgemein mit Strafe bedroht werden. Zudem wurde es als zweckmässig beurteilt, auch die auf das Gesetz erlassenen Ausführungsbestimmungen miteinzubeziehen und den Strafschutz selbst auf die erlassenen Einzelverfügungen auszudehnen (Botschaft GSchG 1954, 344). Die Strafsanktion stand auf der Stufe der Übertretung, da sowohl für die fahrlässige als auch für die vorsätzliche Tatbegehung lediglich Geldbusse angedroht wurde (Botschaft GSchG 1970, 473).

2. Beim Erlass des GSchG 1971 ist die Regelung von Art. 15 Abs. 1 GSchG 1955 im Grundsatz übernommen worden (vgl. Art. 40 Abs. 1 GSchG 1971). Mit dem Hinweis, dass auch bei den Übertretungen schwere Fälle denkbar sind, ist zusätzlich die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe eingeführt worden (Botschaft GSchG 1970, 475).

3. In der Botschaft zu Art. 71 GSchG hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass sich der Art. 40 GSchG 1971 durchaus bewährt habe. Insbesondere für die Strafverfolgungsbehörden habe er sich als zweckmässig erwiesen, weshalb ein allgemein formulierter Auffangtatbestand beibehalten werden soll (Botschaft GSchG 1987, 1165).

4. Ursprünglich sollte der Bundesrat die Befugnis erhalten, selber Strafnormen zu erlassen (Botschaft GSchG 1987, 1202). In der parlamentarischen Beratung ist eine solche an den Bundesrat delegierte Befugnis allerdings auf Ablehung gestossen und aus dem Gesetz gestrichen worden. Ausschlaggebend dafür waren vor allem Bedenken, ob eine solche Delegation rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen vermag. Kritisiert wurde insbesondere, dass Vorschriften, deren Nichtbefolgung mit Haft geahndet werden (bei Übertretungen war diese Sanktion bis Ende 2006 möglich; vgl. dazu N 14), ins formelle Gesetz gehören und nicht in eine Verordnung (AB 1988 S 664).

5. Die Absicht des Bundesrates, den Versuch als strafbar zu erklären (vgl. Botschaft GSchG 1987, 1202; AB 1988 S 664), wurde in der parlamentarischen Beratung ebenfalls aus dem Gesetz gestrichen.

6. Mit dem Erlass des GSchG war Abs. 4 in Art. 71 GSchG aufgenommen worden; er hatte folgenden Wortlaut: «Eine Übertretung verjährt in einem Jahr, die Strafe einer Übertretung in zwei Jahren.»

7. Die Teilrevision zur Änderung des GTG vom 19. März 2010 (mit Wirkung seit 1. August 2010) konnte u.a. dazu benutzt werden, um die Verjährungsbestimmungen im GSchG wieder in Übereinstimmung mit Art. 109 StGB zu bringen. Eine solche Übereinstimmung war seit Inkrafttreten des GSchG bis zum 30. September 2002 bereits gegeben. Aufgrund der direkten Anwendbarkeit von Art. 109 StGB konnte Art. 71 Abs. 4 GSchG aufgehoben werden (vgl. Botschaft Gentechnikgesetz 2009, 5451).

8. Nach Art. 109 StGB verjähren die Strafverfolgung und die Strafe in drei Jahren.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

9. Art. 71 GSchG hat verschiedene Funktionen. Zunächst werden in Abs. 1 Bst. a mittels eines allgemein formulierten Auffangtatbestandes solche geringfügigen Verstösse gegen das GSchG geahndet, die noch keine Gewässerschutzvergehen nach Art. 70 GSchG darstellen. Dieser Auffangtatbestand hat eine Ausweitung der strafrechtlich relevanten Gewässerbeeinträchtigungen zur Folge und Bagatellverstösse werden in den Bereich der Strafbarkeit einbezogen (vgl. Niering, Rechtsvergleich, 49).

10. Mit Abs. 1 Bst. b steht für den Vollzug ein zweckmässiges Instrument zur Durchsetzung der Gewässerschutzgesetzgebung zur Verfügung. Der Adressat einer Verfügung wird angehalten, diese zu beachten; falls er der Aufforderung nicht nachkommt, wird er bestraft.

11. Ferner wird in Art. 71 GSchG zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tatbegehung unterschieden. Bei vorsätzlichen Widerhandlungen sind Bussen bis zu CHF 20’000 (vgl. dazu N 14), bei fahrlässigen Widerhandlungen Bussen bis zu CHF 10’000 (vgl. dazu N 32) möglich. Schliesslich wird Gehilfenschaft bestraft (vgl. dazu N 33), während der Versuch straflos bleibt (vgl. dazu N 34).

12. Gilt es, ein bestimmtes Verhalten auf seine gewässerschutz-strafrechtlichen Folgen hin zu überprüfen, so muss eine Prüfung in drei Schritten erfolgen; insbesondere bei Bagatellverstössen ist eine solche Prüfung vorzunehmen, bevor feststeht, ob das beurteilte Verhalten strafrechtlich unerheblich ist. Zu Beginn ist jeweils zu prüfen, ob eine Widerhandlung gegen den trinkwasserschützenden Strafbestand des Art. 234 StGB vorliegt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, können gemäss Art. 72 GSchG die Straftatbestände des GSchG zur Anwendung gelangen. In diesem Fall ist dann in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob durch das Verhalten ein Straftatbestand des Art. 70 GSchG erfüllt wird. Sollte diese Strafvorschrift ebenfalls nicht greifen, ist schliesslich der Auffangtatbestand des Art. 71 GSchG heranzuziehen. Erst wenn feststeht, dass auch diese Übertretungsvorschrift nicht greift, ist die Feststellung möglich, dass die zu beurteilende Handlung ohne strafrechtliche Folgen bleibt (Niering, Rechtsvergleich, 49 f.).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Ingress (Abs. 1)

13. Der Art. 71 GSchG steht unter dem Randtitel «Übertretungen». Nach Art. 103 StGB sind Übertretungen Taten, die mit Busse bedroht sind.

14. Durch die Gesamterneuerung der Allgemeinen Bestimmungen (Erstes Buch) des StGB, welche seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist (AS 2006 3459 ff.), wurde insbesondere das Sanktionensystem neu geordnet. Bei Übertretungen ist die Freiheitsstrafe in Form von Haft als Sanktion abgeschafft worden (Botschaft StGB 1999, 2145). Um mit dem neuen Strafensystem des StGB übereinzustimmen, musste Art. 71 Abs. 1 GSchG (mit Wirkung seit dem 1. August 2010; AS 2010 3233 ff.) angepasst werden. Als Strafe für vorsätzlich begangene Straftaten kommt somit nur noch Busse bis zu CHF 20’000 und nicht mehr Haft in Frage (Botschaft Gentechnikgesetz 2009, 5450 f.). Bis zum 1. August 2010 lautete die Strafandrohung auf Haft oder Busse bis zu CHF 20’000, was gemäss Art. 333 Abs. 3 StGB bzw. Art. 101 aStGB ebenfalls einer Übertretung entsprach.

 

B.            Andere Widerhandlungen gegen dieses Gesetz (Bst. a)

15. Strafbar macht sich, wer «in anderer Weise diesem Gesetz zuwiderhandelt». Mit Strafe bewehrt sind solche Verstösse gegen das GSchG, die keine Gewässerschutzvergehen nach Art. 70 GSchG darstellen.

16. Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG ist ein allgemein formulierter Auffangtatbestand (Botschaft GSchG 1987, 1164 f.), der in der Praxis eine recht grosse Bedeutung hat (Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474 Fn. 7). Er bewirkt eine erhebliche Ausweitung der strafrechtlich beachtenswerten Gewässerbeeinträchtigungen. Eine derartige Regelung enthält den positiv zu erachtenden Effekt eines umfassenden Gewässerschutzes, da mit einem so ausgestalteten Auffangtatbestand nahezu alle denkbaren Gewässerverunreinigungen erfasst werden können (Niering, Rechtsvergleich, 49).

17. Auf eine Aufzählung der Übertretungstatbestände ist bewusst verzichtet worden. Nach Auffassung des Bundesrates hätte eine Aufzählung sämtlicher Übertretungstatbestände einen äusserst umfangreichen Katalog der zu erfassenden Verletzungen von Verhaltensvorschriften zur Folge gehabt (Botschaft GSchG 1987, 1164 f.). Die Eigenschaft der Bestimmung als Auffangtatbestand für Übertretungen habe den Vorteil, dass auch neue, im gleichen Gesetz eingefügte Vorschriften ohne weiteres erfasst werden können (Botschaft GSchG 1987, 1165).

18. Der Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG bezeichnet die Bestimmungen, deren Verletzung tatbestandsmässig ist, also nicht. Er unterscheidet sich damit von vergleichbaren Strafbestimmungen aus dem Nebenstrafrecht, welche die Vorschriften, deren Missachtung strafbar ist, ausdrücklich durch Hinweise auf einzelne Gesetzesartikel bezeichnen (vgl. Art. 70 GSchG oder Art. 60 und 61 USG). Hier stellt sich insbesondere auch die Frage, ob Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG als Strafnorm dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen vermag. Das BGer beurteilte in einem Entscheid vom 11. Dezember 2012 (6B_771/2011) eine Strafvorschrift des Nebenstrafrechts (HMG) als zu unbestimmt. Eine Strafnorm müsse hinreichend bestimmt sein. Das Gesetz müsse so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen könne (BGer 6B_771/2011 vom 11. Dezember 2012, E. 2.4; BGE 138 IV 13, E. 4.1 m.H.).

19. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot sind also jeweils insbesondere folgende Fragen zu stellen:

  • Ist für den Rechtsunterworfenen erkennbar, dass ihm eine bestimmte Verhaltenspflicht obliegt oder nicht?
  • Kann der Rechtsunterworfene zumindest das Risiko der Strafbarkeit seines Verhaltens vorhersehen?

20. Bei wichtigen gewässerschutzrechtlichen Verhaltenspflichten dürften diese Fragen in der Regel zu bejahen sein (z.B. bei der Meldepflicht, die entsteht, falls Verluste von wassergefährdenden Flüssigkeiten festgestellt werden oder wenn es um die Beachtung der Bewilligungspflicht für Tätigkeiten geht, die eine Gefahr für die Gewässer darstellen können [z.B. Grabungen und Erdbewegungen in besonders gefährdeten Bereichen, Spülungen und Entleerungen von Stauräumen]). Dabei müssen Fachleute einen strengeren Massstab gegen sich gelten lassen.

21. Im Zusammenhang mit der Frage, ob Art. 71 Abs. 1 Bst. a GschG noch dem Bestimmtheitsgebot genügt, kann insbesondere auch auf die Untersuchung von Eicker (Bestimmtheitsgefälle) verwiesen werden. Die von ihm entwickelte Auslegeordnung zur Ermittlung von Gesetzesbestimmheit (vgl. dazu insbesondere Eicker, Bestimmtheitsgefälle, 184) zeigt, dass namentlich sogenannte generische Tatbestände als zu unbestimmt beurteilt werden müssen. Der Straftatbestand muss eine Auswahl der mit Blick auf das geschützte Rechtsgut potenziell strafbaren Handlungen erkennen lassen (Eicker, Bestimmtheitsgefälle, 182 m.H.). Die Formulierung «in anderer Weise», wie sie in Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG vorkommt, ist so weit gefasst, dass sie diese Anforderung eigentlich nicht erfüllen kann; jegliche Zuwiderhandlung wird unter Strafe gestellt.

22. Gestützt auf Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG sind nur Widerhandlungen gegen das GSchG selbst strafbar. Verstösse gegen Verordnungen, die sich auf das GSchG stützen (z.B. die GSchV oder die ChemRRV) sind nur dann strafbar, wenn gleichzeitig das GSchG verletzt wird, z.B. die in Art. 3 GSchG statuierte grundsätzliche Sorgfaltspflicht. Wo eine Verhaltenspflicht nicht direkt im GSchG normiert ist, sondern lediglich auf der Stufe einer Bundesverordnung oder im ausführenden kantonalen Recht, tritt bei Normverstössen Art. 3 GSchG herzu (Stutz, Abwasserrecht, 111). Für die Anwendbarkeit von Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG genügt also bereits ein Verstoss gegen die in Art. 3 GSchG umschriebene Sorgfaltspflicht (vgl. Lagger, Überblick Gewässerschutzrecht, 474; Stutz, Abwasserrecht, 111 f.), welche jedermann dazu verpflichtet, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden. In diesem Sinn kann sich strafbar machen, wer nicht alles Zumutbare unternimmt, um eine Gewässerverschmutzung zu verhindern.

23. Soweit eine gesetzliche Regel im Einzelfall fehlt, ist die Sorgfaltspflicht aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze sowie allgemein anerkannter Verhaltensregeln und Verkehrsnormen zu bestimmen, auch wenn diese von Privaten oder einem anerkannten Fachverband (z.B. Verband Schweizerischer Abwasser‑ und Gewässerschutzfachleute [VSA], Schweizerischer Ingenieur‑ und Architektenverein [SIA]), erlassen wurden und keine Rechtsnormen sind (z.B. SIA Empfehlung 431 «Entwässerung von Baustellen», VSA Richtlinie «Regenwasserentsorgung»). Der Richter muss diese im Hinblick auf die jeweilige Situation und die individuellen Fähigkeiten des Täters konkretisieren und im Einzelfall beurteilen, ob ein Regelverstoss strafrechtlich erheblich ist (BGE 120 IV 300, E. 3d/aa m.H.).

24. In den nachfolgend aufgeführten Fällen sind von der Staatsanwaltschaft SG gestützt auf Art. 71 Abs. 1 Bst. a GSchG Bussen zwischen CHF 200 und 2’000 ausgesprochen worden.

  • Gegen Art. 3 GSchG zuwidergehandelt haben beispielsweise:
  • der Carchauffeur, der die Niveaustufe seines Cars zu tief eingestellt hatte, was dazu führte, dass der Dieseltank bei der Fahrt über ein Trottoir mit dem Boden kollidierte, rund 370 l Dieselbenzin ausliefen und über die Fahrbahn in die Kanalisation gelangten (Strafbescheid vom 14. März 2000);
  • der Fahrzeughalter, der sein Auto mitten in einen Fluss stellte und Reinigungsarbeiten am Auto vornahm (Bussenverfügung vom 15. Juni 2005);
  • der Wirt, der im Freien ein mit Fritieröl gefülltes Altölfass ungesichert lagerte. Das Fass wurde von einer unbekannten Täterschaft umgestossen, worauf das Öl auf einen asphaltierten Platz ausfloss (Bussenverfügung vom 21. Juni 2010);
  • der Chauffeur eines Tankfahrzeuges, der aufgrund einer Störung der Hectronic-Anlage dieselbe überbrückte und einen manuellen Füllvorgang einleitete, worauf 300 l Heizöl in die Abwasserkanalisation gelangten (Strafbefehl vom 16. Februar 2012);
  • der Chauffeur eines Tankfahrzeuges, der die Einfüllmenge beim Befüllen eines Heizöltanks vorschriftswidrig berechnete und den Füllvorgang nicht persönlich überwachte, worauf 100 l Heizöl ausliefen und in die Kanalisation gelangten (Strafbefehl vom 21. Februar 2013);
  • der Inhaber eines Autos, der dieses auf ungeschütztem Waldboden demontierte und anschliessend mitsamt Motorenöl, Benzin und Kühlerflüssigkeit stehen liess (Strafbefehl vom 10. Juni 2013).
  • Gegen Art. 14 GSchG zuwidergehandelt hat beispielsweise:
  • der Schweinemäster, der für die von seinen Schweinen produzierte Gülle nicht über die dafür notwendigen Düngerabnahmeverträge verfügte (Verstoss gegen Art. 14 Abs. 5 GSchG in der Fassung bis zum 31. Dezember 2013; Strafbescheid vom 28. Juli 2009).
  • Gegen Art. 15 GSchG zuwidergehandelt hat beispielsweise:
  • der Landwirt, der als Inhaber eines oberirdischen Lagerbehälters für Jauche während der letzten zehn Jahre die erforderlichen Unter­halts‑ und Kontrollpflichten nicht wahrgenommen hatte; weil durchgerostete Gewindestangen barsten und der Behälter auseinander fiel, entwichen rund 80 m3 Jauche (Strafbefehl vom 3. Juli 2013).
  • Gegen Art. 19 GSchG zuwidergehandelt hat beispielsweise:
  • der Grundeigentümer, der Bauarbeiten in einem besonders gefährdeten Gewässerschutzbereich ausführen liess ohne über die hierfür erforderliche gewässerschutzrechtliche Bewilligung zu verfügen (Verstoss gegen Art. 19 Abs. 2 GSchG; Bussenverfügung vom 5. Oktober 2006).

 

C.           Widerhandlung gegen eine Einzelverfügung (Bst. b)

25. Strafbar macht sich, wer «einer unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn gerichteten Einzelverfügung zuwiderhandelt».

26. Diese Bestimmung ist darauf ausgerichtet, den Adressaten zur Beachtung einer Verfügung anzuhalten und ihn für den Fall zu bestrafen, dass er der Aufforderung nicht nachkommt. Die Bestrafung stellt auch ein Mittel des Verwaltungszwanges dar. Sie soll helfen, die präventive Wirkung von verwaltungsrechtlichen Verhaltensvorschriften zum Schutz ökologischer (Rechts‑)Güter durchzusetzen (Eicker, Bestimmtheitsgefälle, 173). Sollten die Behörden beispielsweise im Vorfeld einer Bewilligungserteilung auf Schwierigkeiten mit dem Gesuchsteller stossen oder im Rahmen einer Sanierungsverfügung befürchten, dass der Betroffene der Verfügung keine Folge leisten wird, kann die Strafandrohung gemäss Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG bei der Durchsetzung des Gewässerschutzgesetzes helfen.

27. Die Verfügung, deren Zuwiderhandlung bestraft werden soll, muss Busse androhen. In der Praxis empfiehlt sich, den Wortlaut von Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG wiederzugeben.

28. Es ist unzulässig, für den Fall der Nichtbefolgung von Anordnungen, die sich auf das Gewässerschutzgesetz stützen, Bestrafung wegen Ungehorsams nach Art. 292 StGB anzudrohen, sieht doch das GSchG selbst die Bestrafung solcher Verstösse vor (BGE 97 I 462, E. 5 m.H.). Art. 292 StGB gilt nur subsidiär, wenn nicht ein anderes Gesetz eine besondere Ungehorsamsstrafe vorsieht. Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG geht Art. 292 StGB vor (Häfelin/ Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1184 f.; Donatsch/ Wohlers, Strafrecht, 413 m.H.).

29. Zur Bestrafung nach Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG ist nicht die verfügende Behörde, sondern der Strafrichter zuständig (vgl. Häfelin/Müller/ Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 1186). Wenn der Strafrichter eine solche Strafe ausfällt, wird vorausgesetzt, dass die Verfügung der staatlichen Behörde, welcher der Täter nicht Folge geleistet hat, rechtmässig ergangen war. Es stellt sich damit die Frage, ob der Strafrichter die Verfügung auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen kann (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 77). Dazu hat das BGer in seiner Praxis (6B_109/2008 vom 13. Juni 2008, E. 2.1 m.H.) folgende Lösung entwickelt:

  • Wurde die Verfügung bereits (verwaltungs‑)gerichtlich überprüft, ist der Strafrichter daran gebunden.
  • Hätte eine Verfügung an ein Verwaltungsgericht weitergezogen werden können, wurde von dieser Möglichkeit aber kein Gebrauch gemacht, oder steht ein entsprechender Entscheid noch aus, so ist die strafrichterliche Überprüfungsbefugnis auf offensichtliche Rechtsfehler und offensichtliche Ermessensüberschreitungen beschränkt.
  • Konnte die Verfügung an kein Verwaltungsgericht weitergezogen werden, kann sie der Strafrichter – vorbehältlich der Angemessenheit – frei überprüfen.

30. Aufgrund der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) dürfte diese letzte Fallkonstellation nur noch geringe Bedeutung haben (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 78).

31. Nach Art. 71 Abs. 1 Bst. b GSchG strafbar gemacht haben sich beispielsweise:

  • der Eigentümer eines Wohnhauses, der dieses nicht an die Gemeindekanalisation angeschlossen hat, obwohl ihm bei Nichteinhaltung dieser Pflicht mittels Verfügung eine Strafe angedroht worden war (BGer 6S.196/2006 vom 27. Mai 2006);
  • der Schweinemäster, der für die von seinen Schweinen produzierte Gülle nicht genügend Düngerabnahmeverträge einreichte (Art. 14 Abs. 5 GSchG in der Fassung bis zum 31. Dezember 2013), obwohl er mittels Verfügung auf die strafrechtlichen Konsequenzen hingewiesen worden war (Staatsanwaltschaft SG, Bussenverfügung vom 7. Oktober 2010).

 

D.           Fahrlässigkeit (Abs. 2)

32. Bei fahrlässiger Tatbegehung i.S.v. Art. 71 Abs. 2 GSchG ist die Strafdrohung ausschliesslich Busse. Der Höchstbetrag der Busse bei Übertretungen beträgt seit der 2007 in Kraft getretenen StGB-Revision nicht mehr CHF 5’000, sondern CHF 10’000 (vgl. Art. 106 Abs. 1 StGBBotschaft Gentechnikgesetz 2009, 5451).

 

E.            Gehilfenschaft (Abs. 3)

33. Bei Übertretungen wird Gehilfenschaft nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft (vgl. Art. 105 Abs. 2 StGB). Mit Art. 71 Abs. 3 GSchG ist diese ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Strafbar ist somit, wer dem Täter bei einer Übertretung nach Art. 71 GSchG vorsätzlich Hilfe leistet.

 

F.             Versuch nicht strafbar

34. Der Versuch wird bei Übertretungen nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft (vgl. Art. 105 Abs. 2 StGB). Im Gegensatz zum GSchG 1971 (vgl. Art. 40 Abs. 2 GSchG 1971) fehlt es im Art. 71 GSchG an einer ausdrücklichen Regelung. Der Versuch einer Widerhandlung nach Art. 71 GSchG ist daher nicht strafbar. Diese Änderung wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratung des GSchG vorgenommen.

 

G.           Gemeinnützige Arbeit

35. Nach Art. 107 Abs. 1 StGB kann das Gericht mit Zustimmung des Täters anstelle der ausgesprochenen Busse gemeinnützige Arbeit bis zu 360 Stunden anordnen.

 

 

Résumé

L’art. 71 al. 1 let. a LEaux, en tant qu’état de fait récipiendaire, s’applique dans les cas qui ne tombent pas sous l’art. 70 LEaux. En principe, seules les violations de dispositions de la LEaux sont punissables. La violation d’une obligation de comportement résultant d’une ordonnance fédérale ou d’une norme de droit cantonal, qui contribue ainsi à la protection des eaux, est également constitutive d’une violation du devoir de diligence au sens de l’art. 3 LEaux et donc de l’art. 71 al. 1 let. a LEaux. En l’absence de règles de droit, le devoir de diligence se détermine sur la base des principes généraux du droit et des règles de comportement généralement reconnues, même si elles ont été édictées par des associations privées ou semi-privées et qu’il ne s’agit pas de normes juridiques.

L’art. 71 al. 1 let. b LEaux punit toute personne qui aura contrevenu à une décision d’espèce. Il prime l’art. 292 CP. Le juge pénal est compétent mais ne peut toutefois revoir la légalité de la décision administrative lorsqu’un tribunal administratif s’est déjà prononcé. Si un recours au tribunal administratif avait pu être soulevé, mais que l’accusé ne l’a pas fait ou, que, s’il l’avait fait, la décision n’était pas encore rendue, l’examen de la légalité par le juge pénal est possible, mais il doit être limité à la violation manifeste de la loi et à l’abus de pouvoir d’appréciation. Enfin, le juge pénal peut contrôler librement la légalité ainsi que l’abus du pouvoir d’appréciation lorsqu’aucun recours au tribunal administratif n’est possible contre la décision administrative.

En cas de négligence, l’auteur ne sera puni qu’à hauteur de maximum CHF 10’000 selon l’al. 2. La complicité est punissable (al. 3) alors que la tentative reste impunie.

 

 

Literatur: Donatsch Andreas/Wohlers Wolfgang, Strafrecht IV – Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl., Zürich 2011 (zit. Strafrecht); Eicker Andreas, Zur Ermittlung des Bestimmtheitsgefälles von Strafvorschriften im Nebenstrafrecht – Ansätze für eine Auslegeordnung unter besonderer Berücksichtigung des Umweltstrafrechts des Bundes als akzessorisches Gefährdungsstrafrecht, in: ZStrR 2014, 168 ff. (zit. Bestimmtheitsgefälle); Lagger Siegfried, Überblick über das neue Gewässerschutzrecht, in: URP 1999, 470 ff. (zit. Überblick Gewässerschutzrecht); Niering Christoph, Der strafrechtliche Schutz der Gewässer – Rechtsvergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz, Diss. Köln 1991 (zit. Rechtsvergleich).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. September 1998, BBl 1999 II 1979 ff. (zit. Botschaft StGB 1999); Botschaft zur Änderung des Gentechnikgesetzes (Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft) vom 1. Juli 2009, BBl 2009 5435 ff. (zit. Botschaft Gentechnikgesetz 2009).

Anderegg Martin

 

​​​Anwendung des Strafgesetzbuches

Erfüllt eine Widerhandlung gegen dieses Gesetz gleichzeitig den Tatbestand von Artikel 234 des Strafgesetzbuches, so ist nur diese Bestimmung anwendbar. Im übrigen finden die Strafbestimmungen des vorliegenden Gesetzes neben denjenigen des Strafgesetzbuches Anwendung.

Application du code pénal suisse

Lorsqu’une infraction à la présente loi tombe simultanément sous le coup des dispositions pénales de celle-ci et de l’art. 234 du code pénal suisse, seule cette dernière disposition est applicable. Pour le reste, les dispositions pénales de la présente loi s’appliquent concurremment avec celles du code pénal suisse.

Applicazione del Codice penale svizzero

Se un’infrazione alla presente legge adempie contemporaneamente la fattispecie dell’articolo 234 del Codice penale svizzero, soltanto quest’ultima disposizione è applicabile. Del rimanente, le disposizioni penali della presente legge si applicano accanto a quelle del Codice penale svizzero.

Literatur: Aeppli Heinz, Verstärkter Gewässerschutz mit Mitteln des Strafrechts, in: SJZ 59 (1963), 145 ff. (zit. Gewässerschutz); Donatsch Andreas/Wohlers Wolfgang, Strafrecht IV – Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl., Zürich 2011 (zit. Strafrecht); Heine Günter, Reform des Umweltstrafrechts – Internationale Entwicklung und nationaler Stand, in: URP 2011, 95 ff. (zit. Reform des Umweltstrafrechts); Niggli Marcel Alexander/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II – Art. 111–329 StGB, 3. Aufl., Basel 2013 (zit. Bearbeiter, BSK StGB II); Piraccini Sandro, Die objektiven Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971, Diss. Zürich 1978 (zit. Vergehenstatbestände); Stratenwerth Günter/Bommer Felix, Schweizerisches Strafrecht – Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl., Bern 2013 (zit. Strafrecht); Trechsel Stefan/Pieth Mark, Schweizerisches Strafgesetzbuch – Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013 (zit. Praxiskommentar StGB).

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.      ​ Allgemeine Bemerkungen 5
III. Anwendung des Strafgesetzbuches 6
1. Regelung von Konkurrenzfragen 6
2. Verunreinigung von Trinkwasser 11

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Unter dem Randtitel «III. Gemeinsame Bestimmungen Schweizerisches Strafgesetzbuch» enthielt bereits Art. 41 GSchG 1971 eine Regelung, deren erster und zweiter Satz praktisch identisch waren mit Art. 72 GSchG. Im Vergleich zu Art. 72 GSchG enthielt der Art. 41 GSchG 1971 einen dritten Satz. Darin wurde Art. 68 Ziff. 1 StGB i.d.F. vom 21. Dezember 1937 als anwendbar erklärt. Dem Richter wurde folglich vorgeschrieben, die Strafe bei Zusammentreffen mit strafbaren Handlungen nach Art. 68 StGB i.d.F. vom 21. Dezember 1937 zu verschärfen, ausgenommen der Fall, in dem ein Gewässerschutzvergehen gleichzeitig den Verbrechenstatbestand der Trinkwasserverunreinigung nach Art. 234 StGB erfüllt (Botschaft GSchG 1970, 475).

2. In der parlamentarischen Beratung war Art. 72 GSchG unbestritten. Die Räte stimmten dem Entwurf des Bundesrates diskussionslos zu. Diese Bestimmung ist seit ihrem Inkrafttreten nicht geändert worden.

3. Im Zusammenhang mit Art. 234 StGB (Verunreinigung von Trinkwasser) ist festzuhalten, dass es sich dabei um einen rechtshistorisch sehr alten Tatbestand handelt, der früher Brunnenvergiftung hiess (Aeppli, Gewässerschutz, 152; vgl. auch Botschaft StGB 1918, 50). Dieser Straftatbestand war ursprünglich Gegenstand mittelalterlicher Polizeiverordnungen (Heine, Reform des Umweltstrafrechts, 97, 99). Später wurden kantonale Bestimmungen geschaffen, welche das Vergiften von Brunnen und Wasserbehältern mit Trinkwasser für Menschen sowie Teichen und Brunnen mit Wasser für Tiere kriminalisierten (Ackermann, BSK StGB II, Art. 234 N 1 m.H.).

4. Die Verunreinigung des Trinkwassers wurde bereits beim Erlass des StGB unter Strafe gestellt. Der Gesetzgeber hatte dabei vor allem das unvorsichtige Düngen in Quellgebieten im Visier (vgl. Botschaft StGB 1918, 50).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

5. Art. 72 GSchG regelt Konkurrenzfragen. Die praktische Bedeutung dieser Bestimmung besteht insbesondere darin, das Verhältnis der gewässerschutzrechtlichen Strafbestimmungen zu Art. 234 StGB festzulegen.

 

 

III.        Anwendung des Strafgesetzbuches

1.             Regelung von Konkurrenzfragen

6. Aus Art. 72 GSchG ergibt sich, dass zwischen den Strafbestimmungen des GSchG und Art. 234 StGB unechte Konkurrenz besteht. Der speziellere und schwerere Tatbestand von Art. 234 StGB geht den Strafbestimmungen des GSchG vor.

7. Beispielsweise erfolgt «lediglich» eine Verurteilung wegen Widerhandlung gegen Art. 234 StGB, wenn beim Ausbringen von Jauche gleichzeitig eine Quellfassung und ein Bach verunreinigt werden (Kantonsgericht St. Gallen, Entscheid vom 25. Februar 2004).

8. Falls eine Widerhandlung gegen das GSchG gleichzeitig einen Tatbestand des StGB erfüllt, aber keine Verunreinigung von Trinkwasser (Art. 234 StGB) gegeben ist, liegt echte Konkurrenz vor.

9. Beispielsweise erfolgt eine Verurteilung wegen Widerhandlung gegen Art. 139 StGB (Diebstahl) und gegen das GSchG, wenn ein Dieb das Diebesgut – aus Angst vor dem Bekanntwerden des Diebstahls – in einen Fluss wirft (Staatsanwaltschaft SG, Strafbefehl vom 28. April 2015).

10. Während bei unechter Konkurrenz keine Strafschärfung erfolgt, ist bei echter Konkurrenz Strafschärfung nach dem Asperationsprinzip vorgesehen (vgl. Art. 49 Abs. 1 StGB). Aus Art. 49 StGB ergibt sich allerdings, dass das Asperationsprinzip nur dann anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt sind. Bei nicht gleichartigen Strafen gilt hingegen das Kumulationsprinzip, wenn also beispielsweise Bussen für Übertretungen mit Hauptstrafen für Verbrechen und Vergehen zusammentreffen.

 

2.             Verunreinigung von Trinkwasser

11. Trinkwasser ist Lebens‑ und Produktionsgrundlage für Mensch und Tier und wichtigstes Lebensmittel überhaupt. Dass das Trinkwasser sauber und rein bleibt, ist somit von grundlegender Bedeutung für die Gesundheit und unser Überleben. Aus diesem Grund geniesst das Trinkwasser auch in strafrechtlicher Hinsicht einen hohen Schutz. Dieser Schutz wird mit Hilfe von Art. 234 StGB umgesetzt. Systematisch ist diese Bestimmung den «Delikten gegen die öffentliche Gesundheit» (Art. 230bis–236 StGB) zugeordnet. Sie gehört ganz offensichtlich aber auch zum Gewässerschutz (Aeppli, Gewässerschutz, 152).

12. Nach Art. 234 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft, wer vorsätzlich das Trinkwasser für Menschen oder Haustiere mit gesundheitsschädlichen Stoffen verunreinigt (Abs. 1). Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Abs. 2).

13. Der strafrechtliche Begriff des Trinkwassers ist umstritten. Das Bundesgericht hat sich in zwei publizierten Entscheiden (BGE 78 IV 176 ff. und 98 IV 204 f.) mit diesem Begriff befasst:

  • Im BGE 78 IV 176 bezeichnete es das Trinkwasser als Wasser, das dazu bestimmt ist, von Menschen oder Haustieren getrunken zu werden.
  • Im BGE 98 IV 204 ist das Bundesgericht von einem weiten Trinkwasserbegriff ausgegangen. Es könne keine Rede davon sein, dass als Trinkwasser nur das bereits als solches gefasste Wasser zu gelten hätte. Schutzobjekt des Art. 234 StGB sei vielmehr auch alles Wasser, das mit einer Trinkwasser-Fassung in Verbindung stehe, und darüber hinaus jedes (Grund‑)Wasser, von dem vorausgesetzt werden könne, dass es in absehbarer Zeit als Trinkwasser verwendet werden könnte.

14. Dieser weite Trinkwasserbegriff ist in der Lehre mehrheitlich auf Kritik gestossen (vgl. Piraccini, Vergehenstatbestände, 187; Stratenwerth/Bommer, Strafrecht, § 31 N 21; Ackermann, BSK StGB II, Art. 234 N 9; Trechsel/Pieth, Praxiskommentar StGB, Art. 234 N 1). Insbesondere der Schutzgedanke der Vorschrift, Gemeingefahr abzuwenden, spricht für eine Beschränkung im Sinn von BGE 78 IV 176. Als Trinkwasser soll Wasser gelten, das tatsächlich dazu bestimmt ist, von Menschen oder Haustieren getrunken zu werden. Entscheidend für die Qualifikation als Trinkwasser ist die objektive Bestimmung des Wassers: Das Wasser muss entweder als Trinkwasser für Menschen und/oder Haus‑ und Nutztiere gefasst sein oder mit einer solchen Trinkwasserfassung in engster Verbindung stehen (Ackermann, BSK StGB II, Art. 234 N 9).

15. Beispielsweise wurde S. wegen Gewässerverunreinigung und nicht wegen Verunreinigung von Trinkwasser zu einer bedingten Gefängnisstrafe (vier Wochen) und einer Busse verurteilt, weil er Schweinegülle aus seinem Betrieb mit einer Pumpe direkt ins Grundwasser geleitet hatte. Das Grundwasser aus diesem Gebiet wurde nicht als Trinkwasser benützt (Staatsanwaltschaft SG, Strafbescheid vom 7. Juni 1990).

16. Die Tathandlung bei Art. 234 StGB besteht darin, dass durch Tun oder Unterlassen eine Verunreinigung des Trinkwassers durch gesundheitsschädliche Stoffe verursacht (bzw. nicht verhindert) wird (Trechsel/Pieth, Praxiskommentar StGB, Art. 234 N 2). Dabei muss es sich um solche Stoffe handeln, die sich qualitativ und quantitativ zur Verursachung erheblicher Schädigungen der Gesundheit von Menschen oder Tieren eignen (Donatsch/Wohlers, Strafrecht, 86 m.H.). Es reicht aus, dass der Stoff gesundheitsschädlich ist, er muss nicht gesundheitszerstörend bzw. tödlich sein (Ackermann, BSK StGB II, Art. 234 N 13).

17. Häufigste Ursache für die Verunreinigung von Trinkwasser ist zweifellos das Austragen von Jauche. Mit Jauche verunreinigtes Trinkwasser weist Bakterien auf. Diese können Darm‑ und andere Erkrankungen auslösen. Die Gefährlichkeit von Bakterien besteht u.a. darin, dass sie für das blosse Auge unsichtbar sind und das Wasser auch nach der sichtbaren Jauchetrübung noch sehr lange einen gefährlichen Gehalt an Koli‑ und anderen Bakterien aufweisen kann (vgl. BGE 78 IV 177, E. 2).

18. Es genügt, wenn gesundheitsgefährdende Stoffe ins Trinkwasser gelangen; die tatsächliche Schädigung der Gesundheit von Mensch oder Haustier wird nicht verlangt (Hunger, Sanierungspflicht, 237 m.H.).

19. Beispielsweise wurde B. wegen Verunreinigung von Trinkwasser zu einer bedingten Gefängnisstrafe (zwei Monate) und einer Busse verurteilt, weil er in einer Grundwasserschutzzone (innerhalb der Zone S1 und S2) Jauche austrug und die Jauche in die Wasserfassung gelangte. Der Wasserwart, der die Verschmutzung zufällig bemerkte, konnte gerade noch verhindern, dass das verunreinigte Trinkwasser ins öffentliche Leitungsnetz abgegeben wurde (Kantonsgericht St. Gallen, Entscheid vom 25. Februar 2004).

20. Ob eine konkrete Gefahr vorliegen muss, dadurch dass das Wasser getrunken wird oder ob eine abstrakte Gefahr genügt, wird in der Lehre unterschiedlich beurteilt (Hunger, Sanierungspflicht, 237 m.H.). Im Hinblick auf den hohen Schutz, den unser wichtigstes Lebensmittel geniesst, sollte für die Strafbarkeit bereits das Vorliegen einer abstrakten Gefahr genügen (vgl. auch Hunger, Sanierungspflicht, 237).

21. Der Tatbestand ist nicht beschränkt auf die öffentliche Wasserversorgung. Erfasst wird die Verunreinigung von Trinkwasser schlechthin. Auch die Verunreinigung einer kleinen (privaten) Quelle und sogar der eigenen Quelle kann strafbar sein (vglBGE 78 IV 175). Das Wasser muss nicht der Öffentlichkeit zugänglich sein; es genügt, wenn ein beschränkter Personenkreis, beispielsweise die Mitglieder einer bestimmten Familie, es trinken, sofern nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch zufällig anwesende weitere Drittpersonen das Wasser hätten trinken können (Ackermann, BSK StGB II, Art. 234 N 11).

22. Beispielsweise wurde G. wegen Verunreinigung von Trinkwasser zu einer bedingten Gefängnisstrafe (zwei Wochen) und einer Busse verurteilt, weil er Mist auf freiem Feld und ungeschützt gegen Umwelteinflüsse ablagerte, worauf Mistwasser eine private Quelle und damit das Trinkwasser eines einzigen Wohnhauses verunreinigte (Staatsanwaltschaft SG, Strafbescheid vom 13. Februar 2002).

 

 

Résumé

En vertu de l’art. 72 LEaux, il y concours imparfait entre les dispositions de la LEaux et l’art. 234 CP. En conséquence, l’art. 234 CP prime les dispositions de la LEaux. Il y a par contre concours parfait lorsqu’une infraction contre la LEaux remplit également un état de fait d’une disposition du CP mais qu’il n’y a pas de contamination d’eau potable au sens de l’art. 234 CP. Selon le Tribunal fédéral, l’eau potable se définit comme l’eau pouvant être bue par l’homme ou l’animal domestique. Cela comprend non seulement les eaux accessibles, captées mais également celles susceptibles de l’être un jour. Une mise en danger abstraite est suffisante vu le niveau élevé de protection consacré à l’eau potable. Il est donc suffisant que les substances nuisibles à la santé soient introduites dans l’eau potable pour que l’infraction soit consommée. En effet, il n’est pas nécessaire que l’homme ou l’animal domestique soient effectivement atteints dans leur santé. La contamination d’une source privée ou de sa propre source demeure également pénalement répréhensible.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das schweizerische Strafgesetzbuch vom 23. Juli 1918, BBl 1918 IV 1 ff. (zit. Botschaft StGB 1918).

Anderegg Martin

 

Anwendung des Verwaltungsstrafrechts

Die Artikel 6 und 7 des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes vom 22. März 1974 gelten sinngemäss für strafbare Handlungen nach diesem Gesetz.

Application du droit pénal administratif

Les art. 6 et 7 de la loi fédérale du 22 mars 1974 sur le droit pénal administratif s’appliquent par analogie aux actes punissables en vertu de la présente loi.

Applicazione del diritto penale amministrativo

Gli articoli 6 e 7 della legge federale del 22 marzo 1974 sul diritto penale amministrativo sono applicabili per analogia ai reati secondo la presente legge.

Literatur: Alkalay Michael, Umweltstrafrecht im Geltungsbereich des USG, Zürich 1992 (zit. Umweltstrafrecht); Hauri Kurt, Verwaltungsstrafrecht (VStrR) (Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht) – Motive, Doktrin, Rechtsprechung, Bern 1998 (zit. Verwaltungsstrafrecht); Heine Günter, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen – von individuellem Fehlverhalten zu kollektiven Fehlentwicklungen, insbesondere bei Grossrisiken, Habil. Basel 1994 (zit. Verantwortlichkeit); Lütolf Sandra, Strafbarkeit der juristischen Person, Diss. Zürich 1996 (zit. Strafbarkeit); Oberholzer Niklaus, Strafrecht und Umweltschutz – Zur Problematik der strafrechtlichen Zuordnung im Umweltschutzrecht, in: URP 1995, 394 ff. (zit. Strafrecht).

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 4
III. Kommentierung 5
A. Anwendung des Verwaltungsstrafrechts 5
1. Verweisung von Art. 73 auf Art. 6 VStrR 6
2. Verweisung von Art. 73 auf Art. 7 VStrR 11
B. Abgrenzung zum Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB) 15

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Bereits Art. 42 GSchG 1971 enthielt eine Bestimmung über Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, durch Beauftragte und dergleichen. Statuiert wurde u.a. eine gesetzliche Garantenpflicht des Geschäftsherrn für Straftaten seiner Untergebenen. Eine Sanktionsmöglichkeit für die juristische Person selbst kannte das GSchG 1971 noch nicht (Lütolf, Strafbarkeit, 219). Die Fassung von Art. 42 GSchG 1971 entsprach der im Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht in Aussicht genommenen Regelung (Botschaft GSchG 1970, 475).

2. Das VStrR ist am 1. Januar 1975 in Kraft getreten. Es enthält in den Art. 6 und 7 VStrR ausführliche Bestimmungen über Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, durch Beauftragte und vergleichbare Personen. Mit der in Art. 73 GSchG festgehaltenen Verweisung auf die Art. 6 und 7 VStrR lassen sich unnötige Wiederholungen vermeiden. Art. 73 GSchG stellt somit bloss eine kürzere Fassung von Art. 42 GSchG 1971 dar (Botschaft GSchG 1987, 1166).

3. In der parlamentarischen Beratung stimmten die Räte dem Entwurf des Bundesrates diskussionslos zu. Seit ihrem Inkrafttreten ist diese Bestimmung lediglich redaktionell angepasst worden (Verwaltungsstrafrechtsgesetz statt Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Während im Kernbereich des Strafrechts die konkrete Verletzung eines Rechtsguts in der Regel auf die konkrete Verhaltensweise eines einzelnen Täters, allenfalls auch mehrerer bestimmter Täter, zurückgeführt werden kann, ist die Ausgangslage im Anwendungsbereich des Umweltstrafrechts häufig eine andere. Vor allem grosse Umweltbelastungen entstehen häufig erst durch die Summierung verschiedener Handlungen oder Unterlassungen verschiedenster Personen (Oberholzer, Strafrecht, 400). Gerade diese Vielzahl von «Tätern» ist aber für eine Zuwiderhandlung bei der gesamten Unternehmensdeliquenz typisch (Lütolf, Strafbarkeit, 218 m.H.). Für die Sanktionierung eines Unternehmensdelikts wird in Art. 73 GSchG ausdrücklich auf die Art. 6 und 7 VStrR verwiesen. Diese Verweisung bewirkt, dass die entsprechenden Regeln betreffend Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, durch Beauftragte und dergleichen auch für Straftaten nach dem GSchG zur Anwendung kommen. Da ein solcher Verweis auch in anderen umweltrelevanten Nebenstrafgesetzen festgeschrieben ist (vgl. Art. 62 Abs. 1 USGArt. 24b NHG, Art. 44 WaG), findet in diesem Bereich eine durchaus wünschbare Rechtsvereinheitlichung im Nebenstrafrecht statt (Ronzani, Kommentar NHG, Art. 24b N 1; vgl. Lütolf, Strafbarkeit, 218; vgl. auch die Übersicht in Niggli/Gfeller, BSK StGB I, Art. 102 N 124 ff.).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Anwendung des Verwaltungsstrafrechts

5. Die Art. 6 und 7 VStrR regeln die Ahndung von Widerhandlungen, welche entweder in Geschäftsbetrieben oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen andern begangen werden (Botschaft VStrR 1971, 1004).

 

1.             Verweisung von Art. 73 auf Art. 6 VStrR

6. Bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben sind grundsätzlich die natürlichen Personen zu bestrafen, welche die Tat als Beauftragte oder Vertreter durch ein Handeln oder Unterlassen verübt haben. Dieses Täterprinzip kommt in Art. 6 Abs. 1 VStrR zum Ausdruck (Botschaft VStrR 1971, 997, 1005; Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 14). Die Bestimmung des Tatbestandes und der Begehungsformen folgt den üblichen Regeln (Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 5 m.H.).

7. Der strafrechtliche Durchgriff auf natürliche Personen (Alkalay, Umweltstrafrecht, 71) erfolgt auch im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung (Niggli/Gfeller, BSK StGB I, Art. 102 N 123; Lütolf, Strafbarkeit, 59), welche in Art. 6 Abs. 2 VStrR geregelt ist. Nach dieser Bestimmung unterstehen Vorgesetzte oder Auftraggeber der gleichen Strafandrohung wie der tatsächlich handelnde Täter. Voraussetzung dafür ist, dass sie in Verletzung ihrer Sicherungspflichten die Widerhandlung ihres Untergebenen nicht abgewendet bzw. nicht durch Gegenmassnahmen neutralisiert haben (Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 6). Die gewässerschutzrechtlichen Strafbestimmungen werden dadurch bezüglich dieses Täterkreises zu echten Unterlassungsdelikten (vgl. Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 6). Die Strafbarkeit ist vor allem deshalb geboten, um beim Geschäftsherrn, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretenen entsprechende Handlungs‑ und Überwachungsmotive zu wecken (Botschaft VStrR 1971, 1005). Im hierarchisch organisierten Unternehmen soll die Bestimmung auch jene Personen treffen, die selbst am Delikt nicht eigentlich teilgenommen haben, die aber gegenüber dem Täter eine Überwachungspflicht hatten (Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 15 m.H.).

8. Art. 6 Abs. 2 VStrR schreibt eine Garantenstellung fest. Für den Kreis der Verpflichteten (Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene) wird – mit dem Hinweis auf die Verletzung einer Rechtspflicht – eine Garantenpflicht statuiert. Diese kann sich aus dem Obligationenrecht, einzelnen Verwaltungsgesetzen und den Umständen des Einzelfalles ergeben (Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 15; Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 7 m.H).

9. Auf die Vorgesetzten sind dieselben materiellen Strafbestimmungen des GSchG anwendbar, welche für den handelnden Täter gelten. Separat zu bestimmen ist allerdings die Begehungsform. Liegt beispielsweise durch den direkt handelnden Täter eine vorsätzliche Tatbegehung vor und der Vorgesetzte handelt fahrlässig, ist dies entsprechend zu berücksichtigen (Ronzani, Kommentar NHG, Art. 24b N 7; Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 9 mit Beispielen; Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 18).

10. Falls eine juristische Person oder eine Personengesamtheit Aufsichts‑ und Sorgfaltspflichten verletzt, werden aufgrund von Art. 6 Abs. 3 VStrR die für sie handelnden natürlichen Personen strafrechtlich verantwortlich.

 

2.             Verweisung von Art. 73 auf Art. 7 VStrR

11. Art. 7 VStrR ist als Sonderregelung für geringfügige Delikte geschaffen worden, die sowohl für Übertretungen als auch für Vergehen gilt (Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 19). Von der Verfolgung der natürlichen Person, welche die Tat verübt hat, wird Umgang genommen und an ihrer Stelle kann die Unternehmung als solche bestraft werden. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass sich bei solchen Fällen zeitraubende Nachforschungen nach dem Angestellten, der die Tat verübt hat, und nach den Organen, welche allenfalls mitschuldig sind, nicht lohnen (Botschaft VStrR 1971, 1005).

12. Voraussetzung für die Anwendung von Art. 7 VStrR ist das Vorliegen eines Bagatelldeliktes. Es darf nur eine Busse von höchstens CHF 5’000 in Betracht fallen. Massgebend ist dabei nicht die angedrohte, sondern die im Einzelfall im Betracht zu ziehende Busse (Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 20). Ferner ist ein Ermittlungsnotstand erforderlich. Die relativ geringfügige, drohende Strafe muss in einem Missverhältnis zum Aufwand stehen, der erforderlich wäre, um den Täter aus einer Vielzahl von Personen zu ermitteln, die in einem arbeitsteiligen Betrieb als Täter in Frage kommen (Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 11). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine Betriebsstrafe verhängt und die Unternehmung zu einer Busse bis zu CHF 5’000 verurteilt werden. Ein Eintrag im Strafregister entfällt ebenso wie die Strafzumessung nach Art. 47 ff. bzw. Art. 104 ff. StGB (Ronzani, Kommentar NHG, Art. 24b N 11; Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 12).

13. Bei der Anwendung von Art. 7 VStrR bleibt das strafrechtlich relevante Handeln einer natürlichen Person Voraussetzung für das Ausfällen einer Busse. Die Bestimmung geht davon aus, dass in casu das Verschulden zumindest einer natürlichen Person offenkundig ist. Weil diese Person aber nicht ermittelt werden kann, muss sich die Untersuchungsbehörde bei der Strafzumessung auf objektive Kriterien oder auf die Begleitumstände der Tat abstützen (Hauri, Verwaltungsstrafrecht, 20 f.).

14. In der gewässerschutzstrafrechtlichen Praxis hat Art. 7 VStrR eine eher geringe Bedeutung. Zwar kommt es im Rahmen von arbeitsteiligen Produktions‑ oder Arbeitsabläufen regelmässig zu Widerhandlungen gegen das GSchG. Erfahrungsgemäss gelingt es dabei aber häufig, den oder die konkreten Täter zu eruieren, sodass auf eine Betriebsstrafe im Sinn von Art. 7 VStrR zu verzichten ist. Wenn die genaue Abgrenzung der verschiedenen Verantwortlichkeiten Untersuchungsmassnahmen erfordert, die in keinem Verhältnis zur verwirkten Strafe stehen, kann Art. 7 VStrR die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erheblich erleichtern. So beispielsweise im Fall

  • der Textilunternehmung, deren Mitarbeiter eine nicht geeichte pH-Wert-Sonde einsetzten, Schalter falsch stellten und Geräte mangelhaft unterhielten. Als Folge dieser offensichtlichen Überforderung des Personals kam es zu einer Gewässerverschmutzung. An Stelle der Mitarbeiter wurde die Unternehmung zu einer Busse von CHF 2’500 verurteilt (Staatsanwaltschaft SG, Bussenverfügung vom 22. Oktober 2001);
  • der Bauunternehmung, deren Mitarbeiter beim Verladen eines vollen Dieselöltanks auf einen Lastwagen ein Gurtengehänge verwendeten, welches riss, worauf ein Teil des Öls ein Gewässer verschmutzte. Im Nachhinein stellte sich der Tank als zu schwer für dieses Gurtengehänge und dieses wiederum als spröde und alt heraus; zudem hätte es jährlich von einem Sachkundigen geprüft werden müssen. Von der Verfolgung der in Frage kommenden strafrechtlich verantwortlichen Mitarbeiter wurde Umgang genommen und an ihrer Stelle die Bauunternehmung zu einer Busse von CHF 1’000 verurteilt (Staatsanwaltschaft SG, Strafbefehl vom 20. September 2012);
  • der Entsorgungsunternehmung, deren Mitarbeiter beim Entsorgen von Öl – als Folge ungenügender Instruktion – Fehlmanipulationen unterliefen, was zu einer geringen Gewässerverschmutzung führte. Die Unternehmung wurde zu einer Busse von CHF 200 verurteilt (Staatsanwaltschaft SG, Strafbefehl vom 9. Oktober 2012).

 

B.            Abgrenzung zum Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB)

15. Art. 102 StGB regelt die Strafbarkeit von Unternehmen in materieller Hinsicht. Bei Verbrechen und Vergehen wird die Strafbarkeit auf juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der Gebietskörperschaften sowie auf Gesellschaften und Einzelfirmen ausgedehnt, wobei der Strafrahmen bis zu CHF 5 Mio. beträgt. Diese dem Unternehmen auferlegte strafrechtliche Verantwortlichkeit anerkennt, dass die Summe arbeitsteiligen Wirtschaftens mehr ist als die einzelnen Beiträge der Mitarbeitenden, weshalb das Unternehmen für eine gute Organisation zu sorgen hat. Unterlässt es dies, hat es dafür strafrechtlich einzustehen (Ettler, Kommentar USG, Vor Art. 60–62 N 5 m.H.).

16. Als Auslöser für die Einführung der Unternehmensstrafbarkeit gilt u.a. der Grossbrand von Schweizerhalle vom 1. November 1986, weshalb das Unternehmensstrafrecht bisweilen auch als «lex Schweizerhalle» bezeichnet wird (Niggli/Gfeller, BSK StGB I, Art. 102 N 13). Damals gelangte verseuchtes Löschwasser in den Rhein und vernichtete einen Grossteil des Fischbestandes. Weil das Sandozwerk Schweizerhalle keine Auffangbecken für das Löschwasser hatte, konnte die Gewässerverunreinigung nicht vermieden werden (Lütolf, Strafbarkeit, 7). Das Verfahren gegen die Verantwortlichen wurde aus Sicht der Öffentlichkeit ungenügend wahrgenommen (Heine, Verantwortlichkeit 20; vgl. auch Oberholzer, Strafrecht, 396 f.), da es in den Hauptpunkten eingestellt wurde. Das entsprechende Urteil wurde in der Folge als Beleg dafür angeführt, dass es ein Unternehmensstrafrecht brauche.

17. Zwischen dem Art. 102 StGB und dem Art. 7 VStrR sind zwar gewisse Überschneidungen zu erkennen, im Kern unterscheiden und ergänzen sich die beiden Bestimmungen allerdings in wesentlichen Punkten (Ettler, Kommentar USG, Art. 62 N 12).

181. Art. 7 VStrR bleibt bei Übertretungen nach Art. 71 GSchG die einzige gesetzliche Grundlage für eine Unternehmensstrafe, zumal Art. 102 StGB nicht auf Übertretungen anwendbar ist (vgl. Art. 105 Abs. 1 StGB) sondern nur für Verbrechen und Vergehen gilt.

19. Ein Organisationsmangel im Unternehmen wird für die Anwendung von Art. 7 VStrR im Gegensatz zu Art. 102 StGB nicht zwingend vorausgesetzt.

20. Die strafrechtliche Haftung des Unternehmens für Organisationsverschulden nach Art. 102 Abs. 1 StGB ist subsidiär. Im Strafverfahren ist primär die Zurechnung einer Straftat zu einer natürlichen Person abzuklären. Erst wenn dies trotz sorgfältiger Ermittlungen scheitert, greift der Tatbestand von Art. 102 Abs. 1 StGB (Ettler, Kommentar USG, Vor Art. 60–62 N 5 m.H.). Für die Anwendung von Art. 102 StGB kann der Abbruch der Ermittlungen aus verfahrensökonomischen Gründen nicht genügen, dies im Gegensatz zu Art. 7 VStrR (Niggli/Gfeller, BSK StGB I, Art. 102 N 112 m.H.).

21. In der gewässerschutzstrafrechtlichen Praxis sind Strafen, die in Anwendung von Art. 102 StGB ausgefällt werden, selten. Beispielsweise wurde eine Unternehmung wegen Widerhandlung gegen Art. 70 Abs. 1 Bst. a GSchG mit einer Busse von CHF 2’000 bestraft, weil als Folge von verschiedenen organisatorischen Schwachstellen im Betrieb (z.B. ungesichertes und unbeschriftetes Drehrad, das die Möglichkeit bot, Abwasser entweder in die Kanalisation oder in das Gewässer einzuleiten) Abwasser in ein Oberflächengewässer geleitet wurde und dieses verunreinigte. Die Tat konnte keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden (Staatsanwaltschaft SG, Strafbefehl vom 21. Januar 2014).

 

 

Résumé

Selon l’art. 73 LEaux, les art. 6 et 7 DPA s’appliquent aux infractions commises au niveau de la gestion et de l’exploitation des entreprises. L’art. 6 al. 1 DPA permet de rechercher les personnes physiques lorsqu’une infraction est commise dans une entreprise. La responsabilité de l’employeur suppose la violation d’une obligation juridique (art. 6 al. 2 DPA). L’al. 3 de l’art. 6 DPA précise que lorsqu’une personne morale ou une collectivité viole son devoir de surveillance ou de diligence, l’al. 2 s’applique aux organes et à leurs membres, aux associés gérants, dirigeants effectifs ou liquidateurs fautifs.

L’art. 7 DPA est une disposition spéciale pour les infractions d’importance mineure. Elle permet d’incriminer directement l’entreprise lorsque seule une amende de CHF 5000 entre en ligne de compte et qu’il est difficile de déterminer la personne physique auteur d’une infraction. L’art. 102 CP règle également la responsabilité pénale de l’entreprise. Toutefois, l’art. 7 LDAP reste l’unique base légale pour les contraventions prises en application de l’art. 71 LEaux vu que l’art. 102 CP ne s’applique qu’aux crimes et délits (art. 105 al. 1 CP).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 21. April 1971, BBl 1971 I 993 ff. (zit. Botschaft VStrR 1971).

6. Titel, Schlussbestimmungen

​1. Kapitel: Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

Eggenschwiler Ursina

 

1. Kapitel: Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts/ Chapitre 1: Abrogation et modification du droit en vigueur

 

Aufhebung des Gewässerschutzgesetzes

Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Gewässerschutzgesetz) wird aufgehoben.

Abrogation de la loi sur la protection des eaux

La loi fédérale du 8 octobre 1971 sur la protection des eaux contre la pollution (loi sur la protection des eaux) est abrogée.

Abrogazione della legge contro l’inquinamento delle acque

La legge federale dell’8 ottobre 1971 contro l’inquinamento delle acque è abrogata.

 

 

Inhaltsübersicht

Aufhebung GSchG 1971 1
​II. ​Keine Anwendung der Kollisionsregeln 3

 

I.              Aufhebung GSchG 1971

1. Das GSchG beinhaltet mit Art. 74 GSchG eine Aufhebungsbestimmung. Diese hält ausdrücklich fest, dass das bisher geltende GSchG 1971 aufgehoben wird. Bereits der nun mit Art. 74 GSchG aufgehobene Vorgängererlass enthielt mit Art. 45 Abs. 2 GSchG 1971 eine Bestimmung, welche die Aufhebung des GSchG 1955 statuierte.

2. Die formelle Aufhebung in Art. 74 GSchG dient der Rechtsklarheit und entspricht inhaltlich und formell den Gesetzestechnischen Richtlinien des Bundes, die festhalten, dass die Aufhebung anderer Erlasse ausdrücklich angeordet werden muss (vgl. BK, GTR 2013, N 49–50).

 

II.           Keine Anwendung der Kollisionsregeln

3. Der Vorgängererlass GSchG 1971 wird hier durch einen gleichrangigen Erlass, also Bundesgesetz durch Bundesgesetz, ausser Kraft gesetzt. Damit wird der Parallelismus der Formen beachtet, gemäss welchem ein Erlass nur durch gleichstufiges Recht aufgehoben werden kann (BJ, Gesetzgebungsleitfaden, N 213). Mit der formellen Aufhebung des GSchG 1971 wurde auch der teilweise geforderten Übereinstimmung von formeller und materieller Gültigkeit des Rechts Rechnung getragen (vgl. Imark, Aufhebung, 160). Wäre das GSchG 1971 nicht formell ausser Kraft gesetzt worden, wäre das GSchG 1991 wohl durch die Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes «lex posterior derogat legi priori» als Kollisionsregel zur Anwendung gelangt. Vorliegend galt es als selbstverständlich, dass das neue GSchG das alte integral ablösen wird.

 

Résumé

L’art. 74 LEaux mentionne expressément l’abrogation de la LEaux 1971 et abroge ainsi formellement la LEaux 1971. Cette disposition sert à la clarté juridique et est conforme aux directives de technique législative de la Confédération.

 

 

Literatur: Imark Lukas, Aufhebung von Rechtssätzen in der Schweiz, Diss. Basel 1992 (zit. Aufhebung).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Justiz (Hrsg.) (verfasst durch Bundesamt für Justiz), Gesetzgebungsleitfaden – Leitfaden für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes, 3. Aufl., Bern 2007 (zit. Gesetzgebungsleitfaden); Bundeskanzlei (BK), Gesetzestechnische Richtlinien (GTR), 2. Aufl., Bern 2013 (zit. GTR 2013).

Märkli Benjamin | Savary Fiona​

Änderungen von Bundesgesetzen

… (Die Änderungen können unter AS 1992 1860 konsultiert werden).

Modification de lois fédérales

… (Les modifications peuvent être consultées au RO 1992 1860).

Modifica di leggi federali

… (Le modifiche possono essere consultate alla RU 1992 1860).

 

Inhaltsübersicht

Allgemeine Bemerkungen 1
II.   ​ Ziff. 1 – Fischereigesetz 5
A. Text der Änderung 5
B. Kommentierung 6
III. Ziff. 2 – Natur‑ und Heimatschutzgesetz 7
A. Text der Änderung 7
B. Kommentierung 8
IV. Ziff. 3 – Wasserbaupolizeigesetz 9
​A. Text der Änderung 9
B. Kommentierung 10
V. Ziff. 4 – Umweltschutzgesetz 12
​A. ​Text der Änderung 12
​B. ​Kommentierung 13
​VI. ​Ziff. 5 – Landwirtschaftsgesetz 14
​A. ​Text der Änderung 14
​B. ​Kommentierung 15
VII. ​Ziff. 6 – Wasserrechtsgesetz 16
​A. ​Text der Änderung 16
​B. ​Kommentierung 17

 

I.              Allgemeine Bemerkungen

1. Dieser Artikel nannte die Änderungen, die an anderen Bundesgesetzen vorgenommen wurden. Er erfüllte damit eine (wichtige) Harmonisierungsfunktion (Müller/Uhlmann, Rechtsetzungslehre, N 342; BJ, Gesetzgebungsleitfaden, N 215), denn beim Erlass oder bei der Änderung einer Regelung muss dazu Sorge getragen werden, dass die Neuerung sich nahtlos in die bestehende Rechtsordnung einfügt. Dies bedeutet, dass widersprechendes bisheriges Recht aufzuheben oder anzupassen ist; der Gesetzgeber darf keine Normkollisionen in Kauf nehmen (BJ, Gesetzgebungsleitfaden, N 622 ff.). Dieser Feinabgleich kann auf unterschiedliche Weise stattfinden. Es ist eine Aufgabe des Gesetzgebers selbst, sich für eine der Möglichkeiten zu entscheiden und sie anzuwenden (Müller/Uhlmann, Rechtssetzungslehre, N 347). Daraus erhellt, dass diese Wahl des Gesetzgebers auslegungsrelevant ist. Betroffen sind insbesondere das systematische und das historisch-teleologische Auslegungselement.

2. In systematischer Hinsicht ist bedeutsam, wie der Gesetzgeber die Rechtsänderung in die bestehende Rechtsordnung einfügt. Er kann dies tun, indem er die vorbestehende Norm aufhebt, soweit sie der angestrebten Regelung widerspricht, und im neu erlassenen Gesetz eine anderslautende resp. ergänzende Regelung trifft. Der Gesetzgeber kann aber auch, wie in Art. 75 GSchG geschehen, den Text des vorbestehenden Erlasses anpassen oder ergänzen. Im ersten Fall ordnet er die neue Regelung systematisch dem neuen Erlass zu, im zweiten Fall dem vorbestehenden (BJ, Gesetzgebungsleitfaden, N 645 i.f.). Die Änderungen, die in Art. 75 GSchG an anderen Bundesgesetzen vorgenommen wurden, haben sich also primär in den Sinn‑ und Sachzusammenhang der jeweiligen Bundesgesetze einzureihen. Das systematische Auslegungselement verortet sie nicht mehr in erster Linie beim Gewässerschutz.

3. In historisch-teleologischer Hinsicht bleibt demgegenüber der Erlasszusammenhang bedeutsam. Das mit dem GSchG allgemein und der konkreten Norm insbesondere verfolgte Ziel bleibt ihr eigen, auch wenn sie in den Zusammenhang eines anderen Erlasses eingepflanzt wird (BJ, Gesetzgebungsleitfaden, N 628; Brandner, Gesetzesänderung, 47 f.). Insbesondere bleiben die Materialien des GSchG einschlägige Auslegungshilfe auch für die geänderten «fremdgesetzlichen» Artikel.

4. Die geänderten Normen streben demnach weiterhin den Gewässerschutz als Hauptziel an, tun dies aber im Umfeld, im Regelungsbereich und nach Mass-gabe des geänderten Gesetzes. Es wird daher im Folgenden nur kurz auf die Änderungen eingegangen. Angeführt wird für jede Änderung, aus welchen Beweggründen oder mit welchem Spezialziel sie erfolgt ist, ob sie unmittelbare, gewichtige Auswirkungen hatte und was mit ihr geschehen ist. Der materielle Gehalt der Änderung wird demgegenüber weitgehend ausgeblendet, da er nur im Zusammenhang der geänderten Norm erfasst werden kann.

 

 

II.           Ziff. 1 – Fischereigesetzjijujjku

A.           Text der Änderung

1. Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1973 über die Fischerei wird wie folgt geändert:

Art. 24 Bewilligungspflicht für technische Eingriffe

1           Für Eingriffe in die Gewässer, ihren Wasserhaushalt oder ihren Verlauf, in die Ufer und in den Grund der Seen ist eine Bewilligung der für die Fischerei zuständigen kantonalen Behörde erforderlich.

2           Dies gilt insbesondere für:

a.       die Nutzung der Wasserkräfte;

b.       Seeregulierungen;

c.        Fluss- und Bachverbauungen sowie Uferrodungen;

d.       de Schaffung künstlicher Fliessgewässer;

e.       die Verlegung von Leitungen in Gewässern;

f.        Maschinelle Reinigungsarbeiten in Fluss- und Bachbetten;

g.       die Gewinnung und das Waschen von Kies, Sand oder anderen Stoffen in Gewässern;

h.       Wasserentnahmen;

i.        Wassereinleitungen;

k.       landwirtschaftliche Entwässerungen;

l.       Verkehrsanlagen, die die Interessen der Fischerei berühren können;

m.     Fischzuchtanlagen.

3           Keine Bewilligung nach diesem Gesetz ist erforderlich für Wasserentnahmen nach Artikel 20 des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991.

4           Die Bewilligung wird durch die Bundesbehörde erteilt, wenn ein anderer Bundeserlass deren Zuständigkeit begründet. Sie bedarf der Zustimmung des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Bundesrat.

5           Anlagen, die erweitert oder wieder instand gestellt werden, gelten als Neuanlagen.

 

B.            Kommentierung

6. Der Entwurf für ein neues Gewässerschutzgesetz wies Berührungspunkte zu mehreren Bestimmungen des Fischereigesetzes von 1973 auf. Um zu verhindern, dass gleiche Sachverhalte in zwei verschiedenen Gesetzen gleichzeitig und allenfalls sogar unterschiedlich geregelt werden, war eine klare Abgrenzung zwischen dem BGF 1973 und dem geplanten Gewässerschutzgesetz notwendig (Botschaft GSchG 1987, 1166 f.). In der Folge konnte auf die fischereirechtliche Bewilligung für Wasserentnahmen verzichtet werden, da die Voraussetzungen für Wasserentnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung im neuen Art. 29 GSchG umfassend umschrieben wurden (Botschaft GSchG 1987, 1167). Ebenso entfiel die Bewilligungspflicht für das Einbringen und Ablagern von Stoffen, die den Fischbestand schädigen können (Botschaft GSchG 1987, 1167). Diese für Art. 24 BGF 1973 vorgesehenen Änderungen wurden 1991 in Art. 8 des totalrevidierten BGF mit kleineren, formellen Anpassungen aufgenommen (AS 1991 3, 2261).

III.        Ziff. 2 – Natur‑ und Heimatschutzgesetz

A.           Text der Änderung

2. Das Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur‑ und Heimatschutz wird wie folgt geändert:

Art. 21 Abs. 2 (neu)

2           Soweit es die Verhältnisse erlauben, sorgen die Kantone dafür, dass dort, wo die Ufervegetation fehlt, eine solche angelegt wird oder zumindest die Voraussetzungen für deren Gedeihen geschaffen werden.

 

Art. 22 Abs. 2

2           Sie kann die Beseitigung der Ufervegetation in den durch die Wasserbaupolizei‑ oder Gewässerschutzgesetzgebung erlaubten Fällen für standortgebundene Vorhaben bewilligen.

 

B.            Kommentierung

8. Die Ufervegetation wurde häufig durch intensive Bodennutzung, Verbauungen und Korrektionen zerstört und nicht wiederhergestellt (Botschaft GSchG 1987, 1167). Dieser Zustand soll unter Beachtung des für die Hochwassersicherheit erforderlichen Durchflussquerschnitts verbessert werden, soweit es die tatsächlichen Zustände gestatten (Botschaft GSchG 1987, 1167).

 

 

IV.        Ziff. 3 – Wasserbaupolizeigesetz

A.           Text der Änderung

3. Das Bundesgesetz vom 22. Juni 1877 über die Wasserbaupolizei wird wie folgt geändert:

Art. 5 Abs. 1, 1bis, 2bis, 2ter und 2quater

1           Der Schutz des Lebensraums vor Überschwemmungen, Erosionen und Feststoffablagerungen ist soweit möglich ohne Eingriffe in die Gewässer, namentlich durch Unterhalts‑ oder Planungsmassnahmen, zu gewährleisten.

1bis    Ist der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten mit Massnahmen nach Absatz 1 nicht zu erreichen, so sind die erforderlichen Verbauungen, Eindämmungen und Korrektionen auszuführen sowie alle weiteren Vorkehrungen zu treffen, die Bodenbewegungen verhindern.

2bis    Dabei muss der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden. Gewässer und Ufer sind so zu gestalten, dass:

a.      sie einer vielfältigen Tier‑ und Pflanzenwelt als Lebensraum dienen können;

b.     die Wechselwirkungen zwischen Ober‑ und unterirdischen Gewässern weitgehend erhalten bleiben;

c.      eine standortgerechte Ufervegetation gedeihen kann.

2ter     In überbauten Gebieten kann die Behörde Ausnahmen von Absatz 2bis bewilligen.

2quater Für die Schaffung künstlicher Fliessgewässer und die Wiederinstandstellung bestehender Verbauungen nach Schadenereignissen gilt Absatz 2bis sinngemäss.

B.            Kommentierung

10. Mit dem Vorschlag zu dieser Änderung des Wasserbaupolizeigesetzes nahm der Bundesrat eine Forderung der Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» auf (Botschaft GSchG 1987, 1098). Verbauungen und Korrektionen sollten nur noch durchgeführt werden, wo es zum Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten notwendig war und der Schutz nicht durch andere Massnahmen (Abs. 1) erzielt werden konnte (Botschaft GSchG 1987, 1168). Die vorherige Regelung im Wasserbaupolizeigesetz wurde inhaltlich an Art. 37 GSchG angeglichen (zum Inhalt vgl. Komm. zu Art. 37 GSchG).

11.n Die Regelung wurde 1991 aus dem Wasserbaupolizeigesetz entfernt und findet sich heute in Art. 3 i.V.m. Art. 1 WBG sowie Art. 4 WBG.

 

V.           Ziff. 4 – Umweltschutzgesetz

A.           Text der Änderung

4. Das Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 wird wie folgt geändert:

Art. 30 Abs. 5

5           Der Inhaber einer neuen oder noch in Betrieb stehenden Deponie für Siedlungsabfälle oder gefährliche Abfälle muss belegen, dass er die volle Deckung der Kosten für die Abschlussarbeiten und die erforderliche Nachsorge gewährleistet.

Art. 32 Abs. 4 Bst. h

4           Der Bundesrat kann:

h.          über die Kostendeckung nach Artikel 30 Absatz 5 Vorschriften erlassen.

 

B.            Kommentierung

13. Mit dieser Änderung wurde bezweckt, die Deckung der Kosten für Abschlussarbeiten und Nachsorge bei Deponien sicherzustellen, sowie den Vollzug durch den Bundesrat zu ermöglichen (Botschaft GSchG 1987, 1168). Im Rahmen der Neustrukturierung des Kapitels «Abfälle» im USG (AS 1997 1155) wurde neu Art. 32b USG geschaffen. Ziel der Neustrukturierung war es, die als unübersichtlich empfundene Regelung zu den Abfällen neu zu ordnen und das Verursacherprinzip konsequent umzusetzen (Botschaft USG 1993, 1486 f.). Damit wurde die Regelung, wie sie vom GSchG ins USG eingeführt wurde, «grundsätzlich» beibehalten, aber um eine Sicherstellungspflicht ergänzt (Botschaft USG 1993, 1499). In dieser Form besteht die Regelung noch heute (m.H. Tschannen, Kommentar USG, Art. 32b, insb. N 4 ff.).

 

VI.        Ziff. 5 – Landwirtschaftsgesetz

A.           Text der Änderung

5. Das Landwirtschaftsgesetz vom 3. Oktober 1951 wird wie folgt geändert:

Art. 19g Abbau von Tierbeständen und Stillegung von Betrieben aus Gewässerschutzgründen

Der Bundesrat kann im Interesse des Gewässerschutzes im Rahmen der Höchsttierbestände während einer Übergangszeit von höchstens fünf Jahren Beiträge an Nutztierhalter ausrichten:

a.        zur Stillegung von Betrieben;

b.       zum Abbau von Tierbeständen;

c.        als Anpassungshilfen.

B.            Kommentierung

15. Die landwirtschaftliche Nutzung ist bisweilen mit erheblichen negativen Einwirkungen auf die Gewässer verbunden. Diese Änderung des Landwirtschaftsgesetzes trug dem Rechnung, indem dem Bundesrat erlaubt wurde, Anreize zur Reduktion solcher Einwirkungen zu schaffen. Gestützt darauf hat er 1993 die Betriebs-Stilllegungsverordnung erlassen. Obwohl sie bis zum 31. Januar 1997 befristet war (Art. 19 Betriebs-Stilllegungsverordnung), wurde sie bereits durch die Verordnung über die Sanierungsmassnahmen 1994 vom 21. Dezember 1994 (AS 1995 217) per 1. Januar 1995 aufgehoben. Heute haben die Beiträge gemäss diesem Artikel keine Entsprechung mehr; soweit sich feststellen lässt, hat sich auch keine Praxis dazu entwickelt. Nach wie vor bestehen jedoch in Art. 46 LwG Regelungen zu Höchsttierbeständen, freilich ohne besonderen Bezug zum Gewässerschutz.

 

 

VII.     Ziff. 6 – Wasserrechtsgesetz

A.           Text der Änderung

6. Das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (WRG) wird wie folgt ergänzt:

Art. 22 Abs. 3–5

3           Der Bund richtet den betroffenen Gemeinwesen Ausgleichsbeiträge zur Abgeltung erheblicher Einbussen der Wasserkraftnutzung aus, sofern diese Einbussen eine Folge der Erhaltung und Unterschutzstellung schützenswerter Landschaften von nationaler Bedeutung sind.

4           Bei der Festsetzung der Abgeltung wird die Finanzkraft der betroffenen Gemeinwesen berücksichtigt.

5           Der Bundesrat regelt die Ausgestaltung der Ausgleichsbeiträge.

B.            Kommentierung

17. Diese Bestimmung ergänzt den vorbestehenden Art. 22 WRG um drei Absätze. Er verlangte, dass die Naturschönheiten zu schonen oder (wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt) zu erhalten seien (Abs. 1) und dass Wasserwerke die Landschaft nicht oder möglichst wenig beeinträchtigen dürfen (Abs. 2). Die neu eingefügten Absätze dienen dazu, den Interessenkonflikt zwischen dem lokalen Interesse an der Nutzung vorhandener Wasserressourcen und dem nationalen Interesse am Landschaftsschutz zu mildern (Glaser, Verwaltungsreferendum, 526 f.). Zwar war angedacht, die Entschädiungszahlung wieder zu streichen, doch wurde in der Folge darauf verzichtet (Kley, Stellungnahmen, 19). Abs. 4 wurde im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs wieder aufgehoben. Die Ausgestaltung der Ausgleichsbeiträge gemäss Abs. 5 hat der Bundesrat durch die VAEW vorgenommen.

18. Anspruchsberechtigt sind Gemeinwesen, die erhebliche Einbussen an Wasserzinsen erleiden (Art. 2 VAEW), weil eine Landschaft, die gemäss NHG von besonderer Bedeutung ist (Art. 3 VAEW), unter Schutz gestellt wurde (Art. 5 VAEW). Dabei wird die Hälfte der erlittenen Einbusse erstattet (Art. 7 VAEW), sofern sie eine genügende Grösse und einen genügenden Anteil am Haushalt des Gemeinwesens erreicht (Art. 8 VAEW).

19. Eng verknüpft ist diese Bestimmung mit der Regelung des Art. 33 GSchG zum quantitativen Gewässerschutz; vgl. auch die Komm. zu Art. 33 GSchG N 16 ff., 30 ff. und 43 f.

 

 

Résumé

L’art. 75 LEaux prévoyait les modifications d’autres lois fédérales. L’adaptation de la LEaux avec d’autres normes et lois était la tâche du législateur et pouvait être effectuée de différentes manières. La décision finale du législateur était déterminante pour l’interprétation, en particulier l’interprétation systématique et historique-téléologique.

Les modifications apportées avec l’art. 75 LEaux concernaient l’art. 24 LFSP, les art. 21 et 22 LPN, 5 de la loi sur la police des eaux, 30 et 31 LPE, 19g LAgr et 22 LFH.

 

 

Literatur: Brandner Thilo, Gesetzesänderung – eine rechtstatsächliche und verfassungsrechtliche Untersuchung anhand der Gesetzgebung des 13. Bundestages, Habil. Berlin 2002 (zit. Gesetzesänderung); Glaser Andreas, Das Verwaltungsreferendum – Betroffenenpartizipation zwischen demokratischer Legitimation und Rechtsstaat, in: ZBl 113 (2012), 511 ff. (zit. Verwaltungsreferendum); Kley Andreas, Die öffentlichen Stellungnahmen der schweizerischen Staats‑ und Verwaltungsrechtslehrer, in: ZBl 112 (2011), 2 ff. (zit. Stellungnahmen); Müller Georg/Uhlmann Felix, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 (zit. Rechtssetzungslehre).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Justiz (BJ), Gesetzgebungsleitfaden – Leitfaden für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes, 3. Aufl., Bern 2007 (zit. Gesetzgebungsleitfaden).

2. Kapitel: Übergangsbestimmungen

1. Abschnitt: Beseitigung nicht verschmutzten Abwassers, Lagereinrichtungen für Hofdünger und Treibgut bei Stauanlagen

​Stutz Hans W.​

 

2. Kapitel: Übergangsbestimmungen/ Chapitre 2: Dispositions transitoires

1. Abschnitt: Beseitigung nicht verschmutzten Abwassers, Lagereinrichtungen für Hofdünger und Treibgut bei Stauanlagen/ Section 1: Evacuation des eaux non polluées, installations d’entreposage des engrais de ferme et détritus flottants accumulés près des ouvrages de retenue

 

Beseitigung nicht verschmutzten Abwassers

Die Kantone sorgen dafür, dass spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Wirkung einer Abwasserreinigungsanlage nicht mehr durch stetig anfallendes, nicht verschmutztes Abwasser (Art. 12 Abs. 3) beeinträchtigt wird.

Evacuation des eaux non polluées

Les cantons veillent à ce que, dans un délai de quinze ans au plus à compter de l’entrée en vigueur de la présente loi, les eaux non polluées à écoulement permanent (art. 12, al. 3) qui diminuent l’efficacité d’une situation d’épuration n’y soient plus amenées.

Eliminazione delle acque di scarico non inquinate

I Cantoni provvedono affinché, entro 15 anni a contare dall’entrata in vigore dalla presente legge, non pervengano più in stazioni di depurazione acque di scarico non inquinate con afflusso permanente (art. 12 cpv. 3) che ne pregiudicano l’efficacia.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
​II. Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 6
A. Aufgaben des Kantons 6
B. Aufgaben der Inhaber der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage 8
1.​ ​Pflicht zur Abklärung der Fremdwasserverhältnisse 8
​2. ​Sanierungspflicht 9

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Art. 76 GSchG (Botschaft GSchG 1987, 1205) wurde der Sache nach unverändert ins Gesetz übernommen. Im Rahmen des parlamentarischen Prozesses wurden die Begrifflichkeiten angepasst («Abwasserreinigungsanlage» statt «Abwasseranlage», «nicht verschmutztes Abwasser» statt «unverschmutztes Abwasser», «beeinträchtigt» statt «nachteilig beeinflusst»), und es wurden redaktionelle Umstellungen vorgenommen.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Fremdwasser ist in der öffentlichen Kanalisation und in der zentralen Abwasserreinigungsanlage unerwünscht (vgl. Komm. zu Art. 12 GSchG N 16 ff.). Der Gesetzgeber begnügte sich nicht damit, neue Fremdwassereinleitungen in die öffentliche Kanalisation und die zentrale Abwasserreinigungsanlage nur unter strengen Voraussetzungen zuzulassen (Art. 12 Abs. 3 GSchG). Auch die bestehenden Fremdwasserzuflüsse sind gemäss Art. 76 GSchG zu sanieren.

3. Dem Bundesrat war bewusst, dass die Entfernung des Fremdwassers aus bestehenden Kanalisationen in der Regel kostenintensive Massnahmen erfordert. Daher wurde die Sanierungspflicht eingegrenzt auf Sachver­halte, bei denen der Betrieb der zentralen Abwasserreinigungsanlage durch Fremdwasser beeinträchtigt wird (Botschaft GSchG 1987, 1169; auch zum Folgenden). Somit müssen grössere Fremdwassermengen (z.B. ganze Bäche) «in jedem Fall» vom verschmutzten Abwasser getrennt abgeleitet werden. Auf der anderen Seite wäre es – gemäss der Botschaft des Bundesrates – unverhältnismässig, bestehende «Grundstückdrainagen» (Sickerleitungen), in denen nur unwesentliche Sickerwassermengen anfallen, mittels teurer neuer Leitungen von der zentralen Abwasserreinigungsanlage fernzuhalten.

4. Art. 76 GSchG ist am 1. November 1992 in Kraft getreten. Die Frist von 15 Jahren ist somit am 1. November 2007 abgelaufen. Es handelt sich hierbei um eine Ordnungsfrist. Die Bestimmung hat somit über den Fristablauf hinaus praktische Bedeutung. Werden nach dem 1. November 2007 Fremdwasserprobleme festgestellt, besteht gestützt auf Art. 76 GSchG eine Sanierungspflicht.

5. Heute sind die Fremdwasseranteile je nach Kanton sehr unterschiedlich: Im schweizerischen Durchschnitt beträgt der Anteil des Fremdwassers am Abwasser, das in die zentrale Abwasserreinigungsanlage gelangt, ungefähr 40 % (zu den Fremdwasseranteilen einzelner Kantone, vgl. Eawag, Abwasserentsorgung 2025, 138).

 

 

III.        Kommentierung

A.           Aufgaben des Kantons

6. Die Kantone müssen dafür sorgen, dass die Wirkung der zentralen Ab­wasserreinigungsanlage nicht mehr durch Fremdwasser beeinträchtigt wird. Da die öffentliche Abwasserentsorgung in der Regel Sache der Gemeinden ist, ist es sachgerecht, dass diese die nötigen Sanierungen durchführen.

7. Aufgabe des Kantons ist es, die Inhaber der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage nötigenfalls zur Sanierung anzuhalten. Wo offensichtliche Missstände innert angemessener Frist nicht behoben werden, muss im Rahmen der Fachaufsicht eingeschritten werden.

 

B.            Aufgaben der Inhaber der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage

1.             Pflicht zur Abklärung der Fremdwasserverhältnisse

8. Die Inhaber der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasser­reinigungsanlage müssen in angemessenen Zeitabständen überprüfen, ob Fremdwasser zu Problemen auf der zentralen Abwasserreinigungsanlage führen. Sie müssen im Rahmen der kommunalen Entwässerungsplanung die Massnahmen, mit denen Fremdwasser von der zentralen Abwasser­reinigungsanlage fernzuhalten ist, beschreiben (Art. 5 Abs. 2 Bst. e GSchV) und für eine zeitgerechte Umsetzung dieser Massnahmen besorgt sein.

 

2.             Sanierungspflicht

9. Art. 76 GSchG verlangt keine lückenlose Sanierung; eine solche ist nur dort erforderlich, wo die Wirkung einer zentralen Abwasserreinigungsanlage durch Fremdwasser «beeinträchtigt» wird. Darunter ist ein Betrieb der Anlage zu verstehen, bei dem die Reinigungsleistung (der Wirkungsgrad) durch die Fremdwassereinleitungen erheblich vermindert wird.

10. Steht bei einer zentralen Abwasserreinigungsanlage fest, dass eine Fremdwassersanierung durchgeführt werden muss, bedeutet dies nicht ohne weiteres, dass alle Fremdwasserquellen von der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage abgetrennt werden müssen. Die Inhaber der öffentlichen Kanalisation und der zentralen Abwasserreinigungsanlage werden sinnvollerweise die Massnahmen etappieren. Bedeutendere Fremdwasserquellen und solche, die mit geringem Aufwand behoben werden können, sind prioritär zu sanieren (vgl. Stutz, Abwasserrecht, 128).

 

 

Résumé

Aux termes de l’art. 76 LEaux, les cantons doivent veiller à ce que les eaux non polluées à écoulement permanent ne diminuent pas l’efficacité des stations d’épuration.

Cet article instaure également des devoirs aux détenteurs des égouts publics et des stations d’épuration. En effet, ceux-ci sont tenus d’examiner l’impact des eaux non polluées sur les installations d’épuration des eaux usées et doivent définir, dans le cadre de la planification communale de l’évacuation des eaux, les mesures à prendre pour que les eaux non polluées ne soient plus amenées à la station centrale d’épuration (art. 5 al. 2 let. e OEaux). Ils doivent finalement mettre en œuvre ces mesures dans les délais prévus. L’art. 76 LEaux n’exige un assainissement que dans la mesure où les eaux non polluées nuisent effectivement à l’efficacité des stations d’épuration.

Cette disposition est entrée en vigueur le 1er novembre 1992. Dès lors qu’il s’agit d’un délai d’ordre, la disposition garde son importance pratique et impose une obligation d’assainissement lors de problèmes consécutifs aux eaux non polluées, ce même après le 1er novembre 2007.

​ Norer Roland​ | Tschopp Simone

 

Lagereinrichtungen für Hofdünger

Die Kantone legen die Frist zur Anpassung der Kapazität von Lagereinrichtungen für Hofdünger nach der Dringlichkeit des Einzelfalls fest. Sie sorgen dafür, dass innert 15 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sämtliche Lagereinrichtungen saniert sind.

Installations d’entreposage des engrais de ferme

Les cantons fixent dans chaque cas, selon l’urgence de la situation, les délais à respecter pour l’adaptation de la capacité des installations d’entreposage des engrais de ferme. Ils veillent à ce que toutes les installations d’entreposage soient assainies dans un délai de quinze ans à compter de l’entrée en vigueur de la présente loi.

Impianti di deposito per concime di fattoria

I Cantoni stabiliscono il termine per l’adattamento della capacità degli impianti di deposito di concime di fattoria tenendo conto dell’urgenza di ogni singolo caso. Essi vegliano affinché tutti gli impianti di deposito siano risanati entro 15 anni a contare dall’entrata in vigore della presente legge.

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 4
​III. ​Kommentierung 5

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Mit der Gesetzesrevision von 1991 wurden auf Bundesebene erstmals Bestimmungen zur Kapazität der Lagereinrichtungen für Hofdünger erlassen. Um den in den Kantonen teilweise bereits seit längerer Zeit laufenden und mit Bundesgeldern finanzierten Sanierungsarbeiten einen einheitlichen Endtermin zu setzen, wurde die Übergangsbestimmung von Art. 77 GSchG geschaffen.

2. Nicht nur die eidgenössischen Räte sondern auch zahlreiche kantonale Fachstellen wollten eine rasche Sanierung und einen raschen Ausbau unzureichender Güllengruben (Botschaft GSchG 1987, 1169). Die Frist von 15 Jahren gab zu keinerlei Diskussionen Anlass.

3. Um einen möglichst effektiven Gewässerschutz rechtzeitig zu erreichen, sollten die Projekte entsprechend der Dringlichkeit des Einzelfalles fortlaufend umgesetzt werden (Botschaft GSchG 1987, 1169).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Die Bestimmung verknüpft die Heranführung der praktischen Gegebenheiten an die Vorgaben des Art. 14 GSchG betreffend Lagereinrichtungen für Hofdünger von Betrieben mit Nutztierhaltung mit einem verbindlichen Übergangszeitrahmen.

 

 

III.        Kommentierung

5. Die 15-jährige Sanierungsfrist ist am 31. Oktober 2007 abgelaufen. Für Unterhalt und Wartung gilt nunmehr Art. 15 GSchG.

 

Résumé

La disposition transitoire de l’art. 77 LEaux a été créée pour fixer une date limite unifiée d’adaptation de la capacité des installations d’entreposage des engrais de ferme. Le délai d’assainissement de 15 ans a expiré le 31 octobre 2007.

Koller Jannick

 

​Aufgehoben durch Ziff. II 33 des BG vom 20. März 2008 zur formellen Bereinigung des Bundesrechts, mit Wirkung seit 1. Aug. 2008; AS 2008 3437; BBl 2007 6121.

Abrogés par le ch. II 33 de la LF du 20 mars 2008 relative à la mise à jour formelle du droit fédéral, avec effet au 1er août 2008; RO 2008 3437; FF 2007 5789.

Abrogati dal n. II 33 della LF del 20 mar. 2008 concernente l’aggiornamento formale del diritto federale, con effetto dal 1° ago. 2008; RU 2008 3437; FF 2007 5575.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.     ​ Allgemeine Bemerkungen 2
A. Allgemeine Bemerkungen zu Art. 78 GSchG 2
B. Allgemeine Bemerkungen zu Art. 79 GSchG 5

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 78 GSchG und Art. 79 GSchG wurden im Rahmen der Totalrevision des GSchG in das Gesetz aufgenommen und waren seit dem 1. November 1992 in Kraft. Beide Bestimmungen liefen grundsätzlich mit dem Ablauf von fünf Jahren seit deren Inkrafttreten aus, wurden jedoch erst 2008 formell aufgehoben (AS 2008 3437, 3446; Botschaft Bereinigung 2007, 6157).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

A.           Allgemeine Bemerkungen zu Art. 78 GSchG

2. Bei Art. 78 GSchG handelte es sich um eine Übergangsbestimmung zu Art. 14 Abs. 4 GSchG. Die Bestimmung richtete sich an die Kantone, welche eine Frist zur Anpassung der höchstzulässigen Düngermenge von drei Düngergrossvieheinheiten (DGVE) pro Hektare gepachteter oder vertraglich gesicherter Nutzfläche an die massgebliche Fläche festzulegen hatten. Die Kantone hatten dafür zu sorgen, dass die notwendigen Anpassungen der DGVE bei bestehenden Betrieben an die nachgewiesene und geeignete Nutzfläche bis zum 31. Oktober 1997 abgeschlossen werden konnten (BLW/BUWAL, Wegleitung Landwirtschaft, 13). Die Fristen waren im Rahmen von Verfügungen nach der Dringlichkeit des Einzelfalls individuell-konkret festzulegen. Dabei waren betriebsspezifische Probleme wie Investitionen und Existenzschwierigkeiten zu berücksichtigen (BUWAL, Gewässerschutzvorschriften Landwirtschaft, 27).

3. In der parlamentarischen Beratung wurde die Übergangsfrist damit begründet, dass die Begrenzung der Hofdüngermenge auf drei DGVE pro Hektare Nutzfläche für die betroffenen Betriebe mit grossen Anpassungsproblemen verbunden und die Umsetzung deshalb nicht von heute auf morgen möglich sei (Votum Schmid, AB 1988 S 673). Der Zweck von Art. 78 GSchG lag somit im Schutz des berechtigten Vertrauens der von der neuen Regelung betroffenen Personen. Die Dauer der Übergangsfrist wurde in Anlehnung an Art. 75 Ziff. 5 GSchG auf fünf Jahre festgelegt (Votum Schmid, AB 1988 S 673).

4. Probleme bei der Umsetzung der Begrenzung der höchstzulässigen Düngermenge ergaben sich vor allem in viehreichen Kantonen (BUWAL, Gewässerschutzvorschriften Landwirtschaft, 27). Daneben erwies sich Art. 78 GSchG jedoch als wenig praxisrelevant. Nur vereinzelt haben die Kantone angegeben, Übergangsfristen für die Anpassung der höchstzulässigen Düngermenge gewährt zu haben (z.B. AG, BE, SG). In vielen Kantonen lagen die Düngerbelastungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung bereits unterhalb von drei DGVE pro Hektare Nutzfläche (z.B. AR) oder die massgeblichen kantonalen Bestimmungen gingen über die bundesrechtlichen Vorgaben hinaus (z.B. OW, SH, ZG).

 

B.            Allgemeine Bemerkungen zu Art. 79 GSchG

5. Bei Art. 79 GSchG handelte es sich um eine Übergangsbestimmung zu Art. 41 GSchG. Die Bestimmung verpflichtete die Betreiber von Stauanlagen, innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gewässerschutzgesetzes von 1991, bauliche Vorkehrungen zu treffen, die für das Beseitigen und Einsammeln von Treibgut bei Stauanlagen nach Art. 41 GSchG zum Teil notwendig waren. Somit richtete sich Art. 79 GSchG im Gegensatz zu Art. 78 GSchG nicht an die kantonalen Vollzugsbehörden, sondern direkt an die Urheber der Stauhaltung. Obwohl der Bau von Zusatzeinrichtungen schon in Art. 28 aGSchG 1971 vorgesehen war, wurden solche Massnahmen bis zum Inkrafttreten des GSchG nur bei grösseren Werken getroffen, meistens anlässichlich der Erneuerung oder Ergänzung ihrer Konzessionen (Botschaft GSchG 1987, 1170). Der BR hielt das Einführen einer Sanierungsvorschrift deshalb für notwendig (Botschaft GSchG 1987, 1170). Da der Bau entsprechender Zusatzeinrichtungen einige Zeit in Anspruch nimmt, wurde den Betreibern von Stauanlagen eine Frist zur Umsetzung der neuen Regelung von fünf Jahren eingeräumt. Wie Art. 78 GSchG kann somit auch Art. 79 GSchG auf Gründe des Vertrauensschutzes zurückgeführt werden.

6. Art. 79 GSchG war nur beschränkt praxisrelevant. Nach Auskunft der meisten Kantone waren auf deren Kantonsgebieten keine baulichen Vorkehrungen zur Beseitigung von Treibgut bei Stauanlagen notwendig bzw. diese waren bei Inkrafttreten der Bestimmung bereits vorhanden (z.B. AG, AI, BE, OW, SH, SZ, TG, UR, ZG, ZH). Den Betreibern von Stauanlagen musste deshalb keine Frist für entsprechende Massnahmen gewährt werden.

 

 

Résumé

L’art. 78 LEaux avait été introduit en 1991 dans la LEaux comme disposition transitoire à l’art. 14 al. 4 LEaux. La disposition s’adressait en particulier aux cantons qui devaient fixer un délai pour l’adaptation de la quantité maximale admissible d’engrais de trois UGBF par hectare de surface utile en fonction de l’urgence des cas particuliers. Les cantons devaient en particulier opérer cette adaptation jusqu’au 31 octobre 1997. Le but de cette disposition transitoire était de protéger la confiance légitime créée aux exploitations concernées par cette limitation.

Quant à l’art. 79 LEaux, il s’agissait d’une disposition transitoire relative à l’art. 41 LEaux qui avait été introduite dans la LEaux suite à la révision totale de cette dernière. Cette disposition octroyait aux exploitants d’un ouvrage de retenue un délai de cinq ans dès l’entrée en force de la LEaux pour la construction d’installations supplémentaires afin d’éliminer et de rassembler les détritus flottants au sens de l’art. 41 LEaux.

Les délais des art. 78 et 79 LEaux sont échus et les dispositions ont été abrogées avec effet au 1er août 2008.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)/Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Wegleitung für den Gewässerschutz in der Landwirtschaft – Bereich Hofdünger, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 15, Bern 1994 (zit. Wegleitung Landwirtschaft); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Gewässerschutzvorschriften in der Landwirtschaft – Offene Fragen und Probleme beim Vollzug, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 20, Bern 1995 (zit. Gewässerschutzvorschriften Landwirtschaft).

2. Abschnitt: Wasserentnahmen

Riva Enrico

 

2. Abschnitt: Wasserentnahmen/ Section 2: Prélèvements d’eau existants

 

Inhaltsübersicht

Gegenstand der Regelung von Art. 80–83 GSchG: Sanierung ungenügender Restwassersituationen 1
II.    ​ Entstehungsgeschichte 3
A. Konzeptueller Hintergrund der Regelung 3
B. Entstehung der Regelung von Art. 80–83 GSchG 7
III. Anwendungsbereich und Abgrenzungen 9
​A. ​Sanierung unbefriedigender Restwassersituationen – Verbindung mit Art. 29 GSchG. 9
B. ​Konzessionserneuerungen, Konzessionsverlängerungen, Konzessionsänderungen 11
​C. ​Wasserentnahme ohne bestehendes Wassernutzungsrecht 12
​D. ​Wasserentnahmen ohne Rechtstitel 14
​IV. ​Ungenügender Vollzug 15

 

I.              Gegenstand der Regelung von Art. 80–83 GSchG: Sanierung ungenügender Restwassersituationen

1. Die Art. 80–83 GSchG vervollständigen die Regelung zur Sicherung angemessener Restwassermengen in Art. 29–36 des Gesetzes. Gemeinsam ist den Bestimmungen der Gegenstand «Restwasser». Die Art. 29 ff. GSchG gehen von der Situation einer erstmaligen oder erneuerten Wasserentnahme aus und legen fest, welche Wassermenge nach der Entnahme im Gewässer verbleiben muss. Die Art. 80–83 GSchG beziehen sich demgegenüber auf existierende Wasserentnahmen, welche gemessen an den Vorgaben von Art. 31 ff. GSchG keine gesetzeskonforme Restwassersituation aufweisen. Zudem bestimmen sie, wie weit die Restwasserverhältnisse saniert, also den Vorschriften von Art. 31 ff. GSchG angenähert werden müssen.

2. Der Gesetzgeber hat die Art. 80–83 GSchG unter die Übergangsbestimmungen eingereiht (2. Kap. des 6. Titels). Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung für den beschränkten Zeitraum gilt, während welchem rechtmässig begründete Wasserentnahmen noch fortbestehen, die den Vorgaben von Art. 29 ff. GSchG widersprechen.

 

 

II.           Entstehungsgeschichte

A.           Konzeptueller Hintergrund der Regelung

3.Die unterschiedliche – und im Gesetz an verschiedenen Orten platzierte – Restwasserregelung für neue bzw. erneuerte Wasserentnahmen einerseits und bestehende Entnahmen anderseits hat ihre Ursache in einer Eigenheit der Wassernutzung. Das Recht zur Nutzung von Wasser steht in der Schweiz, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dem Staat zu (Art. 76 Abs. 4 BV; Jagmetti; Energierecht, 406 f.; vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 8 ff.). Wer Wasser über den Gemeingebrauch hinaus verwenden und namentlich die Wasserkraft nutzen will, bedarf einer staatlichen Erlaubnis. Diese wird selten in Form einer Bewilligung, sondern meistens – bei umfangreicheren Wasserentnahmen und im Fall der Wasserkraftnutzung – in Form einer Konzession erteilt. Der Empfänger der Erlaubnis tätigt Investitionen, um das Wasser im Sinn der Erlaubnis zu verwenden. Bei der Nutzung der Wasserkraft sind diese Investitionen sehr hoch. Die Rechtsordnung schützt die getätigten Investitionen in differenzierter Weise gegen nachträgliche Rechtsänderungen, die sich darauf negativ auswirken würden. Am weitesten geht der Schutz, wenn die Gebrauchs‑/Nutzungserlaubnis die Qualität eines soge­nannten wohlerworbenen Rechts aufweist. Dies ist der Fall bei den Wassernutzungsrechten, die zum Zweck der Energieerzeugung verliehen werden (ausdrücklich Art. 43 WRG) oder die auf einem historischen Titel beruhen.

4. Neues Recht ist im Grundsatz auf Dauersachverhalte anzuwenden. Der Umstand, dass ein Sachverhalt bzw. eine darauf beruhende Position eines Privaten den Anfang genommen hat, als noch ein älteres, günstigeres Regime galt, befreit nicht von der Verpflichtung zur Anpassung an das neue Recht (Moor/Flückiger/Martenet, Droit administratif Vol. I, 190–193; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 199 f., 205). Liegt jedoch die Situation einer besonders geschützten Rechtsposition im geschilderten Sinn vor, schwächt sich die Anpassungspflicht ab. Bei wohlerworbenen Rechten ist deren Substanz gegen nachträgliche Verschlechterungen der Rechtslage geschützt; Schmälerungen der Substanz können nur gegen Entschädigung erfolgen (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 37 ff.).

5. Der Gesetzgeber von 1991 stand vor einem Dilemma: Eine sofortige volle Anwendung der Restwasservorschriften kann die erteilten wohlerworbenen Gebrauchs‑ und Nutzungsrechte am Wasser so beeinträchtigen, dass die Substanz des Rechts verletzt wird und der Staat eine Entschädigung zahlen muss. Der Gesetzgeber musste entscheiden zwischen einer Regelung, welche die bestehenden Wassernutzungsrechte schont, indem die Festlegung höherer Restwassermengen während der Laufzeit dieser Rechte deren Substanz respektiert, und einer sofortigen Anordnung angemessener Restwassermengen gegen Ausrichtung einer Entschädigung. Die zweite, der Gewässerökologie den Vorrang gebende Lösung, stand mit der am 9. Oktober 1984 eingereichten Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» ebenfalls zur Diskussion (Wortlaut wiedergegeben in der Botschaft GSchG 1987, 1065). Die Initiative schlug einen neuen Art. 24octies BV 1874 vor, der sowohl für neue wie für bestehende Stauhaltungen und Wasserentnahmen eine ausreichende Wasserführung vorschrieb, mit Entschädigungszahlungen für die Schmälerung wohlerworbener Rechte entsprechend der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Abs. 6 und 7). Der Gesetzgeber lehnte eine solche Regelung ab und entschied sich für ein Konzept mit unterschiedlichen Restwasserregelungen für neue und für bestehende Wasserentnahmen (Botschaft GSchG 1987, 1090, 1099). Entsprechend diesem Konzept sind nun die Restwasservorschriften von Art. 31–33 GSchG allein auf neue und erneuerte Wasserentnahmen anzuwenden. Für bestehende Wasserentnahmen ordnet Art. 80 GSchG eine Verbesserung der Restwassersituation grundsätzlich nur so weit an, als es mit der Respektierung der wohlerworbenen Rechte vereinbar ist. In der Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 obsiegte dieses Konzept gegenüber jenem der Initiative «zur Rettung unserer Gewässer» (BBl 1992 V 451).

6. Das GSchG enthält damit zwei Regelungen der Restwassermengen: Die Hauptregelung gilt für neue und erneuerte Wasserentnahmen; sie wird im Verlauf der Zeit, nach Ablauf der noch laufenden Wassernutzungs­konzessionen, allein massgebend sein (Art. 29–36 GSchG). Die zweite Regelung trifft eine Ordnung für die bereits bestehenden geschützten Wassernutzungsrechte (Art. 80–83 GSchG). Zwischen den beiden Regelungen bestehen enge Verbindungen. Sie verwenden dieselben Schlüsselbegriffe (so Fliess­gewässer, Wasserentnahme), und es unterliegen der Restwassersanierung nur Wasserentnahmen, die – im Fall ihrer Neubegründung – nach Art. 29 f. GSchG bewilligungspflichtig wären. Die Sanierung geht maximal so weit, dass die Anforderungen von Art. 31–33 GSchG erfüllt sind (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 25).

 

B.            Entstehung der Regelung von Art. 80–83 GSchG

7. Das unter A. geschilderte Regelungskonzept für das Restwasser ist das Werk der vom Bundesrat eingesetzten Expertenkommission unter Leitung von Ständerat Prof. J.-F. Aubert (Botschaft GSchG 1987, 1081). DieKommmission schlug in ihrem Gesetzesentwurf eine Sanierungsregelung vor (EDI, E-GSchG 1984, Art. 83–86), welche vom Bundesrat 1987 mit nur wenigen, redaktionell ausgerichteten Änderungen in seine Botschaft an die Räte übernommen wurde (Botschaft GSchG 1987, 1206 f.; Synopsis der Entwürfe bei Riva, Wohlerworbene Rechte, 228 f.). Die eidgenössischen Räte schlossen sich dem bundesrätlichen Entwurf weitgehend an. Während die Restwasservorschriften in der Plenumsberatung höchst umstritten waren, gab die Restwassersanierung nur punktuell Anlass zu Diskussion:

·           Auf Antrag seiner vorberatenden Kommission nahm der Nationalrat in Art. 80 Abs. 2 GSchG die Ergänzung auf, dass eine weitergehende Sanierung namentlich bei Fliessgewässern in inventarisierten Landschaften oder Lebensräumen zu erfolgen habe (AB 1989 N 1103 und 1105). Der Ständerat lehnte es ab, eine gleichlautende Ergänzung auch in Art. 83 Abs. 2 GSchG aufzunehmen (AB 1989 S 739 und AB 1990 N 607).

·           Ebenso auf Antrag seiner vorberatenden Kommission nahm der Nationalrat in Art. 83 Abs. 1 GSchG den Satz 2 neu auf (AB 1989 N 1103 und 1105).

·           Mit 58 zu 39 lehnte der Nationalrat eine von E. David eingebrachte alternative Regelung ab, welche vorgeschrieben hätte, dass die be­stehenden Wasserentnahmen bis spätestens 25 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes die für Neuanlagen geltenden Mindestwassermengen einhalten müssten (AB 1989 N 1103–1105).

8. Die Art. 80–83 GSchG haben bis zum 1. Januar 2016 zwei Änderungen erfahren. 2003 verlängerten die Räte die Frist zum Vollzug der Sanierung bis Ende 2012 (BG Entlastungsprogramm 2003; s. Komm. zu Art. 81 GSchG N 2 f.). Die unter dem Stichwort «Renaturierung» laufende Gesetzesänderung von 2009 fügte in Art. 80 GSchG einen neuen Abs. 3 (Sanierung von Anlagen mit Denkmalwert) ein (AS 2010 4285, 4289; vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 67–71).

 

 

III.        Anwendungsbereich und Abgrenzungen

A.           Sanierung unbefriedigender Restwassersituationen – Verbindung mit Art. 29 GSchG

9. Obwohl Art. 80 GSchG davon nicht spricht, machen die Materialien und die Entstehungsgeschichte klar, dass es in den Art. 80–83 GSchG um die Behebung bestehender mangelhafter Restwassersituationen geht, also um den quantitativen Gewässerschutz (Botschaft GSchG 1987, 1090, 1099 und 1170). Die Pflicht zur Sanierung ist gegeben, wenn eine Wasserentnahme, die sich auf ein bestehendes Recht stützt, ein Fliessgewässer wesentlich negativ beeinflusst (Art. 80 Abs. 1 GSchG).

10. Ziel der Sanierung ist es, die Restwassersituation in beschränktem Umfang zu verbessern. Die Anhebung der Restwassermengen auf den vom GSchG vorgeschriebenen Normalstandard ist auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, in welchem die Bewilligung für die bestehende Wasserentnahme erneuert werden muss. Wegen der unterschiedlich strengen Anforderungen an die Restwassermengen für neue bzw. erneuerte Anlagen und für bestehende Anlagen kommt der Abgrenzung der Tatbestände von Art. 29 ff. und Art. 80 ff. GSchG erhebliche Bedeutung zu.

 

B.            Konzessionserneuerungen, Konzessionsverlängerungen, Konzessionsänderungen

11. Den Vorschriften von Art. 29 ff. GSchG unterliegen nicht nur Wasserentnahmen, die neu sind, weil an dieser Stelle erstmals überhaupt eine Entnahme stattfindet. Die Art. 29 ff. GSchG sind auch massgebend für bereits bestehende Wasserentnahmen, wenn der Rechtstitel, auf dem sie beruhen, infolge Zeitablaufs seine Geltung verliert. Das bedeutet namentlich, dass bei der Erneuerung einer bestehenden Wasserrechtskonzession Restwassermengen gemäss Art. 31–33 GSchG zu verfügen sind (Botschaft GSchG 1987, 1090, 1099 und 1139). Das Gleiche gilt im Fall, dass eine Konzession verlängert oder in relevanter Weise geändert wird (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 60 ff.).

 

C.           Wasserentnahme ohne bestehendes Wassernutzungsrecht

12. Art. 80 GSchG erfasst nicht alle bestehenden Wasserentnahmen. Seiner Regelung unterliegt eine Wasserentnahme nur, wenn sie auf einem «bestehenden Wassernutzungsrecht» (Abs. 1) beruht. Darunter sind die Positionen zu verstehen, die als wohlerworben qualifiziert werden, also Rechte aus Konzessionen oder aus einem historischen Titel (ehehafte Wasserrechte), nicht aber Positionen aufgrund einer einfachen Bewilligung (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 10 f.).

13. Fällt eine Wasserentnahme nicht in den Anwendungsbereich von Art. 80 GSchG, gilt für sie der Grundsatz der Anpassungspflicht; sie muss ohne zeitlichen Aufschub so saniert werden, dass sie die Anforderungen von Art. 31–33 GSchG erfüllt (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 11).

 

D.           Wasserentnahmen ohne Rechtstitel

14. Nur rechtmässig betriebene Wasserentnahmen liegen im Anwendungsbereich von Art. 80 GSchG. Fehlt für eine Entnahmeanlage die erforderliche Bewilligung oder Konzession, besteht kein Anspruch auf die weniger weitgehende Sanierung nach Art. 80 GSchG. Soll die Anlage weiter betrieben werden, muss sie legalisiert werden, indem die nötige Bewilligung oder Konzession eingeholt wird. Im Rahmen dieses Verfahrens sind die Restwassermengen nach Art. 31–33 GSchG festzulegen (BGer 1C_718/2013 vom 20. März 2014, E. 5, in: URP 2014, 289).

 

 

IV.        Ungenügender Vollzug

15. Der Gesetzgeber hat die Vorschriften zur Restwassersanierung als Über­gangsrecht konzipiert. Nach Art. 81 Abs. 2 GSchG mussten die Sanierungen bis spätestens Ende 2012 abgeschlossen sein. Die Art. 80 – 83 GSchG hätten in diesem Zeitpunkt ihre praktische Bedeutung verloren. Weil aber Ende 2015 zahlreiche Sanierungen noch ausstehen, sind diese Bestimmungen bis auf Weiteres nicht gegenstandslos.

16. Die Vorschriften zur Restwassersanierung gehören zu den am schlechtesten umgesetzten Teilen des schweizerischen Umweltrechts (dazu Rieder/Landis/Lienhard et al., Vollzug, passim, bes. 52 f.; Übersichten des BAFU in den Berichten Stand Restwassersanierung 2012 und Stand Restwassersanierung 2014; vgl. Komm. zu Art. 81 GSchG N 8 und Art. 82 GSchG N 12, 24). Die Gründe für das bestehende Vollzugsdefizit sind vielgestaltig (vgl. Komm. zu Art. 82 GSchG N 22–25):

17. 1. Die Regelung von Art. 80 GSchG ist juristisch zwar bestechend und aus Sicht des Gemeinwesens optimal: Eine mangelhafte Restwassersituation bei den bestehenden Werken soll eine Sanierung soweit erfahren, als dies ohne Zahlungen von Seiten der öffentlichen Hand möglich ist. In der Anwendung ist diese Regelung aber höchst anspruchsvoll. Bevor Massnahmen angeordnet werden können, muss die Behörde schwierige Fragen entscheiden (Ist das Gewässer durch die Entnahme wesentlich beeinflusst? Ist eine Sanierung geboten? Wo liegt die Grenze der Entschädigungspflicht?). Die Festlegung der Sanierungsmassnahmen selber erfordert weitere heikle Entscheidungen.

18. 2. Die Restwassersanierung trifft auf Interessenkonflikte bei den Ge­meinwesen, die sie zu vollziehen haben. Eine maximale Nutzung der Wasserkraft zur Elektrizitätsproduktion dient dem Ziel, Energie möglichst aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen; sie bringt den Kantonen und Gemeinden bedeutende Fiskalerträge und ist auch sonst für die Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte relevant. Restwassersanierungen laufen diesen Interessen zuwider, weil sie eine Verminderung der für die Energiegewinnung nutzbaren Wassermenge bewirken – dies für einen ökologischen, nicht geldwerten Nutzen. Bei dieser Interessenlage ist die Gefahr evident, dass die wirtschaftlich-fiskalischen Interessen mehr Gewicht erhalten mit der Folge, dass der Vollzug der Sanierungsvorschriften stockt.

19. 3. Restwassersanierungen können nur im Zusammenwirken mit den Be­treibern der Wasserkraftwerke realisiert werden. Für die Betreiber sind Restwassersanierungen schädlich für die Erreichung des Unternehmens­zwecks, der in der bestmöglichen Rentabilität auf der Basis des erteilten Nutzungsrechts liegt. Dementsprechend stösst der Vollzug der Sanierung bei vielen Kraftwerkunternehmen bis heute auf anhaltenden, hartnäckigen Widerstand.

20. 4. Es gehört zu den Obliegenheiten der Bundesbehörden, den korrekten Vollzug des Bundesrechts sicherzustellen. Aus falsch verstandener Rück­sicht auf die Kantone und auf die – meist unter Kantonsbeteiligung beste­henden – Energieproduzenten hat es der Bund aber unterlassen, die vor­geschriebenen Sanierungen rechtzeitig und mit dem nötigen Nachdruck einzufordern und durchzusetzen.

21. Im Rückblick ist zu bedauern, dass der Gesetzgeber für die Sanierung nicht eine einfachere, einen höheren Bestimmtheitsgrad aufweisende – möglicherweise pauschalierte – und damit besser vollziehbare Regelung gewählt hat.

 

 

Résumé

Les art. 80–83 LEaux complètent les dispositions concernant le maintien des débits résiduels convenables. Ces dispositions concernent les prélèvements d’eau existants qui présentent des situations de prélèvement non conformes à la loi. Elles déterminent, en outre, dans quelle mesure les débits résiduels doivent être assainis.

Selon l’art. 80 LEaux, il y a une obligation d’assainir lorsqu’un prélèvement, reposant sur un droit existant, influence négativement un cours d’eau. Le but de cet assainissement est d’améliorer la situation des débits résiduels. L’art. 80 LEaux ne vise pas tous les prélèvements d’eau existants, mais seulement ceux qui sont considérés comme acquis, soit ceux se fondant sur les droits résultant de concessions ou sur un titre historique.

Les dispositions concernant l’assainissement des débits résiduels sont les normes les moins appliquées en droit suisse de l’environnement.

 

 

Literatur: Jagmetti Riccardo, Energierecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht (SBVR), Band VII, Basel/Genf/München 2005 (zit. Energierecht); Moor Pierre/Flückiger Alexandre/
Martenet Vincent, Droit administratif, Vol. I, Les fondements, 3. Aufl., Bern 2012 (zit. Droit administratif Vol. I); Rieder Stefan/Landis Flurina/Lienhard Andreas et al., Stärkung des Vollzugs im Umweltbereich – Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), Bern/Luzern 2013 (zit. Vollzug).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (Entwurf der Kommission Aubert), Bern 1984 (zit. E-GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2012 und Entwicklung seit Mitte 2011, Bern 2013 (zit. Stand Restwassersanierung 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2014 und Entwicklung seit Ende 2012, Bern 2015 (zit. Stand Restwassersanierung 2014).

​Riva Enrico​

 

​Sanierung

1         Wird ein Fliessgewässer durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusst, so muss es unterhalb der Entnahmestellen nach den Anordnungen der Behörde so weit saniert werden, als dies ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist.

2         Die Behörde ordnet weitergehende Sanierungsmassnahmen an, wenn es sich um Fliessgewässer in Landschaften oder Lebensräumen handelt, die in nationalen oder kantonalen Inventaren aufgeführt sind, oder wenn dies andere überwiegende öffentliche Interessen fordern. Das Verfahren für die Feststellung der Entschädigungspflicht und die Festsetzung der Entschädigung richtet sich nach dem Enteignungsgesetz vom 20. Juni 1930.

3         Sind von der Anordnung weitergehender Sanierungsmassnahmen in inventarisierten Gebieten nach Absatz 2 Kleinwasserkraftwerke oder andere Anlagen an Fliessgewässern, die einen denkmalschützerischen Wert aufweisen, betroffen, so wägt die Behörde zwischen den Interessen des Denkmal‑ und des Inventarschutzes ab.

Assainissement

1         Lorsqu’un cours d’eau est sensiblement influencé par un prélèvement, il y a lieu d’assainir son cours aval, conformément aux prescriptions de l’autorité, sans que les droits d’utilisation existants soient atteints d’une manière qui justifierait un dédommagement.

2         L’autorité ordonne des mesures d’assainissement supplémentaires lorsqu’il s’agit de cours d’eau qui traversent des paysages ou des biotopes répertoriés dans un inventaire national ou cantonal ou que des intérêts publics prépondérants l’exigent. La procédure de constat, et le cas échéant, la détermination du montant de l’indemnité sont régis par la loi fédérale du 20 juin 1930 sur l’expropriation.

3         Lorsque l’autorité ordonne des mesures d’assainissement supplémentaires dans une zone répertoriée au sens de l’al. 2 et que de petites centrales hydroélectriques ou d’autres installations situées sur des cours d’eau et présentant de la valeur du point de vue de la protection du patrimoine sont concernées, elle met en balance les intérêts de la protection du patrimoine et de la protection des zones répertoriées.

Risanamento

1         Qualora un corso d’acqua sia sensibilmente influenzato da prelievi, il suo corso a valle deve essere risanato, conformemente alle prescrizioni dell’autorità, nella misura in cui non si arrechi ai diritti esistenti di sfruttamento delle acque un pregiudizio tale da giustificare il versamento di un’indennità.

2         L’autorità ordina misure di risanamento supplementari per i corsi d’acqua che attraversano paesaggi o biotopi inclusi in un inventario nazionale o cantonale, ovvero qualora altri interessi pubblici preponderanti lo esigano. La procedura di accertamento dell’obbligo di indennizzo e la determinazione dell’ammontare dell’indennizzo sono disciplinati dalla legge federale del 20 giugno 1930 sull’espropriazione.

3         Qualora la disposizione di misure di risanamento supplementari nelle zone inventariate secondo il capoverso 2 concerna piccole centrali idroelettriche, o altri impianti situati lungo corsi d’acqua, che presentano un valore sotto il profilo della protezione dei monumenti, l’autorità pondera gli interessi della protezione dei monumenti e quelli della protezione delle zone inventariate.

 

Inhaltsübersicht

Allgemeine Bemerkungen 1
II.  ​ Sanierungspflicht 3
A. Sanierungspflichtige Anlagen 3
1. Tatbestand 3
2. Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer 6
  3. Bestehendes Wassernutzungsrecht 9
​4. ​Wesentliche Beeinflussung des Fliessgewässers 14
​B. ​Sanierungsverpflichtete 21
​C. ​Umfang der Sanierung 24
III.  ​ ​Ort und Art der Sanierung 29
​A. ​Sanierung der Gewässerstrecke unterhalb der Entnahmestelle 29
​B. ​Arten von Sanierungsmassnahmen 31
IV. ​Sanierung in Normalsituationen (Abs. 1) 32
​A. ​Sanierung bis zur Entschädigungsschwelle 32
​B. ​Verletzung der Substanz als Entschädigungsgrenze – Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit 37
1. Der Schutz wohlerworbener Rechte gegenüber staatlichen Eingriffen 37
2. Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit 40
​C. Vollzugshilfe – Sanierungszahlen 43
V. Weitergehende Sanierung nach Abs. 2 45
A. Sanierungsumfang bestimmt durch Sanierungsbedarf 45
​B. Qualifizierte öffentliche Interessen 47
1. Inventarisierte Landschaften und Lebensräume 47
2. Andere überwiegende Sanierungsinteressen 51
C. Vollzugshilfe – Sanierungszahlen 54
D. Entschädigung 56
1.  Materielle oder formelle Enteignung? 56
​2. ​Entschädigungsbemessung 63
​3. ​Schuldner der Entschädigung 66
VI. ​Sanierung von Entnahmeanlagen mit Denkmalwert (Abs. 3) 67
​VII. ​Verfahren 72
​A. ​Mehrere Verfahrensphasen 72
​B. ​Anordnung der Sanierung 73
​C. ​Eventuell Entscheid über Entschädigung 78
​1. ​Eine weitergehende Sanierung als Ausgangspunkt 78
​2. ​Materielle Enteignung als Folge der Beschränkung des Ausübungsrechts 80
​3. ​Formelle Enteignung infolge Aufhebung des Wassernutzungsrechts 82

 

 

I.              Allgemeine Bemerkungen

1. Art. 80 GSchG gebietet die Sanierung eines Fliessgewässers, das als Folge von Wasserentnahmen bezüglich seiner Restwassersituation wesentlich negativ beeinflusst ist. Art. 80 GSchG enthält keine Regelung für jene Situation, in der die Entnahme andere Gewässermerkmale beeinträchtigt. Eine Sanierungspflicht kann sich aber aus anderen Vorschriften ergeben, so aus Art. 83a GSchG und Art. 10 BGF.

2. Die Art. 80–83 GSchG ergänzen die Regelung von Art. 29–35 GSchG, welche die Restwassermengen bei der Erteilung neuer Wasserentnahme­bewilligungen festlegt. Insgesamt regeln diese Bestimmungen den quantitativen Gewässerschutz gemäss dem bereits beschriebenen Konzept (s. Vor Art. 80–83 GSchG N 5).

 

 

II.           Sanierungspflicht

A.           Sanierungspflichtige Anlagen

1.             Tatbestand

3. Art. 80 GSchG statuiert die Sanierungspflicht, wenn eine Wasserentnahme ein Fliessgewässer wesentlich beeinflusst. Dabei muss die Entnahme auf einem «bestehenden Wassernutzungsrecht», also auf einem wohlerworbenen Recht (s. N 10) beruhen.

4. Weil Sanierungen gemäss Art. 80 GSchG bestehende Wassernutzungsrechte treffen, sind sie aus grundrechtlicher Sicht Eigentumsbeschränkungen; sie müssen daher die Voraussetzungen von Art. 36 und von Art. 26 Abs. 2 BV erfüllen (BGE 139 II 28, E. 2.7.1). Die Gesetzesgrundlage und das öffentliche Interesse sind mit Art. 80–83 GSchG vorgegeben. Die Fragen der Abwägung mit entgegenstehenden Interessen und der Beachtung der Verhältnismässigkeit werden je nach Situation im Anwendungsfall geprüft (s. N 35 f., 45–53, 68). Die Beachtung des Entschädigungsgebots von Art. 26 Abs. 2 BV ist über die differenzierte Ordnung der Abs. 1 und 2 von Art. 80 GSchG sichergestellt.

5. Hinsichtlich des Umfangs der Sanierung unterscheidet Art. 80 GSchG drei Tatbestände (Abs. 1–3; vgl. N 27). Ob eine Pflicht zur Sanierung besteht, bestimmt sich jedoch für alle Sanierungstatbestände nach den gleichen Voraussetzungen.

 

2.             Wasserentnahme aus einem Fliessgewässer

6. Die Begriffe des Fliessgewässers und der Wasserentnahme haben in den Art. 29 ff. und 80 ff. GSchG die gleiche Bedeutung; die beiden Regelungen gehören zusammen (vgl. Vor Art. 80–83 GSchG N 6).

7. Dies bedeutet namentlich, dass die Sanierungspflicht nur für Fliessgewässer mit ständiger Wasserführung gilt (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG, insb. N 41 ff).

8. Relevant sind jene Wasserentnahmen, welche, falls sie neu erstellt würden, einer Bewilligung gemäss Art. 29 GSchG bedürften (Eckert, Restwasser-mengen, 143) und nicht unter die Sonderfälle von Art. 30 Bst. b und c GSchG fielen. Die Pflicht zur Sanierung besteht nicht nur, wenn Wasser dem Fliessgewässer direkt entnommen wird, sondern auch bei Entnahmen aus einem See oder aus dem Grundwasser, welche die Wasserführung im Fliessgewässer wesentlich beeinflussen und deshalb – als Neuanlagen – gemäss Art. 34 GSchG ebenfalls nach Art. 29 GSchG bewilligt werden müssten (Hunger, Sanierungspflicht, 246 f.; zur Wasserentnahme und Gewässerteilung s. Komm. zu Art. 29 GSchG N 26 ff.).^

 

3.             Bestehendes Wassernutzungsrecht

9. Der Wortlaut und die Materialien machen klar, dass die Sanierungsregelung von Art. 80 GSchG in ihrem Anwendungsbereich beschränkt ist: Sie gilt, falls die Wasserentnahme, die sich negativ auf das Gewässer auswirkt, auf einem «bestehenden Wassernutzungsrecht» beruht. Nicht erfasst von Art. 80 GSchG sind Wasserentnahmen mit einer anderen rechtlichen Grundlage (Botschaft GSchG 1987, 1170).

10. «Bestehend» im Sinn von Art. 80 Abs. 1 GSchG ist ein Wassernutzungsrecht, wenn es die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts aufweist. Die Erläuterungen zum Gesetzestext in der französischen Fassung der Botschaft von 1987 sprechen ausdrücklich von wohlerworbenen Rechten («droits acquis»; Message LEaux 1987, 1193), und das BGer hat 2001 im Urteil «Waeber c. Kanton Freiburg» diese Gleichsetzung übernommen (BGer 1A.320/2000 vom 20. September 2001, E. 3a, bb, in: URP 2001, 1053 ff. = SemJud 2002 I, 91 ff.; vgl. auch Eckert, Restwassermengen, 143 f.). Wohlerworben sind die aus einer Konzession (Art. 43 Abs. 1 WRG) und die aus einem historischen («ehehaften») Titel abgeleiteten Wassernutzungsrechte (BGer 1A.320/2000 vom 20. September 2001, E. 3a, bb, cc, in: URP 2001, 1053 ff. = SemJud 2002 I, 91 ff.). Der Umfang der Wohlerworbenheit muss im konkreten Fall genau ermittelt werden. Das Gesetz und der Begründungsakt enthalten bezüglich des verliehenen Rechts regelmässig Einschränkungen und Vorbehalte; in dem von ihnen erfassten Bereich kann keine wohlerworbene Position entstehen (Riva, Wohlerworbene Rechte, 100–103).

11. Nicht wohlerworben und damit nicht bestehend im Sinn von Art. 80 GSchG ist ein Recht auf Wasserentnahme, das auf einer blossen Bewilligung beruht. Liegt diese Situation vor und beeinflusst die Entnahme das Gewässer in wesentlicher Weise, muss nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers eine umfassende, die Vorgaben von Art. 31–33 GSchG einhaltende Sanierung stattfinden («Durch Wasserentnahmen beeinflusste Fliessgewässer sind immer dann durch Massnahmen, wie sie für neue Entnahmen gelten, zu sanieren, wenn das Wasser nicht aufgrund bestehender Wasserrechte genutzt wird», Botschaft GSchG 1987, 1170, [Hervorhebung durch Autor]). Die zuständige Behörde ist gehalten, die bisherige Bewilligung zu widerrufen und, falls die Wasserentnahme fortgesetzt werden soll, eine neue Bewilligung mit Restwassermengen entsprechend den Vorgaben von Art. 31–33 GSchG zu erteilen. Dabei hat sie jedoch Rücksicht zu nehmen auf das berechtigte Vertrauen der Bewilligungsträgerin, etwa indem sie für die Sanierungsmassnahmen eine zeitliche Staffelung vorsieht, welche eine Abschreibung der rechtmässig getätigten Investitionen ermöglicht.

12. Erfolgt die Wasserentnahme ohne Rechtstitel, ist sie widerrechtlich. Eine derartige Situation lässt sich für die Zukunft nur legalisieren, indem die zuständige Behörde den erforderlichen Rechtstitel erteilt. Sie muss dabei die Restwasservorschriften von Art. 31 ff GSchG anwenden (BGer 1C_718/2013 vom 20. März 2014, E. 5, in: URP 2014, 289 ff.).

13. Entnimmt das Gemeinwesen, dem die Gewässerhoheit zusteht, selber Wasser und beeinflusst es so ein Fliessgewässer in wesentlicher Weise, ist je nach Situation eine Restwassermenge nach Art. 31 ff. GSchG festzulegen oder eine Sanierung nach Art. 80 GSchG durchzuführen. Die Restwasservorschriften des GSchG gelten auch für die Träger der Gewässerhoheit (Botschaft GSchG 1987, 1128). Das Gemeinwesen braucht eine Bewilligung nach Art. 29 GSchG, wenn es einem Fliessgewässer neu Wasser entnehmen will (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 21). Nicht erforderlich ist jedoch eine weitere Konzession oder Bewilligung, um das entnommene Wasser zu nutzen (vgl. Art. 3 WRG). In der Konstellation einer vom Träger der Gewässerhoheit betriebenen Wasserentnahme sind die Vorgaben von Art. 80 GSchG sinngemäss anzuwenden (Eckert, Restwassermengen, 145). Auszugehen ist von der gesetzlichen Maximaldauer für eine Wassernutzungskonzession von 80 Jahren (Art. 58 WRG). Längstens innert dieser Frist muss die Anlage abgeschrieben sein (BGE 127 II 69, E. 5b); es besteht dann kein Grund mehr für die Schonung getätigter Investitionen. Hat nun die Wasserentnahme bereits 80 oder mehr Jahre seit der Betriebsaufnahme gedauert, ist das Gemeinwesen verpflichtet, für die Entnahme die Restwasservorschriften von Art. 30 ff. GSchG einzuhalten. Liegt die Betriebsaufnahme weniger lang zurück, muss eine Sanierung nach Art. 80 GSchG stattfinden. In beiden Fällen ist der entsprechende Entscheid in einem Verfahren zu treffen, das Drittbetroffenen und Schutzorganisationen die gleichen Mitwirkungsrechte wie im Normalfall eröffnet und das mit einem anfechtbaren Entscheid abgeschlossen wird (vgl. N 73–76).

 

4.             Wesentliche Beeinflussung des Fliessgewässers

14. Die Sanierungspflicht entsteht, wenn Wasserentnahmen die Restwasser­verhältnisse im Fliessgewässer wesentlich negativ beeinflussen.

15. Der Begriff «wesentlich beeinflusst» erscheint in mehreren Bestimmungen des GSchG zur Frage des Restwassers, doch bezieht er sich jeweils auf unterschiedliche Objekte (Abflussmenge Q347 in Art. 4 Bst. h GSchG; Wasserentnahmen aus Seen und Grundwasservorkommen in Art. 29 Bst. b GSchG und Art. 34 GSchG; beeinträchtigte Restwasserverhältnisse in Art. 80 GSchG). Sein Sinn muss deshalb für jede dieser Normen eigenständig ermittelt werden.

16. In den Materialien zu Art. 80 GSchG fehlen erläuternde Aussagen. Es darf angenommen werden, dass der Gesetzgeber – entsprechend der Grundentscheidung, die umfassende Sanierung der ungenügenden Restwasserverhältnisse auf den Zeitpunkt der Neuerteilung des Wassernutzungsrechts hinauszuschieben – mit dem Erfordernis der wesentlichen Beeinflussung die Sanierungspflicht in Bagatellfällen ausschliessen wollte. Beurteilungsgrösse ist in erster Linie die Abwei­chung des Fliessgewässers in seinem heutigen, beeinträchtigten Zustand von einer Restwassersituation, die den Anforderungen von Art. 30–33 GSchG entsprechen würde; die Abweichung muss eine gewisse Intensität haben. Bedeutung hat sodann der Wert, der dem Gewässer als Teil eines ökologischen Systems oder einer Landschaft zukommt.

 

17. Keine wesentliche Beeinflussung ist in drei Fällen gegeben:

·       Die Wasserentnahme bleibt innerhalb des Rahmens der Tatbestände von Art. 30 Bst. b und c GSchG. Solche Entnahmen sind bewilligungspflichtig, doch gelten für sie die Restwasservorschriften von Art. 31–33 GSchG nicht.

·       Der Wasserlauf unterhalb der Entnahmestelle entspricht den Anforderungen von Art. 31–33 GSchG vollständig. Der Gesetzgeber hat Beeinflussungen jenseits dieser Grenze als zulässig erklärt und damit implizit den Sanierungsbedarf verneint (s. N 25).

·       Die Entnahme ist kleiner als die durchschnittliche Schwankung der jährlichen natürlichen Abflussmenge Q347. Zwar werden Schwankungen bis zu 20 % von Q347 bereits mit Art. 30 Bst. b GSchG aufgefangen (Botschaft GSchG 1987, 1128, Bemerkung zu Art. 30). Bisweilen übersteigt die durchschnittliche Schwankung eines Gewässers jedoch 20 % von Q347; auch in dieser Situation ist eine unwesentliche Beeinflussung anzunehmen (BUWAL, Sanierungsbericht, 16–19).

18. Eine wesentliche Beeinflussung ist andererseits gegeben, wenn die Restwas-serverhältnisse unter den Vorgaben von Art. 31 GSchG liegen. Die Abs. 1 und 2 definieren jene Mindestmenge an Restwasser, die erforderlich ist, um die biologischen Funktionen des Gewässers sicherzustellen; sie markieren die «Alarmgrenze» (Botschaft GSchG 1987, 1129 ff.; s. Komm. zu Art. 31 GSchG). Wird bei einer bestehenden Anlage so viel Wasser entnommen, dass diese Mindestmenge unterschritten ist, ist das Fliessgewässer schwer beeinträchtigt, also wesentlich beeinflusst. Die Praxis geht allerdings so vor, dass jeweils die Restwassermenge grob abgeschätzt wird, die bei einer Neukonzessionierung der Entnahme einzuhalten wäre; dabei wird auch die Möglichkeit einer Ausnahme gemäss Art. 32 GSchG berücksichtigt (dazu N 28). Wenn dieser Vergleich eine Restwassersituation zeigt, die auch unter Einbezug der Ausnahmemöglichkeit von Art. 32 GSchG den Anforderungen von Art. 31 GSchG nicht genügt, ist das Fliessgewässer wesentlich beeinflusst.

19. Sind zwar die Vorgaben von Art. 31 GSchG, nicht aber jene von Art. 33 GSchG respektiert, kann eine wesentliche Beeinflussung vorliegen. Erforderlich ist in diesem Zwischenbereich eine Beurteilung der Restwassersituation aufgrund der gesamten Umstände.

20. Die «wesentliche Beeinflussung» ist ein Begriff des Bundesrechts. Er gibt der anwendenden Behörde zwar einen Beurteilungsspielraum, doch unterliegen seine Auslegung und Anwendung der Prüfung durch die Gerichte.

 

B.            Sanierungsverpflichtete

21. Das GSchG macht keine Aussage darüber, wer zur Sanierung verpflichtet ist. Der Gesetzgeber ging offenbar – im Sinn einer Selbstverständlichkeit – davon aus, dass die Pflicht den Inhaber der Anlage bzw. den Empfänger der Bewillligung nach Art. 29 GSchG trifft. Er ist Störer im polizeirechtlichen Sinn (s. Komm. zu Art. 3a GSchG N 23 ff.) und in der Lage, die Sanierung faktisch durchzuführen. Diese Lösung stimmt überein mit der allgemeinen Sanierungsregelung im Immissionsschutz (Art. 16 Abs. 3 USG) und mit den Be-stimmungen zur Behebung von Schwall‑ und Sunkphänomenen und zur Sanierung des Geschiebehaushalts, die 2011 in das GSchG aufgenommen wurden (Art. 39a, 43a und 83a GSchG). Sie wird auch von der Lehre vertreten (s. Komm. zu Art. 3a GSchG N 69 ff.; Hunger, Sanierungspflicht, 271).

22. Sanierungspflichtig sind insbesondere auch Gemeinwesen, welche als Träger der Gewässerhoheit selber Entnahmeanlagen betreiben (vgl. N 13), und die Inhaber ehehafter Wasserrechte. Der Umstand, dass für solche Wasserentnahmen keine förmliche Bewilligung erteilt wurde oder nachweisbar ist, ändert an der Pflicht nichts.

23. Die Sanierungspflicht beinhaltet primär die Obliegenheit, nach Anordnung der zuständigen Behörde die erforderlichen Massnahmen durchzuführen. Sekundär folgt aus ihr die Last, die Kosten der Sanierung zu tragen (s. Komm. zu Art. 3a GSchG N 69 ff.).

 

C.           Umfang der Sanierung

24. Zwei Gruppen von Vorschriften bestimmen den gebotenen Umfang der Sanierung, nämlich einerseits die Art. 30 ff. GSchG, welche die Restwassermengen für neue bzw. neu konzessionierte Wasserentnahmen festlegen, und anderseits Art. 80 GSchG mit den drei in den Abs. 1–3 unterschiedenen Tatbeständen.

25. Das Maximum der möglichen Verbesserungen, welche eine beeinträchtigte Restwassersituation durch die Sanierung erreichen kann, liegt in einem Zustand, der den Anforderungen der Art. 31 bis 33 GSchG bzw. von Art. 30 Bst. b und c GSchG voll entspricht. Diesen Zustand schreibt das Gesetz bei der Neuerteilung von Wasserentnahmerechten vor; darüber hinaus gehende Restwassermengen verlangt es in keinem Fall. Auf der andern Seite wird der Ausgangspunkt der Sanierung durch die bestehende, als Folge der Wasserentnahmen wesentlich beeinflusste Restwassersituation markiert. Art. 80 GSchG ordnet zwingend an, dass sie verbessert werden muss. Die Belassung des bisherigen Zustands – also die Nichtsanierung – wäre gesetzesverletzend.

26. Der Sanierungsbereich liegt somit im Bereich zwischen «besser als Ist-Zu­stand» und «Zustand bei Neubewilligung». «Sanierungsziel ist grund­sätzlich, dass die Wasserführung den Vorschriften der Art. 31–33 GSchG über die Mindestrestwassermengen möglichst nahekommt bzw. dass der ökologische Zustand der Gewässer mit Entnahmen so optimiert wird, dass er den Verhältnissen bei ausreichender Mindestrestwassermenge möglichst weitgehend entspricht» (BGE 139 II 28, E. 2.7.3). Die in Art. 31 GSchG festgelegten Restwasserminima haben im Rahmen einer Sanierung die Bedeutung einer Zielgrösse, nicht einer zwingend zu erreichenden Vorgabe.

27. Innerhalb dieses Rahmens legt Art. 80 GSchG den Sanierungsumfang unterschiedlich fest. Im Normalfall (Abs. 1) muss die Sanierung so weit gehen, als es «ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist» (s. N 32 ff.). Sind jedoch Fliessgewässer betroffen, die sich in inventarisierten Landschaften oder Lebensräumen befinden oder an denen ein anderes grosses öffentliches Interesse besteht, soll die Sanierung – ohne Abhängigkeit von allfälligen Entschädigungsfolgen – so weit getrieben werden, als es zur Wahrung dieser Interessen nötig ist (Abs. 2; s. N 45 ff.). Eine Relativierung zu Abs. 2 bringt Abs. 3 für Wasserkraftanlagen mit Denkmalwert (s. N 67 ff.).

28. Die Frage stellt sich, ob bei der Festlegung der Sanierung auch die Ausnahmemöglichkeiten von Art. 32 GSchG zu berücksichtigen sind, welche für die Neubewilligung von Wasserentnahmerechten gelten. Dies ist zu bejahen. Die Begründung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Sanierung im besten Fall Restwasserverhältnisse herbeiführt, wie sie bei einer Neubewilligung der Wasserentnahmen festzulegen wären. Für diesen Entscheid ist aber die gesamte Regelung der Art. 31–33 GSchG relevant, mit Einschluss der Ausnahmetatbestände gemäss Art. 32 GSchG (vgl. Hunger, Sanierungs-pflicht, 272). Nicht alle Ausnahmetatbestände von Art. 32 sind im Kontext einer Sanierung anwendbar. Bst. d (Notsituationen) betrifft vorübergehende Situationen, kann also die Sanierung nicht berühren. Eine Schutz‑ und Nutzungsplanung gemäss Bst. c setzt voraus, dass in einem grösseren Gebiet ein Ausgleich zwischen Nutzungs‑ und Ökologieinteressen gefunden wird; ein solcher Ausgleich lässt sich im Sanierungsverfahren höchstens sinngemäss herbeiführen, wenn die Sanierung ein ganzes Wasserentnahmesystem erfasst (vgl. N. 30).

 

III.        Ort und Art der Sanierung

A.           Sanierung der Gewässerstrecke unterhalb der Entnahmestelle

29. Gemäss der deutschen Fassung von Art. 80 Abs. 1 GSchG ist das Fliessgewässer «unterhalb der Entnahmestellen» zu sanieren. Der deutsche Wortlaut könnte den Eindruck vermitteln, die Sanierungsmassnahmen müssten unterhalb der Entnahme erfolgen. Dies trifft nicht zu: Aus den drei Sprachversionen gemeinsam wird klar, dass Objekt der Sanierung das Fliessgewässer auf der (beeinträchtigten) Strecke unterhalb des Wasserentnahmeorts ist («assainir son cours aval», «il suo corso a valle»). Über den Ort, an dem die Sanierungsmassnahmen ansetzen sollen, macht das Gesetz keine Aussage; die Sanierung kann unmittelbar die Entnahme selber betreffen.

30. Art. 80 GSchG schreibt für jedes durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusste Fliessgewässer die Sanierung vor. In der Praxis erfasst eine Sanierung aber oft ein ganzes Wasserentnahmesystem und ist so ausgestaltet, dass nur einzelne Gewässer saniert werden und die übrigen nicht. Im Entscheid Misoxer Kraftwerke hat das BGer dies implizit als zulässig erklärt (BGE 139 II 28, 35 ff, E. 2.7.3 und 2.8.1; vgl. auch BUWAL, Sanierungsbericht Wasserentnahmen, 27 in fine; Hunger, Sanierungspflicht, 272). Ihre Rechtfertigung findet diese Vorgehensweise in der Beschränkung des Sanierungsumfangs, die Art. 80 Abs. 1 GSchG für den Normalfall vorgibt. Die Sanierung muss die Substanz des wohlerworbenen Nutzungsrechts wahren, also für den Werkeigentümer wirtschaftlich tragbar sein (vgl. N 40 ff.). Die wirtschaftliche Tragbarkeit bezieht sich auf das Werk als ganzes, welches mehrere Wasserentnahmen umfassen kann. Es liegt im Sinn des Gesetzes, die limitierten Sanierungsmöglichkeiten auf jene Wasserentnahmen zu konzentrieren, bei welchen die grösste ökologische Verbesserung erzielt werden kann.

 

B.            Arten von Sanierungsmassnahmen

31. Die Sanierung hat zum Ziel, die Restwassersituation zu verbessern. Das Instrumentarium zur Erreichung dieses Ziels beschränkt sich nicht darauf, die Dotierwassermenge zu erhöhen. Bauliche und betriebliche Vorkehren kommen ebenso in Betracht (vgl. explizit die Botschaft GSchG 1987, 1170; Art. 38 Abs. 3 Bst. c GSchV). Es steht der ganze Fächer von Möglichkeiten zur Verfügung, den Art. 35 Abs. 1 GSchG bei neuen Wasserentnahmen zur Sicherung angemessener Restwasserverhältnisse öffnet (Caviezel, Sanierung, passim, bes. 13–18; Eckert, Restwassermengen, 149; BGE 139 II 28, E. 2.7.3; ein konkretes Beispiel für die Kombination erhöhter Dotierwassermengen mit betrieblichen Massnahmen gibt BGer 1C_119/2012 vom 20. September 2012, in: URP 2012, 631 ff.).

 

 

IV.        Sanierung in Normalsituationen (Abs. 1)

A.           Sanierung bis zur Entschädigungsschwelle

32. Gemäss der Anordnung von Art. 80 Abs. 1 GSchG hat die Sanierung der Restwasserverhältnisse im Normalfall so weit zu gehen, «als dies ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist». Das Ausmass der Sanierung wird durch die Verweisung auf eine Entschädigungsgrenze bestimmt. Der Grund für diese singuläre Vorschrift liegt in der Doktrin der wohlerworbenen Rechte: In Art. 80 GSchG mit dem Begriff «bestehende Wassernutzungsrechte» erfasst (vgl. N 10), sind sie gegen verkürzende Eingriffe von Seiten des Staats besonders gut geschützt. Überschreitet der Eingriff eine gewisse Intensität, ist er nur zulässig, wenn der Inhaber des Rechts entschädigt wird.

33. Die zuständige Behörde muss in ihrem Entscheid die Sanierung so festlegen, dass die Auswirkungen – in Form von Reduktionen der nutzbaren Wassermenge oder Aufwendungen für betriebliche und bauliche Umgestaltungen – gerade diesseits der Entschädigungsgrenze bleiben, also vom Rechteinhaber ohne Anspruch auf Entschädigung zu tragen sind. Die Aufgabe ist höchst anspruchsvoll. Die Behörde muss den Punkt ermitteln, bei welchem der Intensitätsgrad der in Frage kommenden Sanierungsmassnahmen die Entschädigungspflicht auslösen würde, und anschliessend eine Sanierung anordnen, die genau bis zu diesem Punkt geht. Der Wortlaut der drei Sprachfassungen und die Materialien sind diesbezüglich eindeutig: «[D]ie anzuordnenden Sanierungsmassnahmen [finden] ihre Grenze dort, wo eine Entschädigungspflicht des Gemeinwesens einsetzen würde. Die Behörde wird verpflichtet, alle im Rahmen dieser Grenzen bestehenden Sanierungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen» (Botschaft GSchG 1987, 1170; BGE 139 II 28, E. 2.7.1, 2.7.3).

34. Weil der Sanierungsumfang von der Entschädigungsgrenze bestimmt wird, ist diese ein zentrales Thema des Sanierungsverfahrens. Im Beschwerdefall können die beteiligten Parteien rügen, die Entschädigungsgrenze sei falsch ermittelt und damit den Umfang der Sanierung zu hoch oder zu tief angesetzt worden.

35. Mit der Regelung von Art. 80 Abs. 1 GSchG hat der Gesetzgeber zugleich die Abwägung der relevanten ökologischen, energiepolitischen und wirt­schaftlichen Interessen selber vorgenommen: Sanierungen bis zur Ent­schädigungsschwelle entsprechen einem überwiegenden öffentlichen Interesse; dieser Entscheid ist für die Behörden verbindlich (BGE 139 II 28, E. 2.7.1; Riva, Wohlerworbene Rechte, 142–146, 177 f; die in BUWAL, Sanierungsbericht Wasserentnahmen, 13 und 24–27, vertretene anderslautende Auffassung ist mit dem Urteil «Misoxer Kraftwerke» obsolet geworden).

36. Dieser gesetzgeberische Entscheid wirkt sich auch auf die Anwendung des Verhältnismässigkeitsgebots aus: Die Behörde muss sicherstellen, dass das Sanierungsziel mit den von ihr angeordneten Massnahmen erreicht wird (Kriterium der Eignung). Sie darf geeignete Massnahmen nicht ausschliessen, wenn diese die Zielerreichung ebenfalls ermöglichen, aber für den Werkeigentümer weniger belastend sind (Kriterium der Erforderlichkeit). Nicht weiter zu prüfen ist jedoch die Zumutbarkeit des Eingriffs; diese hat der Gesetzgeber bereits selber bejaht (BGE 139 II 28, E. 2.7.1, mit der Ergänzung: «Kann mit einer Sanierung keine nennenswerte Verbesserung erreicht werden, fehlt ein öffentliches Interesse und sind die Sanierungsmassnahmen unverhältnismässig.»).

B.            Verletzung der Substanz als Entschädigungsgrenze –Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit

1.             Der Schutz wohlerworbener Rechte gegenüber staatlichen Eingriffen

37. Der Schutz, welcher den wohlerworbenen Rechten – im vorliegenden Zu­sammenhang den mittels Konzession verliehenen und den historisch vor­bestandenen, ehehaften Wassernutzungsrechten (s. N 10) – gegenüber staatlichen Eingriffen und Verkürzungen zukommt, leitet sich aus den Grundrechten der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und des Vertrauensschutzes (Art. 9 Abs. 2 BV) her. Absolut ist dieser Schutz jedoch nicht. Anders als es eine frühere Lehre vertrat, sind die wohlerworbenen Rechte nicht schlechtweg gesetzes‑ und widerrufsfest. Zu den Prärogativen des Staats gehört es, neue Regelungen zu erlassen und anzuwenden, mögen diese auch bestehende Positionen der Privaten beeinträchtigen. Gegenüber privaten Positionen, welche die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts haben, ist der Staat indessen zu besonderer Rücksicht verpflichtet; schränkt er sie ein, kann ihn je nach den Umständen eine Entschädigungspflicht treffen (zum ganzen Riva, Wohlerworbene Rechte, 69–100, mit Nachweisen).

38. Nach der Rechtsprechung liegt die Grenze, jenseits welcher ein staatlicher Eingriff in ein wohlerworbenes Recht nicht bzw. nur gegen Entschädigung zulässig ist, bei der Substanz des Rechts; Eingriffe in die Substanz sind entschädigungspflichtig (grundlegend BGE 107 Ib 140). Der Begriff der Substanz lässt sich positiv nicht griffig umschreiben. An die Stelle einer Umschreibung tritt in der Rechtsprechung des BGer das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit der staatlichen Massnahme (BGE 107 Ib 140, E. 6b139 II 28, E. 2.7.2). Zu fragen ist, ob die Folgen des staatlichen Eingriffs für den Inhaber des Rechts wirtschaftlich tragbar sind. Trifft dies zu, ist die Substanz des Rechts gewahrt. Muss die wirtschaftliche Tragbarkeit verneint werden, ist die Substanz verletzt.

39. Im Urteil «Misoxer Kraftwerke» hat das BGer 2012 den Gehalt der wirtschaftlichen Tragbarkeit wie folgt umschrieben: «Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist darauf gerichtet, den Wert rechtmässig getätigter Investitionen zu bewahren. Wer die aus dem wohlerworbenen Recht fliessenden Befugnisse umsetzt und zu diesem Zweck Investitionen tätigt, soll bezüglich der wirtschaftlichen Folgen, in deren Erwartung er seinen Investitionsentscheid fällte, vor staatlichen Beeinträchtigungen geschützt sein. Es muss möglich sein, während der angenommenen Existenzdauer des geschaffenen Werks die Investitionen zu amortisieren, fremdes und eigenes Kapital angemessen zu verzinsen, die laufenden Kosten zu decken und eine ausreichende Liquidität aufrechtzuerhalten. Um diese Ziele zu erreichen, muss das Werk den nötigen Ertrag abwerfen. Wirtschaftlich tragbar sind staatliche Eingriffe daher, wenn sie in ihren Auswirkungen diese Mindestrentabilität des Werks intakt lassen. Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist folglich auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit eines Werks und auf den Investitionsschutz ausgerichtet und basiert damit auf den glei­chen Prinzipien, welche die Eigentumsgarantie und den Vertrauensschutz bestimmen» (BGE 139 II 28, E. 2.7.2).

 

2.             Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit

40. Die für die Sanierung in Frage kommenden Massnahmen beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit des Werks in unterschiedlicher Weise. Aufgabe der zuständigen Behörde ist es, jenes Massnahmepaket zu bestimmen, welches die Restwassersituation am wirkungsvollsten verbessert und gleichzeitig gewährleistet, dass das Werk weiter in wirtschaftlich tragbarer Weise betrieben werden kann.

41. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit hängt von mehreren Faktoren ab:

·       Beurteilungsgrösse ist das Werk, für welches die Konzession erteilt wurde; es kann mehrere Wasserentnahmen umfassen. Die beim Werk gegebenen konkreten Verhältnisse müssen ermittelt werden (Riva, Wohlerworbene Rechte, 171–174). Nicht in Frage kommt die Anwendung eines abstrakten Rechnungsmodells (BGE 139 II 28, E. 2.7.4).

Die Einzelbetrachtung ist besonders auch geboten, wenn ein Werk – wie dies in der Schweiz häufig der Fall ist – im Eigentum eines oder mehrerer Stromversorgungsunternehmen steht («Partnerwerk»). Die Verzerrungen, die sich beim Aufwand und Ertrag solcher Werke infolge der Einbindung in ein anderes Unternehmen ergeben können, müssen für die Bewertung ausgeblendet werden.

·       Sanierungsmassnahmen wirken sich regelmässig negativ auf die Wirtschaftlichkeit des Werks aus: Erhöhungen der Dotierwassermenge vermindern die Elektrizitätsproduktion; andere Massnahmen führen zu einer Steigerung des Aufwands. Die Veränderungen auf der Produktions‑ und Erlösseite sind zu ermitteln und in Relation zum Ausgangszustand zu setzen.

Für den Ausgangszustand ist wegen der Schwankungen, die bei der Stromproduktion aufgrund der unterschiedlichen Niederschlagsmengen auftreten, auf einen ausreichend langen, repräsentativen Zeitraum abzustellen (BGE 139 II 28, E. 2.7.3; in diesem Fall erachtete das BGer die von der Vorinstanz beigezogene Zeitperiode als nicht repräsentativ, E. 2.8.4).

Ausnahmsweise lassen sich die negativen Auswirkungen von Sanie­rungsmassnahmen teilweise kompensieren. So kann es etwa bei günstigen Verhältnissen möglich sein, auch das Dotierwasser zur Stromproduktion einzusetzen.

Aus den erhobenen Daten ergeben sich die Veränderungen bezüglich Produktion und Erlös, die als Folge der evaluierten Sanierungsmassnahmen zu erwarten sind. Diese Veränderungen sind aber noch kein Mass für die wirtschaftliche Tragbarkeit. Sie müssen in Beziehung gesetzt werden zur Gesamtsituation des untersuchten Werks, namentlich zu seiner Rentabilität und zu seinen zukünftigen Aussichten (Riva, Wohlerworbene Rechte, 169–171). Für ein Werk mit einer guten Rentabilität können Sanierungsmassnahmen ohne weiteres tragbar sein, die bei einem Werk mit schlechter Rentabilität untragbar wären. Eben deshalb kann der zulässige Umfang der Sanierung nicht abstrakt, losgelöst von der Prüfung des Einzelfalls festgelegt werden.

Nicht berührt ist die wirtschaftliche Tragbarkeit, wenn die Erlöseinbussen aus den Sanierungsmassnahmen auf die Abnahmepreise der Elektrizität überwälzt werden können (Riva, Wohlerworbene Rechte, 165 f.).

·       Auf die Ertragslage des Werks wirkt sich günstig aus, wenn in der Vergangenheit die Investitionen grosszügig abgeschrieben werden konnten (BGer 1C_119/2012 vom 20. September 2012, E. 4.6, in: URP 2012, 631 ff., BGE 139 II 28, E. 2.7.4, 2.8.3). Dies geschah für zahlreiche schweizerische Wasserkraftwerke in der jüngeren Vergangenheit, besonders da die Strompreise während des Jahrzehnts bis 2010 hoch lagen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Eigentümer der Werke davon profitierten, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Restwassersanierungen lange nicht angeordnet wurden.

·       Im Urteil «Misoxer Kraftwerke» erklärte das BGer, bei relativ ungünstigen betrieblichen Verhältnissen dürften Produktions‑ bzw. Erlöseinbussen von 1–2 %, bei durchschnittlichen Verhältnissen Produktions‑ bzw. Erlöseinbussen von bis zu 5 % und bei einer guten bis sehr guten Ertragslage und entsprechend abgeschriebenen Anlagen auch Einbussen von mehr als 5 % in den Bereich des Tragbaren fallen (BGE 139 II 28, E. 2.7.4; in E. 2.8.5 äussert sich das Gericht fallbezogen und prüft getrennt die Produktioneinbussen und die daraus folgenden Erlösminderungen anhand unterschiedlicher Sanierungsvarianten). Mit dieser Aussage verlangt das BGer jedoch nicht die Bildung von drei Klassen von Werken, für welche dann in mechanischer Weise eine vorbestimmte Bandbreite von Produktions‑ bzw. Erlöseinbussen als wirtschaftlich tragbar befunden werden könnte. Dem Gericht geht es darum, die Relativität prozentualer Produktions‑ und Erlöseinbussen aufzuzeigen und Grössenordnungen des wirtschaftlich Tragbaren zu benennen.

Wichtig ist die spezifische Aussage, dass relativ ungünstige betriebliche Verhältnisse bei einem Werk nicht von einer Restwassersanierung dispensieren. Bedeutsam ist die Aussage namentlich für zwei Situationen. In der Vergangenheit sind Wasserkraftwerke gebaut worden, von denen im Zeitpunkt der Erstellung bekannt war, dass sie nicht rentabel würden arbeiten können (so das Kraftwerk Pradella-Martina im Unterengadin, BGE 115 Ib 224, nicht publ. E. 4h). Zudem gibt es bei den schweizerischen Wasserkraftwerken relevante Effizienzunterschiede; gewisse Werke weisen eine tiefe Effizienz auf, mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Ertragslage (Banfi/Filippini, RRT, 2303 f.). Auch solche Werke unterstehen der Sanierungspflicht. Die Sanierung wird allerdings weniger weit gehen können als bei einem gut geführten Werk mit hoher Rentabilität.

42. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist Rechts-, nicht Sach­verhaltsfrage

C.           Vollzugshilfe – Sanierungszahlen

43. Hinweise zum praktischen Vorgehen gibt die 1997 vom BUWAL heraus­gegebene Schrift «Sanierungsbericht – Wasserentnahmen Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz»; sie ist allerdings teilweise überholt, namentlich durch BGE 139 II 28.

44. Das BAFU ermittelte per Ende 2012 und 2014 den Stand der Restwassersanierungen. Von den bis Ende 2012 gesamthaft angeordneten 487 Sanierungen stützten sich 311 auf Abs. 1 und 24 auf Abs. 2 von Art. 80 GSchG; der Rest erfolgte im Rahmen einer Neukonzessionierung des Werks (BAFU, Stand Restwassersanierung 2012, Anh. 2). Ende 2014 lag der Stand bei gesamthaft 656 Sanierungen. Davon waren 430 nach Abs. 1 und 24 nach Abs. 2 von Art. 80 GSchG verfügt worden; in den restlichen 202 Fällen wurde die Sanierung über eine Neukonzessionierung der Anlage herbeigeführt (BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, Anh. 2).

 

 

V.           Weitergehende Sanierung nach Abs. 2

A.           Sanierungsumfang bestimmt durch Sanierungsbedarf

45. Im Normalfall bestimmen die Gesichtspunkte der Rücksicht auf die wohlerworbenen Wassernutzungsrechte und der Schonung der öffentlichen Finanzen den Umfang der Sanierung. Es gibt jedoch Situationen, in denen das öffentliche Interesse, die Beeinträchtigung des Fliessgewässers zu beheben, besonders ausgeprägt ist. In diesen Situationen genügt eine Sanierung nach den Vorgaben von Art. 80 Abs. 1 GSchG nicht. Der Gesetzgeber hat mit Art. 80 Abs. 2 GSchG deshalb eine lex specialis zu Abs. 1 geschaffen. Sie verpflichtet die Behörde, eine Sanierung anzuordnen, welche sich nicht an den allfälligen Entschädigungsfolgen orientiert, sondern einen aus Sicht des öffentlichen Interesses tragbaren Zustand herbeiführt. Die Pflicht besteht, wenn das Fliessgewässer durch eine Landschaft oder ein Biotop von – durch Inventaraufnahme anerkannter – nationaler oder kantonaler Bedeutung fliesst, oder wenn andere überwiegende öffentliche Interessen eine weitergehende Sanierung verlangen.

46. Das BGer hat 2012 im Urteil «Misoxer Kraftwerke» (BGE 139 II 28) mehrere Aussagen zur Anwendung von Abs. 2 gemacht (vgl. dazu Largey, Assainissement des cours d’eau, 105 ff.):

·       Ausgangspunkt bildet das Sanierungsziel. Es hat dann aber eine Interessenabwägung stattzufinden; die Sanierung muss verhältnismässig sein (E. 3.7). Im konkreten Fall entschied das Gericht, es sei unverhältnismässig, die aufgrund von Art. 80 Abs. 1 GSchG festgelegte und aus fischereibiologischer Sicht ausreichende Dotierwassermenge um das Zehnfache zu erhöhen, um eine sachgerechte Sanierung eines Auen‑ und Amphibienlaichgebiets von nationaler Bedeutung herbeizuführen (E. 3.8.2).

·       Sich abstützend auf die Botschaft GSchG 1987 erachtet das Gericht «eine Fokussierung auf die wichtigsten Massnahmen [als] unabdingbar. Eine Priorisierung von Objekten von nationaler Bedeutung ist dabei grundsätzlich zulässig, darf aber nicht dazu führen, dass Objekte von regionaler Bedeutung von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 80 Abs. 2 GSchG herausfallen» (E. 3.7).

·       Dem Sanierungsentscheid müssen «gründliche und umfassende Ab­klärungen» vorausgehen (E. 3.8.1).

·       Die konkrete Situation kann sich so präsentieren, dass bereits die korrekt festgelegte Restwassersanierung nach Art. 80 Abs. 1 GSchG die Ziele von Abs. 2 erreicht, so dass sich weitergehende Massnahmen erübrigen (E. 3.8.3).

 

B.            Qualifizierte öffentliche Interessen

1.             Inventarisierte Landschaften und Lebensräume

47. Der erste Tatbestand der weitergehenden Sanierung liegt vor, wenn das durch Wasserentnahmen wesentlich beeinflusste Fliessgewässer Bestandteil einer inventarisierten Landschaft oder eines inventarisierten Lebensraums (Biotops) ist. Relevant sind die nationalen und die kantonalen Inventare, also die Inventare, die von einer eidgenössischen oder einer kantonalen Behörde erlassen wurden.

48. Relevant ist eine Inventaraufnahme auch, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Wasserentnahme bereits erstellt war (BGE 139 II 28, E. 3.8.1).

49. Nach Auffassung der Fachbehörde des Bunds gilt die Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sanierung nur unter der Voraussetzung, dass dem Fliessgewässer für das Schutzobjekt eine eigenständige Bedeutung zukommt. Fehlt diese Relevanz, ist eine normale Sanierung nach Abs. 1 durchzuführen (BUWAL, Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, 13, 42, 46 ff.).

50. Massgebend für den Umfang der Sanierung nach Abs. 2 sind die Schutzziele, welche das Inventar für die betreffende Landschaft bzw. für den Lebensraum festlegt (BUWAL, Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, 7, 64 f.). In den Grenzen der Anforderungen, die sich aus Art. 31 und 33 GSchG ergeben, und unter Beachtung der Verhältnismässigkeit sind die nötigen Massnahmen anzuordnen, um die Restwasserverhältnisse dem Schutzziel bestmöglich anzunähern.

 

2.             Andere überwiegende Sanierungsinteressen

51. Auch bei einem Fliessgewässer, das nicht Bestandteil eines Inventarobjekts bildet, kann ein besonders intensives öffentliches Interesse an der Wiederherstellung akzeptabler Restwasserverhältnisse bestehen. Für diese Situation schreibt Art. 80 Abs. 2 GSchG ebenfalls eine über die Begrenzung von Abs. 1 hinausgehende Sanierung vor. Die Restwasserverhältnisse sollen soweit verbessert werden, als das im Spiel stehende öffentliche Interesse es verlangt.

52. Art. 80 Abs. 2 GSchG macht keine Vorgaben hinsichtlich der Arten von öffentlichen Interessen, die hier relevant sein können. Im Vordergrund stehen jene, die das GSchG in Art. 31 Abs. 2 und in Art. 33 Abs. 3 als Gründe für die Erhöhung der minimalen Restwassermenge bei der Erteilung neuer Konzessionen oder bei der Konzessionserneuerung nennt (BUWAL, Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, 14).

53. Art. 80 Abs. 2 GSchG verlangt ausdrücklich ein überwiegendes Sanierungsinteresse («intérêt public prépondérant»). Der Gesetzgeber selber hat die Interessenabwägung nicht vorgenommen. Es ist Aufgabe der Vollzugsbehörde, im konkreten Fall zu entscheiden, ob die für eine umfassende Sanierung sprechenden Interessen stärker wiegen als die entgegenstehenden Interessen an der Fortführung der bisherigen Wassernutzung. Die Sanierung muss zudem den Verhältnismässigkeitsgrundsatz respektieren.

 

C.           Vollzugshilfe – Sanierungszahlen

54. Die im Jahr 2000 vom BUWAL herausgegebene Schrift «Wasserentnahmen –Vorgehen bei der Sanierung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG» beschreibt die möglichen Vorgehensweisen bei der Anwendung von Abs. 2.

55. Sanierungen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG sind selten. Bis Ende 2014 standen 24 nach Abs. 2 vorgenommene Sanierungen 430 Sanierungen nach Abs. 1 gegenüber (BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, Anh. 2).

 

D.           Entschädigung

1.             Materielle oder formelle Enteignung?

56. Weitergehende Sanierungen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG haben zum Ziel, die Restwassersituation eines Fliessgewässers so zu verbessern, wie das öffent­liche Interesse es verlangt. Umfangmässig nicht an die Entschädigungs­schwelle gebunden, können solche Sanierungen in die Substanz des Was­sernutzungsrechts eingreifen. Dem Werkeigentümer erwächst in diesem Fall ein Anspruch auf Entschädigung. Der Anspruch ist primär enteignungsrechtlicher Natur. Das Gemeinwesen nimmt mit der Sanierung eine ihm obliegende Aufgabe wahr, handelt also rechtmässig, beeinträchtigt dabei aber in schwerer Weise ein wohlerworbenes Recht, das unter dem Schutz der Eigentumsgarantie steht. In Übereinstimmung damit hat der Gesetzgeber in Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GSchG das Enteignungsverfahren als anwendbar erklärt. Wegen dieser verfahrensmässigen Festlegung hat der Umstand, dass der Entschädigungsanspruch eine Grundlage auch im Vertrauensschutz findet (Art. 9 BV; s. N 37), kaum praktische Bedeutung.

57. Das schweizerische Recht unterscheidet formelle und materielle Enteig­nungen. Die Frage stellt sich, welcher Art von Enteignung der Entschädi­gungsanspruch wegen eines Eingriffs in die Substanz des wohlerworbenen Wassernutzungsrechts zuzuordnen ist. Die Zuordnung hat erhebliche Auswirkungen (Riva, Wohlerworbene Rechte, 194 ff., mit weiteren Nachweisen): Mit der formellen Enteignung wird ein Eigentumsrecht ganz oder teilweise auf den Enteigner übertragen oder zu dessen Gunsten aufgehoben; dies trifft nicht zu bei der materiellen Enteignung, bei welcher zwar die Gebrauchs‑ und Nutzungsrechte, die aus dem Eigentum fliessen, verkürzt werden, der Rechtstitel als solcher aber unberührt bleibt. Bei einer formellen Enteignung wird jede – auch geringfügige – Werteinbusse abgegolten; zu einer materiellen Enteignung kommt es dagegen nur, wenn in schwerer Weise in das Eigentum eingegriffen wurde. Bei der formellen Enteignung ist die Entschädigung Voraussetzung für die Wirksamkeit des Eingriffs, bei der materiellen Enteignung eine nachträgliche, auf Begehren des Geschädigten zugesprochene Folge des Eingriffs. Bei der formellen Enteignung muss der Enteigner das dafür gesetzlich vorgesehene besondere Verfahren gegen die betroffenen Eigentümer einleiten. Bei der materiellen Enteignung liegt es am Eigentümer, nachträglich, wenn der Eingriff Rechtskraft erlangt hat, ein eigenständiges Verfahren anzustrengen und hier eine Entschädigung zu verlangen.

58. Art. 80 Abs. 2 GSchG enthält keine ausdrückliche Aussage zur Frage, ob die Entschädigung für die Beeinträchtigung eines Wassernutzungsrechts durch die Sanierung den Regeln der formellen oder der materiellen Enteignung folgt. Die Bedeutung von Satz 2 («Das Verfahren für die Feststellung der Entschädigungspflicht und die Festsetzung der Entschädigung richtet sich nach dem Enteignungsgesetz vom 20. Juni 1930») beschränkt sich darauf, den verfahrensmässigen Rahmen für die Behandlung der Entschädigungsfolge festzulegen (Riva, Wohlerworbene Rechte, 197 ff.; s. N 79 ff.).

59. Die Lehre nimmt an, dass auf die Entschädigungen als Folge von weitergehenden Sanierungen die Regeln der materiellen Enteignung anzuwenden sind (BUWAL, Sanierung Wasserkraftnutzung, 45 ff.; Eckert, Restwassermengen, 173 ff.; Riva, Wohlerworbene Rechte, 204–206).

60. Das Bundesgericht hat bisher nur einmal, im Urteil «Waeber c. Kanton Freiburg», Gelegenheit gehabt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen (BGer 1A.320/2000 vom 20. September 2001, in: URP 2001, 1053 ff. = SemJud 2002 I, 91 ff.). Dem Urteil lag eine besondere Situation zugrunde: Zu sanieren war eine auf einem – umstrittenen – ehehaften Recht beruhende Wasserentnahme für eine Mühle am Flüsschen Glâne. Die Anlage mit einem Wehr und Kanal legte das Fliessgewässer unterhalb des Wehrs zeitweise vollständig trocken. Gestützt auf Art. 80 Abs. 2 GSchG untersagten die Freiburger Behörden die weitere Entnahme von Wasser und ordneten den Abbruch des Wehrs an. Der betroffene Eigentümer stellte sich auf den Standpunkt, diese Massnahmen hätten nur im Weg der formellen Enteignung angeordnet werden dürfen. Das BGer schützte diese Argumentation und entschied, eine Behörde, die im Rahmen einer Sanierung ein bestehendes Wassernutzungsrecht vollständig aufhebe, müsse den Weg der formellen Enteignung beschreiten (E. 3b, bb). Die präjudizielle Tragweite des Urteils beschränkt sich auf den seltenen Fall, dass eine Sanierung ein Wassernutzungsrecht vollständig aufhebt. Das BGer hat sich bisher nicht zum Vorgehen in der Normalsituation geäussert, in welcher eine Dotierwassermenge neu festgelegt oder bauliche und betriebliche Massnahmen angeordnet werden, ohne dass damit die Existenz des Wassernutzungsrechts in Frage gestellt wäre.

61. In diesen Normalsituationen ist nach den Regeln der materiellen Enteignung vorzugehen. Dies bedeutet, dass in einem ersten Verfahren die erforderlichen Sanierungsmassnahmen konkret festgelegt werden. In einem anschliessenden zweiten Verfahren ist zu entscheiden, ob die Sanierung tatsächlich zu einem Substanzeingriff geführt hat und welche Entschädigung dem Werkeigentümer gegebenenfalls zusteht. Dieses zweite Verfahren richtet sich, aufgrund der expliziten Vorschrift von Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GSchG, nach den Regeln des eidgenössischen Enteignungsgesetzes. Der betroffene Werkeigentümer ist berechtigt, die Einleitung des Verfahrens zu verlangen (s. N 81).

62. Der Umstand, dass Art. 80 Abs. 2 GSchG Sanierungen ohne umfangmässige Begrenzung durch die Entschädigungsschwelle ermöglicht, bedeutet nicht, dass jede so vorgenommene Sanierung zu einem Substanzeingriff und zu Entschädigungsfolgen führt. Sie kann je nach Situation auch innerhalb des Rahmens des wirtschaftlich Tragbaren bleiben. In diesem Fall unterbleibt eine Entschädigung. Es ist Aufgabe der Schätzungskommission, dies zu prüfen.

 

2.             Entschädigungsbemessung

63. Die Bundesverfassung verlangt in Art. 26 Abs. 2 BV für formelle und materielle Enteignungen gleicherweise eine volle Entschädigung.

64. Massgebend ist grundsätzlich der Verkehrswert des betroffenen Rechts.

65. In den meisten Fällen wird die Sanierung das Wassernutzungsrecht nur beschränken, nicht aufheben. Zur Anwendung kommen hier die Regeln der Teilenteignung. Verglichen werden die Werte des Wassernutzungsrechts ohne Beschränkung und mit Beschränkung. Die Differenz bestimmt die Höhe der Entschädigung. Der Wert eines Wassernutzungsrechts wird im Wesentlichen durch den Ertrag bestimmt, den der Berechtigte daraus ziehen kann. Die Entschädigung muss somit den kapitalisierten Ertragsausfall abgelten, den die Sanierungsmassnahmen in Form von Produktionsminderungen (bei einer Erhöhung der Restwassermenge) oder in Form zusätzlicher Gestehungskosten (bei der Anordnung baulicher oder anderer Massnahmen) bewirken. Nach einer allgemein im Enteignungsrecht geltenden Regel ist ein Abzug vorzunehmen für die Beschränkungen, die der Werkeigentümer im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 GSchG entschädigungslos hätte hinnehmen müssen; diese Beschränkungen treffen jeden Werkeigentümer; der Abzug rechtfertigt sich aus Gründen der Rechtsgleichheit (BGE 97 I 112; Riva, Wohlerworbene Rechte, 209, mit weiteren Nachweisen; a.M. Eggs, Autres préjudices, 170–172).

 

3.             Schuldner der Entschädigung

66. Schuldner der Entschädigung ist das sanierungspflichtige Gemeinwesen. Aufgrund von Art. 45 GSchG obliegt der Vollzug des Gesetzes und damit auch der Sanierungsbestimmungen den Kantonen. In Kantonen, welche die Verfügung über die Wasserkraft teilweise den Gemeinden überlassen, kann das kantonale Recht eine Beteiligung der Gemeinden an der Sanierungslast vorsehen. Bei Grenzkraftwerken ist der Bund zwar für die Sanierung zuständig (Art. 48 GSchG i.V.m. Art. 7 WRG). Weil aber der schweizerische Anteil aus der Erträgen dieser Werke den Anrainerkantonen zufliesst, rechtfertigt es sich, ihnen die Sanierungskosten und damit auch die Entschädigungszahlungen an Werkeigentümer aufzuerlegen (BUWAL, Sanierung Wasserkraftnutzung, 57 f.; Eckert, Restwassermengen, 178).

 

 

VI.        Sanierung von Entnahmeanlagen mit Denkmalwert (Abs. 3)

67. Art. 80 Abs. 3 GSchG ist 2009 als Teil des indirekten Gegenvorschlags zur Renaturierungs-Initiative der Fischereiverbände in Art. 80 GSchG eingefügt worden (AS 2010 4285, 4289).

68. Gesetzessystematisch ist Art. 80 Abs. 3 GSchG lex specialis zu Abs. 2, dies im Sinn einer Gegenausnahme (Bericht UREK-S Schutz und Nutzung, 8064). Geht es um ein Fliessgewässer in einer inventarisierten Landschaft oder einem inventarisierten Lebensraum, welches nach den Vorgaben von Art. 80 Abs. 2 GSchG zu sanieren ist, entscheidet nicht allein das im Inventar für die Landschaft oder den Lebensraum formulierte Schutzziel über das Ausmass der Sanierung. Die Behörde hat vielmehr zwischen den Interessen des Denkmalschutzes und jenen des Inventarschutzes situationsbezogen eine Abwägung vorzunehmen. Im Ergebnis kann die Restwassersanierung weniger weit gehen, als das Interesse des Landschafts‑ oder Lebensraumschutzes es verlangen würde.

69. Der Anwendungsbereich von Art. 80 Abs. 3 GSchG beschränkt sich auf die Restwassersanierungen in inventarisierten Landschaften und Biotopen. Für die normale Sanierung gemäss Art. 80 Abs. 1 GSchG braucht es keinen Ausnahmevorbehalt, weil mit der umfangmässigen Beschränkung auf die Substanzverträglichkeit (s. N 33 und 38) der Denkmalwert ohnehin respektiert bleibt. Bei den weitergehenden Sanierungen wegen anderer öffentlicher Interessen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG findet eine Interessenabwägung statt, die es erlaubt, den Anliegen des Denkmals angemessen Rechnung zu tragen.

70. Objekte der besonderen Rücksichtnahme sind «Kleinwasserkraftwerke oder andere Anlagen […], die einen denkmalschützerischen Wert aufweisen». Es geht um Anlagen, die dem Fliessgewässer Wasser entnehmen und als Folge davon eine Restwassersituation entstehen lassen. Die Privilegierung gilt nur für kleine Anlagen; für ein grosses historisches Wasserkraftwerk könnte sie nicht beansprucht werden. Denkmalschutzmassnahmen müssen nicht bereits angeordnet worden sein; nötigenfalls ist im Sanierungsverfahren zu klären, ob die Anlage unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes wertvoll ist.

71. Der Tatbestand von Art. 80 Abs. 3 GSchG wird sich selten verwirklichen. Eine vom BUWAL in Auftrag gegebene Untersuchung hat 2004 gezeigt, dass nur wenige denkmalpflegerisch wertvolle Kleinkraftwasserwerke in inventarisierten Landschaften und Lebensräumen stehen; überdies führt die Restwassersanierung nach den strengeren Vorgaben von Art. 80 Abs. 2 GSchG kaum je zu einer Kollision mit den Anliegen des Denkmalschutzes (BUWAL, Historische Kleinwasserkraftwerke, passim, insb. 19, 21, 30 f.).

 

 

VII.     Verfahren

A.           Mehrere Verfahrensphasen

72. Die Komplexität der Restwassersanierung findet ihre Entsprechung auf der Ebene des Verfahrens. Mehrere sich folgende Verfahrensphasen sollen sicherstellen, dass die sachverhaltlichen Grundlagen vollständig erhoben, die Betroffenen in rechtsstaatlicher Weise beteiligt werden und ein korrekter Sanierungsentscheid getroffen wird. Das Verfahren beginnt mit zwei verwaltungsinternen Ermittlungsphasen, nämlich der Erarbeitung des Inventars der bestehenden Wasserentnahmen (Art. 82 Abs. 1 GSchG) und des Sanierungsberichts (Art. 82 Abs. 2 GSchG) (s. Komm. zu Art. 82 GSchG). Art und Umfang der Sanierung im konkreten Einzelfall wird in einem Verwaltungsverfahren unter Mitwirkung der Betroffenen verbindlich festgelegt (s. N 73 ff.). Geht es um eine weiterführende Sanierung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, schliesst sich ein eigenständiges Verfahren an, das zum Entscheid über das Vorliegen einer Entschädigungspflicht und die Höhe der Entschädigung führt (s. N 78 ff.).

 

B.            Anordnung der Sanierung

73. Die Sanierung eines wesentlich beeinflussten Fliessgewässers muss in einer für den Inhaber der Wasserfassung, für weitere Parteien und für die Behörde selber verbindlichen Weise konkretisiert werden. Abs. 1 und Abs. 2 von Art. 80 GSchG sprechen von einer Anordnung der Behörde. Die primäre Handlungsform einer Anordnung ist die Verfügung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 VwVG (dazu Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 237 ff.). Dem Erlass einer Verfügung geht ein Verfahren voraus, das darauf gerichtet ist, die für den Entscheid massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu ermitteln und den Adressaten der Verfügung und den weiteren Beteiligten das rechtliche Gehör und die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben. Aufgrund von Art. 6 VwVG ist die Behörde verpflichtet, neben dem Verfügungsadressaten alle Personen, Organisationen und Behörden in das Verfahren einzubeziehen, denen ein Beschwerderecht gegen die Verfügung zusteht.

74. Restwassersanierungen sind eine Bundesaufgabe im Sinn von Art. 2 NHG. Den gesamtschweizerischen Organisationen, die sich dem Schutz der Natur und der Umwelt widmen, steht gemäss Art. 12 NHG das Recht zur Beschwerde zu (BGE 139 II 28, nicht publ. E. 1.1). Die Sanierungsbehörde ist verpflichtet, diese Schutzorganisationen in das Verfahren einzubeziehen und ihnen Parteistellung zu geben.

75. Das Dispositiv der Verfügung muss die Sanierungsmassnahmen – also Dotierwassermengen, bauliche und betriebliche Vorkehren – im einzelnen benennen und die Fristen festlegen, in denen sie umzusetzen sind. Die Verfügung ist, einmal in Rechtskraft erwachsen, ein Vollstreckungstitel (Art. 39 VwVG). Das Dispositiv der Verfügung muss daher so detailliert formuliert sein, dass einerseits der Verfügungsadressat genau weiss, welche Vorkehren er treffen muss, und dass anderseits die Vollstreckungsbehörde in der Lage ist, nötigenfalls Vollstreckungsmassnahmen zu ergreifen.

76. Sanierungsverfügungen können an höhere Instanzen weitergezogen und von diesen überprüft werden. Der Rechtsmittelweg bestimmt sich nach dem kantonalen und eidgenössischen Recht.

·       Im Normalfall geht die Verfügung von einer kantonalen Behörde aus (Art. 45 GSchG). Die Verfügung kann auf dem innerkantonalen Rechtsmittelweg angefochten werden, in letzter Instanz beim kantonalen Verwaltungsgericht (Art. 86 Abs. 2 BGG). Gegen dessen Urteil steht die Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gemäss Art. 82 ff. BGG offen.

·       Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht hat für die Kantone zur Folge, dass sie die Beschwerdebefugnis mindestens in jenem Umfang anzuerkennen haben, den Art. 89 BGG vorsieht. Die kantonalen Rechtsmit-telinstanzen müssen zudem den Sachverhalt vollständig ermitteln und die richtige Anwendung des Bundesrechts vollständig prüfen.

·       Bei Grenzkraftwerken ist für die Anordnung der Sanierung der Bund zuständig (BFE; Art. 48 GSchG i.V.m. Art. 7 WRG). Gegen die Verfügung des Bundesamts kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Dessen Urteil unterliegt der Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.

77. Die Ausführung der Sanierung obliegt dem Eigentümer der Wasser­entnahmeanlage. Von ihm hängt in entscheidendem Mass ab, ob die Sanierung gelingt. Angesichts dieses Angewiesenseins auf die aktive Mitwirkung des Anlageneigentümers stellt sich die Frage, ob die Sanierung auch in Form eines verwaltungsrechtlichen Vertrags vereinbart werden kann. Eine vertragliche Grundlage eignet sich für die Begründung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses besonders gut, wenn der Private verpflichtet werden soll, komplexere Pflichten für eine lange Dauer zu erfüllen. Der in Art. 80 GSchG zweimal verwendete Begriff der «Anordnung» bringt an sich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber von der Handlungsform der einseitigen Verfügung ausgegangen ist. In der Praxis werden Sanierungen jedoch nach Möglichkeit in Abstimmung mit dem Werkbesitzer angeordnet. Der Verfasser hat daher an anderer Stelle die Auffassung vertreten, dass auch die Handlungsform des öffentlichrechtlichen Vertrags Rechtsgrundlage einer Sanierung bilden kann. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass dritte Parteien – namentlich die beschwerdebefugten Schutzorganisationen – ebenfalls in das Verfahren einbezogen werden und dass sie ihre Zustimmung zur vertraglich vereinbarten Sanierung geben (Riva, Wohlerworbene Rechte, 213 f.). Art. 12d NHG steht einem solchen Vorgehen nicht entgegen, da das Gemeinwesen, dem die Festlegung der Sanierung obliegt, selber Vertragspartei ist.

C.           Eventuell Entscheid über Entschädigung

1.             Eine weitergehende Sanierung als Ausgangspunkt

78. Die Frage nach einer Entschädigung des Werkeigentümers kann sich nur bei weitergehenden Sanierungen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG stellen. Sanierungen nach Art. 80 Abs. 1 GSchG müssen von Gesetzes wegen so ausgestaltet sein, dass ihre Auswirkungen auf die Wasserentnahme unterhalb der Entschädigungsschwelle bleiben (vgl. N 33).

79. Die Entschädigung ist Thema eines eigenständigen Verfahrens. Dieses ist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob die Sanierung bloss die Aus­übung des Wassernutzungsrechts beschränkt oder ob sie das Recht aufhebt. In beiden Fällen folgt das Verfahren den Regeln des eidgenössischen Enteignungsgesetzes (Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GSchG).

 

2.             Materielle Enteignung als Folge der Beschränkung des Ausübungsrechts

80. Übliche Sanierungsmassnahmen wie die Festlegung von Dotierwasser­mengen oder die Anordnung baulicher und betrieblicher Vorkehren lassen das betroffene Wassernutzungsrecht als Rechtstitel intakt. Wie unter N 57 und 61 dargelegt, entsteht der Entschädigungsanspruch in diesen Fällen als Folge einer materiellen Enteignung, also eines enteignungsähnlichen Eingriffs.

81. Nacheinander finden zwei Verfahren statt. Im ersten werden die Sanie­rungsmassnahmen angeordnet. Die Frage der Entschädigung bleibt hier ausgeklammert. Ist die Sanierungsverfügung in Rechtskraft erwachsen, können sich die Sanierungsbehörde und der Werkeigentümer auf eine Entschädigung verständigen (Art. 54 EntG). Kommt eine Verständigung nicht zustande, öffnet die Verweisung von Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GSchG dem Werkeigentümer die – normalerweise nicht gegebene – Möglichkeit, ein Entschädigungsbegehren an die eidgenössische Schätzungskommission zu richten (vgl. BGE 132 II 475, E. 2). Die Kommission führt ein Schätzungsverfahren nach Art. 57 ff. EntG durch. Sie entscheidet, ob eine Entschädigungspflicht besteht (vgl. N 62) und welcher Entschädigungsbetrag gegebenenfalls geschuldet ist.

 

3.             Formelle Enteignung infolge Aufhebung des Wassernutzungsrechts

82. Erfordert die Sanierung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG ausnahmsweise, ein bestehendes Wassernutzungsrecht vollständig aufzuheben, kommt es zu einer formellen Enteignung. Wie das BGer im Fall «Waeber c. Kanton Freiburg» entschieden hat, ist es der Sanierungsbehörde verwehrt, in einem ersten Verfahren nur die Art und den Umfang der Sanierung festzulegen, ohne den Entschädigungspunkt zu behandeln (BGer 1A.320/2000 vom 20. September 2001, in: URP 2001, 1053 ff. = Sem Jud 2002 I, 91 ff.). Sie muss vielmehr versuchen, parallel zum Sanierungsverfahren das zu enteignende Recht freihändig zu erwerben; misslingt dies, hat sie bei der zuständigen eidgenössischen Schätzungskommission ein Enteignungsverfahren einzuleiten (Art. 68 Abs. 2 i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GSchG; vgl. auch die Andeutungen des Bundesgerichts im Urteil «Waeber c. Kanton Freiburg», E. 3b, cc). Die Kantone und der Bund verfügen für Massnahmen, die dem Vollzug des GSchG dienen, über das Enteignungsrecht (Art. 68 Abs. 1 Satz 2 GSchG).

83. Weil die Enteignung nur einen einzigen Eigentümer betrifft, kann ein ab­gekürztes Verfahren nach Art. 33 f. EntG mit persönlicher Anzeige und Verzicht auf die öffentliche Planauflage durchgeführt werden.

84. Sobald das enteignete Wassernutzungsrecht auf das Gemeinwesen über­gegangen oder zu dessen Gunsten aufgehoben ist, kann die Sanierung vollzogen werden.

 

 

Résumé

L’art. 80 LEaux prévoit l’obligation d’assainissement de cours d’eau qui sont négativement influencés par des prélèvements. Les assainissements prévus par l’art. 80 LEaux portent atteinte aux droits d’utilisation existants et constituent du point de vue des droits fondamentaux des restrictions de la propriété. Ils doivent ainsi remplir les conditions posées par les art. 26 al. 2 et 36 Cst.

L’art. 80 LEaux ne s’applique qu’aux droits acquis, soit les droits d’eau accordés par concession, ainsi que les anciens droits d’eau dits privés ou droits immémoriaux. Le prélèvement qui se fait sans titre juridique est illégal et l’autorité ne peut accorder le titre juridique que si le prélèvement remplit les conditions fixées aux art. 29 ss LEaux.

Le détenteur de l’installation, respectivement le titulaire d’une autorisation selon l’art. 29 LEaux, est tenu d’assainir le cours d’eau. Le cours d’eau doit être assaini par des mesures d’assainissement telles que l’augmentation de débits de dotation, des travaux d’aménagement ou des mesures liées au mode d’exploitation. Selon la jurisprudence du TF, la limite est fixée en fonction de l’atteinte au droit. Les atteintes au droit sont ainsi soumises à dédommagement. De plus, les mesures prises par l’Etat doivent être économiquement supportables.

Le législateur a adopté, avec les mesures d’assainissement supplémentaires de l’al. 2, une lex specialis de l’al 1. Elle requiert de l’autorité d’ordonner un assainissement, qui n’est pas orienté par les éventuelles conséquences des indemnisations, mais par des intérêts publics. Un assainissement supplémentaire est nécessaire lorsque les prélèvements influencent négativement des cours d’eau qui traversent des paysages ou des biotopes répertoriés dans un inventaire. Il est également nécessaire lorsqu’il existe un intérêt public particulièrement important au rétablissement de débits de dotation acceptables. Ces assainissements supplémentaires ne peuvent porter atteinte à la substance du droit d’utilisation d’eau et créer un droit à une indemnisation pour le propriétaire. La doctrine considère que les règles de l’expropriation matérielle s’appliquent aux indemnités dues aux mesures d’assainissement supplémentaires.

L’al. 3 de l’art. 80 LEaux est une lex specialis par rapport à l’al. 2. Le champ d’application de l’al. 3 se limite aux mesures d’assainissement dans les paysages ou biotopes répertoriés. La réalisation de l’assainissement incombe au propriétaire de l’installation de captation de l’eau et la procédure est réglée par la LEx selon l’art. 80 al. 2 LEaux.

Lorsque la décision d’assainissement est entrée en force, les autorités d’assainissement et le propriétaire de l’installation peuvent convenir d’une indemnité. Lorsque les parties ne parviennent à aucun accord, l’art. 80 al. 2 LEaux permet au propriétaire de l’installation la possibilité d’introduire une demande en indemnité auprès de la commission fédérale d’estimation.

 

 

Literatur: Banfi Silvia/Filippini Massimo, Resource rent taxation and benchmarking – A new perspective for the Swiss hydropower sector, in: Energy Policy 38 (2010), 2302 ff. (zit. RRT); Caviezel Gieri, Zur Bedeutung der «Sanierung» im Sinne von Art. 80 Abs. 1 GSchG, Rechtsgutachten zuhanden des Bau‑, Verkehrs‑ und Forstdepartements Graubünden vom 10. Mai 2000, <http://www.gr.ch/D
E/institutionen/verwaltung/bvfd/aev/dokumentation/Wasserkraft1/Gutachten_Dr_Caviezel.pdf>, 10.5.2000 (zit. Sanierung); Eckert Maurus, Rechtliche Aspekte der Sicherung angemessener Restwassermengen, Diss. Zürich 2002 (zit. Restwassermengen); Eggs Raphael, Les «autres préjudices» de l’expropriation, Diss., Freiburg i.Üe. 2013 (zit. Autres préjudices); Largey Thierry, L’assainissement des cours d’eau dans l’application de l’art. 80 Leaux – Les enseignements de l’arrêt Misoxer Kraftwerke, in: DEP/URP 2013, 92 ss (zit. Assainissement des cours d’eau).

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Frei Bernhard), Die Sanierung nach Art. 80ff. Gewässerschutzgesetz vom 24.1.1991 bei der Wasserkraftnutzung – rechtliche Probleme, Rechtsgutachten, in: Schriftenreihe Umwelt Nr. 163, Bern 1991 (zit. Sanierung Wasserkraftnutzung); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Sanierungsbericht Wasserentnahmen – Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 25, Bern 1997 (zit. Sanierungsbericht Wasserentnahmen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Broder B./Sansoni M./Kasper H. et al.), Wasserentnahmen – Vorgehen bei der Sanierung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 39, Bern 2000 (zit. Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Schaller Tobias/Broder Benedikt), Restwassersanierung bei Kleinwasserkraftwerken von historischem Interesse, Umwelt-Materialien Nr. 190, Bern 2004 (zit. Historische Kleinwasserkraftwerke); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2012 und Entwicklung seit Mitte 2011, Bern 2013 (zit. Stand Restwassersanierung 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2014 und Entwicklung seit Ende 2012, Bern 2015 (zit. Stand Restwassersanierung 2014).

​Riva Enrico​

 

Sanierungsfristen

1         Die Behörde legt die Fristen für die Sanierungsmassnahmen nach der Dringlichkeit des Einzelfalls fest.

2         Sie sorgt dafür, dass die Sanierungen bis spätestens Ende 2012 abgeschlossen sind.

Délais d’assainissement

1         L’autorité fixe dans chaque cas et selon l’urgence de la situation les délais à respecter pour les mesures d’assainissement.

2         Elle veille à ce que l’assainissement soit terminé à fin 2012 au plus tard.

Termini per il risanamento

1         L’autorità stabilisce i termini per l’attuazione delle misure di risanamento tenuto conto dell’urgenza di ogni singolo caso.

2         Essa provvede affinché le misure di risanamento siano concluse entro la fine del 2012.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 3
III. Vorgehen nach Dringlichkeit (Abs. 1) 4
IV. Vollzugsfrist (Abs. 2) 7

 

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 81 GschG übernimmt im Wesentlichen wörtlich den Entwurf des Bundesrats (Botschaft GSchG 1987, 1206).

2. Die ursprünglich auf 15 Jahre seit Inkrafttreten des GschG festgesetzte Frist für den Vollzug der Restwassersanierungen wurde mit dem BG vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003 (AS 2004 1633) bis Ende 2012 verlängert.

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Der Gesetzgeber des GSchG war sich bewusst, dass der Vollzug der Restwassersanierungen aufwendig sein würde, besonders für die Kantone mit zahlreichen bestehenden Wasserentnahmen. Um die Erfüllung der Aufgabe sicherzustellen, führte er mit dem Inventar der bestehenden Wasserentnahmen und mit dem Sanierungsbericht zwei vorbereitende Instrumente ein und bestimmte Fristen für deren Umsetzung (vgl. Komm. zu Art. 82 GSchG). Für die Vornahme der Sanierungen selber setzte er den Zeitrahmen auf fünfzehn Jahre fest; er verlängerte diesen 2003 auf zwanzig Jahre bis Ende 2012. Als die erstreckte Vollzugsfrist auslief, waren jedoch zahlreiche mangelhafte Restwassersituationen noch nicht behoben (N 7 f.).

 

 

III.        Vorgehen nach Dringlichkeit (Abs. 1)

4. Art. 81 Abs. 1 GSchG beauftragt die Vollzugsbehörden (Art. 45 und 48 GSchG; vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 76), die zeitliche Abfolge der anstehenden Sanierungen nach der «Dringlichkeit des Einzelfalls» zu planen.

5. Weder Art. 81 GSchG noch die Materialien geben Hinweise, nach welchen Kriterien die Dringlichkeit beurteilt werden muss. Angesichts der Zielsetzung von Art. 80 GSchG ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine ökologische Dringlichkeit meinte: Je gewichtiger das ökologische Manko einer Wasserfassung und je bedeutender die Restwasserstrecke für die Biosphäre (Wasserpflanzen und ‑tiere; Grundwasser) und für die Landschaft, desto mehr besteht Anlass, die Sanierung zeitlich zu priorisieren.

6. Das Ergebnis der nach Art. 81 Abs. 1 GSchG vorgenommenen Zeitplanung findet Aufnahme im Sanierungsbericht (Art. 82 Abs. 2 GSchG und Art. 38 Abs. 3 Bst. d GSchV).

 

IV.        Vollzugsfrist (Abs. 2)

7. Gemäss Art. 81 Abs. 2 GSchG hätten alle Restwassersanierungen bis Ende 2012 abgeschlossen sein müssen. Die wenigsten Kantone haben diese Frist eingehalten, und auch der Bund hat nur für einen Teil der von ihm konzessionierten Wasserkraftwerke die Sanierung rechtzeitig durchgesetzt.

8. Das BAFU hat den Stand der Restwassersanierungen detailliert ermittelt. Zwischen den Kantonen zeigen sich grosse Unterschiede. Ende 2012 ergaben sich insgesamt 487 vollzogene Sanierungen auf 682 sanierungspflichtige Wasserentnahmen, Ende 2014 656 vollzogene Sanierungen auf 988 sanierungspflichtige Entnahmen (BAFU, Stand Restwassersanierung 2012, 4; BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, 4). Die Daten sind unvollständig; Gewissheit besteht für die von den Kantonen gemeldete Zahl der vollzogenen Sanierungen, jedoch nicht für die Zahl der sanierungspflichtigen Wasserentnahmen (BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, 4; vgl. auch Komm. zu Art. 82 GSchG N 12 und 24). Ende 2016 sollten knapp 95 % der pflichtigen Wasserentnahmen saniert sein, wobei die Sanierung oft in Form einer Neukonzessionierung mit Festlegung der Restwassermengen nach Art. 31 ff. GSchG erfolgen (BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, 4).

9. Die Missachtung von Art. 81 Abs. 2 GSchG durch die beteiligten Akteure ist angesichts der grosszügig bemessenen Umsetzungsfrist als skandalös zu werten (zu den Faktoren, die dazu beigetragen haben, s. Vor. Art. 80–83 GSchG N 17 ff. und Art. 82 GSchG N 22 ff.). Sie ging ganz zulasten der Umwelt.

 

 

Résumé

L’art. 81 al. 1 LEaux charge les autorités d’exécution de planifier l’ordre temporel selon lequel les mesures d’assainissement seront prises en fonction de l’urgence de la situation. Toutefois, ni l’art. 81 LEaux, ni les sources juridiques officielles ne précisent quels sont les critères qui doivent être pris en compte afin de juger de l’urgence de la situation. Au vu des objectifs de l’art. 80 LEaux, il y a lieu de considérer que le législateur pensait à l’urgence écologique. Il est ainsi nécessaire d’assainir en priorité les tronçons à débit résiduel importants pour la biosphère et le paysage.

Selon l’art. 81 al. 2 LEaux, les assainissements devaient être terminés jusqu’à fin 2012. Seuls quelques cantons ont respecté ce délai. La Confédération n’a imposé l’assainissement qu’à une partie de ses centrales hydroélectriques concessionnées.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2012 und Entwicklung seit Mitte 2011, Bern 2013 (zit. Stand Restwassersanierung 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2014 und Entwicklung seit Ende 2012, Bern 2015 (zit. Stand Restwassersanierung 2014).

Riva Enrico​

 

Grundlagen für die Sanierung

1         Die Kantone erstellen ein Inventar der bestehenden Wasserentnahmen nach Artikel 29, das Angaben enthält über:

a.       die entnommene Wassermenge;

b.       die Restwassermenge;

c.       die Dotierwassermenge;

d.      die rechtlichen Verhältnisse.

2         Sie beurteilen die im Inventar aufgeführten Wasserentnahmen und entscheiden, ob und in welchem Ausmass eine Sanierung notwendig ist. Sie halten die Ergebnisse in einem Bericht fest. Dieser soll nach Möglichkeit die zeitliche Abfolge der zu treffenden Massnahmen aufzeigen.

3         Sie reichen die Inventare innert zweier Jahre und den Bericht innert fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem Bund ein.

Critères d’assainissement

1         Les cantons dressent l’inventaire des prélèvements d’eau existants définis à l’art. 29; cet inventaire indique pour chaque prélèvement:

a.       la quantité d’eau prélevée;

b.       le débit résiduel;

c.       le débit de dotation;

d.       la situation juridique.

2         Les cantons apprécient les prélèvements d’eau recensés et décident, le cas échéant, de l’étendue des mesures d’assainissement nécessaires. Ils consignent les résultats de leur examen dans un rapport. Celui-ci indiquera si possible l’ordre dans lequel les opérations doivent se dérouler.

3         Les cantons présentent à la Confédération l’inventaire et le rapport dans un délai de respectivement deux et cinq ans, à compter de l’entrée en vigueur de la présente loi.

Criteri per il risanamento

1         I Cantoni compilano l’inventario dei prelievi d’acqua esistenti definiti nell’articolo 29; l’inventario indica per ogni prelievo:

a.       la quantità d’acqua prelevata;

b.       il deflusso residuale;

c.       la portata di dotazione;

d.       la situazione giuridica.

2         I Cantoni valutano i prelievi d’acqua elencati nell’inventario e decidono se e in qual misura un risanamento sia necessario. I risultati vengono menzionati in un rapporto. Quest’ultimo indica, se possibile, l’ordine nel quale le misure di risanamento devono essere intraprese.

3         I Cantoni inoltrano l’inventario alla Confederazione entro 2 anni dall’entrata in vigore della presente legge e il rapporto entro 5.

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. Allgemeine Bemerkungen 2
III. Inventar der bestehenden Wasserentnahmen (Abs. 1) 7
IV. Beurteilung und Sanierungsbericht (Abs. 2) 13
V. Würdigung 21

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die Verpflichtung der Kantone, ein Inventar der bestehenden Wasser­entnahmen und einen Sanierungsplan zu erstellen, war als Art. 85 GSchG im Gesetzesentwurf der Expertenkommission Aubert enthalten (EDI, E-GSchG 1984, Art. 85; EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 75). Der Bundesrat übernahm den Vorschlag mit wenigen Änderungen – einem etwas anders konzipierten Sanierungsbericht anstelle des Sanierungsplans – in seine Vorlage an die eidgenössischen Räte (Art. 81 in der Botschaft GSchG 1987, 1206). Die von den Räten verabschiedete Fassung von Art. 82 GSchG entspricht nahezu wörtlich dem bundesrätlichen Entwurf.

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Die Pflicht zur Sanierung der Restwasserverhältnisse wird für die Inhaberin der Wasserentnahmeanlage bzw. für die Empfängerin der Bewilligung verbindlich, wenn die zuständige Behörde die entsprechende Verfügung erlassen hat (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 73). Art. 82 GSchG setzt zwei Instrumente ein, welche der Verfügung vorangehen und den guten Vollzug der Restwassersanierungen sicherstellen sollen. Mit dem Inventar der bestehenden Wasserentnahmen (Abs. 1) wird der Bestand der potentiellen Sanierungsobjekte erhoben. Im Sanierungsbericht (Abs. 2) beurteilen die zuständigen Behörden die Situation der im Inventar erfassten Wasserentnahmen «und entscheiden, ob und in welchem Ausmass eine Sanierung notwendig ist». Die Feststellungen und Aussagen der beiden Berichte präjudizieren den Vollzug der Restwassersanierung stark.

3. Inventar und Sanierungsbericht sind verwaltungsinterne Dokumente; ihre Erstellung fällt unter die Handlungsform des Realakts (Riva, Wohl­erworbene Rechte, 211; zum Realakt Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht, 374 ff.). Sie haben keine unmittelbare Rechtswirkung für die Sanierungsverpflichteten, auch wenn diese bei der Erarbeitung mitzuwirken haben (Art. 39 GSchV) und vom behördlichen Vorentscheid, den der Sanierungsbericht beinhaltet, mittelbar betroffen sind. Der Rechtsschutz wird – für die Sanierungsverpflichteten und für Dritte wie die Schutzorganisationen – erst im Verfahren auf Erlass und Anfechtung der Sanierungsverfügung gewährleistet (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N. 73–76).

4. Es obliegt allein den Kantonen, das Inventar und den Sanierungsbericht zu erstellen. Art. 82 Abs. 3 GSchG verpflichtet sie, die beiden Dokumentationen dem Bund einzureichen. Von einer Genehmigung durch den Bund hat der Gesetzgeber abgesehen. Der Bund kann nur über das Ausführungsrecht und die Mittel, die ihm im Rahmen der Aufsicht (Art. 49 Abs. 2 BVArt. 46 Abs. 1 GSchG) zustehen, Einfluss auf den korrekten Vollzug der Sanierungen nehmen.

5. Während zu Art. 80, 81 und 83 GSchG Ausführungsbestimmungen entbehrlich waren, hat der Bundesrat in der Gewässerschutzverordnung ergänzende Bestimmungen zu Art. 82 GSchG erlassen. Anlässlich der 1993 erfolgten Anpassung der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 an das GSchG von 1991 nahm er die Art. 33–33e neu in die Verordnung auf (AS 1993 3022). Diese Bestimmungen wurden nahezu unverändert als Art. 36–41 in die Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 überführt.

6. Die Kantone haben die Pflicht, die Inventare und Sanierungsberichte öffent­lich zugänglich zu machen (Art. 40 Abs. 3 GSchV).

 

III.        Inventar der bestehenden Wasserentnahmen (Abs. 1)

7. Der Gesetzgeber hat die Kantone in Abs. 1 verpflichtet, ein Verzeichnis der Wasserentnahmen zu erstellen, welche die Merkmale von Art. 29 GSchG er­füllen. Zu erfassen sind also Entnahmen aus Fliessgewässern mit ständiger Wasserführung sowie aus Seen und Grundwasservorkommen, welche die Wasserführung eines Fliessgewässers mit ständiger Wasserführung wesentlich beeinflussen (vgl. Komm. zu Art. 29 GSchG N 26 ff., 38 ff., 47 ff.). Eine Entnahme ist in das Verzeichnis aufzunehmen, sofern sie in quantitativer Hinsicht über den Gemeingebrauch hinausgeht (s. Komm. zu Art. 29 GSchG N 32–37). In das Inventar gehören auch die bereits konzedierten, aber noch nicht realisierten Wasserentnahmen im Sinn von Art. 83 GSchG, soweit bei ihnen die Merkmale von Art. 29 GSchG gegeben wären (Art. 41 GSchV). Im Interesse der Vollständigkeit hält die GSchV die Kantone in Art. 37 GSchV an, auch die Entnahmen aus Fliessgewässern ohne ständige Wasserführung in einer Liste aufzuführen, sofern die Entnahmen der Wasserkraftnutzung dienen.

8. Alle so definierten Wasserentnahmen sind im Inventar aufzuführen. Es wäre gesetzwidrig, eine Selektion nach bestimmten Gesichtspunkten vorzunehmen und gestützt darauf für einen Teil der Wasserentnahmen von der Inventaraufnahme abzusehen. Erst im Sanierungsbericht (Abs. 2) ist zu entscheiden, welche der im Inventar erfassten Entnahmen der Sanierungspflicht unterstehen und welche nicht.

9. Abs. 1 bezeichnet die Daten, über welche das Inventar Auskunft zu geben hat (entnommene Wassermenge, Restwasser‑ und Dotierwassermenge; rechtliche Verhältnisse). Die GSchV präzisiert in Art. 36 die Rubriken, unter denen diese Daten aufzuführen sind (mit gewissen Erleichterungen für Wasserentnahmen, die nicht der Wasserkraftnutzung dienen; Art. 36 Abs. 2 und 3 GSchV). Entsprechend dem Zweck des Inventars, im Hinblick auf die Sanierungen den Bestand der vorhandenen Wasserentnahmen zu erheben, geht es bei den aufzunehmenden Informationen immer um objektive Daten und nicht um Wertungen tatsächlicher oder rechtlicher Art.

10. Gemäss der Vorgabe von Art. 82 Abs. 3 GSchG hatten die Kantone die Inventare innert zwei Jahren nach Inkrafttreten des GSchG, also bis Ende Oktober 1994, dem Bund einzureichen. Vier Kantone (GL, SH, SO und UR) reichten ihre Inventare fristgerecht, weitere 10 Kantone bis Ende 1995 ein. Ende 1999 lagen bis auf vier alle Inventare vor (BAFU, Stand Restwassersanierung 2012, Anh. 2).

11. Aufgrund der eingereichten Inventare und eigener Erhebungen erstellte das BAFU die «Restwasserkarte Schweiz» und veröffentlichte sie 2007. Die Karte im Massstab 1:200’000 verzeichnet die Standorte der Wasserentnahme­anlagen, der Zuleitungen und der Punkte, an denen das Wasser dem Fliess­gewässer zurückgegeben wird, mit Differenzierung nach Wasserkraft‑ und anderer Nutzung. Ausserhalb der Karte (auf CD bzw. im Internet) werden für jede Wasserentnahme wichtige Zusatzdaten geliefert. Die Karte enthält die bestehenden Entnahmen mit Stand Ende 2004; sie führt also auch Anlagen an, die nach Inkrafttreten des GSchG konzessioniert wurden und daher bereits den Restwasseranforderungen für Neuanlagen (Art. 31 ff. GSchG) genügen sollten.

12. Wie vollständig die von den Kantonen gelieferten Angaben den Bestand der Wasserentnahmen abbilden, ist offen. Der Grad der Datenerhebung war in den Kantonen verschieden; daraus resultiert eine Inhomogenität in der Datenqualität (BAFU, Restwasserkarte Schweiz, Konzept und Inhalt der Restwasserkarte Schweiz, 2). Eine systematische Nachführung der Inventare, wie Art. 40 Abs. 2 GSchV sie vorschreibt, hat bisher nicht stattgefunden.

 

 

IV.        Beurteilung und Sanierungsbericht (Abs. 2)

13. Mit dem Inventar der bestehenden Wasserentnahmen stehen die Objekte fest, die der Sanierungspflicht gemäss Art. 80 GSchG unterliegen können. Die Vollzugsbehörde muss nun in einem weiteren Schritt für jede inventarisierte Entnahme ermitteln, ob eine Pflicht zur Sanierung besteht oder nicht. Ist die Pflicht gegeben, hat die Behörde die Sanierung zu konkretisieren. Die Ergeb­nisse dieser wertenden Prüfung finden ihren Niederschlag im Sanierungs­bericht.

14. Den Sanierungsberichten geht damit eine aufwändige Beurteilungsphase voraus. Der Entscheid über die zentrale Vorfrage, ob eine Sanierung geboten ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die zu prüfende Wasserentnahme das Fliessgewässer wesentlich beeinflusst (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 14 ff.). Bei gegebener Sanierungspflicht müssen anschliessend die Sanierungsmassnahmen festgelegt werden. Bestimmend ist dafür Art. 80 GSchG (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 24 ff.). Die Vollzugsbehörde hat zu beurteilen, ob die untersuchte Entnahme dem Tatbestand der normalen (Abs. 1) oder der weitergehenden Sanierung (Abs. 2, mit dem Sonderfall des Kleinwasserkraftwerks gemäss Abs. 3) zuzuordnen ist. Im Normalfall wird sie die Entschädigungsschwelle bestimmen müssen (s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 32–34). Aufgrund dieser Beurteilungen sind die zu ergreifenden Sanierungsmassnahmen und ein Zeitplan für deren Umsetzung (vgl. Komm. zu Art. 81 GSchG N 4–6) konkret festzulegen.

15. In zwei Vollzugshilfen hat das zuständige Bundesamt für diese Beurteilungs­arbeit mögliche Vorgehensweisen und Beispiele geliefert (BUWAL, Sanie­rungsbericht Wasserentnahmen; BUWAL, Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2; in ihren Ausführungen zur Interessenabwägung ist die erste Schrift aufgrund von BGE 139 II 28 («Misoxer Kraftwerke») überholt; s. Komm. zu Art. 80 GSchG N 35). Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sind die Kantone aber frei zu entscheiden, wie sie die Beurteilung vornehmen (vgl. zu den unterschiedlichen Herangehensweisen Eawag/SGS, Wasserkraftnutzung, 13 ff.).

16. Die Nutzungsberechtigten sind verpflichtet, der Behörde die nötigen Auskünfte zu liefern (Art. 39 GSchV). Es dürfte überhaupt sinnvoll sein, dass die Behörde bereits für die Erarbeitung des Sanierungsberichts die Adressaten der späteren Sanierungsverfügung – also die Inhaber bzw. Berechtigten der Wasserentnahmeanlage und die beschwerdebefugten Dritten – zur Meinungsäusserung einlädt. Angesichts der vorentscheidenden Natur des Sanierungsberichts kann dies zu einem besseren Vollzug der Sanierung beitragen. Es handelt sich dabei um ein informelles Vorgehen. Auf eine förmliche Beteiligung am Verfahren haben die Betroffenen erst im Zusammenhang mit dem Erlass der Sanierungsverfügung Anspruch, welche für sie unmittelbare Rechtswirkungen erzeugen wird (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 73 f.).

17. Der Sanierungsbericht vereinigt die Ergebnisse der vorangegangenen Be­urteilung. Art. 38 GSchV macht in den Abs. 2 und 3 ausdrückliche Vorgaben für die im Bericht wiederzugebenden Informationen.

18. Das Vorliegen des Sanierungsberichts ist jedoch nicht Voraussetzung, um Sanierungsmassnahmen gemäss Art. 80 GSchG anzuordnen. Eine Sanierung kann auch verfügt werden, wenn Inventar oder Bericht noch fehlen. Erforderlich ist, dass die Behörde die erforderlichen Beurteilungsgrundlagen erhoben hat (Riva, Wohlerworbene Rechte, 212, m.H. auf VGer BE, Urteil vom 11. August 1997, E. 7, in: BVR 1998, 118 f.).

19. Für die Expertenkommission Aubert sollte die Sanierung der Restwasser­strecken aufgrund einer Gesamtplanung erfolgen, deren Ergebnisse in einem «Sanierungsplan» für alle sanierungsbedürftigen Wasserentnahmen nieder­gelegt worden wären (EDI, E-GSchG 1984, Art. 85; EDI, Bericht Revision GSchG 1984, 75). Die Praxis hat teilweise einen andern Weg beschritten: Neben Berichten, die das Sanierungskonzept für alle Wasserentnahmen gesamthaft darstellen, haben die Kantone auch Berichte für einzelne Wasserentnahmen bzw. für Wasserentnahmen eines Gewässers oder eines Einzugsgebiets erarbeitet (Eawag/SGS, Wasserkraftnutzung, 14; BAFU, Stand Restwassersanierung 2012, Tab. Anh. 2).

20. Gemäss Art. 82 Abs. 3 GSchG mussten die Kantone ihre Sanierungsberichte dem Bund innert fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis Ende Oktober 1997 einreichen. Bis Ende 1997 hatten sechs Kantone ihre Berichte vorgelegt (AG, AR, FR, GR, SO; ZG für einen Teil der Wasserentnahmen); die meisten Kantone waren dazu erst nach 2000 in der Lage (BAFU, Stand Restwassersanierung 2012, Tab. Anh. 2). Für den Kt. NE stand der Sanierungsbericht Ende 2015 noch aus (BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, 8).

 

 

V.           Würdigung

21. Die Expertenkommission Aubert muss bei der Erarbeitung des Konzepts für die Restwassersanierung erkannt haben, dass der Vollzug dieser Aufgabe sich nur mit Hilfe einer strukturierten Entscheidbildung würde bewältigen lassen. Sie sah daher einen methodischen Dreischritt vor mit (1) einer Bestandesaufnahme der potentiellen Sanierungsobjekte (Inventar der bestehenden Wasserentnahmen), mit (2) einer Triage der Sanierungsfälle und Festlegung des Inhalts und des Zeitpunkts der Sanierungen (Sanierungsbericht), und zum Schluss mit (3) der individuell-konkreten, für die Betroffenen verbindlichen Anordnung der Sanierung in Form einer Verfügung. Die Kommission verband diesen Dreischritt mit bindenden Vollzugsfristen.

22. Der Gesetzgeber übernahm die ihm vorgeschlagene Lösung vollständig. Es fragt sich, warum trotzdem ein Vollzugsdefizit bei den Restwasser­sanierungen eingetreten ist. Mehrere Gründe sind bereits unter den Vor­bemerkungen zu Art. 80–83 GSchG angeführt worden (vgl. Vor Art. 80–83 GSchG N 16 ff.). Etliche Schwächen liegen aber auch in der Ausgestaltung des Instrumentariums selber.

23. Eine erste ist der lex-imperfecta-Charakter der Fristen von Art. 81 GSchG; deren Nichteinhaltung blieb und bleibt bis heute sanktionslos.

24. Eine zweite Schwäche ist im Umstand zu sehen, dass das GSchG keine Sicherungen gegen ungenügende oder gar falsche Erhebungen im Inventar und im Sanierungsbericht enthält. Verhängnisvoll ist insbesondere, dass den Kantonen bei der Ausscheidung zwischen sanierungsbedürftigen und nicht sanierungsbedürftigen Wasserentnahmen und bei der Festlegung der Sanierungsqualität freie Hand gelassen wurde. Wenn ein Kanton von den in seinem Inventar aufgeführten Wasserentnahmen nahezu die Hälfte oder mehr als nicht sanierungsbedürftig einstuft (vgl. die BAFU, Stand Restwassersanierung 2014, 10, Tab. Anh. 2,), entbehrt dieser Entscheid angesichts der Realität mit trocken liegenden oder von nur dünnen Rinnsalen durchflossenen Fluss‑ und Bachstrecken unterhalb vieler Entnahmestellen der Plausibilität. Von den dem Bund als vollzogen gemeldeten Restwassersanierungen liegt die Qualität im Dunkeln.

25. Die dritte Schwäche hängt mit dem Realakt-Charakter der Inventare und der Sanierungsberichte zusammen. Wegen ihrer fehlenden rechtlichen Aussen­wirkung kann sich niemand gegen die getroffenen Befunde wehren, insbesondere nicht die Schutzorganisationen. Die im Sanierungsbericht getroffenen Vorentscheide wirken präjudizierend, namentlich jene mit negativem Inhalt (Ausschluss der Sanierungspflicht oder Festlegung der Sanierung in einem Umfang, der hinter den Anforderungen von Art. 80 GSchG zurückbleibt). Eine Korrektur in der Verfügungsphase ist für den Fall des Ausschlusses der Sanierungspflicht nahezu ausgeschlossen.

26. Bei dieser Situation hätte sich aufgedrängt, dem Bund ein Genehmigungs­recht für die Sanierungsberichte vorzubehalten. Vielleicht hätte der Bund aber auch schon mit einer aktiven Wahrnehmung seiner Aufsichtspflicht nach Art. 46 Abs. 1 GSchG eine bessere Einhaltung der Fristen und eine kor­rektere Beurteilung der Sanierungsfälle herbeiführen können.

 

 

Résumé

L’obligation d’assainissement des débits résiduels est contraignant pour le détenteur d’une installation de prélèvement d’eau, respectivement le destinataire de l’autorisation lorsque les autorités ont adopté une décision. L’art. 82 LEaux met en place deux instruments, qui précèdent la décision et assurent la mise en oeuvre des assainissements des débits résiduels. Le législateur a obligé les cantons à mettre en place un inventaire des prélèvements d’eau existants (al. 1) afin de recenser les objets potentiels à assainir. Les prélèvements des cours d’eau à débit permanent ainsi que ceux des lacs ou des nappes souterraines, lorsque le prélèvement influence sensiblement le débit d’un cours d’eau à débit permanent, doivent être inscrits dans l’inventaire. Les prélèvements qui font déjà l’objet d’une concession mais qui n’ont pas encore été réalisés doivent également être inclus dans l’inventaire.

L’inventaire des prélèvements d’eau existants permet de fixer les objets qui peuvent être soumis à l’obligation d’assainissement selon l’art. 80 LEaux. Dans le rapport d’assainissement (al. 2), les autorités compétentes évaluent la situation des prélèvements d’eau recensés et décident, le cas échéant de l’étendue des mesures d’assainissement. Les résultats de cet examen sont consignés dans un rapport.

Dans le cadre de l’assainissement des débits résiduels, il existe un déficit de mise en oeuvre. Une première faiblesse de l’art. 82 LEaux est le caractère de lex imperfecta des délais prévus à l’art. 81 LEaux, le non respect de ceux-ci n’étant pas sanctionné. Une deuxième faiblesse est que la LEaux n’offre aucune protection contre les relevés insuffisants, respectivement erronés de l’inventaire et du rapport d’assainissement. Une troisième faiblesse vient du fait que les inventaires et les rapports d’assainissement n’ayant aucun effet juridique, il n’est dès lors pas possible de s’opposer aux résultats.

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (Entwurf der Kommission Aubert), Bern 1984 (zit. E-GSchG 1984); Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Erläuternder Bericht zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, Bern 1984 (zit. Bericht Revision GSchG 1984); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), Sanierungsbericht Wasserentnahmen – Sanierung nach Art. 80 Abs. 1 Gewässerschutzgesetz, Vollzug Umwelt, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 25, Bern 1997 (zit. Sanierungsbericht Wasserentnahmen); Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.) (verfasst durch Broder B./Sansoni M./Kasper H. et al.), Wasserentnahmen – Vorgehen bei der Sanierung nach Art. 80 Abs. 2 GSchG, in: Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 39, Bern 2000 (zit. Vorgehen nach Art. 80 Abs. 2 GSchG); Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag)/Schweizerische Greina-Stiftung (SGS) (Hrsg.) (verfasst durch Uhlmann Viviane/Wehrli Bernhard), Wasserkraftnutzung und Restwasser – Standortbestimmung zum Vollzug der Restwasservorschriften, Kastanienbaum 2006 (zit. Wasserkraftnutzung); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.) (verfasst durch Kummer Manfred/Baumgartner Marc/Devanthéry Daniel), Restwasserkarte Schweiz – Wasserentnahmen und ‑rückgaben, Umweltzustand Nr. 0715, Bern 2007 (zit. Restwasserkarte Schweiz); Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Hrsg.), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2012 und Entwicklung seit Mitte 2011, Bern 2013 (zit. Stand Restwassersanierung 2012); Bundesamt für Umwelt (BAFU), Restwassersanierung nach Art. 80 ff. GSchG: Stand Ende 2014 und Entwicklung seit Ende 2012, Bern 2015 (zit. Stand Restwassersanierung 2014).

​Riva Enrico​

 

Wasserentnahmen bei bereits erteilter Konzession

1         Bei geplanten Wasserentnahmen, für welche die Konzession vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilt worden ist, muss der Schutz des Gewässers unterhalb der Entnahmestelle durch Massnahmen nach diesem Gesetz so weit gewährleistet werden, als dies ohne entschädigungsbegründende Eingriffe in bestehende Wassernutzungsrechte möglich ist. Keine Entschädigungspflicht begründen Massnahmen nach Artikel 31 des Gesetzes, sofern die Konzession nach dem 1. Juni 1987 erteilt worden ist.

2         Fordern überwiegende öffentliche Interessen einen weitergehenden Schutz, so ordnet die Behörde die notwendigen Massnahmen nach diesem Gesetz an. Das Verfahren für die Feststellung der Entschädigungspflicht und die Festsetzung der Entschädigung richtet sich nach dem Enteignungsgesetz vom 20. Juni 1930.

3         Die Behörde ordnet die Massnahmen spätestens vor dem Beginn der Bauarbeiten für die Anlagen zur Wasserentnahme an.

Concessions accordées sous l’empire de l’ancien droit

1         Lorsque la concession a été accordée avant l’entrée en vigueur de la présente loi et que le prélèvement n’a pas encore été réalisé, la protection du cours d’eau en aval doit être assurée par des mesures conformes à la présente loi, en évitant, dans la mesure du possible, que les droits d’utilisation existants soient atteints d’une manière qui justifierait un dédommagement. Les mesures prévues à l’art. 31 ne donnent pas lieu à une indemnisation lorsque la concession a été octroyée après le 1er juin 1987.

2         Si des intérêts publics prépondérants exigent une protection supplémentaire, l’autorité ordonnera les mesures à prendre en vertu de la présente loi. La procédure de constat et, le cas échéant, la détermination du montant de l’indemnité sont régies par la loi fédérale du 20 juin 1930 sur l’expropriation.

3         Les mesures prévues à l’al. 2 doivent avoir été arrêtées avant le début des travaux de construction des installations destinées au prélèvement.

Progetti di prelievo per cui la concessione è già stata rilasciata

1         Per i progetti di prelievo per cui la concessione è stata rilasciata prima dell’entrata in vigore della presente legge, la protezione delle acque a valle deve essere garantita da provvedimenti secondo la presente legge, nella misura in cui non si arrechi ai diritti esistenti di sfruttamento delle acque un pregiudizio tale da giustificare il versamento di un’indennità. Le misure giusta l’articolo 31 non danno luogo ad indennizzo, sempreché la concessione sia stata accordata dopo il 1° giugno 1987.

2         Se interessi pubblici preponderanti esigono una protezione supplementare, l’autorità ordina le misure necessarie secondo la presente legge. La procedura di accertamento dell’obbligo di indennizzo e la determinazione dell’ammontare dell’indennizzo sono disciplinati dalla legge federale del 20 giugno 1930 sull’espropriazione.

3         L’autorità ordina le misure al più tardi prima dell’inizio dei lavori di costruzione degli im­pianti destinati al prelievo d’acqua

 

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
 II. Allgemeine Bemerkungen 3
III. Schutz in Normalsituationen (Abs. 1) 7
IV. Weitergehender Schutz (Abs. 2) 10
V. Anordnung der Massnahmen (Abs. 3) 12

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Art. 83 GSchG entspricht weitestgehend dem bundesrätlichen Entwurf von 1987 (Art. 82 in der Botschaft GSchG 1987, 1207).

2. Auf Antrag der vorberatenden Kommission nahm der Nationalrat am 22. Juni 1989 die Bestimmung von Art. 83 Abs. 1 Satz 2 GSchG neu auf (AB NR 1989, 1103 und 1105). Sie wurde in der weiteren Beratung nicht mehr in Frage gestellt (aber durch die Redaktionskommission von Abs. 2, wo sie anfangs eingefügt war, in den Abs. 1 versetzt).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

3. Art. 83 ergänzt Art. 80 GSchG. Diese Bestimmung verpflichtet die Inhaber der bestehenden Wasserentnahmeanlagen zur Sanierung, während Art. 83 GSchG die gleiche Pflicht für noch nicht erstellte, aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des GSchG schon konzessionierte Anlagen enthält.

4. Die Regelungen von Art. 80 und 83 GSchG sind weitgehend parallel gehalten, indem beide in Abs. 1 eine Normalsituation mit beschränktem Schutz und in Abs. 2 eine Ausnahmesituation mit verstärktem Schutz und möglichen Entschädigungsfolgen unterscheiden.

5. Wie die Art. 80–82 hat auch Art. 83 GSchG übergangsrechtlichen Charakter. Seit dem Inkrafttreten des GSchG am 1. November 1992 dürfen neue Rechte für die Entnahme von Wasser nur noch unter Einhaltung der Restwasser­vorschriften von Art. 31 ff. GSchG erteilt werden. Art. 83 GSchG erfasst die bis Ende Oktober 1992 konzessionierten, aber noch nicht realisierten Wasser­entnahmen.

6. Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten des Gesetzes dürfte dem Art. 83 GSchG keine praktische Bedeutung mehr zukommen. Es ist nicht vorstellbar, dass noch gültige Wasserentnahmekonzessionen existieren, die vor dem 1. November 1992 erteilt, seither aber nicht umgesetzt wurden. Die Regelung von Art. 83 GSchG behält aber eine gewisse Relevanz, weil der Gesetzgeber darin eine Art authentischer Interpretation zum Problem der Entschädigung als Folge einer Beschränkung wohlerworbener Rechte gegeben hat (vgl. N 8).

 

 

III.        Schutz in Normalsituationen (Abs. 1)

7. Die Regelung von Art. 83 Abs. 1 geht von der Situation aus, dass ein Recht zur Wasserentnahme in einem Umfang erteilt wurde, der den Anforderungen von Art. 31 ff. GSchG nicht genügt. Weil die Anlage aber noch nicht steht, kann sie – anders als in Art. 80 Abs. 1 GSchG vorgesehen – nicht «saniert» werden. Art. 83 Abs. 1 GSchG verpflichtet die Konzesssionärin dazu, das Projekt zu ändern und die Anlage so zu bauen, dass die Restwassersituation im Vergleich zum konzessionierten Projekt verbessert wird. Die Verbesserung hat so weit zu gehen, als dies möglich ist, ohne wegen des Eingriffs in das konzessionierte Recht Entschädigungsfolgen auszulösen. Bis hier besteht also eine Parallelität zur Regelung von Art. 80 Abs. 1 GSchG, und es kann auf die Kommentierung dieser Bestimmung verwiesen werden (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 32 f.).

8. Rechtsdogmatisch liegt in Art. 83 GSchG die Anerkennung der Auffassung, dass die Wohlerworbenheit eines konzedierten Rechts bereits mit der Verleihung und nicht erst mit der Umsetzung eintritt (vgl. BGE 107 Ib 140 («Ilanz»), E. 3a, 1. Satz; 119 Ib 254 («Curciusa»), E. 5a; Kritik und weitere Hinweise bei Riva, Wohlerworbene Rechte, 65 f. und 116 ff.). Auf der andern Seite enthält Art. 83 Abs. 1 GSchG eine Präzisierung bezüglich der Schwelle, ab welcher der Eingriff in das wohlerworbene Recht die Substanz verletzt und damit entschädigungspflichtig wird (vgl. Komm. zu Art. 80 N 38). Die Schwelle liegt bei den noch nicht ins Werk gesetzten Konzessionen höher als bei den bereits ausgeübten; die Schutzmassnahmen müssen dementsprechend weiter gehen. Dies ergibt sich aus der Botschaft, die zu Art. 83 GSchG Folgendes ausführt: «[E]ntschädigungslose Eingriffe [können] bei noch nicht gebauten Werken weitergehen […] als bei bereits bestehenden Werken» (Botschaft GSchG 1987, 1172).

9. Für Konzessionen, die nach dem 1. Juni 1987 – also ungefähr zwei Monate nach der am 29. April 1987 erfolgten Verabschiedung der bundesrätlichen Botschaft zur Volksinitiative «Zur Rettung unserer Gewässer» und zur Revision des GSchG – erteilt, aber seither nicht realisiert wurden, hat der Gesetzgeber im letzten Satz von Art. 83 Abs. 1 GSchG eine besondere Regelung getroffen: Beim Bau der Wasserentnahmeanlage muss die Mindest­restwassermenge gemäss Art. 31 GSchG eingehalten werden, ohne dass dem Konzessionär daraus ein Entschädigungsanspruch erwächst.

 

IV.        Weitergehender Schutz (Abs. 2)

10. Der Umfang der Massnahmen zu Gunsten besserer Restwasserverhältnisse darf nicht durch die Entschädigungsschwelle begrenzt sein, wenn überwiegende öffentliche Interessen einen weitergehenden Schutz verlangen. In dieser Situation kann das konzedierte Recht in einer Weise beschränkt werden, welche in die Substanz eingreift und zu Entschädigungsfolgen führt.

11. Art. 83 Abs. 2 GSchG ist die Parallelbestimmung zu Art. 80 Abs. 2 GSchG für die bestehenden Wasserentnahmen. Im Gegensatz zu jener Bestimmung hat der Gesetzgeber hier davon abgesehen, das Schutzbedürfnis für Gewässer, die durch inventarisierte Landschaften und Lebensräume fliessen, als eigenständigen Fall eines überwiegenden öffentlichen Interesse ausdrücklich zu nennen (dazu AB 1989 N 1103 und 1105; AB 1989 S 739). Der Vollzugsbehörde bleibt es aber unbenommen, für ein derartiges Gewässer entsprechend der gegebenen Situation ein überwiegendes öffentliches Interesse an weitergehenden Schutzmassnahmen zu bejahen. Für die Frage der Entschädigung kann auf Komm. zu Art. 80 GSchG N 56 ff. verwiesen werden.

 

V.           Anordnung der Massnahmen (Abs. 3)

12. Die Massnahmen, welche bessere Restwasserverhältnisse bei dem durch die geplante Entnahme betroffenen Gewässer herbeiführen sollen, müssen in Form einer Verfügung angeordnet werden (vgl. Komm. zu Art. 80 GSchG N 73). Art. 83 Abs. 3 GSchG spricht zur Klarstellung eine Selbstverständlichkeit aus: Die Verfügung muss ergangen und rechtskräftig geworden sein, bevor die Arbeiten zur Erstellung der Wasserentnahme einsetzen. Die Bauarbeiten dürfen also erst beginnen, wenn das konzedierte Projekt im Sinn der Anforderungen von Art. 83 Abs. 1 oder Abs. 2 GSchG rechtsverbindlich modifiert worden ist.

 

 

Résumé

L’art. 83 LEaux complète l’art. 80 LEaux. Cette disposition oblige le détenteur des installations de prélèvement d’eau à l’assainissement alors que l’art. 83 LEaux prévoit la même obligation pour les prélèvements non encore réalisés mais dont la concession a été accordée avant l’entrée en vigueur de la présente loi.

L’art. 83 al. 1 LEaux oblige le concessionnaire à modifier son projet et à construire les installations de telle manière à ce que la situation soit améliorée par rapport au projet concédé. L’amélioration doit aller aussi loin que possible. Il faut toutefois éviter que les droits d’utilisation existants soient atteints d’une manière qui justifierait un dédommagement.

Selon la doctrine, l’art. 83 LEaux reconnait que les droits sont déjà acquis avec l’octroi de la concession et non pas au début des travaux. L’art. 83 LEaux contient également une précision concernant le seuil à partir duquel l’intervention viole la substance du droit acquis et donne ainsi droit à une indemnisation. Ce seuil est plus élevé dans le cas d’ouvrage non construits que dans celui d’ouvrages existants.

L’étendue des mesures en faveur de meilleurs débits résiduels ne peut pas être limité lorsque des intérêts publics prépondérants exigent une protection supplémentaire. Le droit concédé peut ainsi être restreint par une atteinte dans sa substance et ce qui justifie une indemnisation.

2bis. Abschnitt: Schwall und Sunk sowie Geschiebehaushalt

​Favre Anne-Christine

 

2bis. Abschnitt: Schwall und Sunk sowie Geschiebehaushalt/
Section 2bis: Eclusées et régime de charriage

 

Mesures d’assainissement

Les détenteurs de centrales hydroélectriques existantes et d’autres installations situées sur des cours d’eau sont tenus de prendre les mesures d’assainissement conformes aux exigences prévues aux art. 39a et 43a dans un délai de 20 ans à compter de l’entrée en vigueur de la présente disposition.

Sanierungsmassnahmen

Die Inhaber bestehender Wasserkraftwerke und anderer Anlagen an Gewässern sind verpflichtet, innert 20 Jahren nach Inkrafttreten dieser Bestimmung die geeigneten Sanierungsmassnahmen nach den Vorgaben der Artikel 39a und 43a zu treffen.

Misure di risanamento

I detentori delle centrali idroelettriche esistenti e degli altri impianti esistenti situati lungo corsi d’acqua sono tenuti a prendere le misure di risanamento adeguate secondo le prescrizioni di cui agli articoli 39a e 43a entro 20 anni dall’entrata in vigore della presente disposizione.

 

Table des matières

Historique 1
II. Remarques générales 8
III. Commentaire 11
A. Les installations visées 12
B. Les mesures d’assainissement 18
​C. ​Délai 20
​D. ​Coordination des mesures relevant de la LEaux et de la LFSP 22

 

 

I.              Historique

1. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060), déposée le 3 juillet 2006, soumettant un nouvel art. 76a Cst., visait notamment à introduire un régime tendant à l’assainissement des cours d’eau influencés sensiblement par les prélèvements d’eau, en proposant l’atténuation des effets nuisibles des éclusées et la réactivation du régime de charriage.

2. Le Conseil fédéral n’a pas jugé nécessaire de proposer un contre-projet à cette initiative, tout en reconnaissant les déficits hydrologiques et écologiques liés aux éclusées et l’insuffisance de la législation existante (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5244). Le Conseil fédéral considérait le coût économique important de ces opérations d’assainisssement (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5249 s., 5252 s.) et regrettait que l’initiative ne tienne pas suffisamment compte des atteintes aux droits acquis (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5250, 5252). Il considérait, par ailleurs, que les mesures demandées pouvaient être prises dans le contexte du droit en vigueur.

3. Le 4 octobre et le 6 décembre 2007, les Chambres fédérales ont approuvé une motion (Motion Epiney Renaturation), puis une initiative parlementaire, sur proposition de la CEATE-E, tendant à l’élaboration d’un contre-projet indirect par une modification de la législation fédérale.

4. Ce contre-projet a été déposé par la CEATE-E, dans son rapport du 12 août 2008, et vise notamment l’atténuation des effets nuisibles des éclusées en aval des centrales hydroélectriques ainsi que le maintien du régime de charriage (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315 ss). Les questions liées aux droits acquis ont été particulièrement approchées avec la proposition d’un régime de droit transitoire inscrit à l’art. 83a LEaux et portant à 20 ans le délai d’exécution des mesures pour les détenteurs d’installations existantes; par ailleurs, le principe d’une indemnisation partielle des propriétaires d’installations hydrauliques a été admis par la majorité de la commission, sous la forme d’une adaptation de la législation sur l’énergie (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7328 ss).

5. Dans son avis du 19 septembre 2008, le Conseil fédéral a approuvé le contre-projet sur la question touchant au délai d’exécution des mesures, sans remarque particulière (Avis du Conseil fédéral protection et utilisation, 7347).

6. L’art. 83a LEaux a été adopté par les Chambres fédérales, après une discussion quant au délai d’exécution des mesures pour les installations existantes, qui paraissait trop long aux yeux des représentants de la minorité, souhaitant limiter ce délai à 10 ans, compte tenu de la situation d’urgence pour la faune piscicole; la position de la majorité, tendant à considérer que seul le délai de 20 ans serait réaliste, l’a cependant emporté (BO CN 2009, 660 ss).

7. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060) a été retirée.

 

 

II.           Remarques générales

8. Inscrit au chapitre des dispositions transitoires, l’art. 83a LEaux est à mettre en relation avec les obligations qui découlent des art. 39a et 43a LEaux; il précise le délai maximum de 20 ans, applicable aux assainissements d’installations existantes qui, matériellement, sont soumises aux mêmes obligations que les installations nouvelles.

9. Le système prévoit un train d’action unique pour les mesures découlant des art. 39a et 43a LEaux – contrairement aux mesures de revitalisation prévues à l’art. 38a LEaux – qui s’échelonneront vraisemblablement sur près de 80 ans (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7319).

10. Le délai de 20 ans imparti constitue un compromis entre l’urgence des mesures à adopter pour préserver la faune piscicole et la mise en place des mesures, qui nécessitent des investissements conséquents estimés à environ 50 millions de francs, en moyenne, par année (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7319).

 

III.        Commentaire

11. Manifestation du principe de proportionnalité, le délai de 20 ans imparti pour exécuter les mesures prévues aux art. 39a et 43a LEaux s’adresse tant aux détenteurs d’installations qu’aux autorités chargées de veiller à la mise en œuvre de la législation. Le réalisme des objectifs visés et le calendrier à tenir sont directement liés à la planification que les autorités sont chargées de présenter à la Confédération, d’ici au 31 décembre 2014, en application de l’art. 83b al. 1 et 2 LEaux.

 

A.           Les installations visées

12. L’art. 83a LEaux s’adresse aux détenteurs d’installations existantes, que celles-ci soient au bénéfice d’une concession en cours ou doivent être renouvelées dans le délai de 20 ans fixé pour prendre les mesures d’assainissement. Matériellement, il ne concerne cependant que les installations qui génèrent des atteintes graves à la faune et à la flore, ainsi qu’à leurs biotopes, en raison des éclusées (art. 39a LEaux) ou des obstacles au régime de charriage (art. 43a LEaux). La date à compter de laquelle des installations peuvent bénéficier de ce régime de droit est celle de l’entrée en vigueur de la loi, soit le 1er janvier 2011.

13. Par installation, il convient d’entendre tant les «centrales hydroélectriques existantes» que «d’autres installations situées sur des cours d’eau». En effet, les installations hydrauliques sont concernées aussi bien par le régime de la lutte contre les atteintes nuisibles des éclusées (art. 39a LEaux) que par celui de la réhabilitation du régime de charriage (art. 43a LEaux); cependant, la problématique de la préservation du charriage peut toucher également d’autres installations telles que des dépotoires à alluvions et les aménagements de cours d’eau (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7326).

14. Le régime de droit transitoire, concrétisé par l’art. 83a LEaux, vise les installations existantes, par opposition aux installations nouvelles qui doivent d’emblée être conformes aux exigences des art. 39a et 43a LEaux.

15. Aucune de ces dispositions ne précise à quel régime sont soumis les agrandissements ou modifications d’installations existantes. Seul l’art. 8 al. 5 LFSP approche la question en indiquant que les «installations qui sont agrandies ou remises en état sont considérées comme de nouvelles installations».

16. La jurisprudence générée par l’application de l’art. 80 LEaux peut cependant être appliquée par analogie (concernant cette jurisprudence, voir Huber-Wälchli/Keller, Jurisprudence 2003–2012, 23 ss). Selon le Tribunal fédéral, les modifications importantes de concessions pendant leur durée équivalent matériellement à l’octroi d’une nouvelle concession et ne peuvent bénéficier du régime de droit transitoire prévu par l’art. 80 LEaux (ATF 119 Ib 254, consid. 5b); des modifications d’importance moindre – il s’agissait dans le cas particulier d’une prolongation de 15 ans de la concession initiale, avec des modifications temporaires, préalablement au renouvellement d’une nouvelle concession de 80 ans – ne sont pas nécessairement assimilées à des installations nouvelles (TF 1A.170/2003 du 27 août 2004, consid. 4, in: ZBl 106/2005 311 ss).

17. L’enjeu de la question n’est pas uniquement celui du délai d’exécution des mesures, mais également celui de l’indemnisation des travaux, qui est entièrement couverte par la redevance prévue par l’art. 15b LEne en cas d’assainissement d’une installation existante dans le délai de 20 ans (15abis LEne).

B.            Les mesures d’assainissement

18. Matériellement, l’art. 83a LEaux renvoie aux art. 39a et 43a LEaux, s’agissant des assainissements. Ces dispositions ne marquent pas de différence de régime entre les installations existantes et les installations nouvelles, s’agissant des exigences à respecter. L’approche est ainsi totalement différente de celle qui est faite à l’art. 80 LEaux quant aux assainissements à entreprendre en relation avec les dispositions limitant les prélèvements d’eau; dans ce contexte, le législateur a entendu préserver les droits acquis et imposer des mesures compatibles avec ceux-ci (art. 80 al. 1 LEaux), sauf dans les situations où des intérêts publics prépondérants exigent de leur porter atteinte, auquel cas une indemnisation est due à l’exploitant (art. 80 al. 2 LEaux).

19. La raison de cette conception plus absolue quant au régime de l’assainissement des effets nuisibles dus aux éclusées et aux obstacles au régime de charriage tient à l’importance des dommages causés (environ 90 % des eaux pouvant servir à la production d’électricité sont exploitées, et cette exploitation porte des atteintes graves à l’écoulement des eaux; CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7316). Le seul tempérament accordé, par rapport aux mesures que doivent adopter les installations nouvelles, est ainsi celui du délai.

 

C.           Délai

20. Le délai de 20 ans part dès l’entrée en vigueur de la modification de la LEaux, soit le 1er janvier 2011, et échoit ainsi le 31 décembre 2030.

21. Les mesures doivent être exécutées durant cette période et donc en principe être achevées à l’échéance du délai. Cependant, il peut arriver que les dispostifs envisagés soient périodiques; la CEATE-E cite à cet égard les mesures d’exploitation, telles que l’abaissement périodique du niveau des bassins d’accumulation des centrales hydroélectriques, mais aussi les prélèvements ou adjonctions de gravier, la gestion de dépotoirs à alluvions (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7328); dans une telle hypothèse, les mesures ne sont pas à exécuter en une fois, mais de manière récurrente et donc également au-delà du délai de 20 ans fixé par l’art. 83a LEaux.

D.           Coordination des mesures relevant de la LEaux et de la LFSP

22. Même si le texte ne l’indique pas, le délai de l’art. 83a LEaux concerne également les installations existantes soumises simultanément à des mesures relevant des art. 39a et 43a LEaux et de l’art. 10 LFSP; l’objectif de l’art. 83b al. 1 et 2 LEaux est en effet de coordonner l’ensemble de ces mesures, qui sont financées de la même manière, par la redevance fondée sur l’art. 15abis LEne.

23. Le délai de l’art. 83a LEaux ne coïncide en revanche pas avec celui lié aux obligations découlant de l’art. 80 LEaux (qui arrivait à échéance le 31 décembre 2012, selon l’art. 81 al. 2 LEaux). Mais rien n’empêche de coordonner les mesures de l’art. 80 LEaux – qui n’auraient pas encore été prises – avec celles des art. 39a et 43a LEaux, lorsque cela paraît pertinent ou que cela permet d’éviter des atteintes aux droits acquis à indemniser sur la base de l’art. 80 al. 2 LEaux (ATF 139 II 28, consid. 2.7.3).

 

 

Zusammenfassung

Art. 83a GSchG richtet sich an alle bestehenden Anlagen, welchen durch die Art. 39a und 43a GSchG sowie Art. 10 BGF Pflichten auferlegt werden. Er ist Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips, da er den bestehenden Anlagen für die Umsetzung der Sanierungsmassnahmen eine einmalige Frist von 20 Jahren gewährt.

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Motion Epiney (07.3311) «Renaturation des cours d’eau. Contre-projet à l’intiative populaire ‹Eaux vivantes›» du 6 juin 2007 (cit. Motion Epiney Renaturation); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007).

​Favre Anne-Christine

 

​Planification et rapport

1         Les cantons planifient les mesures visées à l’art. 83a et fixent les délais de leur mise en oeuvre. Cette planification comprend également les mesures que doivent prendre les détenteurs de centrales hydroélectriques conformément à l’art. 10 de la loi fédérale du 21 juin 1991 sur la pêche.

2         Les cantons remettent leur planification à la Confédération le 31 décembre 2014 au plus tard.

3         Ils présentent tous les quatre ans à la Confédération un rapport sur les mesures mises en oeuvre.

Planung und Berichterstattung

1         Die Kantone planen die Massnahmen nach Artikel 83a und legen die Fristen zu deren Umsetzung fest. Die Planung umfasst auch die Massnahmen, die nach Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei von den Inhabern von Wasserkraftwerken zu treffen sind.

2         Die Kantone reichen die Planung bis zum 31. Dezember 2014 dem Bund ein.

3         Sie erstatten dem Bund alle vier Jahre Bericht über die durchgeführten Massnahmen.

Pianificazione e rapporto

1         I Cantoni pianificano le misure di cui all’articolo 83a e stabiliscono i termini per la loro attuazione. Tale pianificazione comprende anche i provvedimenti che i detentori di centrali idroelettriche devono prendere in virtù dell’articolo 10 della legge federale del 21 giugno 1991 sulla pesca.

2             I Cantoni presentano la pianificazione alla Confederazione entro il 31 dicembre 2014.

3             Ogni quattro anni presentano alla Confederazione un rapporto sulle misure attuate.

 

Table des matières

Historique 1
II.   ​ Remarques générales 9
III. Commentaire 13
A. Planification des mesures et fixation des délais de mise en oeuvre (al. 1) 13
1. Le double délai de planification 13
2. Le contenu de la planification 15
3. La coordination des mesures 19
4. Marge de manœuvre des autorités cantonales et respect du droit d’être entendu 23
​5. Portée de la planification 26
B. Transmission à l’autorité fédérale (al. 2) 29
C. Surveillance de la Confédération (al. 3) 31

 

 

I.              Historique

1. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060), déposée le 3 juillet 2006, soumettant un nouvel art. 76a Cst., visait notamment à introduire un régime tendant à l’assainissement des cours d’eau influencés sensiblement par les prélèvements d’eau, en proposant l’atténuation des effets nuisibles des éclusées et la réactivation du régime de charriage.

2. Le Conseil fédéral n’a pas jugé nécessaire de proposer un contre-projet à cette initiative, tout en reconnaissant les déficits hydrologiques et écologiques liés aux éclusées et l’insuffisance de la législation existante (Message initiative Eaux vivantes 2007, 5244). Il considérait que les mesures demandées pouvaient être prises dans le contexte du droit en vigueur.

3. Le 4 octobre et le 6 décembre 2007, les Chambres fédérales ont approuvé une motion (Motion Epiney Renaturation), puis une initiative parlementaire, sur proposition de la CEATE-E, tendant à l’élaboration d’un contre-projet indirect par une modification de la législation fédérale.

4. Ce contre-projet a été déposé par la CEATE-E, dans son rapport du 12 août 2008, et vise notamment l’atténuation des effets nuisibles des éclusées en aval des centrales hydroélectriques ainsi que le maintien du régime de charriage (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7315 ss). Sur le plan matériel, des exigences semblables sont fixées pour les installations existantes et nouvelles, lorsqu’elles engendrent des atteintes graves à la faune et à la flore ou à leurs biotopes. Une disposition de droit transitoire (l’art. 83a LEaux) prévoit un délai d’exécution de 20 ans pour l’assainissement des installations existantes concernées, ce qui invite à une planification des mesures auprès des différentes installations, dans ce délai; c’est l’objet de la réglementation prévue par l’art. 83b LEaux.

5. Cette proposition de planification globale a été faite par la CEATE-E dans le but de répartir de manière équilibrée les charges financières qui pèseront sur les collectivités publiques (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7317, 7319). Ces mesures de planification à entreprendre sous le contrôle de la Confédération sont apparues comme le pivot d’une garantie d’efficacité des objectifs visés par les art. 39a et 43a LEaux et d’une assurance d’égalité de traitement entre les différents détenteurs d’installations sur l’ensemble du territoire (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7321).

6. Dans son avis du 19 septembre 2008, le Conseil fédéral a approuvé le contre-projet, sans remarque particulière, sur la question touchant à la planification des mesures (Avis du Conseil fédéral protection et utilisation, 7347).

7. L’art. 83b LEaux a été adopté par les Chambres fédérales, sans discussion.

8. L’initiative populaire «Eaux vivantes» (07.060) a été retirée.

 

 

II.           Remarques générales

9. Inscrit au chapitre des dispositions transitoires, l’art. 83b LEaux est à mettre en relation avec l’art. 83a LEaux, qui fixe un délai de 20 ans pour les assainissements des centrales hydroélectriques existantes et autres installations tenues de prendre des mesures conformes aux exigences découlant des art. 39a et 43a LEaux.

10. L’objet de l’art. 83b LEaux est d’inviter les cantons à planifier les mesures et les délais d’exécution qui en résultent, cette planification devant être présentée dans un délai assez court, échéant le 31 décembre 2014, pour pouvoir bénéficier du financement de la Confédération dont il est question à l’art. 62c LEaux.

11. L’art. 83b LEaux inscrit également une obligation de coordination des mesures d’assainissement à envisager selon la législation sur la pêche; ces mesures devront être planifiées en même temps que celles qui découlent de la LEaux.

12. Le rôle de l’art. 83b LEaux est essentiellement celui de fixer des prescriptions d’ordre formel: outre les obligations de planification et le délai fixé à cet égard aux autorités cantonales, il précise que la Confédération assure un contrôle à différents stades de la procédure (dans ce sens Jansen, Protection des eaux, 136).

 

 

III.        Commentaire

A.           Planification des mesures et fixation des délais de mise en oeuvre (al. 1)

1.             Le double délai de planification

13. L’art. 83b al. 2 LEaux prévoit un délai de planification de 4 ans dès l’entrée en vigueur de la modification de la LEaux —soit dès le 1er janvier 2011 —, ce qui laisse une période de 16 ans pour l’exécution des mesures d’assainissement.

14. Ainsi que le précise l’art. 83b al. 1 LEaux, cette obligation de planification vise les autorités cantonales; celles-ci ont ainsi la double responsabilité de présenter à la Confédération la planification globale des mesures d’ici au 31 décembre 2014 – activité qui donne lieu à une participation financière de la Confédération (voir commentaire ad art. 62c LEaux N 13 ss) –, puis de veiller à ce que ces mesures soient réalisées par les détenteurs d’installations concernées, d’ici au 31 décembre 2030.

 

2.             Le contenu de la planification

15. Dans le cadre de la planification des mesures liées aux atteintes graves occasionnées par les éclusées ou les entraves au régime de charriage, les cantons doivent remettre un premier rapport intermédiaire à l’OFEV d’ici au 30 juin 2013, recensant notamment les installations sujettes à assainissement, les atteintes graves qu’elles engendrent à la faune, à la flore indigène et à leurs biotopes ainsi que les mesures envisagées, avec l’indication de la coordination à entreprendre sur l’ensemble du bassin versant (annexe 4a ch. 2 al. 1 et 3 al. 1 OEaux). Il s’agit, dans ce contexte, de procéder à un état des lieux en fonction du potentiel écologique et du degré de gravité des atteintes, afin de proposer une palette de mesures aussi large que possible (OFEV, Rapport explicatif, 22).

16. La planification proprement dite doit, pour sa part, indiquer les délais d’assainissement – échelonnés selon le degré d’urgence – et les mesures de coordination prévues dans le bassin versant du cours d’eau concerné avec d’autres mesures destinées à protéger les biotopes naturels et à assurer la protection contre les crues (annexe 4a ch. 2 al. 2 et 3 al. 2 OEaux).

17. Si la planification doit déterminer le type de mesures à prendre, la phase de l’exécution pourra encore inviter à un choix de variantes, au regard de l’efficacité de la mesure et de son coût, conformément au principe de proportionalité rappelé aux art. 39a al. 2 et 43a al. 2 LEaux (voir également l’art. 41g al. 1 OEaux).

18. En présence d’installations pour lesquelles des circonstances particulières ne permettent pas de réunir l’ensemble des informations requises d’ici au 31 décembre 2014, le canton indique à l’OFEV un délai au terme duquel il se déterminera sur les éventuelles mesures à prendre (annexe 4a ch. 2 al. 2 let. c et ch. 3 al. 2 let. c OEaux). Constitue notamment une «circonstance particulière», la situation dans laquelle plusieurs installations provoquent des éclusées dans un bassin versant, sans qu’il soit possible d’attribuer la part et l’ampleur des atteintes graves ainsi provoquées à chacune de ces installations (annexe 4a ch. 1 OEaux).

 

3.             La coordination des mesures

19. La coordination des mesures est l’un des objectifs clé de la planification.

20. Ainsi que le rappelle l’art. 46 OEaux, l’ensemble des mesures requises par la LEaux doivent être coordonnées; il en résulte que les mesures requises par les art. 39a et 43a LEaux devront être synchronisées et harmonisées avec des mesures en matière de revitalisation des eaux ou de protection contre les crues, par exemple (OFEV, Rapport explicatif, 22 s.).

21. S’agissant plus particulièrement des mesures qui découlent des art. 39a al. 3 LEaux et 43a al. 3 LEaux, il s’agit de veiller à coordonner les dispositifs à adopter dans un même bassin versant. Les incidences des éclusées peuvent, en effet, s’additionner ou, au contraire, s’annuler, selon les variations de débits (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7317); par ailleurs, certaines zones se prêtent mieux que d’autres aux mesures techniques demandées par l’article 39a LEaux (bassins de compensation, canaux de dérivation, aménagement de cours d’eau de compensation, etc.). De tels effets cumulatifs se présentent également, en ce qui concerne les obstacles au régime de charriage, qui doivent également être considérés dans l’ensemble d’un bassin hydrologique (CEATE-E, Rapport CEATE-E Protection et utilisation, 7318).

22. Mais plus encore, ainsi que l’indique l’art. 83b al. 1 LEaux, il est nécessaire de coordonner les mesures de la LEaux avec celles qui découlent de la législation sur la pêche, qui seront à exécuter dans le même délai (art. 10 LFSP, 9b et 9c al. 4 OFSP).

 

4.             Marge de manœuvre des autorités cantonales et respect du droit d’être entendu

23. La marge de manœuvre des autorités dans l’établissement de la planification se veut large, tant quant aux mesures et délais à proposer que quant à l’approche procédurale des dossiers, lorsqu’il est question de faire intervenir les détenteurs des installations dans la planification (OFEV, Rapport explicatif, 8 et 24, 25).

24. Les détenteurs d’installations doivent fournir à l’autorité les renseignements nécessaires pour évaluer les mesures à adopter (art. 41f al. 2 et 42b al. 2 OEaux). En réalité, si la planification des mesures revient à l’autorité, toute procédure d’assainissement implique une collaboration étroite avec le détenteur de l’installation, qui doit pouvoir faire des propostions quant aux mesures et aux délais à envisager (voir à cet égard l’art. 16 al. 3 LPE, applicable par analogie). Cela est d’autant plus nécessaire que les obligations des art. 39a et 43a LEaux visent les exploitants, directement.

25. Le droit d’être entendu des détenteurs d’installation doit ainsi être respecté, mais les cantons peuvent décider du moment et de la manière de les intégrer dans le processus de planification (OFEV, Rapport explicatif, 25).

 

5.             Portée de la planification

26. La planification des mesures constitue le fondement nécessaire aux décisions d’assainissement (art. 41g al. 1 et 42c al. 2 OEaux). Elle représente également l’étape préalable à l’indemnisation des mesures prises en vertu de l’art. 83a LEaux ou 10 LFSP; la demande du détenteur de l’installation concernée doit d’ailleurs être présentée avant le début des travaux de construction ou la préparation d’acquisitions d’une certaine importance, et indiquer les objectifs poursuivis par l’assainissement (art. 17d al. 1 et 2 et appendice 1.7 ch. 1 let. c OEne).

27. Une décision d’assainissement qui ne reposerait pas sur ladite planification (par exemple en assujetissant à assainissement une installation non recensée dans le délai fixé au 31 décembre 2014), ou s’en écarterait pour un motif nouveau apparu au moment de la mise en œuvre des mesures, ne serait cependant pas frappée de nullité, dès lors que l’obligation d’assainir trouve son fondement directement aux art. 39a et 43a LEaux. En revanche, une telle décision fait courir le risque d’un refus de financement du projet par l’OFEV, qui s’appuie – indirectement tout au moins – sur la planification des mesures et le projet d’assainissement concret, lorsqu’il est question de vérifier le respect des conditions d’un remboursement des coûts engendrés par les mesures (art. 41g al. 2 et 42c al. 3 OEaux); voir également l’appendice 1.7 ch. 2 OEne (art. 17d al. 1 OEne).

28. On peut d’ailleurs imaginer d’autres situations à l’occasion desquelles un assainissement pourrait être requis, indépendamment de la planification dont il est question à l’art. 83b LEaux. La vision du législateur, selon laquelle les assainissements d’installations existantes pourront être réalisés dans l’unique période de 20 ans fixée à cet effet, augure que l’évolution des circonstances reste stable. En réalité, il n’est pas exclu que des installations existantes, qui, aujourd’hui, n’engendrent pas d’atteintes graves à la faune, à la flore ou à leur biotope, soient soumises aux exigences des art. 39a et 43a LEaux, ultérieurement, en raison d’une modification des cours d’eau et de leur milieu (par exemple en cas de tarissement périodique des cours d’eau lié aux changements climatiques). Les dispositions précitées sont directement applicables; partant, dans une telle hypothèse, l’obligation de rendre les installations existantes conformes à ces normes subsistera, même au-delà de l’échéance précitée.

 

B.            Transmission à l’autorité fédérale (al. 2)

29. La planification des cantons est à remettre à la Confédération d’ici au 31 décembre 2014. A défaut du respect de ce délai, les cantons ne pourront plus percevoir les indemnités fédérales prévues à l’art. 62c LEaux.

30. C’est ensuite de l’approbation par la Confédération que les cantons notifieront aux détenteurs d’installations concernées les décisions d’assainissement, selon le planning présenté (art. 41g al. 2 et 42c al. 2 OEaux).

 

C.           Surveillance de la Confédération (al. 3)

31. La Confédération est l’autorité de surveillance des mesures découlant de la LEaux (art. 46 al. 1 LEaux). Elle doit donc être informée de la réalisation des mesures d’assainissement, et, à cet égard, l’art. 83b al. 3 LEaux prévoit un tel contrôle par des rapports cantonaux réguliers, tous les quatre ans.

32. Cette surveillance se manifeste en réalité de manière plus étroite encore, par la consultation de l’OFEV préalablement à toute décision concernant un projet d’assainissement, qu’il soit lié aux éclusées (art. 41g al. 2 OEaux) ou au régime de charriage (art. 42c al. 3 OEaux). La raison de cet aval tient au financement des mesures d’assainissement, qui découle de la législation sur l’énergie (art. 15abis et 15b LEne) sous la forme d’une redevance prélevée par la société nationale du réseau de transport, Swissgrid. En prévision de la demande à déposer par le détenteur d’une installation, l’OFEV doit vérifier que le projet respecte les exigences de l’appendice 1.7 ch. 2 OEne (art. 17d al. 1 OEne41g al. 2 et 42c al. 3 OEaux).

 

 

Zusammenfassung

Art. 83b GSchG legt die Anforderungen an die Planung der Kantone betreffend die Sanierungsmassnahmen der bestehenden Anlagen fest, zu welchen diese aufgrund der Art. 39a und 43a GSchG sowie des Art. 10 BGF verpflichtet sind. Diese Planung spielt eine wichtige Koordinierungsrolle hinsichtlich der Gesamtheit aller entsprechenden Massnahmen des GSchG und des BGF. Auf der Basis dieser Planung werden die Entscheidungen über die Sanierungsmassnahmen getroffen.

Die Aufsicht durch den Bund ist gewährleistet während der Vorstellung der Pläne, aber auch vor der Umsetzung jedes einzelnen Sanierungsprojekts.

 

 

Bibliographie: Jansen Luc, Renaturation et adaptation du droit cantonal aux nouvelles dispositions de la législation fédérale sur la protection des eaux, in: DEP 2012, 126 ss (cit. Protection des eaux).

 

 

Travaux préparatoires et sources juridiques officielles: Motion Epiney (07.3311) «Renaturation des cours d’eau. Contre-projet à l’intiative populaire ‹Eaux vivantes›» du 6 juin 2007 (cit. Motion Epiney Renaturation); Message concernant l’initiative populaire fédérale «Eaux vivantes (Initiative pour la renaturation)» du 27 juin 2007, FF 2007 5237 ss (cit. Message initiative Eaux vivantes 2007); Office fédéral de l’environnement (OFEV), Rapport explicatif du 20 avril 2011, A) Initiative parlementaire Protection et utilisation des eaux (07.492) – Modification des ordonnances sur la protection des eaux, l’aménagement des cours d’eau et l’énergie, de même que de l’ordonnance relative à la loi fédérale sur la pêche, Berne 2011 (cit. Rapport explicatif).

3. Abschnitt: Abgeltungen

​​Fehr-Bosshard Delia​ | Stocker Lukas​

 

3. Abschnitt: Abgeltungen/Section 3: Indemnités

 

1         Über Abgeltungsgesuche für Anlagen und Einrichtungen, mit deren Erstellung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, wird nach dem bisherigen Recht entschieden. Die Abgeltung ist nach der im Zeitpunkt der Zusicherung geltenden Finanzkraft der Kantone zu bemessen.

2         … (Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 20. Juni 1997, mit Wirkung seit 1. Nov. 1997; AS 1997 2243; BBl 1996 IV 1217)

1         Les demandes d’indemnités pour les installations et les équipements dont la construction a commencé avant l’entrée en vigueur de la présente loi sont traitées selon l’ancien droit. L’indemnité est calculée d’après la capacité financière du canton au moment où elle est allouée.

2         … (Abrogé par le ch. I de la LF du 20 juin 1997, avec effet au 1er nov. 1997; RO 1997 2243; FF 1996 IV 1213)

1         Le domande di indennità per impianti e installazioni la cui costruzione è iniziata prima dell’entrata in vigore della presente legge sono decise secondo il diritto previgente. L’indennità è calcolata secondo la capacità finanziaria del Cantone nel momento in cui è assegnata.

2         … (Abrogato dal n. I della LF del 20 giu. 1997, con effetto dal 1° nov. 1997; RU 1997 2243; FF 1996 IV 1041)

 

 

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II.  ​ Allgemeine Bemerkungen 4
III. Kommentierung 6

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Die frühere Fassung von Art. 84 Abs. 1 und 2 GSchG sah vor, dass für Anlagen und Einrichtungen, mit deren Erstellung noch nach altem Recht begonnen wurde, jährlich mit dem Voranschlag ein Höchstbetrag für entsprechende Abgeltungen festgesetzt wird. Das Bundesgericht erachtete es als fraglich, ob es noch mit dem Zweck einer Subvention vereinbar sein könne, wenn die Abgeltung erst lange Zeit nach Erfüllung der in Frage stehenden Aufgabe ausgerichtet wird (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166 ff., 170; Botschaft GSchG 1996, 1232). Auch wenn sich die Anlagen und Einrichtungen zumindest bereits im Bau befunden haben, erachtete es der Gesetzgeber als zweckmässig, dass Abgeltungen lediglich aufgrund jährlicher Kredite zuzusprechen sind. Dies führte zu Verzögerungen bei bereits erstellten subventionsberechtigten Anlagen und Einrichtungen (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166 ff., 170).

2. Zur Lösung dieses Problems schlug der Bundesrat 1996 einen neuen Art. 65 Abs. 2 GSchG vor, wonach das Parlament zusätzlich zu den gewöhnlichen Zusicherungskrediten jeweils für vier Jahre Kredite bewilligt, um die Abgeltungen zu bezahlen, welche in Anwendung von Art. 13 Abs. 6 SuG dem Grundsatz nach zugesichert worden sind (Botschaft GSchG 1996, 1232; BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 3b, in: ZBl 100 [1999], 166 ff., 170; vgl. auch Komm. zu Art. 65 GSchG N 5).

3. Art. 84 Abs. 2 GSchG sah bis zur Revision 1997 vor, dass die Bundesversammlung mit Voranschlag den Höchstbetrag festlegt, bis zu dem im Voranschlagsjahr Abgeltungen nach Abs. 1 zugesichert werden dürfen. Mit der neuen Regelung von Art. 65 Abs. 2 GSchG wurde die Übergangsbestimmung von Art. 84 Abs. 2 GSchG hinfällig (Botschaft GSchG 1996, 1232, vgl. auch die Komm. zu Art. 65 GSchG N 5 ff.).

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

4. Der bisherige Art. 84 Abs. 1 GSchG und das Subventionsrecht des Bundes enthalten den Grundsatz, dass keine Abgeltungen gewährt werden können, wenn mit einem erst nach einer Gesetzesrevision abgeltungsberechtigten Vorhaben bereits vor der Revision begonnen wurde.

5. Für Abgeltungen für Massnahmen in Abwasserreinigungsanlagen zur Elimination von organischen Spurenstoffen soll von dieser Regel eine Ausnahme eingeführt werden (Botschaft GSchG 2013, 5561). Art. 84 GSchG wurde per 1. Januar 2016 aufgehoben (AB 2013 S 1105; AB 2014 N 9; vgl. Vor Art. 61–66 GSchG N 53 ff.).

 

III.        Kommentierung

6. Abgeltungsgesuche für Anlagen und Einrichtungen, mit deren Erstellung vor Inkrafttreten des GSchG begonnen wurde, werden nach bisherigem Recht entschieden (Art. 84 Abs. 1 GSchG). Im Grundsatz werden auch nach allgemeinem Subventionsrecht des Bundes (Art. 36 SuG) keine Abgeltungen gewährt, wenn mit einem erst nach einer Gesetzesrevision abgeltungsberechtigten Vorhaben bereits vor der Revision begonnen wurde.

7. Allerdings sind gemäss Übergangsbestimmung in Art. 42 SuG die allgemeinen Bestimmungen über Finanzhilfen und Abgeltungen auch für frühere Finanzhilfe‑ und Abgeltungsverfügungen und ‑verträge anwendbar, soweit diese über das Inkrafttreten der neuen Regelungen hinaus wirksam sind und das SuG für die Empfänger nicht ungünstiger ist als das bisherige Recht (vgl. dazu auch BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 2.c, in: ZBl 100 [1999], 166 ff., 169). Keine Anwendbarkeit der altrechtlichen Bestimmungen des SuG besteht insbesondere dann, wenn eine Abgeltungsverfügung vor Inkrafttreten noch gar nicht erlassen worden ist. Dabei ist zu beachten, dass die Ermächtigung zum Baubeginn keine solche Zusicherung darstellt (BGer 2A.453/1996 vom 18. August 1997, E. 2.c, in: ZBl 100 [1999], 166 ff., 169).

8. Die bereits in Art. 36 Bst. b SuG enthaltene Regel macht Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GSchG zu einer blossen Wiederholung für den Bereich der Subventionen im Gewässerschutz. Die Aufhebung des Art. 84 Abs. 1 GSchG bleibt daher wohl ohne direkte Folgen. Die neue Spezialbestimmung von Art. 61a Abs. 2 revGSchG zu den Mikroverunreinigungen weicht von der Grundregel im Subventionsrecht des Bundes bewusst ab (vgl. Botschaft GSchG 2013, 5561).

 

 

Résumé

L’art. 84 al. 1 LEaux reprenait la règle générale du droit des subventions de la Confédération selon laquelle les demandes d’indemnités pour les installations et les équipements dont la construction a commencé avant l’entrée en vigueur de la présente loi sont traitées selon l’ancien droit. Suite à la révision de la LEaux en 2014, cette disposition a été supprimée.

3. Kapitel: Referendum und Inkrafttreten

Eggenschwiler Ursina

 

3. Kapitel: Referendum und Inkrafttreten/
Chapitre 3: Référendum et entrée en vigueur

1         Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2         Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

1         La présente loi est sujette au référendum facultatif.

2         Le Conseil fédéral fixe la date de l’entrée en vigueur.

1         La presente legge sottostà al referendum facoltativo.

2         Il Consiglio federale ne determina l’entrata in vigore.

 

Inhaltsübersicht

Entstehungsgeschichte 1
II. ​ Allgemeine Bemerkungen 2
III. Kommentierung 5
A. Fakultatives Referendum (Abs. 1) 5
B. Inkrafttreten (Abs. 2) 9

 

I.              Entstehungsgeschichte

1. Ende der 1980er Jahre war der Zustand der Schweizer Gewässer besorgniserregend und der Gewässerschutz ein in Gesellschaft und Politik präsentes Thema. In diesen Zeitraum fielen die starke Überdüngung der Seen, das daraus folgende Phosphatverbot für Textilwaschmittel sowie die Katastrophe von Schweizerhalle 1986, wo der Brand einer Lagerhalle der Sandoz AG zu einer massiven Schädigung des Rheins und der Vernichtung des Fischbestandes und anderer Wasserlebewesen führte (Wunderlin, Schweizerhalle). Dass im Bereich des Gewässerschutzes ein grosser Handlungsbedarf bestand, war schon seit vielen Jahren unbestritten. Insbesondere wurde auch die Forderung nach einem quantitativen Gewässerschutz laut, welcher weder im GSchG 1955 noch im GSchG 1971 enthalten war. Vom schlechten Zustand der Gewässer und den verschiedenen Ereignissen betroffen, reichten Parlamentarierinnen und Parlamentarier eine grössere Anzahl von Motionen, Interpellationen und Einfachen Anfragen zu den Themen Wasser, Gewässer und Gewässerschutz ein (vgl. Curia Vista). So begann eine neue Etappe des bundesrechtlich geordneten Gewässerschutzes, die mit dem GSchG vom 24. Januar 1991 den quantitativen Gewässerschutz einbezog und damit den Schutzbereich erheblich erweiterte (vgl. Komm. zu Art. 1 GSchG N 1).

 

 

II.           Allgemeine Bemerkungen

2. Im Jahr 1983 lancierte ein Zusammenschluss von neun gesamtschweizerisch tätigen Umweltschutz‑ und Fischereiorganisationen die Volksinitative «zur Rettung unserer Gewässer». Diese wurde am 9. Oktober 1984 mit 176’887 gültigen Unterschriften eingereicht (Botschaft GSchG 1987, 1062) und von der Bundeskanzlei am 8. November 1984 für formell zustandegekommen erklärt (Botschaft GSchG 1987, 1066). Die Initianten verlangten, dass natürliche Gewässer und Gewässerabschnitte, die noch weitgehend ursprünglich sind, samt ihren Uferbereichen umfassend geschützt werden und Eingriffe örtlich zu beschränken resp. unzulässig seien, wenn diese den ökologischen oder landschaftlichen Charakter von Gewässerabschnitten veränderten. Ausserdem sei bei neuen und bestehenden Stauhaltungen und Wasserentnahmen dauernd und auf der ganzen Länge der Fliessstrecke eine ausreichende Wasserführung zu gewährleisten (BBl 1983 II 357 ff.).

3. Dem Bundesrat ging die Volksinitative zu weit, weil diese den Interessen des Gewässerschutzes bewusst den Vorrang vor anderen Interessen einräumte (Botschaft GSchG 1987, 1062). Er beurteilte sie als einseitig, meinte, dass dadurch die Stromproduktion innert kurzer Zeit zu stark eingeschränkt werde und Kosten in Milliardenhöhe verursacht würden (Bundesrat, Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992, 13). Er entschloss sich daher, der Initative einen indirekten Gegenentwurf in Form des totalrevidierten GSchG gegenüberzustellen (Botschaft GSchG 1987, 1063). Der Revisionsentwurf, so der Bundesrat, verfolge grundsätzlich die gleichen Ziele wie die Initative, beruhe aber auf einer umfassenden Abwägung der verschiedenen Interessen und stelle somit das in der Zeit politisch Machbare dar (Botschaft GSchG 1987, 1063).

4. Nach langem Hin und Her und einer grossen Uneinigkeit zwischen den Räten haben National‑ und Ständerat die Gesetzesvorlage am 24. Januar 1991 in der jeweiligen Schlussabstimmung angenommen (AB 1991 N 192; AB 1991 S 50). Weil das fakultative Referendum ergriffen worden ist, gelangte das totalrevidierte GSchG vors Volk.

 

 

III.        Kommentierung

A.           Fakultatives Referendum (Abs. 1)

5. Gemäss Art. 89 Abs. 2 BV 1874 (entspricht heute weitgehend Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV) konnten 50’000 Stimmberechtigte oder acht Kantone verlangen, dass unter anderem Bundesgesetze dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.

6. Der Interessenverband Schweizerischer Kleinkraftwerk-Besitzer (ISKB) ergriff das fakultative Referendum gegen das Gesetz (ISKB, Leistungsausweis), weil er befürchtete, dass mit dem totalrevidierten GSchG den Kleinkraftwerken künftig zu wenig Wasser für die Stromproduktion zur Verfügung stehen würde und daher ungefähr ein Drittel aller Kleinwasserkraftwerke den Betrieb einstellen müssten (Bundesrat, Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992, 17). Nicht zu Stande gekommen ist hingegen ein Kantonsreferendum gegen das Gesetz (Degen, Referendum).

7. Bundesrat und Parlament lehnten die Initative ab, sprachen sich aber für das totalrevidierte GSchG aus. Der Bundesrat sah «kaum zu lösende Auslegungsprobleme» zwischen der bereits bestehenden Verfassungsgrundlage und den Bestimmungen der Initative (Botschaft GSchG 1987, 1062) und verwies auf die rechtlichen Probleme, welche die gleichzeitige Annahme der sich teilweise widersprechenden Initative und des GSchG mit sich bringen würde (vgl. BJ, Verfassungsinitative und Bundesgesetz, 55 ff.).

8. Am 17. Mai 1992 stimmte das Volk sowohl über die Volksinitative als auch über das totalrevidierte GSchG, den indirekten Gegenvorschlag, ab. Das Stimmvolk sprach sich schliesslich mit 66.1 % Ja gegen 33.9 % Nein deutlich für das GSchG aus und lehnte die Volksinitative «zur Rettung unserer Gewässer» mit 37.1 % Ja und 62.9 % Nein ab. Während das GSchG in den meisten Kantonen angenommen worden war, Ausnahmen waren die Kantone Wallis, Uri, Glarus, Schwyz sowie Obwalden, wurde die Volksinitative von allen Ständen verworfen (BRB Volksabstimmung 13.8.1992, 452 ff.).

B.            Inkrafttreten (Abs. 2)

9. In Art. 85 Abs. 2 GSchG wird der Bundesrat, wie bei den meisten Bundesgesetzen, mit der formellen Inkraftsetzung des Gesetzes beauftragt. Er bestimmt den Zeitpunkt der Inkraftsetzung, welcher sich nach den Möglichkeiten für die Bereitstellung der Vollzugsmittel (insbesondere personeller und rechtlicher Art) zu richten hat (BJ, Verfassungsinitative und Bundesgesetz, 56). Das GSchG trat am 1. November 1992 in Kraft, fünfeinhalb Monate nach der Annahme des Gesetzes durch die Stimmbürger.

 

 

Résumé

En vertu de l’art. 89 al. 2 Cst. 1874, 50’000 citoyens et citoyennes ayant le droit de vote ou huit cantons pouvaient demander, dans les 100 jours à compter de la publication de l’acte, que les lois fédérales soient soumises au vote du peuple.

Un référendum contre la LEaux fut lancé par l’Association des Usiniers Suisses, qui craignait qu’environ un tiers des petites centrales hydroélectriques soient contraintes de cesser leurs activités suite au manque d’eau disponible nécessaire à la production d’électricité.

Le peuple vota, le 17 mai 1992, tant sur l’initiative populaire «Pour la sauvegarde de nos eaux» que sur la révision de la LEaux. 66.1 % des électeurs approuvèrent la révision de la LEaux. L’initiative populaire fut, par contre, refusée par 62.9 % des électeurs. La LEaux est entrée en vigueur le 1er novembre 1992, soit cinq mois et demi après l’adoption de la loi par le peuple.

 

 

Literatur: Degen Bernard, Referendum, in: Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (Hrsg.), Historisches Lexikon der Schweiz, Band X, Basel 2011, 166 ff. (zit. Referendum); Interessenverband Schweizerischer Kleinkraftwerk-Besitzer (ISKB), Geschichte & Tätigkeit, <http://www.iskb.ch/isk
b/geschichte-t%C3%A4tigkeit/>, 9.12.2015 (zit. Leistungsausweis); Wunderlin Dominik, Schweizerhalle, in: Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (Hrsg.), Historisches Lexikon der Schweiz, Band XI, Basel 2012 (zit. Schweizerhalle).

 

 

Materialien und amtliche Publikationen: Bundesrat, Abstimmungsbüchlein – Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 – Erläuterungen des Bundesrates, Bern 1992 (zit. Erläuterungen Volksabstimmung 17.5.1992); Bundesamt für Justiz (BJ), Rechtsfolgen bei einer allfälligen Annahme einer Verfassungsinitiative und eines Bundesgesetzes, die sich teilweise widersprechen und gleichzeitig zur Abstimmung gelangen (in casu Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer» und Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991), 10. April 1992, in: VPB 1994 Nr. 2, 50 ff. (zit. Verfassungsinitiative und Bundesgesetz); Bundesratsbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 13. August 1992 (Beitritt zu den Institutionen von Bretton Woods; Gesetz zu den Bretton-Woods-Institutionen; Gewässerschutzgesetz; Fortpflanzungs- und Gentechnologie, Zivildienst; Sexualstrafrecht; Volksinitiative «zur Rettung unserer Gewässer»), BBl 1992 V 451 ff. (zit. BRB Volksabstimmung 13.8.1992).